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Dieser Band enthält folgende Romane von Carol East: Sie tanzte für das Böse Das andere Ich Briefe aus der anderen Welt Der Hund der Sara May Im Jahre des Herrn 1192: Das mittelalterliche Schloß Grey Mountain lag schweigend im Dämmerlicht. Die Schatten der Nacht krochen zu ihm hin, und es schien, als wollte es sich ihrer erwehren, um wenigstens den letzten Rest von schützendem Tageslicht zu erhalten. Aber die Schatten siegten. Sie bekamen Unterstützung von einer finsteren Wolke, die träge über den Himmel schwamm, und ihr Schatten verbündete sich mit den Schatten der Nacht, die das Schloß überfielen wie ein hungriges Untier. Die Augen der weißen Frau, die dies alles beobachteten, verrieten keinerlei Gefühl. Sie blickten kalt. So kalt, wie ihr weißes Gesicht erschien. Ihr helles, luftiges Kleid wehte im aufkeimenden Wind. Und sie sah mit ihren kalten Augen, wie sich das Schloß durch die Schatten der Nacht verwandelte - in eine Stein gewordene Bedrohung. Und gleichzeitig mit der Verwandlung des Schlosses verwandelte sich auch die wunderschöne, weiße, kalte Frau. Sie wurde zu einem jungen Mann in schwarzem Anzug. Er hatte sich herausgeputzt wie zu einem besonderen Fest. Und es gab dieses besondere Fest in der Tat: Die Nacht war dem Tag gewichen, an dem seine Hochzeit gewesen war! Er ging auf das jetzt düster und bedrohlich wirkende Schloß zu, das auf dem schroffen, grauen Felsklumpen hockte wie eine Krallenhand, die sich einen Stein greift.
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Spuk Thriller Viererband 4003
Copyright
Sie tanzte für das Böse
Das andere Ich
Briefe aus der anderen Welt
Der Hund der Sara May
Dieser Band enthält folgende Romane
von Carol East:
Sie tanzte für das Böse
Das andere Ich
Briefe aus der anderen Welt
Der Hund der Sara May
Im Jahre des Herrn 1192: Das mittelalterliche Schloß Grey Mountain lag schweigend im Dämmerlicht. Die Schatten der Nacht krochen zu ihm hin, und es schien, als wollte es sich ihrer erwehren, um wenigstens den letzten Rest von schützendem Tageslicht zu erhalten. Aber die Schatten siegten. Sie bekamen Unterstützung von einer finsteren Wolke, die träge über den Himmel schwamm, und ihr Schatten verbündete sich mit den Schatten der Nacht, die das Schloß überfielen wie ein hungriges Untier.
Die Augen der weißen Frau, die dies alles beobachteten, verrieten keinerlei Gefühl. Sie blickten kalt. So kalt, wie ihr weißes Gesicht erschien. Ihr helles, luftiges Kleid wehte im aufkeimenden Wind. Und sie sah mit ihren kalten Augen, wie sich das Schloß durch die Schatten der Nacht verwandelte - in eine Stein gewordene Bedrohung. Und gleichzeitig mit der Verwandlung des Schlosses verwandelte sich auch die wunderschöne, weiße, kalte Frau. Sie wurde zu einem jungen Mann in schwarzem Anzug. Er hatte sich herausgeputzt wie zu einem besonderen Fest.
Und es gab dieses besondere Fest in der Tat: Die Nacht war dem Tag gewichen, an dem seine Hochzeit gewesen war!
Er ging auf das jetzt düster und bedrohlich wirkende Schloß zu, das auf dem schroffen, grauen Felsklumpen hockte wie eine Krallenhand, die sich einen Stein greift.
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"Es ist vollbracht!" sagte das Gesicht draußen vor dem Fenster des fahrenden Zuges und wollte noch etwas hinzufügen, aber Jane Reed schrie entsetzt auf und - erwachte.
Die Mitreisenden schauten sie irritiert an. Ihr war das peinlich, aber sie konnte es jetzt nicht mehr rückgängig machen.
Anscheinend war sie eingeschlafen und hatte schlecht geträumt.
Sehr schlecht sogar!
Zögernd schielte sie zum Zugfenster zu ihrer Rechten. Die Nacht war hereingebrochen. In der Ferne zogen einsame Lichter vorüber. Die leisen Gespräche der Mitreisenden, die ihr Interesse an Jane wieder verloren zu haben schienen, wirkten durch das monotone Rattern der Räder auf ihren eisernen Schienen verzerrt und unwirklich.
Bald bin ich wieder daheim, dachte Jane, um sich wieder zu beruhigen.
Daheim?
Ihre Unruhe und auch Angst waren nicht ganz unbegründet. Kein Wunder, wenn sie plötzlich einschlief und dabei Alpträume bekam. Viele Jahre war sie nicht mehr in ihrer Heimatstadt gewesen. Warum hätte sie ihr auch nur einmal einen Besuch abstatten sollen? Nachdem ihre Eltern nicht mehr lebten, gestorben, als Jane noch ein Kind gewesen war, und sich die Verwandten nie um sie gekümmert hatten...
Sie war im Waisenhaus der Stadt aufgewachsen. Dort hatte sie auch ihre große Jugendliebe kennengelernt: Frederic Squad.
Der Gedanke an ihn versetzte ihr einen Stich. Unwillkürlich verkrampfte sich ihre Hand in der Nähe des Herzens.
Frederic, was ist eigentlich aus dir geworden, in all den Jahren? Ja, vielleicht bist du der wahre Grund, warum es mich so zu meiner Geburtsstadt zieht? Obwohl ich dort eine freudlose Kindheit verbracht habe.
Aber du warst stets ein Lichtblick gewesen, Frederic. Wir haben uns geliebt, wirklich geliebt. Ich weiß es heute so deutlich wie nie zuvor. Aber du wirst mich wohl eher hassen als lieben - inzwischen. Weil ich dich damals verließ, sobald ich mein erstes Angebot als Tänzerin bekam.
Du hast es nicht verstanden, obwohl du das Gegenteil behauptet hast. Ich habe den Schmerz in deinen Augen gesehen - den Schmerz, mich für längere Zeit zu verlieren. Vielleicht sogar für immer? Trotz deinem jungenhaften Lachen, sah ich den Schmerz. Ich kann diese Augen, diesen Blick, nie mehr vergessen.
Bin ich deshalb auf dem Weg dorthin?
Sie schüttelte verwirrt den Kopf und schaute wieder zum Fenster.
Dieses Gesicht... Es war so real erschienen. Auf einmal war es dagewesen. Und es hatte deutlich gesagt: "Es ist vollbracht!"
Was ist vollbracht?
Sie schüttelte abermals den Kopf, daß die langen, seidig glänzenden Haare flogen.
Die Leute schauten wieder zu ihr hin. Deshalb tat sie so, als wollte sie ihre langen Haare nur in den Nacken schütteln, und griff danach.
Kurz legte sie sich die Hand in den Nacken. Das tat sie immer, wenn sie sich beruhigen wollte. Es wirkte.
Nein, hatte sie wirklich geschlafen? War das wirklich ein Alptraum gewesen?
Sie spähte hinaus, jetzt nicht mehr zögernd, sondern ganz offen. Irgendwie erwartete sie, daß dieses unheimliche Gesicht wieder auftauchte und weitersprach. Sie wollte wissen, was dieses Gesicht noch hatte sagen wollen, ehe sie es vertrieben hatte.
Das Gesicht kam nicht mehr.
Das Zug ratterte durch ein Waldgebiet. Die Bäume schienen immer näher zusammenzurücken, wie um den Zug aufzuhalten. Die Äste und Zweige waren wie schwarze Hände, und es schien nicht der Wind zu sein, der sie peitschte, sondern sie schienen wie selbständige Wesen nach dem Zug greifen zu wollen.
Weil Jane darin saß.
Sie zuckte zusammen. Der Alpdruck verschwand wieder.
Was ist bloß los mit mir? fragte sie sich bang. Werde ich allmählich verrückt?
Ein Wunder wäre das schließlich nicht, dachte sie voller Trauer. Es blieb damals nicht bei dem Angebot für ein kleines Ballett auf einer noch kleineren Bühne irgendwo in der Provinz. Es war nur eine Zwischenstation. Ich machte Karriere. Innerhalb von nur knapp drei Jahren war ich die international meist gefeierte Primaballerina. Es war wie ein wunderschöner Traum. Ich durfte tanzen und tat eigentlich Tag für Tag überhaupt nichts anderes mehr. Bis ich Thomas traf.
Er hatte so etwas Magisches. Er war ein Mensch, den man niemals mehr wieder vergaß, auch wenn man nur ein einziges Mal Kontakt mit ihm gehabt hatte.
Plötzlich stand er vor mir, als ich in meine Garderobe zurückkehrte. Ich war verschwitzt und mit meinen Kräften so ziemlich am Ende und wollte einfach nur meine Ruhe haben, sonst nichts. So sehr ich den Ruhm sonst auch genießen konnte: In diesem Augenblick wollte ich nur noch allein sein.
Aber die scharfe Anrede blieb mir sozusagen im Hals stecken. Es interessierte mich nicht mehr, wie er hier überhaupt hereingekommen war und was er sich außerdem erlaubte, hier auf mich zu warten...
Wortlos ging ich hinter die spanische Wand und zog mich dort aus. Ich frottierte mich mit einem Badetuch kräftig ab, von Kopf bis Fuß, wie ich es nach jedem Auftritt tat. Und dann verzichtete ich ausnahmsweise auf die erfrischende Dusche. Ich zog mir einfach nur frische Sachen an, die schon bereitlagen, und trat wieder vor ihn hin.
