Wiedersehen am Traualtar - Viola Larsen - E-Book

Wiedersehen am Traualtar E-Book

Viola Larsen

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. »Jedenfalls – wir müssen darüber reden!«, erklärte Fürst Guntram von Waldersbrunn entschlossen. »Mein liebes Kind! Wenn du eine Maus bist, wirst du gefressen, ja? Nämlich von einer Katze. Aber wenn du eine Katze bist, kannst du Mäuse fressen. Verstehst du, was ich meine?« »Nein, Fürstpapa.« »Schade. Dabei ist es ein so treffender Vergleich!« Fürst Guntram stand auf, legte die Hände auf den Rücken und marschierte mit kurzen, strammen Schritten zum Fenster. Prinzessin Arabella beobachtete ihren Vater misstrauisch. Wenn er mit seinen hinkenden Vergleichen anfing, die kein Mensch verstand und dann auch noch die Generalspose einnahm, war etwas oberfaul im Staate Waldersbrunn. Natürlich war Waldersbrunn kein selbstständiges Fürstentum mehr, aber es war noch immer ein sehr stattlicher Besitz, und im Grunde regierte Fürst Guntram die freien Bürger noch genauso souverän wie seine Vorfahren ihre Untertanen. In Stadt und Land des einstigen Fürstentums wurde von den Bürgermeistern und Räten keine wichtige Entscheidung getroffen, ohne dass Fürst Guntram diese nicht abgesegnet hatte. Vorschläge, die nicht die fürstliche Zustimmung fanden, hatten wenig Aussicht auf Erfolg, ob es sich nun um den Bau eines Schwimmbades, die Einrichtung eines Kindergartens, ein neues Chorgestühl oder die Erweiterung einer Sporthalle handelte. Das Arbeitszimmer des Fürsten war auch noch genauso prunkvoll wie ehedem in stilreinem Barock eingerichtet. Der großzügige Raum wurde von dem mächtigen Arbeitstisch des Fürsten beherrscht. Schwellende Polsterlandschaften, Kristallspiegel in schweren Goldrahmen, Kronleuchter, Ölgemälde, Vitrinen und orientalische Teppiche vervollständigten das pompöse Bild. Von den hohen Fenstern aus hatte man einen herrlichen Blick über den Schlosspark, die Rebhänge und Pferdekoppeln, bis hinüber zu dem Nachbarfürstentum Tennefelde, das jenseits des trennenden Flusses gelegen war.

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Leseprobe: Ein Lord für alle Fälle

Lord Cameron liebte die frühen ruhigen Morgenstunden. Schon als Kind war er ein Frühaufsteher gewesen. Damals war er auf seinem Pony durch das Gelände geritten. Sein Großvater Shane MacGregor hatte ihn immer begleitet. Da er wieder in Irland weilte, nahm Lord Cameron diese Gewohnheit wieder auf. Er hoffte, dass in einigen Jahren sein Enkel oder seine Enkelin ihn begleiten würden. Wenn der Lord daran dachte, atmete er immer tief durch. Der Gedanke gab ihm Hoffnung und Stärke, obwohl es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand. Er hatte sich dazu durchgerungen, sich einer Stammzellentherapie zu unterziehen. Seine Tochter Florence und ihr Halbbruder David hatten sich testen lassen, ob sie geeignete Spender wären. Vielleicht würde sich dabei herausstellen, dass David sein Sohn war und damit Florences Bruder. Aber die Verwandtschaftsverhältnisse waren nebensächlich. Für Cameron zählte nur, dass er eine Chance hätte, wieder gesund zu werden, und noch viele glückliche Jahre mit seiner unehelichen Tochter verbringen könnte. Seit sie bei ihm auf MacGregor Manor lebte, stellten sie jeden Tag mehr fest, wie ähnlich sie sich waren. Der frische feuchte Morgenwind wehte ihm ins Gesicht, als er den Weg am Waldrand entlangritt. Von weitem sah er einen Reiter. Er erkannte ihn sofort. Es war Quinn Walsh, sein alter Verwalter, der am Tag zuvor mit seiner Frau Kathy aus dem Ruhestand nach Culraid zurückgekommen war. Sie ritten aufeinander zu, hielten die Pferde an und stiegen ab. »Noch kühl«

