Texas Ranger 10: Das Fort am Colorado River - Alfred Wallon - E-Book

Texas Ranger 10: Das Fort am Colorado River E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Um die Grenzen von Texas vor einem erneuten Vorstoß der mexikanischen Armee zu schützen, werden zusätzliche Kompanien von Texas Rangern aufgestellt. Zudem soll eine Kette aus Forts errichtet werden, um die Präsenz der Ranger in den jeweiligen Regionen zu verstärken. Trotzdem kämpfen die Texas Ranger wegen der Indianerunruhen weiterhin an zwei Fronten.

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In dieser Reihe bisher erschienen

4701  Alfred Wallon Tod am Rio Blanco

4702  Alfred Wallon Canoma muss sterben

4703  Alfred Wallon Die erste Rebellion

4704  Alfred Wallon Kampf ohne Gnade

4705  Alfred Wallon Die Helden von Alamo

4706  Alfred Wallon Vergeltung für Alamo

4707  Alfred Wallon Überfall auf Parkers Fort

4708  Alfred Wallon Gefahr am Little River

4709  Alfred Wallon Rinder für Texas

4710  Alfred Wallon Das Fort am Colorado River

4711  Alfred Wallon Entscheidung am Elm Creek

4712  Alfred Wallon Hinterhalt am Trinity River

4713  Alfred Wallon Der Commanchen-Jäger

4714  Alfred Wallon Der Ritt nach Laredo

4715  Alfred Wallon Blutiger Sommer (Frühjahr’25)

4716  Alfred Wallon Tödlicher Herbst (Frühjahr’25)

DAS FORT AM COLORADO RIVER

TEXAS RANGER

BUCH 10

ALFRED WALLON

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

Copyright © 2023 Blitz-Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier 

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Redaktion: Alfred Wallon

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7579-4877-1

4710 vom 11.08.2024

INHALT

Der Tod kommt in der Nacht

Ein gnadenloser Kampf

Der Hinterhalt

Falsche Entscheidung

Begegnung in Coleman’s Fort

Kampf am Walnut Creek

Der Deserteur

Flucht aus Coleman’s Fort

Jacob Ellsworths Tod

Ein tragisches Ende

Historische Anmerkungen zum vorliegenden Roman

Über den Autor

DER TOD KOMMT IN DER NACHT

3. Mai 1836

Auf der Ellsworth-Farm in der Nähe von Nacogdoches

Am frühen Morgen gegen 6:00 Uhr

Von einem Augenblick zum anderen war Jacob Ellsworth hellwach und wusste nicht, warum das so war. Ein seltsamer Traum hatte ihn verfolgt, und der ließ ihm auch jetzt noch keine Ruhe. Von einem unguten Gefühl getrieben, schlug er rasch die Bettdecke beiseite und stand auf. Rasch griff er nach Hemd und Hose, streifte sich die Kleidung rasch über und verließ dann das Schlafzimmer.

Seine um fünfzehn Jahre jüngere Frau Joyce schlief seit einiger Zeit im Wohnzimmer. Sie konnte nicht mehr das gemeinsame Bett mit ihm teilen und hatte sich seit dem schrecklichen Vorfall in sich zurückgezogen. Sie regis-trierte kaum etwas, was um sie herum geschah, wechselte nur die allernötigsten Worte mit ihrem Mann und verbrachte die meiste Zeit des Tages damit, auf einem Stuhl im Wohnzimmer zu sitzen und die vorbeiziehenden Wolken am Himmel zu beobachten. Manchmal lächelte sie dabei, aber jedes Mal, wenn Jacob Ellsworth sie danach fragte, warum sie das tat, gab sie ihm keine Antwort.

Für einen Mann wie Jacob Ellsworth war es schwer, zu verdauen, was vor gut vier Wochen geschehen war. Da war seine heile Welt von heute auf morgen zerstört worden, und nichts war mehr so, wie es ihm vertraut gewesen war.

Normalerweise schlief er an einem Sonntag immer etwas länger und ging dann zur Kirche, um Gottes Wort zu hören. Aber Joyce begleitete ihn nicht mehr zur Kirche. Sie hatte es versucht, konnte aber die Worte des Paters nicht ertragen, wenn er von Nächstenliebe und Vergebung aller Sünden sprach. Sie selbst kam sich vor wie die personifizierte Sünde, weil sie das zugelassen hatte. Sie fühlte sich seitdem schmutzig und versuchte, sich mehrmals am Tag zu waschen. Aber das, was mit ihr geschehen war, konnte man nicht mehr abwaschen. Es hatte sich in ihrer Seele fest verankert und alles Gute in ihr zerstört.

