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Bist du bereit, dich auf einen Sünder einzulassen?
Nach einem Leben voller Lügen und Verrat ist Jackson Stone kein Mann, der leicht jemandem vertraut – und Frauen schon gar nicht. Für ihn geht es in jedem Bereich seines Lebens um Kontrolle. Besonders im Bett. Aber die sexy Barkeeperin Tara Kent hat etwas Besonderes an sich, das er unwiderstehlich findet. Etwas, das ihn dazu bringt, seine Prinzipien zu untergraben und seine Regeln etwas lockerer zu sehen. Mögen die Sünden beginnen.
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Seitenzahl: 288
DAS BUCH
»Er wusste, es waren große Worte, aber die fünf Wochen mit Tara hatten ihm eine neue Lebensperspektive eröffnet. Jackson hatte sich stets als Außenseiter gefühlt, und nun hatte er das Gefühl, endlich den Menschen gefunden zu haben, der die Leere, die er sein ganzes Leben in sich getragen hatte, ausfüllte. Tara verstand, womit er in der Vergangenheit gekämpft und worunter er gelitten hatte. Sie hatte es am eigenen Leib erfahren und wusste, wie es war, in der eigenen Familie ein Außenseiter zu sein. Sie beide ergänzten sich perfekt, und dank Tara hatte er das Gefühl, dort zu sein, wo er hingehörte, bei dem Menschen, der für ihn bestimmt war. Das Leben war schön, und er hätte nicht zufriedener sein können, weder privat noch beruflich. Aber in perfekten Momenten wie diesem meldete sich stets Jacksons Unterbewusstsein und erinnerte ihn daran, dass nichts Gutes in seinem Leben je Bestand gehabt hatte. Und die tief sitzende Angst, es könnte auch dieses Mal so sein, hielt ihn noch immer davon ab, Tara zu sagen, was er für sie empfand …«
DIE AUTORINNEN
Carly Phillips, eine New-York-Times- und USA-Today-Bestsellerautorin, hat über 50 zeitgenössische sexy Liebesromane geschrieben, mit heißen Männern, starken Frauen und den emotional fesselnden Geschichten, die ihre Leser inzwischen erwarten und lieben. Carly ist glücklich verheiratet mit ihrer Collegeliebe, hat zwei fast erwachsene Töchter und drei verrückte Hunde, die auf ihrer Facebook Fan Page und ihrer Website zu bewundern sind. Carly liebt die sozialen Medien und kommuniziert ständig mit ihren Lesern.
Erika Wilde lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Oregon und erforscht, wenn sie nicht schreibt, den wunderschönen Pazifischen Nordwesten.
CARLY PHILLIPSERIKA WILDE
Roman
Aus dem Amerikanischen von Katja Hald
WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN
KAPITEL 1
Jackson Stones bisheriges Leben war eine gottverdammte Lüge. Und nun würde er sich in ein paar Minuten der Wahrheit und damit der Tatsache stellen, dass er drei Brüder hatte, von deren Existenz er bis vor zwei Wochen nichts geahnt hatte. Er hatte den Schock, die Details seiner Geburt und seiner illegalen Adoption zu erfahren, noch immer nicht ganz überwunden. Und ob seine drei Brüder – von denen einer sein Zwillingsbruder war – je von seiner Existenz gehört hatten, wusste er auch nicht.
Aber er würde es herausfinden, und letztendlich spielte es auch keine Rolle, ob sie von ihm wussten oder nicht, er musste seine Brüder ganz einfach sehen. Wenn Jackson sich überhaupt etwas von dem Treffen erhoffte, dann eine Art klärenden Abschluss. Die vergangenen zweiunddreißig Jahre hatte er sich in seiner Familie als Außenseiter gefühlt und sich immer wieder gefragt, warum sein Vater – oder der Mann, der ihn großgezogen hatte – stets seinen jüngeren Sohn bevorzugt und jeden von Jacksons Versuchen, Paul Stones Zuneigung und Anerkennung zu gewinnen, unverhohlen ignoriert hatte.
Doch nun, da Jackson endlich die Wahrheit über seine Herkunft kannte, ergab die Ablehnung seines Vaters plötzlich einen Sinn. Unglücklicherweise war seine Kindheit ein einziges Konstrukt aus Lügen gewesen, und nichts war so, wie es schien. Die emotionalen Schäden, die sein Vater ihm in den prägenden Jahren zugefügt hatte, in Kombination mit dem Betrug seiner Exfrau, machten es Jackson auch als Erwachsener noch schwer, irgendjemanden an sich heranzulassen. Die wenigen Menschen, denen er wirklich vertraute, konnte er an einer Hand abzählen, und er bezweifelte, dass sich das irgendwann einmal ändern würde.
Jackson ließ die verspannten Schultern kreisen und verscheuchte die trüben Gedanken. Sein Navi sagte ihm, dass er an seinem Ziel war – dem Kincaid’s, einer Bar in einem alles andere als guten Viertel von Chicago –, und Jackson lenkte seinen Porsche auf den Parkplatz hinter dem Gebäude. Neben den wenigen älteren Fahrzeugen, die dort standen, wirkte der glänzende dunkelgraue Sportwagen irgendwie fehl am Platz.
