Silvia-Gold 162 - Viola Larsen - E-Book

Silvia-Gold 162 E-Book

Viola Larsen

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Beschreibung

Lina Wolffhardt, gerade zwanzig Jahre jung und bildhübsch, versteht sich nicht mit dem zweiten Mann ihrer Mutter. Als dann auch noch berufliche Schwierigkeiten hinzukommen, bricht Lina kurz entschlossen alle Brücken hinter sich ab und fliegt nach Australien zu Bo Colloway. Doch Bo, ihr Traummann aus dem Internet, ist verheiratet und deshalb für Lina tabu.
Enttäuscht versucht sie, sich ein neues Leben aufzubauen. Aber ihre Sehnsucht nach einem Menschen, der sie versteht, bleibt bestehen ...


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Seitenzahl: 137

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Inhalt

Cover

Sehnsucht nach zärtlichen Händen

Vorschau

Impressum

Sehnsucht nach zärtlichen Händen

Sie suchte nicht nach Reichtum – nur nach Liebe

Von Viola Larsen

Lina Wolffhardt, süße zwanzig, blond, blauäugig und bildhübsch, versteht sich nicht mit ihrem Stiefvater. Immer wieder kommt es zu Streitereien. Der einzige Lichtblick in Linas Leben ist Bo Colloway, ein australischer Geschäftsmann, der während seiner Deutschlandaufenthalte seine Hotels immer in dem Reisebüro bucht, in dem Lina arbeitet.

In diesen Mann hat Lina sich unsterblich verliebt, doch mehr als ein kleiner Flirt hat sich (noch) nicht zwischen ihnen entwickelt. Dennoch beschließt die junge Frau eines Tages, alles hinter sich zu lassen und zu Bo nach Australien zu fliegen.

Hals über Kopf bricht Lina auf in ein unbekanntes Land am anderen Ende der Welt und in eine ungewisse Zukunft, denn von ihrem Traummann weiß sie so gut wie nichts ...

Es war einer dieser Tage, an denen man schon beim Aufwachen spürte, dass irgendetwas in der Luft lag.

Lina Wolffhardt tippte auf nichts Gutes, als an diesem Montag pünktlich um sechs der Wecker rasselte. Schnell drehte sie sich noch einmal auf die Seite.

Montag war immer ein schrecklicher Tag für sie. Das hing mit dem Wochenende zusammen, an dem es in dem hübschen Reihenhaus meist zu Streitereien kam. Und darum war mit Linas montags, das wussten ihre Kollegen im »Reisebüro Strittmatter«, nicht gut Kirschen essen.

Dabei war sie im Grunde ja heilfroh, wieder zur Arbeit gehen zu können und von zu Hause wegzukommen.

Früher war das anders gewesen, als ihre Mutter noch mit Linas Vater verheiratet gewesen war. In ihrer Erinnerung kam ihr diese Zeit wunderschön vor. Auch damals hatte es natürlich gelegentlich Reibereien und Streitigkeiten gegeben, und zum Schluss war es ganz schlimm gewesen, allerdings nur zwischen Linas Eltern.

Lina hatte sich mit ihrem Vater prächtig verstanden. Sie hatte ihn sehr geliebt, und sie begriff es auch nach drei Jahren immer noch nicht, dass er fortgegangen war und eine andere Frau geheiratet hatte. Sie suchte immer die Schuld bei ihrer Mutter, obwohl das nicht gerecht war. Beide trugen Schuld an der Zerrüttung ihrer Ehe, und irgendwann hatten sie die Konsequenzen gezogen.

Eine Tür ging, und rasche Schritte kamen über den Korridor des Obergeschosses, in dem die Schlafräume lagen.

»Lina!«, rief Evelyne Meyers, so hieß Linas Mutter nach ihrer zweiten Heirat. »Bist du wieder eingeschlafen?«

»Ich komme gleich, Ma.«

»Beeil dich bitte, Gerd möchte auch ins Badezimmer.«

Gerd! Wenn Lina das schon hörte, war ihr gleich der ganze Tag verdorben. Aber sie beeilte sich, denn dann hatte sie vielleicht die Chance, die Begegnung mit ihrem Stiefvater am Frühstückstisch zu vermeiden.

Doch sie hatte Pech.

Als Lina über den Korridor ins Badezimmer wollte, kam er aus dem Schlafzimmer. Er sah sehr attraktiv aus in seinem eleganten Morgenmantel.

