Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 728 - Viola Larsen - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 728 E-Book

Viola Larsen

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Beschreibung

Seit Kurzem arbeitet der Journalist Robert West bei einem Provinzblättchen als Lokalreporter. Doch in dem idyllischen kleinen Ort geschieht so gut wie nichts. Sein Chef hofft auf Sensationen, denn für die Zukunft seiner Zeitung sieht es nicht rosig aus.

Und dann ereignet sich in dem verschlafenen Städtchen tatsächlich eine ungeheuere Sensation. Die Leiche eines jungen Mannes, bei dem es sich um den Sohn des reichen Konsuls handelt, wird am Wildsee gefunden. Nun muss die Polizei ermitteln, und Robert hat für das Käseblatt mehr als genug zu berichten. Und zudem hat er auch noch sein Herz verloren, und zwar an die Schwester des Toten, doch die ist plötzlich spurlos verschwunden ...

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Inhalt

Cover

Zwischen Mitternacht und Morgen

Vorschau

Impressum

Zwischen Mitternacht und Morgen

Meisterlich erzählter Roman um die Allmacht der Liebe

Seit Kurzem arbeitet der Journalist Robert West bei einem Provinzblättchen als Lokalreporter. Doch in dem idyllischen kleinen Ort geschieht so gut wie nichts. Sein Chef hofft auf Sensationen, denn für die Zukunft seiner Zeitung sieht es nicht rosig aus.

Und dann ereignet sich in dem verschlafenen Städtchen tatsächlich eine ungeheuere Sensation. Die Leiche eines jungen Mannes, bei dem es sich um den Sohn des reichen Konsuls handelt, wird am Wildsee gefunden. Nun muss die Polizei ermitteln, und Robert hat für das Käseblatt mehr als genug zu berichten. Und zudem hat er auch noch sein Herz verloren, und zwar an die Schwester des Toten, doch die ist plötzlich spurlos verschwunden ...

»Wir brauchen Sensationen«, sagte Noah Lohmann, während er umständlich seine Pfeife mit Virginiatabak stopfte. »Und was haben wir zu verbraten?«, fragte er bitter und deutete verächtlich auf den Stapel Notizen, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. »Wettermeldungen, Familienregister, bestenfalls einen Fahrraddiebstahl und schlimmstenfalls nicht einmal den. Wen wundert's, dass der Pleitegeier mit den Flügeln rauscht?«

»Kann er das?«, fragte Robert. »Ich meine, kann er mit den Flügeln rauschen?«

»Der kann noch ganz was anderes, junger Mann«, antwortete Vater Noah düster. »Er kann beispielsweise Sie und mich von diesem Redaktionstisch wegfegen, er kann die Rotationsmaschinen zum Stillstand bringen und rund hundert Menschen brotlos machen, ganz abgesehen von unseren Autoren, das sind nämlich auch Menschen.«

»Sehr verbunden«, murmelte Robert. Als Journalist zählte er letztlich auch zu der Gattung Autoren. Er zündete sich eine Zigarette an und steuerte das Gespräch vorsichtig dahin, wo er es gern haben wollte. »Aber es brauchen doch nicht hundert Menschen brotlos zu werden, wenn der Pleitegeier weiterhin mit den Flügeln rauschen oder noch Schlimmeres tun sollte.«

»Ach, und was für eine Patentlösung haben Sie parat?«

Unter dem durchdringenden, etwas spöttischen Blick der hellen Veilchenaugen Vater Noahs wurde Robert etwas unsicher.

Er mochte den Alten, den alle nur »Vater Noah« nannten, gern. Er empfand mehr Sympathie für ihn, als für den »geheimen Auftrag«, der ihn letztlich in die Redaktion geführt hatte, gut war.

Robert war Journalist, das stimmte schon, und er hatte sich als Journalist auch schon einen guten Namen gemacht. Robert West, das war so etwas wie ein Gütezeichen.

Vater Noah war ohnehin etwas misstrauisch geworden, als dieser Robert West sich ausgerechnet bei ihm beworben hatte.

»Was wollen Sie in meiner kleinen Klitsche?«, hatte er gefragt, als Robert sich vorgestellt hatte. »Ihnen stehen doch ganz andere Türen offen.«

»Ich möchte aber gern durch diese Tür gehen«, hatte Robert geantwortet.