„Joyce!“, rief Jacob Ellsworth, als er ins Wohnzimmer ging und es leer vorfand. Normalerweise schlief seine Frau auf einem Lager direkt vor dem Kamin, und sie war das Erste, was er sah, wenn er aus dem Schlaf-zimmer kam. Dann erfasste ihn immer eine große Wehmut, denn er liebte Joyce und bewunderte immer noch ihre Schönheit. Aber es gab nur noch eine äußere Fassade, die daran erinnerte. Alles andere, was ein Teil von ihr gewesen war, existierte nicht mehr. Und wenn er Dr. Moore in -Nacogdoches richtig verstanden hatte, dann würde sich dieser seelische Zustand auch nicht mehr bessern. Eher das Gegenteil konnte eintreten, dass Joyce ganz dem Wahnsinn verfiel. Sich so etwas vorstellen zu müssen, war für einen aufrechten Mann wie Joseph Ellsworth völlig inakzeptabel.

Er sah ein Blatt Papier auf dem Tisch liegen. Neugierig und besorgt zugleich ging er zum Tisch, nahm das Blatt hoch und las, was dort geschrieben stand. Es war eine ungelenke Handschrift, die der eines siebenjährigen Kindes glich. Die Botschaft bestand nur aus einzelnen Worten, und sie lauteten: Joseph – Liebe – Ende - Sonnenlicht. Unter das letzte Wort hatte sie einen Kreis gemalt, der wohl eine Sonne darstellen sollte, die hell strahlte.

Ellsworth verstand diese Nachricht nicht, aber seine Gedanken überschlugen sich förmlich, als er das Haus verließ und hinaus auf den Hof trat.

„Joyce!“, rief er. „Wo bist du?“

Er bekam keine Antwort. Nur das Gackern der Hühner war zu hören und im Stall das Muhen der Kuh, die gemolken werden wollte. Aber Jacob Ellsworth hatte keine Zeit dafür. Er musste nach Joyce suchen, weil er sich Sorgen machte. Sie hatte seit diesem schrecklichen Vorfall die Farm nicht mehr verlassen und hatte ihn auch nicht mehr nach Nacogdoches zum Einkaufen begleitet. Andere Menschen und deren Gesellschaft schienen sie nicht mehr zu interessieren.

Der Blick des Farmers fiel auf den Stall und das Tor, das einen Spalt offenstand. Mit schweren Schritten ging er darauf zu, während das Herz ihm bis zum Hals schlug. Die Ahnung, dass er jenseits des Stalltors etwas Schreckliches finden würde, wurde mit jeder weiteren Sekunde immer mehr zur brutalen Gewissheit.

Jetzt stand er am Tor und öffnete es so weit, dass die Morgensonne hineinschien. Dieses Sonnenlicht fiel genau auf den Körper von Joyce, die an einem Strick hing. Sie trug das Kleid, das ihr Mann ihr zur Hochzeit gekauft hatte. Aber in ihrem leblosen Gesicht spiegelte sich keine Freude mehr wider, sondern nur noch das Entsetzen, das sie durchgemacht hatte und das sie letztendlich dazu veranlasst hatte, sich das Leben zu nehmen. Weil sie so nicht mehr weitermachen konnte oder es auch nicht wollte. Die Antwort darauf würde sie ihrem Mann aber für immer schuldig bleiben.

Jacob Ellsworth zitterte am ganzen Körper, während er dieses schreckliche Bild in sich aufnahm und sich bewusst wurde, was geschehen war. Dann ging er zu der Stelle, wo sie hing, und stellte den Stuhl wieder auf, den sie benutzt hatte. Er bemühte sich, den Strick von ihrem blau angelaufenen Hals zu lösen und schluchzte, weil ihm das nicht gleich gelang. Dann aber hatte er es geschafft, und Joyce fiel mit einem dumpfen Laut auf den Boden.

Ellsworth kniete neben ihr und weinte hemmungslos. Seine Frau dort so liegen zu sehen, war eine unsägliche Qual für ihn. Sie musste diesen Entschluss schon seit einigen Tagen gefasst haben und hatte das auch so vorbereitet, damit ihr Mann nichts davon bemerkte oder sie gar daran hinderte. Sie hatte den Zeitpunkt genau richtig gewählt und hatte ihr Leben zwischen Mitternacht und Morgengrauen beendet. Dort, wo der Schlaf des Menschen bekanntlich am tiefsten war.

„Warum nur, Joyce?“, murmelte er, während hinter seiner Stirn ein Gedanke den anderen jagte. „Wir hätten das doch zusammen irgendwie hinbekommen. Aber jetzt ...“ Seine Stimme brach, und er musste schon wieder weinen.

