Schattenchronik - Gegen Tod und Teufel 19: Caprona Park - Andreas Zwengel - E-Book

Schattenchronik - Gegen Tod und Teufel 19: Caprona Park E-Book

Andreas Zwengel

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Beschreibung

Der millionenschwere Exzentriker Johannes Wolvram ist ein lebenslanger Fan von Edgar Rice Burroughs und dessen Roman Caprona. Deshalb hat er einen Themenpark nach dessen Vorbild errichten lassen.Doch als dort die ersten Mitarbeiter verschwinden, gehen die Schattenchronik-Agenten Martin Anderson und Leila Dahlström den Vermisstenfällen nach.Etwas Seltsames geht vor in diesem Park, obwohl der Besitzer alles leugnet. Bald machen die mechanischen Monster und menschlichen Darsteller eine erschreckende Verwandlung durch.Anderson und Dahlström müssen nicht nur die Besucher des Parks retten, sondern auch sehr schnell die Ursache für dieses Grauen finden.

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In dieser Reihe bisher erschienen

2901 Die andere Ebene

2902 Die Riesenwespe vom Edersee

2903 Die Ruine im Wald

2904 Das Geistermädchen

2905 Killerkäfer im Westerwald

2906 Die Stadt am Meer

2907 Gamma-Phantome

2908 Dunkles Sauerland

2909 Willkommen auf Hell-Go-Land

2910 Tempel des Todes

2911 Flussvampire

2912 Die Barriere bricht

2913 Die vier Reiter der Hölle

2914 Der Voodoo-Hexer

2915 Doktor Luzifere

2916 Im Bann des Bösen

2917 Rachehexen

2918 PSI-Schwadron

2920 Caprona-Park

2921 Böse Mädchen

Caprona-Park

Schattenchronik - Gegen Tod und Teufel

Buch 19

Andreas Zwengel

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mark Freier

Satz: Gero Reimer

2919v1

ISBN: 978-3-7579-9529-4

Inhalt

Caprona Park

von Andreas Zwengel

Anmerkungen

Über den Autor

Caprona Park

von Andreas Zwengel

Toni rannte so schnell er konnte, aber es reichte nicht aus, um mit Mirco mitzuhalten. Der flinke Serbe fegte durch das Unterholz, als verfüge er über endlose Kraftreserven. Hinter Toni keuchte Vlad den Weg entlang. Der bärenstärke Rumäne war kein Sprinter. Ihn würden sie wohl zuerst erwischen.

Der Vollmond beleuchtete den schmalen Dschungelpfad. Voraus konnte Toni den Berg sehen, der sich zu jeder vollen Stunde in einen feuerspeienden Vulkan verwandelte. Allerdings nur während der Öffnungszeiten. Links von ihnen befand sich der Zaun, der den gesamten Park umgab, den würden sie nicht überklettern können. Sie mussten zurück zu den Attraktionen, denn dort konnten sie nach Hilfe rufen. Einen Alarm auslösen oder wenigstens ein Versteck finden.

Sie hatten ihre Verfolger noch kein einziges Mal zu sehen bekommen. Die blieben lediglich Geräusche in dem größtenteils künstlichen Dschungel. Die verschiedenen Laute ließen auf unterschiedlich große Wesen schließen. Einige von ihnen mussten gewaltig sein.

Toni blieb mit der Spitze seines Arbeitsstiefels an einer hochstehenden Wurzel hängen und stürzte der Länge nach auf die festgetretene Erde. Er landete weich, aber das war ihm kein Trost. Sein Fuß hatte sich im Fallen böse verdreht, der Knöchel schmerzte, als sei er gebrochen. Damit war er den Verfolgern ausgeliefert. Mirco konnte er schon längst nicht mehr sehen und in diesem Moment schnaufte auch Vlad an ihm vorbei. Der Rumäne wurde nicht langsamer und warf auch keinen Blick zurück, Toni konnte es ihm nicht verdenken.

Schwerfällig richtete er sich auf, doch als er seinen Fuß belastete, jagte ein heller Schmerz durch seinen Körper hinauf. Laufen war mit dem Knöchel nicht mehr möglich, er konnte kaum stehen.