»Morgen, Lina, trödle bitte nicht wieder herum, ich bin heute Morgen ziemlich in Eile.«

Das war er immer, und vor allem montags. Gerd Meyers war für eine Versicherungsagentur tätig, und montags hatte er immer sehr viel zu tun. Er war erfolgreich in seinem Job, so war das nicht. Es ging Evelyne gut an seiner Seite, besser, als es ihr bei ihrem ersten Mann gegangen war. Das sah Lina zwar ein, aber trotzdem wehrte sie sich gegen diese Erkenntnis.

»Morgen«, grüßte sie kurz und verschwand im Badezimmer.

Gerd ging die Treppe hinunter. Er half Evelyne bei jeder Gelegenheit, sogar wenn sie das Frühstück richtete. Für Linas Begriffe war er ein direkt widerlich guter Ehemann. Sie hörte die beiden in der Küche miteinander lachen.

Evelyne war froh, dass sie einen guten Lebensgefährten gefunden hatte. Sie war eine hübsche brünette Frau, und sie hing mit großer Liebe an ihrem einzigen Kind. Sie hoffte immer noch, dass Lina sich an ihren Stiefvater gewöhnen würde.

Gerd hoffte das auch, aber er war nicht davon überzeugt. Ihr zweiter Mann passte auch rein äußerlich sehr gut zu Evelyne, er war einen Kopf größer als sie, schlank und dunkelhaarig.

Evelyne stellte die Kaffeemaschine an.

»Dieser Sonntag war wieder schrecklich, oder?«, sagte sie.

»Lina ist in einem schwierigen Alter«, gab Gerd zurück und stellte die Tassen auf den Tisch.

»Sie ist zwanzig!« Evelyne seufzte. In ihrem pastellfarbenen Hausanzug sah sie ganz entzückend aus. »Sie muss doch endlich mal erwachsen werden! Und vernünftig vor allem! Ihr lächerliches Fernweh geht mir allmählich auf die Nerven.«

»Ich hätte ja den Mund halten können«, meinte Gerd versöhnlich. »Aber ich bin nun mal nicht für Australien, und ich kann dieses Fernweh der jungen Leute nicht nachvollziehen.« Wegen Linas Fernweh war es an diesem Wochenende zwischen Lina und ihrem Stiefvater erst zu einer heftigen Diskussion und schließlich zu einem regelrechten Streit gekommen.

»War sie eigentlich schon immer so verrückt nach Australien?«

»Ach, daran ist nur dieser Bo Colloway schuld«, erwiderte Evelyne. »Seit Lina diesen Australier kennt, ist sie wie verhext.«

»So übel finde ich den Kerl gar nicht«, meinte Gerd. »Er sieht gut aus, und ein erfolgreicher Geschäftsmann ist er garantiert auch.«

»Er ist ein undurchsichtiger Typ«, widersprach Evelyne heftig. »Ich wäre froh, wenn er endlich in Australien bliebe, statt immer wieder hier aufzukreuzen. Er setzt Lina nur Flausen in den Kopf!«

»Vielleicht täuschst du dich. Vielleicht meint er es auch ernst und will Lina heiraten.«

»Heiraten? Du meine Güte! Bo Colloway ist kein Mann zum Heiraten.«

»Ich könnte mir vorstellen, dass die beiden ganz gut zusammenpassen.«

Evelyne stellte den Honig und die Marmelade auf den Tisch.

»Sag mal, willst du sie vielleicht aus dem Haus haben?«, fragte sie dann.

»Nein. Will ich nicht. Das müsstest du eigentlich wissen.«

»Entschuldige.« Evelyne machte sich am Kühlschrank zu schaffen. »Eigentlich wäre es begreiflich«, murmelte sie. »Lina benimmt sich dir gegenüber abscheulich. Leider bin ich machtlos dagegen, das weißt du ja. Wenn ich ihr ins Gewissen rede, wird sie erst recht bockig.«

»Sie ist eifersüchtig auf mich, und da ist das eine ganz normale Reaktion.«

»Möglich, aber ist es unbedingt nötig, dass sie uns jedes Wochenende verdirbt? Die ganze Woche bist du unterwegs, und wenn du endlich nach Hause kommst, sorgt Lina dafür, dass es nur ja nicht gemütlich wird!«

Oben ging die Badezimmertür.

»Dann gehe ich mal besser«, schlug Gerd vor. »Wenn Lina weg ist, können wir ja noch gemütlich zusammen frühstücken.« Er ging hinaus, holte die Zeitung aus dem Briefkasten und setzte sich damit auf die Veranda. Es war ein warmer, sonniger Junimorgen.

