Wenn du jemand anderes wirst: Mystic Thriller Großband 3 Romane 7/2022 - Carol East - E-Book

Wenn du jemand anderes wirst: Mystic Thriller Großband 3 Romane 7/2022 E-Book

Carol East

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Beschreibung

Wenn du jemand anderes wirst: Mystic Thriller Großband 3 Romane 7/2022 von Carol East Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende Romane von Carol East: Das andere Ich Sie liebte im dunklen Schatten Sie tanzte für das Böse Das Haus war zunächst nur ein schwarzer Fleck in einer unheimlich anmutenden Landschaft. Obwohl... Cindy Fallon vermochte gar nicht zu sagen, was eigentlich an dieser Landschaft so unheimlich wirkte: Alles lag still und schweigend im bleichen Licht des mitternächtlichen Vollmondes, und eigentlich hätte das doch eher friedlich wirken sollen? Das Haus. Sein großer Schatten erhellte sich, wie von einer unsichtbaren Macht beleuchtet. Das war viel heller, als der Mond allein es vermocht hätte. Es begann, regelrecht von innen heraus zu leuchten. Und das war viel unheimlicher als die Landschaft darum herum je hätte wirken können. Zunächst hatte Cindy ja so etwas wie aufkeimende Freude verspürt, als das Leuchten ihren Blick auf sich gelenkt hatte. Weil das Licht eigentlich hätte in der Lage sein sollen, den Alpdruck zu vertreiben. Doch jetzt wußte sie, daß Licht nicht immer das Gute bedeuten mußte und Schatten nicht immer das Böse. Und auf einmal umklammerte Angst ihr heftig pochendes Herz. Ach, wie gut, daß sie die Hand des Geliebten in der ihrigen spürte. Das gab ihr Kraft, und das gab ihr den nötigen Mut, um sich dem Haus zu nähern. Ernest Reed, der Mann nicht nur ihrer Träume, sondern vor allem der Mann ihres Lebens, war mit ihr. Das allein genügte, um alle negativen Gefühle zu vertreiben und nur noch Neugierde übrig zu lassen. Cindy Fallon runzelte überrascht die Stirn. Sie spürte gar nicht den Boden, auf dem sie ging. Als würde sie dahinschweben. Auch erschien ihr jetzt das Haus in der unwirklichen Landschaft wie ein Modell, so klein. Und jetzt drehte sich das Ganze, als befände sich Cindy mit ihrem Geliebten in einem Hubschrauber, der um das Haus herumkreiste. Alles dies geschah jedoch in wahrhaft gespenstischer Lautlosigkeit.

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Wenn du jemand anderes wirst: Mystic Thriller Großband 3 Romane 7/2022

von Carol East

Über diesen Band:

Dieser Band enthält folgende Romane von Carol East:

Das andere Ich

Sie liebte im dunklen Schatten

Sie tanzte für das Böse

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Wenn du jemand anderes wirst: Mystic Thriller Großband 3 Romane 7/2022

Copyright

Das andere Ich: Mitternachtsthriller

Carol East | Das andere Ich: Mitternachtsthriller

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Das andere Ich: Mitternachtsthriller | Carol East

Sie liebte im dunklen Schatten: Mitternachtsthriller

Carol East | Sie liebte im dunklen Schatten: Mitternachtsthriller

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Sie liebte im dunklen Schatten: Mitternachtsthriller | Carol East

Sie tanzte für das Böse: Mitternachtsthriller

Carol East | Sie tanzte für das Böse: Mitternachtsthriller

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Sie tanzte für das Böse: Mitternachtsthriller | Carol East

Das Haus war zunächst nur ein schwarzer Fleck in einer unheimlich anmutenden Landschaft. Obwohl... Cindy Fallon vermochte gar nicht zu sagen, was eigentlich an dieser Landschaft so unheimlich wirkte: Alles lag still und schweigend im bleichen Licht des mitternächtlichen Vollmondes, und eigentlich hätte das doch eher friedlich wirken sollen?

Das Haus. Sein großer Schatten erhellte sich, wie von einer unsichtbaren Macht beleuchtet. Das war viel heller, als der Mond allein es vermocht hätte. Es begann, regelrecht von innen heraus zu leuchten. Und das war viel unheimlicher als die Landschaft darum herum je hätte wirken können.

Zunächst hatte Cindy ja so etwas wie aufkeimende Freude verspürt, als das Leuchten ihren Blick auf sich gelenkt hatte. Weil das Licht eigentlich hätte in der Lage sein sollen, den Alpdruck zu vertreiben. Doch jetzt wußte sie, daß Licht nicht immer das Gute bedeuten mußte und Schatten nicht immer das Böse. Und auf einmal umklammerte Angst ihr heftig pochendes Herz. Ach, wie gut, daß sie die Hand des Geliebten in der ihrigen spürte. Das gab ihr Kraft, und das gab ihr den nötigen Mut, um sich dem Haus zu nähern.

Ernest Reed, der Mann nicht nur ihrer Träume, sondern vor allem der Mann ihres Lebens, war mit ihr. Das allein genügte, um alle negativen Gefühle zu vertreiben und nur noch Neugierde übrig zu lassen.

Cindy Fallon runzelte überrascht die Stirn. Sie spürte gar nicht den Boden, auf dem sie ging. Als würde sie dahinschweben. Auch erschien ihr jetzt das Haus in der unwirklichen Landschaft wie ein Modell, so klein. Und jetzt drehte sich das Ganze, als befände sich Cindy mit ihrem Geliebten in einem Hubschrauber, der um das Haus herumkreiste. Alles dies geschah jedoch in wahrhaft gespenstischer Lautlosigkeit.

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Das andere Ich: Mitternachtsthriller

Carol East

Originaltitel:

"Das zweite Ich"

***

Schon als sich Carem Steinbeck für die Party ihrer Freundin zurecht machte, hatte sie jenes beklemmende Gefühl wie eine böse Vorahnung. Immer wieder erwachte sie vor dem Spiegel wie aus einem Traum und mußte erschrocken feststellen, daß es schon viel später war als geahnt.

So kam es, daß sie schon eine ganze Stunde über der verabredeten Zeit war, als sie einen letzten prüfenden Blick in den hohen Schrankspiegel warf.

Sie war jetzt knapp über die Zwanzig. Manche schätzten sie ein wie ein Teenager, wenn sie besonders gut drauf war. Sie war nicht böse darum, sondern empfand es eher als Kompliment. Zur Zeit jedoch, unter dem Einfluß von Gefühlen, die sie sich einfach nicht erklären konnte, weil es dafür scheinbar keinerlei Ursachen gab, wirkte sie sogar um einige Jahre älter als sie in Wirklichkeit war. Als würden diese Gefühle für eine größere Reife sorgen.

Sie betrachtete ihr feingeschnittenes Gesicht unter dem blonden Haarschopf. Sehr, sehr ernst schaute ihr dieses Gesicht aus dem Spiegel entgegen. Vor allem die blauen Augen, die sonst wie kleine Seen blitzten, wirkten so dunkel und unergründlich, daß sie selbst davor erschrak.

Was ist los mit dir? fragte sie sich stirnrunzelnd. Kann es denn wirklich sein, daß man etwas erahnen kann - von zukünftigen Ereignissen? Hat es denn mit der Party zu tun? Wäre es da denn nicht sogar besser, einfach abzusagen?