Er strahlte mich an: Ein schlank-muskulöser, braungebrannter Mann, sehr geschmackvoll gekleidet, mit einem gepflegten Schnurrbart und stahlblauen Augen, in denen man sich verlieren konnte.
Ja, es war wie Magie, daß sich Jane Reed vom ersten Augenblick an so zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Oder war es eher diese verblüffende Ähnlichkeit mit Frederic gewesen, ihrer großen Jugendliebe, die sie verleugnet hatte, nur um Karriere als Tänzerin zu machen?
Sie wußte in diesem Moment, daß sie niemals mehr von diesem Mann wieder loskommen konnte. Bis zum Lebensende. Obwohl sie ihn nicht einmal liebte.
Was war das sonst gewesen, wenn nicht... Liebe?
Er hatte es ihr gesagt, und sie hatte es geglaubt, vorbehaltlos: "Wir sind ganz einfach füreinander bestimmt, ganz ohne Wenn und Aber!"
Er hatte sie sanft am Arm genommen und sie vor den großen Spiegel geführt.
Da standen sie beide. Ein strahlendes Paar.
Ja, es war Jane so erschienen, als würde sie beide eine leuchtende Aura umgeben.
Beide waren brünett. Beide waren schlank und wirkten durchtrainiert. Jane dank des harten Trainings als Ballerina - und der Fremde?
"Siehst du, was ich meine?" fragte er sie und deutete mit dem Kinn in den Spiegel. Er legte den Arm um sie und zog sie sanft an sich, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Und Jane, die jahrelang nur das Tanzen im Kopf gehabt hatte, bei Tag und auch bei Nacht, wehrte sich nicht dagegen. Sie fühlte sich wie jemand, der aus einem Traum erwachte - um einen neuen Traum zu beginnen...
Nun, es wurde tatsächlich ein Traum, einer, wie man ihn schöner wohl niemals träumen konnte. Ein Traum wie vom Paradies auf Erden.
Dabei hatte sie nicht einmal ja gesagt, als sie Thomas Prescoll gefragt hatte: "Siehst du ein, daß wir keine andere Wahl haben, und willst du meine Frau werden?" Er hatte sie dabei gar nicht direkt angesehen, sondern nur durch den Spiegel. Sie hatte den Mund geöffnet, um wenigstens eine der mindestens tausend Fragen zu stellen, die ihr schlagartig in den Sinn gekommen waren, aber kein Laut hatte ihren bebenden Mund verlassen, und all diese Fragen waren auf einmal wie weggewischt gewesen.
Sie war Jane Prescoll geworden, ganz einfach so. Es war unglaublich schnell gegangen. Und sie war von der ersten Sekunde ihrer Begegnung an niemals mehr auch nur in die Nähe einer Bühne gekommen. Tanzen war für sie absolut tabu geworden. Selbst ihr Training war für sie sozusagen gestorben gewesen.
Alles, für das sie mit jeder Faser ihres Körpers und ihrer Seele hatte leben wollen, war schlagartig völlig ohne Bedeutung geworden.
Sie war von nun an nur noch Jane Prescoll gewesen, die Frau eines der reichsten Männer der Welt, eines Magnaten, der mindestens so geheimnisumwittert gewesen war wie reich.
Der absoluten Traumhochzeit war dieses Leben wie im Paradies gefolgt. Thomas Prescoll hatte ihr auch den geringsten Wunsch von den Augen abgelesen...
Aber sie hatte ihn niemals geliebt, niemals, keine Sekunde lang. Wenn sie mit ihm zusammengewesen war, hatte sie nicht an ihn gedacht, sondern an - Frederic.
Oh, Frederic, kannst du mir jemals verzeihen, was ich unserer Liebe angetan habe? Vielleicht nur - ein bißchen?
Der Zug ratterte dahin, der Wahrheit entgegen, und die Gedanken an die Vergangenheit verblaßten wieder.
Sie war jetzt sicher, daß es ihre jahrelang unterdrückte Sehnsucht nach Frederic war, die sie zu ihrer Geburtsstadt trieb - jetzt, da ihr Mann Thomas Prescoll so überraschend gestorben war.
Ich bin frei, Frederic, wieder frei. Einst entschied ich mich für den Tanz und gegen unsere Liebe. Dann entschied ich mich für das Leben im Paradies, an der Seite von Thomas Prescoll. Jetzt ist er tot, so überraschend gestorben wie für mich das Tanzen. Er legte sich abends ins Bett und wachte niemals mehr auf. Die Ärzte standen vor einem Rätsel, aber die genaue Untersuchung hat erwiesen, daß ich gegen jeden Verdacht erhaben bin.
Und jetzt bin ich auf dem Weg zu dir, Geliebter...
Darf ich das jemals wieder zu dir sagen: Geliebter?
Und da erschien das Gesicht wieder. Es war wie ein Reflex, nicht viel mehr. Und es verzerrte sich zu einem grausamen Lächeln, bevor es wieder verschwand.
* * *
Jane erreichte ihre Heimatstadt noch am selben Abend. Keinem hatte sie gesagt, daß sie überhaupt vorhatte, hierherzureisen. Das hatte sie nicht für nötig gefunden.
Was hielt sie noch dort, wo sie als Jane Prescoll gelebt hatte?
Nein, sie wollte es genauso zurücklassen wie einst die Tanzerei: Sozusagen von heute auf morgen.
Denn nachdem die Polizei ihr mitgeteilt hatte, daß sie gegen geglichen Verdacht erhaben war, hatte der feierlichen Beisetzung der sterblichen Überreste von Thomas Prescoll nichts mehr im Wege gestanden. Der Leichnam wurde freigegeben. Die ganze Zeremonie ging vorbei wie ein Alptraum, den man irgendwie hinter sich bekommt, ohne daß Einzelheiten im Gedächtnis hängenbleiben.
Überhaupt: Wenn Jane zurückdachte an die vergangenen Jahre, erschien ihr alles irgendwie unwirklich. Wenn sie davon erzählt hätte, wäre es ihr so vorgekommen, als würde sie aus dem Leben einer anderen erzählen.
Nein, nichts und niemand hatte sie mehr halten können.
Und jetzt stand sie hier auf dem Bahnhof ihrer Geburtsstadt, der sich in den Jahren ihrer Abwesenheit gewaltig verändert hatte. Alles war größer und moderner geworden, aber auch sauberer, um nicht zu sagen: steriler. Dabei hatte es nämlich das gewisse Etwas verloren, das nötig war, damit man sich wirklich daheim fühlte.
Jane kam sich ein wenig verloren vor, neben ihrem leichten Gepäck stehend. Sie war hierhergereist. Die Stadt war ihr Ziel gewesen. Und nun, wo sie hier stand, wußte sie eigentlich gar nicht mehr so recht weiter...
Sie hatte nur das Notwendigste mitgenommen, ganz entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten. Es hatte nicht schnell genug gehen können. Außerdem: Was sollte sie mit all den Dingen aus einem ganz anderen Leben, wenn sie sozusagen wieder ganz von vorn anfangen wollte?
Ganz von vorn anfangen? Ja, ging das denn überhaupt? Konnte man wirklich ungeschehen machen, was einst geschehen war?
Auf einmal hatte sie große Bedenken. Die ganze Zuversicht war vergessen. Das Gefühl der Verlorenheit verstärkte sich nur noch.
Sie schaute sich um. Es herrschte nur wenig Betrieb im Bahnhof, und es begegnete ihr kein einziges Gesicht, das ihr bekannt vorkommen konnte.
Da trat jemand aus dem Halbdunkel des Hintergrundes genau auf sie zu.
Jane erschrak, denn für einen Augenblick mußte sie annehmen, es sei der Geist ihres verstorbenen Mannes, aber der Fremde war viel älter und nur so ähnlich gekleidet.
Der Fremde lächelte sie aufmunternd an. Aber das beruhigte Jane keineswegs, denn der Mann bleckte dabei leicht die schneeweißen Zähne, und irgendwie erschien es Jane wie bei einem Raubtier, das zubeißen wollte.
Sie widerstand dem Impuls, die Flucht vor dem Fremden zu ergreifen. Dabei beruhigte sie sich mit dem Gedanken: Was könnte mir schon hier, in aller Öffentlichkeit, widerfahren?
"Willkommen in der alten Heimat, Mrs. Prescoll. Na, was sagen Sie zum Aufstieg dieses verschlafenen Nestes zu einer modernen Kleinstadt? Ich darf sagen, daß Ihr Mann daran nicht ganz unschuldig ist."
"Mein Mann?" echote Jane überrascht.
"Ja, gewiß doch. Wußten Sie das denn nicht?"
"Ich habe mich kaum um die Geschäfte meines Mannes gekümmert", wich sie aus.
Meines Mannes? Diese Worte zerdehnte sie in Gedanken und lauschte ihnen nach. Irgendwie klangen sie - unecht. Ja, gewiß, sie war Jane Prescoll, geborene Reed, unleugbar, vor dem Gesetz getraut.
Vor dem Gesetz! betonten ihre Gedanken, aber nicht vor Gott!
Es war das erste Mal, daß es ihr überhaupt bewußt wurde.
Sie war in einem sehr strengen Waisenhaus aufgewachsen. War das der Grund einer gewissen Flucht vor einem allzu christlichen Weltbild?
