Summer Nights - Carly Phillips - E-Book

Summer Nights E-Book

Carly Phillips

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Beschreibung

Carly Phillips entführt Sie in die Kleinstadt Serendipity, wo es beim Tanzen auf Anhieb zwischen der überarbeiteten Alexa und dem heißen Footballstar Luke knistert. In Jaci Burtons Umleitung ins Glück hat die überforderte Jane nach einer Scheidung ihr eigenes Leben vorerst auf Eis gelegt, um sich ganz ihren Kindern zu widmen – bis sie den ehemals besten Freund ihres Ex trifft. In Jessica Clares Die legendäre Jane macht Bloggerin Luanne zunächst unliebsame Bekanntschaft mit einem äußerst attraktiven Officer. Und bei Erin McCarthy sitzt Singlefrau Chelsea bei einem Wochenendtrip fest, doch Rettung naht in Gestalt eines Märchenprinzen.

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Seitenzahl: 566

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CARLY PHILLIPS

JESSICA CLARE JACI BURTON

ERIN MCCARTHY

SUMMER

NIGHTS

SEXY URLAUBSGESCHICHTEN

Aus dem Amerikanischen

von Ursula C. Sturm

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel Hot Summer Nights bei Berkley, a division of Penguin Group (USA) Inc.
Copyright © 2013 by Penguin Group (USA) Inc. »Hope Smolders« by Jaci Burton © 2013 by Jaci Burton »Perfect Stranger« by Carly Phillips © 2013 by Karen Drogin »The Legend of Jane« by Jessica Clare © 2013 by Jessica Clare »Ice Princess« by Erin McCarthy © 2013 by Erin McCarthy Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbHNeumarkter Str. 28, 81673 München Redaktion: Eva Philippon Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München unter Verwendung von gettyimages Walter Zerla Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln
ISBN 978-3-641-15396-0V002
www.heyne.de

JACI BURTON

UMLEITUNG INS GLÜCK

CARLY PHILLIPS

RUNDUM PERFEKT

JESSICA CLARE

DIE LEGENDÄRE JANE

ERIN MCCARTHY

EIN KUSS IN EHREN

JACI BURTON

UMLEITUNG INS GLÜCK

Kapitel 1

Will Griffin kam nicht umhin, die Frau zu bemerken, die soeben draußen vor der Fensterfront des Fitnessraums vorbeiging, obwohl sie fünf oder sechs kleine Kinder im Schlepptau hatte. Wie hätte er sie auch übersehen können? Tolle Beine zogen seine Blicke immer magisch auf sich, und die ihren waren wirklich außergewöhnlich.

Dafür trug sie das hässlichste Strandkleid, das er je gesehen hatte, und dazu einen zerfledderten bunten Strohhut, unter dem ein zerzauster Pferdeschwanz hervorlugte.

Frauen mit so tollen Beinen waren im Gemeindesportzentrum von Hope nicht allzu häufig anzutreffen.

Vermutlich war sie ihm deshalb aufgefallen. Erst hatte er nur die Kinder bemerkt, die vor Begeisterung johlend auf das Hallenbad zusteuerten. Doch dann waren ihm die sexy Beine ihrer Betreuerin ins Auge gestochen, dem scheußlichen Strandkleid zum Trotz.

Er hatte das dumpfe Gefühl, dass er sie kannte, obwohl sie sich den Strohhut tief ins Gesicht gezogen hatte und den Kopf abgewandt hielt.

Ob sie das wohl absichtlich tat, um inkognito zu bleiben?

Da er noch nicht mit dem Training angefangen hatte, beschloss er spontan, umzudisponieren und vorher ein paar Längen zu schwimmen.

Er holte seine Badesachen aus der Umkleide und machte sich auf den Weg zum Schwimmbad.

»Na, auf dem Weg ins kühle Nass, Will?«

Er hielt inne und drehte sich zu seinem Kumpel Luke McCormack um.

»Hey, Luke. Du bist spät dran heute.«

»Jep. Nach dem Basketballspiel gab es vor der Highschool einen Verkehrsunfall mit Blech- und Personenschaden. Nichts Ernstes, aber es hat doch eine Weile gedauert, bis wir die Straße wieder freigeben konnten.« Luke arbeitete für die hiesige Polizei.

Will verzog das Gesicht. »Keine allzu schweren Verletzungen, hoffe ich?«

»Das nicht, aber es war trotzdem unschön. Deshalb muss ich mich noch ein bisschen auf dem Laufband austoben, um wieder runterzukommen. Und du stürzt dich jetzt in die Fluten?«

Luke überlegte. Vielleicht war es nicht gerade die allerbeste Idee, wenn er einer Frau mit einer Horde Kinder nachstellte. »Ehrlich gesagt, nein. Ich dachte nur, ich hätte vorhin jemanden gesehen, den ich kenne.«

Luke grinste. »Jetzt, da du keine Nachtschichten mehr schiebst, werden dir ziemlich häufig Leute über den Weg laufen, die du kennst.«

»Wohl wahr. Du gehst jetzt also in den Kraftraum?«

»Ja.«

Will spähte durch die Glastür ins Hallenbad. »Ich komm in ein paar Minuten nach. Wir sehen uns dann auf der Tretmühle.«

»Okay, bis gleich.«

Luke marschierte los, und Will öffnete die Tür, worauf ihm sogleich ein stechender Chlorgeruch entgegenschlug. Ein paar Kinder lieferten sich am seichten Ende kreischend und kichernd eine Wasserschlacht, während einige erwachsene Badegäste ihre Bahnen zogen.

Er hielt nach der Frau mit dem Strohhut Ausschau, konnte sie aber nirgends entdecken. Na ja, es war ohnehin besser, wenn er sich nicht wie ein Stalker benahm, dachte er, schloss die Tür und begab sich in den Fitnessraum.

Jane Kline war in Geldnöten, deshalb half sie neuerdings halbtags als Kinderbetreuerin im Gemeindesportzentrum ihrer Heimatstadt Hope, Oklahoma, aus. Doch inzwischen war ihr aufgegangen, dass ihre Entscheidung nicht sonderlich gut durchdacht gewesen war. Sie hatte angenommen, sie würde den ganzen Nachmittag mit ihren Schützlingen im Spielzimmer sitzen. Dummerweise war ihr Plan, sich auf diese Weise vor den Leuten zu verstecken, die herkamen, um im Fitnessraum oder im Schwimmbecken ihren Körper zu stählen, nicht aufgegangen, denn ihr Chef hatte sie vorhin gebeten, mit den größeren Kindern schwimmen zu gehen. Der Weg zum Hallenbad führte direkt an der Fensterfront des Kraftraums vorbei, sodass all die schlanken, muskelbepackten Menschen, die sich dort drinnen schwitzend und keuchend auf den Hometrainern und Laufbändern quälten, sehen konnten, wie sie mit einer Handvoll Sechsjähriger und ihren fünf Kilo Übergewicht draußen vorbeiwackelte. Schon seit geraumer Zeit nahm sie sich vor, endlich an ihrer Figur zu arbeiten, aber leider war sie seit zwei Jahren vollauf mit ihrer Scheidung, ihrem Job als Lehrerin und der Erziehung ihrer beiden Kinder beschäftigt. Für Diäten oder Sport blieb irgendwie nie genügend Zeit.

Man möchte meinen, der Stress wegen der Scheidung hätte dafür gesorgt, dass die Kilos purzelten, aber das Gegenteil war der Fall – ständig hatte sie Heißhunger auf Kekse, Donuts, Schokolade und Pizza. Sie liebte Pizza. Genau wie ihre Kinder, die jetzt ohne Vater waren. Wie konnte sie ihnen da auch noch die Pizza verwehren?

Natürlich musste sie den Anweisungen ihres Chefs Folge leisten, also hatte sie sich mit den Kindern, für die sie verantwortlich war – darunter auch ihre fünfjährige Tochter Tabitha –, in der Garderobe umgezogen, war in ihr nicht mehr ganz weißes und bereits recht fadenscheiniges Strandkleid geschlüpft und hatte ihren Strohhut aufgesetzt, der schon reichlich mitgenommen aussah, ihr aber noch gute Dienste leistete. Die Krempe hatte sie sich tief ins Gesicht gezogen, in der Hoffnung, dass sie dann keiner erkennen würde.

Doch diese Hoffnung zerschlug sich schon auf den ersten Metern.

»Hallo Jane! Ich wusste gar nicht, dass du jetzt hier aushilfst.«

»Tag, Jane! Schön, dich zu sehen. Machst du ein bisschen Sport?«

»Na, Jane, gehst du schwimmen?«

Die letzte Frage war begleitet von einem unauffälligen Blick auf ihre Oberschenkel, wohl, weil ihre Pizzaexzesse dort verräterische Spuren hinterlassen hatten.

Sie schenkte allen, von denen sie angesprochen wurde, ein flüchtiges Lächeln und erklärte, sie sei hier, um Kinder zu beaufsichtigen, weshalb sie leider nicht stehen bleiben könne. Dann eilte sie davon, wobei sie sich tunlichst hütete, nach links zu blicken, von wo das Surren und Schnurren der Cardio-Geräte ertönte und ihr schlechtes Gewissen schürte.

»Du siehst lustig aus mit diesem Hut, Mommy.«

»Danke, Tabby«, sagte sie mit einem gezwungenen Lächeln, während sie tapfer weitermarschierte, umringt von lärmenden Kindern, die unweigerlich die Aufmerksamkeit der anderen Anwesenden auf sich zogen.

