Sallys Job - Logan Kenison - E-Book

Sallys Job E-Book

Logan Kenison

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Beschreibung

Cole Barner musste verrückt geworden sein. Er hatte einer Banditenbande etwas geklaut, was diese unmöglich auf sich sitzen lassen konnte. Coles Frau Sally war nicht minder verrückt: Sie gab mir einen miesen Job, der direkt in die Hölle führte. Ob wir es zurück schaffen würden, stand in den Sternen.

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Sallys Job

Westernroman

von Logan Kenison

Das Buch

Cole Barner musste verrückt geworden sein. Er hatte einer Banditenbande etwas geklaut, was diese unmöglich auf sich sitzen lassen konnte. Coles Frau Sally war nicht minder verrückt: Sie gab mir einen miesen Job, der direkt in die Hölle führte.

Der Autor

Logan Kenison (vormals Joe Tyler) ist Autor von Western-, Abenteuer- und Spacegeschichten. Neben seinen Western, die er mit Leidenschaft verfasst, schreibt er seit 2018 die Reihe Spacewestern.

Inhalt

Impressum

Sallys Job (Roman)

Weitere Titel von Logan Kenison

Copyright © 2012 by Logan Kenison

Lektorat: Carola Lee-Altrichter

Das Cover wurde gestaltet nach Motiven des Films "Stadt der Verdammten" (USA, 1955). Im Handel auf DVD erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung von www.filmjuwelen.de

Abdruck auch auszugsweise

nur mit Genehmigung des Verlags oder Autors.

[email protected]

Sallys Job

Westernroman von Logan Kenison

An dem Tag, als ich beschloss, alle Brücken abzubrechen und meinen Geschäftspartner zu verlassen, betrat ich den Broken Jar Saloon. Und da sah ich Sally auf mich zukommen. Ich wollte die Theke ansteuern, doch sie schnitt mir den Weg ab und deutete auf einen der runden Tische.

»Muss mit dir reden«, raunte sie.

Also ging ich rüber und setzte mich, während sie beim Bartender ein Glas Bier in Auftrag gab. Mit dem Glas in der Hand trat sie an meinen Tisch und stellte es vor mir ab.

Sally war nicht das, was man eine Schönheit nannte, aber sie war auch nicht gerade hässlich. Letzten Monat war sie vierundzwanzig geworden, wirkte aber wie dreißig. Ihr Mund war zu breit unter den ausladenden Wangenknochen, und sie besaß zu dünne Lippen. Die Augen blickten schläfrig und glanzlos. Ihr Haar war aschblond, dünn und matt. Sie versuchte, mit Makeup und Rosenwasser hübscher und attraktiver zu erscheinen, wirkte dadurch aber nur billiger. Ich wusste, dass die Gäste des Broken Jar sie nicht wegen ihrer Schönheit gern sahen, sondern weil sie nett war und wusste, wie man einem Mann schöne Stunden bereitete.

Sie war keine Hure, nicht dass Sie das denken. Sie war lediglich ein Animiermädchen. Ihre Aufgabe bestand darin, die Gäste zum Trinken zu anzuhalten, indem sie sich als Gesprächspartnerin für die Zeit ihres Aufenthalts im Saloon anbot, sich zu Drinks einladen ließ und dafür sorgte, dass leere Gläser rasch wieder aufgefüllt wurden. Wenn ich also schreibe, dass sie Männern »schöne Stunden bereitete«, dann bezieht sich das darauf, dass sie sich die Sorgen der Gäste anhörte, sie tröstete und für eine Weile das vergessen ließ, was sie draußen im Alltag belastete.

Darin war Sally mit ihren halbverheulten Augen ziemlich erfolgreich.