Jetzt bedauerte sie es zutiefst. Und außerdem störte es sie, daß der Fremde von ihrem Mann sprach, als würde der noch leben.
Sie fügte rasch hinzu: "Gott habe ihn selig!" und beobachtete die Reaktion des Fremden.
Der wirkte - erschrocken. Obwohl er sich halbwegs zu beherrschen verstand.
Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, aber kein weiteres Wort verließ seine bebenden Lippen.
Jane lächelte jetzt. Die Furcht fiel von ihr ab wie eine Last. Es beruhigte sie, daß es ihr gelungen war, den Fremden zu verunsichern - wie auch immer.
"Sie kannten meinen Mann? - Gott habe ihn selig!" Sie betonte die letzten Worte ganz besonders, und tatsächlich, sie hatte sich keineswegs geirrt. Es war die Erwähnung von Gott, schon die bloße Nennung des Begriffes, was in dem Fremden sichtliches Unbehagen erzeugte.
"Äh, ja, sehr gut sogar, gnädige Frau. Wir waren sozusagen gute Freunde, obwohl ich bei ihm sozusagen im Sold stand. Und er hat es mir sehr ans Herz gelegt, alles zu tun, um Ihnen zu helfen, wann immer Sie der Hilfe bedürfen."
"Dann möchte ich mich in aller Form bei Ihnen bedanken - allein für die noble Absicht. Allerdings, ich benötige gottlob nicht Ihre Hilfe, wenngleich ich gern darauf zurückgreifen werde, sobald sich Bedarf anmeldet."
Sie lächelte liebenswürdig, aber unverbindlich, nahm ihr leichtes Gepäck auf, nickte dem Fremden noch einmal grüßend zu und ging quer durch die Bahnhofsvorhalle. Ihre Schritte wirkten sicher und ließen keineswegs vermuten, daß sie im Grunde genommen immer noch nicht wußte, wohin sie sich tatsächlich wenden sollte.
Ich bin hierhergekommen, um mit allem abzuschließen, was zwischen meinem damaligen Abschied und heute geschehen ist, dachte sie in einem Anflug von Zorn. Und jetzt begegnet mir als erstes ein solcher Vertreter genau dieser Zeit dazwischen, die ich zu vergessen trachte.
Aber gerade dieser besondere Vertreter des zu verdrängenden Teils der Vergangenheit ließ sich ganz und gar nicht so leicht abschütteln. Er holte auf und wirkte dabei ganz aufgeregt.
"Um alles in der Welt, gnädige Frau, was habe ich denn falsch gemacht? Ich versichere Sie, daß ich völlig uneigennützig ganz und gar zu Ihren Diensten stehe. Ich war und bin ein großer Verehrer Ihres Mannes Thomas Prescoll, aber das ist nicht allein der Grund meiner Wertschätzung Ihnen gegenüber, Mrs. Prescoll. Sehen Sie es einfach als eine Art persönliche Verbundenheit. Es ist ganz sicher mehr als nur das übliche Beileid..."
Jane zeigte deutlich genug, daß sie sich absolut nicht für das interessierte, was der Fremde ihr zu sagen hatte, um ihn endlich wieder zum Verstummen zu bringen.
Da kann ja jeder kommen! dachte sie trotzig. Mein Mann war bei vielen bekannt, und es gibt mindestens zehntausend Menschen in aller Welt, die sich ungeniert rühmen, der beste Freund von ihm zu sein. Leider ist es nicht mehr möglich, ihn um Bestätigung zu bitten. Und letztlich interessieren mich die Freunde meines verstorbenen Mannes überhaupt nicht mehr. Hier will ich wieder Jane Reed sein. Jane Prescoll will ich hinter mir lassen. Da gibt es nichts, worauf ich stolz sein könnte. Ganz im Gegenteil. Ich habe begonnen, mich eher dafür zu - schämen. Wenn ich nur an Frederic denke...
Sie machte ein trotziges Gesicht, obwohl ihr im Moment eher zum Heulen zumute war.
Der Fremde war nicht nur einfach lästig, sondern in ihrer Vorstellung wurde er sozusagen zur Inkarnation von all dem Negativen, das sie zur Zeit in den Geschehnissen der letzten Jahre sah.
Jane schaute sich suchend um und entdeckte das Büro des Bahnhofsvorstehers. Dorthin wandte sie sich jetzt.
Der Fremde folgte aufgeregt. Er suchte anscheinend wieder nach Worten, um Jane irgendwie doch noch zu beruhigen und ihre grenzenlose Ablehnung seiner Person gegenüber zu überwinden, aber seine Lippen mahlten nur hilflos. Es fiel ihm offenbar nicht das Rechte ein.
Jane ließ vor der Eingangstür zum Büro ihr Gepäck einfach fallen und trat ein.
Der Bahnhofsvorsteher war noch da. Er saß hinter seinem antiken Schreibtisch, vertieft in einen wahren Berg von Papieren, und schreckte hoch, als Jane so unvermittelt vor ihm erschien.
Eigentlich war sie nur zu ihm gekommen, um sich offiziell und in aller Form über die Belästigung durch den Fremden zu beschweren. Aber: Endlich ein vertrautes Gesicht! dachte sie erfreut und lachte unwillkürlich. Es klang fast wie eine Befreiung.
Der Bahnhofsvorsteher stutzte. Und dann erkannte auch er Jane.
"Jane Reed, unsere Primaballerina!" entfuhr es ihm.
Er schlug prompt die Hand vor den Mund, als sei ihm etwas entschlüpft, was er im nachhinein als ungebührlich empfand.
Spontan streckte Jane ihre rechte Hand aus.
"Ich bin so froh, endlich ein vertrautes Gesicht zu sehen!"
Jetzt lachte auch er und ergriff zögernd Janes Hand.
"Mein Gott, Sie haben... haben sich ja überhaupt nicht verändert! Als wären Sie keine Minute älter geworden. Als wären Sie gerade erst abgereist und..." Er schöpfte tief Atem, und dann brach es in ehrlicher Freude aus ihm hervor: "Allerherzlichst willkommen - zurück in der alten Heimat, Miß Reed!"
Er erschrak.
"Oh, Verzeihung, Miß... äh... Ich muß ja jetzt sagen... äh..."
"Nein, nein, das paßt schon! Hier war ich Jane Reed, und ich bin eigentlich nur deshalb zurückgekommen, um es wieder zu werden. Ich bin Ihnen also keineswegs gram, wenn Sie mich nicht Mrs. Prescoll nennen. Ganz im Gegenteil."
Der alte Bahnhofsvorsteher drückte bewegt ihre Hand. Er schüttelte zum wiederholten Male den Kopf.
"Ich kann es einfach nicht fassen. Überhaupt nicht verändert, kein bißchen... Die ganze Stadt hat nur noch von Ihnen gesprochen, als Sie so berühmt wurden. Wir alle waren furchtbar stolz auf Sie. Aber dann... Es kam so plötzlich. Und dann stand es in allen Zeitungen. Sie haben geheiratet und gaben dafür alles andere auf. Wir waren regelrecht traurig darüber."
Schon wieder gewann er den Eindruck, eigentlich genau das Falsche zu sagen, und rief erschrocken aus: "Oh!"
Jane lachte herzlich.
"Nicht doch! Sie haben ja so recht. Sehen Sie es einfach als Schicksal an, daß alles so gekommen ist. Und so ist es nur logisch, daß ich wieder hier vor Ihnen stehe. Sie allein sollen entscheiden, was Ihnen lieber ist: Die junge Witwe Mrs. Prescoll - oder die wiedergeborene Miß Jane Reed!"
Auch er konnte wieder lachen.
"Das ist doch überhaupt keine Frage, Miß Reed. Noch einmal: Herzlich, herzlich willkommen! Ich glaube, es gibt keinen einzigen Menschen in der ganzen Stadt, der sich nicht über Ihr Kommen freut, wenn er es erfährt."
Jane winkte ab. "Das braucht's gar nicht." Sie zögerte. Dann sagte sie irgendwie traurig: "Naja, vielleicht gibt es ja doch einen, der sich absolut nicht darüber freuen kann?"
Er wußte sofort, wen sie meinte. Auch ohne Namen. War er doch dabei gewesen, damals, als Jane die Stadt verlassen hatte, hier, auf diesem Bahnhof. Niemals war sie zurückgekehrt, bis auf den heutigen Tag nicht.
Der Fremde, der Jane bei der Ankunft offenbar schon erwartet hatte, trat vor und räusperte sich verlegen.
Jane erinnerte sich erst jetzt wieder an ihn. Sie hatte ihn über die Wiedersehensfreude mit dem alten Bahnhofsvorsteher glatt vergessen.
Sie fragte sich auf einmal, woher dieser Fremde überhaupt gewußt hatte, daß sie hierhergefahren war? Nein, sie war hundertprozentig sicher, daß sie es niemandem gesagt hatte. Sie war völlig überraschend aufgebrochen. Ja, sie hatte sich regelrecht davongestohlen...
Aber dieser Mann hier - hatte sie ganz offensichtlich bereits erwartet...
* * *
Der alte Bahnhofsvorsteher kannte den Fremden. Das war nicht zu übersehen. Jane beobachtete genau seine Reaktionen. Erfreut war der Bahnhofsvorsteher nicht unbedingt, den Fremden hier in seinem Büro zu sehen. Aber er hatte offenbar auch nichts dagegen.
"Mr. Brooks?" fragte er statt einer Begrüßung.
