Texas Ranger 11: Entscheidung am Elm Creek - Alfred Wallon - E-Book

Texas Ranger 11: Entscheidung am Elm Creek E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Das Jahr 1836 endet blutig. Comanchen überfallen im November die Farm von John B. Harvey am Brazos River und töten die gesamte Familie. Die Texas Ranger verfolgen die Mörder, verlieren aber ihre Spur. Nur wenige Wochen später kommt es zu einem erneuten Kampf am Elm Creek, als ein Trupp Texas Ranger unter Führung von Sergeant George B. Erath auf über einhundert Comanchen trifft.

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In dieser Reihe bisher erschienen

4701  Alfred Wallon Tod am Rio Blanco

4702  Alfred Wallon Canoma muss sterben

4703  Alfred Wallon Die erste Rebellion

4704  Alfred Wallon Kampf ohne Gnade

4705  Alfred Wallon Die Helden von Alamo

4706  Alfred Wallon Vergeltung für Alamo

4707  Alfred Wallon Überfall auf Parkers Fort

4708  Alfred Wallon Gefahr am Little River

4709  Alfred Wallon Rinder für Texas

4710  Alfred Wallon Das Fort am Colorado River

4711  Alfred Wallon Entscheidung am Elm Creek

4712  Alfred Wallon Hinterhalt am Trinity River

4713  Alfred Wallon Der Commanchen-Jäger

4714  Alfred Wallon Der Ritt nach Laredo

4715  Alfred Wallon Blutiger Sommer (Frühjahr’25)

4716  Alfred Wallon Tödlicher Herbst (Frühjahr’25)

ENTSCHEIDUNG AM ELM CREEK

TEXAS RANGER

BUCH 11

ALFRED WALLON

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

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Copyright © 2024 Blitz-Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier 

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Redaktion: Alfred Wallon

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7579-3124-7

4711 vom 11.08.2024

INHALT

Tod im Morgengrauen

Gefährliche Begegnung

Die Entscheidung des Lieutenants

Spurensuche

Angriff der Texas Ranger

Dramatische Augenblicke

Das Ende der Flucht

Vergebliche Hoffnung

Hartes Sterben

Auf dem Weg nach Coleman’s Fort

Colemans Ablösung

Ein Neuanfang mit Problemen

Schmutzige Geschäfte

Historische Anmerkungen zum vorliegenden Roman

Über den Autor

TOD IM MORGENGRAUEN

30. November 1836

Auf der Farm von John B. Harvey

Fünfundzwanzig Meilen nördlich von Tenoxtitlan

Gegen 5:30 Uhr morgens

Irgendetwas beendete den Schlaf von John B. Harvey von einem Augenblick zum anderen. Er öffnete die Augen, blickte sich im ersten Moment verwirrt um, weil er nicht wusste, ob er nur geträumt hatte oder diese eigenartigen und sehr beängstigenden Bilder tatsächlich real waren. Aber dann begann er, sich wieder zu entspannen, als er die ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge seiner Frau Elizabeth hörte. Also hatte ihn doch nur ein Albtraum heimgesucht und ihn im ersten Moment verunsichert.

Es war die Phase zwischen Mitternacht und Morgengrauen, wo der Schlaf des Menschen bekanntlich am tiefsten ist und man in Träumen vieles verarbeitet, was einen beschäftigt. Trotzdem war der einunddreißigjährige Farmer aufgewacht, und das lag nicht an dem Traum, den er gehabt hatte.

Im angrenzenden Raum war plötzlich das Winseln von Buddy zu hören. Der Hund, den die Familie besaß, schien etwas bemerkt zu haben, und er gebärdete sich mit jeder weiteren Minute immer aufgeregter. Jetzt fing er an zu bellen und wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Dadurch wurde nun auch Elizabeth Harvey wach, und im Raum neben der Küche hörte Harvey auch die Stimmen seiner beiden Kinder William und Ann, die auch gehört hatten, dass Buddy anschlug. Und das tat er nur, wenn er jenseits der Tür etwas gewittert hatte, was ihn förmlich alarmierte.

Auch als Harvey zu seinem Hund ging und auf ihn einredete, beruhigte sich Buddy nur ganz langsam. Die Miene des Farmers war ernst, als er zu seiner Frau schaute, die im Eingang zum Schlafzimmer stand und ganz blass im Gesicht war.

„Was ist, John?“, fragte sie ganz ängstlich.