Die Arbeit im Gemeindesportzentrum war mit gewissen Vorteilen verbunden, etwa mit einer kostenlosen Mitgliedschaft. Und von der sollte sie dringend Gebrauch machen, sobald sie mal etwas Zeit für sich hatte.

Klar. Zeit für sich. Was war das noch gleich? Sie wusste nicht einmal mehr, wie das Wort Freizeit überhaupt geschrieben wurde. Aber was tat man als alleinerziehende Mutter nicht alles, damit die Kinder weiterhin ein Dach über dem Kopf hatten! Sie führte ihre munter vor sich hinplappernde Meute zum Hallenbad, wo sie ihren Sonnenhut abnahm, sich aus ihrem Kleid schälte und ins Wasser stieg, ohne ihre Cellulitedellen eines Blickes zu würdigen.

Es war ganz gut, dass sie wie üblich nicht allzu viel Aufwand betrieben hatte, was ihre Frisur anging, denn als sich ihre sechs Schützlinge nun kreischend ins Becken stürzten, war sie im Nu klatschnass.

»Okay, Kinder, denkt daran: Wir bleiben schön im Nichtschwimmerbereich«, mahnte sie und strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht.

Etwa eine halbe Stunde durften die Kids nach Herzenslust im Wasser herumplantschen, um die überschüssige Energie abzubauen, mit der sie vorhin in der kleinen Kinderbetreuungsecke schon alle in den Wahnsinn getrieben hatten. Nachdem sie sich gründlich ausgetobt hatten, scheuchte Jane sie aus dem Wasser und trocknete sie der Reihe nach ab. Ihr Strandkleid klebte an ihrem nassen Badeanzug, als sie auf dem Rückweg wieder am Kraftraum vorbeigingen. Diesmal riskierte sie wider Willen doch einen kurzen Blick hinein.

Püh. All diese durchtrainierten, schweißglänzenden Körper!

Und den Großteil der Sportskanonen dort drinnen kannte sie auch noch. Hope war eben doch ein recht überschaubares kleines Nest.

Dummerweise lenkte der Anblick sie so ab, dass ihr völlig entging, was sich direkt vor ihrer Nase abspielte, weshalb sie prompt mit jemandem zusammenstieß, der ihr entgegengekommen war.

»Uff! Herrje. Tut mir leid.«

Sie vernahm ein tiefes, männliches Lachen und spürte, wie sie von zwei starken Händen gepackt wurde, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor. Ihr entging nicht, dass ihr Gegenüber äußerst muskulöse Oberarme hatte, an denen sich der Bizeps deutlich abzeichnete.

»Alles okay?«

»Ja, ja, alles bestens. Sorry noch mal.« Jane schielte über die Schulter des Mannes hinweg zu den Kindern, die bereits wieder in Richtung Krippe wieselten, und schickte sich bereits an, ihnen nachzueilen, da vernahm sie ihren Namen.

»Jane?«

Sie hob den Kopf und blickte in ein Gesicht mit einem ausgeprägten Kinn und zwei whiskeybraunen Augen, die so wunderschön waren, dass sie prompt weiche Knie bekam. Dazu die dunklen, kurz geschorenen Haare und ein Lächeln, das sie nur zu gut kannte, obwohl sie Will Griffin seit geraumer Zeit nicht gesehen hatte. Da er oft nachts auf dem Highway im Einsatz war, sie dagegen tagsüber arbeitete, liefen sie einander nicht allzu oft über den Weg. Und das war ihr auch ganz recht so, denn Will war der beste Freund ihres Exmannes gewesen, und wenn sie ihn sah, dann erinnerte sie das unwillkürlich an Dinge, an die sie lieber nicht erinnert werden wollte.

Gut aussehende Männer beispielsweise. Männer, die einen sitzenließen.

»Oh, hi, Will. Lange nicht gesehen. Ich würde ja gern ein bisschen mit dir plaudern, aber ich kann leider nicht. Ich muss auf die Kinder aufpassen. Hat mich gefreut, dich mal wieder zu treffen.«

Sie wandte sich zum Gehen, doch er legte ihr eine Hand auf den Arm. »Warte. Was machst du hier?«

»Äh, ich bin hier als Kinderbetreuerin im Einsatz.«

Er hob eine Augenbraue. »Ein neuer Job? Und was ist mit deiner Stelle als Lehrerin?«

»Die habe ich natürlich auch noch. So, ich muss los. Bis bald mal wieder!«

Oder auch nicht. Hoffentlich. Sie sah aus wie ein nasser Basset, Will dagegen war so heiß wie eh und je. Gut gebaut und sexy wie kaum ein anderer Mann, den sie kannte.

Natürlich hatte sie das früher auch von Vic gedacht. Und was hatte es ihr gebracht? Jetzt stand sie da, geschieden, mit ihren zwei Kindern und einem Kredit und musste jeden Cent zweimal umdrehen.

Aber inzwischen war sie klüger. Nie wieder würde sie sich von einem Mann mit Knackarsch und verführerischem Blick um den Finger wickeln lassen.

Wobei ihr Körper und ihr heftig pochendes Herz die Message noch nicht so recht begriffen zu haben schienen, sondern sie nachdrücklich daran erinnerten, dass sie nicht mehr mit einem Mann im Bett gewesen war, seit sich Vic vor zwei Jahren in Luft aufgelöst hatte. Sie hatte sich in dieser Zeit noch nicht einmal ein Date gegönnt.

Tja, Pech. Es gab Dinge, die standen viel weiter oben auf ihrer Prioritätenliste. Zum Beispiel dafür zu sorgen, dass ihre Kinder weiterhin ein Zuhause hatten und regelmäßig etwas zu essen bekamen.

Verabredungen mit Männern oder gar Sex dagegen waren nicht lebensnotwendig, und deshalb mussten Bedürfnisse dieser Art vorerst warten. Auch wenn ihr ausgehungerter Körper anderer Meinung war.

Will Griffin stand etwas bedröppelt da und verfolgte, wie Jane einem ganzen Rudel kleiner Kinder, unter anderem auch ihrer Tochter Tabitha, hinterherhastete.

Kein Wunder, dass ihm diese Beine vorhin so bekannt vorgekommen waren.

Er atmete einmal tief durch, von Schuldgefühlen geplagt. Wahrscheinlich, weil er sich schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr bei Jane hatte blicken lassen. Als irgendwann sonnenklar gewesen war, dass Vic nicht mehr zurückkommen würde, hätte er sich angewöhnen sollen, regelmäßig bei ihr vorbeizuschauen und nach dem Rechten zu sehen. Aber ihr Verhältnis war getrübt gewesen. Genau genommen war es das nach wie vor. Was sollte er ihr sagen? Dass es ihm leidtat? Es war ja nicht seine Schuld, dass sich sein ehemaliger bester Kumpel als ein solcher Mistkerl und Versager entpuppt hatte. Aber er hätte Jane zumindest seine Hilfe anbieten und gelegentlich das Rasenmähen übernehmen können. Stattdessen hatte er sich von ihr ferngehalten, hatte angenommen, dass er vermutlich der letzte Mensch war, den sie sehen wollte. Schließlich war er mal Vics engster Freund gewesen.

Und jetzt, zwei Jahre später, fühlte er sich noch immer unwohl in seiner Haut und wusste nicht, was er sagen sollte, wenn sie sich über den Weg liefen. Der Graben, der sich zwischen ihnen aufgetan hatte, war ungefähr so breit wie der Grand Canyon. Dabei hatten sie sich früher alle mal so nahgestanden – Vic und Jane und er, und Chelsea, seine damalige Freundin, die zugleich Janes beste Freundin gewesen war. Dann hatten Chelsea und er sich getrennt, und das war im Grunde der Anfang vom Ende gewesen. Jane hatte zwar dafür gesorgt, dass sie sich weiterhin genauso oft sahen wie vorher, und er hatte es zu schätzen gewusst, war ihr allerdings im Gegenzug längst kein so treuer Freund gewesen.

Nun, es hatte keinen Sinn, die Schatten der Vergangenheit wieder heraufzubeschwören. Jetzt war daran nichts mehr zu ändern. Und wie es aussah, wollte Jane inzwischen ohnehin nichts mehr mit ihm zu schaffen haben.

Hm. Eigentlich war er ja herausgekommen, weil er nach dem Work-out auf dem Laufband etwas zu trinken benötigte. Also holte er sich einen Isodrink aus dem Getränkeautomaten und zückte dann seine Karte, um sich erneut Zugang zum Kraftraum zu verschaffen. Er war total angespannt nach dem Arbeitstag und dem Gespräch mit Jane. Am besten stemmte er noch ein paar Gewichte, um sich abzureagieren.

Luke saß bereits auf der Hantelbank, und er gesellte sich zu ihm und wärmte sich mit ein paar leichteren Gewichten auf, dann tauschten sie die Plätze.

»Soll ich dir assistieren?«, fragte Luke.

»Gern, danke.«

Er machte drei Durchgänge und legte die Hantelstange mit Lukes Hilfe wieder in die Halterung zurück.

Als er auf jeder Seite noch einmal eine Zwölfeinhalb-Kilo-Scheibe draufsteckte, hob Luke eine Augenbraue.

