Veyron Swift und das Juwel des Feuers: Serial Teil 2 - Tobias Fischer - E-Book

Veyron Swift und das Juwel des Feuers: Serial Teil 2 E-Book

Tobias Fischer

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Beschreibung

Der verwaiste Tom Packard wird in die Obhut seines Patenonkels Veyron Swift gegeben. Für ihn beginnt ein Abenteuer jenseits der Grenzen unserer Welt. Der kauzige Veyron ist Detektiv, aber kein gewöhnlicher. Sein Interesse gilt den Machenschaften von Kobolden, Vampiren und anderen finsteren Gestalten. Sein neuester Fall hat es in sich. Veyron ist auf der Spur des Niarnin, eines unfassbar mächtigen Zauberjuwels, mit dem sich die Elemente kontrollieren lassen. Die Jagd führt Veyron und Tom in die fantastische Elderwelt voller Fabelwesen und Wunder, Schrecken und Gefahren. Doch auch die Mächte der Finsternis haben es auf diesen magischen Edelstein abgesehen. Um ihn in ihren Besitz zu bringen, ist ihnen jedes Mittel recht. Schon bald sitzen Tom und Veyron nicht nur ein Hexenmeister im Nacken, sondern auch eine Bande brutaler Terroristen. Es wird ein Rennen gegen die Zeit, denn ihr dämonischer Gegenspieler ist ihnen bereits einige Schritte voraus und steht kurz davor, seine dunklen Ziele zu erreichen.

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Tobias Fischer

Veyron Swift und das Juwel des Feuers: Serial Teil 2

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Das Auge im Himmel

Nach der Katastrophe

Vom Regen in die Traufe

Alte Mauern

Wölfe und Schafe

Impressum neobooks

Das Auge im Himmel

Tom konnte es immer noch nicht so recht glauben. Er steckte tatsächlich mitten in einer Flugzeugentführung! Bisher war dieses Abenteuer ja bloß eine Hatz um die halbe Welt gewesen, auf der Suche nach einem magischen Edelstein und einem japanischen Manager. Jetzt befand er sich mitten in einer lebensbedrohlichen Angelegenheit. Es gab keine Möglichkeit zur Flucht oder Gegenwehr. Voller Furcht vor dem, was als Nächstes geschehen könnte, beobachtete er die drei schwer bewaffneten Krieger in der Businessclass, wie sie auf und ab marschierten. Kalt und grausam funkelten ihre Augen die Geiseln an. Die Fluggäste schauten lieber auf den Boden oder aus dem Fenster, als den Blicken der Terroristen zu begegnen. Allein Veyron Swift blätterte gelangweilt in einer Bordzeitung. Tom verstand nicht, wie jemand so abgebrüht sein konnte. Sein Pate musste ein Psychopath sein, das war die einzige Erklärung, die ihm einfiel. Er fragte sich, ob Veyron Swift überhaupt in der Lage war, irgendwelche Gefühle zu empfinden, oder ob er sie nur mit der eisernen Disziplin, die er stets beschwor, geschickt verbarg – trotz der Hitze, unter der sie alle litten.

Die Terroristen hielten das Flugzeug jetzt seit etwa einer Stunde in ihrer Gewalt, hatten aber bisher nichts verlautbaren lassen, was sie mit der Entführung bezweckten, weder Forderungen noch ihr Ziel. Dafür hatten sie die Temperaturregler auf Maximum gestellt. Jedem Passagier lief das Wasser übers Gesicht. Die Terroristen erlaubten niemandem, sich das Hemd aufzuknöpfen oder seinen Pullover auszuziehen. Wer um Wasser bat, der wurde zusammengebrüllt und mit der Waffe bedroht. Für Tom kam das alles dem Begriff Hölle sehr nahe.

