Rendezvous zu viert - Viola Larsen - E-Book

Rendezvous zu viert E-Book

Viola Larsen

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Am Anfang war die Anzeige in einem eleganten Frauenmagazin. Es ging schlicht um einen Wohnungstausch für ein paar Urlaubswochen. Zwei Frauen, die diese Anzeige lasen, waren ganz begeistert von dieser Idee: Gräfin Adrienne in ihrer süddeutschen Heimat, und Merle Blomberg auf ihrer einsamen finnischen Insel. Sie bestürmten ihre Männer, die aber von einem solchen Tausch nichts wissen wollten. Doch gegen die Redegewandtheit ihrer Frauen kamen sie nicht an. Und es war schon eigenartig, daß beide Männer unabhängig voneinander zu einer tückischen List griffen, um das Unternehmen zu sabotieren. Es gab Tage, an denen Merle alles meterweit zum Hals heraushing. Sie haßte dann das Holzhaus, den See und das Boot, die violetten Schatten genauso wie die prunkvollen Sonnenuntergänge, sogar die Ponys, vor allem die Bäume, sich selbst und natürlich Toivo. Dabei konnte Toivo doch gar nichts dafür. Oder Toivo war an allem schuld, wie man es nahm. Aber Merle hatte ja gewußt, auf was sie sich einließ, als sie Toivos Frau geworden und ihm in seine finnische Heimat gefolgt war! Am Anfang waren da eben nur die Liebe gewesen und die Leidenschaft und ringsherum das Paradies. Waren sie denn nicht auch das Paradies auf Erden, die Äland-Inseln mit ihren Moos- und Heideteppichen, ihren Seen, Wäldern und klappernden Windmühlen? »Wasserland« bedeutete ihr Name, doch man nannte sie auch das »Land der tausend Einsamkeiten«. Sie waren eine einzige Idylle. Nur manchmal, da wurde die Idylle zum Gefängnis. Das passierte immer dann, wenn Merle ihren ganz persönlichen »Insel-Koller« hatte, der sich in unregelmäßigen Abständen einzustellen pflegte. Die Symptome waren stets dieselben.

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Fürstenkrone – 161 –

Rendezvous zu viert

Vergnüglicher Roman um ein ungewöhnliches Inserat

Viola Larsen

Am Anfang war die Anzeige in einem eleganten Frauenmagazin. Es ging schlicht um einen Wohnungstausch für ein paar Urlaubswochen.

Zwei Frauen, die diese Anzeige lasen, waren ganz begeistert von dieser Idee: Gräfin Adrienne in ihrer süddeutschen Heimat, und Merle Blomberg auf ihrer einsamen finnischen Insel. Sie bestürmten ihre Männer, die aber von einem solchen Tausch nichts wissen wollten. Doch gegen die Redegewandtheit ihrer Frauen kamen sie nicht an.

Und es war schon eigenartig, daß beide Männer unabhängig voneinander zu einer tückischen List griffen, um das Unternehmen zu sabotieren. Sie hielten ihre Idee für genial, doch was dann geschah, konnten sie nicht voraussehen…

Es gab Tage, an denen Merle alles meterweit zum Hals heraushing. Sie haßte dann das Holzhaus, den See und das Boot, die violetten Schatten genauso wie die prunkvollen Sonnenuntergänge, sogar die Ponys, vor allem die Bäume, sich selbst und natürlich Toivo.

Dabei konnte Toivo doch gar nichts dafür. Oder Toivo war an allem schuld, wie man es nahm.

Aber Merle hatte ja gewußt, auf was sie sich einließ, als sie Toivos Frau geworden und ihm in seine finnische Heimat gefolgt war! Am Anfang waren da eben nur die Liebe gewesen und die Leidenschaft und ringsherum das Paradies.

Waren sie denn nicht auch das Paradies auf Erden, die Äland-Inseln mit ihren Moos- und Heideteppichen, ihren Seen, Wäldern und klappernden Windmühlen? »Wasserland« bedeutete ihr Name, doch man nannte sie auch das »Land der tausend Einsamkeiten«. Sie waren eine einzige Idylle.

Nur manchmal, da wurde die Idylle zum Gefängnis.

Das passierte immer dann, wenn Merle ihren ganz persönlichen »Insel-Koller« hatte, der sich in unregelmäßigen Abständen einzustellen pflegte.