Hinter ihm brachen Äste. Toni wagte nicht, sich umzudrehen. Statt wegzulaufen ließ er sich seitlich zwischen zwei dichte Farne fallen. Mit angehaltenem Atem kauerte er auf dem Boden und spähte zum Pfad. Blitzschnell wischten zwei schuppige Beine vorbei und setzten seinen Kollegen nach. Erst als Toni vor Sauerstoffmangel beinahe ohnmächtig wurde, wagte er wieder zu atmen. Er wollte nicht an diesem Ort sterben. Sie alle hatten in den letzten Wochen praktisch rund um die Uhr gearbeitet, aber das Lob und die Prämien waren an ihren Vorarbeiter gegangen. Der französische Mistkerl hatte sie von Anfang an gegängelt und anschließend auch noch um Lohn betrogen. Sie wurden einfach zu schlecht bezahlt, um sich zu Tode zu schuften. Vierzehnstundentage und Siebentagewoche, weil die Eröffnung bevorstand. Ganz sicher aber bekamen sie zu wenig Geld, um sich fressen zu lassen. Toni lauschte in die Nacht und fragte sich, was in diesem Moment mit seinen Kollegen passierte.

* * *

Vlad lehnte zweihundert Meter weiter an einem Baum und atmete so laut, dass man ihn in einem Umkreis von einem halben Kilometer hören musste, doch er konnte nichts dagegen tun. Seine Beine waren so schwer, dass er es kaum schaffte, sie vom Boden anzuheben. Er würde keinen Schritt weiter laufen können, sondern musste schon froh sein, wenn sein Herz nicht versagte.

Mirco war auf und davon. Was aus Toni geworden war, konnte er nur ahnen, aber es war sicher nichts Gutes. Vlad hatte sich vom Geld locken lassen und die Arbeitsbelastung ertragen, weil er damit Zuhause in Oradea seine Schulden bezahlen konnte. Alle auf einen Schlag. Langsam bekam er wieder Luft und auch sein Herzschlag beruhigte sich. Vlad lugte hinter dem breiten Baumstamm hervor und kontrollierte den Pfad in beide Richtungen. Was immer ihn und seine Kollegen jagte, war weder zu sehen noch zu hören. Wenn er Glück hatte, waren sie alle hinter Mirco her, und wenn Mirco Glück hatte, rannte er schnell genug, um ihnen zu entkommen. Der Junge war fit und protzte regelmäßig mit seiner guten Kondition, nun konnte sie ihm das Leben retten.

Vlad musste sich um seine eigene Gesundheit kümmern. Er trat auf den Pfad und lief so schnell es ging in die Richtung, aus der sie gekommen waren. In der Hoffnung, dass von dort keine weiteren Verfolger nahten. Ein leises Rascheln ließ ihn stocken und schon brach rechts von ihm eine Gestalt aus dem Gebüsch und rammte ihn. Vlad wurde um die eigene Achse gewirbelt und stürzte. Rasch blickte er sich um, doch der Angreifer war bereits wieder in der Vegetation verschwunden. Das Mistvieh spielte mit ihm. Mühsam kam Vlad wieder auf die Beine und hinkte los. Kaum drei Meter weiter, wurde er am linken Fuß geschnappt und schlug der Länge nach auf den Boden. Mit Gewalt wurde er über den Boden in ein Gebüsch gezogen, war aber noch nicht bereit aufzugeben. Er rollte sich auf den Rücken und trat mit seinem freien Fuß nach dem, was ihn festhielt. Vlad konnte seinen Gegner nicht richtig erkennen, aber er spürte ihn hinter den Zweigen, wenn er zutrat. Mehrmals traf er und kam schließlich frei. Schnell krabbelte er rückwärts und erstarrte, als er sein linkes Bein sah. Es endete am Knöchel, der Fuß war verschwunden. Vlad schrie vor Überraschung. Dann kam der Schmerz, er begann zu brüllen.