»Bist du auch sicher, dass du das schaffst?«

»Glaub mir, das brauche ich jetzt.«

»Okay, Kumpel, aber das lass ich dich nicht allein stemmen, sonst knallt dir das Ding womöglich noch auf die Brust.«

»Witzbold. Ich schaff das schon.«

Will legte sich auf die Bank und presste entschlossen die Lippen zusammen. Als er die Stange aus der Halterung hob und spürte, dass seine Arme wegen des zusätzlichen Gewichts schon jetzt zitterten, ging ihm durch den Kopf, dass er diese Qualen verdient hatte, weil er nicht für Jane dagewesen war. Und weil er erst viel zu spät erkannt hatte, dass Vic auf dem besten Weg war, sich selbst zu zerstören.

Vielleicht hatte er es aber auch einfach nicht wahrhaben wollen.

»Elf, zwölf«, zählte Luke mit und bugsierte die Stange in die Halterung. »Wobei ich die letzten zwei praktisch im Alleingang gestemmt habe.«

Will griff nach Luft ringend nach seinem Handtuch und wischte sich damit das Gesicht ab. Seine Arme fühlten sich an wie zu lang gekochte Spaghetti. »Ja, da könntest du recht haben.«

»Warum bestrafst du dich? Hast du ein schlechtes Gewissen, weil du zu viele Raser auf dem Highway hast blechen lassen?«

Will grunzte belustigt. »Wegen so was habe ich nie ein schlechtes Gewissen.«

»Hast du irgendein Mädchen gevögelt und danach abserviert?«

»Äh, nein.«

Luke baute sich vor ihm auf und musterte ihn. »Was ist dann mit dir los?«

»Nichts, Alter. Ich hatte einen Scheißtag und musste mich abreagieren.«

»Du weißt, ich habe immer ein offenes Ohr für dich, wenn du dir irgendwas von der Seele reden willst. Obwohl du ein Highway-Sheriff bist und ich Stadtpolizist. Aber ich bin bereit, Nachsehen walten zu lassen.«

Will schnaubte. »Wow. Danke.«

Luke zwinkerte ihm zu. »Hey, niemand ist perfekt, Kumpel.«

Nein, perfekt war Will in der Tat nicht. Ganz im Gegenteil.

In gewisser Hinsicht war er sogar ein totaler Loser.

Aber vielleicht ließ sich das ja ändern.

Kapitel 2

»Ich hasse Brokkoli.«

Jane atmete einmal tief durch, dann schenkte sie ihrem achtjährigen Sohn Ryan ein Lächeln. Schließlich hieß es immer, man sollte nach Möglichkeit jedes Problem lächelnd angehen.

»Brokkoli ist gesund.«

Nach einem weiteren anstrengenden Nachmittag im Gemeindesportzentrum war Jane einfach außerstande gewesen, zu kochen und den Abend zu Hause zu verbringen. Sie brauchte dringend ein paar Erwachsene um sich. Deshalb hatte sie beschlossen, mit den Kindern bei Bert’s zu Abend zu essen.

Ryan starrte auf seinen Teller, schnitt eine Grimasse und schob ihn von sich. »Deshalb muss er mir noch lange nicht schmecken.«

»Ich mag Brokkoli, Mommy«, sagte Tabitha, die stets versuchte, ihr alles recht zu machen, und schob sich einen Bissen in den Mund. Sie gab sich große Mühe, beim Kauen nicht das Gesicht zu verziehen – mehr noch, sie schaffte es sogar, zu lächeln.

Dabei hegte Tabitha dieselbe Abneigung gegen Brokkoli wie ihr Bruder, aber sie bemühte sich stets, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit Jane mit ihr zufrieden war. Wenn es sein musste, aß sie sogar Brokkoli.

»Chris hat mir von einem zweiwöchigen Ferienlager erzählt, bei dem man Bogenschießen und Kanufahren und wandern und im See schwimmen kann«, berichtete Ryan. »Darf ich da auch hin?«

Jane runzelte die Stirn. Chris’ Eltern waren Besitzer eines Autohauses und hatten Geld. Jane dagegen war dauerpleite, und so ein Sommerlager war nicht gratis. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass ihr Sohn gleich eine herbe Enttäuschung erleben würde. »Hast du einen Flyer?«

»Ja.« Der Hoffnungsschimmer in Ryans braunen Augen entging ihr nicht. Er fischte eine Broschüre aus dem Rucksack. Offensichtlich hatte er sich bereits allerlei Argumente zurechtgelegt, um sie zu überzeugen. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, setzte er alle Hebel in Bewegung, um sein Ziel zu erreichen. Diesbezüglich war er seinem Vater ziemlich ähnlich.

»Hier.« Er reichte ihr den Prospekt. »Die Betreuer haben alle eine Erste-Hilfe-Ausbildung und können sogar Mund-zu-Mund-Beatmung. Viele von ihnen waren selber dort, als sie in meinem Alter waren. Und guck mal, was man da alles machen kann! Cool, nicht?«

Jane schielte unwillkürlich als Erstes auf den Preis. Und schluckte schwer. Das Camp war absolut unerschwinglich. Sie fand es auch so schon schwer genug, ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Vic hatte ihr bislang noch keinen einzigen Cent an Alimenten bezahlt. Sie hatte zwar versucht, ihn ausfindig zu machen, aber es hatte sich als genauso unmöglich erwiesen wie das Unterfangen, ein Kleid aufzutreiben, in dem ihr Hintern nicht dick wirkte.

Tja, es war wohl besser, Ryan gleich mit den harten Tatsachen zu konfrontieren, ehe er sich womöglich falsche Hoffnungen machte. Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ihm demonstrieren sollte, wie sehr sie ihn liebte. »Das klingt großartig, mein Schatz, aber es ist ein bisschen zu teuer, und du weißt ja, wie es um unsere Finanzen bestellt ist.«

Sein zuversichtliches Grinsen erstarb. Er ließ den Kopf hängen und fing erneut an, den Brokkoli auf seinem Teller mit der Gabel hin und her zu schieben. »Ja, ich weiß. Schon gut, Mom, ich versteh’s.« Es tat Jane im Herzen weh, zu sehen, wie enttäuscht er wirkte.

Genau das war das Problem. Er verstand es tatsächlich, aber er liebte seinen Vater und hoffte noch immer, dass ihm dieser eines Tages bei einem Baseballspiel zusehen würde. Dass er wieder zurückkommen würde.

Ein Teil von Jane wünschte sich das ebenfalls – dass Vic seine Sucht überwand und zu ihnen zurückkehrte. Allerdings nur wegen der Kinder. Ihre Ehe war vorbei, aber Tabitha und Ryan brauchten einen Vater. Die Sorte Vater, die er ihnen früher gewesen war, bevor er sich jeden Tag bis zur Besinnungslosigkeit betrunken hatte und so mit Drogen vollgepumpt war, dass er sich kaum noch an seinen eigenen Namen hatte erinnern können.

Andererseits war sie in Momenten wie diesem so sauer auf Vic, dass sie gar nicht recht wusste, wie sie reagieren würde, wenn er jetzt plötzlich auftauchen würde. Vermutlich würde sie ihm gleich an die Gurgel gehen, weil er seine Kinder im Stich gelassen hatte. Weil sie nun ohne Vater dastanden und sich Dinge wünschten, die sie nicht haben konnten. Dinge, die Jane ihnen nicht geben konnte.

In der Hölle sollte er schmoren!

»Hey, Kinder, ich hab noch eine Menge Schokokuchen übrig, und ich dachte, vielleicht habt ihr ja Lust auf einen Nachtisch. Geht aufs Haus. Wenn ihr ihn nämlich nicht esst, muss ich ihn womöglich wegwerfen, weil heute Abend so wenig los ist. Ihr seht also, ihr tätet mir damit echt einen Gefallen.«

Das war Anita, Janes Lieblingskellnerin, die mittlerweile zu ihren engsten Freundinnen zählte. Sie hatten schon so manche Stunde damit zugebracht, sich über lausige Ehemänner auszutauschen, denn Anita hatte nicht nur zwei erwachsene Söhne, sondern auch bereits drei Scheidungen hinter sich. Anita war ein Engel. Sie hatte Jane quasi das Leben gerettet.

Ryan riss die Augen auf. Er liebte Süßspeisen mehr als jedes andere Kind in der Stadt, und die Aussicht auf Schokoladenkuchen würde ihn ein wenig über die Enttäuschung hinwegtrösten. »Au ja, Schokokuchen! Dürfen wir, Mom?«

»Natürlich dürft ihr. Danke, Anita.« Nach dem Zuckerschock würden die beiden zwar wohl den ganzen Abend nicht mehr zu bändigen sein, und es würde ewig dauern, sie dazu zu bewegen, ins Bett zu gehen, aber das war es wert.

Anita zwinkerte ihr zu und schob ihren Bleistift in den zerzausten Knoten, zu dem sie ihre von blonden Strähnen durchzogene dunkle Mähne hochgesteckt hatte. »Gern geschehen. Ryan, Tabitha, geht schon mal nach vorn zur Theke und lasst euch von Charlotte bedienen.«

Die Kinder düsten los. Sie liebten es, am Tresen zu sitzen. Zweifellos würde ihnen Charlotte, die bessere Hälfte des Besitzers, noch eine Kugel Eis dazuspendieren.

»Danke noch mal«, sagte Jane, während Anita die leer gegessenen Teller auf ihren Servierwagen stellte.