Gerd überflog den politischen Leitartikel und wartete, bis Lina in der Küche war. Einerseits konnte er Linas Eifersucht verstehen, aber andererseits fand er ihr Verhalten vor allem ihrer Mutter gegenüber nicht fair.

Um Lina nicht zu begegnen, ging er über die Kellertreppe wieder ins Haus und ins Badezimmer hinauf.

»Magst du Cornflakes?«, fragte Evelyne in der Küche.

»Lieber nicht.«

»Keinen Hunger?«

»Bin noch satt von gestern«, erwiderte Lina und spielte damit auf den Streit mit Gerd an.

Evelyne schenkte den Kaffee ein.

»Milch und Zucker?«

»Schwarz und bitter.«

»Du bist ein Dickkopf!«, sagte Evelyne. Sie sagte das nicht böse, nur enttäuscht.

Im Grunde war sie sehr stolz auf ihre Tochter. Lina war ein apartes Mädchen, schlank und hochgewachsen mit leicht gewelltem, langem blondem Haar. Sie hatte wunderschöne blaue Augen und sah ihrem Vater sehr ähnlich.

»Was soll ich dir für ein Brot machen?«, fragte Evelyne. »Käse oder Wurst?«

»Ist mir egal.«

Evelyne zwang sich zur Ruhe. Sie wollte nicht, dass man morgens im Bösen auseinanderging. Ein Tag war so lang, was konnte nicht alles passieren, bis man sich abends wiedersah?

Seit ihrer zweiten Heirat arbeitete Evelyne wieder in ihrem früheren Beruf als Krankenschwester. Sie hatte die Pflege der Henselmanns übernommen, eines älteren, gut situierten Ehepaars, das kränklich war und in kein Altersheim wollte. Gerd war die ganze Woche unterwegs, Lina hatte ihren Job, und allein die Hausarbeit hätte Evelyne nicht ausgefüllt.

Am Wochenende übernahm die Tochter der beiden alten Leute die Pflege der Eltern. Ob Lina auch ihre Wochenenden für sie opfern würde, fragte sich Evelyne manchmal.

»Es kann heute übrigens später werden«, sagte Lina. »Das Team will vielleicht noch ins Kino.«

Das Team, das waren Linas Kolleginnen und Kollegen in dem Reisebüro, alles nette junge Leute.

»Gut. Aber wenn es sehr spät wird, rufst du bitte an, ja?«, bat die Mutter.

»Klar, wie immer, Ma.«

Sobald Lina mit ihrer Mutter allein war, funktionierte es prima mit ihnen. Nur Gerd durfte nicht auftauchen.

»Wo hast du die hellgraue Krawatte, Evelyne?«, rief er gerade von oben.

»Himmel, die ist noch in der Reinigung!«, gestand Evelyne und warf Lina einen vorwurfsvollen Blick zu, weil diese die Krawatte von der Reinigung hätte abholen sollen.

»Macht nichts«, rief Gerd. »Ich habe ja noch ein paar andere.«

»Hast du die Krawatten absichtlich vergessen?«, fragte Evelyne wütend.

»Absichtlich nicht.« Lina zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Vielleicht habe ich es verdrängt?«

»Jetzt reicht's mir aber!« Evelyne konnte sich nicht mehr länger beherrschen. »Lina, du bist zwanzig Jahre alt, aber du benimmst dich wie ein böses kleines Mädchen.«

»Nur weil ich deinen Gerd nicht kindlich liebe?«

»Das verlangt kein Mensch von dir, und das weißt du auch ganz genau!« Evelyne regte sich furchtbar auf. »Nie hat jemand von dir verlangt, dass du ihn Vater nennen sollst. Obwohl er sich wahrhaftig mehr um dich kümmert und für dich sorgt, als dein leiblicher Vater es jemals getan hat!«

»Bitte, lass Dad aus dem Spiel!«, fuhr Lina auf. »Du hast dich von ihm scheiden lassen. Nicht ich.«

»Moment mal«, korrigierte Evelyne sie. »Er hat sich scheiden lassen, weil er eine jüngere Frau gefunden hatte, die ihm besser gefiel als ich.«

»Das ist noch lange kein Grund dafür, dass ich deinen Gerd mögen muss!«

»Sag nicht immer dein Gerd!«, rief Evelyne empört. »Das klingt so herablassend und geringschätzig. Und nun mach bitte ein anderes Gesicht. Ich mag es nicht, wenn man am Morgen böse auseinandergeht. Der Tag ist so lang! Bis zum Abend kann eine Menge passieren!«

»Okay«, sagte Lina und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Besser so?«

Evelyne gab es auf.

