Traummann mit Pfefferkuchenherz - Johanna Marthens - E-Book

Traummann mit Pfefferkuchenherz E-Book

Johanna Marthens

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Beschreibung

Skye besitzt ein Geheimnis: Tagsüber schreibt die alleinerziehende Mutter brave Artikel über Hundemode in der Redaktion der Zeitschrift »Mein pelziger Freund«, doch nachts wird sie zur Erotikautorin und erfindet schlüpfrige Liebesromane. Aber das ist nicht ihr einziges pikantes Geheimnis. Noch brisanter ist, dass der Held ihrer Romane verblüffende Ähnlichkeit mit ihrem Chef Jensen Thoreault besitzt, in den sie heimlich verliebt ist. Als ihre Tochter versehentlich Jensen für den Weihnachtsmann hält und sich mit ihm anfreundet, muss Skye höllisch aufpassen, dass ihre heimlichen Leidenschaften nicht ans Tageslicht kommen. Doch leider besitzen Geheimnisse die Tendenz, genau dann zu entschlüpfen, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann ... AUSSCHNITT AUS DEM ROMAN: Auf einmal spürte ich seine Hände in meinen Hüften. Er drehte mich um, so dass ich mit dem Rücken am Kamin lehnte. Und mit der Vorderseite an seinem Körper. »Auch ich habe meine Geheimnisse«, flüsterte er und stützte sich mit den Händen neben meinem Kopf am Kaminsims ab. »Nicht nur du.« Mir verschlug es den Atem. Er war mir so nah, dass ich jede einzelne seiner langen Wimpern sehen konnte. Seine blauen Augen waren auf mich gerichtet, in seinen Pupillen erkannte ich mein Spiegelbild. »Ich habe keine Geheimnisse«, krächzte ich atemlos. »Das glaube ich dir nicht.« Er lächelte. »Keine Geheimnisse, die ich jemandem erzählen kann.« »Das stimmt, sonst wären es ja keine Geheimnisse.« Sein Kopf kam näher, als würde er mich küssen wollen. Ich schluckte. Geschah das wirklich oder war es nur Fantasie? »Ich … äh«, sagte ich, zu mehr war ich nicht in der Lage. Ich wollte eigentlich fliehen, aber ich konnte nicht. Ich verspürte das dringende Bedürfnis, sein Hemd auszuziehen und über seine Brust zu streicheln. Und seinen Kuss zu probieren, ob er wirklich wie Salz und Meer schmeckte, wie ich mir immer einbildete. Er kam immer näher, bis seine Nasenspitze die meine berührte. »Wir sollten nicht …«, sagte ich so leise, dass mein Protest eigentlich gar nicht als solcher erkannt werden konnte. »Warum nicht?«, flüsterte er ... »Ein locker-leichtes Lesevergnügen zum Dahinschmelzen! Nicht nur für die Weihnachtszeit!« Abgeschlossener Roman, ca. 150 Taschenbuchseiten Ebenfalls als abgeschlossener Weihnachtsroman erschienen: »Sinnliche Weihnachten« und »Jene unvergessliche Nacht«

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Dieses Werk ist reine Fiktion. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sowie Schauplätzen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Alle darin beschriebenen Vorkommnisse sind frei erfunden.

 

Copyright © Johanna Marthens, 2015, 2022

 

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren, Vervielfältigen und Weitergabe sind nur zu privaten Zwecken erlaubt. Der Weiterverkauf des eBooks ist ausdrücklich untersagt. Der Abdruck des Textes, auch in Auszügen, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin.

Korrektorat: Tilde Zug

Coverbild: © Dangerous Kisses

HEILIGE HALLEN

 

 

MÜDE RIEB ICH meine Augen, doch an Feierabend war noch lange nicht zu denken.