Das pinkfarbene Samtkleid, das sie meistens trug, war an einigen Stellen ausgebeult und zerschlissen; die Spitzenvolants, die die Ärmel abschlossen, waren schon häufig abgerissen und leicht schief wieder angenäht worden. Die schwarzen Lederschnürschuhe sahen ziemlich abgewetzt aus; sie tat nichts dafür, sie aufzupolieren, was mit ein wenig Schuhwichse schnell erledigt gewesen wäre.

Sie setzte sich, eine Wolke ihres Parfums hüllte mich ein.

Ich nahm zuerst einen langen Zug aus dem Bierglas, denn ich besaß den gesegneten Durst eines Zehnmeilenritts.

»Ich hab’ auf dich gewartet«, sagte sie. »Ich hab’ gehofft und gebetet, dass du in die Stadt kommst.« Sie sprach so leise, dass niemand im Raum außer mir sie verstehen konnte.

»Wieso? Was ist los?«

»Cole ist tot.«

Sie musterte mich, um zu sehen, welche Reaktion die Nachricht bei mir hervorrief. Ich konnte die Bestürzung kaum verbergen. Cole war ein Jahr jünger als ich. Er und Sally hatten vor drei Jahren in Pawnee geheiratet. Cole Barner war für mich nicht das, was man einen Freund nannte, aber ich war immer gut mit ihm ausgekommen. Dass er nun tot sein sollte, dass wir nie wieder einen Whisky gemeinsam kippen sollten, machte mir zu schaffen.

»Teufel, was ist passiert?«

»Er wurde erschossen.«

»Hat er ein Ding gedreht?«

Cole hatte eine gefährliche Eigenschaft, für die er in der ganzen Stadt bekannt war: Er betrog beim Kartenspiel.

Auch dass er drauf und dran war, etwas Größeres zu planen, hatte er im Suff schon ein paar Mal herumposaunt. Sally wusste, in welchem Ruf ihr Mann stand, und nahm mir die Frage nicht übel.

»Ach, er war so unreif für seine siebenundzwanzig«, nahm sie Coles augenfällige Schwächen in Schutz. »Seine Entschuldigung war, dass er mir etwas Besseres bieten wollte. – Aber ich wollte nie etwas Besseres, Jake. Das musst du mir glauben. Ich war immer zufrieden mit dem Wenigen, was wir hatten. Es war ehrlich verdient, und ich bin ja bereit zu arbeiten.«

»Ich glaube dir, Sally. Aber an Cole nagte wohl stets das Gefühl, dich zu verlieren, wenn er dir nicht mehr bot.«

»Völlig zu unrecht. Ich liebte ihn. Wirklich, Jake! Unsere Liebe war so stark, dass ich ihn niemals verlassen hätte. Er war der beste Mann, den ein Mädchen wie ich sich wünschen konnte.«

Die Einschränkung, die sie machte, gefiel mir: ein Mädchenwie ich. Ihr war anscheinend bewusst, dass Cole nicht jedes Mädchen glücklich gemacht hätte.

»Cole war ein Getriebener«, sagte ich. »Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Dinge manchmal anders lagen, als wie er sie sich vorstellte; dass sie hie und da über seinen Erfahrungsschatz hinausgehen mochten.«

Sally nickte heftig, ihr abstehendes Haar flatterte im Luftzug. »Das hat ihn umgebracht!« Ihre Stimme klang rau und in ihren Augen lag ein bitterer Zug. Plötzlich wurden Falten sichtbar, die sie zu einer alten Frau machten.

»Wie kam es dazu?«, frage ich. »Wer hat ihn erschossen?«

»Ach, das ist eine lange Geschichte. Ich muss von vorne beginnen.«

Ich hob einladend die Hand. »Wir haben alle Zeit der Welt.«

Am Klavier begann ein Bursche namens Larry Wabnitz zu klimpern und ein paar Gäste stimmten ein Trinklied mit neunundneunzig Strophen an. Ihre gute Laune erreichte uns nicht, denn über uns hing eine Glocke aus Bekümmernis. Ich lauschte Sally, die zu erzählen begann.