Aus Angst vor Kratzern oder anderen Schäden parkte er in einer der hintersten Reihen, weit weg von allen anderen. Der 911 Carrera war sein Baby. Er hatte ihn sich selbst geschenkt, als er Partner bei Schmidt und Kramer geworden war, dem Architekturbüro, für das er nun schon seit elf Jahren arbeitete. Zugegeben, was den makellosen Zustand des Porsches anging, war er etwas zwanghaft. Aber er hatte sich auch den Arsch abgearbeitet, um sich diesen Luxus leisten zu können, und es machte ihm nichts aus, ein bisschen weiter gehen zu müssen, wenn er damit seinen kostbaren Besitz schützen konnte.
Während er aus dem niedrigen Wagen glitt und sich zu seiner vollen Höhe aufrichtete, aktivierte er die Alarmanlage und warf einen Blick auf die Uhr. Es war halb vier, eine halbe Stunde bevor der Laden öffnete. Jackson hoffte, früh genug zu sein, um Clay, den Besitzer der Bar und seinen Zwilling, noch zu erwischen, bevor die ersten Gäste eingelassen wurden.
Als er auf das in die Jahre gekommene Gebäude zuging, ertappte er sich dabei, wie er es aus reiner Gewohnheit mit dem Blick des Architekten in Augenschein nahm. Er arbeitete meist an großstädtischen Entwürfen, Firmengebäuden oder anspruchsvollen, luxuriösen Bauwerken. Die bescheidene Bar seines Bruders, die wahrscheinlich aus den 1980er-Jahren stammte, passte jedoch gut in die Arbeitergegend hier. Der Laden wirkte sauber und gepflegt und hatte offenbar erst vor Kurzem eine neue Holzverkleidung und einen frischen Anstrich erhalten.
Jackson wusste nicht viel über die Kincaid-Brüder. Um etwas in der Hand zu haben, wenn er sich den Männern vorstellte, hatte er einen Privatdetektiv mit der Beschaffung der wichtigsten Informationen beauftragt. Name, Alter, Familienstand und wo sie arbeiteten, mehr hatte er gar nicht wissen wollen. Und auch nicht erfahren. Der Detektiv hatte zwar angeboten, ihm einen detaillierten Bericht über die Hintergründe der drei Männer zu liefern, aber Jackson hatte abgewinkt. Er respektierte ihre Privatsphäre und wollte nicht aufdringlich sein. Im umgekehrten Fall wäre er auch nicht glücklich gewesen, wenn ein nahezu Fremder sein Leben und seine Vergangenheit durchforstet und anhand von Informationen aus dritter Hand Rückschlüsse auf seinen Charakter gezogen hätte.
Er erreichte den Vordereingang der Bar. Auf dem Schild mit den Geschäftszeiten stand zwar, dass diese erst um vier Uhr öffnete, doch Jackson ging davon aus, dass die Angestellten etwas früher kamen. Er zog an dem Metallknauf der Tür, die sich tatsächlich öffnen ließ. Unvermittelt rückte das Treffen mit seinen Brüdern einen Schritt näher, was seine Nervosität noch um eine Stufe steigerte. Unsicher und erwartungsvoll zugleich betrat er den menschenleeren Eingangsbereich.
Jackson war ein selbstbewusster und erfolgreicher Geschäftsmann, dem in der Regel Respekt entgegengebracht wurde, aber in diesem Fall konnte er unmöglich wissen, wie man ihn empfangen würde. Bei der Vorstellung, seine Brüder könnten nichts mit ihm zu tun haben wollen und ihm sofort signalisieren, dass er nicht dazugehörte, krampfte sich sein Magen zusammen.
Scheint ja mein gottverdammtes Schicksal zu sein, dachte er bitter, während er sich bemühte, seine Bedenken abzuschütteln. Er atmete tief durch und folgte den Geräuschen, die aus dem abgedimmten Gastraum drangen. Im Servicebereich entdeckte er eine junge Frau, die gerade ein Tablett mit diversen Garnituren vorbereitete. Als er vor ihr auftauchte, sah sie ihn gedankenverloren an. Offenbar hielt sie ihn für einen Gast.
»Tut mir leid«, sagte sie mit einem entschuldigenden Lächeln und legte einen weiteren Stapel Servietten auf den Tresen, »aber wir öffnen erst um vier …«
Sie ließ den Blick über seinen Armani-Anzug wandern und blieb mit einem irritierten Stirnrunzeln an seinem Gesicht hängen. Jackson war sich ziemlich sicher zu wissen, warum. Clay Kincaid, ihr Boss und sein Zwillingsbruder, war wohl nicht der Typ, der für gewöhnlich Geschäftsanzüge trug. Das und die Ähnlichkeit, die Jackson offenbar mit seinem Bruder hatte, schienen sie aus dem Konzept zu bringen. Sie legte den Kopf schief und musterte seine Gesichtszüge und die kurz geschnittenen Haare. Als sie ihm schließlich direkt in die Augen sah, konnte er das amüsierte Lächeln, das an seinen Mundwinkeln zerrte, nicht mehr unterdrücken.
Als sie erkannte, dass er nicht ihr Arbeitgeber war, verwandelte sich der irritierte Ausdruck auf ihrem Gesicht in echten Schock, und ihre exotischen, faszinierend azurblauen Augen weiteten sich ungläubig. Dann schüttelte sie so heftig den Kopf, dass ihr die dunklen Strähnen ihres seidig glänzenden Haars über die Schultern fegten.
»Du bist gar nicht Clay«, platzte sie heraus.