Björn schmeckt wie das Meer, salzig und frisch. Seine Zunge schlingt sich um Sondras, streichelt und neckt sie, während er ihren Körper noch fester an den seinen schmiegt. Sie tut das Einzige, was ihr bleibt – sie gibt sich ihm hin. Seine freie Hand wühlt in ihrem Haar und neigt ihren Kopf zur Seite, um den zarten Hals zu küssen. Langsam kreiselnd wandert seine Zunge über ihre zarte Haut, während sich sein Becken an ihren Unterleib presst. Seine Männlichkeit ist hart und fest, und riesig gebaut. Hitze durchströmt sie und sammelt sich zwischen ihren Beinen. Sie weiß, dass Sex mit diesem wilden Mann die Erde zum Beben, die Seele zum Aufschrei und ihren Körper zur Ekstase bringen wird. Sein fleischiges Schwert …

Sein fleischiges Schwert? Das klang nicht gut. Wikinger trugen zwar eiserne Waffen, aber seinen Penis als fleischiges Schwert zu bezeichnen, hörte sich weder sexy noch verführerisch an. Welches Wort sollte ich dann wählen? Sein Liebesstab? Lustschaft? Prachtstück? Schwanz? Einen erotischen Roman zu schreiben, war alles andere als einfach, das musste ich gerade wieder feststellen. Vor allem nicht nach meinem regulären Job. Um diese Uhrzeit war ich nicht mehr in der Lage, solch geistige Höchstleistungen zu vollbringen, dass ich das richtige Wort für das männlichste aller Körperteile fand. Ich musste improvisieren.

Mit Lippen und Zunge nimmt er die Wassertröpfchen von ihrer Haut – von ihren Brüsten, ihrem Hals, ihren Schultern. Er kniet sich zwischen ihre Schenkel und spielt mit ihrer Liebesperle.

Ich ächzte leise. Auch das war nicht gut, aber das würde ich morgen überarbeiten. Ich musste endlich vorankommen, mein Verleger wartete auf das Manuskript.

Er bringt sie mit der Zunge zweimal bis zum Rand der Ekstase. Seine kraftvollen Hände massieren ihre Brüste, so dass sie vor Begierde schreien möchte. Als er innehält, sieht sie in seine strahlenden Augen. Sie sind blau wie der Himmel über den Fjorden, blau wie das Meer an einem warmen Sommertag. Als sie zum dritten Mal fast explodiert, richtet er sich auf, so dass sie das Tattoo an seiner Brust genau vor ihren Augen hat. Ein Adler, der seine Schwingen ausbreitet. Doch ihr bleibt keine Zeit, es weiter zu betrachten. Denn er hebt sie hoch und lässt sie auf seine Erektion herab, während seine Zunge in ihren Mund eindringt, die Bewegung imitierend. Sie schreit auf vor Lust …

»Mama? Bist du krank?« Die Stimme meiner Tochter riss mich aus dem Romangeschehen. Ich sah auf und blickte in Tashas erschrockenes Gesicht.

»Ich? Krank? Wie kommst du denn darauf?« Irritiert klappte ich mein Laptop zu. Tasha war zwar erst fünf Jahre alt und konnte noch nicht lesen, aber man wusste ja nie.

»Du hast so gestöhnt.« Sie klang besorgt.

Oh je. Ich hatte mich wieder mitreißen lassen. »Nein, Schatz, ich bin gesund. Ganz gesund, nur ein bisschen … gestresst. Komm her!« Ich breitete die Arme aus, damit Tasha sich an mich schmiegen und ich sie drücken konnte. Sie lehnte sich erleichtert an mich, während ich die Beine zusammenpresste, damit sie nicht merkte, dass beim Schreiben die Hitze von meinem Roman auf mich übergegangen war.

»Ich dachte, es ist etwas nicht in Ordnung mit dir«, flüsterte sie an meine Brust.

»Nein, es ist alles bestens. Mir geht es gut. Hervorragend!« Ich dachte an die himmelblauen Augen und die Zunge meines Helden Björn Einarsson und spürte ein leichtes, sehnsüchtiges Ziehen in meinem Unterleib. Er war leider nur Fantasie, keine Wirklichkeit.

»Warum stöhnst du dann?«

»Weil … äh …« Ich hatte keine Ahnung, was ich ihr sagen sollte. Weil ich Lust auf einen sexy Mann wie Björn Einarsson hatte? Ich musste ausweichen. »Warum bist du eigentlich gekommen? Es ist schon so spät! Fast Mitternacht! Hattest du einen Albtraum?«

»Nein, ich hatte Durst. Musst du wegen der Arbeit stöhnen?«

Sie ließ aber auch nicht locker! Das hatte sie bestimmt von ihrem Vater geerbt. »Ja, es ist mein Job. Wenn ich die halbe Nacht hier sitze und schreibe, stöhne ich.«

»Dann will ich später nicht arbeiten«, stellte sie weise fest.