„Ich weiß es nicht“, entgegnete Harvey. „Aber ich werde es herausfinden. William“, wandte er sich dann an seinen zwölfjährigen Sohn. „Du bleibst hier an der Tür und passt auf deine Mutter und deine Schwester auf. Hast du das verstanden, Junge?“

„Ja, Pa“, sagte William. Er blickte ebenso erschrocken drein wie seine sechsjährige Schwester Ann, die überhaupt nicht begriff, was hier gerade geschah. Aber ihr Gefühl sagte ihr, dass etwas nicht stimmte, und dies bereitete ihr große Angst. Sie fing an zu weinen und rannte sofort zu ihrer Mutter, die Ann in den Arm nahm und beruhigend auf sie einredete.

All dies registrierte John Harvey nur beiläufig. Stattdessen überprüfte er seine Rifle und steckte auch die geladene Pistole ein. Buddy bellte schon wieder, er wollte sich einfach nicht beruhigen.

„Schließ sofort die Tür hinter mir, wenn Buddy und ich draußen sind“, schärfte Harvey seinem Sohn ein. „Und du öffnest die Tür nur, wenn du meine Stimme hörst. Sonst nicht!“

William deutete ihm mit einem kurzen Nicken an, dass er verstanden hatte. Daraufhin schob Harvey den Querbalken beiseite, mit dem er die schwere Tür zusätzlich vor einem unverhofften Eindringen von Indianern geschützt hatte. Sobald die Tür geöffnet worden war, war Buddy nicht mehr zu stoppen. Mit wütendem Bellen rannte er hinaus ins Freie, über den Hof und hinüber zum Stall, wo er eine mögliche Gefahr gewittert hatte.

Der Farmer hielt seine Rifle im Anschlag und ging ganz langsam über den Hof. Hinter den Hügeln zeigte sich bereits das erste Morgenrot, und bald würde die Sonne die letzten Schatten der Nacht vertreiben. Dann brach ein neuer Tag an. Ein Tag voller Arbeit und Mühe auf der kleinen Farm am Brazos River. John Harvey schuftete von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, um für sich und seine Familie eine Zukunft aufzubauen. Mit seiner Frau Elizabeth und den beiden Kindern war er kurz nach der Schlacht von San Jacinto hierhergekommen und hatte die Farm von den Verwandten eines Mannes gekauft, der hier gelebt hatte und dann von Tonkawa-Indianern überfallen und getötet worden war. Harvey wusste also, auf was er sich eingelassen hatte, als er hier einen neuen Anfang wagte. Aber bis jetzt war alles gut gegangen, und nichts wies darauf hin, dass es jemals anders sein würde, denn in den letzten Wochen waren Patrouillen der Texas Ranger am Brazos River unterwegs, um mit ihrer Präsenz die Indianerstämme auf Distanz zu halten. Das gab auch Harvey, seiner Frau und den Kindern das Gefühl von Sicherheit.

Merkwürdigerweise schien dieses Gefühl aber von einem Augenblick zum anderen plötzlich verschwunden zu sein, und stattdessen spürte Harvey eine unerklärliche Angst, die eine Gänsehaut bei ihm verursachte. Vor allem, als das Bellen des Hundes lauter wurde, dann in ein kurzes Jaulen überging, und dann herrschte auf einmal Stille.

Harvey schluckte und zögerte, weiterzugehen. Aber dann wurde ihm klar, dass er jetzt keinen Rückzieher machen durfte. Er musste seine Familie gegen alles und jeden beschützen, und selbst wenn er sich dabei auch in Gefahr brachte.

„Wer ist da?“, rief er in Richtung des Stalls und bemühte sich, seiner Stimme nicht die Unsicherheit anmerken zu lassen, die ihn überkommen hatte. Aber er bekam keine Antwort und ging deshalb einfach weiter. Das Morgenrot wurde jetzt immer intensiver. Es sah so aus, als wenn der ganze Himmel wie in Blut getaucht war. Seltsam, dass ihm dieser Vergleich gerade durch den Kopf ging.

Jetzt näherte er sich der Stalltür. Darin befanden sich zwei Pferde und zwei Kühe. Normalerweise hätten sie doch jetzt irgendwelche Laute von sich gegeben, wenn wirklich jemand in den Stall eingedrungen wäre. Aber Harvey hörte nichts – überhaupt nichts!