Das war nun ungefähr drei Monate her. Ursprünglich hatte Robert nicht vorgehabt, seine Zeit so lange bei diesem Provinzblatt zu vergeuden. Aber dann hatte er sein Herz für Vater Noah entdeckt. Das hatte alles komplizierter gemacht.

»Ihre Patentlösung, junger Mann«, forderte Vater Noah ihn ungeduldig auf.

Robert räusperte sich.

»Ich denke beispielsweise an eine Fusion. Ich meine eine Fusion mit irgendeinem großen Konzern.«

Vater Noah lachte dröhnend.

»Wenn Ihnen nichts Besseres einfällt, junger Freund, dann lassen Sie sich Ihr Schulgeld auszahlen.«

Der Herausgeber der Zeitung beugte sich ein wenig vor und fasste Robert fest ins Auge. Er war immer noch eine imponierende Erscheinung, dieser Noah Lohmann, obwohl er schon nahe der siebzig war. Er hatte dichtes schlohweißes Haar, das ihm unordentlich in die kantige Stirn seines kantigen Gesichts mit den eigenwilligen Zügen fiel. Sein Kinn verriet, dass er nicht viel Federlesens machte, wenn ihm etwas nicht passte, und dieser Vorschlag Roberts passte ihm entschieden nicht.

»Ich will Ihnen einmal etwas sagen, junger Mann, diese Zeitung gehört mir, verstehen Sie? Ich habe sie von meinem Vater übernommen, er hatte sie von seinem Vater geerbt, und so weiter. Wir haben aus dieser Zeitung etwas gemacht. Weit über die Grenzen unserer kleinen Provinz hinaus. Sie wird überall gelesen. In Hamburg, in Düsseldorf, in München, auch heute noch!«

Noah Lohmann zog an seiner Pfeife und lehnte sich dann seufzend in seinem Sessel zurück.

»Aber die Auflagenziffern sinken«, gab er zu. »Die Großen fressen die Kleinen auf. So ist es nun einmal.«

»Eine Fusion ist doch nichts Ehrenrühriges«, wagte Robert einen erneuten, schüchternen Versuch.

»Was schert mich die Ehre«, erwiderte Vater Noah müde. »Wenn meine Zeitung einmal nicht mehr mir gehört, dann kann sie der Teufel holen. Fusionieren werde ich nie.«

»Die hundert Menschen, die dann brotlos werden, ganz abgesehen von den Autoren, die ja auch Menschen sind, was ist mit denen?«

»Sollen sie sich beim lieben Gott beschweren. Nicht bei Vater Noah. Und jetzt zurück an die Arbeit, junger Mann. Was habe ich gesagt?«

»Wir brauchen Sensationen!«, wiederholte Robert. »Nur leider kann auch ein Journalist keine Sensationen aus dem Boden stampfen, Chef.«

»Dann müssen wir versuchen, wenigstens den Lokalteil interessant zu gestalten. Wir müssen möglichst viel über möglichst viele Leute schreiben, die kaufen die Zeitung dann sicher. Deshalb habe ich beschlossen, dass Sie, West, ab heute die Gesellschaftsspalte übernehmen.«

Robert schnitt eine Grimasse. Nichts war ihm verhasster als die Gesellschaftsspalte.

»Und was darf es heute sein?«, fragte er resigniert.

»Eine Verlobung«, verkündete Vater Noah.

»Muss das sein? Ich meine, kann das nicht ein anderer machen?«

»Nein, Sie machen das, West«, bestimmte Vater Noah. »Werfen Sie sich in Ihren Smoking, und dann auf zum Highlife.«

»Und wo findet das Highlife statt?«

»Bei Konsul Overcamp.«

»Da gibt es bestimmt ein anständiges kaltes Büfett«, vermutete Robert. »Und wer verlobt sich? Der Konsul?«

»Der Konsul ist seit zehn Jahren Witwer und beabsichtigt wohl auch, es zu bleiben«, erklärte Vater Noah ihm.