Die Symptome waren stets dieselben. Merle verfiel in Melancholie, wurde erst depressiv und dann aggressiv, und schließlich war sie jedesmal wild entschlossen, Toivo unter der Mitternachtssonne in seinem von ihm so sehr geliebten »Land der tausend Einsamkeiten« sitzenzulassen und in ein normales, freundliches, geselliges Leben zurückzukehren.

Nach einer Weile, wenn der Koller sich genügend ausgetobt hatte, war alles wieder ganz anders, und sie blieb.

Diesmal war es besonders schlimm.

Dabei bestand absolut kein Anlaß dazu, durchzudrehen. Doch ein solcher Anlaß bestand eigentlich nie.

Es war an einem ganz gewöhnliches Dienstag.

Merle watete seit dem frühen Morgen aus unerfindlichen Gründen durch den trüben Teich der Schwermut und befand sich gegen Abend bereits in der rebellischen Phase ihres Kollers.

Deshalb dachte sie auch nicht im Traum daran, vielleicht etwas zu kochen, obwohl Toivo bald hungrig von einem langen und harten Arbeitstag in den Wäldern nach Hause zurückkommen würde.

Toivo freute sich jeden Abend herzlich auf sein gemütliches Zuhause.

Gemütlich war dieses Zuhause bestimmt.

Da die Blombergs kein Stadthaus hatten, sondern immer auf ihrer Insel lebten, war ihr Holzhaus, das äußerlich recht bescheiden wirkte, komfortabel ausgestattet.

Die Wohnfläche im Erdgeschoß bestand aus einem einzigen großzügigen Raum. Holz strahlte Wärme aus, und die Wände, die Decke, der Fußboden, alles war aus Holz. Das wenige schlichte Mobiliar war aus hellem getönten Holz gefertigt. Die bunten Leinendecken, Kissen und Flickenteppiche paßten dazu. Und vor allem, es war viel Platz

da.

Merle kauerte in dem Schaukelstuhl, der in der Nähe des grünen Kachelofens stand und eine Menge Raum für sich beanspruchte. Sie wippte gereizt auf und ab, als sie Toivo kommen hörte.

Es hatte Zeiten gegeben, da war Merle in helles Entzücken geraten, wenn sie Toivos Schritte hatte heimkommen hören.

Nach sieben Ehejahren sah das etwas anders aus, und als sie an diesem Dienstag seine Schritte kommen hörte, war sie nahe daran, ein paar schrille Schreie auszustoßen.

Sie beherrschte sich gerade noch, aber es fiel ihr schwer.

Dabei war Merle beileibe keine Schreiliesel, sondern eine ganz entzückende Person, und sie liebte Toivo ja noch immer wahnsinnig. Nur machte er sie nun manchmal auch wahnsinnig.

Kennengelernt hatten sie sich in einem Camp in Kanada. Beide waren auf dem großen Fahrten-Trip gewesen, um fremde Länder zu erkunden. Sie hatten sich zusammengeschlossen, und nach einem zauberhaften Wandersommer durch die unendliche Weite Kanadas hatten sie Hals über Kopf geheiratet.

Merle war gar nicht erst in ihre deutsche Heimat zurückgekehrt, dort hatte sie ja auch niemanden mehr. Die große Stadt, in der sie aufgewachsen und die eigentlich ihre Heimat war, hatte sie als Kind nicht leiden mögen. Sie war ihr zu laut, zu schrill, zu unpersönlich und hektisch gewesen. Deshalb hatte sie sich nach dem Tod ihrer Mutter auch auf die Wanderschaft gemacht.

Merle war praktisch, flink und tüchtig, und so hatte sie überall Jobs gefunden, nichts auf Dauer, alles nur auf Zeit, und das war ihr gerade recht so gewesen.

Sie war ein quirliger Typ, zierlich von Figur, aber unheimlich zäh und standfest, wenn es darauf ankam. Das hellbraune Haar war von Natur so kraus, daß sie nie zum Friseur mußte.

Merle hatte schwarze glänzende Augen, und ihre Haut sah aus, als sei sie immer von der Sonne gebräunt, auch in den Jahreszeiten, in denen die Sonne in Finnland kaum oder gar nicht schien. Ihr Mund war voll und rot, und ihre Bewegungen waren so behende und geschmeidig wie die einer verspielten Katze.

Toivos Schritte kamen näher.

Merle wippte mit dem Schaukelstuhl heftiger auf und ab.

