Ruhrpottherzen - Angie Pfeiffer - E-Book

Ruhrpottherzen E-Book

Angie Pfeiffer

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Beschreibung

Ruhrpottherzen Im dritten Teil der Ruhrpottsaga geht es turbulent zu. Elisa größter Wunsch erfüllt sich, sie bekommt das erste Kind. Sehr zum Leidwesen ihres Mannes, denn Alfred Gimpel wollte eigentlich gar keine Kinder. Nicht genug damit, verführt ihn Elisa nach Strich und Faden, um ein zweites Kind zu bekommen. Seine Drohung, als Holzfäller nach Alaska zu gehen, wenn sie ihm zum dritten Mal ‚ein Balg anhängt‘ scheint sie ernst zu nehmen. Es bleibt bei den beiden Jungen Felix und Matts. Doch gerade der jüngere Sohn Matts bringt seinen Vater regelmäßig auf die Palme. Alfred kann sich häufig nicht beherrschen und schlägt das Kind. Als die Situation eskaliert, stellt Elisa Alfred ein Ultimatum. Auch die Nachbarin Karin ist in ihrer Ehe nicht glücklich. Sie wirft ihren Mann kurzerhand hinaus. Bald lernt sie den Friedhofsgärtner Uwe kennen, doch der hat mehr Interesse an ihrer jüngsten Tochter, als an ihr. ‚Ruhrpottherzen‘ ist ein Roman über Macker und Tussis, Döppken und Blagen, Hallas und Halligalli, Fissematenten, Sperenzkes, und ein ganz schönes Schlamassel.

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Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen oder Persönlichkeiten ist selbstverständlich nicht gewollt und rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

1980

1981

1982

1983

1984

1985

1986

1987

1988

1989

Prolog

Sie holt tief Luft, lässt sich in den nächstbesten Sessel fallen.

‚Erst einmal die Schuhe ausziehen und die Füße einen Augenblick hochlegen‘, denkt sie. Auspacken kann sie später noch, das hat Zeit. Ihre beste Freundin hat ihr eine Flasche Champagner geschenkt. Jetzt, zur Ruhe gekommen, wird sie sich einen Schluck gönnen. Ganz für sich allein feiern, die neu gewonnene Freiheit einen Augenblick lang auskosten.

Der Champagner perlt, sie hebt ihr Glas, prostete ihrem Spiegelbild zu. ‚Auf dich‘.

Zufrieden sieht sie sich in dem spartanisch eingerichteten Zimmer um. Sie hat keine Möbel mitgenommen, will nichts, was an ihn erinnerte in ihrer Nähe haben.

Wieder nippt sie an ihrem Glas, nachdenklich geworden. Die Trennung ist der letzte Schritt, doch wann ist es zum Bruch gekommen? Wann hat sich die Liebe in Luft aufgelöst, ist einer Leere gewichen, die sie und ihn umschloss. Einer Leere, die sich irgendwann mit Aggressivität füllte, mit Widerwillen und Intoleranz, einen tiefen Graben zwischen ihnen schuf, über den es keine Brücke mehr gab.

Ihr Auszug aus der gemeinsamen Wohnung, ist die letzte Konsequenz. Der Weg dorthin war schmerzlich, hatte sie viel Kraft gekostet.

Doch sie hat es geschafft, ihr Leben wieder selbst in die Hand genommen, und sie wird es auch weiter schaffen, ohne ihn!

1980

Elisa krümmte sich, versuchte tief in den Bauch zu atmen, wie es ihr beigebracht worden war. Das hatte sich während der Schwangerschaftsgymnastik alles so einfach angehört. Jetzt, nachdem die Wehen eingesetzt hatten, war es ihr fast unmöglich ruhig zu atmen. Sie konzentrierte sich: ‚Ruhig bleiben, tief durch die Nase einatmen, die Luft langsam aus dem Mund strömen lassen‘, befahl sie sich. Merkte, wie der Schmerz langsam abebbte, ihr eine Atempause gewährte. Bevor die nächste Welle sie überrollte, griff sie erneut zum Telefonhörer. „Hoffentlich nimmt sie jetzt ab!“

Tatsächlich meldete sich Käthe, ihre Schwiegermutter, nach mehrmaligem Klingeln mit einem unfreundlichen „Hallo?“

„Hallo, ist Alfred bei dir?“, wisperte Elisa in den Hörer.

„Allerdings, stört dich das?“, war die Antwort. „Schließlich muss der Junge nach der Arbeit etwas Ordentliches zu Essen haben!“

Elisa ließ sich auf keine Diskussion ein, sie hatte im Moment andere Sorgen als die ausreichende Ernährung ihres Ehemannes. „Bitte sag ihm einfach, dass er schnell nach Hause kommen soll, die Wehen haben eingesetzt.“ Nach dieser Information knallte sie den Hörer auf die Gabel. Sie krümmte sich erneut, denn die nächste Wehe überrollte sie, nahm ihr den Atem.