Die Büsche vor ihm bogen sich auseinander und ein Maul tauchte auf. Es schloss sich um seine beiden Knie und zog Vlad mit einem heftigen Ruck ins Gebüsch. Die Zweige wackelten heftig, als würden sie von zahlreichen Händen mit aller Kraft geschüttelt. So lange, bis wieder Ruhe und Stille eintraten.

* * *

Mirco hörte die Schreie weit hinter sich, konnte aber nicht erkennen, ob sie von Toni oder Vlad stammten, weil sie kaum noch etwas Menschliches hatten. Ihm wurde übel bei dem Gedanken daran, was die beiden durchmachen mussten, und deshalb bemerkte er die Gefahr für sich selbst zu spät. Es wuselte plötzlich zu seinen Füßen, als sei der Untergrund in Bewegung geraten. Genauer gesagt, der Pflanzenbewuchs am Dschungelboden. Etwas strich um Mircos Fußknöchel. Er hob sein Bein und spürte eine Berührung am anderen. Er bemerkte eine Bewegung zwischen dem Grün am Boden und stieß den erhobenen Fuß darauf. Ein wütendes Geräusch ertönte, dann bohrten sich kleine Zähne in seine Schuhe. Ein Kopf hing an dem Material und verbiss sich darin. Mirco bewegte seinen Fuß wild umher und versuchte, das kleine Biest abzuschütteln. Die Zähne ließen nicht von dem Schuh ab. Er gab es auf, das Wesen von seinem Fuß zu schleudern, sondern stampfte hart auf den Boden, um es zu zerquetschen. Aber der schuppige Panzer schützte die Innereien des kleinen Jägers.

Ein zweites Exemplar tauchte auf und verbiss sich in seine Ferse, während ein drittes an Mircos Standbein heraufkletterte. Er schlug mit beiden Händen danach und konnte es von seinem Oberschenkel fegen. Aber für jedes der Biester, das er von sich entfernte, tauchten zwei neue auf. Bald waren tiefe Kratzer an seinen Beinen, das Blut stand in den Überresten seiner Stiefel. Ein Wesen kletterte Mircos Rücken hinauf und verbiss sich in seinem Nacken. Mirco langte mit beiden Händen nach hinten. Er packte das kleine Ungeziefer und zerrte an ihm, während es gleichzeitig an seinem Fleisch riss.

Weitere Wesen sprangen seinen Oberkörper an und klammerten sich an ihm fest. Die Hosenbeine hingen nur noch in Fetzen, er blutete aus unzähligen Wunden. Mirco wurde sie nicht los. Sie bissen sich an ihm fest. Die Mini-Monster waren nur wenig größer als Eichhörnchen, erinnerten aber eher an Piranhas auf Beinen. Ihr Gewicht machte ihn langsamer und drohte, ihn zu Fall zu bringen. Mit Entsetzen stellte er fest, dass einige von ihnen zu kauen begannen.

Mirco schleppte sich noch ein paar Meter weiter, dann ging er in die Knie. Noch mehr von den kleinen Biestern flitzten aus dem Unterholz, kletterten auf ihn und drückten ihn mit ihrem Gewicht zu Boden. Er hörte auf, sich zu wehren.

* * *

Toni kam mit seinen kaputten Knöcheln nur langsam vorwärts, aber es gelang ihm, sich leise und unauffällig zu bewegen. Die ersten Gebäude des Parks kamen in Sicht. Dort gingen mehrere Lichter an. Die Wachleute mussten auf die Schreie aufmerksam geworden sein. Wenn er es bis zu ihnen schaffte, konnten sie ihn beschützen. Aber waren sie überhaupt in der Lage, diese Bestien aufzuhalten? Besaßen Sie Waffen? Noch war Toni zu weit entfernt, um durch Rufe auf sich aufmerksam zu machen. Wer wusste schon, wen er dadurch sonst noch alarmierte. Er musste weiter unauffällig bleiben.