Im Folgenden schildere ich Sallys Bericht, ergänzt durch Informationen, die ich später noch von anderen Leuten zu den Vorfällen erhalten habe.

Demnach hatte Cole Barner vor etwa einem Monat drüben in Albaville ein paar Burschen kennengelernt und mit ihnen eine Nacht durchgepokert. Der Whisky floss in Strömen, und Cole schnappte ein paar Bemerkungen auf, die ihn schlussfolgern ließen, dass die Kerle einen Banküberfall planten. Sein unverhülltes Angebot, dabei mitmachen zu wollen, ignorierten die Burschen, und am Ende des Abends standen sie kurz davor, Cole aus der Bar zu werfen. Cole zog brummend ab.

Zwei Tage später kam er ganz aufgeregt bei Sally an und erzählte ihr von der Sache. Er hatte einen Plan ausgeheckt, den Kerlen nach dem Überfall die Beute wegzuschnappen.

Sally flehte Cole an, es bleiben zu lassen. Das werden die sich nicht gefallen lassen, rief sie. Wer eine Bank ausraubt, schießt auch. Sie fiel ihm in den Arm, wollte verhindern, dass er das Haus verlässt, zog seinen Colt aus dem Holster und rannte fort. Er holte sie natürlich mit Leichtigkeit ein und nahm ihr die Waffe ab. Er warf sie aufs Bett und drohte, sie grün und blau zu schlagen, wenn sie so etwas jemals wieder versuchen würde.

Als Cole die Hauptstraße hinabritt, heulte Sally Rotz und Wasser.

Er machte sich auf den Weg zurück nach Albaville und bezog Beobachtungsposten. Die Kerle bemerkten ihn nicht. Cole behielt sie die ganze Zeit über im Auge. Als sie ihren Plan schließlich in die Tat umsetzten und die Bank überfielen, saß Cole auf seinem Gaul, bereit, ihnen zu folgen, wohin immer sie auch fliehen mochten.

Als es knallte, zogen die Bürger von Albaville ihre Köpfe ein. Die Banditen rannten aus der Bank und sprangen auf ihre Pferde. Sie sprengten nach Süden davon, in Richtung Adams. Wahrscheinlich, so glaubte Cole, wollten sie die Grenze nach Kansas überqueren.

Cole folgte ihnen auf einer parallelen Fährte. Er ritt über die Prärie, während sie die Straße entlang preschten. Er konnte sehen, wie sie immer wieder nach Verfolgern Ausschau hielten, aber sie kamen nicht auf den Gedanken, nach links oder rechts zu spähen. Er schaffte es, ihnen unbemerkt zu folgen, bis sie lange nach Einbruch der Dunkelheit am 32-Meilen-Creek ihr Nachtlager aufschlugen.

Mitternacht war bereits vorüber, als Cole in ihr Lager schlich. Er betäubte den bereits vor sich hindämmernden Wachtposten mit dem Coltgriff und schnappte sich die Satteltasche, in der die Beute steckte. Dann schlich er zu seinem Pferd zurück und jagte davon.

Zwei Tage später kam er bei Sally an. In aller Ruhe zählte er das Geld und bildete Stapel zu je tausend Dollar auf dem Küchentisch und der Anrichte. Am Ende waren es fünfzig Stapel. Sie hatten die Lohngelder für die nächste Auszahlung in der Bank gehabt, und zwei Rancher hatten Überweisungen für den Verkauf ihrer Rinderherden erhalten, deswegen war es so viel.

Sally flehte Cole an, das Geld dem Sheriff zu übergeben; dieser würde es der Bank zurückgeben. Doch Cole lachte ihr ins Gesicht. Er packte das Geld in die Satteltasche zurück, steckte Sally vierhundert Dollar in den Ausschnitt und sagte, sie solle sich etwas Schönes zum Anziehen davon kaufen. Überhaupt würde er ihr jetzt jeden Wunsch erfüllen, den sie hätte, sie brauche nur zu sagen, was sie wolle.