Aha, der Fremde hieß also Mr. Brooks. Erst jetzt fiel Jane auf, daß der Mann sich nicht einmal vorgestellt hatte. Er hatte lediglich erwähnt, ein alter Freund ihres verstorbenen Mannes zu sein. Das war eigentlich schon alles. Also war Mißtrauen doch durchaus angebracht?
Und wer war dieser Mr. Brooks ansonsten? Das hieß: Welche Rolle spielte er inzwischen hier, in dieser Stadt?
Mr. Brooks nickte dem Bahnhofsvorsteher zur Begrüßung nur knapp zu und bemühte sich dabei um ein freundliches Lächeln.
"Nun, Mr. Owns, ich bin nur hier, um Mrs. Prescoll zu begrüßen und ihr meine unumschränkte Hilfe anzubieten. Ich sehe es als meine wichtigste Pflicht an, ihr sozusagen jeden Wunsch von den Augen abzulesen."
Endlich fiel Jane der komplette Name des alten Bahnhofsvorstehers wieder ein: John Owns.
"Ein etwas schwaches Versprechen, das Mr. Brooks hier gibt", wandte sie ungewollt schnippisch ein. "Würde er wirklich jeden Wunsch von meinen Augen ablesen wollen, hätte er gewiß den deutlichen Wunsch nicht übersehen, daß ich ganz ohne seine Hilfe auskommen will."
Eigentlich hätte Mr. Brooks jetzt beleidigt sein müssen. Das wäre zumindest eine einigermaßen normale Reaktion gewesen. Aber Mr. Brooks lächelte auch weiterhin freundlich und schaute dabei John Owns, den Bahnhofsvorsteher, und nicht Jane an.
Das empfand Jane wie eine Aufforderung an den Bahnhofsvorsteher, endlich für einen guten Leumund zu sorgen.
John Owns kam dem tatsächlich nach.
Er räusperte sich erst in die hohle Hand. Dann sagte er: "Nun, ich glaube, da liegt ein kleines Mißverständnis vor, Miss Reed. Ich nehme an, Sie kennen Mr. Brooks überhaupt nicht?"
"Nein, gewiß nicht, und er hat sich mir nicht einmal vorgestellt!"
"Tja, wissen Sie, Miss Reed, das tut mir ehrlich leid. Äh, nun, Mr. Brooks ist nicht nur der Haupteigentümer und Leiter des größten Hotels am Ort, sondern auch der offizielle Verwalter des Carmichael-Anwesens. Das ist hier allgemein bekannt. Soviel man sonst noch weiß, hat Ihr verstorbener Mann Thomas Prescoll dieses Anwesen vor Jahren schon erworben und total renovieren lassen. Es heißt hier, in der Stadt, daß er es ausschließlich Ihretwegen erworben hat, Miss Reed. Das bedeutet, jetzt gehört es ausschließlich Ihnen, und ich neige zu der Ansicht..." Sein Blick irrte zwischen Mr. Brooks und Jane hin und her. Er atmete tief durch und fuhr fort: "Ich neige zu der Ansicht, daß er Sie hier deshalb empfangen hat, um Ihnen das vielleicht mitzuteilen? Vielleicht sogar, um Ihnen das Anwesen persönlich übergeben zu können?"
"Das Carmichael-Anwesen?" echote Jane überrascht.
Ja, das war der offizielle Ausdruck dafür. Im Volksmund war es allerdings geblieben, was es ursprünglich gewesen war: Schloß Carmichael, Residenz des ehrwürdigen Lord Carmichael und seiner erlauchten Familie.
Obwohl es schon beinahe fünfzig Jahre her war, daß Lord Carmichael seinen Titel verloren hatte. Oder sollte man besser sagen: Er hatte ihn für Geld verkauft?
Aber das war mehr ein Gerücht gewesen. Beweise hatte niemand dafür.
Jedenfalls war es danach der Familie Carmichael nicht gerade besser ergangen. Sie waren mehr und mehr verarmt. Ein Skandal hatte am Ende den anderen gejagt. Und weil kein Geld für Arbeiten an dem Anwesen mehr übrig war, verfiel alles zusehends. Bis schließlich nur noch eine weitgehend unbewohnbare Ruine daraus geworden war.
Und jetzt fiel es ihr tatsächlich wieder ein: Ihr Mann hatte es ihr damals mitgeteilt. Er hatte behauptet, Mitleid mit der ehemaligen Adelsfamilie zu haben und für die Schloßruine einen erheblich überhöhten Betrag zahlen zu wollen, um die Familie damit wieder einigermaßen zu sanieren. Wenn auch zu dem Preis, daß sie für immer alles verloren, was sie noch mit ihren Vorvätern verband.
Und er hatte behauptet, dies alles eigentlich nur zu tun, um Jane eine besondere Freude zu bereiten.
Wenn sie eines Tages in ihre Geburtsstadt zurückkehrte, sollte sie sozusagen das vollkommene Erbe derer von Carmichael antreten. Sie sollte dort residieren, wo auch der Name der ganzen Stadt herstammte: Im Carmichael-Anwesen.
Scherzhaft hatte er noch hinzugefügt: "Wer weiß, vielleicht habe ich mit dem Anwesen nicht nur die alten Machtstrukturen für dich erworben, sondern auch das Anrecht auf den Namen selbst? So darfst du dich dann eines Tages zu recht so nennen: Lady Carmichael!"
Er hatte gelacht wie über einen besonderen Witz.
Jane hatte es ganz und gar nicht als lustig empfunden.
Und dann hatte sie alles wieder vergessen. Ganz radikal sogar.
Wie war das denn möglich? Wieso fiel ihr das jetzt erst wieder ein?
Und sogar an den Namen von Mr. Brooks erinnerte sie sich jetzt wieder. Ihr Mann hatte ihr damals gesagt: "Wenn es soweit ist, wende dich vertrauensvoll an Mr. Brooks. Er wird dir ein guter Freund in allen Lebenslagen sein." Jedes Wort war so wach in ihre Erinnerung zurückgekehrt, als hätte sie es soeben erst gehört.
"Und du, Thomas?" hatte sie gefragt.
Sein Gesicht hatte sich für Sekunden verfinstert. Er hatte sich von ihr abgewendet. Und dann hatte er gesagt: "Ich werde zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sein."
"Wie meinst du das?" hatte sie ausgerufen.
Er hatte sich ihr wieder zugewendet und gefaßt erwidert: "Gibt es nicht für uns alle einmal ein Ende? Was währt schon ewig? Und am Ende müssen wir alle unseren Preis bezahlen. Niemand bleibt je verschont."
Seltsame Worte waren das gewesen. Er hatte sie direkt anschließend für viele Tage verlassen. So, als würde er sich vor einer Fortsetzung des Gesprächs regelrecht fürchten.
Gewiß, er war öfter für Tage verschwunden: Immer dann, wenn er geschäftlich zu tun gehabt hatte...
Jane hatte sich niemals dafür interessiert, welcher Art diese Geschäfte gewesen waren.
Diesmal war es aber anders gewesen. Hatte sie es deshalb wieder vergessen? Hatte sie es regelrecht - verdrängt?
Und jetzt hätte sie gern gewußt, welcher Art eigentlich immer die Geschäfte ihres verstorbenen Mannes gewesen waren, wenn er für Tage und zuweilen sogar für Wochen scheinbar spurlos verschwand. Wenn sie damals nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes gefragt hatte, war ihr nur ausweichend geantwortet worden. Bis sie daran jegliches Interesse verloren hatte.
Sie hätte jetzt gern erneut gefragt, aber sie war sich ziemlich sicher, daß Mr. Brooks dafür der absolut falsche Gesprächspartner war. Selbst wenn der etwas wußte: Warum sollte er es ihr nach all dieser Zeit erklären?
Sie mißtraute ihm nach wie vor! Und deshalb fragte sie ihn endlich: "Woher hatten Sie eigentlich gewußt, daß ich ausgerechnet mit diesem Zug komme?"
Sein Lächeln wirkte auf einmal verzerrt. Aber er zögerte keineswegs mit der Antwort: "Sie sind Mrs. Prescoll, vergessen Sie das nicht. Ihr Mann ist einer der reichsten Männer der Welt, ein Industriemagnat mit großem wirtschaftlichem und somit auch politischem Einfluß. Es ist wohl kaum denkbar, unter solchen Umständen, daß Sie problemlos auch nur einen Schritt machen können, ohne dabei gesehen oder gar - beobachtet zu werden."
Jane fühlte sich daraufhin sehr unbehaglich. An solche Dinge hatte sie all die Jahre niemals gedacht.
Da waren so viele Dinge, die sie überhaupt nie bedacht hatte, und sie betrachtete ihn und fragte sich erneut, wieso sie sich sogar an jene doch nicht unwichtige Szene niemals wieder erinnert hatte - bis heute?
* * *
Der alte Bahnhofsvorsteher John Owns hatte am Ende alles getan, um Janes Mißtrauen zu zerstreuen, was Mr. Brooks betraf.
Jane hatte sich dabei wie in Trance gefühlt. Alles war so unwirklich, als hätte sie eine Droge genommen.
Was für ein eigenartiges Leben, das hinter ihr lag... Als hätte sie alles dies nur geträumt. Vieles erschien ihr im nachhinein wie schlecht erfunden.
Wieso hatte sie das niemals gestört? Wieso waren ihr niemals Fragen in den Sinn gekommen? Hatten sie der unermeßliche Reichtum und ihr persönlicher Nutzen daraus so sehr betäubt?