Vor ihm bewegte sich ein erhobener Schwanz zwischen den Farnen und erinnerte ihn an eine Haiflosse, die durch das Wasser zog. Der erste Verfolger blieb nicht der einzige. Etwas stieß gegen sein Bein und traf auch den Knöchel. Toni ging sofort in die Knie und musste eine Hand auf den Mund pressen, um nicht vor Schmerz laut zu schreien. Der Weg zu den Gebäuden war ihm abgeschnitten. Er brauchte ein neues Ziel und hatte nur zwei Richtungen zur Wahl. Er entschied sich für Westen, denn auf der anderen Seite lag freie Fläche, auf der er ihnen ausgeliefert war. Er wollte in die Grotte flüchten. Dort kamen die großen Biester nicht hinein.

Vorsichtig machte er sich auf den Weg. Toni versuchte den Knöchel so wenig wie möglich zu belasten, aber er musste einen Umweg machen, um die Biester zu umgehen. Sobald er ein Geräusch in seiner Nähe hörte, blieb er sofort stehen und verhielt sich ruhig, bis das unbekannte Tier wieder verschwunden war. So brauchte er eine gefühlte Ewigkeit, bis er sein Ziel erreichte, aber er schaffte es. Auf einem Bein hüpfte er auf die dunkle Öffnung zu. Wenn er die Grotte erreichte, würde er sich dort bis zum Morgengrauen verkriechen und dann so schnell wie möglich zum Hauptgebäude laufen und seinen Vorarbeiter verständigen. Noch drei Meter, dann war er im Eingang. Hinter ihm war der gesamte Dschungel in Bewegung, aber sie würden ihn nicht mehr einholen. Ihm würde es nicht so ergehen wie Mirco und Vlad. Er hüpfte in die Grotte hinein.

Etwas kam ihm aus der Dunkelheit entgegen. Toni sah noch einen ovalen Ring aus Zähnen, groß genug, um ihn zu umschließen.

* * *

„Ich verstehe immer noch nicht, weshalb das ein Fall für die Schattenchronik sein soll“, sagte ich. „Vermisstenfälle sind Sache der Polizei.“

Leila nahm eine Hand vom Steuer und wies auf ein riesiges Werbeplakat für den Park. „Kannst du dir einen interessanteren Einsatzort vorstellen?“

Entlang der Autobahn hatten Werbetafeln auf den Park hingewiesen. Riesige Schilder, die Dinosaurier fast in Originalgröße abbildeten. Je näher wir unserem Ziel kamen, umso schneller folgten sie aufeinander. Caprona Park - Die abenteuerliche Reise in ein vergessenes Land. Ein Themenpark nach den Romanen von Edgar Rice Burroughs. Ich hatte die Bücher vor einigen Jahren erneut gelesen, sie waren erstaunlich gut gealtert. Auch wenn mich die Geschichte nicht mehr so tief beeindrucken konnte, wie es ihr bei meinem jüngeren Ich gelungen war, empfand ich doch viel Vergnügen bei der Lektüre. Leila nahm die Vorbereitung auf diesen Einsatz etwas lockerer und hatte auf dem Flug nach Berlin die erste Verfilmung mit Doug McClure auf ihrem Tablet gestreamt. Die ganze Zeit über gluckste sie und lachte auch ein paar Mal laut auf. Man hätte meinen können, sie sah sich eine Komödie an.

Wir kannten beide den geplanten Werbetrailer für den Park und hatten eine Menge Bilder gesehen, deshalb wusste ich, dass die Ausstatter des Parks der Verfilmung ebenso viel Raum geboten hatten, wie dem zugrundeliegenden Roman. Aber die meisten Besucher wurden von den Dinos angelockt. Nach sechs erfolgreichen Filmen von Jurassic Park bis Jurassic World - Ein neues Zeitalter waren Generationen neuer Dino-Fans entstanden, die noch nie von Caprona gehört hatten. Nach heutigen Sehgewohnheiten und vor allem dem Stand der Tricktechnik war das wahrscheinlich besser so.

Hier abbiegen, stand auf einem Schild mit T-Rex an unserer Ausfahrt.