»Also vermutlich die Tochter. Ist sie hübsch?«

»Exquisit!« Vater Noahs Veilchenaugen strahlten auf. »Sie ist ein bezauberndes Geschöpf, diese Lorna. Ein entzückendes Mädchen! Ich begreife nicht, dass sie sich ausgerechnet diesen widerlichen Henning auserkoren hat.« Er schüttelte den Kopf. »Dabei ist sie sonst so ein patentes Mädchen. Kennen Sie Henning?«

»Nie gehört.«

»Da haben Sie auch nichts versäumt. Repräsentant eines Weltkonzerns. Wenn ich so etwas schon höre: Repräsentant! Als ob es ein Beruf sei, zu repräsentieren. Aber Geld hat er wie Heu, dieser Henning, und er sieht gut aus, das muss man ihm lassen. Ich hätte nie gedacht, dass Lorna auf so etwas hereinfällt. Der Konsul scheint damit einverstanden zu sein. Andererseits ist er so vernarrt in seine Tochter, dass er ihr, glaube ich, keinen Wunsch abschlagen kann. Notieren Sie doch endlich.«

»Ich bin ja dabei, Chef. Weitere Familienmitglieder?«

»Boy. Der Bruder der Braut. Des Konsuls einziger Sohn. Ein typischer Playboy. Nicht nach meinem Geschmack. Die Gästeliste habe ich hier, die können Sie mitnehmen und einsehen. Was Rang und Namen hat, wird anwesend sein. Vergessen Sie nicht, die Garderobe der Damen zu schildern, erwähnen Sie ausführlich den Schmuck, spießen Sie jedes Bonmot auf, das fällt.«

»Wie soll ich das nur lebend überstehen?«, stieß Robert stöhnend hervor.

Vater Noah zwinkerte ihm väterlich zu.

»Tut mir leid, mein Junge, ich wollte auch, ich hätte andere Aufgaben für Sie. Ich begreife überhaupt nicht, wieso Sie noch bei mir herumsitzen. Sie haben doch andere Chancen.«

»Das haben Sie mir schon ein paarmal gesagt.« Robert stand auf, nahm die Gästeliste, warf einen Blick darauf und meinte: »Wenigstens lernt man auf diese Weise eine Menge Leute kennen.«

»Ich begreife das einfach nicht«, beharrte Vater Noah eigensinnig. »Ein Kerl wie Sie und hockt auf einer Lokalredaktion herum. Das wäre mir in Ihrem Alter nicht passiert. Ich hätte mir den Wind um die Nase wehen lassen.«

»Vielleicht ist meiner Nase gerade nicht nach Wind zumute«, meinte Robert.

»Was Sie hier tun, das kann jeder mittelmäßige Reporter erledigen«, fuhr Noah Lohmann fort. »Sie haben doch verdammt noch mal das Zeug dazu, etwas anderes zu leisten.«

»Wollen Sie mich los sein?«, fragte Robert.

»Mir würde das Herz brechen, wenn Sie mich verlassen sollten«, erwiderte sein Chef scherzhaft, doch eigentlich war es ihm ernst damit.

Es erging ihm nämlich nicht anders als dem jungen Robert West. Er hatte den Burschen in sein Herz geschlossen, und so leicht passierte das bei Vater Noah nicht. Der sah sich seine Leute sehr genau an, bevor er sich die Anstrengung machte, für jemanden Sympathie zu empfinden.

»Für gebrochene Herzen ist die Frauenredaktion zuständig«, erklärte Robert. »Na, denn. Wann geht der Rummel los?«

»Um acht Uhr. Nicht in der Stadtwohnung des Konsuls, Gott behüte. In seinem Landschloss natürlich.«

»Das muss einem schließlich gesagt werden«, meinte Robert. »Werden Sie auch da sein?«

»Junger Mann!«, polterte Vater Noah.

»Tut mir leid.« Robert grinste. »Ich habe ganz vergessen, dass Sie auch zur High Society gehören, Chef.«

Er zog gerade noch rechtzeitig die Tür hinter sich zu, bevor ihn der Radiergummi treffen konnte, den der Chef nach ihm warf.

Der Korridor war eng und dunkel. Es roch nach Tinte. Vielleicht bildete Robert sich das auch nur ein.

Jedenfalls war das Verlagsgebäude des »Feierabend« haarsträubend altmodisch, und Robert dachte, dass der Tintengeruch hier wohl schon seit ein paar Jahrhunderten in der Luft hing. Nach Druckerschwärze roch es auch.