»Nein, nein, es ist kein Stöhnen, weil es mir schlecht geht, sondern ein Stöhnen, weil ich so gerne Geschichten schreibe. Diese Beschäftigung ist toll.« Schnell wieder das Thema wechseln. »Was willst du denn trinken? Ein Glas Wasser?«

»Ja, bitte Wasser, Mami. Wann kommst du ins Bett? Du arbeitest so viel, du hast kaum noch Zeit für mich.«

Ich stand auf und ging in die kleine Küche, die direkt neben dem Wohnzimmer lag. »Ich weiß, Schatz, aber es geht nicht anders. Ich möchte ein bisschen mehr Geld verdienen, deshalb arbeite ich so viel.« Ich reichte ihr ein halbvolles Glas Wasser, aus dem sie einen Schluck nahm. Sie sah anbetungswürdig aus, wie sie in ihrem Nachthemd vor mir stand und den Kopf in den Nacken legte, um zu trinken. Ihr braunes Haar kringelte sich über der Schulter, ihre kleinen Finger umfassten fest das Glas, die Reste meines Nagellacks klebten auf ihren Nägeln. Sie war das Beste, was mir je passiert ist. Sie war einfach perfekt.

»Danke, Mami«, sagte sie und wischte mit dem Ärmel ihres Nachthemds die Feuchtigkeit von ihrer Oberlippe. »Hast du denn zu Weihnachten auch keine Zeit?«

Ich hockte mich zu ihr. »Ich werde nur für dich da sein, das verspreche ich dir.«

»Feiern wir hier zu Hause?«

»Naja, feiern würde ich es nicht nennen, wir machen es uns einfach ein kleines bisschen gemütlich.«

»Warum kann es bei uns nicht mal ein richtiges, großes Fest geben, wie die anderen Leute es machen?«

»Weil mir nicht nach Feiern zumute ist, mein Schatz. Weihnachten ist ein trauriger Tag für mich, das habe ich dir doch schon erklärt.«

»Ich weiß«, seufzte sie, »wegen Oma und Opa. Ist Daddy wenigstens da?«

»Nein, Daddy feiert mit seiner neuen Freundin. Es gibt nur dich und mich.«

»Und Tante Luisa?«

»Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich sie zu uns hole. Vielleicht.«

Sie lächelte vorsichtig. »Das wäre schön. Dann sind wir wenigstens nicht ganz allein. Bekomme ich die Puppenstube, die ich mir schon so lange wünsche?«

Ich schluckte. »Ich weiß nicht, Schatz, sie ist … äh … der Weihnachtsmann hat bestimmt nicht genug Geld, um sie dir zu bringen. Die anderen Kinder sollen doch auch Geschenke bekommen. Willst du dir nicht lieber etwas Einfacheres wünschen?«

Sie schüttelte den Kopf. Tränen funkelten in ihren Augen. »Nein. Dann wünsche ich mir lieber nichts, damit die anderen Kinder Gaben bekommen.« Sie klang nicht bockig, nur enttäuscht.

Ich fuhr mit der Hand durch mein Haar und seufzte. Ich kam mir so schäbig vor, weil ich meiner Tochter ein trauriges Weihnachtsfest bereitete, ihren sehnlichsten Wunsch nicht erfüllen konnte und sie deswegen beschwindelte. Okay, es war eine weiße Lüge, wie sie alle Mütter irgendwann rauskramten, um die Sehnsüchte ihrer Sprösslinge im Zaum zu halten, aber mein Herz brach dabei fast in tausend Stücke. Bevor Tasha geboren wurde, war ich zu Weihnachten immer woanders als in Moonriver gewesen. Irgendwo, wo mich nichts an Weihnachten und an den schrecklichen Tod meiner Eltern erinnerte. Ich versuchte, das Fest völlig auszublenden. Doch seitdem es Tasha gab, musste ich ihr wenigstens ein bisschen Weihnachten schenken, obwohl mir überhaupt nicht danach zumute war. Und wenn sie mich mit diesem enttäuschten Blick ansah, konnte ich ihr sowieso nicht widerstehen. »Ich werde noch einmal mit dem Weihnachtsmann sprechen«, sagte ich resigniert, dann fasste ich sie zärtlich an den Schultern. »Aber jetzt gehst du ins Bett und schläfst, damit der Weihnachtsmann sieht, dass du solch ein schönes Geschenk verdienst.«