Fürstenkrone – 157 –

Wiedersehen am Traualtar

Eine uralte Familienfehde und die seltsamen Folgen …

Viola Larsen

»Jedenfalls – wir müssen darüber reden!«, erklärte Fürst Guntram von Waldersbrunn entschlossen. »Mein liebes Kind! Wenn du eine Maus bist, wirst du gefressen, ja? Nämlich von einer Katze. Aber wenn du eine Katze bist, kannst du Mäuse fressen. Verstehst du, was ich meine?«

»Nein, Fürstpapa.«

»Schade. Dabei ist es ein so treffender Vergleich!«

Fürst Guntram stand auf, legte die Hände auf den Rücken und marschierte mit kurzen, strammen Schritten zum Fenster.

Prinzessin Arabella beobachtete ihren Vater misstrauisch. Wenn er mit seinen hinkenden Vergleichen anfing, die kein Mensch verstand und dann auch noch die Generalspose einnahm, war etwas oberfaul im Staate Waldersbrunn.

Natürlich war Waldersbrunn kein selbstständiges Fürstentum mehr, aber es war noch immer ein sehr stattlicher Besitz, und im Grunde regierte Fürst Guntram die freien Bürger noch genauso souverän wie seine Vorfahren ihre Untertanen.

In Stadt und Land des einstigen Fürstentums wurde von den Bürgermeistern und Räten keine wichtige Entscheidung getroffen, ohne dass Fürst Guntram diese nicht abgesegnet hatte. Vorschläge, die nicht die fürstliche Zustimmung fanden, hatten wenig Aussicht auf Erfolg, ob es sich nun um den Bau eines Schwimmbades, die Einrichtung eines Kindergartens, ein neues Chorgestühl oder die Erweiterung einer Sporthalle handelte.

Das Arbeitszimmer des Fürsten war auch noch genauso prunkvoll wie ehedem in stilreinem Barock eingerichtet. Der großzügige Raum wurde von dem mächtigen Arbeitstisch des Fürsten beherrscht. Schwellende Polsterlandschaften, Kristallspiegel in schweren Goldrahmen, Kronleuchter, Ölgemälde, Vitrinen und orientalische Teppiche vervollständigten das pompöse Bild.

Von den hohen Fenstern aus hatte man einen herrlichen Blick über den Schlosspark, die Rebhänge und Pferdekoppeln, bis hinüber zu dem Nachbarfürstentum Tennefelde, das jenseits des trennenden Flusses gelegen war. Man sah allerdings nur die runden Kupferhauben der zierlichen Ecktürme des Tennefeldschen Schlosses.

Aber genau dieser Anblick schien zu genügen, um den Fürsten nervös zu machen, denn er klopfte ungeduldig mit dem linken Handrücken auf die Innenfläche seiner rechten Hand.

Das war ein Alarmsignal für Prinzessin Arabella.

Hatte es vielleicht wieder Unstimmigkeiten mit der Fürstin-Witwe Davida gegeben? Aber was hatte das mit Katzen und Mäusen zu tun?

Seit den Zeiten Karls des Großen lagen die benachbarten Fürstentümer in grimmer Fehde, und daran hatte sich auch über Jahrhunderte hinweg nichts geändert.

Zur offenen Feindschaft war es seinerzeit gekommen, als es den Fürsten Tennefeld im Dreißigjährigen Krieg gelungen war, sich um die Weinabgabe an den Schwedenkönig Gustav Adolf herumzudrücken, während die Walderbrunner sage und schreibe achtunddreißig Fuder hatten bluten müssen. Natürlich behaupteten die Waldersbrunner, der Tennefelder Wein sei dem Schwedenkönig schlicht zu sauer gewesen, was wiederum die Tennefelder maßlos erboste.