Er zögerte jetzt, drehte sich kurz zum Farmhaus um, das ihm jetzt Sicherheit suggerierte. Sicherheit, die er riskierte und ihn das Leben kosten konnte, wenn er nicht aufpasste. Langsam ging er mit vorgehaltener Rifle auf das halb geöffnete Stalltor zu, und er zuckte zusammen, als er Buddy auf dem Boden liegen sah. Der Hund bewegte sich nicht mehr, denn in seinem Körper steckte ein Pfeil!

Gott im Himmel, dachte Harvey. Sie müssen noch hier sein, wahrscheinlich sind sie ganz in der Nähe und warten nur darauf, dass ich noch einen Fehler mache, und dann ...

Alles in ihm sträubte sich dagegen, weiter in Richtung Stall zu gehen. Aber er durfte jetzt keinen Rückzieher machen. Wenn Comanchen wirklich irgendwo in den Büschen lauerten, dann würden sie in dem Augenblick angreifen, wenn er auch nur eine einzige Sekunde lang zeigte, dass er Angst hatte. Er hatte mal gehört, dass Comanchen den Mut eines Gegners respektierten. Also musste er ihnen jetzt zeigen, dass er Mut hatte und sich nicht einschüchtern lassen würde.

Buddy war ein treuer Hund gewesen. Es tat weh, ihn tot vor dem Stalltor liegen zu sehen.

„Verdammte Hundesöhne“, murmelte er und nahm seine Rifle jetzt etwas höher. „Dafür werdet ihr büßen.“ Dann erhob er seine Stimme. „Zeigt euch doch endlich, oder seid ihr zu feige dazu?“

Niemand antwortete, aber Harvey hörte etwas weiter drüben in den Büschen ein leises Rascheln. Dann erkannte er plötzlich eine huschende Bewegung neben einem Strauch und sah, wie dort jemand aus seiner Deckung hervorkam. Im Licht der aufgehenden Sonne erkannte Harvey einen Comanchen, der einen gespannten Bogen in den Händen hielt und mit dem Pfeil auf den Farmer zielte.

Der Pfeil flog von der Sehne und traf John Harvey in den rechten Oberschenkel. Bevor er jedoch das Gleichgewicht verlor und mit dem Bein einknickte, gelang es ihm noch, den Schuss abzufeuern, und er traf den Comanchen in den Unterleib. Der Krieger schrie durchdringend, während er zusammenbrach und sich vor Schmerzen am Boden wälzte. Gleichzeitig kamen plötzlich weitere Comanchen aus den Büschen hervor und rannten mit gellenden Kriegsschreien auf den Farmer zu.

Harvey wusste, dass er gegen diese Übermacht nicht ankommen würde. Es waren drei Gegner, die sich nun auf ihn stürzten, und weitere fünf rannten jetzt auf das Farmhaus zu. Harvey versuchte, seine Pistole zu ziehen und auf einen seiner Gegner zu schießen, aber das gelang ihm nicht mehr. Einer der Comanchen drückte ihn mit seinem Gewicht zu Boden und entriss ihm die Pistole, ohne dass ein weiterer Schuss fiel. Der Krieger lachte triumphierend, während er sein Beil nahm und zu einem tödlichen Hieb ausholte.

Das Letzte, das Harvey noch sah, war das Gesicht des Comanchen, dessen untere Hälfte rot bemalt war. Hass funkelte in seinen Augen. Dann gab es nur noch einen dumpfen Schlag gegen Harveys Kopf, und die Welt vor ihm explodierte für einen Bruchteil von Sekunden in grellen Farben. Danach war nur noch ewige Schwärze.

* * *

Elizabeth Harvey zuckte zusammen und war kreidebleich im Gesicht, nachdem sie den Schuss und den lauten Kriegsschrei vernommen hatte. Sie wusste, was das bedeutete, aber ihr Verstand weigerte sich, zu akzeptieren, dass ihr Mann nicht mehr am Leben war. Stattdessen hörte sie draußen mehrere wütende Stimmen, und schon wenige Augenblicke später ertönten dumpfe Schläge an der Haustür. Die Tür hielt aber noch diesem Angriff stand. Nur wie lange noch?

Sie wusste nicht, was sie tun sollte, denn es gab nur eine Rifle und eine Pistole auf der Farm, und die hatte ihr Mann bei sich, als er das Haus verlassen hatte. Sie und ihre beiden Kinder waren jetzt so gut wie wehrlos, und dieser Gedanke war kaum zu ertragen.

Kurz entschlossen lief sie zum Küchenschrank und holte dort ein Messer hervor, das sie normalerweise dafür benutzte, um Fleischstücke zu portionieren, bevor sie diese in der Pfanne briet. Das Messer besaß eine stabile Klinge und war scharf genug, um es als Waffe einzusetzen.