♥♥♥

Der junge Journalist ging in sein Arbeitszimmer und warf einen misstrauischen Blick auf Nelle, die an der Schreibmaschine saß und emsig in die Tasten hämmerte. Sie hatte schon wieder verweinte Augen.

Ein liebes Ding, diese Nelle, fleißig und tüchtig und absolut zuverlässig. Eine bessere Sekretärin konnte man sich nicht wünschen. Außerdem war sie sehr hübsch, eine zierliche goldhäutige Brünette, ein Typ, der sicher viele Männer anzog.

Robert fand Nelle reizend, sie war ihm wirklich sympathisch. Deshalb tat sie ihm ja auch so leid, weil sie ständig mit diesen verweinten Augen herumlief. Er beschloss, die verweinten Augen zu ignorieren. Manchmal war er ein taktvoller Mensch.

Als er sich an seinen Schreibtisch setzte und die Korrekturfahnen durchsah, zog sie schon wieder ihr Taschentuch hervor und putzte sich die Nase.

»Könnten Sie zur Abwechslung nicht mal aufhören zu weinen, Nelle?«, fragte Robert freundlich.

Sie schüttelte stumm den Kopf.

»Und warum Sie weinen, das wollen Sie mir nicht verraten?«

»Tut mir leid, Herr West, ich möchte nicht darüber sprechen.«

»In Ordnung, Mädchen. Ich dachte nur, manchmal wird es einem ein bisschen leichter, wenn man sein Herz ausschüttet. Dann weinen Sie nur weiter. Mich stört's nicht.«

Er drehte seinen Drehstuhl herum und sah zum Fenster hinaus, damit Nelle sich ungestört die Nase pudern konnte. Sie tat ihm wirklich leid, die Kleine. Wahrscheinlich Liebeskummer, vermutete er.

Vom Fenster aus hatte man einen hübschen Blick auf den Rathausplatz der kleinen Stadt. Ein idyllischer Platz, ein romantisches Städtchen.

Breit und behäbig behauptete das Verlagsgebäude seinen Platz genau gegenüber dem efeuumrankten Brunnen, über den ein steinerner Nepomuk schützend seine Hände breitete. Auf der anderen Straßenseite flankierte eine Reihe hübscher kleiner Geschäfte das ebenso efeuumrankte Rathaus, einen imposanten Bau rein klassizistischen Stils. Die Kirche, die sozusagen zu Häupten des Platzes lag, war stilreines Barock.

Es war wirklich ein zauberhaftes Städtchen.

»Nelle«, sagte Robert und drehte seinen Drehstuhl wieder herum, »ich muss heute Abend zu dieser Verlobung bei Konsul Overcamp. Können Sie mir etwas über die Overcamps sagen? Ein paar interessante Details für meinen Bericht?«

Zu seiner Bestürzung fing Nelle, die sich doch gerade erfolgreich die Nase gepudert hatte, bei seinen harmlosen Worten erneut zu weinen an. Wenigstens hatte sie die Sprache wiedergefunden.

»Herr West, wollen Sie mir einen Gefallen tun?«, bat sie nämlich.

»Jeden. Wenn Sie endlich mit dieser Heulerei aufhören.«

Nelle wischte sich tapfer die Tränen weg.

»Es ist aber ein sehr delikater Auftrag.«

»Delikate Aufträge sind meine Spezialität. Soll ich irgendjemandem irgendetwas ausrichten?«

»Ja bitte. Sagen Sie ihm, dass ich dringend auf seinen Anruf warte.«

»Ich werde es bestellen. Und wer ist der Glückliche?«

»Boy«, sagte Nelle, und sie weinte schon wieder. »Boy Overcamp.«

Robert pfiff leise durch die Zähne.

»Wird erledigt, Mädchen«, versprach er, und allmählich fing er an, auf diese Verlobungsparty neugierig zu werden.

♥♥♥

»Warum eigentlich ausgerechnet Manfred Henning?«, fragte Konsul Ingolf Overcamp zärtlich und etwas vorwurfsvoll. »Ich meine, wenn du dich schon unbedingt verloben musst, warum dann ausgerechnet mit Manfred Henning?«

»Was ist das für eine Frage, Papa?«, entrüstete sich Lorna. »Ich liebe Manfred.«

»Ach so, Liebe nennst du das«, murmelte Konsul Overcamp.

