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Wer sabotiert die Unterstützung für Großbritannien im Ersten Weltkrieg? Der 13. Fall der SPIEGEL-Bestsellerserie über Isaac Bell!
Neuengland, USA, 1914: Während in Europa der Erste Weltkrieg ausbricht, untersucht Privatdetektiv Isaac Bell den Einbruch in einer Waffenfabrik. Nichts scheint gestohlen zu sein. Doch dann entdeckt er, dass stattdessen etwas hinterlassen wurde: ein Sender. Dieser kann es deutschen U-Booten ermöglichen, die Frachtschiffe aufzuspüren und zu versenken. Wer sabotiert die amerikanische Unterstützung für Großbritannien? Isaac Bell hat nur wenig Zeit, den Feind aufzuhalten – sonst wird sich der Atlantik vor lauter Blut rot färben!
Jeder Band ein Bestseller und einzeln lesbar. Lassen Sie sich die anderen Fälle von Isaac Bell, Amerikas fähigstem Privatermittler, nicht entgehen, zum Beispiel die packenden Action-Abenteuer »Die Titanic-Verschwörung« oder »Das Panama-Attentat«.
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Seitenzahl: 588
Buch
Neuengland, USA, 1914: Während in Europa der Erste Weltkrieg ausbricht, untersucht Privatdetektiv Isaac Bell den Einbruch in einer Waffenfabrik. Nichts scheint gestohlen zu sein. Doch dann entdeckt er, dass stattdessen etwas hinterlassen wurde: ein Sender. Dieser kann es deutschen U-Booten ermöglichen, die Frachtschiffe aufzuspüren und zu versenken. Wer sabotiert die amerikanische Unterstützung für Großbritannien? Isaac Bell hat nur wenig Zeit, den Feind aufzuhalten – sonst wird sich der Atlantik vor lauter Blut rot färben!
Autoren
Seit er 1973 seinen ersten Helden Dirk Pitt erfand, ist jeder Roman von Clive Cussler ein New-York-Times-Bestseller. Auch auf der deutschen SPIEGEL-Bestsellerliste ist jeder seiner Romane vertreten. 1979 gründete er die reale NUMA, um das maritime Erbe durch die Entdeckung, Erforschung und Konservierung von Schiffswracks zu bewahren. Er lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2020 in der Wüste von Arizona und in den Bergen Colorados.
Jack Du Brul studierte an der George-Washington-Universität, Washington, D. C. Kaum hatte er seinen Abschluss in der Tasche, veröffentlichte er seinen ersten Roman. Er lebt mit seiner Frau Debbie in Burlington, Vermont.
Liste der lieferbaren Isaac-Bell-Romane:
1. Höllenjagd
2. Sabotage
3. Blutnetz
4. Todesrennen
5. Meeresdonner
6. Die Gnadenlosen
7. Unbestechlich
8. Der Attentäter
9. Teufelsjagd
10. Die Rückkehr der Bestie
11. Die Titanic-Verschwörung
12. Das Panama-Attentat
13. Seewölfe
Clive Cussler &
Jack Du Brul
Ein Isaac-Bell-Roman
Deutsch von Wolfgang Thon
Die englische Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel
»The Sea Wolves (IB13)« bei G.P. Putnam’s Sons, New York.
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By arrangement with Peter Lampack Agency, Inc.
350 Fifth Avenue, Suite 5300
New York, NY 10118 USA
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2023
by Blanvalet Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkterstr. 28, 81673 München
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unter Verwendung von Motiven von Johannes Wiebel,
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Redaktion: Jörn Rauser
HK · Herstellung: sam
Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss
ISBN 978-3-641-30858-2V001
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FRANZÖSISCHGUAYANA
Max Hessmann – Deutscher Spion/Gefangener
Foster »Foss« Gly – Gefangener
Heinz-Joseph Volker – Leutnant der Kaiserlichen Deutschen Marine
NEWYORK/NEWHAVEN/NEWJERSEY
Joseph van Dorn – Gründer der Van Dorn Detective Agency
Isaac Bell – Chefermittler der Van Dorn Detective Agency
Marion Bell – Isaacs Frau
Archibald Abbott – Van-Dorn-Detektiv und Bells bester Freund
Eddie Edwards – Van-Dorn-Detektiv
Harry Warren – Van-Dorn-Detektiv
Helen Mills – Van-Dorn-Detektivin
James Dashwood – Van-Dorn-Detektiv
Eddie Tobin – Van-Dorn-Detektiv
Grady Forrer – Van-Dorn-Rechercheur
Dick Hopley – Vertreter von Winchester Arms
John Kramer – Mitarbeiter von Winchester Arms
William »Willie K.« Vanderbilt – Millionär und Sportler
John Porte – Pilot
Werner Dietrich – Farmer aus Long Island
Joe Marchetti – Ensign der U.S. Navy
George Caldwell – Captain der U.S. Navy und Joes Vorgesetzter
Wendel Carver – Sicherheitschef der Penn Station
Ralph Pryor – Leuchtturmwärter
Devlin Connell – Leuchtturminspektor
Franklin Roosevelt – Assistant Secretary of the Navy
Kurt Miller – Roosevelts Adjutant
Cecil Spring-Rice – Britischer Botschafter in den Vereinigten Staaten
AUFSEE
Lothar Reinhart – U-Boot-Kapitän
Edward Joyce – Kapitän der Centurion
James McCubbin – Zahlmeister der Cunard Line
Peter Smith – Bootsmann der Cunard Line
George Pierpoint – Detektiv in Liverpool
SALVATION ISLANDS
13. APRIL 1914
Im silbernen Licht eines tropischen Mondes sprangen drei Männer des Kommandos auf den felsigen Strand. Zwei Matrosen blieben bei dem Aluminiumboot zurück, damit es in den tückischen Strömungen nicht verloren ging, die die einsame Insel etwa fünfzehn Kilometer vor dem südamerikanischen Festland umspülten. Die Kommandos waren zwar mit Pistolen bewaffnet, wussten aber, dass ihre Mission wahrscheinlich gescheitert war, wenn sie sie einsetzen mussten. Ihre hauptsächlichen Waffen waren primitive, aus Stahlschrott hergestellte Messer. Die Klingen mochten zwar hässlich sein, waren aber rasiermesserscharf geschliffen, so wie die Waffen, denen sie nachgebildet waren – einfache Gefängnisklingen.
Die Brise des Südatlantiks sorgte für kühle Luft an der Küste, aber kaum waren die Männer in den dichten, dunklen Dschungel eingedrungen, schien es, als wären sie in ein Gewächshaus getreten. In der Hitze und Feuchtigkeit rann ihnen der Schweiß aus allen Poren, und schon bald waren ihre Uniformen völlig durchnässt. Die nächtlichen Geräusche des Dschungels und der gelegentliche Schrei eines Vogels übertönten das ferne Klatschen, mit dem die Wellen gegen die Felsen schlugen.
Da die Gruppe den Grundriss der Insel kannte, fand sie auch bald den richtigen Weg zu ihrem Ziel. Palmenwedel schlossen sich über ihren Köpfen und verdeckten den schwachen Schein des Mondes. Viele Monate sorgfältiger Planung und Vorbereitung hatten sich auf die nächsten paar Minuten konzentriert, und die Elitesoldaten wussten nur allzu gut, was passieren würde, wenn sie entdeckt wurden. Die Franzosen verwendeten immer noch gern ihre geliebte Guillotine.
Drei kleine Inseln bildeten die Inselgruppe der Salvation Islands. Sie war so benannt worden, weil die letzten sechshundert Überlebenden von schätzungsweise zwölftausend Männern und Frauen, die versucht hatten, das nahe gelegene Territorium von Französisch-Guayana zu kolonisieren, von der Fieberküste kommend hier Zuflucht gesucht hatten. Doch in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts endeten alle Bemühungen, das urtümliche Festland zu kultivieren, im Nichts. Napoleon III. hatte nämlich verfügt, ein Teil des Gebiets sollte in eine Strafkolonie umgewandelt und zur Erschließung des Landes könnten Gefängnisarbeiter eingesetzt werden. Die Bagne de Cayenne zog sich in Form von Gefängnissen und Dschungelarbeitslagern an der Küste entlang und setzte Tausende von Frankreichs schlimmsten Straftätern quasi als Sklavenarbeiter ein.
Auch die vorgelagerten Inseln wurden in das Gefängnissystem einbezogen. Royal Island, die größte von ihnen, beherbergte vierhundert Gefangene, die wegen schwerer Verstöße gegen die neuen Strafgesetze vom Festland verbannt worden waren. Eine andere Insel, Devil’s Island, trug zwar einen bedrohlichen Namen, war aber der harmloseste Ort in der gesamten Gefängniskolonie. Sie war einer Handvoll politischer Gefangener vorbehalten, wie dem kurz zuvor entlassenen Alfred Dreyfus, der fälschlicherweise als Verräter verurteilt worden war.
Ironischerweise erzählte Dreyfus nach seiner Rückkehr nach Frankreich und seiner Wiederaufnahme in die Armee nur einem einzigen Vertrauten alles, was er während seiner Zeit in Guayana gesehen und getan hatte. Er erklärte ihm, wie das Gefängnissystem funktionierte, und beschrieb detailliert die Gebäude und die Arbeitsabläufe der Wärter. Dieser Mann, sein Freund, war in Wirklichkeit eben der deutsche Spion, für den die französischen Behörden Dreyfus gehalten hatten. Die Informationen, die Dreyfus an ihn weitergegeben hatte, waren für die Planung des Einsatzes der Kommandotruppen von entscheidender Bedeutung.