Sie wußte ganz genau, was nun passieren würde, denn so war es jeden Abend, wenn Toivo heimkam, und das schon seit sieben Jahren! Er würde vor der Tür die Schuhe wechseln, dann würde die Tür aufgehen, und Toivo würde sagen: »Grüß’ dich, Pirita, da bin ich wieder. Hast du einen schönen Tag gehabt? Ich bin ziemlich hungrig. Was gibt es denn heute Feines zu essen?«

Draußen vor der Tür polterte es. Toivo wechselte die Schuhe, und die schweren Stiefel, die er tagsüber trug, waren wieder einmal umgefallen.

Kurz danach ging die Tür auf.

»Grüß’ dich, Pirita, da bin ich wieder«, sagte Toivo. »Hast du einen schönen Tag gehabt? Ich bin ziemlich hungrig. Was gibt es denn heute Feines zu essen?«

»Nichts.«

Der Schaukelstuhl stand abrupt still.

Merles schwarze glänzende Augen sahen Toivo so herausfordernd an, als habe sie ihn noch nie zuvor gesehen, und überlege nun angestrengt, wer dieser Mensch, der da kam, denn wohl sein könnte. Dabei war es eigentlich ausgeschlossen, den Anblick eines so schmucken Mannsbildes jemals wieder zu vergessen.

Toivo war ein einsneunzig langer Prachtbursche. Er hatte eine kräftige Stutur, Schultern zum Anlehnen und Ausweinen, aber erstaunlich kleine Füße und feingliedrige Hände. Er hatte jedenfalls immer Last damit, passende Stiefel und Fäustlinge zu bekommen.

»Du meinst, du hast nichts gekocht, Pirita?«

»Volltreffer!«

Seine buschigen Brauen zuckten leicht in die Höhe und blieben in der kantigen, hohen Stirn wie zwei Fragezeichen stehen.

»Gar nichts?« Die tiefe Stimme paßte zu ihm.

Der Schaukelstuhl wurde wieder in Bewegung gesetzt.

»Gar nichts!«

Toivos blaue gescheite Augen musterten Merle. »Gar nichts«, wiederholte er mit seiner tiefen Stimme. »Na, gut.« Die Leute von den Äland-Inseln redeten nun einmal nicht viel. »Vielleicht ist noch etwas Bärenschinken da?«

»Ich hasse Bärenschinken!«

Er stutzte. »So.«

Sie habe sowieso keinen Hunger, tönte Merle.

»Aber ich.«

Toivo stapfte in die Küche.

Nur dieses Stapfen verriet, daß er innerlich nicht so ruhig war, wie er sich äußerlich den Anschein gab.

Merle registrierte es mit einer stillen, bösen Genugtuung. Es wäre ihr sehr willkommen gewesen, wenn Toivo geschimpft, getobt oder eben doch überhaupt irgendwie reagiert hätte, damit sie eine Chance gehabt hätte, ihren Frust loszuwerden. Aber das machte Toivo nie! Und das brachte Merle erst recht auf die Palme.

Er rumorte in der Küche.

»Genau zweitausendfünfhundertfünfzig«, murmelte Merle.

»Was ist?« fragte Toivo aus der Küche herüber.

»Genau zweitausendfünfhundertfünfzig«, bellte Merle zurück.

Eine Weile erfolgte keine Reaktion auf diese mysteriöse Mitteilung hin.

Die Kühlschranktür wurde auf- und wieder zugemacht. Die Mehlschütte wurde herausgezogen. Danach klickten Eier in die Rührschüssel.

»Minus zweiundneunzig«, klang es endlich aus der Küche.

»Minus – was?« fauchte Merle im Schaukelstuhl.

»Heute ist der fünfte Juni, und geheiratet haben wir am fünften September. Macht Zweitausendvierhundertachtundfünfzig.«

»Und was macht das für einen Unterschied?«

»Den von zweiundneunzig Tagen.«

Das elektrische Rührgerät surrte und sauste durch die Schüssel.

Dieses Geräusch erstickte Merles wütendes Jaulen.

Es war fatal, daß Toivo doch verflixt noch mal immer wußte, was sie meinte. Sie wußte allerdings auch stets, was er meinte. Und im Moment meinte er eine ganze Menge, behielt es aber für sich.

Nach einer Weile kam er herüber und deckte den Tisch.

»Es ist noch etwas Rentierzungenpastete da. Ich mache Rühreier dazu. Ein paar Moltebeeren habe ich auch noch gefunden.«

»Dann lasse es dir nur schmecken! Ich sagte schon, daß ich keinen Hunger habe!«

Stillschweigend räumte Toivo das zweite Gedeck, das er aufgelegt hatte, wieder ab und trug es in die Küche zurück.