»Nein«, bestätigte er mit tiefer, rauer Stimme, während sein Blick an einem kleinen Diamantpiercing haften blieb, das in ihrer sinnlichen Oberlippe steckte. »Ich bin Jackson Stone, sein Zwillingsbruder.«
»Sein Zwilling«, wiederholte sie mit von Ehrfurcht gedämpfter Stimme. Sie starrte ihn noch immer an, während sich ihre Ungläubigkeit allmählich in eine erstaunte Neugier verwandelte und in ihren Augen ein Hauch von Faszination zu entdecken war… »Heilige … Scheiße. Clay hat einen Zwillingsbruder, verdammt.«
Er kicherte. Ihre unverblümte Reaktion gefiel ihm. Um ehrlich zu sein, fand er sie sogar erfrischend. Er war an höfliche, kultivierte Frauen gewöhnt, die ihm gegenüber stets nett, überkorrekt und vorbildlich waren und hinter seinem Rücken die gehässige Zicke herauskehrten. Die Schönheit, die hier vor ihm stand, war dagegen offen und direkt, und er wollte verdammt sein, wenn er diese Kombination nicht extrem sexy fand.
»Das ist ja … verrückt«, sagte sie, immer noch bemüht, seine Erscheinung und die gesamte Situation zu verarbeiten. »Weiß Clay, dass du vorbeikommst?«
An dem vorsichtigen, fast schon beschützenden Unterton in ihrer Stimme erkannte er, wie loyal sie ihrem Boss gegenüber sein musste, und beschloss, ehrlich zu ihr zu sein. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht einmal weiß, dass ich existiere.«
Während er etwas näher an den Tresen herantrat, tauchten in ihren ausdrucksstarken Augen immer mehr Fragen auf, die sie aber nicht stellte. Wofür er ihr sehr dankbar war.
»Ist er zufällig hier?«, fragte Jackson hoffnungsvoll.
»Nein, mittwochs ist nie besonders viel los.« Sie starrte ihn immer noch an. Zwischen ihnen knisterte eine Anziehungskraft, die unbestreitbar gegenseitig war. »Wahrscheinlich ist er zu Hause bei seiner Frau.«
In dem zusammenfassenden Bericht über seine Brüder war auch deren Familienstand ein Thema gewesen, sodass Jackson zumindest grob über ihre jeweiligen Partnerinnen Bescheid wusste. Clay, der Inhaber des Kincaid’s, war mit Samantha verheiratet. Mason, dem der Tattooladen Inked gehörte, war der Ehemann von Katrina, und Levi, der jüngste der Brüder und Bulle bei der Chicagoer Polizei, war seit Kurzem mit einer Frau namens Sarah liiert.
»Kann ich ihn irgendwie erreichen?« Jetzt, wo er endlich hier war, wollte er ihre erste Begegnung nicht länger als nötig hinauszögern. Die sprichwörtliche Katze war aus dem Sack, und er wollte keinem der Kincaid-Brüder die Gelegenheit geben, ein Treffen abzulehnen.
Sein Gegenüber biss sich auf die sinnliche Unterlippe, während sie sich seine Bitte offenbar durch den Kopf gehen ließ. Jackson betrachtete ihren verführerischen Mund und stellte sich all die sündigen Dinge vor, die er gerne mit ihm anstellen würde. Doch ihm war instinktiv klar, dass ihre Loyalität gegenüber Clay siegen und sie weder etwas für ihn noch mit ihm tun würde. Nicht bevor Jackson von Clay gutgeheißen worden war. So ärgerlich das auch war, er konnte nicht umhin, sie für ihre Loyalität zu respektieren.
»Du scheinst ein echt netter Kerl zu sein, Jackson«, sagte sie schließlich in ernstem Ton. »Clays Adresse und Telefonnummer werde ich dir trotzdem nicht geben. Aber ich kann zwei Dinge für dich tun. Entweder du gibst mir deine Nummer, und ich gebe sie ihm, oder ich rufe ihn an und frage ihn, ob er in die Bar kommen kann, um dich zu treffen.«
Dankbar, dass sie ihn nicht gleich abblitzen ließ, schob er die Hände in die Hosentaschen und belohnte sie mit einem charmanten Lächeln. »Möglichkeit Nummer zwei, bitte.«
Sie lächelte zurück, zog das Handy aus der Gesäßtasche ihrer Jeans und tippte ein paarmal auf das Display. Während sie sich das Handy ans Ohr hielt, wandte sie sich halb von ihm ab, was ihn angesichts des sexy Anblicks, der sich ihm bot, nicht im Geringsten störte. Solange sie darauf wartete, dass jemand antwortete, ließ er den Blick schamlos am Seitenprofil ihres wie für die Sünde gemachten Körpers hinabgleiten. Genussvoll saugte er den Anblick ihrer vollen, hohen Brüste unter dem Kincaid’s-T-Shirt in sich auf, bevor seine Augen zu der scharfen Kurve ihres süßen Pos weiterwanderten, der sich unter der engen Jeans abzeichnete.
Genau an dieser Stelle blieben sie haften, und eine lüsterne Hitze schoss ihm durch die Venen, die seine Körpertemperatur sofort um ein paar Grad ansteigen ließ. Er war ein Mann, der Frauen mit einem knackigen, straffen Hintern zu schätzen wusste. Vor seinem inneren Auge tauchten sofort Bilder auf, wie er ihren Arsch packte und ihre Hüften an seine zog. Oder wie er mit einer Hand auf das weiche, dralle Fleisch klatschte, während sich die andere in ihrem schönen langen Haar zur Faust ballte und er sich hinter ihr in Stellung brachte.