***

Eine gefühlte Ewigkeit später hörte sie den Schlüssel im Schloss. Alfred stürmte ins Zimmer. „Ich bin so schnell es ging gefahren“, japste er atemlos. „Was sollen wir jetzt machen?“

Elisa verzog das Gesicht, diese Frage verwunderte sie trotz ihres Zustands. „Vielleicht sollten wir zum Krankenhaus fahren oder was meinst du?“, und obwohl sie sich vorgenommen hatte, ganz gelassen zu bleiben: „War’s denn schön bei Mutti?“

Alfred antwortete nicht. Er hatte in den letzten Wochen jeden Tag bei seiner Mutter gegessen. „Dann brauchst du nicht für mich zu kochen, wo du dick bist!“ Es folgte unweigerlich ein abschätzender Blick auf Elisas Schwangerschaftsbauch. Auch heute, am Tag des errechneten Geburtstermins war er nach Feierabend zu seiner Mutter gefahren.

Elisa hatte sehr gehofft, dass Alfreds Mutterbindung mit dem Umzug in einen gut 50 km weit entfernten Ort etwas nachlassen würde, hatte sich aber geirrt. Nach wie vor mischte sich ihre Schwiegermutter ein, kritisierte gnadenlos Elisas Verhalten und verfügte nach Belieben über ihren Sohn. Auf Anraten seiner Mutter weigerte sich Alfred, einen geburtsvorbereitenden Kurs zusammen mit seiner Frau zu besuchen. „Die Mutti meint auch, dass so etwas Weibersache ist!“

Zum Glück für Elisa gab es noch eine werdende Mutter, die den Kurs ohne Mann besuchte, doch sie war sowieso solo. So übernahm immer abwechselnd eine von ihnen den Part des nicht schwangeren Partners, was Elisa seltsam anmutete. Doch sie gab die Hoffnung nicht auf: Vielleicht würde sich einiges ändern, wenn das Kind erst einmal auf der Welt war, Alfred Verantwortung übernehmen müsste.

***

Das altertümlich anmutende Gebäude machte einen fast baufälligen Eindruck, doch verbarg sich hinter der Fassade ein charmantes, altmodisches Krankenhaus, das sein eigenes Flair hatte. In der gynäkologischen Abteilung angekommen wurde Elisa von der Hebamme in Empfang genommen. „Es hat noch Zeit“, stellte sie fest. „Wenn du laufen möchtest, dann ist das in Ordnung!“

So tigerte Elisa, den überforderten Alfred im Schlepptau, den Krankenhausflur auf und ab. In regelmäßigen, immer kürzer werden Abständen, ging sie auf die Toilette, knallte Alfred die Tür vor der Nase zu, krümmte sich, auf dem Toilettenrand hockend, zusammen.

Schließlich fing die Hebamme sie wieder ein und dirigierte sie in den Kreißsaal.

Obwohl sich für Elisa die Zeit endlos zu dehnen schien, dauerte es nur noch eine kurze Weile und ein paar Presswehen.

„Du hast einen Sohn und er hat ein Glückshäutchen“, erklärte die Hebamme strahlend.

Schließlich lag der kleine Junge warm und weich auf Elisas Bauch. Sie fühlte sich glücklich wie nie zuvor. Alfred stand wohl immer noch unter Schock. Er saß neben der Liege und stammelte ununterbrochen: „Ich habe einen Sohn, einen Sohn. Ich habe einen Sohn!“

Nach einer Weile unterbrach ihn die resolute Hebamme. „Das können wir alle sehen, mein Lieber und jetzt wirst du ihn baden!“

„Wer? Ich? Baden?“ Der fassungslose Vater schaute sich hilfesuchend um, was die Hebamme dazu brachte, einen amüsierten Blick mit Elisa zu wechseln. „Aber sonst ist dein Mann nicht so schwer von Begriff, oder?“

Nachdem er seinen Sohn tadellos gebadet und die Hebamme den Namen eingetragen hatte, verabschiedete sich der stolze Vater. Elisa, frisch gemacht und überglücklich, wurde in ihr Zimmer gebracht, wo sie in einen unruhigen Dämmerschlaf fiel. Immer wieder wachte sie auf. „Ich habe ein Kind!“, dachte sie dann, noch immer ein Bisschen fassungslos. Sie freute sich schon auf den nächsten Tag, an dem der Kleine zu ihr ins Zimmer überwechseln sollte. „Rooming-in“, das war seit neuestem der Hit in allen Krankenhäusern.

***

„Ach is dat schön“, entzückt beugte sich Elisas Mutter über das Kinderbettchen, in dem ihr Enkelsohn schlief, während Kalle seine Tochter in die Arme schloss. „Spatz, das hast du gut gemacht.“ „Tja, wenn ich daran denke, dass du Karten gekloppt hast, während ich deinen Sohn geboren habe!“ Ilse konnte sich diese Spitze nicht verkneifen. Kalle stutzte einen Augenblick, um dann breit zu grinsen. „Das stimmt aber nicht, du hast uns, bevor das Kind gekommen ist, doch alle rausgeschmissen!“

Tatsächlich hatte der werdende Vater mit seinem Schwager und dem besten Freund im heimischen Wohnzimmer Skat gespielt. Schließlich war es Rosenmontag. Seine hoch schwangere Frau allein zu lassen, das traute Kalle sich nicht. Während der Skatpartie setzten bei Ilse die Wehen ein. Da sie beschlossen hatte, das erste Kind zu Hause zu bekommen, warf Ilse die Männer kurzerhand hinaus. Anschließend schickte sie Kalle los, um die Hebamme zu holen.