»Dann gehe ich jetzt nach oben. Deine Brote liegen auf dem Tisch. Ich muss mich beeilen. Mach's gut, Kleines. Tschüs, bis heute Abend.«

Sie ging rasch die Treppe hinauf.

»Tschüs«, sagte die Tochter lahm hinter ihr her.

Sie trank ihren Kaffee aus und stand auf. Eigentlich hätte sie noch etwas Zeit gehabt, aber sie wollte nur so schnell wie möglich fort. Das war montags immer so, wenn Gerd da war. Während der Woche, wenn Gerd auf Tour war, hatte Lina es nicht so eilig.

Nachdem sie die Brote in ihre Umhängetasche gepackt hatte, machte sie, dass sie wegkam.

♥♥♥

Lina schlenderte den Gartenweg hinunter zur Straße. Ihr Kleinwagen stand dort unter einer Laterne. Evelyne und Gerd hatten ihr den Wagen zu ihrem achtzehnten Geburtstag geschenkt, nachdem sie ihren Führerschein gemacht hatte. Sosehr sie sich auch über das Auto gefreut hatte, so hielt sich ihre Dankbarkeit Gerd gegenüber in Grenzen, auch wenn er den Löwenanteil davon bezahlt hatte.

Die Reihenhaus-Siedlung, in der Lina aufgewachsen war, lag etwas außerhalb im Grünen. Hier gab es noch Bäume und Wiesen und Kinderspielplätze, saubere Luft und Gänseblümchen. Deshalb hatte Linas Vater damals auch darauf bestanden, mit dem Kind in diese Gegend zu ziehen.

Auf einmal hatte Lina furchtbare Sehnsucht nach ihrem Vater. Das passierte ihr manchmal. Tagelang dachte sie gar nicht an ihn, und dann plötzlich überfiel sie diese schreckliche Sehnsucht. Die Verbindung zu ihm war nach seiner zweiten Heirat fast abgerissen. Das lag vor allem an Lina, denn sie konnte seine zweite Frau nicht ausstehen.

Sie stieg in den Wagen, startete den Motor und fuhr Richtung Innenstadt, wo das Reisebüro lag, in dem Lina arbeitete. Das renommierte Unternehmen hatte auf zwei Etagen eines modernen Glaspalastes seine Büros. Lina hatte Glück gehabt, dass sie diese Stelle bekommen hatte. Dass sie das Gerd verdankte, der mit dem Besitzer des Unternehmens befreundet war, gefiel ihr natürlich gar nicht. Trotzdem machte ihr die Arbeit in dem Reisebüro Spaß, denn das Fernweh begleitete sie schon von Kindheit an.

Wenn sie einen Zug hörte oder ein Flugzeug in der Luft, dann hätte sie manchmal alles hinwerfen und einfach fortlaufen mögen – irgendwohin, dorthin, wo die Ferne war. Seit es Gerd im Leben ihrer Mutter gab, wurde das Fernweh in Linas Herzen manchmal schier unerträglich.

Dieser Montag hatte nicht sehr erfreulich begonnen, aber bei Montagen war das leider häufig der Fall. Lina hoffte, dass vielleicht heute wenigstens Post von Bo kam. Sie hatte schon seit zwei Monaten nichts mehr von ihm gehört. Das war nicht ungewöhnlich. Bo Colloway tauchte auf und verschwand dann einfach wieder.

Ihre Kollegen nannten ihn nur den Australier. Lina hatte ihn durch ihren Job kennengelernt. Er buchte seine Flüge in ihrem Reisebüro und ebenfalls seine Geschäftsreisen durch Deutschland. Lina hatte sich leidenschaftlich in ihn verliebt.

Bo war ein hinreißender Typ. Er war großzügig, immer vergnügt, und er konnte sehr liebevoll und zärtlich sein. Es ärgerte Lina, dass ihre Kollegen sie trotzdem immer wieder warnten, sie solle dem Australier nicht blindlings vertrauen. Das war doch nur blanker Neid, dachte Lina, denn Bo war vom ersten Augenblick an regelrecht auf sie geflogen. Und die kurze Zeit, die ihnen jedes Mal nur füreinander blieb, war atemberaubend und fantastisch für sie beide. Lina zehrte von den Erinnerungen, bis er wiederkam.

