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Dieser Band enthält die Romane: (249) Das Geheimnis des Blutes Im Bann der Satanskinder „Ich muss fort!“, sagte er, und als sie überrascht aufsah, schlug er wie schuldbewusst die Augen nieder. „Jetzt noch?“, fragte sie ungläubig. Ein Blick auf die große Wanduhr, die noch aus ihrer Kindheit stammte. Sie hatte sie immer geliebt, obwohl sie so groß war wie sie damals. „Leider dringend“, wich er aus. „Aber wieso hast du die ganze Zeit nichts gesagt? Ich dachte, wir machen uns einen gemütlichen Abend und…“ Aber dann winkte sie ab und ergänzte leichthin: „Nun, ich weiß ja, wie das so geht bei dir. Ich hätte mich halt nicht auf einen Professor einlassen dürfen.“ Wenn sie ihn so betrachtete, musste sie allerdings zugeben, dass Professor Kay Fisher keineswegs wie ein sogenannter ordentlicher Professor aussah. Mit seinem jungenhaften Charme, seiner sportlichen Erscheinung und seinem geschickten Umgang mit Menschen wirkte er eher wie ein Tennisprofi.
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Seitenzahl: 216
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Spuk Thriller Doppelband 2027
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Das Geheimnis des Blutes
Im Bann der Satanskinder
Dieser Band enthält die Romane:
Das Geheimnis des Blutes
Im Bann der Satanskinder
„Ich muss fort!“, sagte er, und als sie überrascht aufsah, schlug er wie schuldbewusst die Augen nieder.
„Jetzt noch?“, fragte sie ungläubig. Ein Blick auf die große Wanduhr, die noch aus ihrer Kindheit stammte. Sie hatte sie immer geliebt, obwohl sie so groß war wie sie damals.
„Leider dringend“, wich er aus.
„Aber wieso hast du die ganze Zeit nichts gesagt? Ich dachte, wir machen uns einen gemütlichen Abend und…“ Aber dann winkte sie ab und ergänzte leichthin: „Nun, ich weiß ja, wie das so geht bei dir. Ich hätte mich halt nicht auf einen Professor einlassen dürfen.“
Wenn sie ihn so betrachtete, musste sie allerdings zugeben, dass Professor Kay Fisher keineswegs wie ein sogenannter ordentlicher Professor aussah. Mit seinem jungenhaften Charme, seiner sportlichen Erscheinung und seinem geschickten Umgang mit Menschen wirkte er eher wie ein Tennisprofi.
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Der große, stattliche Mann, der trotz seiner scheinbaren Jugend schon leicht angegraute Schläfen hatte, kam direkt auf Emily Stuart zu. Sie hatte sich nach dem heute etwas früheren Feierabend zu einem kleinen Spaziergang in der Fußgängerzone entschlossen, um das heute trotz der kalten Jahreszeit ausnahmsweise sehr schöne Wetter zu nutzen. Obwohl die Sonne bereits untergegangen war, was ja typisch war für diese Jahreszeit. Allein befand sie sich hier im hellen Schein der Straßenbeleuchtung, inmitten geschäftig dahin eilender Menschen. Mit wem hätte sie den Spaziergang auch machen können?
Und jetzt begegnete sie ihm. Nicht irgendwem, sondern ausgerechnet diesem Mann, den sie erst verhältnismäßig kurz kannte und nach dem sie sich dennoch so sehr sehnte, wenn er nicht bei ihr sein konnte.
Purer Zufall. Ein glücklicher Zufall, wie sie fand.
Sie blieb stehen, in Vorfreude der Überraschung, die sich bald auf seinem markanten Gesicht abzeichnen würde. Er würde sie hier in der Fußgängerzone genauso wenig erwarten, wie sie ihn erwartet hatte.
Nur noch vielleicht zehn Schritte. Er schaute überhaupt nicht in ihre Richtung.
Bitte, blick doch auf!, wünschte sie sich.