Peter, Elisas älterer Bruder, kam tatsächlich an diesem Rosenmontag zur Welt. Passend zu seinem Geburtstag war er selten schlecht gelaunt und für jeden Jux zu haben.

„Und der Kleine heißt also Felix? Ein moderner Name wäre schöner gewesen: Marcel zum Beispiel!“ Ilse konnte einfach nicht zufrieden sein, sie fand immer einen Grund, um zu meckern, stellte Elisa einmal mehr fest.

„Ach was, der Vorname ist in Ordnung. Schlimmer ist, dass der arme Junge den Nachnamen seines Vaters tragen muss: Gimpel! Felix Gimpel, schauderhaft! Wie gut würde da Felix Jollenbeck klingen.“ Elisas Vater konnte seinen Schwiegersohn nicht leiden und hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Das ging ihm nicht allein so. Auch für den Rest der Familie Jollenbeck war Alfred Gimpel das reinste rote Tuch. Lediglich Ilse hatte aus unerfindlichen Gründen einen Narren an ihm gefressen. Alfred schien es völlig schnuppe zu sein, ob er vom Jollenbeck Clan akzeptiert wurde. Er vermied sowieso jeden unnötigen Kontakt mit den Jollenbecks.

Elisa grinste. „Ja sicher dat, am besten Marcel Jollenbeck-Gimpel. Lass mal, das passt schon.“

„Hat sich deine Schwiegermutter schon blicken lassen?“, erkundigte sich Ilse interessiert. Elisa seufzte. „Ja, leider. Sie hat mir erst einmal erklärt, dass es ganz schlecht für das Kind ist, wenn ich es stille. Sie hat ihrem Freddy Haferschleim gekocht und ich solle doch mal schauen, was er für ein Prachtkerl geworden ist.“

„Prachtkerl, dass ich nicht lache!“

Elisa überhörte den Einwurf ihres Vaters geflissentlich. „Überhaupt soll ich Rücksicht darauf nehmen, dass in einigen Wochen ihr Geburtstag ist. Bis dahin habe ich mich so weit erholt zu haben, dass ich an der tollen Feier teilnehmen kann. Natürlich mit dem Kleinen. Das bestimmt die olle Hexe einfach so und ihr Sohn steht dabei, grinst dümmlich und sagt kein Wort!“

„Tja, irgendwann wirst du ihr Paroli bieten müssen. Ich hoffe sehr für dich, dass dein toller Mann dann zu dir steht! In jedem Fall kannst du dich auf uns verlassen.“ Kalle legte seiner Frau liebevoll den Arm um die gut gepolsterte Taille.

„Ja, ich denke auch, dass ich mir nicht immer alles von meiner Schwiegermutter gefallen lassen kann. Vielleicht kommt es schneller zu einem handfesten Krach, als wir es denken.“ Schnell schüttelte Elisa die trüben Gedanken ab und strahlte ihre Eltern an. „Wichtig ist im Moment nur unser kleiner Felix. Ist er nicht das süßeste Baby auf der ganzen Welt!“

***

„Du meine Güte, stell dich doch nicht so an! Schließlich erwartet die Mutti, dass wir zusammen zu ihrem Geburtstag gehen. Wenn du der Meinung bist, dass das Blag gestillt werden muss, dann trägst du auch die Konsequenzen.“ Alfred ließ nicht mit sich reden. Im Gegenteil brachte er sich immer mehr in Rage. Dabei hatte Elisa gedacht, ihm einen Gefallen zu tun, als sie ihm vorschlug, den Geburtstag seiner Mutter allein zu besuchen. Sie hatte bei dem Gedanken, den ein paar Wochen alten Säugling mit auf die Feier zu nehmen ein schlechtes Gefühl. Einerseits war der Kleine einen derartigen Trubel nicht gewohnt, andererseits rauchten alle Anwesenden wie die sprichwörtlichen Schlote.

Elisa hatte, sofort als sie wusste, dass sie schwanger war, das Rauchen eingestellt und war fest entschlossen, nicht wieder damit anzufangen. Leider stand sie mit dieser Meinung allein da. Selbst Alfred sah nicht ein, in Gegenwart seines noch ungeborenen Kindes auf den Zigarettenkonsum zu verzichten.

Seine Mutter bestärkte ihn in dieser Meinung. „Ich habe meine Zigaretten in eine Dose gepackt, als ich sicher war, dass ich ein Kind erwarten würde. Nachdem ich das Blag bekommen habe und wieder zu Hause war, habe ich gleich geraucht und es war ein Genuss!“, schwelgte sie in Erinnerungen. Hinzu kam, dass anlässlich der verschiedenen Familienfeiern dem Alkohol reichlich zugesprochen wurde. Käthe erwies sich dabei als äußerst trinkfest und konnte es in dieser Beziehung mit dem gesamten Donkosakenchor aufnehmen. Bei den diversen Trinkgelagen stimmte sie immer ein munteres Liedchen an. Das ‚Polenmädchen‘ war ihr ausgesprochener Favorit.