Der Park besaß eine eigene Ausfahrt, die mit ihrem langen Verlauf sicherstellte, dass es keinen Rückstau auf die Autobahn gab. Die Betreiber zeigten sich also zuversichtlich, was den Erfolg anging und erwarteten einen Ansturm von Besuchern. Da der Park noch nicht eröffnet hatte, konnten wir direkt bis zum Eingang vorfahren.

Ein Angestellter in Warnweste eilte uns entgegen und winkte. Er trat an mein Beifahrerfenster. „Guten Tag, Herr Anderson“, sagte er. „Bitte nehmen Sie die Busspur und fahren Sie bis zur Lieferanteneinfahrt vor, von dort wird man Sie weiterleiten.“

Ich bedankte mich und wir folgten den Anweisungen. An der Schranke für Lieferanten angekommen, erschien ein weiterer Angestellter, der in ein Handy sprach. Er wies Leila in eine Parkbucht, in der sie unseren Mietwagen abstellen konnte. Als wir ausstiegen begrüßte er uns ebenfalls mit Namen und bat uns, einen Moment zu warten. „Herr Herbst wird gleich hier sein, um Sie in Empfang zu nehmen.“

Auf der anderen Seite der Schranke hielt ein Golfwagen, der in den Farben des Parks lackiert war und dessen Logo auf der Haube trug. Der Mann sprang vom Sitz, während sein Gefährt noch ausrollte, und kam uns mit ausgebreiteten Armen und breitem Grinsen entgegen. Er war mittelgroß, schlank und sehr ordentlich frisiert. Wenn man auf wellige Föhnfrisuren stand.

„Frau Dahlström“, sagte er und umfasste Leilas Rechte mit beiden Händen. „Herzlich willkommen.“ Dann begrüßte er mich mit einem festen Händedruck, den ich ihm nicht zugetraut hätte. „Herr Anderson, welche Freude. Ich bin Sebastian Herbst, der Leiter von Caprona Park, und ich bin Herrn Linder wirklich dankbar, dass er uns so schnell seine besten Mitarbeiter schicken konnte.“

„Stammt die Einschätzung von ihm?“, fragte Leila amüsiert.

„Nun, nicht wortwörtlich“, sagte Herbst leicht irritiert. „Aber da er Sie beide geschickt hat, gehe ich doch davon aus, dass Sie seine besten Mitarbeiter sind.“

Obwohl er sich aufrichtig freute, wirkte er doch aalglatt und seine Freundlichkeit sehr professionell. Wenn jemand nur aus Fassade bestand, war es sehr schwer, seine wahren Gefühle zu erkennen.

„Wir sind immer schnell, wenn es sich um einen Notfall handelt“, versicherte ich ihm und stellte dabei klar, dass ich von dieser Tatsache noch nicht überzeugt war.

„Wenn Sie möchten, können wir den offiziellen Eingang nehmen, durch den auch die normalen Besucher den Park betreten.“

„Sehr gerne“, sagte Leila, bevor ich das Angebot ausschlagen konnte.

Zufrieden deutete Herbst eine Verbeugung an und gab dem Angestellten das Zeichen, die Schranke zu öffnen. Er holte den Golfwagen und ließ uns zusteigen. Beschwingt fuhr er uns zu der beeindruckenden Vorderseite des Parks und war für meinen Geschmack etwas zu sehr im Verkäufermodus. Uns musste er nicht von den Qualitäten seines Produktes überzeugen, wir waren aus einem anderen Grund hier.

Die Vorderansicht hätte abweisender nicht sein können, aber das war durchaus gewollt. Eine acht Meter hohe glatte Fläche stellte die Klippen dar, die in Burroughs Roman die Insel Caprona umgaben. Vor der Wand befand sich ein Nachbau des deutschen U-Bootes U-33, mit dem die Helden das sagenumwobene Eiland erreichten. Tatsächlich handelte es sich um die Abfahrtstation einer eingleisigen Bahn, durch die Gäste in den Park gelangten.

