Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 656 - Viola Larsen - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 656 E-Book

Viola Larsen

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Beschreibung

ines Tages steht Judith Jordan, eine berühmte Fotografin, bei ihrer Schwester Dany, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht, unerwartet vor der Tür. Die Wiedersehensfreude ist groß, doch als Judith mit ihrer Bitte herausrückt, ist die gute Stimmung dahin.
"Bist du denn von allen guten Geistern verlassen!", fährt Dany ihre Schwester an. Diese bittet sie allen Ernstes, sich bei ihrem Mann, mit dem sie noch immer verheiratet ist, obwohl sie ihn sofort nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter verlassen hat, als Judith auszugeben. Tanja hat gerade ihren achtzehnten Geburtstag gefeiert und möchte endlich ihre Mutter kennenlernen.
Dany will die Bitte entschieden ablehnen, doch am Ende gibt sie nach und ahnt nicht, was sie sich mit dieser Lüge einbrockt ...


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Inhalt

Cover

Vom tiefen Schmerz der Liebe

Vorschau

Impressum

Vom tiefen Schmerz der Liebe

Kann sie jemals wieder einem Menschen vertrauen?

Eines Tages steht Judith Jordan, eine berühmte Fotografin, bei ihrer Schwester Dany, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht, unerwartet vor der Tür. Die Wiedersehensfreude ist groß, doch als Judith mit ihrer Bitte herausrückt, ist die gute Stimmung dahin.

»Bist du denn von allen guten Geistern verlassen!«, fährt Dany ihre Schwester an. Diese bittet sie allen Ernstes, sich bei ihrem Mann, mit dem sie noch immer verheiratet ist, obwohl sie ihn sofort nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter verlassen hat, als Judith auszugeben. Tanja hat gerade ihren achtzehnten Geburtstag gefeiert und möchte endlich ihre Mutter kennenlernen.

Dany will die Bitte entschieden ablehnen, doch am Ende gibt sie nach und ahnt nicht, was sie sich mit dieser Lüge einbrockt ...

Ausgerechnet am Tag vor Tanjas achtzehntem Geburtstag kam es zwischen ihr und Jens Lorberg zu einer entscheidenden Aussprache.

Es war ein Sonnabend Mitte Januar, und es war bitterkalt.

Tanja kam aus der Schule, und Jens wartete auf sie. Natürlich steckte Tanja in einem Pulk von Klassenkameraden, doch ihr lockiger Blondschopf war zum Glück nicht zu übersehen.

Sie war ein schlankes, hochgewachsenes Mädchen, ein sportlicher Typ. Ihre großen grünen Augen waren voller Erwartung und Lebensfreude.

»Hallo, Tanja!«, rief Jens.

Sie blieb abrupt stehen und reagierte auf den Zuruf irgendwie erschrocken. Dann verabschiedete sie sich schnell von den Klassenkameraden und lief auf Jens zu.

Er stand vor seinem Wagen und hielt einladend den Schlag auf.

Jens war fünf Jahre älter und einen halben Kopf größer als Tanja. Er war ein blonder Prachtbursche mit stahlblauen Augen. Er wollte Kapitän bei der Handelsmarine werden und war durch seinen Job gezwungenermaßen viel unterwegs.

Tanja und Jens hatten sich im Sommer kennengelernt, als Jens Skipper auf der Jacht gewesen war, die Tanjas Vater für eine Kreuzfahrt gechartert hatte. Sie hatten eine traumhafte Mittelmeerreise zusammen gemacht und waren Freunde geworden, doch von Liebe war zwischen ihnen nie die Rede gewesen.

Das hatte allerdings nicht an Jens gelegen. Er hätte gerne zu Tanja von Liebe gesprochen, doch Tanja hatte das immer geschickt zu verhindern versucht. Später hatten sie sich einige Briefe geschrieben, doch Tanjas Briefe waren für Jens sehr enttäuschend gewesen. Trotzdem hatte er das Mädchen nicht vergessen können.

»Wieso bist du hier, Skipper?«, fragte Tanja verblüfft. »Ich denke, du schwimmst auf irgendeinem Ozean herum.«

»Denken ist Glücksache, Prinzessin«, erwiderte er lachend. »Während der Kreuzfahrt hatte er sie immer Prinzessin genannt. »Ich bin gestern in Bremen an Land gekommen. Du hast doch morgen Geburtstag, Prinzessin, oder?«

»Ja, stimmt. Das hast du nicht vergessen?«

»Ich habe nichts vergessen, Prinzessin.«

»Woher hast du gewusst, dass ich in der Schule bin?«, lenkte sie schnell ab.