Die dritte Insel der Salvation Islands, die die Soldaten gerade heimlich durchquerten, hieß St. Joseph. Dies war die Hölle auf Erden.
Dort waren die aufsässigsten Gefangenen in – wie die Franzosen es nannten – insolement untergebracht. Isolationshaft.
Die Mindeststrafe für den Aufenthalt in einer der zwei mal drei Meter großen Zellen von St. Joseph betrug sechs Monate, die Höchststrafe in der Regel fünf Jahre, auch wenn viele Gefangene der Insel wiederholt Besuche abstatteten. Die dort verbrachte Zeit wurde immer auf die bereits verbüßte Strafe eines Insassen angerechnet. Nicht selten verfielen die Überlebenden eines solchen Entzugs dem Wahnsinn, aber der Tod war das noch wahrscheinlichere Ergebnis.
Das Redeverbot wurde strikt durchgesetzt, und die Decken der Zellen bestanden aus offenen Eisenstäben, sodass der tropische Regen und die brennende Sonne die Männer zusätzlich quälten. Wachen liefen auf Laufstegen über den Zellen und achteten darauf, dass keiner der Gefangenen sprach. Die winzigen Essensrationen wurden durch einen Schlitz am unteren Ende der Eisentür jeder Zelle hindurchgeschoben. Eine sogenannte Judas-Klappe, die weiter oben in der Tür angebracht war, konnte geöffnet werden, sodass der Gefangene imstande war, seinen Kopf herauszustecken, sobald ein Aufseher oder ein anderer Beamter mit ihm sprechen wollte. Auf St. Joseph gab es keine medizinische Versorgung, keine Zahnpflege, keine Hygiene. Die Gefangenen lebten wie eingepferchte Tiere, aber mit einem quälenden Bewusstsein ihrer selbst, das Tiere eben nicht hatten.
Die Gefängnisse in Französisch-Guayana waren als soziales Experiment geplant worden, um Gefangene zu läutern, damit sie in die Gesellschaft zurückkehren konnten. Stattdessen hatte man einen Ort geschaffen, der barbarischer war als jeder mittelalterliche Kerker.
Die Soldaten erreichten gerade eine weite Lichtung am Ende des Weges. Der Dschungel war gerodet worden, um Platz für einen Komplex aus verputzten Steinbauten zu schaffen. Diese Bauten wirkten äußerst abweisend, und selbst wenn man ihre Funktion nicht kannte, strahlten sie eine dunkle Bedrohung aus. Ein Tor gewährte Zugang zu einem großen Hof. Das Schloss war auffallend stark, und der Mann, der die Aufgabe hatte, es zu knacken, musste sein größtes Werkzeug dafür benutzen. Anschließend öffnete er das Tor immer nur zentimeterweise, um zu verhindern, dass die rostzerfressenen Scharniere quietschten. Dann schob er zwei hölzerne Keile unter den Rand der schweren Tür, damit sie weder weiter aufschwingen noch zuschlagen konnte.
Der Boden des Hofs bestand aus glatt geharkter Erde. Vor ihnen lagen ein Verwaltungsgebäude und die Unterkünfte für die Wachen. Zu ihrer Linken befand sich der Arrestblock. Ihr Anführer wies darauf hin, dass über den Laufstegen ein Metalldach zum Schutz der Wachen errichtet worden war – ein Detail, das sich von ihrem Einsatzplan unterschied. Im Schatten warteten sie auf den Schichtwechsel der Wachen, der exakt zur vollen Stunde stattfand. Ein Wachmann kam aus dem Schlafsaal und stieg die Treppe zur Brüstung über den Zellen hinauf. Er und der diensthabende Wärter unterhielten sich nur kurz, dann verschwand Letzterer in Richtung seines weichen Bettes.
Die Kommandosoldaten ließen dem neuen Wächter zehn Minuten Zeit, damit er in seine gewohnte Routine verfiel. Schon bald lehnte er an einer der Stützsäulen des Daches. Als er nach dem Inhalieren seinen Arm entspannte, glitt der kirschrote Schein seiner Zigarette von seinem Gesicht zu seiner Taille. Das Licht reichte gerade aus, dass die Soldaten die Umrisse des Gewehrs über seiner Schulter wahrnehmen konnten.
Die Eisentreppe, die zum Wehrgang hinaufführte, war an der Seite des Gebäudes befestigt. Der Anführer des Kommandos zückte sein Messer und schlich sich so langsam wie eine jagende Katze die Treppe hinauf. Seine Schritte waren federleicht, er war hochkonzentriert. Als seine Augen über die oberste Stufe hinwegblicken konnten, hielt er inne und beobachtete, wie der Franzose seine Zigarette zu Ende rauchte und die Kippe in den Hof warf, wo sie in einem Funkenregen aufschlug. Dann schlenderte er weiter den Zellenblock entlang, langsam und träge. Der Anführer vermutete, dass der Dienst äußerst eintönig sein musste, als er aus der Hocke hochkam und dem Wachmann lautlos folgte. Zu seiner Rechten und Linken befanden sich die Eisengitter der offenen Zellen. Kein Licht erhellte die muffige Dunkelheit darin.
Der Wachmann war von der Routine so abgestumpft, dass er nicht wahrnahm, wie sich ein Schatten an ihn heranpirschte. Erst als sich eine Hand mit einem stählernen Griff auf seinen Mund presste, reagierte er. Ihm blieb ein Sekundenbruchteil, in dem er sich vor Schreck versteifte, bevor die Klinge von Ohr zu Ohr glitt und ihm die Kehle aufschnitt. Ein Schwall Blut spritzte heraus. Der Soldat ließ den Wachmann langsam zu Boden sinken. Die Körperfunktionen des Mannes versagten nach und nach, bis seine Augenlider ein letztes Mal zuckten und sein Herz aufhörte zu schlagen.
Der Anführer schlich nun wieder die Treppe zu seinen Männern hinunter. Sie hatten fünfzig Minuten Zeit, um ihr Ziel zu erreichen und die Salvation Islands zu verlassen, bevor die Leiche entdeckt und Alarm geschlagen wurde. Zu Recht gingen sie davon aus, dass die Wachen auf allen drei Inseln – wegen des Mordes durch eine Sirene oder eine Glocke alarmiert – sogleich in Scharen aus ihren Baracken strömen würden.
Dennoch war es Zeit genug.
Sie gingen zur Haupttür des Zellenblocks und schoben sie auf, wobei sie auch hier darauf achteten, dass die Scharniere nicht quietschten. Der Flur dahinter bestand aus verputzten Ziegeln, und dort, wo die Wand auf den Boden traf, gab es feuchte Flecken und Schimmelbildung. Wegen der offenen Zellendecken war der Geruch zwar nicht unerträglich, aber ein unterschwelliger Gestank von Fäulnis und Dreck schwebte in der Luft und drang wie Rauch in die Lungen der Männer. In den Wänden waren identische Türen aus dickem, angerostetem Metall eingehängt. Darüber standen keine Namen. Die Gefangenen blieben vollkommen anonym. Man hatte ihnen nicht nur ihre Freiheit, sondern auch ihre Identität genommen.
Die Soldaten schwärmten aus und klopften einen Code auf die Türen. Sie warteten darauf, dass ihr Mann mit dem richtigen Code antwortete. Dies alles war schon geplant worden, bevor der Mann, den sie befreien sollten, vor vielen Monaten verurteilt und in die Strafkolonie geschickt worden war. Er war ein Deutscher und ein Wirtschaftsspion, der vor allem die mit militärischen Aufträgen betraute Industrie ausspionierte. Sie hatten Glück gehabt, dass er nicht einfach erschossen worden war. Die Franzosen hatten dem diplomatischen Druck und den unmittelbaren Drohungen Deutschlands und Österreich-Ungarns nachgegeben und das Leben des Mannes verschont. Und es war bekannt, dass er hierhergeschickt werden würde.
Klopf. Klopf-Klopf. Klopf-Klopf. Klopf. Klopf.
Doch die gesichtslosen, namenlosen Männer, die in der Nacht in ihren Zellen kauerten, hüllten sich in Schweigen. Die Soldaten machten weiter. Nur noch wenige Zellen waren übrig, und ihrem Anführer kamen Zweifel. Wenn der Gesuchte nun doch nicht hier war? Und was, wenn ihr Plan, dafür zu sorgen, dass er in Einzelhaft kam, fehlgeschlagen war? Die Franzosen hätten ihn bei seiner Ankunft durch die Guillotine hinrichten können, und niemand außerhalb des französischen Justizministeriums hätte davon erfahren. Es war sogar möglich, dass er auf der langen Überfahrt aus Frankreich gestorben war. Alfred Dreyfus hatte gesagt, dass jeden Tag zahllose Tote aus den stinkenden Käfigen des Gefängnisschiffes geholt und ohne viel Federlesens ins Kielwasser des Schiffes geworfen wurden.
Klopf. Klopf-Klopf. Klopf-Klopf. Klopf. Klopf.
Klopf-Klopf-Klopf. Klopf. Klopf-Klopf.
Sie hatten ihn gefunden. Max Hessmann.
Rasch öffnete der Anführer die Zellentür. »Willkommen zurück in der Welt der Lebenden, Herr Hessmann«, flüsterte er.