Ja, sie konnte jetzt überhaupt nicht mehr verstehen, wieso sie das Tanzen ganz einfach aufgeben konnte, ohne fürderhin auch nur einen Gedanken mehr daran zu verschwenden?
Sie fühlte sich auf einmal wie jemand, der sich verzweifelt bemüht, aus einem unbegreiflichen Traum zu erwachen - und das einfach nicht schaffte.
Immer, wenn sie glaubte, sie sei eigentlich schon wach, mußte sie erschreckt feststellen, daß es nur ein neuer Traum war, der sie gefangenhielt.
Deshalb war sie hergekommen. Das glaubte sie jetzt ganz sicher. Es war ihr so vorgekommen, als sei die Stadt Carmichael, die harte Wirklichkeit ihrer persönlichen Vergangenheit, alles dies, was sie an Leid in dieser Stadt hatte erfahren müssen... Als sei dies ihre letzte Chance.
Und Frederic?
Was war mit ihrer einzigen großen Liebe?
Sie hatte sie aufgegeben, dem Tanzen zuliebe. Um hernach das Tanzen so aufzugeben, als habe es überhaupt niemals eine Bedeutung für sie gehabt?
Jane hätte schreien mögen, voller Schmerz und vor allem: voller Furcht.
Aber sie tat nichts dergleichen. Sie lenkte sich ab davon mit den Gedanken: Wo soll ich mich eigentlich jetzt noch hinwenden? Was soll ich noch tun, wo ich doch weiß, daß es eigentlich keinerlei Entrinnen mehr für mich gibt?
Sie war sozusagen aufs Geratewohl losgefahren und hatte überhaupt nichts geplant. Eine sehr unüberlegte Flucht, die einfach hatte schiefgehen müssen.
Und jetzt war es Abend.
Wohin hätte sie sich wenden sollen?
Vielleicht an das Waisenhaus, in dem sie eine so freudlose Kindheit verbracht hatte? Wäre das die Chance gewesen, die sie sich erhoffte?
Nein, niemals wieder dorthin! antwortete sie sich selbst.
Egal, wie man sie dort empfangen hätte: Es hätte ihrer Meinung nach eigentlich nur verlogen sein können.
Oder sollte sie vielleicht - Frederic anrufen und ihn um Hilfe bitten?
Vor diesem Gedanken erschrak sie regelrecht. Nein, das war sicher die schlechteste aller Lösungen. Dafür hatte sie viel zuviel Angst, daß er ihr einen Korb gab.
Was war denn überhaupt inzwischen aus ihm geworden? Lebte er noch hier, in dieser kleinen, unbedeutenden Stadt namens Carmichael? Was war ihm inzwischen widerfahren?
Vielleicht ist er sogar verheiratet und hat mich längst vergessen? fragte sie sich bang. Und falls er sich dann doch an mich erinnern sollte... Vielleicht tat er es voller Zorn oder sogar... mit Haß in seinem Herzen - dort, wo er einst Liebe verspürt hatte?
Sie hätte es verstehen können.
Und sie wagte nicht einmal, Mr. Owns oder gar Mr. Brooks nach ihm zu fragen. Weil sie die Antwort zu sehr fürchtete.
Die konnte doch nur negativ ausfallen. Oder?
Da erschien es ihr nun wirklich als das kleinere Übel, sich letztlich doch diesem Mr. Brooks anzuschließen und seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch wenn sie das noch Minuten zuvor als völlig undenkbar erachtet hätte.
Es ist ja nur vorübergehend! redete sie sich ein.
"Bitte zum Hotel!" bat sie sich allerdings aus. "Es mag ja sein, daß Thomas mir mit dem Carmichael-Anwesen eine ganz besondere Freude hat machen wollen, aber das interessiert mich jetzt nicht mehr im geringsten. Ich bin auch dessentwegen überhaupt nicht hier."
Mr. Brooks zupfte die buschigen Augenbrauen nach oben und fragte erstaunt: "Weswegen denn sonst?"
Jane blieb ihm die Antwort schuldig. Was hätte sie denn auch sagen sollen? Die Wahrheit?
Als ob sie die selber so genau gekannt hätte...
Ja, sie fuhr mit ihm zum Hotel. Wenn sie all dem Gesagten wenigstens einigermaßen vertrauen konnte, war sie jetzt, nach dem Tode ihres Mannes, sogar Miteigentümerin des Hotels. Auch wenn dieser Mr. Brooks die Anteilsmehrheit besaß.
Dennoch hatte Jane keineswegs vor, dort länger als nur eine Nacht zu bleiben.
Im Grunde genommen bereute sie es inzwischen bitter, daß sie überhaupt in ihre alte Heimatstadt Carmichael gekommen war. Es war in der Tat keine gute Idee gewesen und vor allem überhaupt keine Lösung.
Nein, hier würde sie sicherlich keine Antwort auf die tausend Fragen finden, die sie jahrelang verdrängt hatte und die inzwischen mit einer Wucht auf sie eindrangen, als wollten sie sie zerschmettern.
Nur, sie fühlte sich im Moment wirklich außerstande, sich einfach in den nächsten Zug zu setzen und die Rückreise anzutreten.
Aber morgen! nahm sie sich fest vor. Erst einmal muß ich ein paar Stunden schlafen. Dann fühle ich mich wieder fit. Dann kann ich auch wieder klarer denken. Und dann ist immer noch Zeit, eine endgültige Entscheidung zu fällen.
Nur, daß sie das Carmichael-Anwesen nicht haben wollte, das wußte sie auch jetzt schon. Daran würde nichts etwas ändern können. Davon war sie überzeugt.
Denn wenn sie dort einzog... Das wäre für sie so gewesen, als würde sie der altehrwürdigen Familie Carmichael etwas streitig machen, was untrennbar mit ihr und mit der ganzen Geschichte dieser Stadt, ja, der ganzen Umgebung, zusammenhing.
Sie begann sogar, mit dem Gedanken zu spielen, das Anwesen an die Familie wieder zurückzugeben. Als so eine Art Kulturschenkung. Auch wenn diese Familie inzwischen längst in alle Winde zerstreut war.
Vielleicht war sie das der Stadt und ihren Bewohnern sogar noch eher schuldig als der Familie Carmichael? Vielleicht würde es die Bürger der Stadt Carmichael wieder dazu bringen, die eigene Vergangenheit nicht länger zu verdrängen und wieder stolz darauf sein zu können?
Was das betraf, war allerdings längst noch nichts entschieden. Jane nahm sich vor, sich dabei Zeit zu lassen.
Falls sie es überhaupt sobald in Angriff nahm.
Denn vordringlich erschien ihr im Moment, so schnell wie möglich dieser Stadt wieder den Rücken zu kehren. Dann sah man weiter.
Gleich morgen schon...
* * *
Frederic Squad war gerade im Begriff, zu Bett zu gehen, als das Telefon klingelte. Mißmutig hob er ab.
Es war der Bahnhofsvorsteher John Owns. Frederic erkannte ihn an seiner Stimme, denn Mr. Owns sagte nur einen einzigen Satz: "Sie ist wieder da!" Das genügte.
Frederic legte sofort wieder auf. Er drückte den Hörer so fest auf die Gabel, als hätte er Angst, er könnte sich selbständig erheben und die Stimme des Bahnhofsvorstehers wieder zu ihm dringen lassen. Damit der ihm mehr sagen konnte. Vielleicht Dinge, die Frederic nicht hören wollte?
Eine Weile starrte er auf das Telefon wie auf einen bösen Feind.
Der Bahnhofsvorsteher meldete sich nicht mehr. Erst als Frederic das begriffen hatte, entspannte er sich ein wenig. Er nahm die Hände vom Telefonhörer und krampfte sie ineinander.
Er starrte durch den Raum, ohne ihn zu sehen. Sein Blick war in ferne, inzwischen vergessen geglaubte Vergangenheit gerichtet. Er sah - sie!
Jane tanzte. Sie lachte dabei ihr glockenhelles Lachen. Sie sah ihn an, als würde sie nur für einen tanzen - für ihn.
Jane bewegte sich leicht wie eine Feder. Die Gesetze der Schwerkraft schienen für alle Menschen zu gelten, außer für sie.
Ihr durchtrainierter Körper war beweglich, als hätte Jane nicht Knochen und Gelenke wie jeder normale Mensch. Sie tanzte. Es war nicht der Tanz einer Königin, sondern es war sogar noch mehr. Es war der Tanz einer - Göttin des Tanzes. Sie verzauberte alle mit ihrem Tanz. Selbst Leute, die normalerweise überhaupt kein Interesse am Ballett fanden... Sie ließen sich verzaubern. Sie waren unfähig, ihre Blicke von ihr zu lösen, von ihren anmutigen Bewegungen, wenn sie scheinbar über das Parkett schwebte, schwerelos, biegsam und dennoch - für eine Frau ungewöhnlich kraftvoll.
Frederic stöhnte laut vor Schmerz, der sich tief in seine Brust fraß, und sprang auf. Er ballte seine Hände zu Fäusten und wollte sie wie drohend erheben, aber sie schienen Zentner zu wiegen und sanken kraftlos herab.
Das Bild der tanzenden Jane verblaßte.
"Sie hat alles aufgegeben", murmelte er tonlos vor sich hin. "Erst gab sie mich auf, dann sogar das Tanzen. Sie wurde Mrs. Prescoll, die kalte, unnahbare, völlig zurückgezogen lebende Frau des superreichen Magnaten Prescoll, dieses geheimnisumwitterten Mannes...
Was hat sie so werden lassen?"