Sie zog ihren Sohn William von der Tür zurück und deutete ihm mit einer unmissverständlichen Geste an, zu Ann ins Zimmer nebenan zu gehen. Aber bevor William das tun konnte, begann Ann plötzlich laut zu schreien. Bruchteile von Sekunden zuvor war das Fensterglas zerbrochen, und polternde Geräusche erklangen.

Elizabeth Harvey war jetzt nicht mehr zu halten. Mit dem Messer in der Hand rannte sie sofort in den Nebenraum und sah zu ihrem Entsetzen, dass ein Indianer ihre Tochter Ann einfach gepackt hatte und mit Gewalt zum Fenster schleppte, durch das er selbst gerade eingedrungen war, ohne dass es jemand bemerkt hatte.

„Halt!“, schrie die Farmersfrau und stürzte sich mit dem Messer auf den Krieger. Sie stach einfach zu und traf den Comanchen in den Rücken. Die Klinge bohrte sich fast vollständig in den Körper des Indianers und ließ ihn innehalten. Ein grauenhaftes Stöhnen kam über seine Lippen, während er Ann losließ. Seine Hände besaßen nicht mehr genügend Kraft, um das kleine Mädchen festzuhalten. Er brach zusammen, zuckte noch kurz mit den Beinen und lag dann still.

Elizabeth Harvey beugte sich über den Toten und zog die Messerklinge wieder aus seinem Körper. Sie war aber so nervös, dass die Klinge abbrach und im Rücken stecken blieb. Was sie dann noch in den Händen hielt, war nur noch unbrauchbar.

„Ma!“, erklang nun die Stimme Williams. Im selben Moment zerbarst die Tür unter den Schlägen und Tritten der Feinde. Vier Comanchen drangen ins Haus ein. Zwei davon packten William, der sich heftig zur Wehr setzte. Nur einen Atemzug später bezahlte er diese Gegenwehr mit seinem Leben. Einer der Comanchen hatte ihn gepackt, den Kopf des Jungen nach hinten gerissen und schnitt ihm die Kehle durch. Blut spritzte in alle Richtungen, während William mit einem furchtbaren Röcheln zu Boden ging und nur wenige Sekunden später sein Leben aushauchte.

Das war zu viel für Elizabeth Harvey. Ihr Verstand suchte Zuflucht im hintersten Winkel ihres Gehirns, aber selbst dort folgten ihr das Grauen und die schrecklichen Bilder, die sie miterlebt hatte. Sie war völlig wehrlos, als zwei Krieger sie packten und zu Boden rissen. Ein weiterer Krieger griff sich Ann und schleppte sie aus dem Haus. Ihre lauten Schreie verstummten irgendwo draußen, aber selbst das konnte Elizabeth Harvey nicht mehr wahrnehmen, denn sie hatte sich in eine Welt geflüchtet, zu der nur sie Zugang hatte.

Sie lachte und sang ein Kinderlied, während einer der Krieger ihr die Kleider vom Leib riss und sich dann an ihr verging. Aber dabei in das Gesicht einer Wahnsinnigen zu schauen, widerte ihn so sehr an, dass er sofort wieder von ihr abließ und dann mit seinem Beil ausholte. Mit einem knirschenden Geräusch grub sich das Beil in den Schädel der Farmersfrau und tötete sie auf der Stelle. Aber das entrückte Lächeln auf ihrem Gesicht blieb, auch wenn in den Augen kein Leben mehr vorhanden war.

* * *

30. November 1836

In der Nähe der Harvey-Farm

Mittags gegen 13:00 Uhr

Lucas Foster hatte ausgesprochen gute Laune. Als er heute früh kurz nach Sonnenaufgang die Stadt Tenoxtitlan verlassen hatte, war er sehr zufrieden über das Geld, das er dort verdient hatte. Ein fahrender Händler wie er hatte immer etwas dabei, das man den Menschen verkaufen konnte, und einige Bewohner hatten bei manchen Waren sogar Schlange gestanden, als sie erfahren hatten, dass er günstige Töpfe und Pfannen anzubieten hatte. Nach nur einem Tag hatte er fast alles verkauft, was er an Küchenutensilien in seinem Wagen gehortet hatte, und musste jetzt zusehen, dass er bald wieder Nachschub besorgte.