Elisa machte gute Miene zu bösem Spiel. „Ist schon gut, ich komme mit. Aber beschwer dich hinterher nicht bei mir, wenn wir früher als gewöhnlich nach Hause fahren müssen. Der Kleine ist so viele Leute auf einen Schlag überhaupt nicht gewöhnt!“ Sie musterte Alfred noch einmal streng. „Und glaub bloß nicht, dass deine Mutter das Kind in die Hände bekommt, wenn sie etwas getrunken hat!“ Ohne ihrem Mann die Gelegenheit zu einer Entgegnung zu geben, drehte sie sich um und kümmerte sich demonstrativ um Felix, der verschlafen blinzelte.

***

Wie gewöhnlich hatte sich Käthe in ihren rosa Kittel gezwängt. Oben herum trug sie den obligatorischen weißen Nylonpullover. Unten wurde das Bild von der Strumpfhose komplettiert, deren Zwickel immer einmal unter dem Kittelsaum hervorblitzte. Aus dem Schwung, mit dem sie die Wohnungstür öffnete, ließ sich schließen, dass sie schon den einen oder anderen Weinbrand mit Cola intus hatte.

Ihr Schwiegersohn Roland ließ es sich bei keiner Feier nehmen, den Barkeeper zu spielen. Seine Spezialität war die ‚Hausmarke‘: Er füllte ein Whiskyglas halb voll Weinbrand und fügte einen Hauch Cola hinzu. Während Käthe und Roland die explosive Mischung wie Wasser hinunterkippten, hatte das Getränk schon so manchen Nichtsahnenden aus den Socken gehauen. Franz-Rainer Wuttke, dem Ehemann der mittleren Gimpeltochter Sylvia hatte die ‚Hausmarke‘ zu so manchem Absturz verholfen. Einmal war er direkt über eine halbhohe Steinmauer auf den örtlichen Friedhof gekippt. Sylvia hatte anschließend alle Mühe, ihn von den Toten zu den Lebenden zu befördern.

Elisa musterte ihre Schwiegermutter verdrossen. ‚Die fangen auch immer früher an zu trinken‘, dachte sie, hütete sich aber davor, ihre Gedanken laut auszusprechen. Sie quälte ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Hallo Schwiegermutter, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“

Doch das Geburtstagskind hatte weder Augen für die Schwiegertochter, noch für das Geburtstagsgeschenk. „Ach da ist ja der kleine Freddy“, rief sie aus und nahm Elisa die Tasche mit dem schlafenden Kind aus der Hand. „Er sieht seinem Vater immer ähnlicher!“ Elisa öffnete den Mund, doch Alfred kam ihr zuvor. „Mutti, der Kleine schläft gerade und glaub mir: Ich bin froh, dass er mal nicht rumschreit. Lassen wir ihn einfach noch eine Weile in Ruhe. Wenn er gleich wach ist, dann kannst du dich um den Scheißer kümmern!“

Käthe strahlte ihren Sohn an. „Ach, mein Freddy“, gurrte sie. „du hast ja Recht. Wir stellen den Kleinen im Schlafzimmer auf dem Bett ab und lassen ihn schlafen. Nachher ist auch noch Zeit.“

Zu Elisas Überraschung trug sie die Tasche behutsam ins Schlafzimmer und stellte sie tatsächlich vorsichtig ab. Felix ließ sich nicht stören, steckte den Daumen in den Mund und schmatzte im Schlaf.

Im Wohnzimmer angekommen klopfte Elisa zur Begrüßung auf den Tisch. Sie ließ sich wie gewöhnlich neben Lara, ihrer Lieblingsschwägerin, nieder. „Na Patentante? Wie sieht’s aus?“ Die Angesprochene grinste. „Gut! Schließlich brauchte ich kein Kind zu kriegen. Louis ist uns gut geraten und ein Kind ist völlig ausreichend! Lieber gehe ich zu Fuß nach Holland, als das ich wieder ein Blag kriege!“

Roland, ihr schwergewichtiger Ehemann und Pseudo-Barkeeper, zuckte bedauernd die Schultern. „Tja, man kann nicht alles haben – die schönste Frau der Welt und gleichzeitig einen Stall voller Kinder.“

Lara strahlte ihren Mann an, kam aber nicht mehr dazu, ihm zu antworten. Carmen, die Jüngste der Gimpeltöchter, betrat das Wohnzimmer. Ihr folgte, in leicht gebückter Haltung, ihr blasser Ehemann. Carmen ließ sich in einen Sessel plumpsen und steckte sich aufatmend eine Zigarette an, während sie ihren beträchtlichen Bauch tätschelte. „Mensch bin ich froh, wenn ich erst mal ausgepackt habe. Dat Balg tritt und tritt und Probleme mit den Nieren habe ich auch.“