Nein! entschied sie sogleich. Nicht nur, weil sie dadurch vielleicht ihrer Freundin Sibylle Carlson vor den Kopf stoßen würde. Die würde sie gewiß gar nicht echt vermissen, denn wie Carem ihre Freundin kannte, lud die sich stets so viele Leute ein, daß sie sowieso bald die Übersicht verlor. Da kam es durchaus vor, daß sie höchstens die Hälfte der Gäste persönlich kannte. Andere waren nur Begleiter ihrer Gäste, denn Sibylle hatte nichts dagegen, wenn jeder noch weitere Freunde und Bekannte mitbrachte. Es schien alles nach dem Motto abzulaufen: Je mehr, desto lieber.

Ach was! dachte sich Carem Steinbeck trotzig und winkte mit beiden Händen ab. Ich mache mich nur ein wenig verrückt, weil man bei Sibylles Partys sowieso nie genau weiß, was einen wieder erwartet. Wahrscheinlich nur der übliche Trubel, der manchmal schon bis zur Unerträglichkeit ausarten kann. Wenn ja, ist immer noch Zeit, wieder von da zu verschwinden.

Sie atmete tief durch und strich sich dabei leicht mit der Hand über den Bauch. Ein wenig dicker war er als gewohnt.

Diese Erkenntnis verdrängte vorübergehend alles andere, denn Carem legte sehr großen Wert auf ihre schlanke Figur. Sie betrachtete sich noch einmal prüfend von Kopf bis Fuß.

Ja, tatsächlich, sie hatte ein wenig zugenommen. Aber es war nicht so schlimm. Wahrscheinlich würde es außer ihr überhaupt niemand sonst bemerken.

Beruhigt kehrte sie dem Spiegel den Rücken und ging endlich zur Wohnungstür, um die Party und damit ihre Freundin nicht noch länger warten zu lassen.

––––––––

+ + +

––––––––

Unterwegs spielte sie mehrmals mit dem Gedanken, einfach wieder umzukehren. Das Gefühl der inneren Unruhe war wieder da, und es verstärkte sich mit jeder Sekunde, die sie sich mit ihrem Auto dem Haus ihrer Freundin näherte.

Einher mit diesem Gefühl, das sie eigentlich zur Umkehr bewegen wollte, ging da auf einmal jedoch auch der starke Wunsch, dem zu widerstehen, also trotz allem doch zur Party zu fahren. Als wäre es andererseits besonders dringend, dort zu erscheinen.

Es verunsicherte die sonst so selbstbewußt wirkende Carem Steinbeck. Etwas, was sie ansonsten gar nicht von sich kannte.

Sie war trotz ihrer verhältnismäßig jungen Jahre eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben stand und es beruflich bereits zu was gebracht hatte. Sie galt in dem Konzern, wo sie arbeitete, als jüngste Chefsekretärin überhaupt. Ihr Chef war zwar immer noch nur einer der vielen Top-Abteilungsleiter, aber er stand gewissermaßen schon kurz davor, seiner Karriere einen weiteren Triumph hinzuzufügen. Auch Carem würde Nutznießerin davon sein, denn ihr Chef würde sie mit Sicherheit mit die Karriereleiter nach oben nehmen.

"Es wird Zeit, daß ich auf diese Party komme!" sagte sie laut und trotzig vor sich hin. "Ich bin anscheinend total überarbeitet. Die Abwechslung wird mich wieder normal werden lassen. Ich war anscheinend schon so lange nicht mehr privat unter Menschen, daß ich schon beginne, Angst davor zu entwickeln."

Das war jetzt ihre Theorie, und wenn sie es sich oft genug einredete, dann wirkte das auch tatsächlich beruhigend auf sie.

Carem faßte neuen Mut. Gerade rechtzeitig, denn das Haus ihrer Freundin Sibylle tauchte vor ihr auf.

Sibylle war eine Millionenerbin. Die schlanke Rothaarige mit der vorwitzigen Stupsnase war nur wenig älter als Carem, aber seit ihre Eltern gemeinsam mit Onkel und Tante bei einem tragischen Flugzeugunglück ums Leben gekommen waren, gehörte ihr das gesamte Vermögen.

Sie hatte es von ihrem Onkel geerbt, denn ihre Eltern hatten eigentlich zum armen Teil der Familie gehört. Jahrelang hatte der Onkel deshalb nichts von ihnen wissen wollen. Eines Tages hatte er sich dann aber doch gemeldet - ganz überraschend. Er hatte ehrlich geäußert, eigentlich immer befürchtet zu haben, Sibylles Vater würde ihn anpumpen. Und da dieser sich nie bei ihm gemeldet hätte, wäre ihm inzwischen endlich klar geworden, wie dumm eine solche Annahme im Grunde genommen war. Er würde sich im nachhinein dessen sehr schämen.

Sie hatten gemeinsam Versöhnung gefeiert, und am nächsten Tag hatte er gemeinsam mit seiner Frau Sibylles Eltern zu diesem tragischen Flug eingeladen, von dem keiner von ihnen lebend zurückgekehrt war.

Mangels anderer Erben war alles Vermögen an Sibylle gegangen. Seitdem glaubte sie fest an die Vorsehung und hatte sich mit der Zeit so sehr in ihren Aberglauben und ihren Hang zum Okkulten hineingesteigert, daß sie in Freundeskreisen längst als "liebenswerte Verrückte" galt.

Carem Steinbeck hatte sie dennoch gern - oder vielleicht gerade dessentwegen? Denn Sibylle Carlson hatte durch den unerwarteten Reichtum nichts von ihrer Natürlichkeit eingebüßt.

Das einzige, was Carem nicht an ihr mochte, das waren ihre flippigen Partys. Darauf hätte sie gern verzichtet.

Heute ja besonders gern!

Und doch parkte sie ihren Wagen auf dem einzigen noch freien Parkplatz und betrat die herrschaftliche Villa, in der bereits reges Treiben herrschte.

An der Tür standen zwei betrunkene junge Burschen, die sich selbst zu Wächtern der Party ernannt hatten, wie sie lallend erklärten. Carem wurde von ihnen erst eingelassen, als sie hoch und heilig schwor, die beste Freundin der Gastgeberin zu sein.

Diese fand sie erst nach längerem Suchen und nach drei Gläschen Sekt, die man ihr unterwegs aufgezwungen hatte.

Das heißt, eigentlich sah Sibylle sie zuerst. Carem hörte nur ihr lautes Schreien und drehte sich nach ihr um.

Sibylle war anscheinend auch nicht mehr ganz nüchtern. Ihre Augen wirkten glasig. Sie winkte mit beiden Armen und gebärdete sich wie verrückt. Dabei rief sie immer wieder Carems Namen. Bis Carem bei ihr war.

Sibylle herzte und küßte Carem und versicherte ihr, daß sie unendlich froh sei, sie doch noch auf ihrer Party zu sehen.

"Tut mir leid, Sibylle, daß ich mich so sehr verspätet habe", entschuldigte sich Carem daraufhin.

Sibylle winkte ab, legte den Arm um ihre Schultern und führte sie zu einem ruhigeren Plätzchen. Dort atmete sie erst einmal tief und kräftig durch.

"Ah, ich glaube, diese Partys werden mir mit der Zeit doch zuviel. Irgendwie ist der Spaß vorbei, wenn man sie zu oft wiederholt."

Carem sagte nichts dazu. Sie hätte ihrer Freundin ohnedies nur rechtgeben können. Aber schließlich war es sowieso besser, wenn diese selbst darauf kam.

Sibylle fixierte ihre Freundin. Ein seltsamer Blick, den Carem nicht zu deuten wußte.