Das musste aber noch warten, denn zunächst wollte er noch die umliegenden Farmen nördlich von Tenoxtitlan aufsuchen, denn er hatte immer noch genügend Werkzeuge, Hämmer und Nägel auf seinem Wagen verstaut. Alles Dinge, die man insbesondere hier draußen dringend benötigte. Er war sicher, dass er in den nächsten beiden Tagen seine Bestände auch verkaufen und dann zurück nach Houston fahren würde, um sich dort entsprechend neu zu bevorraten. Lucas Foster kannte den einen oder anderen Händler, der solche Waren in großen Stückzahlen bezog und ihm deshalb einen guten Preis machte. Und deshalb konnte Foster auch noch gutes Geld verdienen, indem er diese Waren mit einem großzügigen Aufschlag und mit gutem Gewinn weiterverkaufte. Angebot und Nachfrage hatten schon immer den Preis geregelt, und er legte diese Formel sehr einseitig aus, um gutes Geld zu verdienen.

Die Harvey-Farm stand deshalb auf der Liste derjenigen Orte, die er eingeplant hatte, um seine Waren an den Mann zu bringen. Er lenkte das Maultiergespann über eine holprige Straße mit einigen Schlaglöchern, die die Herbststürme mit Dauerregen und der Frost der letzten Tage verursacht hatten. Aber das war der einzige Weg, der zur Harvey-Farm führte, auch wenn sich die Maultiere jetzt gewaltig ins Zeug legen mussten.

Eine halbe Stunde später tauchte am Horizont die Farm der Familie Harvey auf. Foster atmete erleichtert auf und hoffte, dass der Farmer ihm auch heute wieder ein oder zwei Gläser von dem selbst gebrannten Schnaps anbieten würde. Das würde Lucas Foster darüber hinwegtrösten, dass er diesen mühseligen Weg auf sich genommen hatte.

Er war jetzt noch knapp fünfzig Yards von dem Zaun entfernt, der die kleine Farm umgab. Eigentlich war es merkwürdig, dass bis jetzt noch niemand aus dem Haus gekommen war, um ihm zuzuwinken. Insbesondere John Harveys Kinder William und Ann freuten sich jedes Mal sehr, wenn Foster mit seinem Wagen zur Farm kam. Denn er hatte natürlich auch einige Süßigkeiten dabei, über die sich jedes Kind freute.

Aber jetzt sah alles aus, als wenn die Farm verlassen wäre. Foster hörte auch nicht das Bellen von Buddy, der sich immer meldete, wenn jemand sich der Farm näherte. Der Hund schwieg aber heute, und das war kein gutes Zeichen. Fosters düstere Ahnungen bestätigten sich noch, als er seinen Wagen auf den Farmhof lenkte und in Richtung des Stalls blickte. Dann sah er einen reglosen blutigen Körper unweit des Tors liegen, und nur wenige Schritte davon einen zweiten.

Foster wurde blass und griff nach seiner Rifle, die er immer griffbereit neben sich auf dem Bock des Wagens liegen hatte. Für Ernstfälle sozusagen, und ein solcher Augenblick schien jetzt eingetreten zu sein. Er zügelte das Maultiergespann, ging mit vorgehaltener Waffe auf die beiden reglosen Körper zu und bemerkte erst dann den Hund, in dessen leblosem Körper ein Pfeil steckte.

Er trat auf John Harvey zu und fluchte, als er sah, dass man ihm den Schädel gespalten hatte. Der Indianer hatte eine blutige Wunde im Unterleib, an der er gestorben war. Foster ging weiter zum Stall und bemerkte nur wenige Augenblicke später, dass die beiden Kühe und die Pferde verschwunden waren. Kein Zweifel, wer die Tiere mitgenommen hatte. Es waren Indianer gewesen. Wahrscheinlich hatte Harvey versucht, den Überfall und den Diebstahl zu verhindern, aber er hatte keine Chance gehabt.

Foster hatte kein gutes Gefühl, als er den Stall wieder verließ und mit schweren Schritten hinüber zum Haus ging. Diese düstere Ahnung bestätigte sich noch, als er hineinging und sofort entdeckte, was geschehen war. Elizabeth Harvey lag am Boden. Ihr Schädel war zerschmettert, und unter ihrem Körper befand sich eine große Blutlache, weil diese gottverdammten Heiden sie noch an anderen Stellen verunstaltet hatten. Im ganzen Raum überlagerte ein süßlicher und penetranter Geruch alles andere und legte sich auch auf Fosters Atemwege.