Mit zitternden Händen schloss er die weit aufgerissenen Augen seiner Frau und hob sie dann ganz sanft hoch. Auf seinen starken Armen trug er sie aus dem Stall hinüber ins Haus und legte sie auf das Lager, wo sie die letzten Wochen über geschlafen hatte. Wenn man nicht ganz genau hinschaute, sah es immer noch aus, als wenn sie tief und fest schlief. Aber Joyce atmete nicht mehr. Das, was von ihr zurückgeblieben war, war nur noch eine Hülle ohne Seele, denn die war schon längst auf dem Weg zu den Sternen. Zumindest hoffte das Ellsworth, auch wenn ihn das nicht tröstete.

Während er seinen Blick auf seine Frau richtete, drifteten seine Gedanken zurück zu dem Tag, an dem das Unheil seinen Anfang genommen hatte. Mehr als einmal hatte er sich die Schuld daran gegeben, dass er in diesen entscheidenden Stunden nicht auf der Farm gewesen war. Aber das war nicht das erste Mal, dass er seine Frau allein auf der Farm zurückgelassen hatte. Nacogdoches war nur drei Meilen entfernt, und er fühlte sich relativ sicher vor eventuellen Bedrohungen durch marodierende Kriegerbanden. Trotzdem hatte das Schicksal unbarmherzig zugeschlagen und seine heile Welt an diesem Tag zerstört. In der Form, dass während seiner Abwesenheit jemand der Farm einen Besuch abgestattet hatte und über Joyce hergefallen war. Er hatte sie brutal vergewaltigt und geschlagen, und an diesem Tag war etwas in ihr zerbrochen, was niemals mehr geheilt werden konnte.

Jacob Ellsworth wusste bis heute nicht, wer das seiner Frau angetan hatte. Aber selbst, wenn er es gewusst hätte, dann wäre ihm das Wohl von Joyce wichtiger gewesen. Ihr Zustand war an manchen Tagen so bedenklich, dass er sie einfach nicht mehr allein lassen konnte. Manchmal reichte es schon aus, wenn er das Haus verließ und hinaus aufs Feld gehen wollte. Dann begann Joyce immer zu schreien, und das hörte erst auf, wenn er wieder zu ihr zurückkam. Und alles nur, weil irgendein gott-verdammter Hundesohn seinen Trieb nicht unter Kontrolle gehabt hatte!

Mehr als nur einmal hatte er sich gewünscht, wenigstens einen Hinweis oder eine Beschreibung dieses Mannes zu bekommen. Aber niemand wusste etwas, und somit würde dieses Verbrechen wohl niemals aufgeklärt werden. Und wenn doch: Was spielte es denn noch für eine Rolle? Joyce war tot und würde niemals wieder zu ihm zurückkehren. Trotz allem fühlte Ellsworth aber einen unbändigen Hass in seinem Herzen. Hass auf den Mann, der seine Frau letztendlich in den Tod getrieben und dadurch auch sein Leben zerstört hatte.

Er ging wieder hinaus ins Freie, suchte im Schuppen nach einer Hacke und einer Schaufel und tat dann das, was in solch einem Fall getan werden musste. Er geriet rasch in Schweiß, weil ihn die Arbeit sehr anstrengte, und er musste immer wieder kurz innehalten, wenn ihn ein erneuter Gefühlsausbruch überkam.

Deshalb hörte er die Hufschläge zunächst gar nicht, die sich der Farm näherten. Erst als der Reiter den Hof schon fast erreicht hatte, drehte sich Jacob Ellsworth um. Er erkannte Sheriff Dick Huxley, der jetzt sein Pferd zügelte und aus dem Sattel stieg. Er sah, was Ellsworth gerade tat, und seine Miene wirkte sehr ernst.

„Du kommst zum falschen Zeitpunkt, Dick“, sagte Ellsworth mit gezwungener Ruhe. „Ich habe zu tun. Reite zurück nach Nacogdoches.“

Er drehte sich wieder um und grub einfach weiter. Selbst als Huxley ganz nahe bei ihm stand, wollte er nicht aufhören. Erst als der Sheriff ihn an der Schulter packte und ihn zwang, sich umzudrehen, hörte er mit dem Graben auf.

„Was ist passiert, Jacob?“, fragte der grauhaarige Gesetzesmann, obwohl er es schon ahnte.