»Wie sollte ich es denn sonst nennen?«, fragte Lorna naiv.

Overcamp zog seine Tochter zärtlich an sich.

»Weißt du, mein Kleines, ich stelle mir unter Liebe ein bisschen etwas anderes vor. Ich würde das, was du für Henning meiner Ansicht nach empfindest, eventuell als Schwärmerei bezeichnen.«

»Wenn du dagegen bist, Papa, warum hast du es dann nicht gleich gesagt?«, fragte Lorna aggressiv.

»Weil ich dir die Freude an dieser Verlobungskomödie nicht verderben wollte.«

»Verlobungskomödie? Manchmal bist du unausstehlich, Papa. Für mich ist das keine Komödie. Für mich ist diese Verlobung eine sehr ernste Angelegenheit.«

»Natürlich, mein Kleines«, beschwichtigte der Konsul sie liebevoll. »Für eine Braut ist eine Verlobung immer eine ernsthafte Angelegenheit. Ich habe die Verlobung mit deiner Mutter und die Ehe mit ihr auch sehr ernst genommen. Siehst du, das, was deine Mutter und mich verband, über viele Jahre hinweg, das war echte Liebe. Aber ich bin mir nicht im Klaren darüber, ob das, was dich mit Manfred Henning verbindet, wirklich Liebe ist.«

»Wenn du noch eine Weile so weiterredest, Papa, dann hast du mir gründlich die Freude an meiner Verlobung verdorben.«

»Das ist keineswegs meine Absicht, Kind. Du sollst deine Verlobung haben. Ich weiß doch, wie sehr du darauf brennst, gleichfalls eine Braut zu sein, seitdem zwei deiner Freundinnen sich verlobt haben. Ich möchte dich nur bitten, dir über deine Gefühle wirklich klar zu werden, bevor du eine Ehe eingehst. So, und jetzt Schluss damit. Lass dich anschauen, du bist doch gekommen, um mir dein Kleid vorzuführen?«

»Hätte ich geahnt, was mich erwartet, wäre ich nicht gekommen«, schmollte Lorna. »Dabei ist das Kleid klasse, findest du nicht?«

Der Konsul lächelte. Er fand es auch. Er fand überhaupt, dass seine Tochter ein tolles Mädchen war. Lorna war wie auch er schlank und hochgewachsen, und sie hatte wundervolles, fast schwarzes Haar. Sie erinnerte ihn immer stark an seine Frau.

»Paris?«, fragte er.

»Rom«, verbesserte Lorna ihn. »Die französische Mode ist zu damenhaft für mich, finde ich. Es ist ein Modell aus Rom. Gefällt es dir wirklich, Papa?« Sie legte großen Wert darauf, ihrem Vater zu gefallen, denn der Konsul hatte einen unfehlbaren Geschmack.

»In Ordnung«, sagte er, und das war ein hohes Lob.

Das römische Modell verdiente dieses Lob. Es war aus schneeweißem Samt, knöchellang, zart, sehr mädchenhaft und romantisch. Lorna sah entzückend darin aus.

»Manfred Henning ist zu beneiden«, fügte der Konsul hinzu.

»Danke, Papa.«

Er zog seine Tochter an sich und küsste sie zärtlich auf beide Wangen.

»Mache es gut, mein Kleines, und wie gesagt, lass dir meine Worte von vorhin bei Gelegenheit einmal durch den Kopf gehen.« Er lächelte. »Was für Blumen hat Manfred dir geschickt?«

»Orchideen.«

»Natürlich. Orchideen! Ich habe deiner Mama damals Rosen geschenkt. Zartrote Rosen. Aber heute schenkt man wohl Orchideen. Da fährt ein Wagen vor. Das wird er sein, der glückliche Bräutigam!«

»Oder es ist Boy«, hoffte Lorna.

»Glaubst du wirklich, dass er kommen wird?«, fragte der Konsul zweifelnd.

»Natürlich wird Boy zu meiner Verlobung kommen, Papa!«, entrüstete Lorna sich.

»Hoffentlich wirst du nicht enttäuscht, Kleines. So sicher bin ich da nicht.«