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Cyberjohn Five muss gegen den Widerstand der Hüter der Obersten Instanz in den Psychonodus vordringen, um Shalyn Shans Körper zu bergen. Doch die Lage dort ist völlig anders als erwartet.Auf Tamagar II erleben die Besatzungen der Agamemnon und des Dampfschiffes Shona als Gefangene der Johimin eine rituelle Zeremonie. Als Höhepunkt hat deren Oberhaupt, die Große Säugerin, den Tod der Terraner und Moraner beschlossen.
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Seitenzahl: 168
In dieser Reihe bisher erschienen
5101 Andreas Zwengel Mehr als tausend Lichtjahre
5102 Andreas Zwengel & Gerd Lange Geheiligte Spiele
5103 Andreas Zwengel Eisenfaust
5104 Andreas Zwengel Der Weiße Prophet
5105 Andreas Zwengel Im Tribunal der Häuser
5106 Andreas Zwengel Das Zeitenorakel
5107 Andreas Zwengel Die wahnhaften Künstler
5108 Andreas Zwengel Der Plan der Ehrenschwester
5109 Andreas Zwengel Die Vision der Propheten
RAUMSCHIFF PROMET - STERNENABENTEUER
BUCH 9
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Copyright © 2023 BLITZ-Verlag
Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Gerd Lange
Exposé: Thomas Ziegler† & Gerd Lange
Titelbild: Mario Heyer
Logo: Mario Heyer
Satz: Torsten Kohlwey
Alle Rechte vorbehalten.
www.BLITZ-Verlag.de
ISBN: 978-3-7579-6185-5
5109v1
Tamagar II, Insel Johimin-Dhan, 12.05.2107 terranischer Zeitrechnung
Katai, vom dem Psychonodus auf Bezen, zur selben Zeit
Im Inneren des Psychonodus
Auf der Insel Johimin-Dhan
Im Psychonodus auf Bezen
Tamagar II, Insel Johimin-Dhan
Im Psychonodus auf Bezen
Tamagar II, Insel Johimin-Dhan
Katai, auf dem Planeten Toschawa
An Bord der Butterfly
An Bord der Promet IV
Auf Tamagar II
Im Yikrit-System
Zurück auf Riddle im Alpha-Centauri-System
Im Yikrit-System
Anmerkungen
Über den Autor
Die Johimin schafften ihre Gefangenen durch ein Labyrinth aus Stollen und Höhlen in ihr unterirdisches Dorf. Es befand sich in einem Gewölbe ähnlich einem Maulwurfsbau. Die Rückkehr ähnelte einem Triumphzug. Alle Bewohner waren zusammengekommen, um den Sieg über die Eindringlinge zu feiern.
Vivien Raid hatte einen trockenen Mund und fürchterlichen Durst. Eine weitere Folge der letzten Nacht, als sie dem selbstgebrannten Schnaps von Kapitän Tark zu sehr zugesprochen hatte. Den ganzen Tag über hatte sie schon unter den Nachwirkungen des durchzechten Abends und ihrem Brummschädel gelitten, der anstrengende Kampf mit den Johimin hatte es nicht besser gemacht. Gefesselt mit rauen Stricken aus Pflanzenfasern schleppte sie sich vorwärts. Arn und Junici befanden sich hinter ihr in der Reihe, die Besatzung der Agamemnon vor ihr. Die Spitze bildete die Mannschaft des Dampfschiffes Shona, allen voran ihr Kapitän. Er hatte sich als großer Kämpfer erwiesen und war deshalb ein Gefangener, der den Johimin, die ihn besiegt hatten, besonders viel Ruhm einbrachte.
Vivian sah sich um. Zivilisatorisch befanden sich die Johimin offenbar in der Bronzezeit. Sie hatten ihre Gänge unter der Oberfläche mit einfachsten Mitteln errichtet und auf unnötigen Komfort verzichtet. Auffällig waren allerdings die metallenen Abbilder von Götterwesen, die in allen Größen herumstanden. Jede Wohnnische schien seine eigene Figur zu besitzen, die deren Bewohner schützen sollte. Anscheinend waren die Johimin ein sehr religiöses Volk.
Fast stieß Vivien mit dem Kopf gegen einen Wurzelstrang, der von der Decke hing. Viele der Gefangenen konnten sich in dem niedrigen Gewölbe nur in leicht gebückter Haltung fortbewegen. Ein Hüne wie der Kapitän hatte es da besonders schwer.