Ein lebender Leichnam trat aus der Zelle in das schwache Mondlicht. Er war groß, aber so hager, dass er fast wie ein Skelett aussah. Sein Kopf war kahlgeschoren, doch in seinem spärlichen Bart musste es von Läusen nur so wimmeln. Die Handgelenke unter den Manschetten seines groben Gefängnishemdes waren so dünn wie die eines Kindes. In dem spärlichen Licht schienen seine Augen in den tiefen Kratern der Augenhöhlen versunken zu sein, und seine Wangen wirkten hohl, fast wie eingesogen.
»Nicht ganz«, krächzte der Mann auf Englisch. »Ich bin Foss Gly.«
»Ich spreche kaum Englisch«, erwiderte der deutsche Anführer.
»Français?«
»Oui.«
»Bon. Je m’appelle Foster Gly. Nennen Sie mich Foss.«
Der Soldat antwortete auf Französisch. »Ich bin Leutnant Heinz-Joseph Volker von der Kaiserlichen Deutschen Marine. Wir sind hier, um Max Hessmann zu befreien.«
»Ich weiß«, sagte Gly. Trotz seines Äußeren strahlte der Mann eine beeindruckende Präsenz aus. »Max hat mir alles erzählt. Wir haben zusammengearbeitet und sind dann hierher nach St. Joseph verbannt worden. Wie lange dauert es, bis die Wache entdeckt wird?«
»Wo ist Hessmann?«
»Auf der Krankenstation auf Royal Island … wenn wir Glück haben. Und tot, wenn wir Pech haben. Er ist kurz vor dem Fluchtversuch, der uns garantierte, dass wir hierhergeschickt wurden, an Malaria erkrankt. Wir konnten die Sache nicht aufschieben, bis er sich erholte. Als wir hier ankamen, um unsere zusätzliche Strafe zu verbüßen, bin ich in eine Zelle gesteckt worden, während er auf einem Krankenbett lag. Was ist jetzt mit dem Wächter? Wie lange haben wir noch?«
»Der Schichtwechsel findet in etwa fünfundvierzig Minuten statt«, antwortete Leutnant Volker.
»Dann haben wir vielleicht gerade noch genug Zeit. Aber wir müssen uns beeilen.«
Es schien den Deutschen zu verärgern, dass dieser Fremde – sein Akzent schrie förmlich »Großbritannien« – dachte, er könne Befehle erteilen, als ob er irgendetwas zu sagen hätte. »Ich glaube nicht, dass …«
Gly unterbrach ihn mit einer Handbewegung und trat dicht an ihn heran. Er überragte Volker um einiges. In seinen eingefallenen Augen glitzerte der Wahnsinn und er sah wie eine Figur aus einem germanischen Schauermärchen aus. »Ich habe Max zweimal das Leben gerettet, als er hier ankam. Die anderen Häftlinge wussten, dass er ein deutscher Spion war. Diese Männer mögen zwar alle degeneriert sein, aber sie sind immer noch Franzosen. Also dachten sie, sie könnten dem boche eine Lektion erteilen. Ich habe drei Männer getötet, um Max zu verteidigen, und jetzt ist er mir etwas schuldig, verstehen Sie das? Außerdem ist er so schwach, dass er niemals allein fliehen könnte. Aber wenn ich ebenfalls entkomme, wird der Aufseher glauben, dass ich aus meiner Zelle geflohen bin und Max befreit habe. Die Wärter wissen, dass wir uns nahestehen.«
Volker ließ diese Worte eine Minute lang wirken. »Sie werden annehmen, dass Sie ihn von den Inseln weggeschafft haben und nicht auf eine militärische Aktion durch ein U-Boot kommen.«
Gly nickte, ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. Er war ein Berufsverbrecher, ein Mörder und ein Schläger, und wenn er den Mund öffnete, kamen meist nur Lügen heraus. Aber in diesem Augenblick sagte er die Wahrheit. »Max und ich haben darüber gesprochen. Eigentlich war er sauer auf sich selbst, weil er nicht daran gedacht hatte, als er während seines Prozesses in Paris seine Flucht mit Ihrem militärischen Geheimdienst plante. Er hat zu spät erkannt, dass es effektiver ist, wenn man jemanden wie mich hat, der ihm drinnen helfen kann.«
»Okay«, stimmte Volker zu. »Haben Sie einen Plan?«
Gly wusste von Max, dass die Kommandosoldaten, die ihn retten wollten, von dem Prototypen eines Langstrecken-U-Bootes aus an Land gerudert waren. »Wir müssen erst nach Royal Island und dann müssen Ihre Matrosen nach Devil’s Island rudern und dort auf uns warten.«
»Das verstehe ich nicht. Warum?«
»Wenn wir entdeckt werden, können wir nicht schnell genug vom Ufer wegrudern. Die Wachen hier sind zwar faul und korrupt, aber sie machen sich einen Spaß daraus, Gefangene zu erschießen, die zu fliehen versuchen. Würden wir Royal Island in einem Boot verlassen, säßen wir da wie auf einem Silbertablett.«
»Aber wie kommen wir nach Devil’s Island?«
»Das erkläre ich Ihnen unterwegs. Dies hier wäre alles umsonst, wenn der tote Wachsoldat entdeckt wird und die Hölle losbricht.«
Bevor sie den Zellenblock verließen, reichte einer der Soldaten Gly ein Bündel dunkler Kleidung. Er zog die zerschlissene, gestreifte Gefängnishose aus und streifte das schwarze Hemd über seine Gefängnistunika. Sie schlichen sich aus dem Gebäude, beobachteten die Baracken und hielten sich dicht an der Außenmauer, während sie geduckt zum Haupttor liefen. Als sie das Tor hinter sich gelassen und es wieder geschlossen hatten, gingen sie zur Küste zurück, zu dem Ruderboot, das dort wartete.
»Wie lange?«, fragte Volker, als sie tief im Dschungel waren. Seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern.
»Was?«, fragte Gly.
»Wie lange sind Sie hier schon Gefangener?«
»Wir haben April 1914, oder?«
»Das stimmt.«
»Dann sind es drei Jahre.«
Der Anführer schüttelte sich. Gly sah aus, als wäre er schon vor einem Jahrzehnt oder noch länger auf einer einsamen Insel gestrandet. Er war eine Vogelscheuche aus verwelktem Fleisch und besaß die gespenstische Präsenz eines Mannes, der Entbehrung und Verzweiflung wirklich kennengelernt hatte. Volker hatte in zwei deutschen Kolonien in Afrika bewaffnete Aufstände niedergeschlagen und wusste, dass er ein tapferer Soldat war. Aber bei der Vorstellung, wie dieser Ort Körper und Seele in drei kurzen Jahren schwächen konnte, verflüssigten sich seine Eingeweide beinahe.
Sie erreichten die Küste. Gly atmete die salzhaltige Luft ruhig ein. So gern er seine Lunge bis zum Platzen damit hätte füllen wollen, wusste er doch, dass sie von der Feuchtigkeit, dem Fieber und den Krankheiten, die seinen Körper seit seiner Ankunft in Guayana geplagt hatten, geschädigt war. Wenn er zu tief einatmete, würde er krampfhafte Hustenanfälle bekommen. Diese Lektion hatte er gelernt, als er Wochen zuvor vom Festland auf die Inseln verlegt worden war. Trotzdem schmeckte er in der schwülen Nachtluft etwas, das in der kleinen Barkasse, in der er, Max und andere abgebrühte Häftlinge hierhergebracht worden waren, nicht existiert hatte.
Er schmeckte den ersten Hauch von Freiheit.
Leutnant Volker rief mit einer kleinen Taschenlampe das Boot herbei, das sich auf dem Atlantik versteckte, während er und seine Männer sich zwischen die Felsen kauerten. Der Wind blieb sanft und die Brandung schlug rhythmisch und ruhig an den Strand. Im nächsten Augenblick hörten sie das leise Klatschen der Ruder wie ein Hintergrundgeräusch über dem Plätschern der Wellen.
Gly knurrte in widerwilliger Bewunderung. Die Deutschen hatten sich genau an Max’ Plan gehalten. Ihr kleines Beiboot roch nach Sumpföl und sah aus, als wäre es von der jahrelangen tropischen Sonne ramponiert worden, mit verblasster und abgeplatzter Farbe und von Fäulnis durchzogenen Dollborden. Das war genau die Art von Boot, mit der ein ansässiger Fischer einem geschäftstüchtigen Häftling, der ihn bestochen hatte, die Flucht von den Inseln ermöglichen würde. Wenn sie es nach der Aktion zurückließen, würde die Entdeckung des Bootes die wahren Geschehnisse dieser Nacht weiter verschleiern.
Er lehnte ihr Angebot ab, ihm in das Boot zu helfen. Zwar war er schwach, seine Glieder waren auf nur ein Drittel ihrer normalen Größe geschrumpft, und der Hunger saß wie ein schmerzendes Loch in seinem Magen, aber er wollte nicht zugeben, dass er am Ende war. Man mochte ihn ausgehungert und geschlagen haben, aber gebrochen hatte man ihn nicht. Daran hatte er sich seit seiner Ankunft hier geklammert.