Es waren drei, die in der Businessclass Wache schoben: der grimmige Riese, ein junger Araber mit einer hässlichen Narbe im Gesicht und eine dürre Hexe mit grünen Augen und eingefallenen Wangen. Der Schweiß auf ihren bloßen Oberarmen ließ ihre gestählten Muskeln nur noch deutlicher hervortreten, und das zeigte Tom, dass sie es hier mit echten Kämpfern zu tun hatten. Sie trugen kugelsichere Westen und hatten sich – einer nach dem anderen – militärische Kampfhosen, ärmellose Shirts und Stiefel angezogen. Vermutlich, um sich von den Passagieren besser abzuheben oder um Furcht zu verbreiten.

Die Wirkung verfehlte es jedenfalls nicht. Tom hatte eine Mordsangst. Ihm wollte keine Möglichkeit einfallen, wie man diese Verbrecher überwinden könnte. Er beobachtete die drei Terroristen genau und betete dabei, dass sie ihn irgendwie übersahen. Er war mit Abstand der jüngste Passagier an Bord, und aufgrund seiner geringen Körpergröße fiel er wahrscheinlich sofort auf. Hoffentlich ließen sie ihn in Ruhe.

Die Glastüren zur First Class öffneten sich, und eine weitere Terroristin marschierte herein. Auch sie hielt ein Gewehr in den Händen. »Alles herhören!«, rief sie und hob ihre Waffe. Im Nu besaß sie die ungeteilte Aufmerksamkeit sämtlicher Passagiere. »Wir schließen die leeren Ränge. Also, alle Mann aufstehen und nach vorn aufrücken!«

Zögerlich schnallten sich die ersten Passagiere los, standen auf und schlurften eingeschüchtert in Richtung First Class. Die Hexe und der Araber schubsten die Leute auf die ihnen zugedachten Sitze. Wer zu lange brauchte, den riss der Riese auf die Beine und stieß ihn vorwärts. Toms Nachbar auf der anderen Seite des Ganges, Dimitri, beförderten die Kerle eine Reihe vor ihnen grob in den Sitz. Ohne Regung ließ er sich das gefallen. Veyron und Tom waren freiwillig aufgestanden und schnurstracks zu ihren neuen Plätzen gegangen; Veyron saß wieder auf der Seite zum Gang, Tom direkt neben ihm.

»Jetzt wissen wir, was deine neue Freundin beruflich macht«, raunte er ihm zu.

Tom verstand für einen Moment nicht, und Veyron nickte in Richtung der Terroristin. Tatsächlich! Er erschrak, als er sie wiedererkannte, sein Objekt Nr. 1. Er hoffte aufzuwachen, doch er befand sich nicht in einem bösen Traum, sondern in der Wirklichkeit. Am liebsten hätte er jetzt angefangen zu schreien, verkniff es sich jedoch lieber. Vor Veyron wollte er sich keine Blöße geben und diese Sache durchstehen wie ein Mann – was natürlich ein blödsinniger Gedanke war, aber er war ja erst vierzehn.

»Du musst keine Furcht haben, Tom«, raunte Veyron leise. »Die Chancen stehen gut, dass wir das alle unbeschadet überstehen. Das sind keine religiösen Fanatiker, sondern sie verfolgen ein politisches Ziel. Entweder die Freilassung von Häftlingen oder Lösegeld. In der Regel gehen solche Entführungen unblutig aus.«

Tom sah ihn verwundert an. Veyron zeigte noch immer nicht die geringste Spur von Angst. Stattdessen entdeckte er Zuversicht in dem schmalen, markanten Gesicht seines Paten. »Und was, wenn nicht? Was ist, wenn die uns alle umbringen wollen?«

»Nur die Ruhe. Sorgen würde ich mir im Augenblick nur um Nagamoto machen«, gab Veyron zurück.

Ein harter Schlag traf ihn an der Schulter. Es war der Gewehrkolben von Toms Ex-Objekt-Nr. 1. »Ruhe«, blaffte sie.

Tom zuckte zusammen, hoffte, dass sie Veyron nicht gleich erschoss. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke, aber sie hielt dem Vorwurf in seinen vor Angst geweiteten Augen nicht lange stand. Schnell schaute sie in eine andere Richtung. Nachdem alle Passagiere umquartiert waren, nickte Ex-Objekt-Nr. 1 den drei Wächtern zu und kehrte in die First Class zurück.