„Ja, letztens musste ich die Alte mitten in der Nacht zum Krankenhaus fahren weil sie gejault hat wie ein junger Hund“, ließ sich ihr Mann Walter Waczolla vernehmen. „Aber der Doc hat sie mir wieder mit nach Hause gegeben, leider. War wohl irgendwie falscher Alarm.“

Carmen sog gierig an ihrer Zigarette. „Wie gezz, leider? Meinst du vielleicht, ich wäre die dicke Wanne nicht gerne losgeworden. Du hast es gut. Brauchst bloß die Nacht durch unter Tage rumstehen und warten, dass irgend ‘ne Maschine kaputt geht und du sie reparieren kannst. Während ich mir nicht mal mehr die Schuhe alleine zumachen kann.“

Walter tippte sich grinsend an die Stirn. „Meine Alte ist bekloppt, das sage ich ja immer. Von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, aber die Fresse aufreißen! Die möchte ich mal im Stollen erleben, dat ist ganz wat anderes als im Bergbaumuseum!“

Das Ehepaar führte diese Diskussion schon seit geraumer Zeit. Walter, der als Elektriker auf der Zeche Nordstern ausschließlich in der Nachtschicht arbeitete, fühlte sich von seiner Frau unterschätzt. Carmen war der Meinung, er würde sein Geld im Schlaf verdienen. „Schließlich war ich schon öfter im Bergbaumuseum. Ich weiß wie es unter Tage aussieht, nämlich voll gemütlich“, war ihr Standartspruch, was ihren Mann regelmäßig auf die Palme brachte.

Elisa musterte die beiden, enthielt sich aber jeder Bemerkung. Sie hatte gleich zu Anfang der Schwangerschaft ihre Schwägerin auf deren Zigarettenkonsum angesprochen. Carmen erklärte ihr, der Gynäkologe habe darauf bestanden, dass sie weiter rauche. „Er meint, dass ich unbedingt rauchen soll, sonst kriege ich noch ne Fehlgeburt! Das du einfach mit dem Rauchen aufhörst und das Risiko eingehst dein Kind zu verlieren …“

Heimlich schüttelte Elisa den Kopf, denn die Schwägerin hatte offenbar etwas völlig falsch verstanden.

Jetzt meldete sich Kittel-Käthe zu Wort. „Ja, dann musst du erst mal einen Schnaps trinken, auf den Schrecken!“

Erleichtert stellte Elisa fest, dass der werdende Vater und nicht die Schwangere gemeint war. Käthe drückte ihm ein Whiskyglas voller Weinbrand in die Hand. Sie stieß mit ihm an, wobei ihr Glas nicht minder voll war.

„Bevor du dich ganz voll säufst, solltest du dich um den verdammten Kaffee und die Torte kümmern!“, das war Gustav, der Hausherr. Er saß wie immer in seinem Sessel am Fenster und schaute sich das muntere Treiben aus der Distanz an. Seit er an Diabetes erkrankt war, trank er kaum noch etwas Stärkeres als Kaffee.

Käthe flatterte in die Küche, um das Kaffeetrinken vorzubereiten. Elisa horchte einmal mehr in Richtung Schafzimmer. Felix schien noch immer selig zu schlummern.

„Wie geht es eigentlich deiner Freundin Anne?“, wandte sich Lara an ihre Schwägerin. „Du hast in letzter Zeit gar nichts mehr über sie erzählt. Wenn man bedenkt, dass ihr früher unzertrennlich wart ist das seltsam.“

Elisa seufzte. „Annerose ist so komisch geworden, seit sie geschieden ist. Wenn ich ihr vorschlage mich zu besuchen, dann blockt sie ab. Ich komme zurzeit nicht so gut weg. Der Kleine beansprucht eine Menge Zeit und Alfred braucht das Auto ständig, sodass ich überhaupt nicht mehr mobil bin. Mein Auto haben wir verkauft, wie du weißt. Immerhin ist mein komplettes Einkommen weggefallen, da können wir uns keinen Zweitwagen leisten.“

„Lass dich nur nicht so abspeisen. Schließlich hast du einen Führerschein. Ich habe es so bereut ihn nicht gemacht zu haben, als ich noch das nötige Kleingeld dazu hatte.“

Roland nahm seine Frau in den Arm. „Aber Schätzchen, ich fahre dich überall hin, das ist ja wohl selbstverständlich.“

Manchmal war Elisa richtig neidisch auf ihre Schwägerin Lara, denn ihr Ehemann kümmerte sich, im Gegensatz zu Alfred rührend um seine kleine Familie.

Inzwischen hatte Käthe den Tisch gedeckt und die Torte aufgetragen. „Buttercreme, hat der Papa gemacht. Backen kann er wirklich gut“, bemerkte sie dazu. Gustav nickte zustimmend mit dem Kopf und schaute resigniert auf das trockene Rosinenbrötchen, das ihm seine Frau servierte.