Sie musterte die hochgewachsene, sportliche Gestalt. An der Art, wie er sich bewegte, merkte man, dass er sozusagen von Kopf bis Fuß durchtrainiert war. Obwohl gleich eine unnatürliche Blässe auffiel, als hätte er seit Jahren zu wenig Sonne abbekommen. So allerdings mochte ihn Emily Stuart. Er war ihr Traummann, und sie hatte sich auf Anhieb in ihn verliebt - vor zwei Monaten abends auf dem Stadtfest. Gern schloss sie immer wieder die Augen, um in Erinnerung an diese erste Begegnung mit ihm zu schwelgen: Er hatte sie sofort bemerkt, und sie hatte in seinem Blick gelesen, wie sympathisch sie ihm war. Dennoch hatte er sich ihr nicht sogleich genähert. Das hatte lange auf sich warten lassen, weil er nicht aufdringlich erscheinen wollte. Erst hatte sie ihm ein aufmunterndes Lächeln schenken müssen - irgendwann im Verlauf des Abends, an dem er stets in ihrer Nähe geblieben war. Dieses Lächeln hatte alle Schranken zwischen ihnen niedergerissen. Er war gekommen, ebenfalls lächelnd, und hatte sich einfach vorgestellt: „Julian Venturato!“
Überrascht hatte sie ausgerufen: „Oh, Sie sind Italiener?“ Dabei hatte er überhaupt nicht viel Südländisches an sich, außer dem sehr dunklen, glatt zurückgekämmten Haar. Aber bei dem beinahe schon unnatürlich bleichen Gesicht…
Er hatte den Kopf geschüttelt.
„Nein, wieso? Hätten Sie etwas dagegen?“
„Natürlich nicht“, antwortete sie verlegen. „Es ist nur - wegen Ihrem Nachnamen.“
Er lachte herzlich. „Gewiss, der klingt sehr italienisch. Aber das hat wenig mit mir zu tun, denn daran ist wohl irgendein mir unbekannter Vorfahr schuld.“
So waren sie ins Gespräch gekommen. Die Stunden waren wie im Flug vergangen. Schon am nächsten Abend, nach Einbruch der Dunkelheit, hatten sie sich wieder getroffen - ebenfalls auf dem Stadtfest, das da beschlossen wurde.
Die letzten beiden Monate waren die glücklichsten ihres Lebens geworden, und oft hatte sie das Gefühl, sie sei schon immer mit Julian verbunden gewesen - aufs Tiefste! Obwohl sie sich niemals am Tag getroffen hatten, sondern immer nur nach Einbruch der Dunkelheit.
Schon öffnete sie den Mund, um seinen Namen zu rufen, weil er jetzt direkt vor ihr war und sie immer noch nicht bemerkt hatte. In diesem Augenblick schaute er auf. Ihre Blicke begegneten sich. Etwas Seltsames geschah: Sie sah sein Erschrecken. Sofort wandte er den Blick ab und… ging grußlos an ihr vorbei.
Sie stand da, wie vom Donner gerührt, unfähig, zu reagieren. Erst nach Sekunden konnte sie sich umdrehen. Da ging er. Auf einmal hatte er es sehr eilig, und die hübsche Brünette in seiner Begleitung, mit dem strenggeschnittenen Kostüm, wurde von ihm zusätzlich zur Eile ermahnt. Das war deutlich zu sehen.
Ja, die Brünette war Emily erst gar nicht aufgefallen, denn sie hatte nur auf ihren Julian geachtet.
Ihr Julian?
Wer war sie? Warum dieses Erschrecken in seinem Gesicht?
Emily war völlig durcheinander. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Was hatte dies zu bedeuten? Es war ganz offensichtlich, dass es Julian sehr unangenehm gewesen war, ihr hier zu begegnen. Gestern Nacht noch war er bei ihr gewesen. Sie hatten wunderbare Stunden voller Zärtlichkeit miteinander verbracht, bevor er wieder gegangen war.
Tränen verschleierten ihren Blick. „Dieser Heuchler!“, schluchzte sie. Passanten, die in diesem Moment an ihr vorbeigingen, schauten überrascht auf. Es war ihr egal. Emily ballte die zarten Hände zu Fäusten. Sie war hin und her gerissen zwischen und Schmerz und Trauer.
Julian hatte sie hintergangen. Er hatte sich mit den Worten verabschiedet: „Bis nächste Woche, Liebes! In den kommenden Tagen bin ich leider geschäftlich unterwegs. Ich weiß noch nicht, wie lange es dauern wird. Freu dich auf meinen Anruf!“
„Ja, ich freue mich!“ Sie hatte sich verliebt an ihn geschmiegt. „Obwohl ich dich nicht gern gehen lasse. Mir wäre es am liebsten, wir würden nie mehr auseinandergehen!“
„Mir auch!“
Sie schloss die Augen. Wie hatte er ihr nur ein solches Theater vorspielen können? Wie konnte ein Mensch nur so gemein sein? Für Emily Stuart ging eine wunderbare Welt in Scherben. Was zurückblieb, das waren hässliche Scherben.