Veyron wartete, bis auch die anderen Terroristen außer Hörweite waren, ehe er sich wieder Tom zuwandte. »Denk nach, Tom: Wir wissen, dass Flammenschwert-Joe hinter Nagamoto her ist. Er will ihn umbringen, davon können wir ausgehen. Jetzt wird ausgerechnet das Flugzeug entführt, mit dem Nagamoto nach Europa fliegt. Ein wenig zu zufällig für einen echten Zufall, oder?«

»Wollen Sie damit sagen, Flammenschwert-Joe hat diese Entführung arrangiert? Glauben Sie, es ist einer von den Terroristen?«

»Es ist noch zu früh, um darüber zu spekulieren, aber von Ersterem können wir ausgehen. Er steckt ganz sicher dahinter. Mir ist nur noch nicht klar, auf welche Weise er Nagamoto beseitigen will. Vielleicht ist eine Bombe an Bord des Flugzeugs versteckt, und diese Entführung ist nur ein Alibi. Womöglich haben die Terroristen die Anweisung, ihn als erste Geisel zu erschießen, vielleicht werden sie sogar für seine Ermordung bezahlt. Wir müssen auf alles gefasst sein.«

»Was können wir tun? Wir haben keine Chance. Nicht gegen diese Gorillas.«

»Wir warten auf den richtigen Moment, Tom. Mehr Möglichkeiten haben wir im Moment nicht. Wenn …« Veyron brach ab, als sich die dürre Hexe näherte.

Tom starrte zu Boden. Er hatte keine Ahnung, von welchem richtigen Moment Veyron da sprach, doch er vertraute darauf, dass sein Pate ihm den schon mitteilen würde – oder aber sie konnten gar nichts tun, und dies war ihre letzte Reise. Als sich die Hexe wegdrehte und in die andere Richtung marschierte, schaute ihr Veyron kurz hinterher. Mit einem spitzbübischen Lächeln wandte er sich wieder an Tom. »Ist dir das aufgefallen?«

»Dass sie aussieht, als könnte sie einen Vierzehnjährigen zum Frühstück vertilgen?«

»Nein. Sie ist auf dem linken Ohr taub. Sehr wahrscheinlich ist daher auch ihr Gleichgewichtssinn gestört. Das können wir nutzen, wenn’s drauf ankommt.«

»Woher wollen Sie das wissen?«

»Beim Vorbeigehen hat sie das Pärchen hinter uns böse angefunkelt, weil sie geflüstert haben. Das Pärchen links von ihr hat auch geflüstert, aber sie hat die beiden nicht einmal bemerkt. Sie konnte sie nicht hören. Da hätten wir schon einmal einen Ansatz, auf dem wir unsere Strategie aufbauen können«, sagte Veyron und rieb sich kurz die Hände.

Tom wollte nichts mehr davon hören, er hatte einfach nur Angst. Dachte Veyron etwa an einen Gegenangriff? Wenn ja, musste die Hitze seinen Verstand durchdrehen lassen. Das wär ja glatter Selbstmord.

In der First Class stand Alec vor seinem Publikum, vierzig verängstigten Passagieren, die kein Wort sagten und auf den dunkelblauen Teppichboden starrten. Keiner besaß den Mumm, aufzustehen und von ihm Rechenschaft zu verlangen. Das bestätigte ihn in seiner Auffassung, dass auf der Welt nur zwei Sorten von Menschen existierten: Schafe und Wölfe. Die einen ließen sich herumtreiben, folgten brav und gedankenlos der Herde. Doch die Wölfe, so wie er einer war, die nahmen sich, was sie wollten. Wölfe folgten keinen Regeln außer ihren eigenen.