»Du erweckst heute irgendwie den Anschein, als könntest du eine kleine Aufmunterung gebrauchen.«

Oje, dachte Jane. War ihr das wirklich so deutlich anzusehen? »Ach, mir geht’s gut«, winkte sie ab. »Ich finde es bloß so furchtbar, dauernd Nein zu meinen Kindern sagen zu müssen.«

Anita lachte. »Aber es schadet nicht, wenn sie dieses Wort schon früh lernen und begreifen, dass eben nicht alles im Leben selbstverständlich ist.«

»Ich weiß, aber seit Vic untergetaucht ist, kann ich es mir einfach nicht mehr leisten, sie mal ein bisschen zu verwöhnen. Ryan würde furchtbar gern in ein Ferienlager fahren, aber ich habe einfach nicht das nötige Kleingeld dafür.«

»Tja, das ist allein Vics Schuld, nicht deine«, sagte Anita nachdrücklich und deponierte mit viel Geklapper und Getöse das Besteck auf ihrem Servierwagen.

»Aber sie lieben ihren Vater trotz allem.«

Anita spähte über ihre Schulter hinweg zum Tresen. Tabitha und Ryan waren vollauf damit beschäftigt, das Eis in sich hineinzuschaufeln, das ihnen Charlotte hingestellt hatte, und schenkten der Unterhaltung zwischen ihrer Mutter und der Kellnerin keine Beachtung.

»Das vergeht, wenn sie erst älter sind und verstehen, welche Last er dir aufgebürdet hat.«

»Ich habe die Kinder bekommen. Ich stehe eindeutig besser da als er«, sagte Jane lächelnd.

Anita legte ihr eine Hand auf den Arm. »Wo du recht hast, hast du recht, meine Liebe.«

Nun gesellte sich auch die zierliche Charlotte zu ihnen. Sie war ein Fliegengewicht, gerade mal eins fünfundfünfzig groß, und hatte kurzes graues Haar, führte aber das Lokal ihres Mannes Bert mit der Strenge eines Ausbildungsoffiziers. Nichtsdestoweniger war sie einer der warmherzigsten Menschen, die Jane kannte.

»Hier, für dich gibt’s auch was.« Sie stellte Jane ein Schüsselchen Schokoladeneis hin.

Jane sah zu ihr hoch. »Danke. Kann ich gut gebrauchen.« Was täte sie nur ohne dieses Refugium?

»Dachte ich mir fast.« Charlotte blinzelte ihr zu und zog wieder ab.

Jane holte einmal tief Luft, schob sich einen Löffel Eis in den Mund und seufzte. Eine Portion Eis würde auch nicht zur Reduzierung ihres Oberschenkelumfangs beitragen.

Aber das war ihr heute egal.

Anita nahm auf der Bank gegenüber Platz. »Schon gehört? Emma Burnett ist wieder in der Stadt.« Es war wirklich nicht viel los, zumal sie noch vor dem üblichen abendlichen Ansturm gekommen waren.

Jane freute sich über Gesellschaft – und über ein bisschen Tratsch und Klatsch aus Hope. »Ach, echt?«

»Ja, sie hat Doktor Westons Tierarztpraxis übernommen und will sie wieder eröffnen.«

Jane lächelte. Es tat gut, zur Abwechslung über jemand anderes zu reden. »Wow, das sind ja tolle Neuigkeiten. Ich habe Emma schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen. Genau genommen seit – der Highschool.«

»Ja, sie ist weggezogen, um zu studieren und hat dann irgendwo anders eine Stelle als Tierärztin bekommen. In den letzten Jahren hat sie sich nur selten hier blicken lassen. Während des Studiums war sie noch gelegentlich in den Ferien hier, aber allzu oft gesehen habe ich sie in dieser Zeit auch nicht.«

»Stimmt. Wenn ich so drüber nachdenke, kann ich mich gar nicht entsinnen, wann sie das letzte Mal in Hope war.«

Anita nickte. »Ich weiß auch nicht viel mehr. Nur, dass sie jetzt wieder da ist und die Praxis von Dr. Weston für die Wiedereröffnung vorbereitet.«

»Das wird die Tierbesitzer von Hope freuen. Seit Dr. Weston in Rente gegangen ist, gab es ja nur noch einen einzigen Veterinär in der Stadt. Ich kann’s kaum erwarten, Emma wiederzusehen. Ich werde ihr einen Besuch abstatten, sobald sie die Praxis eröffnet hat.«

»Sind die Burnett-Schwestern nicht beide total plötzlich verschwunden?«, fragte Anita.

Jane legte die Stirn in Falten, dann nickte sie. »Stimmt, Emmas kleine Schwester Molly ist ja auch aus Hope weggezogen. Allerdings kannte ich sie nicht so gut. Sie ist ein paar Jahre jünger als Emma und ich.«

»Ja, sie hat noch vor Emma die Fliege gemacht. Keine Ahnung, was aus ihr geworden ist.«

»Hm, ich weiß es auch nicht.« Sie hatte schon lange nicht mehr an die beiden Burnett-Schwestern gedacht. Emma war zwar nicht ihre beste Freundin gewesen, aber sie waren an der Highschool in derselben Clique gewesen.

Nach dem Essen machte Jane mit den Kindern einen Spaziergang zum Gemeindepark. Tabitha liebte den Spielplatz dort, und Ryan fütterte die Enten, jedenfalls, bis ein paar seiner Freunde mit einem Football aufkreuzten.

Ihr kleiner Junge wuchs heran. Er war so tough und gab sich große Mühe, den Mann im Haus zu mimen. Dabei war er doch erst acht, und in der harten Schale steckte ein weicher Kern – ein verletzlicher kleiner Junge, der sehr darunter litt, dass sein Daddy, sein Held, ihn verlassen hatte.

Zum Glück liebte er Sport, denn auf diese Weise war er beschäftigt. Jane wünschte, sie könnte ihn in dieses unglaublich teure Sommercamp schicken. Aber es war zwecklos, sich Dinge zu wünschen, die man nicht haben konnte.

Nun, da Ryan eine Gelegenheit hatte, seine überschüssige Energie abzuarbeiten, konnte sie sich endlich ein paar Minuten ausruhen. Erleichtert ließ sie sich auf der Bank beim Spielplatz nieder und atmete ein paarmal tief ein und aus.

Wenigstens hatte sie Arbeit, und nun auch noch den Nebenjob als Kinderbetreuerin. Außerdem hatte sie sich als Lehrerin für die Summer School angemeldet. Diese Posten waren schwer zu bekommen, man musste sich zeitig bewerben. Vielleicht ließ sich auf diese Weise ja doch das eine oder andere Extravergnügen für die Kinder finanzieren.

Vielleicht.

Tabitha spielte mit Heather Redmond, während Heathers Mutter Karen mit Argusaugen über die beiden wachte. Ryan und seine Freunde waren ganz in ihr Footballspiel vertieft und wurden von einigen anderen Eltern beaufsichtigt. Jane legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Nur ganz kurz.

»Jane?«

Oder doch etwas länger, denn als sie ihren Namen hörte, wusste sie im ersten Moment nicht, wo sie war. Sie schlug die Augen auf und sah sich einem schwitzenden Muskelprotz gegenüber, den sie im Gegenlicht jedoch nicht genau erkennen konnte. Blinzelnd hob sie die Hand, weil die untergehende Sonne sie blendete, aber erst, als er einen Schritt zur Seite trat, stellte sich heraus, dass es Will war.

Schon wieder. Seltsam. Das war innerhalb kürzester Zeit schon das zweite Mal, dabei kreuzten sich ihre Wege sonst so gut wie nie.

»Oh, hallo Will. Was machst du denn hier?« Mist. Er hatte sie doch tatsächlich dabei ertappt, wie sie auf einer Parkbank eingenickt war, anstatt auf ihre Kinder aufzupassen. Hastig sah sie sich um. Tabitha und Heather vergnügten sich noch immer auf der Rutsche, Ryan rannte gerade mit dem Football unter dem Arm über die Wiese, verfolgt von seinen Freunden, die versuchten, ihn zu Fall zu bringen.

Und sie machte derweil seelenruhig ein Schläfchen auf einer Parkbank.

Sie hätte die Medaille als Mutter des Jahres verdient.

Zum Glück hatte sie ihre Sonnenbrille auf. Vielleicht hatte er ja gar nicht bemerkt, dass sie geschlafen hatte.

»Ich bin gerade hier vorbeigejoggt, und da hab ich dich gesehen.«

»Wir begegnen uns ja ziemlich oft in letzter Zeit.«

»Ich mache neuerdings kaum noch Nachtschichten.«

»Ach richtig, das hatte kürzlich jemand erwähnt.«

Er lächelte. »Natürlich. Gibt es in dieser Stadt irgendetwas, das sich nicht in Windeseile herumspricht?«

»Nein. Schon mal was von sozialen Netzwerken gehört? Da wird täglich der neueste Tratsch und Klatsch ausgetauscht. Versuch gar nicht erst, irgendetwas zu verheimlichen, es kommt ohnehin raus. Dank unserer Spione im Supermarkt ist sogar allgemein bekannt, welche Sorte Klopapier du kaufst.«

Er lachte. »Ich hoffe mal sehr, das war nur ein Scherz.«

Jane schnaubte. »Träum weiter.«

»Hm. Eine beängstigende Vorstellung.« Will sah sich um. »Sind deine Kinder auch hier?«

»Ja, da drüben.« Sie deutete mit dem Kopf zu den Rutschen und der Wiese dahinter.

Er drehte sich um, und sie nutzte die Gelegenheit, um seinen durchtrainierten, schlanken Körper und seine langen Beine zu betrachten. Musste er unbedingt so fit und braun gebrannt sein? Sie schämte sich für ihr Aussehen. Sowohl ihre Yogahose als auch ihr T-Shirt hatten schon bessere Zeiten gesehen. Sie hatte sich nach Feierabend nur hastig umgezogen, und jetzt bereute sie ihre Wahl. Die Hose war ausgeblichen, aber äußerst bequem. Nun, für wen sollte sie sich auch hübsch anziehen? Zu Hause wartete schließlich niemand, den sie beeindrucken wollte.