"Kann es sein, daß du ein wenig zugenommen hast?" fragte sie. Bevor Carem etwas darauf erwidern konnte, fügte sie hinzu: "Steht dir eigentlich gut, macht dich irgendwie - fraulicher. Aber, hm..." Sie brach ab. Und dann platzte sie heraus: "Kennst du eigentlich - Ernest Wales?"

Carem zuckte mit den Achseln. "Nie gehört, Sibylle. Wer soll das sein?"

"Das habe ich mir gedacht. Liebes, wann warst du eigentlich das letzte Mal überhaupt mit einem Mann zusammen? Ich meine, nicht mit deinem Chef, einem seiner Geschäftsfreunde oder mit einem Kollegen, sondern so ganz privat?"

"Na, hör mal, Sibylle, was soll denn das?"

"Siehst du, das ist ja genau das Problem. Während du an deiner Karriere arbeitest, geht das Leben an dir vorbei. Bis du das gemerkt hast, ist es zu spät. Und deshalb stelle ich dir jetzt Ernest Wales vor."

"Deshalb?" echote Carem belustigt.

Ernst Wales? Seltsam, wenn sie diesen Namen hörte, war es ihr so, als müßte sie ihn kennen. Sehr gut sogar! Aber sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern.

Sibylle beobachtete sie. Das wurde Carem auf einmal bewußt, und sie ärgerte sich darüber.

Ihre Freundin klopfte ihr kameradschaftlich auf die Schulter. "Nein, nicht nur deshalb natürlich, aber dieser Ernest Wales hat etwas Seltsames, finde ich. Irgendwie ein sehr geheimnisvoller Mann. Man hört einiges über ihn. Aber wenn ich in seiner Nähe bin, beginne ich irgendwie zu frieren. Du weißt ja, ich habe eine gewisse mediale Begabung und..."

Ehe es doch noch zu einem ausgedehnten Vortrag über Okkultismus ausartete, fragte Carem dazwischen: "Und wo soll dieser Wundertyp sein?"

Sibylle deutete nur stumm mit ihrem Daumen über ihre Schulter hinweg.

Carem schaute in die angezeigte Richtung - und erschrak: Dieser Ernest Wales stand keine fünf Schritte entfernt von ihnen. Vielleicht hatte er sogar mitbekommen, was Sibylle über ihn gesagt hatte? Er lächelte jedenfalls amüsiert.

Und dann schaute Carem in seine Augen.

Da war es wieder, jenes eigentlich undeutbare, weil so überaus widersprüchliche Gefühl, das sie auf der einen Seite heftig davor gewarnt hatte, hierher zu kommen - und sie gleichzeitig regelrecht hierher getrieben hatte.

Jetzt war sie da und sah den Grund.

Ja, Carem Steinbeck war tatsächlich in diesem Augenblick fest davon überzeugt, daß dieser Mann der Grund dafür war, und sie zweifelte überhaupt nicht mehr daran, daß es so etwas wie Vorahnungen tatsächlich geben konnte.

––––––––

+ + +

––––––––

Sibylle Carlson entging es nicht, welche Wirkung Ernest Wales auf ihre Freundin hatte. Aber sie sah darin keineswegs ein negatives Zeichen. Ganz im Gegenteil. Sie führte ihre Freundin zu ihm hin und machte sie beide miteinander bekannt.

"Sehr erfreut, Sie kennenzulernen!" behauptete er mit tiefer, sehr männlicher, volltönender Stimme, nahm Carems Rechte und führte sie zu seinen Lippen, um einen flüchtigen Kuß auf den Handrücken zu hauchen. Ganz wie ein Gentleman der alten Schule.

Auch Carem wollte etwas sagen, aber kein Ton verließ ihre bebenden Lippen.

Als sich Ernest Wales wieder aufrichtete und sich ihrer beider Blicke begegneten, hatte Carem das Gefühl, in seinen Augen zu versinken.

Gott, was geht hier vor? rief etwas warnend in ihrem Innersten, aber dieser Ruf verhallte ungehört. Sie war gefangen von diesen Augen, von dieser Ausstrahlung. Ihr wurde heiß und kalt zugleich. Eine Gänsehaut rieselte ihr vom Nacken her über den Rücken, ein Beben erfaßte ihre Brust. Sie wußte nicht, ob sie in seine Arme fallen oder nicht doch noch besser fliehen sollte. Obwohl, alle Gedanken in dieser Richtung waren eigentlich sinnlos, weil sie ohnedies überhaupt nicht mehr in der Lage war, auch nur einen Finger zu rühren.

Und er erwiderte ihren viel zu langen Blick.

Er wollte auch noch etwas sagen, aber auch ihm versagte auf einmal die Stimme. Ganz offensichtlich! Seine Lippen mahlten. Seine hohe, athletisch wirkende Gestalt schien plötzlich zu wanken. Er bewegte den linken Arm, als würde er nach einem Halt tasten, den er nicht finden konnte.

"Ernest Wales?" hörte Carem eine weibliche Stimme fragen. Es dauerte Sekunden, bis ihr bewußt wurde, daß diese ihre eigene Stimme war.

Er schaffte es, zu nicken, und nach einigen Anläufen sogar, zu antworten: "Ja, gewiß, der bin ich!"

"Es freut mich ebenfalls, Ihre Bekanntschaft zu machen, an diesem... diesem Ort!"

Gott, was rede ich denn da für einen völligen Unsinn? riefen ihre Gedanken. Spricht so eine selbstbewußte Sekretärin, die gewohnt ist, mit internationalen Business-Leuten zu verhandeln? Das klingt doch eher nach einem schüchternen Teenager, dem die erste Liebe begegnet...

Liebe?

Er nahm ihre Rechte jetzt in beide Hände und drückte sie warm.

"Na, ich glaube, ich überlasse euch beide lieber einmal eurem Schicksal, während ich mich um meine anderen Gäste kümmere", sagte Sibylle und zog sich tatsächlich zurück.

Die beiden achteten überhaupt nicht mehr auf sie. Ihre Blicke klebten regelrecht aneinander fest. Carem spürte ihren heftigen Herzschlag und hatte gar nichts dagegen, daß Ernest ihre Hand noch einmal an seinen Mund führte und sie mit seinen Lippen leicht liebkoste. Nur kurz. Nicht länger jedenfalls, als es sich gerade noch schickte.

Sie spürte ihn so deutlich, als wäre er viel näher. Dabei berührten sich ihre Körper überhaupt nicht. Nur die Hände.

Als wäre etwas Unsichtbares zwischen ihnen, das sie fest verband.

Jetzt konnte Carem überhaupt nicht mehr verstehen, wieso sie regelrecht Angst gehabt hatte vor dem, was sie auf dieser Party erwartete. Dieses übermächtige Gefühl, das jede Faser ihres Daseins beherrschte, war doch so überaus positiv, wie sie noch niemals zuvor auch nur annähernd etwas verspürt hatte.

Er war der Mann ihres Lebens. Das wußte sie mit solcher Deutlichkeit wie nichts anderes in dieser Welt. Und sie wußte gleichzeitig noch etwas: Niemals mehr würde sie von ihm los kommen!

Sie schaute in sein Gesicht und sah endlich die kleinen Tränen, die in seinen Augen entstanden waren und jetzt über seine Wangen zu rollen begannen. Diese unendliche Traurigkeit, von der sie erzählten...

"Was ist los?" fragte sie mit zittriger Stimme.

"Ich weiß es nicht", antwortete er ehrlich. "Was hast du mit mir gemacht?"