„Joyce hat sich umgebracht, Dick“, sagte Ellsworth und strich sich eine Strähne seines aschblonden Haares aus der Stirn. Für seine fünfzig Jahre trug er das Haar etwas zu lang, aber ihm gefiel es. Und Joyce auch. Sie hatte es genossen, mit ihren Fingern durch sein Haar zu fahren, wenn sie sich geliebt hatten.

„Wie bitte?“, murmelte Huxley. „Das kann doch nicht ... ich meine ...“

„Doch, Dick“, fiel ihm Ellsworth ins Wort. „Sie hat es geplant. Heute in der Nacht ist sie in den Stall gegangen und hat sich dort aufgehängt. Ich habe sie eben erst gefunden, und jetzt muss ich sie begraben. Sonst noch was?“

„Jacob, hör mir zu“, redete der Sheriff auf ihn ein. „Lass mich dir helfen. Du musst das nicht allein machen. Außerdem habe ich noch eine wichtige Nachricht für dich. Auch wenn es jetzt ...“ Er hielt kurz inne, suchte nach den passenden Worten, fand sie aber nicht.

„Was für eine wichtige Nachricht ist das, Dick?“, fragte Ellsworth. „Glaubst du wirklich, dass mich das jetzt noch interessiert?“

„Ich glaube schon“, lautete Huxleys Antwort. „Denn ich weiß etwas über den Mann, der Joyce das angetan hat. Ich habe es nur durch einen dummen Zufall erfahren. Gestern Abend haben sich zwei Männer im Saloon dar-über unterhalten, und ich habe gehört, wie sie von einem Mann erzählt haben, dem sie unterwegs begegnet sind.“

„Was heißt das genau?“

„Du kennst doch Colter’s Station, oder?“, fragte -Huxley und sah, wie Ellsworth kurz nickte. „Da sind sie ihm begegnet. Er hat dort seine Vorräte ergänzt und auch das eine oder andere Glas Whiskey zu sich genommen. Dadurch ist er redselig geworden und hat angefangen, zu prahlen.“

„Über was, Dick?“, stieß Ellsworth mit gepresster Stimme hervor.

„Er hat wohl gesagt, dass er eine Begegnung mit einer Frau hatte, der er nicht widerstehen konnte. Sie hieß Joyce. Als ich das hörte, habe ich die beiden Männer darauf angesprochen und sie gefragt, ob sie denn nicht wüssten, was hier vor vier Wochen passiert ist.“

„Und sie wussten natürlich nichts, nehme ich an.“

„Nein, woher denn auch. Es waren Fremde, und sie wollten weiter in Richtung Houston. Sie haben gesagt, sie wollten sich den Texas Rangern anschließen. Als ich ihnen dann gesagt habe, was passiert ist, waren sie ganz erschrocken. Es könnte gut sein, dass dieser Mann deine Frau überfallen hat, Jacob.“

„Hat er einen Namen genannt?“, fragte Ellsworth.

„Robless hieß er. Der Vorname war Albert oder -Alexander. Das wussten die beiden Männer nicht mehr.“

„Wie hat der Mann ausgesehen? Haben sie ihn beschrieben?“

„Eher hager und knochig. Ziemlich blass im Gesicht und etwas schüttere Haare. Obwohl er noch keine dreißig Jahre alt war. Und er soll angeblich gesagt haben, dass er auch zu den Texas Rangern will. Aber nicht nach -Houston, sondern in Richtung Colorado River. Jacob, glaubst du wirklich, dass es dieser Robless war?“

„Glauben heißt nicht wissen, Dick“, entgegnete -Ellsworth. „Aber ich werde ihn fragen, wenn ich ihm gegenüberstehe. Danke, dass du mir das gesagt hast. Das macht meine Entscheidung noch leichter.“

„Was für eine Entscheidung, Jacob?“

„Ich werde Joyce begraben und dann weggehen von hier. Bevor du kamst, hatte ich schon daran gedacht. Aber jetzt weiß ich wenigstens, wo ich nach diesem Bastard suchen kann. Ich werde ihn finden, Dick. Und wenn es Monate dauern sollte.“

Mit diesen Worten stieg er aus dem Loch, das er gegraben hatte, und ging zurück ins Haus. Huxley wollte ihm etwas hinterherrufen, unterließ es aber, als er bemerkte, dass Ellsworth in Gedanken ganz woanders war.

Einige Minuten vergingen, bis er wieder zurückkehrte. Er hatte seine tote Frau in die Decke gehüllt, mit der sie vor dem Kamin geschlafen hatte. Wortlos trug er sie zu dem Grab und legte sie so vorsichtig hinein, als fürchte er sich davor, sie dabei jetzt noch verletzen zu können.