Dafür hatte der schwedische Königstross einstmals bei den Tennefelds sämtliche Gäule requiriert, wohingegen die Stallungen von Waldersbrunn ungeschoren geblieben waren, was zu der bissigen Verleumdung führte, dass die Waldersbrunner Rösser nichts getaugt hätten.

Tatsache war, dass beide Fürstentümer auch noch im Zwanzigsten Jahrhundert von den Reben und den Pferden lebten, und immer noch behaupteten böse Zungen, der Waldersbrunner Wein sei süßer.

Was die Pferde anbetraf, unterhielten die Tennefelds ein hervorragendes Gestüt, während Fürst Waldersbrunn sich auf einen Rennstall spezialisiert hatte. Allerdings hatten die Tennefelds mit ihrem Gestüt mehr Erfolg zu verbuchen, als der Fürst von Waldersbrunn mit seinem Rennstall, was die alte Sage erhärtete, dass die Tennefelds eben die besseren Pferde im Stall hatten.

Wie von altersher waren die beiden Fürstenhäuser denn auch immer noch darauf bedacht, sich gegenseitig die Schau zu stehlen, wobei sie vor fast keinem Mittel zurückschreckten.

Prinzessin Arabella dauerte das Schweigen zu lange.

»Fürstpapa«, bat sie rundheraus. »Um bei deinem tierischen Vergleich zu bleiben: Du solltest nicht wie die Katze um den heißen Brei herumschleichen, sondern anfangen, ihn zu löffeln.«

»Soll ich mir die Zunge verbrennen?«, fragte Fürst Guntram entrüstet.

Wenigstens drehte er sich endlich um und starrte nicht mehr zum Fenster hinaus.

Er war nicht besonders eindrucksvoll von Statur, ein nur mittelgroßer Mann, aber er wirkte trotzdem ungeheuer imponierend. Er war eine Persönlichkeit, deren starker Ausstrahlungskraft sich niemand zu entziehen vermochte. Nicht einmal seine einzige Tochter, Prinzessin Arabella, brachte das fertig, auch wenn sie manchmal recht aufmüpfig war.

Fürst Guntram war ein dunkler, fast südländischer Typ. Über seinen Schläfen lagen schon Silberschatten, obwohl er erst Mitte Vierzig war. Einzelne Silberfäden zogen sich auch durch sein volles schwarzes Haar. Verblüffend waren die sehr hellen eisblauen Augen, die sein schmales, aristokratisches Gesicht beherrschten. Seine straffe Haltung verriet den ehemaligen Offizier, die ausgeprägte Denkerstirn seine Intelligenz, und die Fältchen um seinen eigenwilligen Mund verrieten, dass der Fürst Humor hatte.

Seit dem frühen Tod seiner Gemahlin, die er herzlich geliebt hatte, lebte er, von gelegentlichen oberflächlichen Episoden abgesehen, allein und war vollauf damit beschäftigt, sein Besitztum zu verwalten, seine Tochter zu erziehen und die Tennefelds auszutricksen.

Er setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch.

Prinzessin Arabella wartete gespannt darauf, bis er den heißen Brei zu löffeln anfing.

Die Prinzessin glich äußerlich ihrer Mama, sie war ein schlankes, brünettes Mädchen, sehr attraktiv und überaus sympathisch. Sie bevorzugte in ihrer Kleidung die sportlich-elegante Lässigkeit, trug die langen Haare meist zu einem Pferdeschwanz hochgebunden und gab sich angenehm natürlich. Sie lachte gern und war davon überzeugt, absolut unkompliziert zu sein.