Sally rief, dass sie nur ihn wolle, ihn allein, und zwar nicht als gesuchten Verbrecher, sondern als den Mann, der er immer schon gewesen war. Sie fischte die vierhundert Dollar heraus, warf sie zu Boden und versuchte erneut, ihn zur Übergabe des Geldes zu bewegen. Er hätte Großartiges geleistet, als er den Banditen die Beute abnahm, sagte sie, jetzt käme es darauf an, das Richtige zu tun. Bestimmt wäre die Bank hocherfreut über die Rückgabe des Geldes, sodass sie ihm einen großzügigen Finderlohn …

Cole fiel ihr ins Wort. Finderlohn? Pah, der Finderlohn war ihm nicht genug! Sally merkte, dass er habgierig geworden war. Er warf die Satteltasche über die Schulter, ging grinsend auf Sally zu, umschlang sie mit einem Arm und drückte sie an sich. Dann gab er ihr einen langen Kuss, den Sally als Abschiedskuss interpretierte – was er auch war. Es sollte ein Abschied für immer werden.

Danach ging Cole hinaus, ohne die vierhundert Dollar am Boden noch eines Blickes gewürdigt zu haben. Er besorgte sich im Mietstall ein neues Pferd und ritt fort.

Sally sah ihn zum letzten Mal lebend.

Cole musste geahnt haben, dass die Bande hinter ihm her war. Er wollte Sally nicht in Gefahr bringen, deswegen verließ er sie. Später würde er zurückkommen und Sally holen – das glaubte sie –, sobald etwas Gras über die Sache gewachsen wäre.

Sally machte sich Gedanken, was sie tun sollte. Die vierhundert Dollar steckte sie in ein Glas, das sie in den Küchenschrank stellte. Das Geld gehörte ihr nicht; sie würde es nicht ausgeben, komme, was da wolle. Sie spielte mit dem Gedanken, es dem Sheriff zu übergeben, aber das hätte bedeutet, Cole anzuschwärzen und dem Gesetz auszuliefern, und dazu fehlte ihr der Mut. Sie beschloss, das Geld eine Weile aufzubewahren. Sie hatte immer noch die Hoffnung, Cole zu einer Meinungsänderung bewegen zu können, sodass er, wenn er erst Vernunft angenommen hatte, dem Sheriff die gesamte Summe übergab.

Gedankenverloren trat sie am Abend ihre Arbeit im Saloon an. Die Gäste merkten, dass etwas im Busch war. Sie war fahrig und zerstreut und verstritt sich mit zwei langjährigen Gästen.

Moses Faber, ihr Boss, merkte, dass etwas schieflief, nahm sie zur Seite und führte ein ernstes Gespräch. Er war mit Sally und ihrem Umsatz immer zufrieden gewesen und sah nicht wirklich Veranlassung zu ernsten Vorhaltungen, aber gerade im letzten und vorletzten Monat hatte der Broken Jar aufgrund einer Schlägerei, bei der viele Tische und Stühle sowie der große Wandspiegel kaputtgeschlagen worden waren, Verluste geschrieben. Die Schläger, zwei wilde Cowboymannschaften, die nach ausgiebigem Bier- und Whiskykonsum aufeinander losgegangen waren, waren in die Nacht hinaus verschwunden und hatten Faber auf den Kosten sitzen lassen.

Faber machte Sally darauf aufmerksam, dass sie die Gäste animieren, nicht vergraulen sollte.

Sally war von der Situation überfordert. Seit Cole fortgeritten war, hatte sie an nichts anderes als das Geld denken können und daran, dass Cole sich schuldig gemacht hatte. In ihren Gedanken wurde er bereits von allen Gesetzeshütern des Countys gejagt.