„Es tut mir so leid, Jacob“, sagte Huxley. „Ich weiß, was du durchgemacht hast in den letzten vier Wochen. Es muss sehr schlimm gewesen sein. Ich war ja nur einmal seitdem hier und habe gesehen, dass Joyces Zustand nicht gut war.“

„Das waren noch gute Tag, Dick“, meinte Ellsworth mit einem tiefen Seufzen. „Behalte sie so in Erinnerung, wie du sie gekannt hast. Das muss ich auch tun, sonst werde ich noch ganz verrückt.“

Während er das sagte, nahm er die Schaufel und füllte das Grab wieder mit Erde. Er machte es schnell und schien sich dabei ganz darauf zu konzentrieren, dass er diese Arbeit in jedem Fall beenden musste, bevor ihm seine Nerven einen Strich durch die Rechnung machten. Während der ganzen Zeit stand Sheriff Huxley hilflos daneben und konnte nur zusehen. Aber schließlich war auch diese Arbeit getan.

„Lass mich bitte jetzt allein, Dick“, bat er. „Ich möchte noch etwas allein sein, verstehst du?“

„Natürlich, Jacob“, beeilte sich Huxley zu sagen. „Und wenn du was brauchst, dann sag es nur.“

„Du kannst die Farm für mich verkaufen, Dick“, sagte Ellsworth und bemerkte, wie der Sheriff auf einmal sehr überrascht dreinblickte. „Ich bleibe nicht mehr hier. Ich habe jetzt andere Dinge zu tun. Verkauf sie und heb das Geld für mich auf. Ich kann dir aber nicht sagen, wie lange ich wegbleiben werde. Vielleicht komme ich auch gar nicht mehr zurück. In dem Fall werde ich jemanden schicken, um das Geld zu holen. Hast du das verstanden?“

„Du willst ihn jagen, oder?“

„Glaubst du, ich lasse es zu, dass dieses Schwein so einfach entkommt? Ich habe in der Kirche vier Sonntage lang Gott angefleht, mir zu helfen und mir zu sagen, was ich tun soll. Jetzt weiß ich es, Dick. Ich werde nach diesem Robless suchen, und ich werde ihn auch finden und für das bestrafen, was er meiner Frau angetan hat. Vor den Augen des Gesetzes ist er kein Mörder, sondern nur ein Vergewaltiger. Aber in meinen Augen hat er Joyces Seele zerstört, und dafür muss er büßen. Das schwöre ich hier an ihrem Grab!“

Seine Worte klangen so endgültig, dass Huxley nicht mehr wusste, was er sagen sollte. Er nickte nur, wandte sich ab und ging wieder zurück zu seinem Pferd.

„Dick, kannst du jemanden hierherschicken, der sich um die Tiere kümmert?“, rief er dem Sheriff hinterher. „Möglichst in den nächsten zwei Stunden? Die Kuh muss gemolken werden.“

„Du willst gleich weg, oder?“

„Ja“, sagte Ellsworth. „Du tust mir den Gefallen, ja?“

„Ich kümmere mich darum“, versprach ihm Huxley. Als er im Sattel saß und nach den Zügeln griff, schaute er ein letztes Mal zu Ellsworth. „Pass auf dich auf, Jacob!“, rief er ihm zu, bevor er losritt.

Ellsworth erwiderte nichts darauf, weil ihm in diesem Augenblick verständlicherweise ganz andere -Gedanken durch den Kopf gingen. Er formte mit der Schaufel die Erde zu einem Grabhügel, ging anschließend in den Schuppen und holte zwei Bretter heraus, die er dann zu einem kleinen Kreuz zusammennagelte. Er hatte keine Geduld mehr, Joyces Namen in das Holz zu ritzen. Er glaubte stattdessen, dass seine Frau es sicher verstehen würde, wenn er sich so schnell wie möglich auf den Weg machte, um diesen Mann namens Alexander Robless zu finden. Es war nur ein vager Hinweis, aber immerhin besser als gar nichts. Hier konnte er ansetzen.

Ellsworth ging ins Haus und packte einige Sachen zusammen. Dann sattelte er das Pferd, führte es aus dem Stall ins Freie und verstaute die beiden Packen hinter sich am Sattel. Er besaß eine Rifle, eine Pistole und Pulver und Blei. Er hatte auch noch etwas Vorrat eingepackt. Das musste fürs Erste reichen.

Als er aufgesessen war, drehte er sich noch einmal um und schaute zurück zu dem Grab, in dem seine Frau ruhte.