Das war eine Frage, die er sich immer wieder gestellt hatte, all die Jahre hindurch.
Und immer wieder hatte er sich dabei ertappt, daß er den Telefonhörer aufgenommen hatte, um anzurufen...
Wen und wieso? Jane? Die Jane, wie er sie gekannt hatte?
Nein, seine Jane war tot. Sie war einer Person gewichen, die kalt und leblos erschien. Ja, eine Art lebende Tote, die nur so aussah wie Jane, aber nichts, überhaupt nichts, mit dieser gemeinsam hatte.
Jane hatte nicht nur getanzt, weil es ihr Freude gemacht hatte. Jane war sozusagen die Inkarnation des Tanzes gewesen. Jane und das Tanzen, das waren sozusagen eine untrennbare Einheit gewesen.
Jane hatte immer getanzt. Im Waisenhaus hatte man es ihr verboten. Sie war immer wieder hart bestraft worden, weil sie dieses Verbot so schmählich mißachtet hatte.
Für die Nonnen im Waisenhaus war jeglicher Ausdruck von Freude ein Ausdruck der Sünde gewesen. Sie trugen das Bild vom demütig leidenden Gläubigen in ihren Herzen, von der Sorte von Gläubigen eben, die nur die demütige Ehrfurcht vor dem Allmächtigen kannten und alle Kräfte auf gottgefällige Arbeit verwendeten. Tanzen, das war für sie die Ausgeburt der Hölle. Tanzen, das war die Verschwendung von Arbeitskraft im Dienste des Herrn. Tanzen, das mußte verboten, jegliche Anwandlung dahingehend im Keim erstickt werden.
Trotz aller Härte war es ihnen bei Jane nicht gelungen. Nein, sie hatten Jane nicht brechen können, weder als Kind, noch als Heranwachsende.
Bis zu ihrer Flucht aus Carmichael.
Ja, gewiß, später hatte Frederic das immer denken müssen: Jane ist nicht einfach nur abgereist, sondern sie ist - vor dieser kalten Härte geflohen. Nicht vor mir und unserer Liebe. Unsere Liebe war zwar groß gewesen, aber nicht groß genug, um diesen unstillbaren Durst zu überwiegen, den Jane empfunden haben mußte. Sie, der man alles verboten hatte, was ihr eigentliches Leben bedeutete, hatte einen so immensen Nachholbedarf, daß sie letztlich nur noch eines hatte tun können: Tanzen und nur noch tanzen!
Umso unverständlicher war schließlich für jedermann die plötzliche Heirat mit diesem Thomas Prescoll und die damit verbundene völlige Abkehr von allem gewesen, was ihr stets am wichtigsten gewesen war.
Jetzt hatte sie eigentlich genauso gelebt, wie es im Sinne ihrer Erziehung im Waisenhaus von Carmichael gewesen war. Oder?
Frederic hatte es bis heute versäumt, die Nonnen des Waisenhauses dahingehend um ihre Meinung zu fragen. Deren Meinung interessierte ihn nämlich schon lange nicht mehr.
Schließlich war auch er von ihnen erzogen worden. Er hatte seine Eltern genauso früh verloren wie Jane. Und auch ihm war widerfahren, daß sich keine Verwandten um sein Schicksal geschert hatten. Sie waren erst später wieder aufgetaucht, wie aus dem Nichts: als er das Waisenhaus längst hinter sich gebracht hatte und zu einem angesehenen Bürger der Stadt avanciert war.
Aber dann hatte er umgekehrt sie nicht mehr kennen wollen.
Denn wenn er etwas verabscheute, dann waren es Leute, die nur für ihren Vorteil lebten. Selbst wenn diese Leute eigentlich die eigenen Verwandten waren.
Er pflegte in diesem Zusammenhang sogar zu sagen: "Verwandte, das ist etwas, was dir die Natur in die Wiege legt. Dafür kannst du nichts. Du hast keine Wahl. Nur Freunde, die kannst du sorgfältig aussuchen. Deshalb sind gute Freunde viel wichtiger!"
Frederic war seinen Weg gegangen, und er hatte geglaubt - ja, er hatte es gehofft! -, Jane Reed für immer aus seinem Herzen verdrängt zu haben.
Ein einziger Satz hatte es zunichte gemacht und ihm in aller Deutlichkeit vor Augen geführt, daß es ihm niemals möglich sein würde: "Sie ist wieder da!"
Und jetzt stand er da, der erfolgreiche Bankangestellte, der es bis zum Direktor gebracht hatte. Er, der stets besonnene und wenn nötig auch harte Manager, fühlte sich zurückversetzt in jene Zeit direkt nach dem Abschied von Jane.
Sie hatte überhaupt nichts mehr von sich hören lassen. Hatte sie all ihre Schwüre vergessen?
Er hatte gelitten, sich sogar mit Selbstmordgedanken getragen.
Irgendwann und irgendwie war es ihm gelungen, zu sich selbst zurückzufinden, um dieses unerträgliche, ganz persönliche Jammertal zu verlassen. Für viele Jahre.
Und jetzt fühlte er sich genau dahin zurückversetzt, mitten hinein.
Er hätte schreien und heulen mögen, aber er tat nichts dergleichen. Er stand nur da und zitterte.
Sie war wieder da. Das war das einzige, was jetzt noch zählte.
Ach, wie gern hätte er den alten Bahnhofsvorsteher wieder angerufen, um ihn zu fragen, wo er sie hätte finden können. Aber es fehlte ihm einfach die Kraft dazu.
Vielleicht wollte sie ja auch überhaupt nicht, daß er sie fand?
Vielleicht hatte sie ihn gar niemals richtig geliebt? Vielleicht war er damals ja nur ein kleiner Lichtblick gewesen in einem ansonsten überaus tristen Leben - und mehr nicht?
Dann hatte sie ihn für immer vergessen. Dann war es ihr womöglich sogar peinlich, wenn er sie wiedersehen wollte?
Sonst hätte sie sich doch irgendwann von allein bei ihm gemeldet - während all dieser Zeit?
Er sank auf den Sessel neben dem Telefonschränkchen zurück und barg das Gesicht in beiden Händen.
Frederic Squad schämte sich nicht seiner bitteren Tränen.
* * *
Für Jane war die Fürstensuite bereits vorbereitet, aber sie lehnte es ab, so fürstlich untergebracht zu werden. Als Mr. Brooks darauf bestehen wollte, zeigte sie sich empört.
Das verfehlte nicht seine Wirkung. Mr. Brooks lenkte ein und überließ Jane selbst die Wahl des Zimmers.
Jane entschied sich für ein eher bescheidenes Einzelzimmer im zweiten Stock und ließ es sich nicht nehmen, ihr leichtes Gepäck persönlich hinaufzubringen. Es war ihr gleich, wenn sie dadurch Mr. Brooks und vielleicht auch die anderen Angestellten verärgerte.
Es ist alles nur vorübergehend! redete sie sich immer wieder ein. Nur eine einzige Nacht. Dann werde ich wieder abreisen.
Und wohin?
Darüber machte sie sich überhaupt keine Gedanken. Noch nicht. Sie verschob es auf den morgigen Tag.
Endlich allein auf ihrem Zimmer, machte sie Abendtoilette und legte sich gleich ins Bett. Sie war sicher, kein Auge zutun zu können, aber darin irrte sie sich gewaltig. Kaum hatte sie nämlich die Decke bis zum Kinn hochgezogen, als sie auch schon eingeschlafen war.
Ein tiefer, traumloser Schlaf, der jäh unterbrochen wurde.
Sie schlug die Augen auf und fühlte sich hellwach. Irgendwo schlug eine Kirchturmuhr. Unbewußt zählte sie mit. Die Uhr schlug zwölfmal.
Mitternacht.
Es war nicht völlig dunkel in dem Zimmer. Die vorgezogenen Übergardinen ließen ein diffuses Licht herein, in dem die Möblierung wie die Schatten geduckter Monster wirkte.
Jane war noch niemals ängstlich gewesen. Dafür hatte sie seit ihrer frühesten Kindheit zuviel ertragen müssen. Wäre sie auch nur im geringsten labil gewesen, wäre sie daran zerbrochen. Umso unverständlicher war ihr selbst dieses bislang ungekannte Gefühl von Beklemmung, das in ihr aufstieg. Sie starrte in das düstere Zimmer und bemühte sich, diese Beklemmung zu überwinden. Es wollte ihr nicht gelingen.
Und da wurde das diffuse Licht auf einmal stärker, aber ohne die Möbel besser auszuleuchten, damit endlich der Eindruck verschwand, es handele sich in Wirklichkeit um sich duckende Monster aus einer anderen, grausamen Welt.
Ein Schatten vor der Wand, hoch wie der Schatten eines Mannes.
Was war das? In Wirklichkeit ein Schrank, eine Vitrine, ein Spiegel...?
Nein, vorher war da kahle Wand gewesen. Jane war sich darin vollkommen sicher, obwohl sie sich für die Einrichtung des Zimmers kaum interessiert hatte, bevor sie zu Bett gegangen war.
Eine kahle Wand, und in den Schatten kam auf einmal Bewegung. Er näherte sich dem Bett.
Janes Augen weiteten sich entsetzt. Sie wollte schreien, aber die Stimme versagte ihr den Dienst.
Am Fußende blieb der Schatten stehen.
Das Licht im Zimmer wurde heller. Ein eigenartiges Strahlen, das immer noch die Einrichtung unberührt ließ, sondern sich scheinbar nur auf den Schatten konzentrieren wollte.