Vivien hielt Ausschau nach einem Fluchtweg, aber in dem schwachen Licht konnte sie kaum etwas erkennen. Sie bezweifelte, ohne Hilfe aus der unterirdischen Welt der Johimin wieder herauszufinden. Das weitverzweigte Netz aus Gängen musste weite Teile der Insel unterhöhlen.
Die Gefangenen wurden auf einen großen Platz in der Mitte einer riesigen Höhle gebracht, an deren Rund sich übereinander in zwei Etagen die Zugänge zu weiteren Wohneinheiten befanden. Mit brutalen Stößen brachten die Johimin sie in eine kreisförmige Aufstellung um einen zentralen Steinblock, der sich auf einem steinernen Podest befand und Quaderform besaß. Die Seiten waren mit Meißelarbeiten verziert, die die bereits bekannten Götterfiguren zeigten. Hinter den Gefangenen rückten die Anwesenden dicht auf und stimmten einen leisen Gesang an, der sehr aggressiv klang.
Willkommen sind wir hier nicht, dachte Vivien und suchte Blickkontakt mit Kapitän Tark, der ihr direkt gegenüber auf der anderen Seite des Steinblocks stand. Auf ihre stumme Frage hin, zuckte er mit den Schultern. Er wusste auch nicht, was hier vorging oder was ihnen bevorstand. Der Aufmarsch der Johimin konnte die Vorbereitung für eine Rede an die Gefangenen sein. Aber Vivien konnte sich nicht vorstellen, dass die Johimin ihnen wegen ihres Eindringens nur ins Gewissen reden wollten.
Ein Crewmitglied der Shona erhielt einen kräftigen Stoß in den Rücken und taumelte mehrere Schritte vorwärts aus der Reihe. Sofort waren zwei Johimin bei ihm und hielten ihn fest. Der drahtige Moraner versuchte, sich zu befreien und erhielt dafür einen heftigen Schlag, der ihn in den Knien einknickten ließ. Andere aus der Mannschaft kamen ihm zu Hilfe, doch mit gefesselten Armen konnten sie nicht viel unternehmen. Sie wurden von den Johimin mit Speeren angegriffen, deren Spitzen aus scharfgeschliffenen Metallklingen die Seeleute in ihre Reihe zurückweichen ließen. „Halt aus, Gorg!“, rief einer von ihnen dem Kameraden zu, der gerade zu dem Steinblock in der Mitte geführt wurde.
Vivien hatte ein mulmiges Gefühl. Die Szenerie erinnerte sie an Zeichnungen und Gemälde über mittel- und südamerikanische Kulturen. Hilflos mussten sie und die anderen Expeditionsteilnehmer mitansehen, wie der Tamagar-Moraner Gorg in einer Art Prozession zum Steinblock hinaufgetragen wurde. Sie legten ihn auf der Platte ab und banden seine Arme und Beine mit Pflanzenfasern an die vier Ecken des Blocks, wo sich entsprechende Halterungen befanden. Gorg schrie ängstlich herum, auch er ahnte, was ihm bevorstand. Kapitän Tark brüllte und verlangte einen Anführer zu sprechen, doch die Johimin ignorierten ihn. Vivien konnte nicht sagen, ob sie ihn nicht verstanden oder es ihnen einfach egal war.
Der Ring aus Höhlenbewohnern teilte sich an einer Stelle und es erschien ein offensichtlich ranghohes Wesen, das eine Art Priester war. Langsam schritt er zwischen den Johimin hindurch und hielt seine gewaltigen Klauenhände vor der Brust verschränkt. Um seinen Oberkörper trug er einen Umhang aus grünlich gefärbtem Stoff, auf seinem Kopf saß eine Art Krone, die aus Krogk-Harz hergestellt war. Der Gesang der Johimin wurde andächtiger, als handelte es sich um einen Gottesdienst.
Gorg erlebte unterdessen Todesangst. Die blutigen Geschichten, die er über die Johimin gehört hatte, ihre grausamen Rituale und die brutalen Massaker an früheren Expeditionen, all das musste ihn schier um den Verstand bringen. Die anderen gefesselten Gefangenen konnten ihm nicht helfen und wurden immer unruhiger, denn was immer nun mit Gorg geschah, schien auch ihr Schicksal zu sein. Der Priester stieg den Block hinauf und blieb vor dem liegenden Seemann stehen. Ein Gehilfe an seiner Seite hielt seinem Meister einen Krug hin. Ohne den Blick von dem schreienden Gefangenen abzuwenden, griff er in den Krug, nahm ein nasses Pflanzenblatt heraus und klebte es Gorg über den Mund. Sofort verstummten die Schreie, der Gefangene brachte wegen des Knebels nur noch dumpfe Töne hervor. Stattdessen begann er zu zappeln und an den Fesseln zu zerren, doch die boten ihm keinen Spielraum. Der Priester trat zwei Schritte zurück und senkte den Kopf, während die Johimin ihre Körper in einem leisen Summgesang wiegten.