Ihre Augen begannen wieder zu leuchten. »Das mache ich, Mami! Und morgen gehen wir auf den Weihnachtsmarkt, damit du mit dem Weihnachtsmann reden kannst!«

»Ja, ganz bestimmt. Ab ins Bett!«

»Mami, ich hab dich lieb!« Sie umarmte mich erneut, dann drehte sie sich flink um und hüpfte wie Rumpelstilzchen in ihr Zimmer.

»Ich hab dich auch lieb, Tasha«, rief ich ihr hinterher. »Ganz, ganz doll lieb!« Ich ging ein paar Schritte in die Richtung ihres Zimmers, um zu lauschen, ob sie sich wirklich ins Bett legte. Als ich das Rascheln ihres Bettzeugs hörte und dann nichts mehr, lief ich zurück zum Computer und öffnete ihn. Ich ging ins Internet auf die Webseite meiner Bank, um meinen Kontostand zu überprüfen.

Verdammt. Ich hatte das Konto bereits wieder überzogen. Vor der Zahl stand ein fettes, rotes Minuszeichen. Eigentlich hatte ich mir eine neue Tasche zu Weihnachten bescheren wollen, weil bei meiner jetzigen, die täglich im Gebrauch war, das Innenfutter an einen löchrigen Käse erinnerte und ich meinen Schlüssel, Bonbons oder Kleingeld immer in den Ritzen zwischen Leder und Futter suchen durfte, aber diese Anschaffung musste wohl noch etwas warten. Vor allem, wenn ich Tasha eine Puppenstube schenken wollte. Solch eine Ausgabe würde bedeuten, dass das nächste Gehalt schon wieder wenig Spielraum für Extravaganzen ließ, wenn es am Ende des Monats eintraf. Miete, Lebensmittel und Drogerieartikel, mehr war nicht drin. Dabei hoffte ich seit Wochen, endlich genug Geld für ein Auto zusammengekratzt zu haben. Mein alter Wagen hatte mich im September im Stich gelassen, als er eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit entschied, keinen Schritt mehr fahren zu wollen. Er hatte aber auch schon über dreißig Jahre auf dem Buckel, ein gutes Alter für einen Kleinwagen. Das hieß jedoch, dass ich seit mehr als drei Monaten jeden Tag zur Arbeit laufen musste, weil kein Bus von Tashas Kindergarten ins Verlagshaus fuhr. Ich sparte schon seit über zwei Jahren auf ein Auto und legte jeden Monat etwas Geld zurück, mehr als fünfhundert Dollar waren jedoch noch nicht zusammengekommen. Ich stöhnte abermals leise, aber dieses Mal wegen der Sorgen, die durch meinen Kopf kreisten, nicht wegen Björn Einarsson und seinem fleischigen Schwert. Bei dem Gedanken an ihn kicherte ich leise. Schließlich klappte ich den Computer zu und schaltete das Licht aus. Zeit fürs Bett. Doch bevor ich in die Kissen fiel, hörte ich das Summen meines Handys aus dem Wohnzimmer. Für einen winzigen Moment blieb mein Herz stehen. War er das etwa wieder? Ich hatte glücklicherweise eine Weile nichts von ihm gehört, so dass ich ihn fast vergessen hatte. Aber wenn um diese Uhrzeit mein Handy Töne von sich gab, konnte das nichts Gutes bedeuten. Ich ging zurück und nahm das Telefon zur Hand.

»Ja?«, fragte ich leise.

Er antwortete nicht, sondern atmete nur. Ich konnte sein leises Pusten hören.

»Hör endlich mit dem Mist auf, du perverser Sack«, sagte ich, dann legte ich mit zitternden Händen auf. Seit einigen Wochen bekam ich diese Anrufe. Sie waren nie bedrohlich, er hatte noch nie etwas gesagt, aber sie beängstigten mich. Es war jetzt zwei Wochen lang Ruhe gewesen, heute meldete er sich plötzlich wieder. Ich konnte nur hoffen, dass er es bei stummen Anrufen mitten in der Nacht beließ. Trotzdem sah es ganz so aus, als besäße ich einen Stalker.