Aus dem Schatten wurde allmählich die Gestalt eines Mannes, hochgewachsen, schlank-muskulös, von unbestimmbarem Alter. Das feingeschnittene, markante Gesicht wurde geziert von einem eigentlich zu großen Schnurrbart. Jane hatte ihn im Grunde genommen nie gemocht, diesen Schnurrbart, obwohl sie immer wieder hatte zugeben müssen, daß er ihm gut stand - ihrem Mann Thomas Prescoll.
Und jetzt entrang sich ihrer Kehle doch ein greller Schrei.
Ja, er war es: Thomas Prescoll - der tote Thomas Prescoll. Er sah genauso aus, wie Jane ihn zuletzt gesehen hatte, aufgebahrt, nach der Obduktion durch die Gerichtsmedizin wieder so hergerichtet, daß man die Obduktionsspuren nicht sehen sollte...
Nur waren die Augen jetzt geöffnet und nicht länger geschlossen.
Tote Augen, die Jane anstarrten, ohne sie eigentlich sehen zu können.
Jane schrie erneut. Das würde man hoffentlich im ganzen Hotel hören?
Sie lauschte in die anschließende Stille hinein.
Diese Stille blieb vollkommen. Keine Schritte näherten sich von draußen. Der Verkehr vor dem Hotel schien vollkommen zum Erliegen gekommen zu sein.
Es war Mitternacht, mitten in einer Kleinstadt, die um diese Zeit eigentlich viel lebhafter hätte sein müssen. Aber Jane kam es so vor, als befände sie sich mitsamt dem Hotel in einer anderen Welt, in der andere Gesetze herrschten.
In der ein Toter wiederauferstehen konnte?
Und was wollte er von ihr?
Jane rang mühsam um ihre Beherrschung. Sie schrie nicht wieder, sondern fragte: "Was willst du von mir?"
Ihre Stimme klang dabei leicht hysterisch. Was wunder!
Der Tote war für sie gegenständlich. Vielleicht war es ja trotzdem nur ein Trugbild, erzeugt von ihrer überreizten Phantasie? Obwohl seine Erscheinung so absolut real wirkte? Aber - warum sollte sie ihn nicht ansprechen?
Und der Tote antwortete sogar: "Du bist also tatsächlich gekommen, Jane, in diese Stadt? Es ist die Stadt deiner Vorväter. Wußtest du das? - Deine Eltern mußten sterben. Es gehörte zum großen Plan."
"Was für ein Plan?" rief Jane erschrocken aus.
Ihre Gedanken gerieten durcheinander: Was sollte das?
Sie war auf einmal überzeugt davon, nur böse zu träumen. Das war wieder so ein Traum, aus dem man nicht erwachen konnte, so sehr man sich auch bemühte.
Sie lachte heiser.
Ja, ein Traum, mehr nicht. Und ihr konnte überhaupt nichts geschehen. Wenn sie sich nur bemühte, nicht vollends den Verstand zu verlieren. Ja, gewiß, dann war sie ungefährdet, sowohl an Leib, als auch an Seele.
"Der große Plan!" bestätigte die Erscheinung. "Denn du, Jane, bist die Auserwählte. Es muß sie immer wieder geben, die Auserwählten, um die Macht zu erhalten. Zeit spielt dabei keine Rolle, und auch Einzelschicksale sind unbedeutend. Über Jahrhunderte entstand das Geschlecht der Reeds, ohne daß die Mitglieder dieses Geschlechts jemals von ihrer Manipulation erfuhren. Bis in deine Generation, Jane."
"Was ist das denn für ein Unsinn?" rief Jane aus.
"Nein, Jane, kein Unsinn! Ich bin hier, um es dir zu erklären. Das gehört mit zu meiner Aufgabe innerhalb des großen Plans."
"Du willst mir weismachen, nichts sei zufällig geschehen, sondern - geplant? Meine Eltern...? Umgebracht?"
"Es war ihr Schicksal, dich zu erzeugen, nachdem über all diese Generationen hinweg das Talent immer konzentrierter wurde."
"Welches Talent?"
Jetzt lachte er heiser. Dabei wirkte er ganz und gar nicht mehr wie ein lebender Toter.
Jane blinzelte verwirrt.
Ja, jetzt wirkte Thomas Prescoll, als wäre er niemals gestorben.
Konnte es denn sein, daß...?
Sie wagte es gar nicht, den Gedanken bis zum Ende zu denken.
Und dann verwarf sie ihn wieder: Nein, es war unmöglich, daß der Tod von Thomas Prescoll nur vorgetäuscht worden war! Sie hatte ihn persönlich in seinem Bett gefunden, am Morgen. Sie hatte persönlich den Arzt alarmiert. Sie war dabei gewesen, als man den Leichnam weggebracht hatte. Thomas Prescoll war gründlich untersucht worden. Eine Obduktion wurde sogar an seinem Leichnam vorgenommen, um die Todesursache festzustellen.
Jane hatte sich nicht einmal dagegen verwahren können. Die Obduktion war aufgrund einer höchstrichterlichen Verfügung durchgeführt worden.
Was ging hier vor? War das ein lebendiges Wesen da am Fußende des Bettes? So eine Art Double für ihren verstorbenen Mann?
Was war der Sinn davon?
Auf einmal war sie wütend. Sie wollte die Decke zur Seite werfen, aufspringen und dem Spuk ein Ende bereiten. Sie wollte dieses Double ihres verstorbenen Mannes mit Prügeln aus dem Zimmer jagen.
Sie war durchaus in der Lage, es mit einem Mann aufzunehmen. Sie war für eine Frau ungewöhnlich durchtrainiert und bewegte sich mit einer für einen normalen Menschen unvorstellbaren Geschmeidigkeit...
Der Mann lachte amüsiert.
Er sah sie nur an, und Jane war unfähig, auch nur einen Finger zu rühren.
"Es ist zweckslos, sich dagegen zu wehren, Jane. Es ist bereits vollbracht."
Waren das nicht auch die Worte dieses fremden Gesichtes gewesen, das ihr im Traum erschienen war, während der Fahrt hierher?
Sie zweifelte auf einmal daran, daß sie dabei wirklich geträumt hatte.
Es ist vollbracht? Ja, was denn überhaupt?
"Das Schicksal deiner Familie hat sich erfüllt. Du bist die letzte in einer langen Kette von Generationen. Betrachte es wie eine besondere Züchtung, auch wenn ich diesen Ausdruck verabscheue."
"Du meinst... meinst das - Tanzen?"
"Ja, was denn sonst? Es geht nur darum, schon seit Jahrhun-derten. Immer nur die größten Tanztalente wurden miteinander gekreuzt. Bis du geboren wurdest. Deshalb bist du so eine absolut begnadete Tänzerin. Nur deshalb. Oder hast du wirklich geglaubt, das sei Zufall? Nein, solche Zufälle gibt es nicht. So etwas wird immer vorausbestimmt."
"Aber - von wem?"
Er lächelte nachsichtig. "Ich bin nicht dazu da, dir darüber Aufklärung zu geben. Du wirst es selbst herausfinden, ganz zwangsläufig. Dann, wenn die Zeit reif ist dafür. Jetzt bin ich nur hier, um dich grundsätzlich aufzuklären. Du bist gekommen, ohne gerufen zu sein. Das beweist, daß du deinem Schicksal gehorchst. Alles ist so, wie es sein soll."
"Dann gehörte auch dein Tod zu diesem - Plan?" fragte sie zweifelnd.
Er nickte.
"Viel mehr jedoch als mein Tod gehörte mein Leben zum Plan. Ich war das letzte Glied sozusagen. Ich holte dich weg von der Bühne, damit du niemals mehr dein Talent vor all diesen Unwürdigen unter Beweis stellen konntest. Ohne daß du dies als Verlust empfinden konntest. Erinnerst du dich meiner Worte, daß wir füreinander bestimmt seien - ganz ohne Wenn und Aber? So war es, Jane. Unser beider Schicksale haben sich verwoben, und selbst dies haben sie nicht dem Zufall überlassen. Der große Plan ist fast erfüllt, und du bist hergekommen, rechtzeitig zum Finale."
"Sage mir nur noch eines: Wieso mußtest du sterben?"
Sein Lächeln wurde zur Maske.
"Dies ist meine eigene Sache. Es war mein sehnlichster Wunsch gewesen, einer der reichsten Männer der Welt zu werden und damit einer der einflußreichsten Männer überhaupt. Ich wünschte mir darüber hinaus auch die Perfektion meines Körpers - und eine so perfekte Frau, wie du eine bist. Man gewährte mir alle diese Wünsche. Ich durfte sogar dein Ehemann werden. Ein ganz besonderes Privileg, das keinem Normalsterblichen jemals zustehen sollte. Weil du nicht bestimmt bist für diese."
"Was ist denn sonst meine Bestimmung?" schob Jane sofort nach. Sie ahnte, daß das Gespräch kurz vor seinem Ende stand, und sie wollte noch so viel wie möglich erfahren.
Dabei hatten ihre zweifelnden Gedanken keinen Platz mehr. Es fehlte ihr einfach die Zeit dazu.
Im Moment war Jane völlig egal, ob dies hier nur ein böser Traum oder ob diese Gestalt ein Lebender war, von Unbekannten geschickt, nur um dieses Gespräch zu führen.
"Deine einzige Bestimmung ist die Erfüllung des großen Planes!" antwortete er orakelhaft. "Und ich bin gestorben, weil ich endlich für alles, was ich erhalten hatte, bezahlen mußte. Ich hatte meine Seele dafür verpachtet..."