„Stell dich nicht so an, sei froh, dass du überhaupt noch was essen kannst“, wies die ihn prompt zurecht. An die Kinder gewandt beklagte sie ihr herbes Los. „Seit der Papa zuckerkrank ist, macht er bloß Fisimatenten. Früher hatten wir kein Geld, um Wurst und Fleisch in der Suppe zu haben, jetzt haben wir das Geld für beides und der Alte wird krank. Aber ich sehe überhaupt nicht ein, dass ich auf irgendetwas verzichte, nur weil er das nicht essen kann.“

Obwohl Gustav kein angenehmer Zeitgenosse war, tat er Elisa leid. Sie verstand nicht, wie die Kinder sich Käthes Bemerkungen anhören konnten, ohne ihren Vater auch nur einmal zu verteidigen. Elisa zuckte die Schultern, das sollte nicht ihr Problem sein, sie hatte mit ihrem Sohn alle Hände voll zu tun und wollte sich keine Gedanken um Alfreds Familie machen.

Wie aufs Stichwort machte sich Felix bemerkbar. Elisa erhob sich rasch. „Iss erst einmal zu Ende und trink in Ruhe deinen Kaffee aus“, wandte sie sich an ihre Schwiegermutter, die bereits ausgesprungen war. „Der Kleine läuft dir ganz bestimmt nicht weg.“

Im Schlafzimmer nahm sie ihren Sohn behutsam auf und wurde von einem strahlenden Lächeln belohnt. Sie hockte sich für einen Augenblick auf die Bettkante. Eigentlich hatte sie gar keine Lust, sich mit dem Kleinen zu der Geburtstagsgesellschaft zu setzen. Viel lieber hätte sie ihn eine Weile im Arm gehalten und ihn einfach angeschaut. Er kam ihr immer noch vor wie ein kleines Wunder. Doch es nutzte ja doch nichts. Zögernd betrat sie das Wohnzimmer.

Käthe hatte bereits die Kaffeetafel aufgehoben und war schnell wieder zur Tagesordnung übergegangen. Das bedeutete nichts anderes, als dass sie ein gefülltes Schnapsglas vor sich stehen hatte und an der obligatorischen Zigarette zog. „Gib ihn mir doch mal“, forderte sie. Wenigstens legte sie die Zigarette im Aschenbecher ab.

Elisa reichte ihr widerwillig das Kind, das seine Großmutter mit großen Augen aufmerksam anschaute. „Er sieht wirklich aus wie Freddy“, stellte die einmal mehr fest und drückte Klein-Freddy an ihren voluminösen Busen.

„Pass auf, sonst erdrückst du ihn mit deinen Titten“, ließ sich Gustav aus seiner Ecke vernehmen. Er schien gar nicht so unrecht zu haben. Felix verzog den Mund, holte schluchzend Luft, um anschließend ein lautstarkes Protestgeschrei anzustimmen.

„Tu-tu-tu“, gurrte Käthe, während sie den Protestierenden hin und her schockelte. Felix ließ sich nicht beirren. Er schrie lauthals weiter.

„Das reicht jetzt aber, der Kleine ist das hier einfach nicht gewohnt“, mit diesen Worten nahm Elisa ihrer Schwiegermutter das Kind aus dem Arm und wiegte es sacht. „Ich denke, ich gehe mit ihm nach nebenan, mache ihn sauber und stille ihn. Vielleicht beruhigt er sich dann.“

Im Schlafzimmer atmete sie tief ein und aus, während Felix leise vor sich hin schluchzte. Sie hatte es kommen sehen. Hätte Alfred bloß nicht auf diesem Besuch bestanden. Sie setzte sich auf das Bett und stillte den Kleinen. Bald war er eingeschlafen. Elisa blieb noch eine Weile neben der Tasche sitzen, hörte den immer lauter werdenden Stimmen im Nebenzimmer zu und wünschte sich nach Hause.

Nach einer Weile raffte sie sich auf und ging wieder zurück zur Geburtstagsgesellschaft. Käthe musterte sie kalt. „Ich habe Freddy gerade gewarnt. Du verzärtelst das Blag ganz schön. Du musst es auch mal schreien lassen. Das habe ich bei all meinen Kinder so gemacht und guck sie dir an; hat es ihnen etwa geschadet? Überhaupt darf das Kind nicht am Daumen lutschen, sonst kriegt es einen krummen Kiefer. Ich habe Freddy immer Senf auf den Daumen geschmiert, da hat er sich das ganz schnell abgewöhnt. Falls das nicht wirkt – ein kleiner Klaps tut Wunder!“

Elisa schluckte, holte tief Luft und setzte zu einer Antwort an.

„Ähm, die Mutti meint es wirklich gut, das weißt du ja.“ Alfred schaute sie warnend an, während er sich an seine Mutter wandte. „Der kleine Scheißer ist sonst nicht so, wirklich nicht. Ich weiß auch nicht, was heute mit dem los ist. Vielleicht hat er ‘nen Furz quer sitzen!“ Mit dieser Bemerkung löste Alfred allgemeines Gelächter aus. Elisa ließ sich erst einmal in einen Sessel sinken. Lara tätschelte ihr den Arm. „Das musst du nicht ernst nehmen, sie meint es wirklich nicht so.“

„Du hast gut Reden. Jedenfalls schläft der Kleine jetzt. Ich hoffe er wacht erst auf, wenn wir nach Hause fahren. Aber das kann dauern. Alfred fühlt sich sichtlich wohl.“

Wirklich machte Alfred im Kreis seiner Lieben einen höchst zufriedenen Eindruck. Auch er hatte inzwischen ein mit viel Weinbrand und wenig Cola gefülltes Whiskyglas vor sich stehen.