Die Matrosen manövrierten das kleine Boot von dem steinigen Strand weg und ruderten so, dass die Riemen kaum ein Plätschern verursachten. Die Strömungen zwischen den Inseln waren berüchtigt und einer der Gründe, warum es keine erfolgreichen Ausbrüche aus dem Gefängnis gab. Mauern oder Zellen waren kaum erforderlich, obwohl die Männer auf Royal Island zu vierzig Personen in einer Zelle zusammengepfercht und nachts mit einer Eisenstange an den Knöcheln festgeschnallt wurden, um zu verhindern, dass sie sich im Schlaf bewegten. Die Inseln selbst waren Gefängnisse, die genauso wirkungsvoll waren wie jedes andere Zuchthaus auch. Selbst die stärksten Schwimmer könnten nicht länger als ein paar Minuten gegen die reißende Strömung ankämpfen und würden bald weit hinaus in den Atlantik gezogen werden.
Und dann gab es da noch die Haie. Starb ein Gefangener auf den Salvation Islands, wurde sein Leichnam ein kurzes Stück von der Küste ins Meer gerudert, dann läutete man eine Glocke und der arme Kerl wurde ins Wasser geworfen. Die einheimischen Haie kannten diese Glocke mittlerweile und machten sich über die Leiche her, sobald sie ins Wasser fiel. Dann ruderte das Gefängnisboot durch eine immer größer werdende Blutlache zur Anlegestelle zurück. In seinem Kielwasser wimmelte es von den schlanken, torpedoförmigen Raubfischen, die sich wie wild an der Leiche gütlich taten.
Glys Wissen über Royal Island stammte hauptsächlich von dem, was er während seines Aufenthalts im Gefängnis auf dem Festland von anderen Gefangenen erfahren hatte. Er selbst hatte in einem Käfig auf dem Boot gehockt, während die Gefangenen, die verlegt wurden – darunter auch der todkranke Max Hessmann –, abtransportiert wurden. Gly wurde dann nach St. Joseph gebracht und in Isolationshaft gesteckt.
In den ersten zehn Tagen hatten sie Eisenplatten über seiner Zelle heruntergelassen, um ihn in völliger Dunkelheit zu halten und die Temperaturen so weit ansteigen zu lassen, dass er das Gefühl bekam, sein Fleisch schmelze ihm von den Knochen. Er schüttelte die Erinnerung ab, eine von Millionen, die er am liebsten aus seinem Gedächtnis ausgemerzt hätte.
Dennoch war er zuversichtlich, dass er die Soldaten zu der Krankenstation führen konnte. Sie lag in der Nähe der Wachgebäude, was die Sache ein wenig heikel erscheinen ließ. Aber man hatte ihm gesagt, dass nur selten Patrouillengänge stattfänden, da doch alle Gefangenen in ihren Zellen eingesperrt waren. Sobald die Soldaten des Kommandos an Land waren, sollten die Matrosen weiter nach Devil’s Island rudern, dort mitten am südlichen Ufer an Land gehen, das Boot auf den Strand ziehen und dann außer Sichtweite warten.
»Warum lassen wir das Boot nicht einfach am Strand liegen oder warten direkt vor der Küste, wie wir es gerade auch gemacht haben?«, wollte Volker wissen.
»Weil die Franzosen an der Küste von Royal Island wie die Bluthunde patrouillieren und nach Booten wie diesem Ausschau halten. Denn das ist die einzige Möglichkeit zu entkommen, und die bewachen sie scharf. Wäre die Strömung nicht so tückisch, würde ich sagen, wir schwimmen hinüber und schicken das Boot direkt nach Devil’s Island. Nur würden wir das schwimmend auf keinen Fall schaffen.«
Die Entfernung zwischen St. Joseph und der Stelle auf Royal, an der Gly anlanden wollte, betrug nur ein paar Hundert Meter, aber die Fahrt dorthin schien ewig zu dauern. Den Ruderern kam es so vor, als ob sie bei jedem halben Meter, den sie vorwärtskamen, elf Zentimeter verloren. Es dauerte vierzig Minuten, bis sie sich schließlich der Insel näherten und sich die niedrige, dschungelbewachsene Silhouette aus dem Wasser erhob. »Wir gehen nur zu zweit«, flüsterte Gly Volker zu. »Wir müssen um einige Gebäude herumschleichen, und außerdem … eine größere Truppe wird leichter entdeckt.«
»Und wenn wir auf mehr Wachen treffen, als Sie glauben?«
»Das spielt keine Rolle. Es reicht schon, wenn eine Wache Alarm schlägt. Wir gehen besser heimlich vor und lassen uns nicht sehen, als dass wir uns auf Gewalt verlassen müssen, wenn wir entdeckt werden.«
Volker runzelte die Stirn. Er kannte Gly nicht und sein Äußeres war wenig vertrauenserweckend. Er bezweifelte, dass der Mann auch nur eine Hand heben konnte, um sich zu verteidigen. Aber Max Hessmann hatte ihm sein Leben anvertraut und vor seiner Gefangennahme in Frankreich war Hessmann eine Legende im deutschen Geheimdienstapparat gewesen, der Sektion IIIb.
»Und wenn Hessmann nicht mehr laufen kann?«
»Das ist die Krankenstation, da gibt es bestimmt eine Bahre«, erwiderte Gly. »Und bedenken Sie Folgendes: Selbst wenn uns die Flucht gelingt und nur zwei Gefangene beim Morgenappell fehlen, wird man wissen, dass Hessmann Hilfe von außen hatte. Und wenn die Wachen einen großen Trupp sehen, wird es ganz gewiss zu einem diplomatischen Zwischenfall kommen.«
Volker begriff die Logik der Argumentation. Während der Ausbildung für diese Mission war er immer wieder darauf gedrillt worden, dass keiner seiner Männer lebend gefangen genommen werden dürfe. Ein solcher Vorfall könnte das Pulverfass entzünden, dem der aktuelle diplomatische Status zwischen Berlin und Paris zurzeit glich. Sein Befehl lautete, seine Pistole erst auf seine Männer zu richten und sich dann selbst das Leben zu nehmen. Im Falle eines Scheiterns würden die Franzosen wahrscheinlich Deutschland für die drei Toten verantwortlich machen, die versucht hatten, in ihre Strafkolonie einzudringen. Aber sie hätten keine Beweise. Der Vorfall würde zwar einiges Getöse und Säbelrasseln hervorrufen, aber keine wirklichen Folgen haben.
»Einverstanden«, sagte Volker schließlich, »so machen wir es.« Er flüsterte seinen Männern die Planänderung zu und gab Gly eines der Messer.
»Ich kann sehr gut mit einer Pistole umgehen«, erklärte ihm Gly.
»Mag sein, aber Sie bekommen keine.«
Die Männer duckten sich unter den Rand der Dollbords, als sie sich der Insel näherten. Wie bei der vorherigen Insel gab es auch hier keinen Strand, sondern nur Felsen, gegen die unaufhörlich die Wellen klatschten. Sie sahen keinerlei Bewegung und kein Anzeichen dafür, dass das Ufer bewacht wurde. Also ruderten sie die letzten Dutzend Meter bis zum Strand und Gly und Volker krochen aus dem Boot, als der Bug den Boden berührte. »Wir warten, bis ihr in Position seid, und befreien dann Hessmann«, instruierte Volker seine Männer und stieß das Boot ins Wasser zurück. Er und Gly kletterten über die Felsen in den Schutz des dichten Dschungels. Ein leichter Regen fiel durch das Laub.
»Das ist gut.« Glys Lippen berührten fast Volkers Ohr. »Franzosen werden nicht gern nass. Sie glauben, das macht sie anfälliger für Malaria und Gelbfieber.«
»Ist das denn so?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen?«
Wie Gly vorausgesagt hatte, sahen sie keine Patrouillen auf dem Weg, der um die Insel führte. Der Regen war kaum mehr als ein leichtes Nieseln, aber er hielt die Wachen im Hauptkomplex. Außerdem verdeckten die Wolken den grauen Schein des Mondes und verwandelten den Dschungel in ein verworrenes Puzzle aus dunklen Schattierungen und Formen. Sie waren recht gut geschützt, sodass die Wartezeit schnell verging.
Gly wies ihnen die Richtung, in die sie gehen mussten, überließ aber Volker die Führung. Er selbst war nicht kräftig genug, um die Rolle des Vorreiters zu übernehmen. Volker bewegte sich gut. Er jagte schon sein Leben lang Wild in den Bergen und Wäldern Bayerns, er war ein erfahrener Jäger geworden. Sie wurden langsamer, als ein wenig Licht durch das Dickicht aus Ästen und Blättern fiel. Auf der Insel gab es einen Generator für Elektrizität, aber der war schon lange abgeschaltet worden. Das Licht einer Öllampe fiel durch den hauchdünnen Vorhang, der ein Fenster in der ersten Etage des dreistöckigen Krankenhausgebäudes verdeckte. Der Lichtkegel bewegte sich hinter dem Fenster. Offenbar hielt jemand die Lampe in der Hand. Vielleicht ein Arzt, der seine Patienten untersuchte. Oder eine Wache, die sich vergewisserte, dass alle Gefangenen anwesend waren. Augenblicke später verschwand das Licht, als hätte die Person nun die Station verlassen und die Tür geschlossen.
Ein gedrungener Leuchtturm stand neben dem Krankenhaus, aber seine Lampe brannte nicht.
Sie näherten sich dem Steingebäude und spürten die Wärme des Tages, die es jetzt in der Nacht abstrahlte. Volker ging voran. An der ersten Ecke, der sie sich näherten, duckte er sich und spähte um die Kante herum, damit er sich nicht in Augenhöhe bewegte, falls jemand zufällig hinsah. Seine Geschicklichkeit beeindruckte Gly. Max hatte mit dem deutschen Militär geprahlt und vor allem mit seinen in irregulärer Kriegsführung ausgebildeten Truppen. Wie es schien, hatte er ihre Fähigkeiten eher noch heruntergespielt.