Aber ganz so unkompliziert, wie Prinzessin Arabella glaubte, war sie nicht. Sie hatte wesensmäßig einiges von ihrem Vater geerbt. Auch seinen Humor, erfreulicherweise, aber auch seine Eigenwilligkeit, seinen Dickschädel und einen gewissen listigen Eigensinn, wenn es darum ging, den Dickschädel durchzusetzen.

Im Übrigen war sie ein modernes junges Mädchen und hatte fest umrissene Zukunftspläne. Sie studierte Soziologie und wollte ihr Praktikum in einem Kinderdorf machen. Prinzessin Arabellas Fernziel war es, irgendwo in Waldersbrunn diese Einrichtung für Waisen aus aller Welt einzuführen.

Der Fürstpapa freilich hatte ganz andere Pläne mit seiner einzigen Tochter, und genau die waren der heiße Brei, den er nicht löffeln mochte.

»Probieren wir es noch mal mit den Mäusen«, schlug er vor. »Zwei kleine dicke Mäuse, ja? Und eine große hungrige Katze! Was passiert mit den Mäusen? Sie werden von der Katze gefressen.«

»Ja, das hast du schon mal gesagt«, bestätigte Prinzessin Arabella amüsiert.

»Lach nicht! Möchtest du von einer Katze gefressen werden?«

»Bin ich eine Maus?«

»Die hungrige Katze ist jedenfalls die Zeit«, erläuterte Fürst Guntram finster. »Unsere unruhige, hungrige Zeit, die nur darauf aus ist, kleine dicke Mäuse zu fressen.«

»Kleine dicke Mäuse wie – Tennefeld und Waldersbrunn?« Prinzessin Arabella schaltete schnell.

»Jedenfalls, wenn die beiden sich zusammentun würden, hätten sie eine Chance, nicht gefressen zu werden!«

»Fürstpapa, dein Vergleich hat einen niedlichen Klumpfuß«, stellte Prinzessin Arabella fest. »Wenn zwei kleine dicke Mäuse sich zusammentun, wird daraus niemals eine Katze!«

Er reagierte erst ärgerlich, musste dann aber lachen und nutzte diesen Moment der Heiterkeit sofort zielstrebig zu seinen Gunsten.

»Kurz und gut, Tennefeld und Waldersbrunn müssen ihr Kapital zusammenlegen, um der Steuer – und sonstigen Katzen zu entkommen.«

»Moment – was meinst du mit Kapital?«, fragte Prinzessin Arabella misstrauisch. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ihr Vater gewillt war, den Jahrhunderthandschuh der Fehde zu verbuddeln, nur um irgendwelche Steuervorteile oder etwas Ähnliches auszuhandeln. »Meinst du, wir haben die besseren Reben und sie die besseren Pferde?«

»Wir haben die besseren Reben und die besseren Pferde«, stellte Fürst Guntram erst einmal klar. »Aber das meine ich nicht. Ich meine – Fürstin-Witwe hat einen Sohn, und ich habe eine Tochter.«

»Und was hat das mit den Steuern zu tun?«

»Wer redet denn von Steuern?«, brauste er auf. »Ich rede von Heirat!«

Einen Augenblick lang war es fürchterlich still.

»Vergiss es«, schlug Prinzessin Arabella vor. »Reden wir von meinem Problem. Schließlich habe ich dich um eine Unterredung gebeten, Fürstpapa.«

Das stimmte, aber er hatte die Gelegenheit beim Schopf packen wollen, um das Thema anzuschneiden, wobei er sich vollkommen im Klaren darüber gewesen war, dass er auf Granit beißen würde.