Merle hatte ihn ja schon manchmal gehaßt, wenn sie ihren Koller gehabt hatte, aber so gründlich wie an diesem Dienstag noch nie.

Toivo kam zurück, stapfte wortlos durch die Stube und verschwand durch die Außentür. Mit einem Ruck setzte Merle sich auf. Sie lechzte förmlich danach, daß nun etwas Schreckliches passieren, daß Toivo vielleicht mit seinen Stiefeln werfen oder etwas zertrümmern werde.

Die Außentür ging wieder auf.

Toivo schleppte einige Pakete herein und legte diese auf den Tisch.

»Ich war bei den Briefkästen.«

»Bei den Briefkästen!« Merle heulte wie eine kleine böse Hyäne. »Ich hasse diese bescheuerten Briefkästen!«

Sie waren rot, standen in Reih und Glied ziemlich abseits der verstreut liegenden Holzhäuser, und man mußte schon ein Stück weit gehen, um sich seine Post zu holen, falls denn überhaupt welche gekommen war.

Es war typisch für die Äländer, fand Merle, daß sie sich sogar die Briefkästen vom Hals hielten, damit nicht einmal der Postbote bei ihnen vorbeisehen konnte.

»Deine Zeitungen und Zeitschriften sind gekommen, Pirita«, verkündete Toivo, und er zog sich wieder in die Küche zurück.

Er nannte sie immer »Pirita«. Irgendwann, während ihrer gemeinsamen Wanderung durch Kanada, hatte er Merle diesen Kosenamen gegeben, und er hatte ihn sich nicht etwa ausgedacht, sondern diesen Namen gab es im Finnischen wirklich. Er hing mit einem alten, lappländischen Märchen zusammen, über das einmal ein berühmter Film gedreht worden war. Ein Rentier spielte in diesem Märchen eine wichtige Rolle.

Die Rentierzungenpastete vom Vorvortag, die Toivo erwähnt hatte, fiel Merle ein, und sie schüttelte sich.

Nach sieben Jahren eines stetig sich wiederholenden Eßgenusses haßte sie nicht nur Bärenschinken, sondern auch alles, was von Rentieren gebraten, gesotten, gebacken, gepökelt oder geräuchert auf den Tisch kam.

In der Küche brutzelten die Rühreier in der Pfanne. Sie dufteten verlockend, Toivo hatte wohl etwas Speck und Zwiebeln darunter gemischt, und Merle hatte natürlich doch Hunger, auch wenn sie das in ihrer augenblicklichen Verfassung niemals zugegeben hätte.

Die Zeitungen und Zeitschriften, die, sauber in Folien eingeschweißt, auf dem Tisch lagen, zogen ihre Blicke magisch an. Trotz ihrer miserablen Stimmung war sie neugierig darauf, was wohl darin stand.

Gleich zu Anfang, als Merle mit Toivo zusammen auf die Insel gekommen war, hatte sie deutsche Zeitungen und Zeitschriften abonniert, die seitdem regelmäßig angeliefert wurden.

Kurz entschlossen riß Merle die Verpackung eines Hochglanz-Frauenmagazins auf.

Nun war es ja nicht so, daß Merle etwa von Heimweh geplagt worden wäre, sie war überall auf der Welt zu Hause, aber gelegentlich brauchte sie den Umgang mit ihrer Muttersprache, wenn auch nur auf dem Umweg über bedrucktes Papier.

Sie blätterte das Magazin schnell durch, die persönlichen Anzeigen interessierten sie immer besonders, die Suche nach Partnern, Brieffreunden, Reisegefährten oder was auch immer, weil diese Wünsche mehr darüber verrieten, wie es in Merles Heimat derzeit zuging, als die ganzen Artikel und Hochglanzfotos zusammen.

Ihr Blick blieb an einer fettgedruckten Anzeige hängen, die ganz und gar ungewöhnlich war und die sie faszinierte. Sie bekam richtig Herzklopfen, und eine prickelnde Erregung packte sie. Merle vibrierte auf einmal von den Haarwurzeln bis in die Fingerspitzen.

Es war eine Eigenart des Insel-Kollers, daß er ebenso plötzlich die Fliege machte, wie er über ein Opfer hereinbrach. Während seiner ungeliebten Anwesenheit benahm er sich wie ein neunköpfiger, feuerspeiender Drache, doch sobald er von irgend etwas gepiekt wurde, schrumpfte er zusammen wie ein defekter Luftballon und trudelte von dannen.