"Dasselbe wie du mit mir!" Carem lächelte entwaffnend und legte ihre freie Linke auf seine Hände.

Nur an den Händen berührten sich die beiden. Aber das genügte vollkommen, um dieses unbeschreibliche Gefühl des Glücks in ihnen zu erzeugen.

Ja, Carem spürte, daß es ihm genauso erging wie ihr. Er spielte es nicht nur einfach. Denn ein so starkes Gefühl konnte niemand einfach nur vorspielen. Es war regelrecht von magischem Charakter. Unbeschreiblich, großartig, aber auch - beherrschend.

Habe ich gerade dessentwegen davor Angst gehabt? fragte sie sich unwillkürlich.

Und noch eine Frage entstand in diesem Zusammenhang: Aber wie konnte ich das denn überhaupt ahnen?

Und sie hatte diese Vorahnung tatsächlich gehabt, ganz deutlich sogar und - unleugbar!

Er beugte sich zu ihr herunter, und ihre Lippen fanden sich zum ersten Kuß.

Er schmeckte ein wenig salzig. Wegen seiner Tränen. Weinte Ernest Wales vor Glück oder vor - Trauer? Aus welchen Gründen auch immer. Aber er schämte sich seiner Tränen keineswegs.

––––––––

+ + +

––––––––

Später hätte Carem Steinbeck unmöglich zu sagen vermocht, wie lange ihr erster Kuß gedauert hatte. Danach erwachte sie jedenfalls wie aus einem Traum.

Ernest wischte sich die Tränen weg. "Ich muß mich, glaube ich, ein wenig entschuldigen", sagte er und wirkte dabei etwas konfus. "Normalerweise weine ich nicht in aller Öffentlichkeit, aber du hast in mir etwas ausgelöst, was ich nicht kenne. Es verwirrt mich zutiefst. Da kommen die Tränen ganz von allein."

"Bist du glücklich?" fragte sie.

"Ja!" antwortete er ohne zu zögern. "Aber ich habe vielleicht auch ein klein wenig Angst."

"Wovor?"

"Na, vor dem Neuen halt. Ich fühle mich irgendwie - verloren. Ja, ich habe mich an dich verloren, und das Seltsame dabei ist, daß es mir andererseits eigentlich überhaupt gar nichts auszumachen scheint. Ganz im Gegenteil: Genau das erzeugt ja gerade dieses unbeschreibliche Glücksgefühl, das ich nie zuvor kennenlernen durfte."

Sie streichelte ihm kurz seine Wange. "Mir ergeht es genauso. Und noch vor Minuten hat Sibylle mir vorgeworfen, ich würde nur noch an meine Karriere denken. Wahrscheinlich hatte sie sogar recht? Aber es ist vorbei. Durch dich!"

Er schloß die Augen, wie um sich zu sammeln. Dann schaute er zur Seite, als wollte er sich davon überzeugen, daß sie nicht schon bei den anderen Partygästen Aufsehen erregten.

Aber die einzige, die sich zur Zeit um sie kümmerte, war Sibylle. Sie winkte herzlich herüber.

"Sie ist deine Freundin?" fragte er.

"Ja, das ist sie. Schon ziemlich lange sogar."

Er lächelte. "Na, so arg lange kann das ja wohl noch nicht sein. Dafür bist du doch gar nicht alt genug, nicht?" Es klang irgendwie seltsam.

Sie betrachtete ihn unwillkürlich genauer. Ernest Wales war ein Mann unbestimmbaren Alters. Er konnte dreißig Jahre alt sein, vielleicht sogar älter. Um wieviel älter?

Ein Mann mit beinahe jungenhafter Ausstrahlung, aber mit der Reife des Älteren, Erfahrenen. Eine im Grunde genommen ungewöhnliche Mischung, wie anscheinend nicht nur Carem fand. Sie sah es nämlich immer wieder an den verstohlenen Blicken einiger Frauen, die sich unter die Partygäste gemischt hatten.

"Wie kommt es eigentlich, daß mir dein Name bekannt vorkam, obwohl ich sicher bin, ihn nie zuvor gehört zu haben?" fragte Carem.

Er lachte herzlich. Das klang so jungenhaft, daß Carem ihn allein dafür hätte küssen mögen. "Hat dir Sibylle etwas von mir erzählt?"

Auch das klang irgendwie - seltsam, um nicht zu sagen: geheimnisvoll.

"Nein, nur den Namen - eigentlich", antwortete Carem wahrheitsgemäß. "Warum fragst du das?"

Er wich ihrem Blick aus. "Nun, heißt es nicht, daß ein jeder sozusagen seine eigene Leiche im Keller hat?"

Jetzt lachte sie. "Na, ganz so schlimm wird es wohl nicht sein, oder? Ja, sie erwähnte etwas von einem geheimnisumwitterten Mann namens Ernest Wales. Geheimnisumwittert, ja, ich glaube dieses Wort hat sie benutzt. Und jetzt weiß ich wenigstens definitiv, wen sie damit gemeint hat."

"Bin ich immer noch für dich der - Geheimnisvolle?" fragte er gerade heraus.

Sie nickte nur und bot ihm ihre vollen Lippen.

Er küßte sie zum zweiten Mal, so lange, bis sie beide nach Atem ringen mußten.

Fest nahm er Carem in seine starken Arme. Sie fühlte sich an seiner männlichen Brust wohl und geborgen.

Carem schloß ihre Augen. Es war ein Augenblick, von dem sie sich wünschte, er möge niemals mehr enden.

Und dann kam das Ende schneller als befürchtet: Sibylle war wieder bei ihnen.

"Na, ihr beiden Turteltäubchen? Die Schöne und das Biest oder so ähnlich?" Sie lachte gekünstelt. "Äh, entschuldige, Ernest, war nicht gegen dich gerichtet. Ist mir gerade so eingefallen. Als ein kleiner Scherz unter Freunden, nicht wahr? Schließlich bist du alles andere als ein Biest, wie man weiß."

Carem ärgerte sich auf einmal über ihre Freundin. Was sollte dieses Gerede?

Sie schaute Sibylle an. Deren Blicke gingen zwischen ihr und Ernest hin und her.

Carem wollte etwas Scharfes zu ihrer Freundin sagen, aber diese schien es bereits zu erwarten. Sie winkte ab und meinte leichthin: "Ernest versteht schon, was ich meine. Nicht wahr, Ernest? Schließlich kennen wir uns ein wenig. Vielleicht wollte ich deshalb unbedingt, daß du herkommst und ihn kennenlernst, weil er es von mir verlangt hat? Nein, natürlich hat er kein Wort darüber erwähnt. Ja, möglicherweise hat er von diesem Wunsch noch nicht einmal selbst etwas gewußt. Aber jetzt sieht man, was daraus geworden ist. Jeder sieht es, der Augen im Kopf hat. Auch wenn er ganz und gar nicht daran glauben mag, aus welchen Gründen auch immer."

Carem schüttelte über ihre Freundin Sibylle den Kopf. Sie konnte jetzt erst recht verstehen, wieso man sie inzwischen längst in Freundeskreisen "die liebenswerte Verrückte" nannte. Obwohl, zur Zeit gebärdete sie sich wirklich nicht gerade - liebenswert.

Sibylles Rechte klammerte sich so fest an die Schulter von Carem, daß es dieser schmerzte.

"Liebes, du glaubst nicht daran, daß ich mediale Fähigkeiten habe. Das weiß ich. Aber ich sage dir trotzdem, daß es für dich besser wäre, Ernest Wales schleunigst wieder den Rücken zuzukehren. Ja, so schnell wie möglich sogar. Obwohl ich andererseits leider spüre, daß es dafür doch bereits zu spät zu sein scheint."