Sie befanden sich auf der Rückseite des Gebäudes. Dort waren alle Fenster dunkel. An der nächsten Ecke wiederholte Leutnant Volker seinen Trick. Er zuckte hastig zurück und schob Gly ein paar Meter von der Ecke weg. »Ein Wachsoldat steht auf einer niedrigen Treppe am Eingang des Gebäudes. Er hat ein Gewehr.«
»Steht er im Regen?«
»Nein, über ihm befindet sich eine Markise.«
Gly dachte kurz nach, hob eine Kokosnuss von der Erde auf und glitt um die Ecke, bevor Volker ihn aufhalten konnte. Der Wachmann stand ein paar Dutzend Schritte von ihm entfernt, lehnte an einem Geländer und beobachtete den Regen, der von oben herabfiel. Gly drückte sich an das Geländer. Sein Körper war so dünn, dass er wie eine weitere Schicht der Backsteinverkleidung wirkte. Der Franzose schien in einen Tagtraum versunken zu sein. Gly wusste, dass einige der Wachen ihre Familien mit auf die Inseln gebracht hatten, aber dieser hier sah eigentlich zu jung für eine Ehefrau aus. Wahrscheinlich dachte er an ein Mädchen, das er aus Frankreich kannte, eine petite copine aus der école.
Er schlich bis zum Fuß der kurzen Treppe weiter. Der Wächter lehnte nach wie vor an dem Geländer, ohne auf seine Umgebung zu achten. Sein Gewehr hatte er an das Geländer gestellt, dicht neben seine Hand. Langsam und knapp außerhalb des Blickfelds des Mannes warf Gly die Kokosnuss auf den Rasen.
Die Bewegung fiel dem Wächter auf und er versteifte sich, noch während Gly die Treppe hinaufsprang. Die Klinge hielt er in der rechten Hand, mit der linken umfasste er den Hals des Wächters und presste sie auf seinen Mund. Glys Hand und die Klinge berührten den Mann gleichzeitig. Es war nicht einmal Zeit für Gegenwehr, als Gly ihm mit einem gekonnten Schnitt die Halsschlagader öffnete. Er drehte den Mann so, dass das Blut in seine Uniform sickerte, statt auf der Steinterrasse eine Pfütze zu bilden. Als er den Leichnam in den tiefen Schatten hinter der Eingangshalle zurückschleppte, keuchte Gly, aber die Mühe hatte sich gelohnt. Er hatte jetzt das Gewehr, ein Lebel Modell 1886, das wahrscheinlich ein Jahrzehnt älter war als sein Eigentümer, der tote Wachmann.
Glys Gefängnisuniform hatte keine Taschen, also machte er sich auch nicht die Mühe, noch mehr von den röhrenförmigen Magazinen der Lebel aus der Ledertasche zu nehmen, die der Wächter an seinem Sam-Browne-Gürtel trug. Er vergewisserte sich, dass eine Patrone in der Waffe steckte. »Damit kann ich Sie decken, falls Sie Ihre Pistole benutzen müssen.«
Volker verkniff sich, Gly für seinen Alleingang zu tadeln. Er war professionell genug, um das Geschick und die Skrupellosigkeit des Briten zu erkennen, und ging zu Recht davon aus, dass der ohnehin eine Rüge ignorieren würde.
Die Tür zum Krankenhaus war geschlossen, aber nicht verriegelt. Unter dem Schlitz drang Licht hervor, möglicherweise von der Schreibtischlampe eines Wachmanns oder einer Krankenschwester. Gly hatte noch nie einen Fuß in das Gebäude gesetzt. Er hatte keine Ahnung, wie der Lageplan aussah oder wie viele Männer die Kranken und die Gefangenen bewachten. Wieder überließ er Volker das Kommando. Der Anführer war in bester körperlicher Verfassung, und Gly war – nachdem er den Wachmann getötet und weggeschleppt hatte – noch immer erschöpft.
Eine sich langsam öffnende Tür musste jedem im Inneren des Gebäudes verdächtig erscheinen, also öffnete Volker sie, als gehöre sie ihm. Es dauerte einige Sekunden, bis der Mann, der am Schreibtisch saß, aufblickte und sah, dass es nicht sein Partner war, der vom Luftschnappen zurückkam. Volker nutzte dieses kurze Zögern und griff an. Er stürzte sich mit der Klinge in der Hand auf den Mann, durchbohrte die Haut und rammte ihm das scharfe Messer mit geübter Leichtigkeit ins Herz. Der Schrei des Wachmanns war kaum mehr als ein rasselndes Husten, bevor sein Herz stehen blieb und sein Gehirn nach Sauerstoff gierte.
An seinem Gürtel hing ein schwerer Schlüsselbund. Volker schnitt ihn los.
Dann drehte er den Docht der Öllampe herunter und nahm sie vom Schreibtisch. Die nächste Station befand sich rechts von ihnen hinter einem offenen Durchgang. Sie sahen zwei Reihen von Pritschen mit schmuddeligen Laken und fadenscheinigen Decken, auf denen die Männer schliefen.
Als er hineingehen wollte, hielt Gly den Deutschen fest. »Ich sollte da reingehen«, flüsterte er. »Man wird mich später als den Mann erkennen, der Max hier herausgeholt hat. Das wird die Franzosen noch mehr verwirren.«
Auch hier hatte Volker nichts an Glys Logik zu beanstanden. Hessmann hatte seinen Partner sehr gut ausgewählt. Er fragte sich, welches Verbrechen Gly begangen haben mochte, um an einen so höllischen Ort verdammt zu werden. Angesichts dessen, wie gekonnt er den Wachmann getötet hatte, war er gewiss mit Mord vertraut.
Gly betrat die Station. Einige der Männer wurden durch das Licht geweckt, sagten aber nichts. Jede Änderung in der Gefängnisroutine war verdächtig, denn sie bedeutete in der Regel, dass jemandes Tag noch schlechter wurde, als er ohnehin schon war. Er hielt die Lampe so, dass er die Gesichter der Gefangenen erkennen konnte. Dann fiel sein Blick auf einen Mann, den er von dem Boot her kannte, vom Festland.
»Gadot, richtig?«, flüsterte er.
Der Gefangene, der auf der Pritsche lag, hielt einen Moment inne, bevor er bemerkte, dass der Mann, der über ihm stand, nicht wie ein Wärter oder einer der Ärzte gekleidet war. Als er ihn erkannte, riss er die Augen weit auf.
»Ich kenne dich.«
»Foss Gly. Ich bin mit dir von der Hauptbagne hierhergekommen.«
»Du warst in Einzelhaft!« Allmählich erinnerte sich Gadot.
»Und ich habe mich heute Abend hierher verlegen lassen. Ist der Deutsche hier, dieser Hessmann?«
»Dein Kumpel? Ja. Das letzte Bett unter dem Fenster.«
Gly riss sich zusammen, damit er vor Erleichterung nicht zusammensackte. Er wandte sich ab, um Max zu suchen.
»Warte!« Gadot packte seinen Arm. »Sie haben dich nicht hierher verlegt. So was machen sie nie. Du willst fliehen, oder? Nimm mich mit. Seit ich hier bin, tue ich so, als wäre ich immer noch krank. Ich kann es schaffen.«
»Das ist nicht möglich. Nach meinem Plan läuft es nur für uns beide. Aber sag les flics, dass ich es war, bon?«
Gadot sah enttäuscht und etwas einfältig aus. Er zog seine Decke zur Seite. Die tiefe Wunde im Oberschenkel war offen gelassen worden, damit der Eiter in eine Wanne auf dem Boden ablaufen konnte. »Ich hätte es sowieso nicht geschafft, aber es war schön, mal daran zu denken. Viel Glück.«
Gly ging weiter, froh darüber, dass Gadot ihn nicht bedrängt hatte. Denn dann wäre er gezwungen gewesen, ihn zu töten, und er wollte lieber einen Zeugen zurücklassen. Max Hessmann stützte sich auf einen Ellbogen, als Gly zu ihm kam. Sein Teint sah viel besser aus als bei ihrer letzten Begegnung. Er hatte das Schlimmste vom Malariafieber und der Grippe überstanden und schien inzwischen auf dem Weg der Besserung zu sein. Er war Anfang vierzig, nur ein paar Jahre älter als Gly, hatte blondes Haar und Augen von undefinierbarer Farbe. Er sah weder besonders gut aus noch war er besonders muskulös, was ihm sehr zupasskam. Spion zu sein bedeutete, unsichtbar zu bleiben.
»Ich dachte schon, ich hätte deine Stimme gehört«, sagte er in amerikanischem Englisch mit deutschem Akzent. »Ich dachte allmählich, Sektion IIIb hätte mich vergessen.«
»Von wegen. Da wartet ein ganzer Haufen von ihnen und außerdem ein U-Boot. Zumindest hat man mir das gesagt.« Gly half seinem Freund auf die Beine. »Wird es gehen?«
»Ehrlich gesagt bin ich so schwach wie ein Kätzchen, aber es geht mir besser als noch vor ein paar Tagen.«
Gly verlor drei kostbare Minuten, bis er den Messingschlüssel für das Schloss der Handschellen gefunden hatte, mit denen Hessmann an das Bettgestell gefesselt war. Gly und der Deutsche schlangen sich die Arme über die Schultern und schlurften aus der Station. Alle Gefangenen waren jetzt wach und beobachteten sie misstrauisch und neidisch. Einige der älteren Häftlinge, Männer, die schon seit Jahrzehnten eingesperrt waren, musterten sie mit wissenden Blicken. Sie sahen zwei Männer vor sich, die im Begriff waren, ihr Leben wegzuwerfen.