Diplomatie war seine Stärke, deshalb lenkte er zunächst mal ein. »Dann leg dein Problempaketchen auf den Tisch, Prinzessin.«

»Dort liegt es schon seit drei Tagen, aber du hast es offensichtlich übersehen?«

»Ach, das meinst du?«, fragte er gedehnt und mit gut gespielter Überraschung, zog dafür aber zu zielsicher eine Mappe unter den vielen Ordnern hervor. »Vergiss es, Prinzessin.«

»Fürstpapa, ich bin bereits achtzehn, wenn du es darauf anlegst, gehe ich auch ohne deinen Segen.«

»Also, schocke mich nicht vor dem Mittagsmahl!« Er sah in ihr blasses angespanntes und entschlossenes Gesicht und wusste, dass mit müden Scherzchen kein Blumentopf mehr zu gewinnen war. »Prinzessin, du wirst auch ohne meinen Segen nicht von Waldersbrunn fortgehen, weil du nämlich hier dringend gebraucht wirst. Bitte, ich habe gewiss nichts gegen Waisenkinder, und ich glaube, das habe ich wahrlich schon bewiesen.«

Das stimmte. In Waldersbrunn wurde viel für Waisenkinder getan.

Die Pause, die er einlegte, verpuffte ohne Wirkung. Er fuhr fort: »Danke für den Applaus. Jedenfalls, es ist vollkommen ausgeschlossen, dass du ausgerechnet zu diesem kritischen Zeitpunkt dein Praktikum an einem Kinderdorf machen wirst, und das auch noch als schlichte Frau Walden!«

»Entschuldige, mit dieser Entscheidung wollte ich dich nicht kränken, Fürstpapa, aber ich finde es richtiger, einen bürgerlichen Namen anzunehmen, der Titel einer Prinzessin wäre mir bei meiner Tätigkeit bestimmt nur hinderlich. Du hast die Unterlagen also doch schon gelesen?«

Er wiegte den Kopf hin und her. »Ich habe flüchtig mal hineingesehen.«

Das war geschwindelt, er hatte die Unterlagen sehr genau studiert, und zu jedem anderen Zeitpunkt hätte er überhaupt nichts gegen das Praktikum einzuwenden gehabt, aber in dieser kritischen Lage ging es nun einmal nicht.

»Die Witwe ist übrigens auch meiner Ansicht«, wechselte er das Thema.

Mit der Witwe meinte er die Fürsten-Witwe Davida von Tennefeld. Er nannte sie immer nur die Witwe.

»Was? Du hast doch nicht etwa mit ihr gesprochen?«, rief Prinzessin Arabella fassungslos.

»Aber warum denn nicht, Prinzesschen?«, fragte er unschuldsvoll zurück. »Geh, wir sind doch zivilisierte Leute. Man kann sich über Jahrhunderte hinweg anschweigen, aber wenn der Pleitegeier über der Schlösser Zinnen mit den Flügeln rauscht, dann kann man ja ausnahmsweise einmal miteinander reden.«

Es war ein offenes Geheimnis, dass es um die Finanzen von Waldersbrunn nicht eben bestens stand, denn was die Reben hereinbrachten, das brachte der Rennstall wieder hinaus. Bei den Tennefelds war es genau umgekehrt: Was sie mit ihrem Gestüt gewannen, verwurstelten sie mit ihren Weinen.

»Jetzt hör mal zu, Papa«, sagte Prinzessin Arabella sehr ernst. »Es mag sein, dass du wieder mal Sorgen hast. Und vielleicht hat die Fürsten-Witwe auch welche. Aber das ist kein Grund, eine Heirat vom Zaun zu brechen wie im finstersten Mittelalter.«

»Niemand bricht eine Heirat vom Zaun«, protestierte Fürst Guntram. »Hier wird nichts vom Zaun gebrochen. Es wird hübsch in der Schlosskirche geheiratet, und ich bin sicher, du wirst eine wunderschöne Braut, Prinzessin.«

»Fürstpapa, ich heirate diesen Mann nicht!«

»Also, dieser Mann, das ist ein Prinz. Er ist ein liebenswürdiger, gebildeter Mann, und attraktiv ist er auch. Ihr werdet glücklich miteinander werden.«

»Ich kenne ihn ja noch nicht einmal!«

»Ich auch nicht.«

»Woher willst du dann, bitte sehr, wissen, dass er liebenswürdig, gebildet und attraktiv ist?«

»Die Witwe hat es mir gesagt, und die muss es ja wissen, sie ist schließlich seine Mutter.«

Prinzessin Arabella schnappte nach Luft.