„Ich schicke ihn zur Hölle, Joyce“, sagte er. „Sobald ich ihn gefunden habe.“

Dann trieb er sein Pferd an und ritt vom Hof der Farm. Er schaute nicht mehr zurück, denn hier gab es nichts mehr, was ihn an diesem Ort hielt.

EIN GNADENLOSER KAMPF

25. August 1836

In der Nähe des San Gabriel River

Morgens gegen 9:00 Uhr

„Es ist eine Schande“, sagte Captain William Hill, als er von einem Hügel herab auf die kleine Farm blickte, die offensichtlich schon seit längerer Zeit verlassen war. „Alles wegen diesen verdammten Indianern! Kein Wunder, dass die Menschen Angst haben und alles stehen und liegen gelassen haben.“

„Das lag nicht nur an den Indianern, Captain“, sagte Sergeant Horatio Chriesman. „Die mexikanische Armee hat auch einen Teil dazu beigetragen, dass den Siedlern ihr eigenes Leben wichtiger war, als Santa Annas Vormarsch aufzuhalten.“

„Und deshalb hatten die Comanchen, Caddo und -Tonkawa leichtes Spiel“, sagte der dreiundvierzigjährige Hill, der angesichts des Anblicks der verlassenen Farm wütend geworden war. Er hatte viel zu viele niedergebrannte Felder und zerstörte Farmen gesehen, als die meisten Siedler während der mexikanischen Invasion nach Osten geflüchtet waren. Entweder hatten mexikanische Soldaten mit der Plünderung begonnen, oder marodierende Indianerbanden hatten dann den Rest erledigt. So oder so würde es noch eine Zeit dauern, bis diese Region rund um Tenoxtitlan jemals wieder so etwas wie Frieden spüren würde.

Die beiden Felder der verlassenen Farm lagen brach, und das Unkraut wucherte allmählich zwischen den Furchen, die der Farmer noch hatte anlegen können, bevor er und seine Familie überstürzt die Flucht hatten antreten müssen.

„Wir reiten hinunter und sehen uns um“, beschloss Captain Hill. „Vielleicht finden wir ja noch verwertbare Spuren. Riechen Sie nicht den Rauch, Sergeant? Hier hat es erst vor kurzem gebrannt. Also muss gestern jemand hier vorbeigekommen sein.“

„Tatsächlich“, stimmte ihm Sergeant Chriesman zu. „Sie haben recht, Captain. Jetzt rieche ich es auch. Es kommt von der Hütte links neben dem Farmhaus. Es kann also wirklich noch nicht lange her sein.“

„Haltet eure Waffen bereit, Männer!“, rief Hill den anderen Texas Rangern zu. Es waren insgesamt zweiundfünfzig Mann, die vor zwei Tagen Tenoxtitlan verlassen hatten und seitdem die Region am San Gabriel River erkundeten und nach Spuren von Indianern suchten. Bis jetzt hatten sie keine konkreten Hinweise gefunden, aber jetzt spürte Hill, dass sich das bald ändern würde.

Die Männer näherten sich der verlassenen Farm und der betreffenden Hütte. Jetzt registrierten sie auch den Wagen, der hinter der Hütte stand und den man erst sehen konnte, wenn man den Hof der Farm erreichte. Oder besser gesagt, es waren die Überreste des Wagens, den die Texas Ranger erblickten. Jemand musste ihn angezündet haben. Jemand, der hier vorbeigekommen war, lange nachdem die einstigen Bewohner der Farm die Flucht nach Osten angetreten hatten.

„Sergeant“, wandte er sich an Chriesman. „Posten sollen das Gelände sichern!“

Der erfahrene Sergeant stellte keine unnötigen Fragen, sondern kümmerte sich sofort darum, dass Hills Anweisungen umgesetzt wurden. Der Captain hatte ein zusehends ungutes Gefühl, weil er nicht nur den Rauch gerochen hatte, sondern jetzt auch noch etwas anderes. Etwas, das ihm großes Kopfzerbrechen bereitete.

„Ist das nicht der Wagen von Harris, diesem Händler, der einmal im Monat nach Tenoxtitlan kommt?“, fragte Joshua Graham, der als einer der Ersten sein Pferd gezügelt hatte und abgesessen war. Er ging auf die verkohlten Reste des Wagens zu und fand nicht weit davon eine Kiste, die jemand gewaltsam geöffnet hatte. Seine Miene wurde ernst, als er dort eine leere Flasche fand, aber mit einem Etikett, das ihm sehr bekannt vorkam. Dr. Grey’s Medicine stand auf dem Etikett.