*
Emily wusste gar nicht, wie sie danach den Nachhauseweg geschafft hatte. Sie stand vor dem hohen Spiegel in der Diele und betrachtete sich. Die Augen waren vom Weinen verquollen. Ihr Blick folgte den feinen Linien ihres Gesichtes. Emily mochte es nicht, stark Schminke aufzutragen. Sie war der Meinung, dass man es gar nicht sofort sehen sollte, dass sie geschminkt war.
Sie strich sich eine blonde Locke aus der Stirn und schüttelte das Haar im Nacken auf. Ihr Blick glitt tiefer. Sie war schlank und wirkte zierlich. „Sieht die Brünette vielleicht besser aus als ich?“, fragte sie unwillkürlich. Schade, sie hatte nicht so darauf geachtet - im Gegensatz zu sonst, wo ihr nichts dergleichen entging.
Emily wandte sich vom Spiegel ab, denn auf einmal kam sie sich abgrundtief hässlich vor. Julian - er hatte sie hinters Licht geführt. Von wegen Geschäftsreise. In Wirklichkeit trieb er sich mit einer anderen herum.
„All der falsche Schmus“, murmelte sie. Julian hatte sie enttäuscht und gedemütigt. Sie ging ins Wohnzimmer und ließ sich schwer in einen Sessel fallen. „Kein Wunder, dass er so erschrocken ist, als ich plötzlich vor ihm stand. Ich habe ihn ertappt. Dabei war das überhaupt nicht meine Absicht. Ich wollte doch bloß spazieren gehen. Wo ich mich doch so allein fühle, ohne ihn...“
Die Tränen kamen wieder, obwohl sie geglaubt hatte, nicht mehr zum Weinen fähig zu sein. Sie barg das Gesicht in den Händen und heulte hemmungslos. Immer wieder sagte sie dazwischen seinen Namen. Und dann: „Was soll ich bloß tun? Alles ist aus. Mein Gott, Julian, alles ist aus. Ich liebe dich doch so sehr. Jetzt weiß ich es ganz bestimmt. Ich kann nie mehr ohne dich leben. Nie mehr!“ Sie rollte sich ganz eng in den Sessel, als könnte sie in sich selbst hineinkriechen. „Am liebsten wäre ich tot!“
Das war es! Das war jetzt wirklich ihr Wunsch, und als sie es aus dem eigenen Munde hörte, erschrak sie darüber. Tot sein? Sterben, weil Julian mit einer anderen...? Nein, sie würde es nicht fertigbringen - auch nicht für den Mann, den sie aus ganzem Herzen liebte, und dann entstand irgendwo in ihr sogar ein Funken von Hoffnung: Vielleicht war es doch nicht so schlimm? Vielleicht irrte sie sich und Julian hatte mit der Brünetten überhaupt keine Absichten?
Sie sagte es laut: „Vielleicht ist sie seine Sekretärin, mit der er die Reise gemeinsam antreten muss? Und die Abreise hat sich ganz einfach in der Hektik der Vorbereitungen verzögert?“
Es war eine vage Möglichkeit, und sie kam ihr selber recht naiv vor. Aber sie begann dennoch, sich mit aller Kraft daran festzuklammern, denn das begründete ihre neue Hoffnung. Obwohl ihr dabei zweierlei schmerzlich bewusst wurde: „Ich kenne weder seinen Beruf, noch weiß ich, wo er eigentlich wohnt. Wenn ich ihn fragte, wich er mir aus, sagte höchstens: „Am anderen Ende der Stadt!“ und so. Einmal hat er die Andeutung gemacht von einem Büro in der Stadt. War dabei nicht auch die Rede von der Fußgängerzone gewesen, in der...?“
Sie brach ab, denn ihre Gedanken verwirrten sich. Wie hatte sie sich nur auf einen Mann einlassen können, der ihr zwei Monate eigentlich völlig fremd geblieben war? Er hatte sie besucht, wann immer es seine Zeit zugelassen hatte. Auf ihre Fragen hatte es keine Antworten gegeben. Sie hatte alles so akzeptiert, wie es abgelaufen war, ohne Murren. Wie hatte sie das alles nur zulassen können? Wie hatte sie sich überhaupt benommen? „Es ist kein Wunder, dass er mir nicht vertraut - so dumm, wie ich mich ihm gegenüber verhalten habe!“, schluchzte sie. „Was mag er nur von mir denken? Vielleicht glaubt er, ich würde auch mit anderen Männern so schnell Freundschaft schließen? Oh, Gott! Wie konnte es mir nur passieren?“
In der Diele klingelte das Telefon. Emily schreckte zusammen. War ihr Ruf erhört worden? Gab es diese geheimnisvolle Verbindung zwischen zwei Liebenden wirklich, dass der eine den Schmerz des anderen auch über große Entfernung verspürte? „Julian!“, rief sie zuversichtlich und sprang freudig erregt auf. All ihre Zweifel waren mit einem Mal wie weggewischt. Sie rannte zum Telefon und riss förmlich den Hörer von der Gabel.