Einige Zeit später näherte sich die Stimmung dem Siedepunkt, Käthe war der Kittel noch höher gerutscht und sie stimmte ihr Lieblingslied an.

„In einem Polenstädtchen,

da wohnte einst ein Mädchen …, “

die Familie stimmte mit ein.

„… das war so schön.“

Lediglich Gustav rutschte tiefer in seinen Sessel und Lara wechselte einen genervten Blick mit Elisa. Auch Felix bewies einen guten Geschmack, denn erneut erscholl sein Geschrei aus dem Schlafzimmer. Elisa versuchte aufzustehen, wurde aber von ihrer Schwiegermutter am Ärmel festgehalten. „Den lässt du jetzt schön schreien, damit er sich daran gewöhnt. Der ist ja jetzt schon verwöhnt!“

Mit einem Ruck riss sich Elisa los und funkelte Käthe böse an. „Jetzt reicht es! Babys in dem Alter kann man überhaupt nicht verwöhnen, das solltest du dir merken. Im Übrigen geht es dich wirklich gar nichts an, ob ich mein Kind verwöhne oder nicht. Falls der Kleine schreit, so bin ich es, die aufsteht, nicht du. Überhaupt bezweifle ich stark, ob du jemals die Gelegenheit bekommst, auf das Kind zu achten, bei deinen mittelalterlichen Ansichten!“ Noch immer vor Zorn sprühend wandte sie sich Alfred zu, der sie entgeistert anstarrte. „Nun zu dir, mein Bester. Jetzt werde ich unseren Sohn fertigmachen und anschließend fahre ich nach Hause. Mit dir oder ohne dich.“

Alfred schien unter Schock zu stehen, denn er folgte seiner Frau wortlos, die unbeeindruckt von Käthes Gezeter die Wohnung verließ. Auch bei der folgenden Heimfahrt sagte Alfred kein Wort, was Elisa nur recht war. Selbst Klein-Felix war es zufrieden. Er schlummerte in seiner Tasche auf dem Rücksitz, wobei er ab und zu hingebungsvoll am Daumen nuckelte.

***

Elisa lächelte vor sich hin. Wie anders als die Schwiegereltern gingen ihre Eltern mit dem Baby um. Beide waren nach wie vor stolz auf das erste Enkelkind und konnten gar nicht genug davon bekommen. Ilse strickte unentwegt an irgendwelchen merkwürdigen Teilen. „Is dat schön, früher habe ich euch von oben bis unten mit selbst gemachten Sachen eingekleidet. Zu diesem Jäckchen mache ich auch noch ein passendes Mützchen.“

In diesem Fall stand der gute Wille im Vordergrund. Elisa bedankte sich artig für jedes selbst hergestellte Teil und legte es in eine große Schublade. Kalle schwelgte in Erinnerungen. „Ich habe meinen Sohn als erster Vater in Rotthausen im Kinderwagen spazieren gefahren und ihn zum Frühschoppen mitgenommen.“

„Das wirst du mit deinem Enkel nicht wagen, Kalle Jollenbeck!“ Ilse schaute streng über ihren Brillenrand. Kalle versuchte, schuldbewusst aus der Wäsche zu gucken. „Natürlich nicht, Ilsekind. Ich darf ja nicht mehr zum Frühschoppen gehen, sonst machst du Ärger!“

Ilse grinste befriedigt. „Das ist auch besser so, mein lieber Mann.“

Elisa nickte zustimmend, ausnahmsweise gab ihrer Mutter voll und ganz recht. Kalle würde es tatsächlich fertigbringen, seinen Enkel samt Kinderwagen mit in die Kneipe zu nehmen. „Wie geht es Peter und seiner Freundin eigentlich?“, erkundigte sie sich. „Mein Bruder macht sich in letzter Zeit ganz schön rar!“.

„Der hat mit seinem neugegründeten Fuhrunternehmen viel zu tun. Er ist Tag und Nacht unterwegs, weil er so viel Aufträge bekommt.“ Kalle war unheimlich stolz auf seinen Sohn. Auch er hatte sich als Fuhrunternehmer versucht und war kläglich gescheitert. „Ich habe ihm schon angeboten zu helfen, wenn er Bedarf hat. Einen LKW kann ich allemal fahren.“

Ilse zuckte bedauernd die Schultern. „Was seine Freundin Carina anbetrifft, so werden wir uns wohl damit abfinden müssen, dass die Person einmal unsere Schwiegertochter wird.“ In der Tat waren die Eltern nicht glücklich über Peters Freundin. Die rustikale Carina gab sich so ganz anders, als sich Kalle und Ilse eine Frau für ihren Sohn vorstellten.