Er versuchte nicht einmal, das Zucken seines Schwanzes zu unterdrücken, als ihm diese schmutzigen Gedanken durch den Kopf gingen, im Gegenteil. Die eindeutigen Reaktionen, die sein Körper auf diese Frau zeigte, gefielen ihm. Es war verdammt lange her, dass eine Frau nicht nur sein Interesse geweckt, sondern auch seinen Schwanz derart erregt hatte. Sie hatte in nur wenigen Minuten beides geschafft. Er war begeistert.
»Hey, hi, ich bin’s, Tara«, sagte sie schließlich und versuchte dabei, so locker wie möglich zu klingen. Als sie ihren Boss begrüßte, verriet sie Jackson ganz nebenbei auch gleich ihren Namen. »Nein, alles in Ordnung«, beeilte sie sich, ihn zu beruhigen, und warf Jackson über die Schulter einen verstohlenen Blick zu. »Ich rufe an, weil hier in der Bar jemand ist, der dich gerne sehen möchte … Es soll eine Überraschung sein.«
Das hatte Jackson zwar nicht gesagt, aber er ging davon aus, dass sie Clay nicht unbedingt am Telefon davon in Kenntnis setzen wollte, dass er einen lange verschollenen Zwillingsbruder hatte. Die einfühlsame Art, mit der sie Clay seinen überfallsmäßigen Besuch ankündigte, war noch etwas, für das er ihr dankbar war, und es tat ihm ein wenig leid, dass er sie in diese Situation gebracht hatte.
Während sie Clays Antwort lauschte, sah sie zu Jackson hin und verdrehte die Augen. Er hatte den Eindruck, dass ihr Chef gerade versuchte, etwas mehr aus ihr herauszubekommen. Hinter sich hörte er Leute vorbeigehen, wahrscheinlich Angestellte, die sich für ihre Schicht fertig machten, aber keiner schenkte ihm weitere Beachtung. Von hinten sah er Clay offensichtlich nicht besonders ähnlich, zumindest nicht in diesem teuren Anzug.
»Ich weiß, was ich da rede, klingt ziemlich kryptisch. Vertrau mir einfach, Clay«, versuchte sie ihn zu überzeugen. »Du musst nur in die Bar kommen, dann siehst du es selbst. Und wenn Mason und Levi auch kommen könnten, wäre das sogar noch besser.«
Auch Jackson wäre es am liebsten, seine Brüder gleich alle drei kennenzulernen.
Tara verstummte, während Clay offenbar noch ein paar Sekunden weitersprach. »Okay, danke«, sagte sie schließlich, und in ihrer Stimme klang Erleichterung mit. »Dann bis in einer halben Stunde.«
Sie beendete das Gespräch, indem sie mit dem Finger auf eine Taste tippte, und wendete sich wieder Jackson zu. Sie wirkte unsicher. »Clay klang ein wenig misstrauisch am Telefon.« Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und verzog das Gesicht. »Oh Mann, er wird mich umbringen, weil ich ihn nicht gewarnt habe, was ihn erwartet.«
»Es ist besser so«, entgegnete Jackson und hoffte, sie damit zu beruhigen.
Sie nickte verstehend. »Ich weiß. Deshalb habe ich ihm die Neuigkeit, dass er einen Zwillingsbruder hat, ja auch noch vorenthalten.« Sie lachte leise. »Mal ehrlich, wie soll man so etwas am Telefon erklären? Um das zu glauben, muss Clay es selbst sehen. Außerdem wollte ich nicht, dass er in der nächsten halben Stunde durchdreht, weil er sich das Gehirn zermartert, wie es sein kann, dass es dich gibt. Das musst du ihm schon selbst erzählen.«
Ja, damit hatte sie wohl recht, und er musste zugeben, dass es auch ihn einige Zeit gekostet hatte, das zu verdauen und zu akzeptieren. »Danke, Tara.«
Sie bedachte ihn mit einem schiefen Blick. »Falls Clay mich feuert, weil ich ihm nicht gesagt habe, wer du bist, kannst du dich bei mir bedanken, indem du mir ersatzweise einen Job in dem schicken Laden besorgst, in dem du arbeitest.«
Er kicherte. »Okay. Wenn er das tut, mache ich dich zu meiner persönlichen Assistentin. Versprochen.« Noch bevor er den Satz beendet hatte, überkamen ihn schmutzige Fantasien, welche Art von persönlichen Dingen sie dann für ihn erledigen könnte, und nichts davon hatte etwas mit dem Erledigen von Papierkram oder dem Entgegennehmen von Telefonaten zu tun. Nein, in seiner Vorstellung war sie ihm auf ganz andere Weisen zu Diensten.
Nichts ahnend, in welche Richtung seine Gedanken gerade abgedriftet waren, zog Tara eine perfekt geschwungene Augenbraue hoch. »Ich werde Sie beim Wort nehmen, Mr. Stone.«
Bei ihrer lockeren, resoluten Art lösten sich seine verkrampften Schultern, und zum ersten Mal, seit er die Bar betreten hatte, entspannte er ein wenig. Tara war wie eine frische Brise im Vergleich zu den Frauen, mit denen er sich seit seiner Scheidung gelegentlich traf und in deren Gegenwart er sich immer steif und reserviert fühlte. Sie erwartete nichts von ihm, täuschte nichts vor und hatte auch keinen Grund, ihn beeindrucken zu wollen.