„Julian?“, fragte sie bang.
„Nein, Emily, ich bin es - Patricia!“
Patricia?, grübelte Emily. Sie war so sehr verwirrt, dass sie eine Weile brauchte, um ihre Gedanken soweit zu ordnen, dass sie wieder wusste, wer das war: Ihre Freundin - eigentlich! Ja, in den letzten Wochen hatte sie sich gar nicht mehr mit Patricia getroffen. Sie war ihr richtiggehend aus dem Weg gegangen. Dabei hatten sie vorher häufiger zusammengesteckt.
Patricia war eine stets fröhliche, um nicht zu sagen ausgelassene junge Frau. Sie studierte Biologie. In den Semesterferien hatten sie sich kennengelernt, in dem Kaufhaus, in dem Emily als Fachverkäuferin arbeitete. Patricia hatte dort einen Ferienjob übernommen. Unwillkürlich stellte Emily sich ihre Freundin vor: großgewachsen und schlank, die Figur eines Mannequins, immer hochmodern gekleidet - manchmal sogar ein wenig verrückt. Sie hatte lange, dunkelblonde Haare, die sie manchmal im Nacken hochsteckte. Dann betonte das ihre ein wenig spitze Nase, was Patricia vorwitzig erscheinen ließ. Wenn dann auch noch ihre Augen schelmisch blitzten, konnte ihr kein Mensch auf der ganzen Welt mehr wegen irgendwas böse sein.
„Patricia?“, brachte Emily endlich hervor. „Du bist das?“
„Schade, dass du einen anderen erwartet hast. Wer ist Julian? - Ach ja, stimmt, das ist ja dein neuester Schwarm.“
„Schwarm?“, entrüstete sich Emily. „Ich - ich liebe ihn aus ganzem Herzen und...“
Sie brach ab, denn Patricia lachte respektlos: „Schon gut, Emily, ich wollte dich keineswegs beleidigen. War nicht so gemeint. Na, ich dachte mir, rufst einmal an. Du hast lange nichts mehr von dir hören lassen. Ich glaube, daran ist dein Julian schuld?“ Emily sagte nichts. Jetzt, wo von ihm die Rede war, kam der Schmerz wieder, und sie konnte ihn nicht unterdrücken, so sehr sie sich auch bemühte. Patricia merkte, was mit ihr los war: „Ist daran denn auch dein Julian schuld? Hast du deshalb seinen Anruf erwartet?“ Auch darauf gab Emily keine Antwort. Bis Patricia fragte: „Soll ich zu dir kommen?“
„Nein!“, rief sie erschrocken.
„Warum nicht, Emily? Glaubst du, Freundschaft ist nur gut in guten Zeiten? Das wäre eine schlechte Freundschaft. Ich will dir die Wahrheit sagen, Emily: Ich rufe in Wirklichkeit an, weil ich mir große Sorgen um dich mache. Das letzte Mal habe ich dich gefragt, was dein Julian von Beruf ist und wo er wohnt. Du hast es nicht gewusst, hast mir ausweichende Antworten gegeben. Dabei hast du ihn schon lange genug gekannt, finde ich, und er ging in deiner Wohnung ein und aus. Gewiss, ich glaube dir, dass du ihn liebst, denn sonst hättest du niemals so gehandelt, Emily. Niemand weiß besser als ich, was für ein guter und wertvoller Mensch du bist. Emily, dich wird kein Mann verderben - nicht so lange du eine gute Freundin hast, die immer für dich da ist - vor allem in schweren Stunden!“
Emily wusste nicht, warum sie solche Angst vor dem Besuch von Patricia hatte. War es, weil sie die Wahrheit zu sehr fürchtete? Dass sie auf einen Mann hereingefallen war, der sie nach Strich und Faden belogen und hintergangen und ausgenutzt hatte?