„Was habt ihr mit ihm vor?“, rief Vivien laut.
Sie zuckte zusammen, als eine Stimme in ihrem Kopf antwortete. Du wirst es nicht verhindern können.
Sie sah sich um, konnte aber niemanden sehen, der mit ihr redete. Alle Blicke waren auf den Gefangenen und den Priester gerichtet. Außerdem hatte sie die Worte nicht mit den Ohren wahrgenommen, sie waren direkt in ihrem Kopf entstanden. „Wer ist da?“, fragte sie leise.
Man nennt mich die Große Säugerin.
Vivien wunderte sich nicht darüber, dass sie das fremde Wesen verstehen konnte. Bei Gedankenverbindungen gab es nur selten Sprachbarrieren, da die Gehirne auf beiden Seiten in einer Form von Synchronizität kommunizierten.
Sie sah zu den anderen Gefangenen, aber keiner von ihnen reagierte auf die fremde Stimme oder zeigte auch nur Verwunderung über ihre Existenz. Also war Vivien die Einzige, die sie hören konnte. Weshalb kann nur ich dich hören?, erkundigte sie sich in Gedanken.
Die Stimme antwortete ihr sofort. Du bist besonders empfänglich, weil du einen verschwommenen Kopf hast.
Vivien brauchte einen Moment, um zu verstehen, was damit gemeint war. Vermutlich ihr Restalkohol der vergangenen Nacht, mit dessen Auswirkungen sie immer noch zu kämpfen hatte.
Du bist der einzige weibliche Eindringling, zu dem ich Kontakt finden kann.
Vivien wies unauffällig auf den Gefangenen. Was habt ihr mit ihm vor?
Der Eindringling wird auf rituelle Weise sterben.
Aber wieso? Ihr habt doch uns angegriffen, erwiderte Vivien
Die Antwort kam prompt: Ihr seid auf unser Gebiet eingedrungen und habt die Tränen der Götter entweiht. Für diesen Frevel müsst ihr bezahlen.
Die Tränen der Götter?
Jawohl. Ihr habt sie aus dem Fels geschlagen und wolltet sie fortschaffen, erklärte die Stimme empört.
Vivien verstand. Die Große Säugerin sprach von den Krogk-Harzbrocken, die sie abgebaut hatten.
Nun müssen die Götter besänftigt werden.
Ihr müsst ihn töten, um eure Götter zu besänftigen? Gibt es keine andere Möglichkeit?
Nicht nur ihn. Jeden, der die Tränen entwendet hat.
Vivien schluckte. Das betraf fast alle von ihnen. Eigentlich hatten nur sie selbst, Arn und Junici sich nicht aktiv am Abbau beteiligt, weil sie mit Kapitän Karn über den Weg zu dem fremden Raumschiff gesprochen und nach Anhaltspunkten in der Umgebung Ausschau gehalten hatten.
Ihr seid nicht die Ersten, die versuchen, die Tränen der Götter zu stehlen. Auch frühere Eindringlinge wurden auf diese Weise zur Besänftigung der Götter geopfert.
Vivien suchte nach Argumenten, um dieses Ritual zu beenden, doch in diesem Moment beugte sich der Priester über Gorg und schnitt ihm mit einer blitzschnellen Bewegung die Kehle durch. Ein wütender Aufschrei ging durch die Mannschaft der Shona. Jema Rousseau wandte sich entsetzt vom Gesehen ab, während Paul Mack in den Knien einknickte und Kommandant Myklebust sich noch hektischer als zuvor nach einer Fluchtmöglichkeit umschaute. Sie alle bekamen nicht viel Zeit, den Schock zu überwinden. Sofort hoben zwei Johimin die Leiche von dem Opferblock und trugen sie davon, während andere den Opfertod weiterer Gefangenen vorbereiteten.
Wir waren nicht alle daran beteiligt, erklärte Vivien der Großen Säugerin, um Zeit zu gewinnen und Zweifel an der Schuld anderer zu säen.