Sally versprach Faber, ihre persönlichen Probleme nicht zur Arbeit mitzubringen, doch draußen, im Saloon, stellte sie schnell fest, dass das nahezu unmöglich war. Sie plante bereits, sich ein Pferd zu besorgen und Cole nachzureiten. Die Gäste hatten wenig Freude an ihr und beschwerten sich erneut. Schließlich kam Faber und schickte sie nach Hause.

In dieser ersten Nacht betäubte sie ihren Kummer mit einer Flasche, die ihr Sam Short, der Bartender, heimlich zur Hintertür hinausreichte. Doch der Alkohol verbesserte nichts an ihrer oder Coles Lage, und weil sie den harten Stoff nicht gewöhnt war – an den Drinks im Saloon pflegte sie stets nur zu nippen –, fiel sie völlig benebelt ins Bett, nachdem sie die Hälfte der Flasche ausgetrunken hatte.

Am nächsten Tag erfuhr sie von Durchreisenden, die sie kannten, dass Cole in Willow Irons gesehen worden war. Und gegen Mittag kam mit der Postkutsche die Nachricht an Sheriff B. C. Hardesty, dass in Albaville die Bank überfallen worden war. Ebenfalls mit der Post kam eine Beschreibung der Räuber: Fünf Männer, zwischen zwanzig und dreißig Jahren alt, trugen folgende Kleidungsstücke … ritten folgende Pferde …

Sheriff Hardesty hängte Meldung sowie Beschreibung am Informationsbrett aus und schickte seine Deputys auf die Straße, damit sie die Durchreisenden im Blick behielten. Ihre Aufmerksamkeit sollten sie auf eine Gruppe von fünf Männern richten, die von Osten käme. Cole war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ins Visier der Gesetzeshüter gerückt.

In der nächsten Nacht kamen sie. Es waren die Fünf. Sie traten nicht als Gruppe auf, sondern sickerten einzeln und in Abständen von zehn oder fünfzehn Minuten in den Broken Jar. Sie taten, als kannten sie sich nicht, doch sahen sich alle auf ähnlich geschauspielerte Weise im Saloon um. Sally, die wieder bei der Arbeit war, bekam ein mulmiges Gefühl, als die Männer sie heimlich anstarrten. Sie fühlte sich beobachtet.

Sie überlegte: Wenn es die Banditen waren, woher wussten sie, dass Sally etwas mit der Sache zu tun hatte? Nun, die Sache war einfach. Cole war schnurstracks in die Stadt geritten. Seiner Fährte zu folgen muss ziemlich leicht gewesen sein. Im Mietstall erfuhren sie, dass er sich ein neues Pferd besorgt hatte und fortgeritten war. Wahrscheinlich hatten die fünf Banditen Pete Christie, dem Stallmann, auf den Zahn gefühlt, bis er ihnen verraten hatte, dass Coles Frau in der Stadt zurückgeblieben war.

Sally machte sich nichts vor. Ihrer Meinung nach wussten die Banditen längst, wer sie bestohlen hatte. Sie kannten Coles Namen und wussten, dass sie, Sally, seine Frau war.

Als ihr das klar wurde, fluchte sie leise vor sich hin.

Was würden die Männer tun? Was hatten sie vor?

Und was konnte sie selbst tun?

Zum Sheriff laufen?

Die Männer hatten sich inzwischen andere Kleidung besorgt. Und dass sie zusammengehörten, hatten sie öffentlich noch nicht gezeigt. Hatte Sally überhaupt eine Chance, diese Männer anzuzeigen? Wahrscheinlich würde Sheriff Hardesty sie gar nicht festnehmen können. Er würde sie befragen, und wenn sie mit halbwegs plausibler Geschichte daherkämen, würde er sie laufenlassen müssen.

Sally glaubte, im Moment nichts gegen die Männer unternehmen zu können. Sie verharrte wie gelähmt im Saloon gleich einem Kaninchen vor der Schlange, verrichtete ihre Arbeit mechanisch und unaufmerksam und brachte die Zeit bis Mitternacht herum, ohne dass ihr eine zündende Idee gekommen wäre.