»Es ist mir ganz egal, was die Fürsten-Witwe dir gesagt hat«, explodierte sie. »Es interessiert mich nicht im Geringsten! Von mir aus kann ihr Sohn ein Erzengel sein und mit einem feurigen Schwert herumsausen! Ich heirate ihn trotzdem nicht! Ich heirate überhaupt nicht. Jedenfalls jetzt noch nicht. Ich habe mein Studium und mein Ziel, das ich mir gesetzt habe. Für Liebe habe ich keine Zeit.«

»Mit dem Essen kommt der Appetit!«

Prinzessin Arabella hielt sich die Ohren zu. »Hör auf mit deinen antiken Sprichwörtern und deinen hinkenden Vergleichen!«

»Also, jetzt hast du mich aber sehr gekränkt«, sagte er traurig, wobei diese Traurigkeit nicht sehr echt war, denn seine eisblauen Augen blieben äußerst wachsam auf die Prinzessin gerichtet, um ihre Reaktion zu beobachten. »Sprichwörter sind nicht antik, sondern weise, und meine Vergleiche hinken nicht.«

»Bis auf den mit den zwei kleinen, dicken Mäusen aus denen eine große Katze wird, wie?«, fuhr sie auf.

»Es hat keinen Zweck, wenn wir uns herumstreiten, Prinzessin, du wirst tun, was ich dir sage.«

»Das werde ich nicht tun, Fürstpapa. Nicht in diesem speziellen Falle.«

Er seufzte tief. »Tut mir leid, dass ich dich daran erinnern muss. An diese komische, kleine Klausel in unserem Erbfolgegesetz, meine ich.«

Darauf hatte sie die ganze Zeit nur gewartet, und sie fand es unerträglich hinterlistig, wie beiläufig er ihr das Waldersbrunnsche Erbfolgegesetz servierte.

»Ich pfeife auf die Klausel!«, erklärte sie fest.

»Du willst nicht mehr meine Tochter sein?«, rief er mit gut gespielter Enttäuschung.

»Deine Tochter bleibe ich in jedem Falle«, entgegnete Prinzessin Arabella.

»Ja, aber der Titel? Und das Schloss? Die Ländereien, der Forst, die Seen und die Reben, vor allem die Reben? Das gibst du alles auf, nur um einem Ziel nachzurennen, das du ohne den Waldersbrunnschen Besitz nie wirst durchsetzen können!«

Damit hatte er natürlich recht. Kinderdörfer ließen sich nicht einfach aus dem Boden stampfen. In eigener Regie konnte man so ein Unternehmen kaum auf die Beine stellen, wenn man nicht eine mehrfache Millionärin oder eben eine Fürstentochter mit entsprechendem Grundbesitz war und einen Fürstpapa hatte, der seinen ganzen Einfluss geltend machen konnte, um eine Idee zu verwirklichen.

Schlimm war, dass sie sich so ähnlich waren, das erschwerte die Verhandlung ungemein, weil sie die gleiche Taktik anwendeten und sich gegenseitig austricksten.

Die Prinzessin dachte scharf nach. Dann lenkte sie überraschend ein.