Eine kecke Blondine in der gleichen Jeans-und-T-Shirt-Uniform wie Tara ging mit wiegendem Schritt um Jackson herum hinter den Tresen. Sie sah kurz zu ihm auf, ohne jedoch die äußerlichen Unterschiede zwischen ihm und Clay zu bemerken.
»Hi, Clay, was machst du denn hier und noch dazu in einem so schicken Anzug? Will Samantha dich in einen Laden schleppen, der ein wenig eleganter ist als unser Schuppen?«, rief sie ihm scherzend über die Schulter zu, während sie ihre Tasche in einen Schrank stellte.
Taras Augen blitzten vor Freude. »Schau noch mal genauer hin, Amanda. Das ist nicht Clay. Das ist sein Zwillingsbruder, Jackson.«
»Haha«, entgegnete Amanda gut gelaunt und drehte sich wieder zu ihm um. Offensichtlich hielt sie Taras Bemerkung für einen Witz.
Dann musterte sie ihn etwas eingehender und konzentrierte sich auf sein Gesicht und seinen Haarschnitt. Es war lustig zu beobachten, wie Amandas feste Überzeugung Natürlich ist das Clay, mein Boss langsam zerbröselte und ihr klar wurde, dass Tara sie nicht auf den Arm genommen hatte.
Ihr fiel buchstäblich die Kinnlade herunter. Dann machte sie den Mund wieder zu. »Clay hat einen Zwilling? Ich werd verrückt«, rief sie so laut, dass ein paar andere Angestellte ebenfalls neugierig in ihre Richtung sahen.
Tara lachte. »Hab ich dir doch gerade gesagt.«
Die anfängliche Gleichgültigkeit war wie weggeblasen. Amanda betrachtete Jackson noch einmal aus einer neuen ungefilterten Perspektive und bedachte ihn mit einem langen anerkennenden Blick. »Großer Gott, und ich dachte, Clay wäre ’ne heiße Nummer«, murmelte sie kokett.
Das unterschwellig Provokante in ihren Worten entging ihm nicht, reizte ihn aber kein bisschen. Hätte Tara diese Einladung ausgesprochen, hätte er sie allerdings ernsthaft in Erwägung gezogen.
Als würde sie die unangenehme Spannung spüren, die plötzlich in der Luft lag, schob Tara sich vor Amanda und wechselte das Thema. »Warum setzt du dich nicht einfach ans Ende des Tresens, solange du auf die Jungs wartest?«, schlug sie ihm vor.
»Lenke ich dich dort weniger ab?«, fragte er mit einem schwachen Grinsen, während er den geschäftigen Bereich des Tresens, in dem jetzt nach und nach auch die restlichen Angestellten ihre Schicht antraten, verließ, um sich an den Platz zu setzen, den sie ihm zugewiesen hatte.
Sie schenkte ihm ein zweideutiges Lächeln. »Ja, das auch.«
Er ließ sich auf den letzten gepolsterten Barhocker in der Reihe gleiten, und sie folgte ihm auf der anderen Seite des Tresens. An diesem Ende der Bar war das Licht etwas gedämpfter, was für eine private Atmosphäre sorgte. Zumindest vorerst noch.
Tara legte eine Cocktailserviette vor ihn auf den Tresen. »Kann ich dir etwas zu trinken bringen?«
Er betrachtete die Auswahl hochwertiger Alkoholika auf dem obersten Regal hinter der Bar und war überrascht, die Luxusmarke, nach der er gesucht hatte, tatsächlich zu entdecken. »Ich nehme einen 21-jährigen Bushmills, pur.«
Sie neigte kritisch den Kopf, was seine Aufmerksamkeit erneut auf den kleinen sexy Diamantstecker lenkte, der ihn von ihrer Oberlippe aus anglitzerte. »Der Bushmills wird nur selten verlangt. Die Kundschaft hier aus der Gegend zieht billige, harte Drinks vor. Aber dass ein Typ wie du sich zielsicher für unseren teuersten Whiskey entscheidet, hätte ich mir eigentlich denken können.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte sich, um die unverkennbare Flasche herunterzuholen. Sofort wurde sein Blick wie von Geisterhand wieder auf die Rundungen ihres Hinterns gezogen. Fuck, sie war echt heiß. Dieser Anblick, der erstaunlich schnell zu seiner Lieblingsaussicht geworden war, fesselte ihn deutlich länger als beabsichtigt, sodass er die süße – und unwiderstehliche – Stelle im Blick hatte, an der ihre schlanken Oberschenkel zusammenliefen, als sie sich wieder umdrehte. Dass sie ihn auf frischer Tat ertappt hatte, jagte ihm einen heißen Schauder den Rücken hinunter.
Abzustreiten, worauf er gerade gestarrt hatte, war zwecklos. Ohne Reue hob er den Blick und sah ihr ins Gesicht. Okay, sie hatte ihn erwischt, aber das amüsierte Funkeln in ihren faszinierend blauen Augen und die absolut erregende Röte auf ihren Wangen verrieten ihm, dass sie ihm das intensive Studium ihres Hinterteils kein bisschen übel nahm.