Wir wissen genau, wer daran beteiligt war. Wir können die Tränen der Götter an euch riechen. An jedem, der damit in Berührung gekommen ist. Deine Hände sind rein. Ebenso bei denen, die du in deinen Gedanken Junici und Arn nennst. Die Große Säugerin machte eine kurze Pause. Und jener namens Torn Tark. Obwohl er viele von meinem Volk getötet hat.
Um sich zu verteidigen, nachdem ihr ihn angegriffen habt, protestierte Vivien erneut.
Nachdem ihr in unser Gebiet eingedrungen seid. Die Stimme verstummte für einen Moment, als ob sie über etwas nachdenken musste. Aber es stimmt, an den Tränen der Götter hat er sich nicht vergriffen.
Bevor Vivien fragen konnte, was das für sie bedeutete, wurden Arn, Junici, der Kapitän und sie rückwärts aus der Reihe der Gefangenen gezogen. Man sonderte sie von den anderen ab und befreite sie von ihren Fesseln. Vivien wollte der Großen Säugerin erzählen, weshalb sie das Harz so dringend benötigten, doch sie spürte, wie der telepathische Kontakt schwächer wurde und schließlich völlig abbrach. Sie glaubte nicht, dass ihre Gesprächspartnerin ihn abgebrochen hatte. Es lag wohl eher an dem banalen Grund, dass der Alkoholgehalt in ihrem Körper so weit abgesunken war, dass ihr Kopf nicht mehr verschwommen genug war.
Nach dem Lösen der Fesseln kümmerten sich die Johimin nicht mehr um sie, also entfernten sie sich ein paar Schritte rückwärts.
„Was ist gerade geschehen?“, flüsterte Tark. „Ich habe noch nie davon gehört, dass die Maulwürfe einen Gefangenen verschonen.“
„Wir haben das Harz nicht berührt“, erklärte Vivien und berichtete von ihrem mentalen Kontakt zur Großen Säugerin.
„Heißt das, wir können jetzt einfach gehen?“, fragte Arn verwundert.
„Ich lasse nicht zu, dass sie meine Besatzung bestialisch abschlachten“, empörte sich der Kapitän. Er hatte keine Waffen mehr, war aber offenbar bereit, sich mit bloßen Händen auf seine Gegner zu stürzen.
„Ich glaube nicht, dass sie uns einfach gehen lassen“, flüsterte Vivien. „Wir sind nur momentan nicht interessant für sie.“
Auf dem Opferblock durchschnitt der Priester einem weiteren Gefangenen die Kehle und Tark zuckte zusammen, so als spürte er dessen Todesschmerz am eigenen Körper.
„Gegen diese Übermacht können wir nichts ausrichten“, sagte Arn. „Wir müssen zur Shona zurück und Verstärkung holen.“
„Sie werden nicht so lange warten.“ Der Kapitän ballte die Fäuste. „Bis wir zurückkehren, haben sie längst alle getötet.“
„Es ist die einzige Möglichkeit“, beschwor ihn Vivien. „Sonst werden wir nur gemeinsam mit ihnen sterben. Zu viert können wir niemanden befreien.“
Tark wollte das nicht akzeptieren, aber ihm blieb keine andere Wahl. Frustriert wandte er sich ab, sah sich die verschiedenen Tunnel an, die von dem Versammlungsraum wegführten, und entschied sich für einen davon. Seine drei Gefährten schlossen sich ihm an. Geduckt eilten sie durch den Tunnel, der nur schwach durch das Tageslicht aus den Atmungslöchern erleuchtet war. Immer wieder stolperten sie über Steine und Wurzeln auf dem Boden, wurden aber nicht langsamer. Nach einigen Minuten ertönten aufgeregte Laute hinter ihnen.
„Sie haben unsere Flucht bemerkt!“, rief Arn nach vorne, der das Schlusslicht bildete.
„Hat mich schon gewundert, dass es so lange dauert“, gab Tark zurück und musste sich an der nächsten Weggabelung wieder für eine Richtung entscheiden. Er wählte rein nach Instinkt. Obwohl er über einen ausgezeichneten Orientierungssinn verfügte, funktionierte dieser unter der Erde nicht so wie gewohnt.
Ihre Flucht durch das Labyrinth aus den Untergrundstollen wurde angetrieben durch die Laute der Johimin, die sie verfolgten. Wahrscheinlich hatten sie sich durch den Fluchtversuch ebenfalls einen Platz auf dem Opferblock gesichert.