»Okay, Papa. Ich werde die Sache überlegen. Aber ich brauche eine Denkpause!«

»Bewilligt!« Er schob ihr keineswegs erleichtert die Mappe hin, denn er kannte seine Tochter, und ihre Fügsamkeit kam ihm höchst verdächtig vor. »Nimm das Zeug gleich wieder mit. Reden wir nicht mehr darüber, bis du ›Ja‹ gesagt hast.«

»Eines würde mich noch interessieren: Wer hat zuerst diese Heiratsidee gehabt, die Fürstin-Witwe oder du?«

»Seit dem Dreißigjährigen Krieg«, antwortete Fürst Guntram voll Würde, »haben immer die Waldersbrunner die besseren Ideen zuerst.« Er zögerte. »Aber in diesem speziellen Fall muss ich anständigerweise zugeben, dass wir die Idee gleichzeitig hatten.«

»Und da seid ihr ans Telefon gestürzt, um sie euch gegenseitig mitzuteilen?«

»Wieso ans Telefon?«, fragte Fürst Guntram treuherzig. »Habe ich ein Wort von einem Telefon gesagt? Vielleicht sind wir uns auf halbem Weg begegnet.«

»Aha! Ihr seid über den Fluss geschwommen und habt euch mittendrin die Hände geschüttelt und zu einer gemeinsamen Idee beglückwünscht, oder wie?«

Er schmunzelte. »Es ist erst Vorfrühling, Prinzesschen«, erinnerte er. »Das Wasser ist viel zu kalt.«

»Aber nicht mehr zu tief?«, hakte sie schnell nach. »Ich meine das sinnbildlich.«

»Auch wenn du es nicht sinnbildlich gemeint hättest«, häkelte er das Gesprächsfädchen munter weiter. »Ich würde mich da nie hineintrauen. Ich bin kein besonders guter Schwimmer, wie du weißt.«

Dafür war er ein Spezialist in Ablenkungsmanöver. Tatsächlich war der Fluss eine natürliche Grenze, die von den verfehdeten Tennefelder und Waldersbrunners zu allen Zeiten respektiert worden war.

Prinzessin Arabella runzelte die Stirn. »Wie heißt es doch in dem alten Lied von den beiden Königskindern?«

»Sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief«, zitierte Fürst Guntram bereitwillig.

»Und jetzt scheint es also nicht mehr zu tief zu sein?«

»Sogar Ozeane wurden inzwischen bezwungen«, meinte Fürst Guntram. »Columbus hat Amerika entdeckt und Unterseeboote gibt es auch. Vergiss den Fluss, Prinzesschen und denke an den Prinzen. Es läutet Mittag, ich habe Hunger.«

Tiefe, volle Glockentöne verkündeten die Mittagsstunde.

»Moment mal«, rief Prinzessin Arabella aufgescheucht. »Das sind doch nicht unsere Glocken?«

»Nein«, bestätigte Fürst Guntram liebenswürdig. »Es sind die Tennefelder Glocken.«

Seit Jahrhunderten läuteten die Glocken von Waldersbrunn fünf Minuten früher den Mittag ein, weil sie einen zarten, lieblichen Klang hatten und von den wuchtigen Tennefelder Glocken schon im Dreißigjährigen Krieg übertönt worden waren.

»Ja, aber – unsere Glocken läuten doch immer zuerst?«, stotterte Prinzessin Arabella fassungslos.

»Es ist albern«, erklärte Fürst Guntram, »den Mittag immer fünf Minuten früher einzuläuten. Deshalb bin ich mit der Witwe übereingekommen, dass wir uns hinkünftig diese Albernheit teilen werden. Einen Monat lang läutet es in Tennefeld früher, dann sind wir wieder für vier Wochen dran.«

Prinzessin Arabella erschrak fürchterlich.

Diese Vereinbarung bezüglich des Glockenläutens offenbarte ihr das ganze Ausmaß der hereingebrochenen Freundschaftswelle zwischen Tennefeld und Waldersbrunn.

Die Sache war ernster, als sie angenommen hatte.

Sie musste handeln, und zwar schnell – bevor es zu spät war!

*

»Tut mir leid, ich bin noch nicht fertig«, sagte in Tennefeld Fürstin Davida etwas ungeduldig. »Sie sind fünf Minuten zu früh, Eddy.«