Nein, ganz offensichtlich schreckte sie weder vor der Anziehungskraft zurück, die zwischen ihnen schwelte, noch spielte sie die Unnahbare, wie er das von anderen Frauen, mit denen er ausgegangen war, kannte – typisch weibliche Spielchen, die ihn entweder langweilten oder argwöhnisch machten. Mit Tara zu flirten gefiel ihm. Ihm gefiel, dass sie sich gegenseitig nichts vormachten und er, genau wie sie, ganz er selbst sein konnte.
»Wenn ihr von diesem speziellen Whiskey so wenig verkauft, warum habt ihr ihn dann auf der Karte?«, fragte er beiläufig, während sie ihm schnell und geschickt seinen Drink eingoss. Aus Sicht eines Geschäftsmanns erschien ihm das eine Platz- und Geldverschwendung.
»Weil Clay und Mason hier hin und wieder auch gern ihren Lieblingswhiskey trinken, einen 21-jährigen Bushmills.« Sie stellte den Tumbler mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit auf die Serviette vor ihm auf den Tresen. »Das ist der einzige Grund, weshalb wir ihn im Regal haben. Ein Beweis, dass du tatsächlich Clays Zwilling bist.«
Er schmunzelte. »Dann hat dich mein Aussehen allein also noch nicht überzeugt?«
Wieder erklang dieses süße Lachen, nach dem man süchtig werden konnte. »Okay, du bist tatsächlich das Ebenbild deines Bruders, aber davon einmal abgesehen, bin ich mir ziemlich sicher, dass ihr nicht viele Gemeinsamkeiten habt.«
»Das heißt?«
»Nun ja, ich habe Clay zum Beispiel nur einmal in einem Anzug gesehen, und das war auf seiner Hochzeit. Du hingegen siehst aus, als würdest du jeden Tag einen tragen.« Sie musterte sein Gesicht und seinen Haarschnitt. »Ich vermute mal, du wohnst in der Stadt und arbeitest für ein großes Chicagoer Unternehmen. Clay hasst die City und ist ganz bestimmt nicht der Typ, der von neun bis fünf im Büro sitzt. Eure Lebensstile könnten wahrscheinlich nicht unterschiedlicher sein.«
Er hatte nicht das Gefühl, dass sie ihn irgendwie beurteilte, und wenn er ehrlich war, trafen ihre Einschätzungen, die sie allein aufgrund seines Äußeren getroffen hatte, ziemlich genau zu. Aber Jackson war weder mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden, wie sie vielleicht vermutete, noch hatte er auf seinem Weg in eine Zukunft, wie sie sich die meisten Eltern für ihre Kinder wünschten, irgendwelche emotionale Unterstützung gehabt.
Ganz im Gegenteil. Jacksons Ehrgeiz, sich ein erfolgreiches Leben aufzubauen, war von der Wut und Verachtung genährt worden, die er dem Mann gegenüber empfand, den er für seinen Vater gehalten hatte, der ihn aber nie wie einen Sohn behandelt hatte. Er war in dem Glauben aufgewachsen, im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder wertlos und unbedeutend zu sein, hatte aber nie gewusst, warum sich sein Vater ihm gegenüber so verhielt, was viele Ängste ausgelöst hatte. Diese Selbstzweifel und das Gefühl, nicht dazuzugehören, sosehr er sich auch bemühte, es seinem Vater recht zu machen, waren eine schmerzhafte Erfahrung gewesen.
Seit Jackson mit achtzehn dann endgültig von Zuhause ausgezogen war, hatte er alle Ziele erreicht, die er sich gesetzt hatte – angefangen mit dem College, für das er den Studienkredit all die Jahre aus eigener Tasche bezahlt hatte, über das Praktikum in einem angesehenen Architekturbüro bis hin zu einer Vollzeitstelle bei Schmidt und Kramer, wo er schließlich Partner geworden war und nun ein sechsstelliges Gehalt und ansehnliche vierteljährliche Boni bezog. Er hatte dieses Geld gut angelegt und inzwischen eine solide siebenstellige Summe auf dem Konto.
Von außen betrachtet sah es so aus, als hätte er verdammt viel erreicht, und im Grunde genommen hatte er das auch. Aber da war diese Leere in ihm, die all seine Erfolge und all das Geld, das er verdiente, nicht füllen konnten. Auch in seiner Ehe hatte er das ultimative Glück, das er sich erhofft hatte, nicht gefunden, im Gegenteil. Inzwischen fragte er sich, ob er es überhaupt jemals finden würde.
Während Jackson gedankenverloren an seinem Whiskey nippte, hatte Tara sich wieder ihren Vorbereitungen zugewandt, und er beobachtete sie dabei, wie sie Gläser stapelte, Schnapsflaschen an ihren Platz stellte und sich alles so zurechtlegte, wie sie es zum Arbeiten brauchte. Von den anderen Angestellten, die in der Bar herumschwirrten, starrten ihn einige unverhohlen an und wirkten leicht schockiert. Offenbar hatte Amanda, die zweite Kellnerin, die Neuigkeit, dass Clay einen Zwillingsbruder hatte, schon in Umlauf gebracht, und nun wollten ihn alle mit eigenen Augen sehen.
Nach einer Weile kam Tara wieder an sein Ende des Tresens, um nach ihm zu sehen. »Alles in Ordnung bei dir? Möchtest du noch einen Drink?« Er ließ den letzten Schluck Whiskey in seinem Glas kreisen und schüttelte den Kopf. »Nein danke, das reicht.« Der eine Drink hatte genügt, um ihn ein wenig zu entspannen, auch wenn er dem Treffen mit seinen Brüdern noch immer etwas nervös entgegensah. Aber wahrscheinlich gab es nichts, zumindest nichts Legales, das gegen die Anspannung, die er im Magen spürte, half.