An der Seite des U-Boot-Nachbaus öffneten sich Türen zum Bahnwagen und wir stiegen ein. Die Ausstatter hatten sich viel Mühe gegeben, das Innere eines U-Bootes aus dem Ersten Weltkrieg nachzubauen. Der fensterlose Wagen war mit Metallplatten und Rohren ausgekleidet und in Rotlicht getaucht. Die folgende Fahrt war mit Absicht ziemlich unruhig, um die gefährliche Tauchfahrt nach Caprona zu simulieren, bei der das Unterseeboot immer wieder gegen die Wände eines unterirdischen Tunnels stieß. Die Fahrt dauerte nur zwei Minuten, war aber eine perfekte Einstimmung.

Herbst war sichtlich stolz auf den Park und lauerte geradezu auf jede Reaktion von uns. Wir nickten beide anerkennend. Der Auftakt war schon sehr stimmungsvoll.

„Ich hatte bis heute noch nichts von dem Park gehört“, gestand ich. Es war schon eine beachtliche Leistung, eine solche Attraktion praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu errichten. Natürlich wussten Interessierte, dass hier ein Themenpark entstanden war, aber das Thema selbst wurde als Geheimnis behandelt.

„Wir haben uns bisher in den Medien sehr zurückgehalten. Seit die Schilder stehen, ist natürlich bekannt, was wir hier vorbereiten, und demnächst wird unsere große Werbekampagne starten.“

„Es lag vielleicht nicht an gelungener Geheimhaltung des Projektes, sondern eher am allgemeinen Desinteresse“, stichelte Leila. Sie wusste, wie man einen Nerv traf und Leute aus der Reserve lockte. Genaugenommen lernte sie gerne Menschen auf diese Weise kennen. Die Reaktionen offenbarten meiner Partnerin den wahren Charakter einer Person und sie lag selten falsch mit ihren Einschätzungen.

Herbsts Lächeln gefror. Er war nicht verärgert, sondern eher erschüttert. Ich stellte fest, dass ihm wirklich etwas an dem Park lag.

Wir verließen die U-Boot-Bahn, um direkt in ein tropisches Paradies zu treten.

„Auch wenn Sie beruflich hier sind, dürfen sie sich als VIP-Gäste betrachten“, erklärte Herbst.

„Oh.“ Leila scrollte auf ihrem Handy. „Du glaubst nicht, was der VIP-Status kostet.“ Sie hielt mir ihr Handy hin. Ich warf einen raschen Blick auf das Display und stieß einen Pfiff aus.

„Caprona Park liegt im höheren Preissegment, aber das sieht unser Konzept so vor. Herr Wolvram möchte nur eine begrenzte Besucherzahl, denn der Gewinn steht nicht im Vordergrund. Ihm ist es wichtiger, dass die Besucher ihren Spaß haben und dazu gehört auch, dass sie nicht die meiste Zeit in Warteschlangen verbringen.“

„Interessantes Konzept, die Besucherzahl so drastisch zu beschränken. Normalerweise geschieht so etwas eher durch Auflagen der Behörden.“

Herbst nickte eifrig. „Das Besondere am Park ist, dass die Besucher nicht einfach nur Gäste sind, sondern eine besondere Rolle spielen. Der gesamte Besuch ist in eine Handlung eingebettet, die man durchlaufen muss. Man stellt sich nicht zehnmal an der Achterbahn an, sondern nutzt jede Attraktion nur einmal innerhalb der vorgegebenen Handlung.“

„Wenn jeder Besucher jede Station nur einmal bewältigt, wird dadurch der Aufenthalt im Park zeitlich genau planbar.“

„Richtig, Frau Dahlström“, bestätigte Herbst. „Aber Sie dürfen sich das allerdings nicht wie einen Besuch auf Neu-Schwanstein vorstellen, wo Sie innerhalb eines festgelegten Zeitfensters durch das Gebäude geschleust werden. Im Caprona Park können die Gäste jederzeit Pausen einlegen und sich unbegrenzt in den Cafés und Restaurants aufhalten, der Handlungsverlauf ist linear und am Ende haben alle dasselbe Abenteuer erlebt.“

„Hält das die Gäste nicht von mehrfachen Besuchen ab?“, fragte Leila. Sie spielte wirklich leidenschaftlich gerne des Teufels Advokat.