Sie wandte sich nach diesen verrückt klingenden Worten einfach ab und verschwand in dem Trubel, den ihre Gäste verursachten.

"Jetzt ist sie völlig übergeschnappt oder was?" fragte sich Carem verständnislos.

Ihr war gar nicht bewußt, daß sie es laut ausgesprochen hatte. Erst, als Ernest darauf reagierte: "Nun, vielleicht hat sie sogar recht?"

Sie schaute ihn verwundert an.

"In einem ganz sicher, Ernest: Es ist zu spät, jetzt noch einen Rückzieher machen zu wollen!"

Darauf sah sie wieder seine Tränen. Und sie konnte das nicht verstehen.

––––––––

+ + +

––––––––

Sie verbrachten den ganzen Rest der Nacht miteinander.

Erst blieben sie noch auf der Party. Sibylle tauchte nicht wieder bei ihnen auf. Noch nicht einmal in ihrer Nähe. Sie konnten sie nirgendwo mehr sehen. Als hätte sie ihre eigene Party längst verlassen. Oder bemühte sie sich nur, ihnen nach diesem Vorfall nicht mehr zu begegnen? Und dann gingen sie hinaus.

Tief atmeten sie die kühle Nachtluft ein. Sie standen Hand in Hand vor dem hellerleuchteten, herrschaftlichen Haus mit dem großen, parkähnlichen Grundstück darum herum.

"Hast du auch ein Auto dabei?" fragte Carem.

"Ja, aber brauchen wir unbedingt eins?" fragte Ernest zurück.

Sie lachte nur.

Und dann gingen sie zu Fuß von dem Gelände in den fast unmittelbar angrenzenden städtischen Park. Dort spazierten sie Hand in Hand und plaudernd. Dann wiederum übermütig herumhüpfend, sich immer wieder küssend. Eben wie zwei verliebte Teenager, die noch ziemlich unerfahren in der Liebe waren und einfach nicht wußten, was sie tun sollten vor lauter Glück. Da wirkte Ernest keineswegs mehr wie ein reifer Mann, sondern eher wie nach einer radikalen Verjüngungskur.

So ging es den ganzen Rest der Nacht. Die Morgensonne schließlich erwarteten sie eng umschlungen auf einer Parkbank.

"Es ist vorbei", flüsterte Carem und es klang bedauernd.

"Was ist vorbei?" fragte Ernest alarmiert.

"Die Nacht, mein Liebling, nur die Nacht", beruhigte sie ihn zärtlich.

"Wann treffen wir uns wieder?"

"Am liebsten wäre es mir, wir würden uns sowieso nie mehr voneinander verabschieden müssen!"

"Glaubst du wirklich, daß dies für uns beide das Beste wäre?"

"Nein, ich glaube es nicht nur, Darling, sondern ich weiß es sogar ganz sicher."

Auf einmal wirkte er unendlich traurig. So hatte sie ihn die ganze Nacht nicht mehr gesehen. Was hatte er denn?

Er wandte sich ab von ihr, stand sogar auf und lief ein paar Schritte unruhig hin und her.

Carem war auf einmal ganz mulmig zumute. Sie wagte ihn nicht zu fragen. Hatte sie denn etwas Falsches gesagt?

Er blieb vor ihr stehen, wagte es aber anscheinend nicht, sie offen anzusehen, denn sein Blick war auf einen imaginären Punkt irgendwo hinter Carem gerichtet.

"Es gibt Dinge im Leben, die wollen so etwas wie Glück nicht zulassen", orakelte er.

Das versetzte Carem einen gehörigen Schrecken. Sie glaubte auf einmal zu wissen, was ihn so sehr bedrückte - nach dieser so wunderbaren Nacht.

"Du bist - verheiratet!" sagte sie im Brustton der Überzeugung.

Er lachte bitter. "Nein, Carem, das bin ich natürlich nicht. Das war ich auch niemals. Es hat nie zuvor eine Frau in meinem Leben gegeben, für die ich meine Selbständigkeit aufgegeben hätte. Das ist auch gar nicht das Problem. Wenn es das wäre, wäre alles halb so schlimm."

"Dann sage es mir einfach!" bat sie ihn.

Er aber schüttelte den Kopf und reichte ihr beide Hände. "Nein, Darling, komm, wir wollen alles vergessen, was sich zwischen uns drängen könnte, und wollen unsere letzten gemeinsamen Minuten genießen, ehe wir voneinander scheiden müssen."

"Wie lange - scheiden?" fragte sie bang.

"Bis heute abend?" schlug er vor.

Sie atmete erleichtert auf und faßte seine Hände.

Carem wollte aufstehen, aber da packten Schwindel nach ihr und machten es unmöglich. Sie glaubte, umkippen zu müssen. Die Schwäche war so stark, daß sie auch tatsächlich den Halt verloren hätte, wenn Ernest nicht fester zugepackt und es damit verhindert hätte.

Als sie endlich stand, ging die Schwäche wieder vorbei.

Das ist nur, weil ich es nicht gewöhnt bin, wie ein halbwüchsiger Teenager eine ganze Nacht lang mit einem Mann im Park herumzutollen! redete sie sich ein. Ich brauche Schlaf, einfach nur ausreichend Schlaf. Dann ist alles wieder in bester Ordnung.

Ernest schien es ernster zu nehmen als sie. Aber er sagte kein Wort in dieser Richtung.

Hand in Hand und diesmal schweigend gingen die beiden zu ihren Fahrzeugen.

Die meisten Gäste waren bereits gegangen. Es waren kaum noch Wagen da. Aber die wenigen Gäste, die noch im Haus übriggeblieben waren, verhielten sich ziemlich ruhig, im Verhältnis zu dem Trubel am Abend und in der Nacht. Auch sie schienen inzwischen müde geworden zu sein.

"Bis heute abend!" versprach Ernest Wales und küßte Carem zum Abschied.

Als sie in ihren Wagen stieg, lächelte er sie an. Es sah ein wenig verzerrt aus, als müßte er sich zu diesem Lächeln zwingen, weil hinter seiner Stirn viel ernstere Gedanken waren.

Welcher Art waren diese Gedanken? Sorgte er sich nur, weil sie diesen Schwächeanfall vorhin gehabt hatte?

Das konnte sich Carem nicht so recht vorstellen.

Sibylle hatte schon angekündigt, daß Ernest Wales ein Mann mit Geheimnissen war. Das hätte sie wohl niemals gesagt, wenn sie diese Geheimnisse vor der Begegnung der beiden hätte enträtseln können.

Welcher Art waren sie eigentlich?

Carem hätte sie gern gewußt, denn umgekehrt begann sie sich allmählich um ihn zu sorgen. Aber sie ahnte schon, daß er nicht gewillt war, darüber zu reden. Ja, sie befürchtete sogar, daß er sie möglichst für immer für sich behalten wollte. So eng ihre Verbindung auch noch werden würde.

Ja, sollte sie wahrhaftig niemals erfahren, welches Motiv er dafür hatte?

Welches wäre denn überhaupt denkbar?

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Carem widerstand dem Wunsch, erst noch einmal in das Haus zu gehen, um mit ihrer Freundin zu sprechen. War es denn nicht offensichtlich, daß Sibylle dies nicht wünschte?

Sie fuhr also davon, ohne sich von Sibylle zu verabschieden.