Als er den zwölfjährigen William leblos am Boden liegen sah und in dessen Augen blickte, die noch im Tod das Grauen widerspiegelten, das den Jungen in den letzten Sekunden seines Lebens erfasst hatte, konnte Foster sich nicht länger zurückhalten. Sein Magen begann zu rumoren. Er stolperte hinaus ins Freie und übergab sich dann würgend nur wenige Schritte neben der Haustür.

Einige Sekunden vergingen, bis er halbwegs einen klaren Gedanken fassen konnte und die Übelkeit etwas nachließ. Dutzende von Gedanken gingen ihm in diesem Augenblick durch den Kopf, und erst dann wurde ihm bewusst, dass er Anns Leiche nirgendwo gesehen hatte. Bedeutete dies womöglich, dass das kleine Mädchen noch am Leben war? Hatten die Indianer sie vielleicht mitgenommen? Eine Antwort auf diese brennende Frage würde er jedenfalls jetzt und hier nicht bekommen.

Seine Gedanken brachen ab, als er auf einmal Hufschläge hörte. Erschrocken fuhr er herum, nahm seine Rifle hoch und ließ sie erst sinken, als er erkennen konnte, dass es sich bei den näher kommenden Reitern um Weiße handelte. Es waren zehn Männer, die nur wenige Augenblicke später ihre Pferde auf dem Farmhof zügelten. Ihre Blicke waren ernst, und der Anführer des Trupps schaute fragend zu Foster.

„Was ist hier passiert, Mister?“

„Die verdammten Comanchen!“, stieß Lucas Foster mühsam hervor. „Sie haben John Harvey, seine Frau Elizabeth und den Sohn William umgebracht. John liegt da drüben beim Stall, seine Frau und der Junge sind im Haus. Sie sehen schrecklich aus.“

Der Mann, der Foster das gefragt hatte, war groß und schlank. Er hatte blonde Haare, die unter dem breitkrempigen Hut hervorschauten. Er verlor keine weiteren Worte, sondern gab zwei seiner Männer in kurzes Zeichen, abzusteigen und im Haus nach dem Rechten zu sehen.

„Ich bin Texas Ranger Sam Sheridan“, nannte der Mann nun seinen Namen. „Und wer sind Sie?“

„Lucas Foster“, kam die prompte Antwort. „Ich bin Händler und war unterwegs zu einigen Farmen. Deshalb wollte ich auch bei den Harveys vorbeischauen. Aber als ich hierherkam, war es schon zu spät.“

„Sie sind verrückt, Mister Foster“, sagte Sheridan. „Sie wissen schon, welches Risiko Sie eingehen, wenn Sie mutterseelenallein durch die Gegend ziehen? Und dann noch mit diesem Wagen! Der zieht ja schon von Weitem neugierige Blicke auf sich. Ein gefundenes Fressen für jeden Indianer, der des Weges kommt.“

„Ich wusste das nicht, Ranger Sheridan“, erwiderte Foster nun ziemlich kleinlaut. „Ich dachte eigentlich, dass ...“

„Ihre Tour endet jetzt und hier, Mister Foster“, unterbrach ihn Sheridan in einem Tonfall, der den Ernst der Lage deutlich machte. „Sie kommen mit uns und werden in der nächsten Siedlung erst einmal abwarten, bis sich die Lage wieder beruhigt hat.“

„Aber das kann noch Wochen dauern!“, beklagte sich Foster. „Es geht auf Weihnachten zu, und ich habe in meinem Wagen noch viele nützliche Dinge, die die Menschen brauchen können. Und die Kinder freuen sich auch über schöne Geschenke.“

„Sie können mir erzählen, was Sie wollen, Mister Foster!“, fiel ihm Sheridan erneut ins Wort. „Sie sehen ja, was hier geschehen ist.“ Während er das sagte, kamen die beiden Ranger wieder aus dem Haus heraus. Ihre Mienen waren Spiegelbilder ihrer Gedanken. Was sie gesehen hatten, musste schrecklich gewesen sein.

„Die kleine Ann ...“, sagte Foster jetzt. „Sie ist nicht hier!“ Er bemerkte Sheridans fragenden Blick und fuhr deshalb rasch fort. „Ann ist gerade mal sechs Jahre alt. Ich habe sie nirgendwo entdecken können. Die Indianer müssen sie mitgenommen haben.“

„Carson, Smith!“, rief Sheridan daraufhin zwei anderen Rangern zu. „Sucht die Umgebung nach Spuren ab. Aber kommt sofort wieder zurück, wenn ihr was gefunden habt. Verstanden?“

Die beiden Angesprochenen ritten sofort los, um Sheridans Befehl auszuführen. Nun saßen auch Sheridan und die restlichen Männer ab. Jetzt galt es erst einmal, eine traurige Arbeit zu verrichten: Sie mussten Gräber für die Toten schaufeln und sie wenigstens in Würde bestatten, und bei dem gefrorenen Boden war das keine leichte Arbeit.