Und sie hatte definitiv nicht vor, Will zu beeindrucken.

»Wow, die beiden sind ja echt groß geworden. Ryan sieht Vic zum Verwechseln ähnlich.«

Sie folgte seinem Blick zu ihrem Sohn, der erneut breit grinsend auf eine imaginäre Touchdown-Linie zusteuerte. »Stimmt.« Sie lächelte wehmütig.

Will setzte sich neben sie. »Hat er mal was von sich hören lassen?«

»Vic? Nein.«

»Kein Wort?«

»Kein Wort.«

»Das tut mir leid, Jane.«

Sie zuckte die Achseln. »Ich bin drüber weg.«

»Es tut mir auch leid, dass ich nie bei euch vorbeigeschaut habe.«

Vorbeischauen? Wozu das? »Im Gegensatz zu Vic bist du nicht für meine Familie verantwortlich, Will.«

»Trotzdem hätte ich für dich da sein müssen. Ich … Na ja, ich dachte, du hast vielleicht keine Lust, mich zu sehen. Weil ich dich an das erinnere, was du verloren hast.«

Jane runzelte die Stirn. »Unsinn. Du hattest nicht das Geringste mit seinem Verschwinden zu tun.«

»Aber Vic war mein bester Freund. Ich hätte es kommen sehen müssen.«

Jane gab ein wenig damenhaftes Grunzen von sich. »Ich war mit ihm verheiratet. Ich habe sein Leben geteilt, habe jeden Tag mit ihm verbracht, und ich habe es auch nicht kommen sehen. Genauso wenig wie seine Eltern. Wenn du also nicht zufällig über außersinnliche Fähigkeiten verfügst, wüsste ich nicht, wie du hättest vorhersehen sollen, dass er uns ohne Vorwarnung im Stich lassen wird.«

Will starrte stur geradeaus auf den Spielplatz. »Ich weiß, es ist schon zwei Jahre her, aber ich kann noch immer nicht fassen, dass er einfach so gegangen ist. Und dass er dich kein einziges Mal kontaktiert hat.«

»Na ja, wir waren über seinen Anwalt in Kontakt – jedenfalls so lange, bis er die Scheidungspapiere unterschrieben hatte.«

»Vielleicht dachte er ja, er ist so ein Loser, dass er dir damit einen Gefallen tut.«

»Na toll.« Jane schnaubte. »Mich einfach mit den Kindern sitzen zu lassen und unterzutauchen, damit ich ihn nicht mal für Unterhaltszahlungen heranziehen kann …«

»Du lieber Himmel.« Will fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und sah betreten zu Boden. »Ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm ist.«

Jane krümmte sich innerlich. Sie hatte echt ein gutes Händchen für unbeschwerten Small Talk! Da musste doch jeder harmlose Plausch binnen drei Sekunden ein Ende finden. Ging es eigentlich noch deprimierender?

Sie erhob sich. »Es ist nicht schlimm, Will. Es geht uns gut, den Kindern und mir.« Sie rief Tabitha und Ryan zu sich und drehte sich dann noch einmal zu ihm um. »War schön, dich zu sehen.«

Will stand ebenfalls auf und musterte sie eingehend. »Du musst nicht gehen, Jane.«

»O doch. Es ist spät und wird schon kühl. Ich muss noch ein paar Schularbeiten korrigieren, und die Kinder müssen ihre Hausaufgaben machen. Bis demnächst.«

Damit scheuchte sie ihre Sprösslinge hastig in Richtung Ausgang, ehe sie womöglich in Versuchung geriet, Will ihr Herz auszuschütten und sich an seiner Schulter auszuweinen. Das war wirklich das Letzte, wonach ihr der Sinn stand.

Sie war eine starke Frau. Hart im Nehmen. Und sie hasste mitleidige Blicke, vor allem von Will Griffin.

Es ging ihr bestens, verdammt noch mal.

Will verfolgte, wie Jane mit Tabitha an der Hand die Straße entlangging. Ryan trippelte rückwärts vor ihr her und redete dabei ohne Punkt und Komma.

Jane hatte den Anschein erweckt, als wäre sie sauer oder gekränkt. Sie war ja regelrecht vor ihm geflüchtet. Vielleicht hatte er irgendetwas Falsches gesagt.

Wahrscheinlich wollte sie einfach nicht an Vic und die Scheidung erinnert werden. Wie dem auch sei, Will nahm sich vor, bei künftigen Begegnungen mit ihr nicht mehr über die Vergangenheit zu reden, sondern nur noch über die Zukunft.

Als er sie vorhin angesprochen hatte, war sie offenbar aus dem Tiefschlaf aufgeschreckt. Sie musste total erschöpft sein. Er fragte sich, wann sie wohl das letzte Mal abends ausgegangen und ein bisschen Spaß gehabt hatte. Hatte sie sich seit der Scheidung überhaupt mal einen freien Abend gegönnt? Oder hatte sie sich ganz darauf konzentriert, ihr Leben und das ihrer Kinder neu zu organisieren? Vermutlich achtete sie nur noch darauf, dass die Bedürfnisse der beiden gestillt wurden, und vergaß darüber völlig ihre eigenen.

Hm. Was ihren nichtsnutzigen Exmann anging, konnte er zwar nichts unternehmen, aber er konnte zumindest dafür sorgen, dass sie sich mal wieder ein bisschen amüsierte.

Kapitel 3

Zwei Algebrastunden hintereinander ermüdeten zwar Janes Gehirn, aber sie lebte für die Mathematik, selbst wenn sich ihre Schüler beim Thema quadratische Gleichungen nicht gerade überschlugen vor Begeisterung.

In der kommenden Stunde konnte sie ein bisschen durchatmen, da waren die Grundrechenarten dran, wobei es in dieser Klasse zwei Kinder gab, die besondere Betreuung benötigten. Beide bewegten sich notenmäßig haarscharf am Abgrund, aber Jane würde mit allen Mitteln dafür kämpfen, dass sie das Schuljahr erfolgreich abschlossen.

Wenn sie merkte, dass einer ihrer Schützlinge eine gewisse Gleichgültigkeit an den Tag legte, was die Noten anging, setzte sie sich mit dem Betreffenden hin und erklärte ihm, was es bedeutete, das Schuljahr mit einer Fünf abzuschließen. Es kostete sie viel Zeit und Energie, gelegentlich musste sie auch die Eltern mit ins Boot holen, indem sie ihnen eine Nachricht schrieb oder sie anrief, aber meistens war der Aufwand von Erfolg gekrönt. Natürlich kam es auch vor, dass ihre Bemühungen umsonst waren und sich nichts an der Einstellung des Kindes änderte, selbst wenn sie sich den Mund fusselig redete. Und die Einstellung war unheimlich wichtig, gerade in diesem Alter, in dem die Hormone allmählich eine Rolle zu spielen begannen. Ja, es war anstrengend, sich auf die Schule zu konzentrieren, wenn man plötzlich das andere Geschlecht entdeckte. Hormonschübe und aufkeimende Sexualität überforderten Jungs wie Mädchen gleichermaßen.

Und das Lehrpersonal nicht minder.

Und trotzdem liebte Jane ihre Schüler, gerade in diesem schwierigen Alter. Sie erinnerte sich nur zu gut an ihre eigene Teenagerzeit.

Sie hatte damals selbst mit so einigen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, und deshalb gab sie ihr Bestes, um all jenen, die nicht die perfekten genetischen Voraussetzungen mitbrachten, den Weg zu ebnen.

Nachdem sie der Klasse den Stoff der heutigen Stunde vermittelt hatte, kümmerte sie sich um Susie und Robert, ihre Problemkinder. Robert zeigte sich im Einzelunterricht meist kooperativer, Susie dagegen war häufig bockig. Sie wuchs bei Pflegeeltern auf, ihr Vater war in ihrem Leben nie präsent gewesen, und ihre Mutter saß immer wieder wegen eines Drogendeliktes im Gefängnis. Die Kleine hatte es nicht leicht gehabt und tat Jane unendlich leid. Sie war schon abhängig zur Welt gekommen und litt unter diversen Lernschwächen, aber sie war tough, all diesen Widrigkeiten zum Trotz, und Jane war entschlossen, ihr genau das vor Augen zu führen. Sie gab Robert ein Arbeitsblatt, dann machte sie sich daran, Susie die einfachsten Rechenaufgaben zu erklären. Nach einer Weile war das Mädchen vollkommen frustriert.

»Du willst doch in die nächste Klasse kommen, oder, Susie?«, fragte Jane.

Das Mädchen zuckte in typischer »Mir doch egal«-Manier die Schultern und starrte auf ihr Arbeitsblatt.

»Ich weiß, dass du echt clever bist und alles schaffen kannst, wenn du nur willst.«

»Ich bin nicht clever«, murmelte Susie. »Ich bin dumm.«

Jane hätte sie am liebsten in die Arme geschlossen und sie fest an sich gedrückt. »Du bist sehr wohl clever. Du musst dich viel mehr ins Zeug legen als alle anderen Kinder an dieser Schule, und das bedeutet, dass du klüger bist als sie.«

Susie hob den Kopf und sah Jane mit ihren dunklen Augen an. »Echt?«

»Ja. Also, zeig ihnen allen, dass du dich nicht unterkriegen lässt. Zeig ihnen, was du alles drauf hast, indem du diese Klasse bestehst.«

»Ich werd’s versuchen«, schniefte Susie mit Tränen in den Augen. Der Frust war ihr deutlich anzusehen.