Der Weg nach Hause kam ihr viel weiter vor als sonst. Kein Wunder, so müde und erschöpft, wie sie sich fühlte.

Ein Glück, dachte sie, daß ich ab heute ein paar Tage frei habe. Als hätte ich es geahnt.

Da war wieder der Gedanke an ihre Vorahnungen. So etwas hatte sie noch nie zuvor an sich erlebt. Wie war es möglich gewesen?

Jetzt, wo sie nicht mehr mit Ernest Wales zusammen war, nisteten sich ganz andere Gedanken in ihrem hübschen Kopf ein. Ihr wurde zum Beispiel bewußt, daß sie über ihn absolut nichts wußte, nicht einmal seine Adresse.

Darüber erschrak sie so sehr, daß sie kurz an den Straßenrand fahren mußte.

Wie war denn das nun wieder möglich? Sie hatte sich die ganze Nacht mit ihm angeregt unterhalten, aber sie wußte dennoch nichts über ihn. Ja, und wieso fiel ihr das überhaupt jetzt erst auf?

Was waren denn überhaupt ihre Gesprächsthemen gewesen?

Es war, als hätte sich Nebel über die Bilder der Erinnerung gebreitet, wie ein Tuch, das sie vergessen machen wollte.

Nur dieses unbeschreibliche Glücksgefühl, daran war die Erinnerung noch völlig wach. Alles andere hingegen...

Und noch etwas war überstark in ihrer Brust: Die Sehnsucht nach ihm, nach Ernest Wales! Egal, welches Geheimnis er auch immer vor ihr und allen anderen Menschen verbergen wollte. Ganz so schlimm mochte es wohl gar nicht sein. Wenn er beispielsweise ein Krimineller gewesen wäre, dann würde er ja wohl nicht so frei herumlaufen dürfen, nicht wahr?

Trotzig startete sie wieder den Motor und fuhr weiter. Nein, sie würde sich von nichts und niemand davon abbringen lassen, sich mit Ernest Wales zu treffen. Obwohl... Wenn sie ehrlich sich selbst gegenüber war, dann mußte sie eigentlich zugeben, daß sie das ohnedies überhaupt nicht mehr hätte lassen können, auch wenn sie sich noch so sehr bemüht hätte. Sie gehörte ihm sozusagen längst schon mit Haut und Haaren. Nicht nur wegen der gemeinsam verbrachten Nacht, in der sie wie die halben Kinder gewesen waren und gar nicht wie zwei Erwachsene. Das war schon so, seit sie ihm zum ersten Mal in diese abgrundtiefen Augen geschaut hatte.

Und sie würde sich heute abend schon mit ihm treffen!

Wie sollte sie die Stunden bis dahin überhaupt heil überstehen?

Und an diesem Punkt der Überlegungen angelangt, lief es ihr siedendheiß über den Rücken: "Wann und wo findet unser Treffen denn eigentlich statt?"

Jetzt erst wurde ihr bewußt, daß sie weder einen genauen Zeitpunkt, noch einen Treffpunkt ausgemacht hatten. Es war so vage, so schrecklich vage. Als hätte er nur so gesagt und wollte sich nicht wirklich mit ihr treffen.

Sie schüttelte so heftig den Kopf, daß ihre Haare flogen.

Nein! entschied sie im stillen, ihn hat es genauso erwischt wie mich. Er liebt mich, wie ich ihn liebe. Ich hätte es zwar nie zuvor für möglich gehalten, einen Menschen lieben zu können, über den ich praktisch überhaupt nichts weiß, außer dem Namen. Aber es ist so gekommen, und ich habe es nicht verhindern können. Genauso wenig wie er. Seitdem gehören wir zusammen. Und wenn wir uns verabredet haben, dann finden wir auch zueinander. Selbst wenn wir weder einen genauen Zeitpunkt, noch einen genauen Treffpunkt verabredet haben.

Davon war sie so überzeugt, daß sie keinen weiteren Gedanken mehr daran verschwendete und beruhigt weiterfuhr.

Daheim angekommen, ging sie gleich zu Bett und schlief augenblicklich ein.

Es war ein regelrechter Erschöpfungsschlaf. Ja, so erschöpft hatte sie sich eigentlich noch nie zuvor gefühlt, nicht einmal nach dem schlimmsten Arbeitstag, den sie sich denken konnte.

Wie kam das?

War es wirklich nur, weil sie einfach übernächtigt war?

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Es war nur ein Traum, wahrscheinlich geboren in ihrem Gefühl tiefer Erschöpfung, das sie auch im Schlaf nicht mehr verließ.

Ja, sie wußte, daß es nur ein Traum war, von der ersten Szene an, in der sie über einer stark bewaldeten Landschaft schwebte. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wo diese Landschaft zu finden war. Es interessierte sie auch nur wenig, weil sie ja wußte, daß es sich nur um einen Traum handelte.

Sie fühlte sich leer und ausgelaugt in ihrer hilflosen Schwerelosigkeit. Der Wind spielte mit ihr wie mit einer Daunenfeder. Sie wurde hin und her getrieben, auf und ab, und sie ließ es zu, weil sie keine Chance hatte, sich dagegen zu wehren.

Und dann kam der Sog, der sie in Richtung Boden saugte. Sie schaute nach unten und sah ein verfallenes Gebäude. Es gab nicht einmal einen Weg, der dorthin führte. Man konnte das überwucherte Gebäude nur sehen, wenn man sich unmittelbar darüber befand. Ansonsten wurde es von dem Pflanzendickicht verborgen.

Wann hatte zum letzten Mal ein Mensch dieses Gebäude betreten?

Nein, es ist überhaupt kein normales Gebäude! berichtigte sich Carem, sondern eine - Gruft! Ja, es war das Haus von Toten, ein Haus, das eines Lebenden Auge lange nicht mehr erblickt hatte.

So weit draußen in dieser einsamen Landschaft? Ohne daß ein Weg dahin führte?

Und wo waren die anderen Gräber?

Carem schaute sich um. Alles wirkte so real, als wäre sie tatsächlich hier.

Es gab die anderen Gräber, aber auch sie waren total überwuchert, um nicht zu sagen verwildert. Die Grabsteinaufschriften waren längst unleserlich geworden. Sie wirkten vom Alter zerfressen wie von Säure, und es saß fingerdick das Moos darauf. Die meisten waren ohnedies umgekippt.

Ein uralter, verlassener, ja sogar vergessener Friedhof. Das einzige, was noch so weit erhalten geblieben war, daß man es vielleicht benutzen konnte, war die Gruft.

Carem schwebte durch die geschlossene Eisentür, als wäre sie keinerlei Materie für sie. Drinnen war es zwar völlig dunkel, aber auch das machte ihr nichts aus. Sie konnte in der Dunkelheit sehen, als wäre sie hell erleuchtet.

Carem wunderte sich über diese Phänomene keineswegs, denn sie wußte ja, dies war nur ein Traum, und in einem Traum war bekanntlich vieles möglich, was es nicht in Wirklichkeit geben konnte.

Steinerne Särge standen vor den Wänden aufgestapelt. Überall hingen dicke Spinnwebenpolster. Zusätzlich hielt der allgegenwärtige Staub alles bedeckt.

Nein, der Eindruck blieb, daß lange Zeit schon keines Lebenden Fuß dieses Totenhaus betreten hatte. Dennoch war Carem auf einmal sicher, daß dieser Traum kein Zufall war. Da gab es nichts in ihrem Leben, das ihn ausgelöst haben konnte. Dessen war sie sich gewiß. Aber wieso träumte sie dann davon?