 

 

 

 

AM NÄCHSTEN MORGEN brachte ich Tasha in den Kindergarten und lief, wie jeden Tag, die vier Kilometer zum Verlagshaus »JT News«, in dem ich arbeitete. Wenn ich Verlagshaus sage, mag das sicherlich beeindruckend klingen. Das ist es auch, wenn man in der richtigen Abteilung sitzt. JT News war ein großes Unternehmen, eines der größten in Moonriver. Etwa zweihundert Menschen arbeiteten in dem Gebäudekomplex direkt am Alabama River. Es beinhaltete mehrere Zeitungen und Zeitschriften, darunter die Tageszeitung von Moonriver, die »Moonriver Gazette«, außerdem eine Zeitschrift für Frauen, »Southern Belles«, eine Zeitschrift für das moderne Wohnen in den amerikanischen Südstaaten, ein Magazin für Fans des Bürgerkrieges, eines für Tierliebhaber und noch ein paar mehr, die auch in Georgia vertrieben wurden. Im Erdgeschoss des imposanten, pyramidenförmigen Hauses arbeiteten die Kollegen, die sich mit den täglichen News bei der Moonriver Gazette beschäftigten. Im zweiten Stock saßen die eher unbedeutenden Zeitungen wie »Wohnen auf der Plantage«, »Atlanta Fieber« und »Moonriver und seine Geschichte«, im dritten die Alabama-Magazine mit den höheren Auflagen. Im vierten residierten die »Southern Belles«, die sich für etwas Besonderes hielten, weil sie die am meisten gekaufte Zeitschrift in ganz Alabama waren und die Mode- und Schminktrends der Frauen im Süden maßgeblich beeinflussten. Und ganz oben thronten die Verwaltung und er: JT, Jensen Thoreault, mein Chef.

Als ich an diesem Morgen verschwitzt von meinem Marsch im Gebäude eintraf und am Eingang meinen Ausweis vorzeigte, lief ich schnurstracks in den dritten Stock, wo sich mein Arbeitsplatz befand. Auch wenn ich es geschafft hatte, für eine der Zeitschriften mit den höheren Auflagenzahlen zu schreiben, so war ich nicht dort, wohin ich eigentlich wollte. Ich hatte Englisch und Publizistik studiert und mich nach meinem Abschluss bei den »Southern Belles« beworben, aber leider waren die Stellen bereits alle besetzt gewesen. Keine Redakteurin dieser Zeitschrift gab ihren Job auf, nicht einmal, um Kinder zu kriegen. Sie liebten es, Klatsch und Tratsch aus Alabama aufzustöbern, Modetrends vorzugeben und das gesellschaftliche Leben mit zu beeinflussen. Keine Filmpremiere oder Hochzeitsfeier in Alabama fand ohne eine Redakteurin der »Southern Belles« statt. Jeder, der etwas auf sich hielt, hielt engen Kontakt zur Redaktion, keine Hausfrau kam ohne die Tipps aus »Southern Belles« aus, in jedem Friseursalon war die neueste Ausgabe der »Southern Belles« beliebter als die Bibel, ein unerschöpfliches Nachschlagewerk für Mode, Schönheit und Lifestyle. Daher wollte keine der Mitarbeiterinnen ihre Stelle kampflos aufgeben. Eine Redakteurin hatte ihr drittes Baby tatsächlich im Büro entbunden und danach ihrem Mann gegeben, um weiter arbeiten zu können. Und um ja nicht während ihrer Abwesenheit ersetzt zu werden. Yvette, meine Freundin, die nach dem tragischen Tod von Claire Kozy deren Stelle übernehmen durfte (es wurde gemunkelt, dass Yvette nachgeholfen haben und den Fahrer bezahlt haben soll, der Claire auf der Kreuzung überfuhr, aber ich bin mir sicher, dass Yvette so etwas niemals tun würde), ging sogar mit vereitertem Blinddarm zur Arbeit und musste schließlich vom Notarzt abgeholt werden. Im Delirium auf der Trage noch klammerte sie sich an ihre Chefredakteurin und heulte wie ein Wolf, dass sie weiterarbeiten wolle. Es hatte jedoch keinen Zweck, sie musste operiert werden. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Yvette nichts dagegen gehabt hätte, wenn der Chirurg den Eingriff auf ihrem Schreibtisch durchgeführt hätte. Als sie nach nur einer Woche Krankschreibung wiederkam, saß eine freche Praktikantin auf ihrem Platz und hoffte, sie ablösen zu dürfen, aber Yvette machte mit ihr kurzen Prozess und beförderte sie durch eine Intrige nach unten zur Moonriver Gazette, wo sie seitdem Todesanzeigen schreiben muss. Mein Beileid.