Gegen zwei Uhr nachts, auf dem Nachhausweg zu dem Häuschen, das sie mit Cole bewohnte, spürte sie, dass sie verfolgt wurde. Sie nahm all ihren Mut zusammen, fuhr auf dem Absatz herum und spähte in die Dunkelheit. Ihre Verfolger machten sich nicht einmal die Mühe, sich vor ihr zu verstecken. Sie blieben ganz einfach in der Dunkelheit stehen und warteten, bis sie weiterging. Ganz deutlich hörte Sally ihre Atemzüge und ein gackerndes Kichern.

Sie schalt sich, weil sie es unterlassen hatte, Sam Short oder einen der anderen Männer zu bitten, sie nach Hause zu begleiten. Doch diese Männer hätten ihre Frage missverstehen und für eine Aufforderung halten können, was ihr ganz und gar nicht recht gewesen wäre. Auch war es fraglich, ob die Jungs diesen Banditen überhaupt etwas entgegenzusetzen gehabt hätten. Wahrscheinlich hätte sie einen Begleiter nur in Lebensgefahr gebracht.

Auch an den Sheriff hatte sie sich nicht wenden wollen. Wie ihr nach einigem Nachdenken klar geworden war, hätte sie ihm unweigerlich enthüllen müssen, welche Rolle Cole in der Geschichte spielte, und das hätte bedeutet, Cole dem Gesetz auszuliefern. Damit hätte sie jede Chance verspielt, ihn doch noch umstimmen zu können, und diese Option wollte sie sich bis zum Schluss offenhalten.

Als Sally beinahe panisch fortlief, setzten sich auch die Männer wieder in Bewegung. Sie folgten ihr seelenruhig und sahen zu, wie sie in ihr Häuschen stürmte.

Sally zündete mit zitternden Fingern die Kerosinlampe an, stellte sie auf den Tisch und setzte sich auf den Stuhl, unfähig, jene Verrichtungen vorzunehmen, die sie anderntags nach Feierabend üblicherweise vornahm. Sie saß einfach da und wartete, während sich in ihren Gedanken die Befürchtungen überschlugen.

Als sie Stiefelscharren und ein Kratzen an der Tür hörte, zuckte sie zusammen und ein Schrei entfuhr ihr. Sie bemerkte, dass ihr plötzlich Schweiß ausgebrach und glaubte nun zu wissen, wie sich ein zum Tode Verurteilter in seiner Zelle fühlte.

Die Tür flog auf und dann quollen sie herein, fünf Männer, vom flackernden Licht der Kerosinlampe nur unzureichend angestrahlt, große schwarze Schatten werfend, die den Raum verdunkelten.

Sie verteilten sich im Zimmer, umringten Sally und starrten sie böse an.

Sally hatte das Gefühl, sterben zu müssen. Jeder der pochenden Herzschläge, die sie in der Brust bis zum Hals hinauf spürte, schien der letzte zu sein. Die Todessehnsucht erzeugte einen rasenden Schmerz in ihrer Brust – o wenn sie doch einfach zu Boden sinken und sterben könnte! – aber ihr Körper tat ihr diesen Gefallen nicht.

Auch eine Ohnmacht blieb ihr erspart, jedoch nicht, was die Männer mit ihr anstellten.

Sally versuchte natürlich zunächst, ihre Fragen nicht zu beantworten, und dann, als die Schmerzen zu groß wurden, sie auf eine falsche Fährte zu führen. Doch die Männer waren geübt im Foltern; alle fünf lachten böse auf, und dieses Lachen schien den halbdunklen Raum mit einer Art böser Energie zu füllen, mit einer Hitze, die das Atmen zur Qual machte und Sally in die Nähe einer Ohnmacht drängte.

Die Schläge waren schlimm, doch nicht das Schlimmste.