Sie schaute sich in der Gruft um und schwebte dabei gegen ihren Willen in die Mitte. Und dann drang sie in den Steinboden ein.

Man konnte vor lauter Schmutz gar nicht sehen, daß es dort überhaupt einen Zugang zum tieferliegenden Teil der Gruft gab. Er bestand in der Form einer dicken Steinplatte, und diese schloß so dicht, daß sich unterhalb nicht das geringste Stäubchen befand. Der Raum wirkte regelrecht steril.

Aber das war es nicht, was Carem zutiefst erschreckte, sondern die Tatsache, daß sich mitten in diesem Raum ein steinerner Sockel erhob, wie ein Altar, und daß darauf ein uralter Greis lag.

Carem schwebte direkt über ihm und konnte ihn ganz genau betrachten.

Es war nicht sicher, ob der uralte Mann wirklich tot war oder doch nur tief und fest schlief.

Was für eine Frage aber auch! durchfuhr es sie. Was sollte er hier unten denn anderes sein als - tot?

Sie schwebte um den steinernen Altar herum. Die Wände waren völlig kahl. Alles war peinlich sauber. Es wirkte gar nicht mehr wie in einem unterirdischen Raum, unterhalb einer Totengruft. Nicht einmal Feuchtigkeit gab es an diesen Wänden. Carem konnte auch das deutlich sehen.

Und der alte Mann rührte sich nicht. Er wirkte völlig erhalten, als habe man ihn soeben erst aufgebahrt. Gleichzeitig jedoch wußte Carem definitiv, daß dem nicht so war, sondern daß der alte Mann schon viele Jahre hier lag.

Er ist nicht tot! durchzuckte es sie, woher auch immer sie diese Erkenntnis hatte. Er lebt! Es ist ein unbeschreibliches, weil unnatürliches Leben, das ihn beseelt. Es ist nicht viel mehr als nur ein winziger Lebensfunke. Und er liegt hier in diesem Zustand bis in alle Ewigkeit.

Aber warum?

Diese dringliche Frage, für die es keine Antwort zu geben schien, beendete alles: Der Traum verblaßte schlagartig, und Carem erwachte mit einem leisen Schrei auf den Lippen.

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Die Erschöpfung war immer noch da, trotz des langen Schlafes. Und trotz des Alptraums hatte sie keinen Tropfen Schweiß vergossen.

Mühsam richtete sie sich auf und warf einen Blick auf die Uhr. Gott, es war ja schon fast Abend. Da wollte sie sich doch mit Ernest treffen!

Sie brauchte allen Willen, um die Decke beiseite zu werfen und das Bett zu verlassen.

Kaum stand sie vor dem Bett, mußte sie sich sogleich wieder setzen. Schwindel packten so mächtig nach ihr, daß sie sich am Bettrand regelrecht festkrallen mußte, um nicht umzukippen.

Nach einer Weile gingen die Schwindel vorbei, und Carem fühlte sich wieder besser. Fast schon wieder normal! registrierte sie mit Erleichterung.

Vielleicht muß ich nur mal etwas essen? redete sie sich ein und schlurfte müde in Richtung Küche. Dort bereitete sie sich ein kleines Mahl und aß es ohne Appetit. Sie mußte sich jeden Bissen regelrecht aufzwingen.

Wieder einen Blick auf die Uhr. Die Zeit verging viel zu schnell, und sie war weder geduscht, noch ordentlich angezogen. Wie sollte sie sich in diesem Zustand mit Ernest treffen können?

Sie ging in Richtung Bad, aber unterwegs holte sie das Läuten des Telefons ein.

Wer mochte denn das sein?

Sie meldete sich. Am anderen Ende der Leitung blieb es zunächst still. Man hörte nicht einmal ein Atmen.

War es einer von diesen Telefonbelästigern, von denen man immer wieder hörte?

Nein, es war Sibylle Carlson, ihre Freundin.

"Es tut mir leid, Carem!" sagte sie anstatt einer Begrüßung.

"Was tut dir denn leid?" fragte Carem zurück.

"Nun, mein Benehmen von gestern abend und daß ich euch beide anschließend aus dem Weg gegangen bin. Ich - ich war einfach zu konfus."

"Konfus?"

"Ja, Carem, du hörst schon richtig. Es ist wegen euch beiden, dir und Ernest Wales. Das heißt, eigentlich ist es ja mehr wegen dir. Weil ich mich nämlich echt um dich sorge. Und deshalb mache ich mir auch diese Vorwürfe, weil mir klar ist, daß ich an allem schuld bin. Hätte ich dich nur nicht eingeladen zu dieser unseligen Party. Es ist die letzte in meinem Leben. Das habe ich mir geschworen."

"Das mag besser so sein, aber was machst du dir Sorgen darum, weil ich Ernest kennengelernt habe?"

"Er - er ist kein normaler Mann", platzte Sibylle heraus.

"Was heißt denn das nun wieder?" Es klang ärgerlicher, als Carem es beabsichtigt hatte.

"Es heißt, was es heißen soll: Ernest Wales ist kein normaler Mann! Nicht nur, weil er ein Schürzenjäger der absolut übelsten Sorte ist."

"Ein - Schürzenjäger?"

"Ja, Carem, so leid es mir tut. Ich mache mir allein dessentwegen schon so schwere Vorwürfe. Schließlich habe ich euch beide regelrecht miteinander verkuppelt. Ich war dabei regelrecht vom Teufel geritten gewesen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hätte das niemals tun dürfen und habe es dennoch getan. Sozusagen wachen Auges, denn ich habe in jeder Sekunde meines Tuns ganz genau gewußt, daß es ein schrecklicher Fehler ist und daß ich dir das niemals antun durfte. Aber ich habe es dennoch getan, wie unter einem schrecklichen, unheilvollen Zwang."

Nein, entschied Carem, das sollte man nun wirklich nicht einfach nur als das Geplapper einer "liebenswert Verrückten" abtun. Aber was steckte denn sonst dahinter?

"Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Ernest wirklich so eine Art Schürzenjäger sein soll", sagte sie laut.

"Das kann ich mir wiederum lebhaft vorstellen, Carem, denn bei dir ist es irgendwie anders."

"Was ist anders?"

"Nun, ich will wirklich ehrlich sein zu dir. Du bist meine beste Freundin, schon immer gewesen. Auch wenn ich dir niemals von Ernest Wales erzählt habe. Ich kenne ihn nämlich schon länger. Eigentlich, seit ich diese Millionen geerbt habe. Dadurch kam ich zwangsläufig in Kreise, zu denen mir vorher der Zutritt sozusagen verwehrt gewesen war. Zu diesen Kreisen gehört auch Ernest Wales."

"Aber dann kennst du ihn ja tatsächlich schon seit Jahren?"

"Das ist richtig, Carem!" gab Sibylle zu.

"Aber du hast bisher wirklich mit keinem einzigen Wort erwähnt, daß es ihn überhaupt gibt!" warf ihr Carem vor.

"Deshalb rufe ich ja auch jetzt an, Liebes!" behauptete Sibylle. "Sieh mal, ich weiß selbst nicht, warum ich ihn niemals erwähnt habe. Irgendwie geschah es aus Sorge um dich. Dir sollte nicht das widerfahren wie allen anderen Freundinnen und Bekannten von mir."

"Von was sprichst du eigentlich, Sibylle?" Carem wurde wieder ärgerlich. "Was sollen diese ständigen Andeutungen? Ist es, weil Ernest angeblich ein Schürzenjäger ist oder was?"