Sie spürten in ihren Beinen den leichten Anstieg, es ging nach oben. Bald darauf tauchte vor ihnen Tageslicht am Ende eines Stollens auf. Zuerst nur ein kleines Rechteck, das schnell größer wurde, je weiter sie sich ihm näherten. Nach der trockenen Luft der Tunnel glaubten sie sogar, eine frische Meeresbrise riechen zu können. Sie beschleunigten ihre Schritte und riskierten damit weitere Zusammenstöße mit der niedrigen Decke. Kurz hintereinander drängten sie ins Freie und kniffen geblendet die Augen zusammen. Es dauerte einen Moment, bis sie wieder etwas erkennen konnten, doch die Enttäuschung konnte nicht größer sein. Sie befanden sich auf einer Art Balkon, der sich inmitten einer steilen Felswand befand. Über ihnen erhob sich zehn Meter glatter Fels, unter ihnen lag in mindestens zwanzig Metern Tiefe das Meer, das gegen ein Riff anbrandete. In keine Richtung kamen sie weiter.
„Das ist kein Ausgang!“, rief Junici enttäuscht.
„Das dürfte eher eine Entsorgungsstelle sein“, vermutete Arn. „Hier werfen sie Abfälle ins Meer oder sie bestatten ihre Toten von hier aus.“
„Wir müssen zurück und einen anderen Abzweig nehmen“, sagte Vivien.
Kapitän Tark, der bereits halb in den Tunnel zurückgetaucht war, kam wieder hervor. „Ich kann sie hören, sie sind auf dem Weg zu uns. Es bleibt nicht genug Zeit, um den letzten Abzweig zu erreichen.“
„Wir könnten uns hier eine Weile verteidigen“, schlug Arn vor. „Sie können nur nacheinander durch den Tunnel kommen.“
„Was soll das bringen?“, entgegnete Tark barsch. „Sie sind uns hundertfach überlegen. Damit zögern wir nur das Unvermeidliche hinaus.“
„Was sollen wir sonst tun?“, fragte Vivien, in der Hoffnung, dass der Kapitän eine bessere Idee hatte.
„Du glaubst, du konntest diese Große Säugerin nur wegen meines Gesöffs hören?“, fragte Tark zweifelnd. Er wusste, dass auch er nach dem Genuss seines Rachenputzers oft Stimmen hörte, aber meistens sagten sie nichts Sinnvolles.
„Es scheint mir die logischste Erklärung.“
„Dann führt der einzige Weg hier raus über einen kräftigen Schluck“, sagte Tark und legte seine Hand auf einen ledernen Trinkbeutel an seinem Gürtel.
„Du hast deinen Schnaps dabei?“, staunte Vivien.
„Nur für medizinische Notfälle“, erklärte er und wollte den Beutel von seinem Gürtel nehmen, als hinter ihm aus dem Dunkel des Tunnels zwei riesige Klauenhände auftauchten und sich auf seine Schultern legten. Brutal wurde Tark in den Stollen hineingezogen.
Im letzten Moment bekam er mit seiner Rechten den Tunnelrand zu fassen und hielt sich daran fest. Mit der anderen Hand riss er den Beutel von seinem Gürtel und warf ihn Vivien zu. „Frag deine neue Freundin!“ Damit verschwand er im Tunnel.
Vivien fing den Beutel mit dem selbstgebrauten Fusel und reichte ihn zuerst an Arn weiter, der rasch einen großen Schluck nahm. Vivien konnte ebenfalls noch einen Schluck nehmen, bevor die Johimin aus dem Tunnel drängten und sie packten. Der Beutel fiel zu Boden und der Rest des hochprozentigen Tranks versickerte im Boden.
Die Raumfahrer leisteten keine Gegenwehr. Sie ließen sich erneut fesseln und durch das Labyrinth zurückführen. Vivien sorgte dafür, dass sie hinter Arn ging. Schon nach wenigen hundert Metern spürte sie die Anwesenheit einer anderen Person in ihrem Kopf, auch wenn diese noch nicht zu ihr sprach.
„Ich glaube, ich bin wieder in Telepathiekontakt“, raunte sie Arn zu. „Spürst du es auch?“
„Ich spüre nur ein Brennen in der Kehle“, gab der Moraner zurück. „Das meinst du wahrscheinlich nicht.“
„Es ist ein ziemlich eindeutiger Eindruck. So als habe jemand dicht neben dir denselben Raum betreten.“ Vivien war enttäuscht. „Vielleicht dauert es bei dir länger.“
Er ist nicht in der Lage, mit mir in Kontakt zu treten, weil er ein männliches Wesen ist, erklärte die Große Säugerin so unvermittelt, dass Vivien einen erschrockenen Laut von sich gab.