»Weil ich in der Villa angerufen habe«, antwortete Jens.

»Mit wem hast du gesprochen?«, fragte Tanja rasch und fast ängstlich.

»Mit eurem Butler. Er hat es mir gesagt.«

»Ich hatte schon Angst, du hättest Papa am Telefon erwischt«, sagte Tanja erleichtert.

»Wäre das denn so schlimm gewesen?«, fragte Jens erstaunt.

»Natürlich nicht«, versicherte Tanja eine Spur zu hastig, und deshalb klang es nicht sehr überzeugend. Sie merkte das selbst und wechselte geschickt das Thema. »Ist irgendetwas mit deiner Tante Sally passiert? Ich meine, weil du hier bist.«

»Tante Sally geht es gut. Was sollte denn mit ihr passiert sein?«, fragte Jens erstaunt. »Ich bin gekommen, weil ich dir gerne persönlich zum Geburtstag gratulieren möchte.«

»Das ist ja lieb!« Tanja war wirklich fassungslos. »Aber ich habe erst morgen Geburtstag.«

»Ich gratuliere dir ja auch noch nicht. Steig ein. Ich fahre dich nach Hause.«

Tanja zögerte einen Augenblick.

»Oder wartet jemand anderes auf dich?«, fragte Jens schnell und etwas erschrocken.

»Nein. Wer soll denn auf mich warten?« Sie stieg ein.

Jens setzte sich hinter das Steuer und fuhr erst einmal los, damit sie von der Schule wegkamen. Er wollte Tanja nicht in Schwierigkeiten bringen. Er wusste noch aus eigener Erfahrung, wie neugierig und spottlustig Klassenkameraden sein konnten.

»Hoffentlich bekommst du keinen Ärger mit deinen Klassenkameraden.«

»Keine Spur«, versicherte Tanja. »Die sind nur neugierig und werden mich mit Fragen löchern, aber das stört mich nicht. Meine Freundinnen haben sowieso alle schon einen Freund.«

»Du nicht?«

»Ich nicht.«

Jens atmete merklich auf. Er hatte während der Monate der Trennung von Tanja ständig Angst gehabt, es könne inzwischen einen Mann in Tanjas Leben geben. Diese Angst hatte ihn bis unter den Sternenhimmel des Atlantiks verfolgt.

Er bog in die Ausfallstraße ein, die von der kleinen Stadt aus in das ländliche Umfeld zu den Camphaus'schen Besitzungen führte.

»Wo kommst du überhaupt her, Skipper?«, wollte Tanja wissen.

»Von einem Schulschiff, das ein paar stressige Runden gedreht hat«, antwortete Jens. »Ich habe mich so auf das Wiedersehen mit dir gefreut, Prinzessin.« Er drehte kurz den Kopf zu ihr hin.

Sie war blass und sah ziemlich unglücklich und verwirrt aus.

»Fein, Skipper. Ich freue mich auch.«

»Das klingt nicht besonders begeistert.«

»Das tut mir leid«, entschuldigte sich Tanja. »Ich freue mich wirklich.«

Jens ging mit dem Tempo herunter. Die Fahrt zur Villa Camphaus dauerte höchstens fünfzehn Minuten, und das war nicht viel Zeit, wenn man viel auf dem Herzen hatte, das man unbedingt loswerden wollte.

»Ich muss mit dir reden, Prinzessin«, erklärte er entschlossen.

»Worüber?«, fragte Tanja erschrocken.

»Weißt du das wirklich nicht?«

Sie schüttelte stumm den Kopf.

Jens machte einen Versuch, die Unterredung noch ein wenig vor sich herzuschieben, um einen günstigeren Moment abzupassen.