„Nein!“, schrie sie und knallte den Hörer auf die Gabel. Eine neue Tränenflut brach sich Bahn. Weinend rannte sie ins Wohnzimmer zurück und warf sich auf das Sofa. Sie drückte ihr Gesicht in die Zierkissen und konnte die Tränen doch nicht ersticken. „Oh, Julian, du bist der beste Mensch von der Welt. Du kannst niemandem etwas Böses antun, nicht wahr? Du liebst mich genauso wie ich dich. - Auch wenn alles gegen dich spricht, werde ich doch ewig zu dir halten!“
*
Patricia Denice ließ die Hand mit dem Hörer sinken. „Ich hab's geahnt!“, sagte sie düster. „Dieser Julian hat ihr den Kopf verdreht, und die arme Emily ist ihm in ihrer ahnungslosen Naivität völlig verfallen. Arme Emily, du bist einfach zu unerfahren. Mit mir hätte dieser Julian das nicht gemacht.“ Sie legte den Hörer auf. „Was tun?“ Kopfschüttelnd raufte sie sich die Haare. Eine Idee setzte sich in ihr fest. Sie zupfte ihr leichtes, bequemes Hauskleid zurecht und griff entschlossen wieder zum Telefonhörer. Die Nummer kannte sie auswendig.
Eine männliche Stimme meldete sich nach dreimaligem Läuten:
„Cobler!“
„Hallo, Ben!“
Er erkannte sie sofort an der Stimme:
„Wie denn? Patricia?“
„Ja, genau die bin ich.“
„Du rufst an?“, erstaunte er sich. „Bei mir?“
„He, warum denn nicht?“
„Sagtest du nicht das letzte Mal, ich sei wohl der einzige Mann auf der ganzen, weiten Welt, der für dich niemals infrage kommen könnte?“
„Ja, gewiss, Ben, aber das war doch nur ein Scherz gewesen.“
„Ach, Scherz nennst du das?“
„Du kennst mich doch, Ben. Ich wollte dich halt ein bisschen ärgern.“
„Dann höre mir jetzt mal gut zu: Du weißt genau, dass ich mit dir nichts im Sinn habe, solange ich nicht hundertprozentig weiß, dass Emily nichts von mir wissen will und nicht nur einfach so sagt...“
„Um die geht es ja gerade!“, unterbrach Patricia ihn.
„Um Emily?“
„Ja, Ben. Warum glaubst du, würde ich sonst anrufen? Mir ist schon klar, dass du auf mich sauer bist. Daran bin ich selber schuld, und ich möchte mich bei dir dafür entschuldigen, Ben. Es ist nur...“
„Was ist mit Emily? Heraus mit der Sprache!“
„Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?“
„Vor über zwei Monaten!“, antwortete er spontan.
„Was war inzwischen?“
„Ich habe ein paarmal angerufen. Als sie meine Stimme erkannte, hat sie jedes Mal aufgelegt. Was hat das zu bedeuten? Rufst du dessentwegen an?“
„Emily geht es gar nicht so gut, Ben, aber ich kann dir das nicht so am Telefon sagen.“
„Du willst bei mir hier auftauchen? Aha, dann ist das mit Emily nur wieder so ein übler Scherz von dir?“
„Nein, Ben, ich mache mir schrecklich Sorgen ihretwegen.“
Und dann erzählte sie ihm doch alles am Telefon, was sie wusste. Ben Cobler hörte ihr zu, aber nur, weil es um Emily ging. Er kannte sie schon seit ihrer Kindheit. Sie waren stets gute Freunde gewesen. Den ersten Heiratsantrag hatte er ihr gemacht, da waren sie beide gerade erst sieben Jahre alt gewesen. Emily hatte ihn damals ausgelacht. Den zweiten Heiratsantrag hatte er ihr mit vierzehn gemacht. Da hatte Emily zwar nicht gelacht, aber sie hatte ihm abermals einen Korb gegeben. Er erinnerte sich daran, als wäre es erst gestern geschehen. Er hatte danach betroffen zu Boden geschaut. Da hatte sie seine Hände ganz fest in die ihren genommen und gewartet, bis er wieder den Kopf hob. Sie hatte in seinen Augen geforscht und gesagt:
„Wir sind die besten Freunde von der Welt, du und ich - Emily und Ben. Ich weiß genau, dass ich mich auf dich verlassen kann - für immer. Und genauso wirst auch du dich auf mich verlassen können. Wann immer wir in Not geraten, ist stets der eine für den anderen da. Dies ist ein heiliges Versprechen.“
„Dann willst du mich vielleicht doch...?“, hatte er hoffnungsfroh gefragt.