Zu Ilses Bestürzung hatte Carina der Familie vor einiger Zeit freudestrahlend mitgeteilt, dass sie die Pille abgesetzt hatte. „Der Peter meint auch, dass ein Esser mehr oder weniger nichts ausmacht.“

Auch auf Ilses Einwand, dass es besser wäre, erst zu heiraten und dann an Kinder zu denken hatte die Schwiegertochter in spe eine Antwort parat. „Der Peter meint, dass wir erst mal gucken sollen, ob ich wirklich schwanger werde, dann können wir immer noch heiraten.“

Doch jetzt meldete sich der kleine Felix und Ilse vergaß kurzfristig alles andere. Sie schaukelte den Kleinen in ihrem Arm, während sie ein Lied summte. Kalle grinste seine Tochter verschwörerisch an. „Was singt sie da? Ich glaube das ist ein Schlager, zu dem wir immer getanzt haben. Er heißt ‚Die Caprifischer’. Dabei konnte man gut schmusen. Man könnte meinen, deine Mutter ist in einen Jungbrunnen gefallen. Sie ist die niedlichste Oma der Welt.“ Unvermittelt wurde er ernst. „Es war ganz richtig, dass du deiner Schwiegermutter die Meinung gesagt hast. Das wurde wirklich einmal Zeit. Wenn du jemanden brauchst, der auf den Kleinen aufpasst, dann kannst du uns jederzeit anrufen. Und wenn dein Ehemann Sperenzchen macht, dann sag mir Bescheid, ich kümmere mich um ihn, auch das ist längst überfällig!“

Elisa tätschelte ihm den Rücken. „Ach Papa, wenn ich euch nicht hätte. Mach dir mal keine Gedanken, mit Alfred bin ich bisher immer noch allein fertig geworden und meine Schwiegermutter fehlt mir nun wirklich nicht. Ich bin froh, wenn ich sie in nächster Zeit nicht zu Gesicht bekomme.“

Doch insgeheim war sie enttäuscht von ihrem Ehemann, denn Alfred kümmerte sich überhaupt nicht um seinen Sohn. Er lebte weiterhin so wie bisher, besuchte die Kumpel an der Tankstelle und tat so, als wäre nichts geschehen. Er wollte nicht, dass das Kind im Ehebett schlief. Gleichzeitig verbat er sich jede nächtliche Störung. „Wenn der kleine Scheißer nachts schreit, dann sieh gefälligst zu, dass du ihn zum Schweigen bringst. Schließlich verdiene ich das Geld, da brauche ich meine Ruhe. Und komm bloß nicht auf den Gedanken, das Blag mit ins Bett zu nehmen, das will ich nicht haben!“

Trotzdem hatte Elisa den Kleinen eines Nachts ins Ehebett geschmuggelt und ihn dort gestillt. Anschließend waren Mutter und Kind zufrieden eingeschlafen. Die Ruhe dauerte bis zum nächsten Morgen. Als Alfred den kleinen Eindringling bemerkte, konnte er kaum an sich halten. „Schreib dir ein für alle Mal hinter die Ohren, dass ich den Bengel nicht in unseren Betten dulde! Wenn du mit ihm pennen willst, dann kannst du dich im Kinderzimmer hinlegen. Da ist Platz genug für euch beide.“

Elisa schaute ihn fassungslos an. „Aber Alfred, was stört dich denn bloß so daran, dass der Kleine ab und zu bei uns schläft? Bei deinem festen Schlaf bemerkst du ihn nachts doch gar nicht.“

„So fängt das an. Erst pennt der Scheißer nur ab und zu bei uns, dann kriegen wir ihn nicht mehr aus dem Bett raus und vorbei ist es mit der Ruhe. Ich will das eben nicht und basta!“ Also wanderte Elisa nachts hin und her und schlief mehr als einmal zusammen mit dem Baby im Kinderzimmer.

Doch mit diesen Problemen wollte sie ihre Eltern vorerst nicht belasten. Sie hoffe darauf, dass Alfred sich mit dem Kind beschäftigen würde, wenn Felix erst einmal etwas älter wäre.

***

„Wenn du meinst, dass du dir das antun musst! Erwarte bloß nicht, dass ich besonders freundlich zu der blöden Kuh bin! Und lange bleibe ich auch nicht bei euch sitzen. Ich trinke dir zuliebe eine Tasse Kaffee mit, aber dann haue ich ab.“ Alfred musterte seine Frau kühl, es war ihm anzusehen, dass er sich unbehaglich fühlte.

„Nun sei mal nicht so“, Elisa verlegte sich aufs Bitten. „Schließlich ist und bleibt Annerose meine beste Freundin. Ich bin so froh, dass sie sich wieder gemeldet hat. Sie will sich bestimmt Klein-Felix anschauen, deshalb möchte sie uns besuchen. Wenn du sie einfach freundlich begrüßt, so würde mir das reichen. Ich weiß doch, dass ihr euch nicht grün seid. Vergiss nicht, dass sie mit ihrem Exmann allerhand mitgemacht hat und der war dein Freund.“

„Von wegen, sie hat mit dem Ex ‘ne Menge mitgemacht“, grummelte Alfred. „Der arme Kerl konnte gar nicht anders als sie öfter mal zu vermöbeln, wo sie ständig Zicken gemacht hat!“