„Harris hat diese Flaschen immer bei sich gehabt“, behauptete er. „Er hat gesagt, dass man damit jede Krankheit kurieren kann. Ich habe mal einen Schluck davon probiert. Aber meine Zahnschmerzen sind trotzdem nicht weggegangen. Erst als der Doc den Zahn gezogen hat, ging es mir wieder besser.“

Er hatte gehofft, dass die Männer bei diesem Scherz grinsen würden, aber die Mienen der anderen Texas -Ranger waren sehr ernst.

„Harris war also hier“, schlussfolgerte ein anderer -Ranger namens Levi Pitts. „Aber wo zum Teufel sind seine Pferde, und wo steckt er denn?“

Captain Hill hätte am liebsten jetzt schon etwas darauf erwidert, aber er wollte sicher sein, dass sich seine düsteren Ahnungen auch tatsächlich bewahrheiteten. Deshalb saß er ab und ging mit gezogener Pistole auf die Hütte zu. Als er nur noch wenige Schritte davon entfernt war, drang ihm ein penetrant-süßlicher Geruch in die Nase. Da wusste er, was ihn jenseits der Tür erwartete, die einen Spalt offenstand.

Er betrat die Hütte und kämpfte dabei immer stärker gegen den Würgereiz an, der in seiner Kehle aufstieg. Er hörte das Summen von zahlreichen Fliegen und entdeckte dann den reglosen blutigen Körper, der an einem Stützpfosten festgebunden war. Sein Kopf war blutig an der Stelle, an dem sich der größte Teil seiner Haare befunden hatte. Das Hemd war an seinem Bauch aufgerissen, und von dort kam auch der Geruch, der Hill ganz flach atmen ließ.

„Verdammt!“, entfuhr es dem Texas Ranger Captain, als er den Händler Harris erkannte. Man hatte ihm offensichtlich aufgelauert, ihn überwältigt und dann hier in der Hütte grausam gefoltert. Hill konnte nur hoffen, dass der Händler nicht zu lange hatte leiden müssen, denn die Schmerzen, die man ihm zugefügt hatte, mussten sehr schlimm gewesen sein.

Rasch wandte er sich ab, verließ die Hütte und wagte es dann erst wieder, kräftig einzuatmen.

„Was ist, Captain?“, wollte Sergeant Chriesman wissen, sah dann aber an der Miene Hills, dass er sich jede weitere Frage sparen konnte.

„In der Hütte liegt Harris“, sagte Hill. „Die Indianer haben sich ihn vorgenommen. Tragt ihn raus. Wir müssen ihn anständig begraben. Beeilt euch!“

Die letzten Worte spiegelten den Zorn wider, der den ansonsten eher gelassenen Texas Ranger Captain erfasst hatte. Deshalb stellten die Männer keine unnötigen Fragen, sondern taten das, was ihnen der Captain befohlen hatte. Als der tote Händler aus der Hütte getragen wurde und die restlichen Ranger den misshandelten Körper des Mannes sahen, begannen einige zu fluchen, und andere wiederum wandten sich ab, weil sie den Anblick einfach nicht ertragen konnte. Einer musste sich sogar wirklich bemühen, sich nicht zu übergeben, aber dann konnte er sich zum Glück wieder zusammenreißen.

Die Männer wickelten Harris in eine Decke und machten sich dann an die Arbeit, ein Grab zu schaufeln. Hill beobachtete das, während ihm ein Gedanke nach dem anderen durch den Kopf ging.

„Was in aller Welt wollte Harris hier?“, fragte sich auch Sergeant Chriesman. „Er hätte doch sehen müssen, dass die Farm längst verlassen war.“

„Vielleicht wollte er hier übernachten, wer weiß?“, entgegnete Hill. „Wir werden es nicht mehr herausfinden. Fest steht auf jeden Fall, dass das den Indianern nicht entgangen ist. Sie haben den richtigen Zeitpunkt abgewartet und sich ihn dann vorgenommen. Er dürfte keine Chance gehabt haben.“

„Die beiden Pferde haben sie mitgenommen und den größten Teil seiner Waren auch“, fügte Chriesman hinzu. „Er hätte niemals hierherkommen sollen. Hat Harris denn nicht gewusst, was das für ein Risiko ist, allein diese Region zu durchqueren?“

„Sicher hat er das gewusst“, meinte Hill. „Aber ein Händler wie er lebt davon, auch abgelegene Farmen aufzusuchen, um den Bewohnern seine Waren anzubieten, in der Hoffnung, dass er dann ein gutes Geschäft macht. Das hier war jedenfalls sein letzter Versuch.“

„Wie viele Indianer könnten es gewesen sein?“, fragte Chriesman.