Sie hatte sehr ernst den Kopf geschüttelt: „Freundschaft ist das Wertvollste, das es gibt. Glaube mir, lieber Ben. Und deshalb möchte ich niemals deine Geliebte oder gar deine Frau werden. Du wirst eines Tages die Frau deines Lebens kennen und lieben lernen. Du wirst mit ihr glücklich werden - so lange es mit euch beiden gutgeht. Aber ich werde stets und für immer deine beste Freundin bleiben - für dich da, wann immer dich Kummer bedrückt.“
Seitdem hatte er es nie mehr gewagt, ihr einen Antrag zu machen. Denn er wusste, dass es sinnlos war. Obwohl er andererseits die Hoffnung niemals aufgegeben hatte. Wann immer er ein Mädchen kennengelernt hatte, hatte er sie unwillkürlich mit Emily verglichen. Und so war er eigentlich unfähig geblieben, eine andere zu lieben. Jedes weibliche Gesicht, das er ansah, wurde überschattet von dem Gesicht seiner Jugendfreundin Emily, das für ihn das reinste Engelsgesicht war.
Und jetzt hörte er eine solche Geschichte. Und was das Schlimmste war: Emily hatte ihr Wort gebrochen - ihm gegenüber. Sie hatten sich geschworen, auf ewig füreinander da zu sein. Jetzt war sie in Not - und hatte geschwiegen. Sie tat ganz so, als sei er für immer aus ihrem Leben geschieden.
*
Julian Venturato kannte sehr wohl seine Wirkung auf Frauen. Wenn er ehrlich gegenüber sich selbst war, musste er auch zugeben, dass er oftmals in der Vergangenheit diese Wirkung leidlich genutzt hatte. Ein Freund hatte ihm dessentwegen einmal Vorhaltungen gemacht. Julian hatte sich damit herausgeredet:
„Was willst du überhaupt? - Ich mache Frauen glücklich!“
„Aber doch nur vorübergehend, Julian! Danach brichst du ihre Herzen und stürzt sie in großes Unglück. Kannst du das wirklich verantworten?“
Nein, das konnte er nicht, und er hatte über dieses Gespräch immer wieder nachgedacht. Das hatte ihn reifen lassen. Es hing mit seiner letzten Frau zusammen, von der er inzwischen längst geschieden war: Sie hatte ihn immer wieder betrogen. Obwohl sie doch beide von der gleichen Art waren.
Von der gleichen Art…
Das dunkle Geheimnis, das sie vor aller Welt hüten mussten. Obwohl man doch hätte annehmen müssen, dass genau dieses sie besonders zusammenschweißen sollte. Und wenn er es herausbekommen hatte, wie sehr sie ihn betrog, hatte sie es einfach bestritten. Eines Tages dann, als er ihr wieder auf den Kopf zugesagt hatte, dass andere Männer im Spiel waren, hatte sie aufgehört zu leugnen - und das war dann der Anfang vom Ende gewesen. Irgendwann war der Schmerz für ihn zu groß geworden, und er hatte freiwillig das Feld geräumt.
Sie hatte klar gegen den Kodex verstoßen mit ihrer Verhaltensweise, aber doch nicht so sehr, dass er sie hätte zur Rechenschaft ziehen können. Schließlich spielte sie ja nur mit den Männern, ohne ihnen ein Leid anzutun. Außer ihm. Als er dann Tage später wieder genügend Mut zusammen hatte, wieder in das Haus zurückzukehren, das er eigenhändig geplant und gebaut hatte, war sie sehr schroff ihm gegenüber gewesen. Sie hatte ihm klar gemacht, dass sie ihn nie wiedersehen wollte.
Die Scheidung war unausweichlich geworden, und dabei hatte sie seinen desolaten Gemütszustand rigoros ausgenutzt, um das Haus zu behalten. Eine weitere Demütigung, wenngleich die letzte, die er über sich hatte ergehen lassen müssen.
Anfangs hatte Julian Venturato dennoch geglaubt, darüber verrückt zu werden. Mehrmals hatte er sogar mit dem Gedanken gespielt, sich das Leben zu nehmen. Was in seinem Fall nicht einfach gewesen wäre. Denn niemand ahnte auch nur, wie alt er in Wirklichkeit war. Nicht so jung jedenfalls, wie er aussah. Nur die ergrauten Schläfen waren ein verräterisches Zeichen. Und Julian Venturato hatte eben, um sich auf sehr dumme Weise „seine Männlichkeit zu beweisen“, eine recht fragwürdige „Karriere“ als Frauenheld begonnen. Obwohl das ganz und gar nicht zu seinem Charakter passte, im Grunde genommen.