Ich hatte es allerdings auch nicht geschafft, bei »Southern Belles« unterzukommen, und saß im dritten Stock bei der Zeitschrift »Mein pelziger Freund«, eine Zeitung für Tierfreunde, die sich mit den Sorgen und Nöten von Haustieren und ihren Herrchen befasste. Meine ehrenvolle Aufgabe bestand darin, Modetrends für Hunde aufzuspüren und jede Woche, wenn die Zeitschrift erschien, mehrere Artikel zu Regenmänteln für Dobermänner und Pulswärmer für Huskys zu verfassen. Ich hasste es. Ich fand Hunde toll, aber mit Mäntelchen und Mützchen versehen, in T-Shirts und Socken gekleidet, einfach abartig. Um meinen Job zu behalten und das Geld für die Miete zu verdienen, musste ich mich jedoch damit auseinandersetzen, ob Karo-Muster für Chihuahuas wirklich geeignet waren, und welches T-Shirt einen Schäferhund am besten kleidete. Ob Wollsocken an den Hundepfoten auch im feuchtwarmen Alabama-Sommer die richtige Wahl waren, und wieso es noch immer keine Wochentags-Schlüpfer für Pit-Bull-Damen gab. So sah meine Welt aus!

Wie jeden Morgen legte ich meine Tasche an meinem Schreibtisch ab, den als einziger nichts Weihnachtliches zierte, und ging in die Küche, um mit einem Kaffee bewaffnet einen Stock höher zu gehen, zu Yvette.

Sie saß an ihrem Schreibtisch und las gerade den Bericht von der Mailänder Modewoche, um daraus einen Artikel für die Frauen in Alabama zu stricken, nach dem sich alle richten würden. Gelb vor Neid setzte ich mich zu ihr. »Guten Morgen, Yve«, sagte ich und schielte über ihre Schulter.

»Hallo Skye«, erwiderte Yvette, sah kurz auf und lächelte mich an, bevor sie sich wieder in ihre Arbeit vertiefte. »Wusstest du, dass die Ärmel nach Weihnachten länger und enger werden?«, fragte sie. »Das ist nichts für uns hier im Süden. Damit schwitzen wir uns tot. Ich werde weite, kurze Ärmel als Trend im neuen Jahr vorstellen.«

»Das ist vernünftig«, stimmte ich ihr zu. »Danach findet sich bestimmt ein Designer, der solche Mode wirklich schafft. Das wird eine gute Modeströmung.«

»Ganz sicher«, nickte sie. »Und bis dahin werde ich die Bilder von der Fashion Week so verändern, dass nur kurze, weite Ärmel zu sehen sind. Photoshop sei Dank.«

»Was gibt es sonst Neues? Neue Farben für Lippenstifte? Sind Smoky Eyes endlich out? Ich sehe damit aus wie ein Waschbär.«

»Nein, sie sind nach wie vor in, besonders zu Weihnachten. Lippenstiftfarben für die Festtage sind knallig, Orange und Gelbtöne überwiegen. Ach ja, und ich habe gehört, dass das komplette Fehlen der Augenbrauen der neue Trend für den kommenden Sommer werden soll. Alles ab, ohne sie mit dem Stift nachzuziehen. Aber das werde ich verschweigen. Ich werde nicht obenrum nackt gehen, ganz sicher nicht.«

»Ich auch nicht.« Ich schüttelte mich bei dem Gedanken. Ich liebte meine Augenbrauen. Sie waren das Beste an meinem Gesicht, fand ich. Dicht und dunkel saßen sie über meinen grünen Augen und passten hervorragend zu den langen, dunklen Wimpern. Mehr hervorstechende Merkmale besaß mein Gesicht allerdings nicht. Ich war nicht hässlich, aber auch nicht besonders schön oder auffallend hübsch. Ich war guter Durchschnitt, auch in der Größe und den Kleidermaßen. Nach mir verdrehten sich die Männer nicht die Köpfe, weil sie mich kaum wahrnahmen. Ich kleidete mich dezent und unauffällig, ohne zu viel Haut zu zeigen, und übertrieb es nicht mit dem Make-up. Etwas Rouge auf den Wangen und beim Ausgehen einen zarten Lippenstift auftragen – das reichte mir. Obwohl ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr aus war. Aber das war ein anderes Problem.