Ab und zu schrieb Bo, aber seine Briefe waren meist kurz, oberflächlich und enttäuschend. Lina hatte immer das Gefühl, dass es ein anderer Bo war, der diese Briefe schrieb, nicht ihr Bo, so wie sie ihn kannte und liebte und der sie nach Australien kommen lassen wollte, sobald es so weit war.

Was er unter diesem »sobald es so weit war« genau verstand, fand Lina nie heraus. Er machte nur vage Andeutungen. Sie vermutete, dass es mit seinen Eltern Schwierigkeiten gab, denn diese reiche, australische Familie hatte bestimmt andere Heiratspläne mit dem einzigen Sohn und Erben.

Australien – das war für Lina wie ein Zauberwort! Wenn sie daran dachte, entschwebte sie der Wirklichkeit.

Als Lina ihren Wagen in der Nähe des Reisebüros parkte, ahnte nie nicht, dass sie sich noch an diesem Tage freiwillig von ihrem geliebten Auto trennen würde.

Das Reisebüro war noch nicht für den Publikumsverkehr geöffnet, als Lina eintrudelte. Das Team war auch noch nicht vollzählig versammelt. Nur Gitte und Bert waren schon da, zwei sagenhaft pünktliche Leute. Sie wurden die siamesischen Zwillinge genannt, weil man sie immer nur zusammen sah.

Gitte und Bert waren ein glückliches Liebespaar, und sie planten schon seit einiger Zeit ihre Hochzeit. Gitte sortierte gerade neue Prospekte ein, als Lina kam. Bert saß vor dem Computer.

»Morgen«, grüßte Lina kurz und etwas mürrisch. Montags war man das von ihr gewohnt.

»Wetten, gleich machst du ein strahlendes Gesicht?«, meinte Gitte geheimnisvoll. »Es ist ein Brief für dich gekommen.«

»Von Bo?«, fragte Lina atemlos.

»Schätze, ja. Ein Absender steht nicht darauf, aber er kommt aus Australien.«

Der Verkaufsraum des Reisebüros war sehr elegant eingerichtet, weicher Teppichboden, zwanglose Sesselgruppen, Palmen und Pflanzenarrangements.

Lina zog sich mit dem Brief aus Australien in die kleine Kaffeeküche zurück. Sie riss das Kuvert auf und war schon enttäuscht. Nur eine Briefkarte!

Hallo, Lina!

Ich hoffe, es geht Dir gut. Ich hatte eigentlich vor, an diesem Wochenende bei Dir zu sein. Leider ist etwas dazwischengekommen. Ich bin in Sydney unabkömmlich und weiß nicht, wie lange noch. Deshalb wenigstens auf diesem Weg ein Lebenszeichen von mir. Es gibt mich noch, falls Dich das tröstet. Hier regnet es. Scheint bei euch die Sonne?

Bis zum Wiedersehen, Bo.

Lina war nahe daran, vor Enttäuschung loszuheulen. So war das jedes Mal, wenn Bo schrieb. Sie fand, er hätte ihr etwas von seinem Leben in Australien schreiben können. Er wusste doch, dass sie sich für alles interessierte, was ihn betraf. Aber was er zu Papier brachte, das war immer entsetzlich belanglos.

Diesmal hatte er noch nicht einmal einen bestimmten Termin für ihr Wiedersehen angegeben. Lina wusste überhaupt nicht mehr, woran sie war.

Sie steckte den Brief ein und ging in den Verkaufsraum zurück.

»Nun, was schreibt der Australier?«, fragte Gitte mit freundlicher Neugier.

»Keine Grüße!«, antwortete Lina kurz.

Montags war sie manchmal wirklich recht widerborstig. Gitte steckte die Abfuhr weg. Sie konnte Lina gut leiden. Bert behauptete immer, Lina habe einen Knacks seit der Scheidung ihrer Eltern. Da mochte etwas Wahres daran sein, denn im Grunde war sie ein sehr netter Kerl, hilfsbereit und kameradschaftlich.

»Du kannst den Globus polieren«, meinte Gitte. »Das machst du doch so gern.«

Der Globus, das dekorative Prunkstück des Reisebüros, ein riesiges Ding mit dezenter Innenbeleuchtung, wurde jeden Montag poliert.

Lina fummelte lustlos daran herum.