Inzwischen hatte er sich geschworen, dass er gefühlsmäßig nie mehr von einer Frau so abhängig werden würde wie von seiner ehemaligen Ehefrau. Er wollte diese Demütigungen nie mehr ertragen müssen. Keine Frau sollte ihn jemals wieder so enttäuschen dürfen.
Er blieb stehen und schloss die Augen.
„Arme Emily!“, sagte er.
„Emily?“, echote seine Begleiterin überrascht.
Er öffnete die Augen wieder und schaute in ihr hübsches Gesicht. Darin las er leise Sorge.
Er lachte. „Ach, nichts, Miss Sobster!“
Sie glaubte ihm nicht. Das sah er ihr deutlich an. Aber es war ihm letztlich egal. Emma Sobster war seine Sekretärin. Über sein Privatleben wusste sie praktisch gar nichts, und sie fragte auch nicht mehr, wieso er eigentlich nur nach Einbruch der Dunkelheit im Büro auftauchte und überhaupt tagsüber grundsätzlich keinerlei Termine wahrnehmen wollte.
Julian Venturato hatte es dennoch beruflich geschafft. Ein erfolgreicher Architekt, der so viele Aufträge bekam, dass er auswählen konnte. Nur die interessantesten Objekte kamen für ihn infrage. Obwohl er an ihnen selber ausschließlich nachts arbeitete, gemeinsam mit seinem besonders ausgewählten Team von Spezialisten, während eben tagsüber nur seine persönliche Sekretärin Emma Sobster die Stellung hielt.
Sie gingen weiter. Einmal nur warf er einen scheelen Blick auf seine Sekretärin Emma Sobster. Sie war sehr überrascht gewesen, als er sie so unerwartet zu einem Tässchen Kaffee eingeladen hatte. Deshalb waren sie gemeinsam unterwegs, und Julian Venturato war sich bei Emma Sobster sicher, dass sie sich ansonsten nichts dabei dachte: Sie war gern seine Sekretärin. Privat hatte sie ihren Verlobten, und Julian Venturato wusste, dass in Kürze schon die Hochzeitsglocken für die beiden läuten würden.
Tut mir leid!, dachte er, aber ich werde Emily eine Erklärung geben müssen. Schließlich hat sie uns beide zusammen gesehen. Es war für mich ein gelinder Schock gewesen, wo ich doch behauptet hatte, ich sei geschäftlich unterwegs. Ja, tut mir leid, aber ich werde Emily erklären, dass wir beide Mann und Frau sind!
Die Geschäftsreise war nur eine Ausrede gewesen, denn er befürchtete, sich mehr und mehr an Emily Stuart zu verlieren.
Nein, das darf mir nicht passieren! Ich mag Emily sehr. Das ist alles. Vor allem darf es nie zur wahren Liebe kommen. Allein schon deshalb, weil sie nicht von meiner Art ist. Und auch, weil ich mich schützen muss, damit mir das wie in meiner letzten Ehe niemals wieder passiert. Deshalb werde ich einfach behaupten, bereits verheiratet zu sein. Dann hat sich dieses Problem von allein gelöst.
Sie betraten ein Café und suchten einen freien Platz. Bei der folgenden geschäftlichen Besprechung, die sie ausnahmsweise einmal außer Haus vornahmen, war Julian Venturato nicht recht bei der Sache, denn er schielte immer wieder zur Tür, als erwartete er, dass noch jemand eintreten würde.
„Vielleicht jene - Emily?“, erkundigte sich Emma Sobster, und weil sie ihren bleichen Chef dabei sehr genau beobachtete, entging es ihr nicht, dass er erschrocken zusammenzuckte.
Aber Emily kam nicht. Etwas anderes hätte Julian eigentlich von seiner Freundin nicht angenommen. Emily war sicher viel zu diskret, um ihn einfach zu verfolgen. Und dann begann er, sich doch Sorgen um sie zu machen. Sie hatte sehr schlimm reagiert, als er einfach an ihr vorbeigegangen war. Wie würde sie es überhaupt aufnehmen, wenn er behauptete, Emma Sobster sei seine Ehefrau? Er hatte ihr gegenüber weder das Geschäftliche, noch das Private jemals so richtig angesprochen.
Emily, du vertraust mir. Vielleicht… liebst du mich sogar? Fast bedauere ich es, dass ich dich niemals richtig lieben kann - und darf!