»Was macht dein anderer Job?«, fragte Yvette.

»Psst!«, zischte ich und sah mich vorsichtig um. Zum Glück saß niemand nah genug bei uns, um uns belauschen zu können. »Nicht so laut.«

Yvette grinste. »Warum nicht? Erotische Romane zu schreiben ist keine Schande.«

»Psssssst!« Nervös blickte ich zu Doro, eine Mitarbeiterin drei Tische weiter, die gerade neugierig zu uns herüberblickte. »Das darf trotzdem niemand erfahren. Wer weiß, vielleicht verliere ich meinen Job, wenn JT es herausfindet?«

»Warum? Solange du es nicht während deiner Arbeitszeit machst, hat er bestimmt nichts dagegen. Du verdienst hier nicht genug, um mit deinem Gehalt glücklich zu sein und ein Kind ernähren zu können.«

»Nein«, seufzte ich. »Zumal Tashas Vater keinen Unterhalt zahlen kann, weil er wieder studiert. Es ist nicht einfach.«

»Wie weit bist du mit deinem dritten Buch? Geht es nochmals um scharfe Wikinger, die Frauen entführen?«

»Ja, mein Held, Björn Einarsson, ist in England in ein Dorf eingefallen und hat sich in die illegitime Tochter des Bischofs verliebt. Sie fürchtet sich vor ihm, kann ihm aber nicht widerstehen. Er zieht sie magisch an, bis sie schließlich schwach wird und sich ihm hingibt. An dieser Stelle habe ich gestern aufgehört.«

»Ach, du Glückliche«, seufzte sie. »Solche Szenen zu schreiben muss fantastisch sein. Und einen starken Wikinger hätte ich auch gern. Stephan ist zwar lieb und nett, aber der stöhnt schon, wenn er ein Buchpaket von Amazon bekommt und es die Treppe hochtragen muss. Dabei sind nur drei Bücher drin.« Sie verdrehte die Augen. Ich kannte Yvettes Freund Stephan. Er war Mathematik-Lehrer, hager und nicht besonders hübsch. Bei jedem Handgriff hatte er Angst, dass er sich einen seiner dünnen Finger brach.

»Nur mit dem Unterschied, dass ich keinen starken Wikinger habe, nicht einmal einen schwachen Professor. Und die richtigen Worte zu finden, ist auch nicht einfach. Also musst du mich nicht beneiden.«

»Aber immerhin hast du einen Verlag gefunden und Millionen von Frauen lesen dich!«

»Es sind nicht Millionen!«, wehrte ich ab. »Und es ist nur ein kleiner Verlag, aber ich freue mich über die extra Dollars, obwohl es nicht viel ist. Und ich …« Ich hielt inne, denn in diesem Moment war Aufregung am Eingang der »Southern Belles« zu hören. Die Tür öffnete sich und eine Gruppe Menschen trat ein. Ein älterer Mann, der einen sündhaft teuren Anzug und eine noch teurere Brille trug. Neben ihm ging eine junge Frau mit langen blonden Haaren auf Absätzen, die mich schon beim Zuschauen schwindelig werden ließen. Ihr Rock war zu kurz, um noch anständig zu wirken, ihre Bluse zu eng, so dass sich ihre beiden Pampelmusen deutlich abzeichneten. Und neben ihr stand er: JT. Mein Chef.