»Du wirst mich doch hoffentlich morgen zu deiner Geburtstagsparty einladen, Prinzessin?«

»Ich gebe keine Geburtstagsparty, Skipper.«

»Was? Du wirst achtzehn und gibst keine Party?«

Tanja zuckte mit den Schultern. »Du weißt, dass mir an so etwas nichts liegt. Ich mag den Rummel nicht. Papa auch nicht.«

»Dann wirst du deinen Geburtstag ganz allein mit deinem Vater feiern?«

»Genau«, bestätigte Tanja. »Wir zwei sind uns genug, Papa und ich.«

»Außer deinem Vater gibt es wohl keinen anderen Mann für dich auf der ganzen Welt, oder?«

»Doch. Dich, Skipper«, antwortete Tanja leise.

Sein Herz machte einen Freudensprung, doch er war klug genug, es nicht zu deutlich zu zeigen. Wenn Christian Camphaus wirklich der einzige Mann in Tanjas Leben war, dann rechnete Jens sich eine reelle Chance aus, das Herz seiner Prinzessin zu erringen, obwohl er Camphaus keineswegs unterschätzte. Auf seine Weise war Tanjas Vater zweifellos ein gefährlicher Rivale.

Die Zeit lief wie auf Schlittschuhen davon, Minute um Minute entglitt.

♥♥♥

Kurz bevor sie Camphaus erreichten, chauffierte Jens den Wagen am Ende der Ortschaft in eine Abzweigung, stoppte und stellte den Motor ab.

»Prinzessin, ich muss es dir sagen.«

»Musst du deshalb stehen bleiben?«

»Ja!« Jens wurde unversehens wütend. »Prinzessin, ich bin wie ein Verrückter von Bremen aus hierhergefahren, um dich wiederzusehen. Wir haben eine so schöne Zeit zusammen gehabt, wir haben uns so gut verstanden, und ich habe immer gedacht, du merkst, was mit mir los ist: Ich liebe dich, Prinzessin.«

Sie legte erschrocken ihre Hand auf seinen Mund.

»Das hättest du besser nicht gesagt, Skipper.«

Er hielt ihre Hand zärtlich fest.

»Und warum nicht, Prinzessin? Warum hätte ich es besser nicht gesagt?«

»Weil das alles kaputtmacht«, antwortete Tanja unglücklich. »Ich habe oft an dich gedacht, und ich habe mir sehr gewünscht, dich wiederzusehen. Aber wie einen guten Freund, verstehst du? Wir sind gute Freunde, und das wollen wir bleiben, Skipper.« Sie entzog ihm ihre Hand, nicht heftig, aber sehr bestimmt.

»Das begreife ich nicht«, murmelte Jens betroffen. »Ehrlich, Prinzessin, ich spüre doch, dass du mich magst. Da ist mal ein Blick oder ein Lächeln oder was auch immer, das sind Signale, da weiß man Bescheid, auch wenn man kein Wort darüber verliert.«

»Sei bitte still«, flehte Tanja. »Und fahr weiter. Ich muss pünktlich zu Hause sein, sonst macht Papa sich Sorgen um mich.«

»Mit dem Bus hättest du doch viel länger gebraucht.« So schnell ließ Jens sich nicht aus dem Konzept bringen. »Himmel, begreifst du denn nicht? Ich liebe dich, Prinzessin«, wiederholte er unglücklich. »Das ist kein Heiratsantrag oder so was, falls dich das erschreckt. Ich wünsche mir sehr, dass du meine Frau wirst, aber das muss nicht heute und nicht morgen sein. Ich will nur, dass zwischen uns beiden alles klar ist. Dann warte ich gerne, weil wir dann ein gemeinsames Ziel haben.«

Tanja drehte brüsk den Kopf auf die Seite. Sie sah zu dem Wagenfenster hinaus. Die Sonne schien nur matt durch einen Dunstschleier. Tanja sehnte sich nach der kraftvollen Sonne des Südens, nach einem Palmenstrand und nach dem blauen Meer.

»Ich weiß nicht, was du willst, Skipper.« Ihr Gesicht war immer noch sehr blass und sehr ratlos. »Ich habe dir auf jeden deiner Briefe geantwortet.«

»Ja, aber deine Antworten haben mir nicht gefallen«, erklärte Jens unglücklich. »Es waren belanglose Briefe, die du mir geschrieben hast, freundlich und belanglos. Es waren Briefe, wie man sie eben an eine flüchtige Ferienbekanntschaft schreibt. Aber zwischen uns ist doch mehr gewesen, Prinzessin, auch wenn wir nie darüber geredet haben. Ich habe mir das doch nicht eingebildet.«

»Nein, das hast du nicht«, gab Tanja zu, und jetzt sah sie Jens offen an. »Aber vergiss es, bitte.«

Er wollte den Arm um sie legen, doch sie wich ihm aus.