Er versuchte, seine Unruhe zu unterdrücken, und sah auf die Uhr. Seit Tara Clay angerufen hatte, waren zwanzig Minuten vergangen, und in der Bar, die erst in zehn Minuten öffnete, waren noch keine Gäste. Tara ging nicht wieder weg und begann stattdessen, an seinem Ende des Tresens Bierflaschen in einen Eiskübel zu stecken. Er dachte, es wäre einen Versuch wert, sie ein wenig auszuhorchen und herauszufinden, was sie ihm über die Brüder Kincaid verraten konnte.
»Wie sind die drei denn so?«, fragte er schnell, bevor er es sich wieder anders überlegte. Er wollte ihr ja keine streng gehüteten Geheimnisse entlocken, sondern nur ein wenig mehr über seine Brüder erfahren, damit er sich in ihrer Gegenwart später etwas sicherer fühlte. Natürlich war ihm klar, dass es ein wenig unfair war, sich über sie zu informieren, noch bevor sie überhaupt von seiner Existenz wussten. Aber da es bei dem anstehenden Zusammentreffen drei gegen einen stand, würde er jeden Vorteil gebrauchen können.
Tara sah voller Mitgefühl zu ihm hoch, als ob sie die Sorge spürte, mit der er dem Treffen mit diesen Männern, über die er absolut nichts wusste, entgegensah. »Na ja, die drei sind wirklich sehr eng«, sagte sie und wischte sich die feuchten Hände an einem weißen Frotteehandtuch ab. »Sie haben es im Leben nicht immer leicht gehabt. Als Kinder haben sie ziemlich viel Scheiß durchmachen müssen. Du darfst also nicht zu viel erwarten. Und nimm es auf gar keinen Fall persönlich, wenn sie anfangs ein wenig misstrauisch sind.«
Er nickte. »Das hatte ich mir schon gedacht.« Auch wenn sie dieselbe Mutter hatten, war Jackson letztendlich ein Fremder für sie, und er erwartete nicht, dass die drei ihn mit offenen Armen empfingen. Dennoch hoffte er, sie würden ihm die Chance geben, sie besser kennenzulernen.
Vom Ende des Tresens aus beobachtete Jackson, wie ein junges Paar die Bar betrat und sich an einen der runden Tische setzte. Es waren die ersten Gäste des Abends, was bedeutete, dass Clay ebenfalls bald auftauchen dürfte. Er trank den letzten Schluck Bushmills und schob das Glas weg.
»Clay kann manchmal ein bisschen ruppig sein«, redete Tara weiter, während sie sich das Handtuch in den Bund ihrer Jeans stopfte, »aber wenn man ihn besser kennt, ist er ein echt toller Typ. Sie haben ihm hier den Spitznamen Saint Clay gegeben, weil er so eine Art Wohltäter ist.«
Neugierig stützte Jackson die Arme auf den Tresen. »Ein Wohltäter?« Sie nahm sein leeres Glas und stellte es in das Spülbecken unter dem Tresen. »Genau. Er gehört zu den Menschen, die anderen wirklich helfen möchten, weil er weiß, wie es ist, wenn man ums Überleben kämpfen muss. Fast alle, die hier arbeiten, hat er eingestellt, weil sie den Job aus dem einen oder anderen Grund wirklich gebraucht haben.«
Die Dankbarkeit, die sie ihrem Boss gegenüber zum Ausdruck brachte, sprach Bände, deutete aber auch darauf hin, welchen Einfluss Clay in ihrem Leben hatte. »Gilt das auch für dich?«, wollte er wissen.
»Ja, das gilt auch für mich«, gab sie leise zu.
Er fragte sich, woher die Schatten in ihren Augen plötzlich kamen und was sie wohl durchgemacht hatte. Doch bevor er ihre Gefühle näher analysieren konnte, blinzelte sie sie weg.
»Clay ist für mich wie ein Bruder«, versuchte sie, die Loyalität gegenüber ihrem Boss mit einem Schulterzucken zu erklären. »Im Grunde sind alle drei wie eine Familie für mich. Manchmal sind sie zwar fast schon ein wenig zu fürsorglich, aber es ist gut zu wissen, dass sie hinter mir stehen und für mich da sind. Egal, was kommt. Genau diese Art Männer sind sie.«
Jackson war nicht entgangen, dass sie ihre eigene Familie mit keinem Wort erwähnte. »Und Mason? Er hat ein Tattoostudio, richtig?«
»Ja, richtig. Er ist von den dreien der Radaubruder. Ein Frauenheld, der gerne mal ’ne dicke Lippe riskiert.« Sie stellte einen Glaskrug auf die Basisstation eines Mixers und machte sich weiter am Tresen zu schaffen, während sie sprach. »Bis er irgendwann zur Vernunft gekommen ist und begriffen hat, dass seine beste Freundin Katrina die einzige Frau für ihn ist, war er ein echter Ladykiller. Es ist amüsant zu beobachten, wie sanftmütig er geworden ist, seit sie ihn um den Finger gewickelt hat.«
Die Sympathie, die aus Taras Worten sprach, entlockte Jackson ein Lächeln.