* * *

Zwei Stunden später brachten sie John Harvey, seine Frau Elizabeth und deren Sohn William zur letzten Ruhe. Sheridan hatte die Aufgabe übernommen, am Grab einige Worte zu sprechen. Er hatte die Familie Harvey nicht gekannt, aber es ließ ihn nicht gleichgültig, erneut wieder zu erleben, wie sehr die Gewalt am Brazos River eskaliert war. Texas kam einfach nicht zur Ruhe. Es gab zu viele Brandherde und immer noch zu wenige Texas Ranger, die versuchten, weitere Überfälle der Comanchen, Tonkawa und Caddo zu verhindern.

Diesmal waren es Comanchen gewesen, die die Farm der Harveys überfallen hatten. Sheridan hatte den toten Indianer gesehen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen gezogen.

Seine Männer waren wütend und entsetzt darüber, dass die Spirale der Gewalt und des Todes sich immer weiterdrehte. Deshalb hatten sie es auch abgelehnt, den Indianer zu begraben, den höchstwahrscheinlich John Harvey niedergeschossen hatte. Mochten sich die Coyoten und Aasgeier darum kümmern.

Carson und Smith hatten tatsächlich Spuren gefunden, die weiter in Richtung Südwesten führten. Und sie hatten Teile eines kleinen Nachthemdes gefunden, nur einen kleinen Stofffetzen, der an einem Dornstrauch hängen geblieben war, und niemand von den Indianern schien das bemerkt zu haben. Immerhin war das ein Zeichen dafür, dass die kleine Ann noch am Leben war. Allerdings wusste niemand, welches Schicksal auf sie wartete, denn wenn es den Entführern gelang, ihre Spuren so verwischen und ungehindert in den Landstrich zurückzukehren, den sie selbst Comancheria nannten, dann war die Hoffnung ohnehin gering, Ann wiederzufinden.

Tatsächlich sollten einige Jahre vergehen, bis Ann wieder zu den Weißen zurückkehrte. Die Comanchen verkauften Ann für einige Decken und Vorräte an die Mexikaner. Dort wurde sie vier Jahre später von ihrem Onkel James Talbot entdeckt und unter dramatischen Umständen zurück nach Texas gebracht.

Sheridan stellte drei Ranger ab, die dafür sorgen sollten, dass Lucas Foster ohne Probleme die nächste Ansiedlung erreichte, während er sich mit dem Rest seiner Truppe an die Verfolgung der flüchtigen Tonkawa-Indianer machte. Aber an diesem Tag hatten Sheridan und seine Ranger kein Glück. Die Entführer hatten den Brazos River offensichtlich an einer geeigneten Stelle überquert und ihren Ritt am jenseitigen Ufer fortgesetzt. Aber dort erloschen die Spuren, und die Ranger fanden keine weiteren Hinweise mehr.

* * *

30. Dezember 1836

Houston – im Quartier von Colonel Edward Burleson

Am späten Nachmittag gegen 16:30 Uhr

„Die ganzen Aktionen sind nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagte Edward Burleson, nachdem er den Artikel im Telegraph & Texas Register gelesen hatte. „Wir kommen einfach nicht weiter. Trotz der Forts, die mittlerweile gebaut worden sind. Und einige der Kommandostrukturen sind dort erheblich verbesserungswürdig.“

„In der Tat, Sir“, fügte Sheridan hinzu. „Ich hoffe, das ändert sich bald, und Coleman wird bald abgesetzt. Mir dauert das alles viel zu lange.“

Burleson wusste, was Sheridan damit sagen wollte. Die Situation im Fort am Colorado River, die schließlich zum Tod des Soldaten Fee Booker geführt hatte, war schon vorher desolat gewesen. Trotzdem hatte niemand den Tod des armen Kerls verhindern können. Selbst Sheridan nicht, der zu diesem Zeitpunkt das zu spät mitbekommen hatte.