»Nicht, bitte.«

»Und warum nicht, Prinzessin?«, fragte er unglücklich. »Warum nur nicht?«

Sie gab keine Antwort, sondern presste die Lippen fest aufeinander.

Es wurde kalt in dem Auto, nachdem der Motor nicht mehr lief.

»Willst du mir nicht sagen, was los ist, Prinzessin?«, fragte Jens bittend.

Tanja schüttelte den Kopf.

Er merkte, dass es keinen Zweck hatte, sie weiter mit Fragen zu bedrängen. Der abenteuerliche und erschreckende Gedanke, dass ihr Vater sie einem anderen Mann versprochen haben könnte, schoss durch seinen Kopf.

»Will dein Vater vielleicht, dass du einen anderen heiratest?«

»Bist du verrückt?« Tanjas Stimme klang ehrlich empört. »Vater würde mich nie zu einer Heirat zwingen! Dazu besteht ja auch überhaupt kein Anlass. Ich werde doch morgen erst achtzehn und muss erst mal mein Abitur machen.« Sie wurde auf einmal recht energisch. »Fahre mich jetzt nach Camphaus, Jens, oder ich steige aus und laufe.«

»Ich fahre ja schon.«

Jens ließ den Motor an. Er machte ein finsteres Gesicht, weil er wahnsinnig unglücklich und auch ratlos war. Vorsichtig setzte er zurück und wendete den Wagen. Der Boden war gefroren. Er wollte nichts riskieren.

»Prinzessin, ich bleibe ein paar Tage hier bei meiner Tante Sally«, sagte er leise, als sie wieder auf der Landstraße in Fahrtrichtung standen.

Jens hatte keine Eltern mehr. Er hatte sie durch einen Unfall verloren, als er knapp zwölf Jahre alt gewesen war. Er war in einem Internat erzogen worden, und die einzige Bezugsperson, die es für ihn gab, war seine Tante Sally.

Die Frau besaß in der Ortschaft, zu der Camphaus gehörte, ein kleines Transportunternehmen. Sie war eine tüchtige, praktische und gutmütige Person, und sie hatte Jens auch den Ferienjob als Skipper auf der Charter-Jacht von Tanjas Vater vermittelt.

»Du weißt also, wo du mich erreichen kannst, Prinzessin?«

»Ja, ist gut, Skipper«, bestätigte Tanja ungeduldig.

Er spürte, dass im Moment nichts mehr zu erreichen war, und deshalb fuhr er vorsichtig an. Der Wagen geriet trotzdem leicht ins Schleudern, doch Jens hatte ihn sofort wieder im Griff.

»Du musst keine Angst haben, Prinzessin, es passiert nichts.«

»Weiß ich doch.« Tanjas Stimme klang auf einmal weich und irgendwie sehnsüchtig. »Ich habe nie Angst, wenn du bei mir bist, Skipper. Nicht mal, als wir mit der Jacht in den schrecklichen Sturm gekommen sind, habe ich auch nur eine Sekunde Angst gehabt.«

Jens erinnerte sich noch gut daran. Damals hatte Tanja ihm einen herzlichen Dankeskuss gegeben, nachdem alles vorbei gewesen war. Vielleicht war dieser Kuss sogar schuld daran, dass er sein Herz unrettbar verloren hatte.

Die Umrisse der Villa tauchten schon auf. Das lang gestreckte, ländliche Haus lag in einem großzügigen Parkgelände.

»Halte hier an, Skipper«, bat Tanja. »Die letzten paar Meter gehe ich zu Fuß.«

»Du willst nicht, dass wir zusammen gesehen werden?«

»Es ist nicht unbedingt nötig, finde ich, oder?«

Jens war zwar anderer Ansicht, aber er äußerte sich nicht dazu.

Tanja öffnete den Schlag.

»Danke fürs Heimbringen. Und alles andere vergiss bitte, Skipper.« Sie stieg schnell aus, bevor er auch nur noch ein einziges Wort sagen konnte.

Unglücklich sah er ihr nach, wie sie mit langen Schritten dem Parktor zulief. Er wartete, aber Tanja blieb nicht stehen, und sie sah sich auch nicht mehr um. Sie verschwand hinter dem Parktor, das langsam hinter ihr zufiel.