Die fettgedruckte Anzeige war es, die Merles Insel-Koller piekte, so daß er blubbernd in sich zusammenfiel und in einem jämmerlichen Zustand die Flucht ergriff.

Prompt erwachten Merles Lebensgeister wieder. Sie schnappte das Magazin, rannte in die Küche, griff sich einen Holzlöffel vom Tisch und fiel heißhungrig über die in der Pfanne brutzelnde, goldgelbe Köstlichkeit her, die so herrlich nach frischen Eiern, krossen Speck- und Zwiebelwürfeln duftete.

»Knuddelbär«, verkündete sie strahlend, und ihre schwarzen Augen funkelten, »ich habe da eben etwas ganz Tolles gelesen, und du wirst es nicht fassen, ich habe eine wahnsinnig gute Idee.«

*

Diese wahnsinnig gute Idee kam zwei Wochen später im Süden von Merles Heimat voll an. Das war auch an einem Dienstag, und Adrienne Gräfin Torless lag hingegossen auf der Couch.

Es war keine gewöhnliche, sondern die Analysecouch, die in dem Therapiezimmer ihres Seelenarztes stand.

Der Analytiker saß am Kopfende der Couch, so daß Gräfin Adrienne ihn nicht ansehen mußte, während sie seine Fragen beantwortete oder sich ihre diversen Kümmernisse einfach nur von der Seele redete.

Dabei war der Anblick des Doktors durchaus erfreulich, und seine Patientinnen blickten ihm sogar sehr gern tief in die blauen Augen.

Dr. Gerald Müller war ein gutaussehender, schlanker Mittvierziger mit Bart und Brille. Es ging die Sage, daß er dank seiner renommierten Praxis einer der reichsten Männer der City sei, und er mochte durchaus ein geschickter Geschäftsmann sein, aber ein guter und redlicher Therapeut war er bestimmt. Das eine schloß das andere ja nicht aus.

Er war mit einer sympathischen, ein bißchen pummeligen Italienerin verheiratet, und die beiden hatten drei prächtige Kinder miteinander. An Flirts mit seinen Patientinnen, so reizvoll diese auch immer sein mochten, hatte er also nicht das geringste Interesse, seine eheliche Treue war biblisch. Aber das machte ihn ja gerade so unwiderstehlich!

Außerdem konnte er wirklich wunderbar zuhören. Das gehörte natürlich zu dem Job eines Seelenarztes, doch Dr. Müller tat es auch aus ehrlicher Anteilnahme an dem Schicksal seiner Patienten.

Gräfin Adrienne hatte eine helle, zarte Kinderstimme.

Diese Stimme paßte zu ihrer äußeren Erscheinung.

Sie war das, was man eine »Kindfrau« nannte.

Ihre Taille war so schmal, daß man glauben mochte, sie mit zwei Händen umspannen zu können. Sie hatte Kleidergröße 38 und war stolz darauf, erlaubte dieser zierliche Wuchs es ihr doch, jene ausgefallenen Modeschöpfungen zu tragen, in denen sonst nur Mannequins über den Laufsteg schwebten. Sie war eine sehr elegante Frau, und sie besaß Geschmack und Stil.

Ihr Haar war schick als Pagenkopf geschnitten und schimmerte wie ein Goldhelm. Obwohl schon fast Ende Zwanzig, wie sie behauptete, war sie wesensmäßig ein sehr junges Mädchen geblieben, und daran hatte auch ihre Heirat mit dem Grafen von Torless nichts geändert.

Der Therapeut wußte natürlich, daß sie schon dreiunddreißig war, doch das Alter war sein geringstes Problem, was die Gräfin anbetraf.

»Da war wieder dieser schreckliche Traum!« offenbarte sie sich. »Ich stand in der Dunkelheit auf einem leeren Bahnteig, es war zugig und kalt, ein Zug fuhr ab, und ich wußte, daß es der letzte war, aber ich konnte ihn nicht erreichen und blieb allein zurück…«

Sie ließ ihre Sätze immer in der Schwebe, so daß man nie genau wußte, ob der Satz nun wirklich zu Ende war, oder ob sie noch weiterreden wollte.

Aber Dr. Müller kannte sie inzwischen gut genug, um genau im richtigen Moment einzuhaken.

»Trugen Sie wieder dieses schwarze Kleid?« fragte er.

Gräfin Adrienne überlegte kurz. »Nein. Ich glaube, diesmal war es grün.«

Das hieß den Therapeuten hoffen.