»Mehr verlange ich gar nicht von dir.« Jane beugte sich wieder über das Arbeitsblatt und erklärte ihr noch einmal die Aufgabenstellung. Gegen Ende der Stunde hatte Susie alle Rechnungen richtig gelöst. Es fühlte sich an wie ein Triumph. Jane gab ihr noch ein weiteres Arbeitsblatt mit, das sie zu Hause gemeinsam mit ihren Pflegeeltern durchgehen sollte, und außerdem ein kurzes Schreiben, in dem sie Susies Fortschritte lobte.

Mehr konnte sie nicht für sie tun, aber sie wusste, dass Susie tolle Pflegeeltern hatte, die mit ihr üben würden.

Toi, toi, toi, dachte sie.

Nach der Schule holte sie Tabitha ab und begab sich mit ihr ins Gemeindesportzentrum. Ihr Dad würde Ryan abholen und zum Baseball-Training bringen, während sie ihrem Zweitjob als Kinderbetreuerin nachging.

Ohne die Unterstützung ihrer Eltern hätte sie die vergangenen zwei Jahre nicht überlebt. Sie hatten ausgeholfen, wenn Ryan und Tabitha zeitgleich zu Training und Tanzunterricht an unterschiedlichen Orten gebracht werden mussten. Jane versuchte, ihre Dienste nicht allzu oft in Anspruch zu nehmen, aber ohne die beiden hätte sie es nicht geschafft.

Tabitha war gern im Gemeindesportzentrum, denn dort konnte sie, während Jane arbeitete, mit ihren Freundinnen spielen, deren Eltern dort trainierten. Da Jane mit Marisol, der zweiten Kinderbetreuerin, getauscht hatte, blieb ihr zum Glück heute der Besuch im Hallenbad und damit auch der Gang an den Muskelprotzen im Kraftraum vorbei erspart.

Somit konnte sie sich den ganzen Nachmittag im Spielzimmer verschanzen. Es kamen laufend Eltern, um ihre Sprösslinge abzugeben oder abzuholen. Betreut wurden Kinder zwischen eineinhalb und sechs Jahren. Deshalb konnte Jane auch nur Tabitha mitbringen, Ryan war bereits zu alt.

Noch ein Grund, ihren Eltern dankbar zu sein. Sie verdiente zwar mit den paar Nachmittagen pro Woche, die sie nach der Schule hier jobbte, nicht gerade die Welt, aber sie konnte das Geld gut gebrauchen.

»Hey, Jane.«

Sie stand an der teilbaren Tür, deren untere Hälfte geschlossen war, damit die Kinder nicht ständig ein und aus rannten. Eben war wieder einer ihrer Schützlinge abgeholt worden, was sie wie vorgeschrieben in ihren Unterlagen verzeichnete. Sie hob den Kopf, doch vor ihr stand nicht wie erwartet der Vater von einer von Tabbys kleinen Freundinnen, sondern Will.

Dabei hatte sie inständig gehofft, dass er ihr so bald nicht mehr über den Weg laufen würde. Er sorgte nur für Chaos in ihrem Kopf und erinnerte sie an Dinge, auf die sie schon viel zu lange verzichten musste.

Dinge, nach denen sie sich lieber nicht sehnen sollte.

»Oh, hi, Will.«

»Ich dachte doch, ich hätte dich vorhin schon gesehen.«

Ihr Pferdeschwanz löste sich auf, weil der kleine James, den sie eben auf dem Arm gehabt hatte, es liebte, sie an den Haaren zu ziehen, und außerdem hatte er vorhin einen Becher Götterspeise gefuttert und dabei die Hälfte über ihre linke Brust verteilt. Sie glich also mal wieder einem Wrack, während Will, braun gebrannt und muskulös, wie immer zum Anbeißen aussah in seinem ärmellosen Sporttop und der kurzen Hose.

Das Leben konnte zuweilen echt unfair sein.

»Ja, ich habe wieder Dienst.« Sie drehte sich um auf der Suche nach einem Vorwand, der es ihr ermöglichen würde, ihn hastig abzuwimmeln, aber leider waren im Augenblick nur drei Kinder da, von denen eines – Baby James – mittlerweile in dem tragbaren Bettchen schlief, und Tabby und ihre Freundin wurden von Marisol bespaßt.

»Du bist immer voll beschäftigt, was?«

»Das kannst du laut sagen.«

»Wo ist Ryan?«

»Mit meinem Dad beim Basketball-Training.«

»Ah, ja? Ich würde ihm zu gern mal zusehen.«

Das würde Ryan natürlich riesig freuen. Und genau deshalb würde sie es nie und nimmer zulassen. Das fehlte ihr gerade noch, dass sich Ryan in Will einen Ersatzvater suchte. »So, so.«

»Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht mal mit mir ausgehen würdest.«

Jane blinzelte verdattert. »Wie, bitte?«, fragte sie, davon überzeugt, sie müsse sich verhört haben.

Er lächelte, was ihn nur noch attraktiver wirken ließ, falls das überhaupt möglich war. »Ach, du willst es wohl noch mal hören, wie?«

»Nein, ich bin bloß nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe.«

»Okay, also noch mal: Ich möchte mit dir ausgehen. Oder andersrum: Ich möchte, dass du mit mir ausgehst.«

»Du willst mit mir ausgehen? Warum?«

Im selben Moment tauchten hinter ihm zwei Väter auf. Will drehte sich um. »Ich glaube, das ist jetzt nicht der ideale Zeitpunkt, um das zu erörtern. Wann hast du Feierabend?«

»Äh, um halb sieben.«

»Gut, dann lass uns das bei dir zu Hause besprechen. Ich bringe Pizza mit.«

»Will … Will! Warte!«

Doch er war bereits auf und davon.

Er wollte zu ihr nach Hause kommen? Mit Pizza? Was war denn plötzlich in ihn gefahren?

Und er wollte mit ihr ausgehen?

Sie musste wohl geträumt haben, denn es konnte nicht sein, dass das gerade wirklich passiert war.

Männer wie Will Griffin gingen nicht mit Frauen wie ihr aus. Er war Single und sexy. Sie hatte zwei Kinder und Probleme. Ihr Leben war ein einziger Albtraum.

Aber wie es aussah, würde er trotzdem nachher bei ihnen vorbeikommen. Mit Pizza. Tja, bei der Gelegenheit würde sie dann gleich mal Tacheles mit ihm reden müssen.

Puh. Will war durchaus bewusst, dass er Jane überrumpelt hatte, aber anders hätte sie wohl niemals eingewilligt, so beschäftigt, wie sie mit ihren Kindern und ihrer Arbeit immer war.

Zugegeben, noch hatte sie nicht eingewilligt, weil er ihr noch gar keine Gelegenheit dazu gegeben hatte. Doch als er um Viertel nach sieben mit einer XL-Pizza auf dem Beifahrersitz in ihre Einfahrt einbog, stand ihr Wagen in der Garage, und das Garagentor war offen. Sie hatte also nicht vor, sich zu verstecken und so zu tun, als wäre sie nicht zu Hause.

Es war tierisch heiß, wie immer Ende August in Oklahoma. Auf dem Weg zur Tür fiel Will auf, dass der Rasen dringend gemäht und gejätet gehörte. Vermutlich konnte sie sich keinen Gärtner leisten und erledigte die Gartenarbeit selbst.

Er bedachte Vic im Geiste mit einer ganzen Reihe äußerst unflätiger Ausdrücke und klingelte.

Ryan öffnete ihm die Tür und betrachtete Will, als müsste er erst überlegen, ob er ihn hereinbitten sollte oder nicht.

»Hey, Ryan.«

»Ich erinnere mich an dich. Du bist Will. Mein Dad und du, ihr wart mal Freunde.«

Will lächelte. »Ich erinnere mich auch an dich.«

Ryan öffnete das Fliegengitter. »Mom hat gesagt, ich soll dich reinlassen. Und dass du Pizza mitbringst. Sie duscht gerade. Eins von den Babys hat sie vorhin angekotzt. Es war echt eklig.«

»Im Ernst?« Will folgte ihm lachend durch den Korridor.

»Ja«, sagte Tabitha und ergriff seine Hand, als er in die Küche trat. »Ich bin Tabitha. Ich bin schon fünf.«

»Hi, Tabitha. Ich heiße Will.«

»Mom ist angekotzt worden.«

»Ich hab’s gehört.«

»So richtig von oben bis unten«, fuhr Tabitha fort. »Und wir mussten den gaaaaanzen Weg nach Hause mit ihr im Auto fahren.« Sie rümpfte die Nase und verdrehte die Augen.

»Oje, das war bestimmt furchtbar für euch.«

Ryan nickte. »Das kannst du laut sagen. Ich dachte schon, ich muss auch kotzen.«

»Könntet ihr dieses Wort jetzt bitte nicht mehr in den Mund nehmen? Wir haben einen Gast, der uns netterweise eine Pizza zum Abendessen mitgebracht hat, und ihr wollt doch nicht, dass ihm der Appetit vergeht, oder?«

Das war Jane, die sich soeben zu ihnen gesellt hatte, und bei ihrem Anblick schnappte Will unwillkürlich nach Luft. Ihre Haare waren noch feucht, und ein paar lange braune Strähnen fielen auf das dunkelblaue T-Shirt, das sie trug. Ihre tollen Beine steckten leider in einer Caprihose, aber als sie näher kam, stieg ihm ein undefinierbarer, köstlich süßer Duft in die Nase. Als sie an ihm vorbeiging, sagte er: »Du riechst echt lecker.« Nach etwas, das er gerne vernascht hätte.