Das waren seine letzten Worte. Seine hochgewachsene Gestalt wurde durchsichtig - und verschwand.
Jane sah es ganz deutlich, obwohl sie es immer noch nicht glauben wollte.
Der Spuk war vorbei. Sie warf die Decke beiseite und sprang aus dem Bett. Sie eilte zu der Stelle, wo die Gestalt gestanden hatte.
Dabei war es ihr, als würde sie noch ein nachwehender eisiger Hauch streifen.
Sonst war da nichts mehr.
* * *
Drogen! dachte sie zunächst.
Aber wann sollte man ihr diese verabreicht haben? Sie hatte seit ihrer Ankunft am Bahnhof weder etwas getrunken, noch etwas gegessen. Sie hatte einfach weder Hunger, noch Durst verspürt.
Auch jetzt hatte sie überhaupt kein Bedürfnis in dieser Richtung.
Sie ging zum Lichtschalter und betätigte ihn.
Nichts geschah. Es blieb so düster wie zuvor.
Sie trat ans Fenster und teilte die Übergardine.
Draußen war nichts zu sehen, außer einer dichten Nebelwand, die das Hotel eingepackt hielt wie mit Watte.
Ja, kein Geräusch drang hindurch.
Jane fühlte sich wie in einem Traum, und gleichzeitig erschien ihr alles auf eine phantastische Weise real.
"So wie die ganzen Jahre hindurch!" gab sie mit bebender Stimme zu. "Mit dem Unterschied, daß es mir jetzt endlich bewußt wird."
Sie ließ sich auf das Bett sinken und zog die Stirn kraus.
Noch einmal ließ sie die Worte der Erscheinung in ihrer Erinnerung aufklingen.
Ihres Wissens nach hatte sich in ihrer ganzen Vorfahrenschaft kein einziger Tänzer befunden. Oder hatte man es ihr nur verheimlicht?
Wie war das mit ihren Eltern gewesen?
Sie waren gestorben, bevor Jane bewußt zu denken vermocht hatte. Angeblich ein Unfall. Sie konnte sich überhaupt nicht an sie erinnern. Es gab lediglich ein paar alte Fotos, die immer noch von den Nonnen des Waisenhauses aufbewahrt wurden.
Wenn es zum Plan gehörte, daß ihre Eltern so früh sterben mußten, dann gehörte es vielleicht auch zum Plan, daß die Nonnen sie erzogen?
Aber das ergab doch überhaupt keinen Sinn: Wenn das Tanzen wirklich ihre große Bestimmung war, warum hatte man da zugelassen, daß die Nonnen alles taten, um genau diese Neigung mit aller Härte zu unterdrücken?
Sie schüttelte den Kopf.
Vielleicht würde sie eine der Antworten bei den Nonnen vom Waisenhaus selbst finden? Aber irgendwie bezweifelte sie das. Sie neigte viel eher zu der Ansicht, daß die genauso unwissende Ausführende waren wie alle anderen.
Wie sogar ich selbst! dachte sie.
Der große Plan, wer immer auch dahinter stand... Wenn ich den Worten glauben darf, werde ich bald erfahren, worum es tatsächlich geht.
Sie stand auf.
Frederic!
Zum ersten Mal wieder dachte sie an ihn. Schlagartig kamen dabei Schwindel auf. Sie mußte sich wieder auf das Bett sinkenlassen.
Frederic!
Sie wußte auf einmal, daß es ein hilfloses Unterfangen war, diese Stadt jemals wieder verlassen zu wollen, bevor sie wenigstens mit ihm auch nur ein einziges Mal gesprochen hatte.
Ja, gehörte auch das mit zum sogenannten großen Plan?
Sie konnte und wollte es nicht glauben. Obwohl... Sie hatte der Erscheinung gegenüber verschwiegen, warum sie so aus scheinbar freien Stücken in diese Stadt gekommen war, nach all diesen Jahren. Nein, das hatte nun wirklich nichts mit diesem großen Plan zu tun, sondern viel eher mit - Frederic.
Und sie konnte und wollte nicht glauben, daß auch er in diesem ominösen Plan auch nur die geringste Rolle spielen sollte.
Eines schien ihr dabei sogar rechtzugeben, ein äußerst wesentlicher Umstand sogar: Wenn sie wirklich das Ergebnis einer Art Menschenzüchtung über Jahrhunderte war, von der die Betroffenen selbst niemals etwas gemerkt haben sollten, dann spielte so etwas wie Liebe sicherlich niemals eine echte Rolle zwischen all ihren Vorfahren.
Somit gehörte es eher zum sogenannten großen Plan, daß sie die große Liebe zwischen Frederic und ihr so sehr verraten hatte...
Und sie war auf einmal fester als je zuvor überzeugt davon, daß sie tatsächlich deshalb nach Carmichael zurückgekehrt war, um diese große Liebe wiederzufinden...
Sollten die großen Unbekannten doch annehmen, daß sie hier eine andere Bestimmung suchte. Jane wußte es jetzt besser - und wollte es vorsichtshalber für sich behalten.
Ganz egal, was Frederic davon halten würde.
Denn die wahre Liebe ist unabhängig davon, ob sie erwidert wird! dachte Jane überzeugt. Die wahre Liebe bemüht sich trotzdem. Aber sie lehrt einen auch würdigen Verzicht, wenn sie aussichtslos bleibt. Denn viel wichtiger als das eigene Glück ist für die wahrhaft Liebende letztlich das Glück dessen, den sie liebt!
Doch bevor ich sicher sein kann, daß Frederics Liebe zu mir für immer erloschen ist, brauche ich Gewißheit. Ich darf mich nicht mehr länger vor dieser Entscheidung drücken.
Sie nahm den Hörer des Zimmertelefons auf und wählte die Nummer der Rezeption, um sich nach draußen verbinden zu lassen. Jane wollte den Bahnhofsvorsteher anrufen, um ihn nach Frederic zu fragen. Selbst wenn der alte John Owns um diese fortgeschrittene Zeit nicht mehr an seinem Schreibtisch saß, so erreichte sie gewiß jemand anderes, der ihr vielleicht die Adresse oder gar die Telefonnummer von Frederic geben konnte.
Aber die Leitung blieb tot.
Jane hämmerte mit dem Finger auf der Hörergabel herum und lauschte in die Hörermuschel.
Nichts.
Als sei das Telefon überhaupt nicht angeschlossen.
Vielleicht Stromausfall - und das nicht nur hier, im Hotel?
Sie ging wieder ans Fenster und zog die Übergardine auseinander.
Die Nebelwand war dicht und unbeweglich.
Jane öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus.
Es war zu hoch, um durch das Fenster das Hotel zu verlassen. Sie lauschte in die vollkommene Stille hinein.
Der Nebel leuchtete aus sich heraus. Von ihm stammte dieses diffuse Licht, das fast ungehindert sogar die Übergardine durchdrang.
Schaudernd schloß Jane das Fenster wieder. Sie schaute in Richtung Telefon. Nein, es blieb ihr nichts anderes übrig, als hinunterzugehen. Es war wohl kaum anzunehmen, daß dieser Mr. Brooks Verständnis dafür hatte, wenn sie Frederic anrufen wollte, aber vielleicht konnte sie wenigstens erfahren, was überhaupt passiert war?
Dieser Nebel und scheinbar überall kein Strom mehr...
* * *
Frederic hatte sich überwunden. Es war ihm tatsächlich gelungen, sich wenigstens soweit zusammenzunehmen, daß er wieder in der Lage war, mit John Owns, dem Bahnhofsvorsteher von Carmichael, zu telefonieren.
Der alte Mann war tatsächlich noch in seinem Büro. Das war sicher kein Zufall. Als hätte er auf diesen Anruf gewartet.
Frederic gab sich Mühe, seine Stimme ganz gefaßt klingen zu lassen.
"Wo ist sie? Wie sieht sie aus?"
Mr. Owns antwortete ruhig: "Sie sieht aus, als sei sie keine Minute gealtert. Als wäre sie durch die Zeit gereist und habe die ganzen Jahre auf diese Weise übersprungen. Als sei gar nichts inzwischen geschehen."
"Wo ist sie jetzt?" wiederholte Frederic bang.
"Im Hotel. Ihr gehört ja jetzt ein Teil davon. Sie hat diesen Teil geerbt von ihrem verstorbenen Mann. Mr. Brooks war hier, um sie abzuholen. Sie hat ihn überhaupt nicht erkannt und war sehr verwundert, überhaupt abgeholt zu werden. Wenn ich das richtig verstanden habe, mißtraut sie ihm."
"Und trotzdem ging sie mit ihm?"
"Was blieb ihr anderes übrig? Sie wirkte am Ende erschöpft - zu erschöpft, um gleich wieder abzureisen. Obwohl ihr das offenbar lieber gewesen wäre."
Bloß nicht! schrieen Frederics Gedanken.
Ja, er war entschlossen, sie zu sprechen oder sie vielleicht sogar aufzusuchen. Er wollte wissen, wie sie zu ihm stand. Denn er wußte jetzt, daß er keine Sekunde aufgehört hatte, sie zu lieben.
Er hatte eine andere kennengelernt. Er hatte sie geheiratet. Er hatte gemeinsam mit ihr ein Kind. Aber diese Ehe war von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Sie hatte keine Schuld daran. Die Scheidung war unvermeidlich gewesen. Einzig und allein er selbst war schuld daran. Weil er nur geheiratet hatte, um endlich Jane zu vergessen.