„Was ist eigentlich los mit Ihnen, Chef?“, fragte seine Sekretärin respektlos. „Das war doch vorher nicht so. Es ist, als hätten sie unterwegs ein schlimmes Erlebnis gehabt. Wieso habe ich nichts davon bemerkt?“
Er wich ihrem Blick aus. „Entschuldigen Sie bitte, Miss Sobster. Ich mache mir jetzt wirklich Vorwürfe Ihretwegen. Aber...“
„Wer ist diese Emily? Sie hätten sie einfach mitnehmen sollen und...“
„Das verstehen Sie nicht, Miss Sobster.“ Eine steile Falte war auf seiner Stirn erschienen. „Emily - das ist eine Frau, der ich besser niemals begegnet wäre. Vielleicht nicht nur heute in der Fußgängerzone?“
*
Patricia holte Ben mit ihrem kleinen Wagen ab, da Bens Auto in der Werkstatt war.
Ben stand schon vor der Tür des Apartmentgebäudes, in dem er wohnte.
Patricia fuhr ihm fast über die Füße. Er sprang erschrocken zurück.
Patricia lachte. Sie hatte sich darauf verlassen können, dass Ben schnell genug reagieren würde. Er war ein sehr sportlicher junger Mann, der schon viele Preise gewonnen hatte. Patricia imponierte das, obwohl sie es niemals offen zugegeben hätte. Ganz im Gegenteil nutzte sie jede Gelegenheit, Ben damit aufzuziehen und ihm klarzumachen, dass sie so muskulöse Männer einfach nicht ausstehen konnte. Angeblich!
Das ärgerte ihn jedes Mal. Aber Ben war keineswegs auf den Kopf gefallen und auch nicht auf den Mund, und so kam es, dass sie sich stets gegenseitig aufzogen, wann immer sie zusammen waren. Emily hatte sich schon oft darüber beschwert und immer wieder alles getan, dass die beiden sich nicht mehr trafen. Aber wie der Zufall es wollte, waren sie viel öfter zu dritt gewesen, als es Emily lieb gewesen sein konnte. Vielleicht war es gar kein Zufall gewesen, und die beiden waren sich absichtlich immer wieder bei Emily begegnet? Keiner der beiden hätte es je zugegeben. Sie taten überzeugt, sich gegenseitig nicht ausstehen zu können. Jetzt trafen sie sich ja auch nur, weil sie Emily helfen wollten, nicht wahr?
Patricia stieß die Beifahrertür auf und rief: „Komm schon, Trottel. Ich stehe hier im Parkverbot.“
Er stieg ein. „Absolutes Fahrverbot wäre für dich viel besser!“, sagte er dabei.
„Wie meinst du das?“
„Frau am Steuer - igitt!“
„Na warte!“ Sie gab kräftig Gas, dass die Reifen quietschten. So brausten sie davon.
Ben zeigte keine Furcht. Er schnallte sich an und lachte herzlich. „Wem willst du denn jetzt deine Fahrkünste beweisen? Mir vielleicht?“ Ärgerlich ging sie mit dem Gas wieder herunter. Er schaute sich in dem kleinen Auto um. „He, der ist doch nicht etwa neu? Ich jedenfalls habe ihn noch nicht bei dir gesehen.“
„Nein, neu ist er nicht. Es ist das Auto von meiner Mutter. Sie hat ein neues bekommen und das hier an mich abgetreten.“
„So eine Mutter müsste ich auch mal haben.“
In dieser Beziehung war Patricia sehr empfindlich - wenn man sie auf ihre Herkunft im reichen Haus ansprach. Vor allem, wenn Ben es tat. Sie wusste, dass Ben Cobler von zu Hause aus nicht so betucht war. Er hatte Eltern, die recht bescheiden leben mussten, um ihrem Sohn das Studium zu finanzieren. In wenigen Monaten würde er jedoch sein Staatsexamen machen, und dann würde er seinen guten Eltern wieder zurückzahlen können, was sie ihm unter vielen Entbehrungen gegeben hatten.
Etwas, worum Patricia Ben sehr beneidete, denn sie wusste genau, dass ihre Eltern nicht zu sparen brauchten, und sie würde sich schon sehr anstrengen müssen, um jemals nach ihrem Studium so wohlhabend zu werden wie sie es heute schon waren.
Ben wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Tut mir leid, aber du hattest das verdient, nachdem du mir das letzte Mal...“
„Ich habe mich doch bei dir dafür entschuldigt, oder?“, fragte sie schnippisch.