„Hast du Kontakt?“, fragte Arn über seine Schulter nach hinten.
„Ja, aber anscheinend redet sie nicht mit Männern.“ Vivien behagte es überhaupt nicht, dass es nun allein von ihrem Verhandlungsgeschick abhing, die gesamte Gruppe der Gefangenen vor dem Opfertod zu retten. Es war nicht unsere Absicht, eure religiösen Gefühle zu verletzen. Wir und unsere Vorgänger auf den beiden früheren Dampfschiffen brauchen die Tränen der Götter, um durch ihre Kraft umherreisen zu können, erklärte Vivien in Gedanken, während sie durch die Tunnel schritt. Wir wussten nichts von der Bedeutung, die sie für euch haben.
Erkläre weiter, forderte die Große Säugerin sie auf.
Unsere Taten geschahen ohne Wissen, dass dies heiliger Boden und der Abbau für euch ein Frevel ist. Wir haben Antriebsstoff für unsere Maschinen gebraucht, so wie wir alle Nahrung für unsere Körper benötigen. Es geschah ohne bösen Willen, das versichere ich euch.
Als einzige Reaktion erhielt Vivien die Botschaft: Warte!
Erschöpft wie nach einer langen Rede, verstummte Vivien. Sie hoffte nur, dass ihre Gesprächspartnerin nicht die naheliegende Frage stellte, die da lautete: Wenn ihr es bereut, werdet ihr es dann in Zukunft unterlassen? Die Große Säugerin war sicher verärgert über ihren Fluchtversuch, aber sie schien mit einem Mal unentschlossen zu sein, ob die ritualen Tötungen weitergehen sollten.
Vivien wagte kaum zu atmen, während sie auf die endgültige Entscheidung wartete.
Shalyn Shan war tot. Entsetzt hatte Cyberjohn Five mitansehen müssen, wie seine Kommandantin einen Blasterschuss in den Rücken erhalten hatte, tödlich getroffen durch den Eingang des Psychonodus fiel und verschwand. Er hatte die Killerroboter ausgeschaltet, aber nicht schnell genug.
Während er erschüttert auf den Eingang starrte, traf die Verstärkung ein. Die doppelte Menge Kampfroboter, der sie zusammen zuvor gegenübergestanden hatten. Sechzehn bewaffnete Maschinen standen bereit, um ihn von dem Psychonodus fernzuhalten. Cy wagte es trotzdem, den Kampf aufzunehmen, denn neben allen anderen Empfindungen konnte er auch die Angst abstellen, die ihn normalerweise von einem solchen Selbstmordunternehmen abhalten musste. Er besaß nicht nur die Fähigkeit, die äußeren Einflüsse der Bezenbeesch auszublenden, sondern auch die eigenen Gefühle, was in Kampfsituationen sehr hilfreich war. Aus diesem Grund hatten seine Schöpfer diese Funktion bei ihm eingebaut. Er konnte seine Trauer und seine Wut über Shalyns Tod einfach abstellen, genauso wie den Wunsch nach Rache. Das ermöglichte es ihm, klar und rational zu denken und zu handeln. Ihren Verlust konnte er in einem günstigeren Moment betrauern. Allerdings zerstörte er den dritten Kampfroboter, den Mörder von Shalyn, mit mehr Schüssen als nötig. Der Wunsch nach Vergeltung wurde also nicht vollständig unterdrückt.
Ob seine Schöpfer deshalb von ihm enttäuscht wären? Sie hatten ihn operativ in eine emotionsleere und rücksichtlose Kampf- und Tötungsmaschine umformen wollen, doch dies war ihnen nicht vollständig gelungen. Denn schließlich war er sogar in der Lage, Wut und Zorn für den Moraner Malon Zerdag und die Terranerin Dr. Tyra Spence zu empfinden. Vor zehn Jahren hatten sie ihn als verwahrlosten Jungen von der Straße entführen lassen und einen Cyberjohn aus ihm gemacht. Ein Monster, halb Mensch und halb Maschine.
Doch anscheinend war er viel mehr Mensch, als er selbst glaubte. Er unterschied sich grundlegend von den Robotern, denen er gerade gegenüberstand.