Sie wussten, dass die einzige Flucht von diesem Ort der Tod war.
Draußen in der Eingangshalle sah Volker, dass Gly mit dem Gewicht seines Mitgefangenen überfordert war, und legte sich Hessmanns anderen Arm über die Schultern, um den Großteil der Last zu übernehmen, die der Mann auf sich geladen hatte. Gly bekundete mit einem widerwilligen Nicken, dass er die Hilfe zu schätzen wusste. Er schnappte sich das Gewehr und öffnete die Tür.
Der Wachmann, der gerade nach dem Türgriff auf der anderen Seite griff, blinzelte überrascht und wollte eben einen Witz über ausgezeichnetes Timing machen, als er verstand, dass die Szenerie vor ihm gar nicht dazu passte.
»Wer sind Sie?«, fragte er. »Was hat das zu bedeuten?«
Gly drehte das Gewehr um und hämmerte dem Wachmann den Kolben so hart gegen die Stirn, dass der dicke Knochen brach und er zurück in die Nacht taumelte. Der Vorfall wäre nicht weiter aufgefallen, hätte Gly nicht vergessen, die Öllampe zu löschen, als er die Tür öffnete. Der Lichtschein erregte die Aufmerksamkeit eines anderen Wachmanns, der in diesem Augenblick durch einen nahe gelegenen Zellenblock patrouillierte. Seine Reaktion war erheblich klüger als die des Wachmanns, der vor Gly ohnmächtig im Gras lag. Er schnappte sich die Pfeife, die an einem Schlüsselband um seinen Hals baumelte, und blies hinein. Die schrillen, blechernen Töne schreckten die Vögel auf. Und die Affen, die die Insel bewohnten, stießen sofort ihre schrillen Schreie aus.
»Merde!«, spie Gly hervor. Er hob die Rifle und feuerte. Die Strafe für einen Fluchtversuch war Isolationshaft. Auf die Ermordung einer Wache stand sofortige Hinrichtung. Gly erwartete jetzt die Guillotine.
Volker blieb stehen und hob Hessmann in der Tragehaltung der Feuerwehrleute an. Es erstaunte ihn, wie leicht er nach nur wenigen Monaten im Gefängnis war. Er schleppte den Spion weiter und rannte mit Gly von dem Krankenhaus weg. Volker hielt Hessmanns Beine mit der linken Hand, während er mit der rechten seine Luger umklammerte. Gly führte sie in das Dickicht der Vegetation, die das weitläufige Gefangenenlager umgab, und steuerte auf die Nordseite der Insel zu.
Ihr Ziel lag nicht weit entfernt, aber im Dschungel war Laufen unmöglich. Weitere schrille Pfiffe durchdrangen die Nacht und wütende Männerstimmen fielen in den allgemeinen Lärm mit ein, als noch mehr Wachen aufwachten und aus ihren Baracken stürmten. Über ihren Köpfen kreischten aufgeregt die Affen und hangelten sich in panischer Hektik durch die Äste.
Die Männer kamen kurz vor ihrem Ziel aus dem Dschungel heraus. Der Kanal zwischen Royal Island und Devil’s Island war zwar schmal, aber so tückisch, dass man die Überquerung mit einer regulären Fähre für zu gefährlich gehalten hatte. Um Gefangene, Wachen und Material auf die isolierteste der drei Salvation Islands zu bringen, hatten die französischen Behörden ein primitives Seilbahnsystem konstruiert, das mit Muskelkraft einen baumelnden Korb zwischen niedrigen Türmen an der Küste jeder Insel hin- und herbugsierte.
Zwei Wachen, die auf dem Turm von Royal stationiert waren, beobachteten den Dschungel und suchten nach einem Zeichen von Bewegung, da sie einen Fluchtversuch vermuteten. Einer stand auf dem Boden, abgeschirmt von einem der Turmfüße, und der andere auf der drei Meter hohen Plattform neben der offenen Seilbahngondel. Gly schoss zuerst auf den Wachmann auf der Plattform. Es war ihm egal, dass er mit dem Rücken zu ihm stand, weil er gerade den östlichen Teil des Dschungels absuchte. Der Franzose stürzte von seinem Aussichtspunkt und schlug mit einem dumpfen Aufprall auf dem nassen Boden auf. Gly hatte bereits den zweiten Wächter im Visier, noch bevor der erste auf dem Boden aufschlug. Der Mann schaffte es, mit seiner Waffe aus der Hüfte ein paar schnelle Schüsse abzugeben, bevor Gly ihm zwei Kugeln in die Brust jagte, die in einer Blutfontäne aus seinem Rücken explodierten.
Gly hatte die Hälfte seiner Munition schon verbraucht, also schnappte er sich die nicht abgefeuerte Lebel von dem Wachmann, den er vom Turm geschossen hatte, und stieg mit Volker die Treppe zur Einstiegsplattform hinauf. Der Deutsche setzte seinen Landsmann in den schmalen Holzwagen und stieg dann über den Rand. Gly folgte ihm. Er hatte nun beide Gewehre in den Händen und hielt Ausschau nach hinten, während Volker an dem zweiten der beiden Seile zog, die den Kanal überspannten. Der Wagen schlingerte auf seinen metallenen Führungsrädern auf das Wasser hinaus. Bald fand Volker einen gleichmäßigen Rhythmus, aber sie waren noch nicht weit gekommen, als weitere Wachen am Ufer von Royal Island auftauchten. Die drei gerieten unter heftigen Beschuss. Gly wich zurück und feuerte abwechselnd mit jeder seiner Waffen, wobei er weniger auf genaues Zielen achtete, als vor allem darauf, die Franzosen für ein paar Sekunden in Schach zu halten.
Kugeln zischten an ihren Köpfen vorbei. Einige trafen die Gondel, aber keine durchschlug die Seite. Volker hörte plötzlich auf, sie zu ziehen, und die Gondel neigte sich, als sie an Schwung verlor. Die Luger knallte zweimal kurz hintereinander, dann weitere zwei Mal. Die Wachen auf Devil’s Island hatten den dortigen Seilbahnturm erreicht. Da sie nicht wussten, was vor sich ging, hatten sie gezögert und nicht auf die über dem Wasser schwebenden Männer geschossen. Das kostete sie beide das Leben.
Wenige Augenblicke später hatten die drei den Kanal überquert und standen nun wieder auf festem Boden. Man feuerte noch immer auf sie, also rannten sie in den Dschungel hinein. Hessmann zwang sich, sich schneller zu bewegen, als sein Körper eigentlich wollte.
Die beiden Soldaten, die Volker zurückgelassen hatte, kamen ihnen entgegen, als sie das Ufer erreichten. Das Boot lag in einiger Entfernung am Strand. Sie packten Hessmanns Arme und schleppten ihn die letzten Meter zum Boot. Die Matrosen hatten es mit dem Heck zu den Felsen manövriert und waren bereit loszurudern, sobald alle fünf Männer über das Dollbord gestiegen waren.
Gly schüttelte die helfenden Hände rasch ab und stützte das Gewehr zum Zielen auf den Heckbalken. Männer tauchten an dem felsigen Strand auf und feuerten sofort auf das sich entfernende Boot. Gly erwiderte das Feuer, aber mehr, um sie in Schach zu halten, als in der Hoffnung, sie von dem schwankenden Boot aus treffen zu können. Wie zuvor wollte er nur Zeit gewinnen, damit sie den Abstand vergrößern konnten. Nachdem sie sich einige Meter vom Ufer entfernt hatten, wurden die Schüsse seltener, da die Dunkelheit und der anhaltende Regen sie fast unsichtbar machten.
»Es gibt kein Gefängnis auf der Welt, das Foster Gly festhalten kann«, rief er dem schwindenden Ufer mit seiner tiefen schottischen Stimme auf Englisch zu. »Die Söhne Edinburghs lassen nie einen der Ihren zurück.«
»Wofür war das?«, fragte Volker.
»Ich säe nur noch mehr Zweifel darüber, wer hier Retter und wer Geretteter war.«
Nach etwa einer Stunde stießen sie auf ein fast neunzig Meter langes U-Boot, das wie ein badender Hai an der Oberfläche lag. Sie wären beinahe vorbeigefahren, wenn nicht die Lampen auf dem stromlinienförmigen Kommandoturm geleuchtet hätten.