Jens wendete den Wagen und fuhr in die Ortschaft zurück.

Er war innerlich furchtbar aufgewühlt. Tanjas merkwürdiges Verhalten beunruhigte ihn. Was steckte nur dahinter? Er grübelte darüber nach und fand keine Antwort. Schließlich befürchtete er, dass es irgendein düsteres Geheimnis um Tanja geben könnte.

Natürlich versuchte er sich das wieder auszureden, denn er wollte nichts in die Sache hineindichten. Aber merkwürdig war es eben doch, und er hoffte nur, dass er die Lösung fand, bevor er wieder abreisen musste.

Unterdessen lief Tanja über die Auffahrt zum Hause und läutete ungestüm an der Tür der Villa.

Der Butler öffnete.

»Ist der Bus denn heute früher gekommen, Fräulein Tanja?«, fragte er verwundert.

»Nein, ein Kamerad hat mich mit dem Wagen hergebracht.« Einige von Tanjas Klassenkameraden, die schon achtzehn waren, hatten bereits den Führerschein, und deshalb klang die Ausrede durchaus plausibel. »Sie haben heute ein Telefongespräch für mich entgegengenommen?«

»Ja, richtig, Fräulein Tanja«, bestätigte der Butler.

»Es wäre mir lieber, wenn Papa nichts davon erfährt.«

»Selbstverständlich, Fräulein Tanja. Wenn Sie es nicht wünschen, werde ich nichts davon erwähnen.«

»Danke.« Auf die Verschwiegenheit des Butlers war absolut Verlass, das wusste Tanja. »Wo steckt Papa überhaupt?«

»In Kiel, Fräulein Tanja. Herr Camphaus hat vorhin angerufen und mich gebeten, Ihnen auszurichten, dass es sehr spät werden kann, bis er zurückkommt. Er hat ein geschäftliches Treffen wahrzunehmen, das länger dauern wird. Aber bis morgen, soll ich bestellen, wird er bestimmt zurück sein.«

»Das ist ja die Hauptsache«, meinte Tanja. »Ich habe übrigens keinen Hunger! Es war wieder der totale Stress in der Schule. Ehrlich, ich bringe jetzt nichts hinunter. Ich esse später eine Kleinigkeit.«

Sie flüchtete in ihr Zimmer.

Das unvermutete Wiedersehen mit Jens hatte Tanja furchtbar durcheinandergebracht. Sie war richtig froh darüber, dass ihr Vater in Kiel durch seine Geschäftsfreunde aufgehalten wurde, und sie hoffte, dass es sehr spät wurde, bis er zurückkam.

♥♥♥

Christian Camphaus kam erst kurz nach Mitternacht aus Kiel zurück.

Die Villa lag dunkel und still in der Nacht. Auch in Tanjas Zimmer brannte kein Licht mehr.

Camphaus bemühte sich, leise zu sein. Niemand wartete auf ihn. Er hatte dem Butler ausdrücklich gesagt, dass er nicht auf ihn zu warten brauche. Er hoffte, dass seine Anweisungen in Bezug auf Tanjas Geburtstag befolgt worden waren. Er warf einen kurzen Blick in das Frühstückszimmer und nickte zufrieden vor sich hin. Es sollte ein wunderbarer Geburtstag werden.

Er ging gleich in sein Zimmer, denn er war abgespannt und müde. Geschäftliche Treffen waren nie erholsam, und die Fahrt war sehr anstrengend gewesen. Nachtfahrten machten Christian Camphaus normalerweise nichts aus, aber die Fahrbahn war vereist gewesen, und streckenweise hatte Bodennebel gefährlich die Sicht behindert.

Der Mann war so erschöpft, dass er sofort einschlief.

Leider schlief er sehr unruhig und schreckte wiederholt aus bösen Träumen auf.

Alle diese Träume beschäftigten sich mit Tanjas Geburt, als habe das Rad der Zeit sich in seinen Träumen um achtzehn Jahre zurückgedreht.

Es war Christian Camphaus im Laufe der Zeit zwar gelungen, die schmerzlichen Erinnerungen aus seinem wachen Bewusstsein zu verdrängen, aber in seinen Träumen kehrten sie oft wieder.