Doch Herbst ließ sich nicht beirren. „Wir bieten ein exklusives Erlebnis, das als etwas Besonderes im Gedächtnis bleiben wird. Eine schöne Erinnerung, die man anschließend alle paar Jahre wieder auffrischen kann.“

Leila und ich wechselten einen zweifelnden Blick. Ich verstand zu wenig von diesem Geschäft, um Herbsts Optimismus zu teilen, aber wenn es sich um ein Herzensprojekt von einem Milliardär wie Johannes Wolvram handelte, spielte Geld vielleicht wirklich keine so große Rolle. Oder ich lag völlig falsch und der Park wurde ein Renner.

„Erwarten Sie Herrn Wolvram in den nächsten Tagen?“, erkundigte ich mich.

„Er hat seinen Besuch für nächste Woche angekündigt. Dann macht er eine Führung für mögliche Investoren.“

„Sucht man sich die nicht im Vorfeld?“, fragte ich überrascht.

„Normalerweise schon, aber das Parkkonzept richtet sich eher an eine spezielle Klientel. Investoren, bei denen nicht der schnelle Gewinn im Vordergrund steht. Außerdem wollte sich Herr Wolvram nicht in sein Konzept hineinreden lassen.“

„Also hat er zuerst alles nach seinen Vorstellungen umgesetzt, mit seinem eigenen Geld, und nun sucht er Leute, denen es gefällt und die den Park so akzeptieren, wie er ist“, fasste Leila zusammen.

„Ganz genau“, bestätigte Herbst.

Wir spazierten nebeneinander durch eine breite Allee aus tropischen Bäumen. Es wurde Zeit, endlich auf den Anlass zu sprechen zu kommen, weshalb wir hier waren. „Erzählen Sie uns von Jürgen Felsheim“, forderte ich den Parkleiter auf.

„Mein Assistent ist seit gestern Morgen verschwunden.“

„Er ist nicht zur Arbeit erschienen?“

„Seit Auto stand hier auf dem Parkplatz, ich gehe davon aus, dass er in der Nacht zuvor gar nicht nach Hause gefahren ist, sondern hier geblieben ist.“

„Wieso?“, fragte Leila.

Herbst wand sich wieder, als würde ihm die Erklärung körperliches Unbehagen bereiten. „Er hat in den letzten Tagen immer wieder davon gesprochen, dass im Park etwas Seltsames vor sich geht. Ich muss gestehen, dass ich das nicht sehr ernst genommen habe und mir selbst ist auch nie etwas aufgefallen.“

„Dann nehme ich an, es war Herr Felsheim, der uns verständigt hat, und nicht Sie“, schloss ich daraus.

„Ja, und zwar ohne mein Wissen“, gab Herbst zu. „Er hat sich wohl an die Behörden gewandt, die verständlicherweise eher skeptisch waren. Aber er kann sehr hartnäckig sein, was ich ansonsten zu seinen positiven Eigenschaften zähle. Ich nehme an, der Fall wurde immer weiter gereicht, bis …“

„Bis er bei uns gelandet ist“, vollendete Leila den Satz. „So läuft es meistens. Aber er muss mehr als ein paar vage Vermutungen mitgeteilt haben, sonst wäre die Meldung viel schneller irgendwo abgelegt worden.“

„Ich kann leider nichts dazu sagen. Aber seit seinem Verschwinden, bin ich mit Ihrem Besuch natürlich einverstanden. Und inzwischen hat sich die Lage noch einmal verändert.“

„Ist seitdem noch jemand verschwunden?“, fragte Leila misstrauisch.

„Nun ja.“ Herbst zierte sich.

„Wie viele?“, bohrte Leila.

„Wir sind noch nicht ganz sicher.“

Leila verdrehte die Augen. „Spucken Sie es schon aus!“

„Drei.“

„Um wen handelt es sich?“, erkundigte ich mich.

„Arbeiter, wir haben ja noch keine Gäste.“

„Die wird auch jemand vermissen.“

„Natürlich. Falls sie tatsächlich verschwunden sind.“