»Leutnant Volker!«, rief jemand von der Spitze des Turms. »Wir haben Schüsse hinter dem Horizont gehört und schon das Schlimmste befürchtet.«
»Keine Sorge, Hauptmann Reinhart!«, rief Volker zurück. »Die Wachen dort wissen vielleicht, wie man wehrlose Gefangene schikaniert. Gegen uns haben sie sich aber eher schlecht geschlagen.«
»Hatten Sie Erfolg?«
»Hatte er«, antwortete Max Hessmann für ihn. »Und dafür sind ihm mein Freund hier und ich sehr dankbar.«
»Du hast es wirklich geschafft«, sagte Foss Gly zu seinem Kameraden und ein seltenes Lächeln erhellte sein hartes Gesicht. »Ich habe dich am Leben gehalten, und du hast mich da rausgeholt.«
»Du klingst so, als glaubtest du, dass unser Abenteuer zu Ende ist. Ich versichere dir aber, es hat gerade erst begonnen. Ich gelte als der Lieblingsspion des Kaisers. Wenn wir beide zusammenhalten, dann, das verspreche ich dir, mache ich dich schon bald zu seinem zweiten Liebling.«
Gly dachte nur ein paar Sekunden darüber nach. Er würde augenblicklich verhaftet werden, wenn er auf die Britischen Inseln zurückkehrte. Und er konnte auch nicht nach Frankreich zurück. Dort hatte er gelebt und war ursprünglich für eine ganze Reihe von Verbrechen angeklagt worden. Die erstreckten sich von Paris bis zum Hafen von Southampton an dem Morgen, als die Titanic ausgelaufen war. Gott wusste, dass es seiner Frau und seinem Kind ohne ihn besser gehen würde. Er hatte weder Perspektiven noch besaß er Loyalität und er folgte keinem moralischen Kompass. Spion für die Deutschen zu werden, erschien ihm ebenso sinnvoll wie alles andere.
»Gut, du hast einen Partner.«
NEW HAVEN, CONNECTICUT
AUGUST 1914
Es war eine Grauzone. Das war das Einzige, worauf sich alle einigen konnten, Politiker, Juristen und Militärs. Die aktuelle Situation war eine Grauzone.
Der Krieg in Europa war noch nicht ausgebrochen, als die erste Ladung von Springfield-Rifles, zwölftausend Stück, den Hafen von New York in Richtung England verlassen hatte. Sie sollte in ein oder zwei Tagen in Bristol ankommen. Die zweite Lieferung von elftausend Stück wurde am vierten August, als England Deutschland den Krieg erklärte, auf ein noch im New Yorker Hafen liegendes Schiff verladen. Ein gut getimter Anruf des britischen Konsuls in Manhattan beim Hafenmeister führte dazu, dass die Klüsenleinen des Frachters kurz vor der Verkündung der Kriegserklärung von der Pier gelöst wurden. Streng genommen befand sich das Schiff also nicht im Hafen, als der Krieg offiziell erklärt wurde, sodass die Lieferung nicht gegen die strenge Neutralität Amerikas verstieß. Kurze Zeit später dampfte sie den East River hinunter, mit Kurs auf England.
Bei der dritten Lieferung, sechstausend dringend benötigten Gewehren, wurde es juristisch gesehen ziemlich delikat. Sie waren von der britischen Regierung in dem Monat nach der Ermordung von Erzherzog Ferdinand in Serbien, aber vor dem tatsächlichen Kriegseintritt Englands erworben worden. Als der Krieg erklärt worden war, hatten sich die Gewehre noch in der Winchester-Arms-Fabrik in New Haven, Connecticut, befunden und unterstanden der Aufsicht des US-Militärs. Die geltenden Ausfuhrgesetze besagten, dass es einen direkten Verstoß gegen Amerikas Versprechen darstellte, sich aus dem jüngsten europäischen Krieg herauszuhalten, falls sie amerikanischen Boden verließen.
Joseph van Dorn selbst hatte die Lösung ausgetüftelt. Sein Unternehmen, die Van Dorn Detective Agency, war von der britischen Regierung beauftragt worden, die Sicherheit der Operation zu überwachen. Joseph van Dorn war sich des drohenden rechtlichen Problems bewusst und hatte einen Plan geschmiedet, mit dem er sich zwar buchstabengetreu an das Gesetz halten, seine Intention aber trotzdem umgehen konnte.
England hatte die Waffen von der Regierung der Vereinigten Staaten erworben, und sie sollten mit der Eisenbahn von der Springfield Armory im Westen von Massachusetts direkt nach New York geschickt werden. Doch als sich die Lage in Europa rapide verschlechterte, wuchs die Sorge, dass die Waffen nicht mehr rechtzeitig aus dem Land geschafft werden würden und dann für die Dauer des Krieges in einem Lagerhaus verstaubten.
Der Vorschlag, den Van Dorn in letzter Minute gemacht hatte, lautete, dass die Engländer alle drei Chargen an Gewehren zurückweisen und Winchester Arms eben diese überzähligen Gewehre kaufen sollte. Dieser Verkauf musste jedoch vor der Kriegserklärung stattgefunden haben. Dieses Datum war ein streng gehütetes Geheimnis und so kam das Geschäft am achtundzwanzigsten Juli zustande. Winchester Arms, ein offiziell zugelassener Hersteller und Exporteur von Waffen aller Art, verkaufte dann diese drei Chargen Springfield-Gewehre wieder an die britische Regierung. Auch dieser Verkauf fand vor der Kriegserklärung statt, sodass er nicht gegen Amerikas Versprechen verstieß, keine der beiden Seiten im Krieg zu unterstützen.
Um diese List noch zu untermauern, wurden die Gewehre vom Waffenlager in Springfield in die Fabrik von Winchester gebracht, wo sie aus ihren Kisten für die Armee in Holzkisten mit dem Namen und dem Logo von Winchester verladen wurden. Die ersten beiden Sendungen verließen das Land rechtzeitig. Bei der dritten Gruppe kam es zu einer Verzögerung, als uniformierte kanadische Mounties, die Vertreter Seiner Majestät in Nordamerika, zusammen mit ihrem Waffenmeister Fehler an mehreren Dutzend Kisten feststellten, was dazu führte, dass die Inspektion und Auswahl der Waffen erheblich länger dauerte als erwartet.
Mittlerweile hatten wir den sechsten August, England befand sich seit zwei Tagen im Krieg, und die Waffen lagerten noch immer auf amerikanischem Boden.
Erschwerend kam hinzu, dass der deutsche Botschafter von dem Geschäft Wind bekommen hatte, weil so viele Personen in Washington in aller Eile zu der Rechtslage zu Rate gezogen worden waren, und beim Kriegsministerium bereits Protest eingelegt hatte. Eine Antwort wurde verfasst, in der Seiner Exzellenz erklärt wurde, dass sich die US-Regierung nicht in private Verkäufe in Friedenszeiten einmische und die Transaktion nach geltendem Recht als zulässig betrachte.
Trotz der Zuversicht, mit der diese Feststellung getroffen wurde, blieb es eine Grauzone.
Die Arbeiter, die die Gewehre aus den Armeekisten in die vertrauten Winchester-Verpackungskisten umpackten, taten dies in der Erwartung, dass die Bundespolizei jeden Augenblick hereinplatzen und sie alle verhaften würde.
Der leitende Van-Dorn-Ermittler hatte keine solchen Bedenken.
Isaac Bell trug seinen traditionellen sommerlichen weißen Leinenanzug und einen tief in die Stirn gezogenen Hut. Im Augenblick jedoch hing sein Jackett schlaff über der Rückenlehne eines Bürostuhls, während der Hut auf einem nahe gelegenen Schränkchen lag. Vor der Fensterfront, an der er stand, sah er Männer an der Verladerampe der Fabrik, die in der brütenden Hitze in Jeans-Overalls arbeiteten. Häufig waren sie aufgeknöpft, die Träger baumelten gegen die Rückseiten ihrer Oberschenkel. Die Hitzewelle herrschte bereits in der zweiten Woche und machte keine Anstalten nachzulassen.
Archibald Abbott saß an einem Schreibtisch in der Nähe, das Gesicht nur wenige Zentimeter von einem Ventilator entfernt, sodass seine Stimme klang, als spräche er durch einen Flugzeugpropeller. »Das ist lächerlich. Wir sollten doch bloß ein paar Züge auf einer Milchfahrt von Springfield aus bewachen und nicht Arbeiterbienen beaufsichtigen, die in einem veritablen Hochofen eine Kiste nach der anderen umladen.«
Archie war ein anderer Van-Dorn-Mann und seit dem College Bells bester Freund. Auch ihre Ehefrauen standen sich nahe. Früher einmal war er Bühnenschauspieler gewesen und hatte immer noch das gute Aussehen eines Matinee-Idols. Er trug sein kupferfarbenes Haar an den Seiten und hinten etwas länger. Im Gegensatz dazu war Bell blond, sein Haar war ordentlich gestutzt. Er sah ebenfalls gut aus, wirkte aber angestrengter als Archie und hatte wachere Augen. Beide Männer waren in den Dreißigern und sahen aus, als fühlten sie sich in ihrer Haut wohl.