„Ich weiß“, sagte Burleson mit einem tiefen Seufzer. „Aber mittlerweile hat auch in Texas die Bürokratie ihren Einzug gehalten, und es hat lange gedauert, bis ich endlich Antwort von Sam Houston bekommen habe. Zum Glück ist seine Entscheidung eindeutig. Coleman wird seines Postens enthoben und durch Captain Micah Andrews ersetzt. Einer meiner Leute wird in Kürze dorthin aufbrechen und die Entscheidung überbringen. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Andrews seinen neuen Posten im Fort am Colorado River antritt.“

„Eine sehr gute Entscheidung“, musste auch Sheridan zugeben. „Wollen wir hoffen, dass sich dadurch die Situation am Colorado River entspannt.“

„Sie wissen ja, was ich dort erlebt habe, Colonel“, sagte Sheridan. „Es wäre mir aus persönlichen Gründen ein außerordentliches Vergnügen, diesen Befehl von Sam Houston höchstpersönlich auszuhändigen.“

„Das kann ich mir sehr gut vorstellen“, meinte Burleson. „Aber auf sie wartet schon der nächste Einsatz, und zwar in der Region am Trinity River. Auch dort ist es in letzter Zeit zu schwerwiegenden Unruhen gekommen. Ich möchte, dass Sie dorthin reiten und sich ein Bild von der Lage machen. Anschließend berichten Sie mir, damit ich weitere Entscheidungen treffen kann.“

„Selbstverständlich, Sir“, versicherte ihm Sheridan. Er war zwar enttäuscht darüber, dass er das Gesicht Colemans nicht würde sehen können, wenn er in seiner Funktion als Kommandant abgelöst wurde. Aber immerhin hatte Sam Houston persönlich endlich eine Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung, die die Karriere von Robert Morris Coleman beenden würde!

GEFÄHRLICHE BEGEGNUNG

4. Januar 1837

Ungefähr fünf Meilen östlich des Little River Forts

Am Nachmittag gegen 15:30 Uhr

„Was für ein Wetter!“, stieß Robert Childers mit gepresster Stimme hervor, während er den Kragen seiner Jacke höher zog, um sich vor den im Wind wirbelnden Schneeflocken zu schützen. Vor einer knappen halben Stunde hatten sich die Wolken immer dichter zusammengezogen und der Wind war stärker geworden. Nur wenig später trieb er die ersten Schneeschauer vor sich her und erschwerte damit die Sicht. Die wirbelnden Schneeflocken ließen kein schnelles Vorwärtskommen mehr zu, und somit blieb Robert Childers und seinem jüngeren Bruder Francis Frank Childers nichts anderes übrig, als erst einmal nach einer schützenden Stelle Ausschau zu halten, um dort das Ende des Schneefalls abzuwarten.

„Da drüben!“, rief Frank Childers und zeigte auf ein kleines Wäldchen, dessen Bäume bestimmt etwas Schutz bieten konnten, bevor der Wind noch stärker wurde und das Schneegestöber sich in einen handfesten Sturm verwandelte.

Sein älterer Bruder Robert verlor keine weiteren Worte, sondern lenkte sein Pferd sofort in die betreffende Richtung. Frank hörte ihn laut fluchen, weil es ihm nicht schnell genug ging, den Schneeschleiern endlich zu entkommen. Es waren nur knapp 200 Yards, bis die beiden Reiter die ersten Bäume des kleinen Wäldchens passierten, aber Robert und Frank Childers kam das wie eine halbe Ewigkeit vor.

Sie atmeten auf, als die Intensität des Windes abflaute und die weitverzweigten Äste der Bäume den Schneefall dämpften. Robert Childers stieg aus dem Sattel und führte sein Pferd zu einer Gruppe von Büschen, die unmittelbar vor einigen Felsen standen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zog Robert sein Pferd einfach mit sich, bis er die Stelle zwischen den Büschen und den Felsen erreicht hatte. Es war so, wie er es vermutet und auch gehofft hatte. Der Wind war hier fast gar nicht mehr zu spüren, und das gab den beiden jungen Männern Ruhe und Gewissheit, dass sie hier auch vor einem einsetzenden Schneesturm halbwegs sicher sein konnten – aber draußen in der Ebene ganz sicher nicht.

„Was glaubst du, Robert?“, richtete Frank Childers nun das Wort an seinen älteren Bruder, während er sich den Schnee von der Jacke klopfte. „Wie lange müssen wir hier ausharren?“

„Ich kann keine Gedanken lesen, Frank“, antwortete dieser. „Wir müssen eben Geduld haben. Es ist Winter, und was das bedeutet, wissen wir ja.“