"Nein, nicht nur deshalb, Carem. Aber einmal ein Frage vorab: Wie fühlst du dich?"

"Was hat das denn wieder damit zu tun?"

"Sehr viel, Liebes. Vielleicht ist es sogar entscheidend?"

"Nicht besonders gut", gab Carem zu. "Die lange Nacht, also zu wenig Schlaf und..."

"Du fühlst dich total erschöpft und ausgelaugt? Am liebsten würdest du in dein Bett kriechen und schlafen, bis dieser Zustand sich wieder ausgeglichen hat? Egal, wie lange das auch dauern sollte? Stimmt es nicht?"

"So ist es, Sibylle, aber was...?"

"So ist es jeder ergangen!"

Es war eine Weile ruhig. Carem hatte es die Sprache verschlagen. Aber sie verstand immer noch nicht so richtig, auf was Sibylle hinaus wollte.

Sibylle ließ ihr Zeit, das Gehörte zu verarbeiten. Dann erst sprach sie weiter: "Ich meine, jeder Frau ergeht es so, die eine bestimmte Zeit mit Ernest Wales verbringt. Er ist ein toller, geheimnisvoller Mann. Er wirkt auf Frauen unwiderstehlich. Wahrscheinlich kann sich ihm keine einzige Frau entziehen. Dabei wählt er sorgfältig aus, wie es scheint. Meistens nur jüngere Frauen. Sie sind hingerissen von ihm - für einen Tag und vielleicht eine Nacht. Und danach fühlen sie sich elend."

"Und was ist mit dir?" fragte Carem mißtrauisch.

"Es - es fällt mir unendlich schwer, es zuzugeben, Liebes, aber ich war schon zweimal mit ihm zusammen. Es war jedesmal dasselbe!"

Carem schüttelte den Kopf. Jetzt glaubte sie zu verstehen, was das ganze sollte: Eifersucht! In Wahrheit konnte Sibylle wohl Ernest nicht vergessen, und ihre angebliche Sorge war in der Eifersucht geboren. Schließlich hatte sie sehen können, wie es zwischen ihnen beiden aussah.

Es ist die wahre Liebe, nichts anderes, was uns beide seit gestern abend verbindet! dachte sie. Ernest, Liebling, ich liebe dich und würde sogar mein Leben für dich opfern!

Und diese Geschichte, die Sibylle ihr hier auftischte?

Abermals schüttelte Carem den Kopf. "Wahrlich, Sibylle, du bist tatsächlich ein wenig verrückt. Man hat nicht unrecht damit, wenn man das sagt."

Sibylle war sofort eingeschnappt. "Na gut, dann eben nicht! Ich wollte damit wiedergutmachen, daß ich euch beide zusammengebracht habe. Aber ich sehe schon, du willst mir nicht glauben, hältst mich sogar für verrückt. Also habe ich doch eigentlich gar keine Verantwortung mehr dafür, von jetzt an, nicht wahr? - Ich melde mich noch einmal bei dir!" Nach diesem letzten Satz legte sie einfach auf.

Carem schaute auf den Telefonhörer in ihrer Hand und schüttelte zum dritten Mal den Kopf.

Allmählich begann sie, sich ernstlich Sorgen um ihre Freundin zu machen. Sie fand, daß es um sie noch nie zuvor auch nur annähernd so schlimm gestanden hatte. Vielleicht war es längst überfällig, daß sie einen Psychiater aufsuchte?

Carem nahm sich in diesem Moment ernsthaft vor, in dieser Beziehung etwas zu unternehmen. Baldmöglich sogar.

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Carem brauchte nicht zu warten. Kaum war sie fertig, als es auch schon an der Tür klingelte. Sie eilte zu öffnen, weil sie ganz sicher war, daß es nur Ernest sein konnte.

Und er war es auch tatsächlich!

Er stand vor ihr und strahlte sie an.

Carem spürte, daß es nichts im Leben mehr gab, was für sie wichtiger sein konnte als dieser Mann, und sie spürte auch gleichzeitig, daß dies ganz und gar auf Gegenseitigkeit beruhte.

Ja, vielleicht hatte Sibylle sogar recht, und bisher war Ernest vielleicht tatsächlich so etwas wie ein Schürzenjäger gewesen. Aber Carem war sich hundertprozentig sicher, daß dies alles von nun an der Vergangenheit angehörte.

Sie floh regelrecht in seine Arme. Jetzt war sogar diese Schwäche vergessen, von der sie sich nur unwesentlich erholt hatte. Noch eine Minute vorher hatte sie ihr zu schaffen gemacht. Inzwischen neigte sie auch zu der Ansicht, daß sie vielleicht irgendeine Krankheit in sich stecken hatte, gegen die sich ihr Körper zu wehren versuchte, bis sie endgültig ausbrach.

Ja, vergessen war alles für sie, wenn sie nur die starken Arme von Ernest spürte, die sie ganz fest hielten. Sie schloß die Augen und genoß es für den Moment, ehe sie ihn ganz hereinbat.

"Was sollen wir heute abend unternehmen?" fragte er. "Was sind deine Pläne?"

"Und deine?" fragte Carem zurück, weil sie ganz und gar keine hatte.

Er zuckte mit den Achseln. "Ich bin zu allem bereit - sozusagen. Vielleicht sollten wir tanzen gehen? - Falls du Lust dazu hast!" fügte er rasch hinzu.

Sie schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein, eigentlich nicht so sehr. Ich fühle mich nicht so danach, verstehst du? Irgendwie steckt mir die schlaflose Nacht noch in den Gliedern. Obwohl ich praktisch den ganzen Tag im Bett verbracht habe."

In seinen Augen irrlichterte es seltsam bei diesen Worten. Sein Mundwinkel zuckte. Carem hätte einiges darum gebeten, jetzt seine Gedanken zu erraten, wenn auch nur einen Teil davon.

Er wich ihrem Blick aus und tat so, als wäre es jetzt wichtiger, erst einmal Carems Wohnung zu begutachten.

"Sehr geschmackvoll hast du dich eingerichtet", lobte er.

"Es freut mich, daß es dir gefällt", sagte sie ehrlich.

Jetzt schaute er sie wieder an. Er lächelte dabei. "Vielleicht liegt es ja auch daran, daß wir einen ähnlichen Geschmack haben?"

"Das wäre schön!" schwärmte Carem.

Sie schmiegte sich an ihn. Jetzt, wo er wieder bei ihr war, spürte sie wieder mit aller Deutlichkeit, wie sehr sie seine Nähe brauchte. Nie wieder wollte sie darauf verzichten müssen, nie wieder! Höchstens für Stunden und niemals länger. Sollten doch Sibylle und alle Menschen der Welt sonst was über ihn erzählen. Sie dachte anders darüber, weil sie dieses Gefühl hatte, dieses unbeschreibliche Gefühl, für alle Ewigkeit zu ihm zu gehören, ganz ohne Wenn und Aber.

Eng umschlungen gingen sie durch die Wohnung, in der Carem ganz allein wohnte.

"Du hast ab und zu Gäste?" fragte er, als sie das Gästezimmer besichtigten, das Carem auch als eine Art "Rumpelkammer" benutzte, wenn kein Besuch da war. Deshalb hatte sie auch das Bügelbrett nicht weggeräumt, das mitten im Raum stand, wie vergessen.

"Ja, das habe ich: Verwandte und Bekannte, wenn sie in der Stadt sind, um mich zu besuchen."

"Dann stammst du also gar nicht von hier?"