Sie hielt inne, zögerte, drehte sich zu ihm um. »Äh, danke.«

»Jedenfalls nicht mehr nach Kotze«, stellte Ryan fest.

»Ryan!«, rügte sie ihn. »Stell doch schon mal die Teller auf den Tisch.«

»Okay.«

»Und du, Tabby, bist für die Servietten und das Besteck zuständig.«

»Heißt das, wir müssen die Pizza mit Messer und Gabel essen, Mommy?« Tabby rümpfte erneut die Nase. Es war verblüffend, wie ähnlich sie ihrer Mutter sah. Die gleichen blauen Augen, das gleiche dunkle Haar.

»Nein, aber vielleicht möchte das ja jemand anderes tun.«

»Okay.«

»Entschuldige«, sagte Jane, an Will gewandt. »Es gab einen unerfreulichen Zwischenfall in der Kinderkrippe, wie dir meine Kinder offenbar schon berichtet haben, und zwar vermutlich ausführlicher, als dir lieb war.« Sie ging voran ins Esszimmer.

Er winkte lachend ab. »Schon okay. Ich werde im Job auch des Öfteren mit unschönen Details konfrontiert.«

»Wo arbeitest du?«, wollte Tabitha wissen, während sie das Besteck auf dem Tisch deponierte.

»Bei der Polizei. Genauer gesagt, bei der Highway Patrol«, antwortete Ryan.

Will grinste. »Das weißt du also auch noch.«

»Jep.«

»Was macht denn die Highway Patrol?«, hakte Tabby nach.

»Dasselbe wie die normale Polizei, nur auf dem Highway. Wenn dort jemand zu schnell fährt oder wenn ein Unfall passiert, dann kümmere ich mich darum.«

»Cool«, sagte Tabitha. »Mein Daddy hat früher Highways gebaut. Aber dann musste er damit aufhören, wegen seinem Rücken.«

»Ich weiß, Tabby.« Will nickte. »Dein Daddy und ich waren sehr gute Freunde.«

Sie riss die Augen auf. »Weißt du, wo er ist? Wir finden ihn nicht.«

»Tut mir leid, Kleines, aber ich habe keine Ahnung, wo er ist. Wenn ich es wüsste, würde ich dafür sorgen, dass er schleunigst zu euch zurückkehrt.«

Sie nickte. »Ja. Niemand weiß, wo er ist, und das macht Mommy traurig.«

Jane sah von Will zu ihren Kindern. »Hey, wie wär’s mit einem Stück Pizza?«

»Ich hab auch Zimtschnecken mitgebracht, für hinterher«, bemerkte Will in der Hoffnung, dass die Aussicht auf einen Nachtisch die gedrückte Stimmung etwas aufheitern würde.

»Ich liiiiebe Zimtschnecken«, rief Tabitha denn auch sogleich. »Die sind einfach leckerschmecker!«

Will lachte. »Das sind sie, ja.«

Während sie aßen, vollzog Jane das übliche Abendritual. Ihr Gast lehnte sich zurück und lauschte schweigend, während sie sich bei ihren Kindern erkundigte, was sie tagsüber erlebt hatten. Sie hatte augenscheinlich ein gutes Händchen für Kinder, verstand es, ihre Fragen so zu stellen, dass sie nicht nur ein einsilbiges »ganz okay« oder »nichts« als Antwort erhielt. Schließlich band sie auch Will in die Unterhaltung mit ein und fragte ihn, was er so gemacht hatte.

»Hast du viele Leute erwischt, die zu schnell dran waren?«, wollte sie wissen.

»Ein paar. Und wir mussten eine Umleitung machen, das hat auch eine ganze Weile gedauert.«

»Was ist eine Umleitung?«, erkundigte sich Ryan.

»Wenn ein Highway gebaut oder repariert wird, muss man dafür manchmal den Straßenverlauf ändern. Meine Aufgabe ist es dann, die Autofahrer darauf aufmerksam zu machen, indem ich zum Beispiel den Streifenwagen an einer gut sichtbaren Stelle parke und das Blaulicht einschalte. Dann wissen alle, die vorbeikommen, dass die Strecke anders als sonst verläuft.«

»Ach so, damit keine Unfälle passieren, weil die Leute auf einmal nicht mehr da fahren können, wo sie sonst fahren«, sagte Ryan.

»Genau.«

»Das klingt aber langweilig«, stellte Tabitha fest.

»Hin und wieder ist es das auch, aber das gehört eben zu meinem Job, also muss ich es machen.«

Ryan nickte. »Genau wie in der Schule. Manche Fächer machen Spaß, manche nicht, aber wir müssen alles lernen, ob wir wollen oder nicht.«

Jane schmunzelte in sich hinein, was Will äußerst sexy fand. Wobei er so etwas in der Gegenwart ihrer Kinder wohl lieber nicht denken sollte.

Nach dem Essen befahl Jane den beiden, auf ihr Zimmer zu gehen und die Hausaufgaben zu erledigen. Sie selbst setzte sich mit Will ins Wohnzimmer.

»Wie geht es eigentlich deinen Eltern?«, fragte sie ihn.

»Großartig. Sie genießen ihren Ruhestand in Florida.«

»Ist bestimmt toll, sie dort zu besuchen, oder?«

»Ja, wenn sich denn mal die Gelegenheit dazu ergibt. Jedenfalls sind sie glücklich und zufrieden, und Dad ist hellauf begeistert von ihrer Eigentumswohnung. Er sagt, das Rasenmähen fehlt ihm kein bisschen.«

Jane lachte. »Das glaub ich gern. Ich hasse Rasenmähen auch wie die Pest, wie dir anhand der Prärie in meinem Vorgarten vielleicht schon aufgefallen ist. Ich sollte mich wirklich dringend darum kümmern.«

»Du hast eben viel um die Ohren.«

»Allerdings. Danke übrigens für das Abendessen, wobei es wirklich nicht nötig war, dass du etwas mitbringst.«

Ihm fiel auf, dass sie stets das Thema wechselte, sobald er darauf zu sprechen kam, dass sie ziemlich eingespannt war. »Gern geschehen. Normalerweise hocke ich nach Feierabend allein zu Hause. Mit euch zu essen macht bedeutend mehr Spaß.«

»Wer’s glaubt, wird selig.«

Er setzte sich etwas anders hin, sodass er ihr ins Gesicht sehen konnte. »Wie, du glaubst mir nicht? Deine Kinder sind eine Wucht, Jane. So höflich und lebhaft. Es ist echt eine Freude, sich mit ihnen zu unterhalten. Du solltest stolz auf sie sein.«

Sie senkte einen Moment lang den Blick, dann sah sie ihn an. »Danke. Ryan und Tabitha sind mein Ein und Alles, mein Leben. Und genau deshalb kann ich nicht mit dir ausgehen.«

Er hob eine Augenbraue. »Wegen deiner Kinder kannst du nicht mit mir ausgehen?«

»Na, ich muss mich doch um sie kümmern.«

»Aber doch nicht rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Du musst auch mal an dich denken.«

Sie schluckte. »Das kommt schon noch. Später irgendwann.«

Will ergriff ihre Hand, und ihm war, als hätte man ihm einen Stromstoß verpasst. Ob Jane es auch gespürt hatte? Es war anzunehmen, denn ihre Augen waren weit aufgerissen, und auch ihr Mund stand offen.

»Es ist höchste Zeit, dass du mal wieder etwas für dich tust, Jane. Es ist jetzt zwei Jahre her. Du solltest mal wieder ausgehen und dich ein bisschen amüsieren.«

Sie holte tief Luft und atmete zitternd aus. »Da bin ich anderer Meinung.«

»Warum? Nenn mir einen vernünftigen Grund.«

Doch ehe sie etwas erwidern konnte, beugte er sich nach vorn und gab ihr einen Kuss auf die Lippen. Davon hatte er geträumt, seit sie ihm neulich im Gemeindesportzentrum über den Weg gelaufen war, mit diesem albernen Hut und dem scheußlichen Strandkleid, in dem immerhin ihre tollen Beine so gut zur Geltung gekommen waren.

Sie schmeckte nach Zimt und Limonade, und er wusste, ihre Kinder saßen nur ein paar Meter entfernt in ihren Zimmern, aber er wollte mehr. Er ließ die Zunge zwischen ihre Lippen gleiten, und Jane stöhnte auf und krallte die Finger in sein Hemd, als könnte sie glatt von der Couch purzeln, wenn sie sich nicht an ihm festhielt.

Hm, das fühlte sich ja schon mal sehr vielversprechend an. Und sie schmeckte so gut und fühlte sich so wunderbar weich an, wenn sie sich an ihn schmiegte. Er wäre zu gern weitergegangen, behielt jedoch seine Hände bei sich. Schließlich konnte jeden Augenblick eines ihrer Kinder …

»Hey, Mom«, ertönte prompt Ryans Stimme.

Jane stieß Will von sich, als hätte jemand einen Eimer kaltes Wasser über ihnen ausgekippt, doch sie musterte Will mit einem bedauernden Schulterzucken, und in ihren Augen schimmerte das Verlangen.

»Ja, Schätzchen?«

»Kannst du mir mal mit Mathe helfen?«

Will erhob sich, obwohl er einen mordsmäßigen Hammer in der Hose hatte. »Das ist dann wohl mein Stichwort für einen Abgang«, stellte er fest.