»Und dann ist da noch Levi, das genaue Gegenteil seiner Brüder«, fuhr sie etwas lebhafter fort. »Er ist Polizist bei der Chicagoer Polizei und ein eher ruhiger und zurückhaltender Typ. Auf seine Art aber auch echt beeindruckend. Er redet nicht viel, bekommt aber jede gottverdammte Kleinigkeit mit, die um ihn herum passiert.«
Das alles waren interessante Informationen, die Jackson speicherte. Er hatte das Gefühl, dass sie ihm schon sehr bald ziemlich nützlich sein könnten.
»Tara«, erklang eine tiefe männliche Stimme vom anderen Ende der Bar, »wo ist der Typ, der uns treffen wollte?«
Die wunderschöne Barkeeperin auf der anderen Seite des Tresens war so in ihr Gespräch vertieft gewesen – und Jackson auch –, dass sie bei ihrem Namen merklich zusammenzuckte. Noch bevor er den Kopf heben und über Taras Schulter in Richtung des Eingangsbereichs blicken konnte, verrieten ihm ihre großen, geweiteten Augen, wer da gekommen war. Clay. Und das Wörtchen uns, das er gerade benutzt hatte, ließ darauf schließen, dass er Taras Aufforderung nachgekommen war und auch seine Brüder mitgebracht hatte.
Jackson atmete tief durch, während Tara sich den drei Männern zuwandte, die gespannt waren zu erfahren, wer sie sehen wollte. Indem sie einen kleinen Schritt zur Seite trat, verdeckte sie die Sicht auf Jackson und gab ihm so nicht nur ein wenig Zeit, sich zu sammeln, sondern auch die Möglichkeit, von dem Barhocker zu gleiten und seinem Zwillingsbruder auf Augenhöhe gegenüberzutreten.
»Er ist hier hinten, Jungs«, entgegnete sie mit unverändert ruhiger Stimme, doch die Art, wie ihre Finger das Handtuch umklammerten, das im Bund ihrer Jeans steckte, verriet, wie nervös sie war.
Ein paar Sekunden später hatten die drei Männer das hintere Ende des Tresens erreicht. Als Clay Jacksons Gesicht sah, das Ebenbild seines eigenen, blieb er wie angewurzelt stehen. Und seine Brüder, die die Ähnlichkeit ebenfalls bemerkten, hielten genauso abrupt inne. Verdammt, selbst Jackson war verblüfft, wie ähnlich ihm der Mann sah, der da vor ihm stand. Dabei war er gewarnt gewesen.
Sie waren gleich groß und hatten die gleiche muskulöse Statur. Beide hatten dunkelbraunes Haar, wobei Clays ein bisschen länger und nicht ganz so ordentlich geschnitten war wie Jacksons. Und sie hatten dieselbe Augenfarbe, ein dunkles Braun mit goldenen Sprenkeln. Der endgültige Beweis, dass sie sich vor über zweiunddreißig Jahren eine Gebärmutter geteilt hatten, waren jedoch ihre markanten Gesichtszüge – der exakt gleiche Winkel der kantigen Kieferknochen, die kräftige Linie der Nase und die Form der Lippen. Jackson hatte das Gefühl, in den Spiegel zu sehen.
Clay blinzelte und schüttelte verdutzt den Kopf. »Was zum Teufel …« Er war so verwirrt, dass seine tiefe Stimme versagte.
Tara biss sich auf die Unterlippe, während ihr Blick zu Jackson und dann wieder zurück zu ihrem Boss wanderte, der ihn entgeistert anstarrte, als ob sein Gehirn Schwierigkeiten hätte, zu begreifen, was seine Augen sahen.
»Clay, das ist Jackson Stone«, durchbrach Tara die angespannte Stille, die sich auf alle gesenkt hatte. »Dein Zwillingsbruder.«
»Mein Zwillingsbruder?«, rief Clay ungläubig, während er Jackson von oben bis unten musterte. Zweifellos steckte er ihn aufgrund seines teuren Anzugs sofort in eine Schublade, bevor er ihn überhaupt richtig kennengelernt hatte. »Großer Gott, wie soll das gehen …«
»Nie im Leben.« Der Bruder mit den von oben bis unten tätowierten Armen – wahrscheinlich Mason – starrte Jackson an, als wäre er ein zweitklassiger Imitator. Der Bruder mit den hellblonden Haaren – eindeutig der Bulle – sagte nichts, beobachtete ihn mit seinen klugen hellgrünen Augen jedoch nicht weniger argwöhnisch.
Clays Schockstarre nutzend, streckte Jackson ihm die Hand entgegen, die dieser zögernd schüttelte. Jackson entging allerdings nicht, dass Clays Blick sich sofort misstrauisch verdunkelte, genau wie Tara ihn vorgewarnt hatte.
»Schön, dich kennenzulernen. Euch alle drei«, sagte er und ließ Clays Hand wieder los. Dann sah er jeden einzelnen der Brüder an, während sich Mason und Levi rechts und links von Clay in Position brachten.
»Wir haben keinen Bruder. Also, wer zum Teufel bist du wirklich?«, fragte der Tätowierte. Seine Haltung war abwehrend und wachsam. »Soll das irgend so ein kranker Witz sein?«
Die Frage war derart absurd, dass Jackson versucht war, laut loszulachen. Aber er wusste, dass Mason einfach nur nach einer Erklärung für das suchte, was er hier sah, und lächelte. »Nein, ich schwöre, das ist kein Witz.«