„Das werden wir hoffentlich bald erfahren“, antwortete der Captain. Er schaute in die Richtung, in die zwei seiner Männer geritten waren, bevor er mit dem Rest seiner Kompanie die verlassene Farm erreicht hatte. Noch während er das sagte, hörte er Hufschläge, die sich diesem Ort näherten. Dann sah er zwei Reiter weiter oben auf der Hügelkuppe. Es waren die Ranger William Woodford und David Lawrence, die jetzt von ihrem Erkundungsritt zurückkehrten und hoffentlich weitere Neuigkeiten zu berichten hatten.

„Wir haben Spuren gefunden, Captain“, berichtete Woodford, nachdem er sein Pferd gezügelt hatte und dann sah, dass seine Kameraden unweit der Hütte ein Grab aushoben. „Spuren von unbeschlagenen Pferde-hufen. Sie führen in Richtung Brushy Creek.“

„In Richtung Cole’s Settlement also“, schlussfolgerte Hill und runzelte besorgt die Stirn. „Was glaubt ihr, wie viele Indianer es waren?“

„Das ist schwer zu schätzen, Captain“, ergriff nun David Lawrence das Wort. „Es müssen mindestens -zwanzig Indianer gewesen sein, vielleicht auch noch mehr. Wer ist das da drüben, Captain?“ Sein Blick richtete sich auf das mittlerweile fertig ausgehobene Grab.

„Der Händler Harris“, klärte ihn Hill auf. „Er war zur falschen Zeit am falschen Ort. Die Indianer haben ihn sich vorgenommen.“

„Diese elenden Mörder!“, stieß Woodford mit gepresster Stimme hervor. „Wir müssen die Bewohner von Cole’s Settlement warnen, bevor noch etwas Schlimmeres geschieht.“

„Das werden wir auch tun, sobald wir den armen Kerl anständig begraben haben“, meinte Captain Hill. „Wir sollten uns beeilen.“

Zwei Ranger legten den toten Händler in das Grab und schütteten es dann wieder mit Erde zu. Es war eine hastige Tätigkeit, niemand legte großen Wert auf einen feierlichen Abschied. Dazu blieb den Texas Rangern keine Zeit mehr, nachdem sie herausgefunden hatten, welche Richtung die Indianer eingeschlagen hatten. Trotzdem hielt es Captain Hill für seine Pflicht, noch ein paar Worte am Grab zu sagen.

„Herr, nimm Buck Harris zu dir“, sagte er mit gefalteten Händen. „Wir haben ihn nicht gut genug gekannt, um etwas über ihn zu sagen. Er hatte einfach nur Pech. Aber wir werden seine Mörder verfolgen und ihnen die gerechte Strafe zukommen lassen. Das ist sicher. Amen!“

Keiner der Ranger hatte dem noch etwas hinzuzufügen. Sie gingen zurück zu ihren Pferden, saßen auf und folgten der Fährte, die Woodford und Lawrence entdeckt hatten.

* * *

25. August 1836

In der Nähe von Cole’s Settlement

Mittags gegen 12:30 Uhr

Captain Hill und seine Männer waren den Spuren eine Zeit lang gefolgt. Sie führten tatsächlich bis zum Brushy Creek. Von dort aus folgten die Texas Ranger der Fährte weiter in Richtung der kleinen Siedlung, und Hill machte sich mittlerweile große Sorgen, dass er und seine Männer womöglich schon zu spät gekommen waren. Wenn die Indianer wirklich in der Zwischenzeit Cole’s Settlement überfallen hatten, dann waren die Texas Ranger erneut zu spät gekommen, und wenn vermutlich Opfer unter den Männern, Frauen und Kindern zu beklagen waren, dann würde das für seine Kompanie eine herbe Niederlage bedeuten.

All diese Dinge gingen ihm durch den Kopf, während er und seine Männer den Spuren weiter folgten. Von hier aus waren es nur noch knapp zwei Meilen bis zu Cole’s Settlement, aber zum Glück führten die Spuren von hier aus nicht weiter bis direkt zur Siedlung, sondern die India-ner hatten merkwürdigerweise auf einmal eine andere Richtung eingeschlagen.

„Sie scheinen es sich anders überlegt zu haben“, meinte Sergeant Chriesman, der ein Stück in die betreffende Richtung geritten war und nun bestätigte, was Hill bereits vermutet hatte. „Vielleicht war ihnen die Sache doch zu gefährlich.“

„Kann gut sein“, erwiderte Hill. „Wir heften uns weiter auf ihre Fersen, und wenn wir diese Mörder eingeholt haben, dann präsentieren wir ihnen eine Rechnung, die sie gewiss so schnell nicht vergessen werden.“