Jane stand ebenfalls auf. Ihr Blick streifte die deutlich sichtbare Beule in seiner Jeans. »Tut mir leid«, murmelte sie.

»Mir nicht.« Er zog sie an sich, um sie noch einmal zu küssen, genauso leidenschaftlich wie gerade eben, und sie erwiderte den Kuss mit einer Inbrunst, die ihm einen verheißungsvollen Vorgeschmack davon lieferte, wie es sein würde, wenn sie erst einmal richtig loslegten. »Obwohl der Gang zum Auto wohl etwas unangenehm werden dürfte.«

Sie leckte sich über die Lippen. »Noch mal danke für die Pizza.«

»Danke, dass ich kommen durfte.«

Sie folgte ihm zur Tür.

Dort angekommen, blieb er stehen. »Jane?«

»Ja?«

»Hast du ein Handy?«

»Natürlich.«

Er zückte sein Mobiltelefon. »Gibst du mir die Nummer?«

Sie nannte sie ihm, und er speicherte sie ein. »Ich rufe dich an wegen unserem Date«, versprach er lächelnd.

Sie zögerte eine Sekunde, dann nickte sie. »Okay. Gute Nacht, Will.«

»Nacht, Jane.«

Damit verschwand er, grinsend und dank seiner Erektion reichlich breitbeinig.

Kapitel 4

»Du gehst mit Will Griffin aus?«

»Pssst!« Jane sah sich erschrocken um. »Das habe ich nicht gesagt. Und ich will nicht, dass jemand davon erfährt.«

Jane wusste nur zu gut, dass man in der Lehrerkantine der Highschool besser nicht über Dinge sprach, die geheim bleiben sollten, denn ihre Kollegen waren die schlimmsten Tratschtanten der ganzen Stadt. Und in Hope verbreiteten sich Gerüchte wie ein Lauffeuer, sobald sie erst einmal in Umlauf gebracht wurden.

Doch Jane musste es jemandem erzählen, und an wen sonst sollte sich wenden, wenn nicht an ihre beste Freundin Chelsea.

»Eigentlich wollte ich es dir gar nicht erzählen, weil du doch mal mit Will zusammen warst. Ich wusste nicht genau, wie du dazu stehen würdest.«

»Sei nicht albern«, winkte Chelsea ab. »Das war doch schon vor einer Ewigkeit, quasi in grauer Vorzeit, und außerdem haben wir uns im Guten getrennt. Warum sollte ich etwas dagegen haben, wenn du mit ihm ausgehst? Es ist verdammt noch mal höchste Zeit, dass du dich mal wieder ein bisschen amüsierst!«

»Nun hör schon auf. Wirke ich echt schon so verzweifelt?«

»Nein, aber genau da liegt das Problem. Du wirkst, als hättest du dich damit abgefunden, dass du nie wieder ausgehen und Spaß haben wirst. Und das ist einfach deprimierend, Jane. Habe ich etwa zu Hause gesessen und Trübsal geblasen, als Will und ich uns damals getrennt haben?«

Jane lachte. »Nein. Aber du bist eben eine vollbusige Rothaarige, dir mangelt es nicht an Angeboten. Außerdem warst du damals diejenige, die Schluss gemacht hat.«

»Hey, ich habe durchaus unter der Trennung gelitten, schließlich waren wir ein Jahr zusammen, auch wenn wir uns in dieser Zeit kaum gesehen haben. Er musste ständig nachts arbeiten, ich tagsüber, und mein Sozialleben ist mir eben wichtig. Aber das bedeutet nicht, dass mir Will total egal war.«

»Entschuldige. Ich wollte eure Trennung nicht herunterspielen. Ich weiß, dass du darunter gelitten hast.«

»Das hab ich, aber mir ist auch bewusst, dass die Trennung von Will und mir nicht zu vergleichen ist mit dem, das sich zwischen dir und Vic abgespielt hat. Ich habe keine Kinder und wurde nicht von meinem Ehemann sitzen gelassen. Aber selbst wenn man ein derartiges Drama durchgemacht hat, bedeutet das noch lange nicht, dass das Leben vorbei ist. Okay, du bist Mutter, und deine Sprösslinge haben für dich oberste Priorität, aber du bist auch eine Frau, Jane. Du hast Bedürfnisse«, rief ihr Chelsea nachdrücklich in Erinnerung.

Nach dem Kuss gestern Abend war sich Jane ihrer Bedürfnisse leider nur zu deutlich bewusst. Sie hatte praktisch die ganze Nacht wach gelegen, hatte sich schweißgebadet im Bett herumgewälzt und ein heftiges Kribbeln an Körperstellen verspürt, die lange in einer Art Dornröschenschlaf vor sich hin gedämmert hatten.

Mit Vic hatte sie schon lange vor seinem Verschwinden keinen Sex mehr gehabt. Er war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich volllaufen zu lassen, hatte sich die Nächte lieber mit seinen Drogenkumpels um die Ohren geschlagen, während Jane vor Sorge um ihn halb gestorben war. Und hatte er doch mal einen Abend zu Hause verbracht, dann hatten sie sich gestritten. Ihr letztes Schäferstündchen lag so lange zurück, dass sie schon gar nicht mehr wusste, wie es sich anfühlte, wenn man von einem Mann umarmt und gestreichelt – und geliebt – wurde.

»Gut möglich, dass ich vergessen habe, wie es geht«, sagte sie zu Chelsea.

Diese lachte. »Ich glaube nicht, dass man vergisst, wie es geht, aber glaub mir, falls du Nachhilfe in Sachen Sex brauchst, ist Will genau der Richtige für dich.«

»Es fühlt sich echt bizarr an, mit dir über Sex mit einem Mann zu reden, mit dem du auch schon geschlafen hast.«

»Tja, wie gesagt, das war in grauer Vorzeit.«

»Dafür sind deine Erinnerungen daran aber noch ziemlich lebhaft.«

»Hey, tollen Sex vergisst eine Frau nie.« Chelsea wackelte mit den Augenbrauen.

»Wenn der Sex so toll war, warum tust du dich dann nicht wieder mit Will zusammen, jetzt, wo er keine Nachtschichten mehr schiebt?«

Chelsea zuckte die Achseln. »Er ist zwar ein echt netter Kerl, aber wir passen einfach nicht zusammen. Ihr dagegen seid wie füreinander geschaffen. Will hat eine sanfte Seite, die er mit dir hervorragend ausleben kann.«

Jane kaute auf ihrer Karotte herum und überlegte.

»Vielleicht sollte ich ja wirklich mal ein bisschen die Sau rauslassen.«

Chelsea nickte zufrieden. »Ganz meine Meinung.«

Inzwischen mussten sie nicht mehr flüstern, denn die Lehrerkantine hatte sich geleert. »Ein richtig schöner Orgasmus würde mir schon reichen. Damit komme ich locker über die nächsten ein, zwei Jahre.«

»Na, also.«

Jane überlegte einen Augenblick. »Aber vielleicht will er ja nur mit mir ins Kino.«

»Jane, so wie du diesen Kuss beschrieben hast, kann ich mir nicht vorstellen, dass Will nur mit dir ins Kino will.«

Jane grinste. »Auch wieder wahr.«

»Dann heißt das also, du gehst mit ihm ins Bett?«

»Ja. Sobald ich fünf Kilo abgespeckt habe. So wie ich im Moment aussehe, bekommt mich kein Mann nackt zu Gesicht.«

»Du bist total heiß, Jane!«, sagte Chelsea nachdrücklich. »Du hast Kurven und ewig lange Beine. Du bist mal wieder viel zu streng mit dir selbst. Hiermit erteile ich dir eine Hausaufgabe: Du wirst dich heute Abend nackt vor den Spiegel stellen, damit du mal siehst, wie umwerfend du bist.«

»Das ist nicht dein Ernst, oder?«

Jane lachte, doch Chelsea verzog keine Miene.

»Und ob. Versprich mir, dass du es tust. Heute Abend.«

»Ich werde mich ganz sicher nicht nackt vor den Spiegel stellen.«

»Warum denn nicht, Herrgott noch mal?«

»Weil … weil das total albern ist.«

»Es ist keineswegs albern. Jede Frau sollte sich gelegentlich im Spiegel betrachten und sich sagen, wie toll sie aussieht. Konzentrier dich einfach auf die körperlichen Vorzüge.«

Jane starrte ihre Freundin an. Chelseas Haare waren leuchtend rot, und zwar ganz ohne Zutun eines Friseurs, und sie war topfit, weil sie regelmäßig Yoga machte. Und ihr Busen war unbestritten eine Augenweide, das hätte ihr jeder – ob männlich oder weiblich – auf der Stelle attestiert. Kein Wunder, dass sie kein Problem damit hatte, sich nackt vor einen Spiegel zu stellen. Jane dagegen …

»Vergiss es.«

»Das werde ich nicht tun. Es ist schon viel zu lange her, dass du deinen Körper mal genauer unter die Lupe genommen hast, ganz zu schweigen davon, dass ein Mann deinen wunderschönen Körper bewundert hat, und deshalb bildest du dir ein, du hättest alle möglichen Makel. Aber damit ist jetzt Schluss. Heute Abend wird Inventur gemacht. Du ziehst dich aus und überzeugst dich davon, wie attraktiv du bist. Denn das bist du. Will ist ganz offensichtlich auch dieser Ansicht, sonst hätte er dich gestern Abend nicht geküsst.«

»Ich bin … schwabbelig.«