»Vergiss nicht«, sagte Bell mit einer tiefen, aber sanften Stimme, die noch immer seine Heimatstadt Boston verriet, »unsere Nachwuchsagenten durchkämmen im Ritz-Carlton gerade den Müll von drei Tagen, um eine Diamantkette zu finden, von der die Besitzerin hoch und heilig schwört, sie im Hotel verloren zu haben. Du kannst dich ihnen gern anschließen.«
»Ah, das glamouröse Leben eines Privatschnüfflers«, stöhnte Archie. »Erinnerst du dich an die Zeit in Tampa, als der Besitzer der Rum-Destillerie seine Frau betrogen hatte und uns dann so übel mitgespielt hat?«
Bei der Erinnerung schüttelte Bell den Kopf. »Von Kopf bis Fuß in Melassesirup getaucht. Wir mussten uns die Haare abrasieren, haben uns stundenlang geschrubbt und trotzdem noch wochenlang danach gestunken.«
Archie lehnte sich zurück, damit der Ventilator seinem Gesicht nicht zu nah kam. »Und jetzt sieh uns an, wir schmelzen wie Gelatine, damit die Politiker ihre Hände in Unschuld waschen können, während sie unsere Neutralität behaupten. Merk dir meine Worte, dieser Krieg in Europa wird bis Weihnachten vorbei sein. Beide Seiten haben viel zu viel zu verlieren, um länger zu kämpfen.«
»Deine Worte in Gottes Ohr. Unsere Wirtschaft liegt so schon genug darnieder. Die New Yorker Börse ist auf unbestimmte Zeit geschlossen, und wenn wir langfristig Exporte einbüßen, wird es noch viel schlimmer.«
In diesem Augenblick tauchte ein weiterer Detektiv in dem kurzfristig requirierten Büro auf. »Isaac, wir brauchen Sie.« Es handelte sich um Eddie Edwards, einen von Van Dorns Top-Leuten, der außerdem Spezialist für Eisenbahnverbrechen war. Er hatte die Männer angeführt, die die Züge mit den Gewehren von Springfield nach Süden bewachten. »Da ist was, das Sie sich ansehen müssen.«
Dankbar für die Ablenkung kehrte Bell dem Fenster den Rücken zu und folgte dem älteren Edwards. Archie stand auf, machte aber keine Anstalten, zur Tür zu gehen. Er würde Bells Platz einnehmen und die Arbeit überblicken. Jede Veränderung der Routine konnte eine Ablenkung sein und die Van Dorns ließen sich nie ablenken.
»Was haben Sie für mich, KC?« Eddies Spitzname war Kansas City. Sie stiegen eine Treppe hinunter und Bells maßgefertigte Stiefel machten seine Schritte so leise wie die einer Katze.
»Gewehre.«
»Sie sind der Daseinszweck dieses ganzen Ladens hier, wissen Sie«, scherzte Bell. Sie mussten ihre Stimmen leicht anheben. Auf der großen Laderampe standen zwar keine Maschinen, aber die Winchester-Arms-Fabrik produzierte ständig und das Dröhnen der Maschinen um sie herum war allgegenwärtig.
Edwards war nicht gerade für seinen Sinn für Humor bekannt. »Nicht das, was ich gefunden habe, ist interessant«, erwiderte er ungerührt. »Wie die Immobilienmakler so gern sagen – es ist die Lage, nur die Lage.«
Bells Schnurrbart zuckte vor Interesse. »Gehen Sie voran.«
Sie durchquerten den Raum, in dem etwa vierzig Arbeiter emsig damit beschäftigt waren, mit Brechstangen die hölzernen Verpackungskisten zu öffnen, in denen die Armee das Springfield Modell 1903 lagerte. Jedes Gewehr war eingefettet, um Rostbildung zu verhindern, und dazu noch mit ölbeständigem Wachspapier umwickelt. Sobald eine Kiste geöffnet worden war, wurden die Gewehre herausgenommen und in die Winchester-Arms-Kisten geordnet. Zimmerleute standen schon bereit, um sie zuzunageln, und weitere Männer luden die Kisten dann in die Güterwagen, die bereits auf der eigens dafür angelegten Gleisstrecke der Fabrik standen. Es lief ebenso effizient wie an Henry Fords Fließband in Detroit.
Die beiden Männer bogen um eine Ecke und näherten sich einem Waschraum. Ein junger Agent stand direkt vor der Tür und wollte die beiden gerade aufhalten, als er seinen Vorgesetzten erkannte. Eddie hatte ihn offensichtlich mit der Bewachung der Toiletten beauftragt. Der Raum war schwach beleuchtet, die weißen Fliesen auf dem Boden und an den Wänden waren schmuddelig und die acht Kabinen waren durch Holzwände und Falttüren voneinander abgetrennt. Ein Hausmeisterschrank in der Nähe des Eingangs stand offen. Darin fanden sich Mopps und Eimer und Regale mit Chemikalien sowie eine zusammengelegte Plane. In der Ecke standen fünf etwa einen Meter zehn lange Springfields, die noch in Wachspapier eingewickelt waren.
Bell blickte nach rechts auf die Schranktür und sah sofort, was Edwards’ Interesse geweckt hatte. Es war ein kleiner Fleck gelblicher Schmiere, eigentlich nicht mehr als ein dünner Schimmer, aber immerhin war es eine Anomalie, ein winziges Detail, das dort nicht hingehörte, und für einen Detektiv gab es nichts Faszinierenderes, als seine tiefere Bedeutung zu ergründen.
Zumeist handelte es sich dabei um ganz banale, bedeutungslose Dinge, die auf keine größere Verschwörung hindeuteten. Es konnte sich auch um einen Fleck handeln, der vom Mittagessen des Hausmeisters herrührte, um irgendetwas, das von seiner Hand auf die Tür geraten war und zufällig wie das Verpackungsfett aussah. Oder es könnte sich auch tatsächlich um Fett handeln, das von einem Arbeiter dorthin geschmiert worden war, während er auf eine freie Kabine wartete.
Aber das war es nicht.
Damals ahnte Isaac Bell nicht, was der harmlose kleine Fleck am Schrank zu bedeuten hatte, welche internationalen Verwicklungen er nach sich ziehen würde und wie viele Menschenleben durch den Fehler eines unvorsichtigen Diebes zerstört werden sollten.
Bell bückte sich, um die Stelle zu untersuchen. Es war nicht mal eine Schmiererei. Es war nur ein winziger Fettfleck, als wäre etwas gegen die Wand gelehnt worden, während die Tür offen stand.
»Sie sehen das auch, oder?«, fragte Eddie.
»Wäre dies von der Hand eines Menschen übertragen worden, hätte es einen Streifen gegeben.«
»Aber es ist nur ein kleiner Fleck. Das kam mir sonderbar vor, also habe ich den Hausmeister geholt, und er hat die Tür geöffnet. Jemand hatte das Abdecktuch eines Anstreichers über die Waffen gelegt.«
»Guter Fang, KC. Was glauben Sie, was es bedeutet?«
»Boss, mein Job besteht nur darin, Hinweise zu finden«, erwiderte er. »Die Schlussfolgerung daraus zu ziehen, überlasse ich Ihnen.«
Bell richtete seine Aufmerksamkeit auf das Schloss. Es war primitiv und leicht zu knacken. Normalerweise führte er immer eine kleine Taschenlampe bei sich, die mit einer einzigen D-Zellen-Batterie betrieben wurde, aber die steckte oben in seiner Jackentasche. Er betrachtete das Schloss aus allen Richtungen und fand schließlich helle Kratzer im Schlüsselloch. Eindeutig geknackt.
Er überlegte, ob er die Waffen mitnehmen sollte, entschied sich aber dagegen. Wer auch immer sie von der Verladerampe gestohlen hatte, arbeitete noch immer dort, und Bell wollte sich noch nicht verraten.
»Bleib noch ein paar Minuten«, sagte Bell zu dem jungen Mann, und er und Edwards verließen den Waschraum. Als sie um die Ecke in die Ladezone einbogen, lachte Bell, als hätte sein Begleiter gerade einen Witz erzählt. Eddie kapierte und lachte ebenfalls ein paarmal schallend. Sie waren zwei unbekümmerte Freunde. Bell bemerkte, dass keiner der Arbeiter aufschaute oder ihnen auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenkte.
Bell kehrte in sein Büro im Obergeschoss zurück, während Eddie Edwards hinausging, um nach seinen Männern zu sehen, die den Zug bewachten. Archie stand mit dem Rücken zu ihm und konzentrierte sich auf die Arbeit unter ihm. »Was ist los?«, fragte er, ohne sich umzudrehen.
»KC hat fünf Springfields in einem verschlossenen Hausmeisterschrank gefunden.«
Das erregte Archies Aufmerksamkeit. »Wer stiehlt denn zehn Jahre alte … und noch dazu überschüssige Armeegewehre, wenn er in einer Fabrik arbeitet, in der einige der weltbesten Waffen hergestellt werden? Das passt doch nicht zusammen.«
Bell nahm den Hörer des Candlestick-Telefons ab, das auf dem Schreibtisch stand.
»Im Ernst«, sagte Archie. »Das ist doch das Gleiche, als wenn sich jemand in einem Juweliergeschäft einen Ohrring aus Strass schnappt, obwohl er ein Diamantdiadem hätte nehmen können.«
»Hallo?«, sagte Bell zu der Empfangsdame, die seinen Anruf entgegennahm. »Ich würde gerne mit MrHopley sprechen. Hier ist Isaac Bell.« Dick Hopley war ihre Verbindung zu Winchester.
Das statische Rauschen in der Leitung war nur schwach, da es sich um ein Gespräch mit begrenzter Reichweite handelte. Einen Augenblick später meldete sich eine sanfte Stimme. »MrBell, hier spricht Dick Hopley. Was kann ich für Sie tun?«
»Wir haben ein Problem. Einer meiner Männer hat fünf Springfield-Gewehre in einem Besenschrank gefunden.« Bell hielt inne, aber der Repräsentant der Waffenfabrik blieb noch stumm, also fuhr er fort. »Sie müssen sich vergewissern, dass keiner Ihrer Männer den Arbeitsbereich vorzeitig verlassen hat, und dann muss ich leider veranlassen, dass zunächst keine Gewehre mehr in die Waggons verladen werden.«
»Ich verstehe ja die Notwendigkeit, sich zu vergewissern, dass keiner der Männer verschwunden ist«, antwortete Hopley nach einer Weile. »Das würde ein Schuldeingeständnis sein. Aber warum sollten wir aufhören, die Kisten zu verladen?«
»Weil ich nicht glaube, dass unser Dieb die Gewehre wollte. Er wollte Platz schaffen.«