»Das ist der Bürgermeisterkandidat«, flüsterte Yvette und meinte den Mann mit der Brille. »Er will, dass unser Verlagshaus die gesamte Werbung und Berichterstattung vor der Wahl übernimmt. Deshalb führt JT ihn herum.«

Ich nickte und starrte auf JT, Jensen Thoreault. Er besaß strahlende Augen, blau wie der Himmel über den Fjorden, blau wie das Meer an einem warmen Sommertag. An seiner Schulter befand sich ein Tattoo, ein Adler, der seine Schwingen ausbreitet. Es war jetzt von einem weißen Hemd und einem zart gestreiften Anzug verdeckt, aber ich wusste, dass es darunter war, weil ich es zufällig einmal gesehen hatte, als ich eine Lieferung an seine Sekretärin abgeben musste und er sich gerade umzog und mit nacktem Oberkörper im Büro stand. An jenem Tag, in dem Moment, als ich JT heimlich halbnackt im Büro beim Umkleiden beobachtet hatte, wurde mein Held Björn Einarsson geboren. So wie JT musste er aussehen, mit einem perfekt ausgebildeten Oberkörper, ohne wie ein Bodybuilder zu wirken. Mit einem Tattoo auf seiner wohlgeformten, athletischen Brust, das man am liebsten berühren möchte. Dazu sein attraktives Gesicht, die blauen Augen und das siegessichere Lächeln, als würde er nicht davor zurückschrecken, die Tochter eines Bischofs zu entführen und willfährig zu machen.

»Du sabberst«, sagte Yvette leise in mein Ohr.

»Was?«, schreckte ich aus meinen Gedanken hoch. »Niemals!« Vorsichtshalber wischte ich mir mit der Hand über den Mund und entdeckte tatsächlich eine feine Speichelspur. Wie peinlich!

Noch schlimmer war, dass JT es bemerkt haben musste, denn ich konnte sehen, dass er mich anblickte und dabei spöttisch die Augenbrauen nach oben zog. Oh nein, jetzt hielt er mich auch noch für eine von denen, die ihm nicht widerstehen konnten und zu seinen Füßen lagen! Davon gab es schon mehr als genug. Die Blonde in dem kurzen Rock und der zu engen Bluse gehörte eindeutig dazu. Sie legte ihre Hand besitzergreifend auf seinen Arm und sagte ihm etwas ins Ohr, so dass er schmunzelte.

»Wer ist sie?«, fragte ich Yvette und versuchte, so locker und unbeteiligt wie möglich zu klingen. JT konnte machen, was er wollte, das war mir völlig egal. Selbst wenn er der Held meiner erotischen Romane war, so wusste ich nur zu genau, dass wir in der Realität nicht in derselben Liga spielten. Ihm gehörte das Verlagshaus, er hatte es von Max Romer übernommen, als es kurz vor der Pleite stand. Und aus MR News wurde JT News. Er war einer der wichtigsten Männer in Moonriver und der begehrteste Junggeselle in ganz Alabama. Dass er eine Frau wie mich auch nur zweimal ansehen würde, war völlig ausgeschlossen.

»Philippa Fanning, sie ist die Marketing-Mieze vom Bürgermeisterkandidat. Sie hat schon für den Gouverneur von Alabama gearbeitet.«

»Und wie heißt der Kandidat?« Vielleicht war es gut, dass ich nicht bei der Moonriver Gazette oder den »Southern Belles« arbeitete, sondern bei »Mein pelziger Freund«, da ich über das lokale, politische Geschehen offenbar überhaupt nicht im Bilde war.

»Keine Ahnung«, sagte Yvette und zuckte mit den Schultern. »Die Marketing-Frau scheint eine ziemliche Niete zu sein, da ihn niemand kennt.« Sie kicherte.

»Eine Niete mit riesigen Pampelmusen«, stimmte ich ihr zu, da die Blonde gerade ihre Brüste JT entgegenstreckte.

»Wie langweilig«, gähnte Yvette. »Immer dasselbe. Als ob Frauen nicht noch etwas anderes zu bieten hätten.«

Ich beobachtete, wie JT seine Hand an ihren unteren Rücken legte und mit ihr zurück zum Fahrstuhl ging. Als er etwas sagte, lachte sie und lehnte dabei ihren Oberkörper leicht an seine Schulter. Seine Hand rutschte gleich einen Zentimeter weiter nach unten. Offenbar funktionierte ihr uralter Trick.

Angewidert wandte ich mich ab und sah in Yvettes besorgtes Gesicht. »Du stehst doch nicht etwa auch auf ihn?

---ENDE DER LESEPROBE---