Alec wartete, bis Tamara aus der Businessclass zurückkehrte und ihm bestätigend zunickte. Alles war unter Kontrolle. Er zog einen kleinen Zettel aus der Hosentasche und las vor: »Diese Maschine befindet sich jetzt in der Gewalt des Roten Sommers. Es wird Ihnen nichts geschehen, solange Sie den Anweisungen der Kämpfer des Roten Sommers Folge leisten und soweit Ihre Regierungen die von uns gestellten Forderungen erfüllen. Es lebe die Freiheit, es lebe die Gerechtigkeit!«

Die letzten Worte rief er laut aus, und alle anwesenden Mitglieder – Tamara, Otto und Johan – wiederholten sie wie einen wilden Schlachtruf. Alec lächelte vor Genugtuung, als er sah, wie die Schafe unter den Rufen zusammenzuckten. Am liebsten hätten sie sich bestimmt unter den Sitzen versteckt – mit zwei Ausnahmen: eine junge Manager-Tussi, die nur gedankenverloren auf den Boden starrte, und ein japanischer Manager mittleren Alters, der interessiert zuhörte. Als Einziger wagte er es, Alec direkt anzuschauen.

Keuchend drehte sich Alec weg. Irgendwie konnte er den stechenden, herausfordernden Blick dieses Mannes nicht länger ertragen. Ihm kam es so vor, als würde dieser Kerl in seine Seele blicken und die Abgründe finden, die er so sorgfältig vor seinen Kameraden verbarg.

Ich weiß, wer du bist und was du bist, schien ihm der Manager in Gedanken zuzurufen. Das war zwar sicher nur Einbildung, dennoch: Er musste etwas dagegen unternehmen.

Alec ärgerte sich über seine eigene, fast panische Reaktion und ballte die Faust. Saß da etwa ein Wolf mitten unter den Schafen? Nun, er würde diesen Passagier später disziplinieren, jetzt musste er sich erst einmal das Gehör der Welt verschaffen. Er ging ins Cockpit zurück, wo die beiden Piloten miteinander tuschelten, und klopfte mit der Pistole gegen die Tür. Das brachte sie zum Schweigen.

»Hier sind Ihre Anweisungen«, blaffte er Captain Hotchkiss an und reichte ihm einen zweiten Zettel, den er aus der Hosentasche gekramt hatte. »Sie ändern den Kurs jetzt nach Südost und werden Somalia ansteuern. Auf dem Zettel stehen die genauen Koordinaten, die Geschwindigkeit und die Flughöhe. Geben Sie mir die Flugkontrolle«, befahl er.

Hotchkiss reichte ihm widerstandslos den Kopfhörer. Alec setzte ihn auf und sprach ins Mikro. »Kontrolle, habe ich Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit?«

»Wir hören, 327.«

»Hier spricht der Rote Sommer. Dies sind unsere Forderungen: Sie werden die Freilassung unserer Gesinnungsgenossen in Chile, in Deutschland und in Kanada veranlassen, die dort ungerechterweise inhaftiert wurden. Weiter werden Sie fünfzig Millionen Dollar auf ein noch zu nennendes Konto überweisen. Werden diese Forderungen nicht erfüllt, beginnt Roter Sommer mit der Tötung der Geiseln an Bord dieses Flugzeugs. Sie haben von jetzt an zwei Stunden bis zur Tötung der ersten Geisel. Sollten unsere Forderungen bis dahin nicht erfüllt sein, töten wir zu jeder vollen Stunde eine weitere Geisel. Ergänzende Forderungen folgen zu gegebener Zeit«, sagte Alec so emotionslos, wie er es zustandebrachte. Er nahm den Kopfhörer ab und gab ihn Hotchkiss zurück. »Führen Sie die Kursänderung jetzt durch, Captain«, befahl er und verließ das Cockpit. Im Crewbereich rief er Johan. Der hochgewachsene Schwede kam herangeeilt. Alec deutete ins Cockpit. »Du sorgst dafür, dass die beiden Hübschen da drin keinen Unfug anstellen. Achte auf die Kursangaben. Erschieß den Kopiloten, wenn sie uns bescheißen.«

Johan nickte und wuchtete seinen muskulösen Körper in das kleine Cockpit. Alec zündete sich genüsslich eine Zigarette an. Diesen Moment des Triumphs musste er auskosten, alles lief großartig. Jetzt war es Zeit, sich um diese andere Sache zu kümmern. Mit entschlossenen Schritten kehrte er in die First Class zurück.

Jessica hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Zusammengekauert saß sie in ihrem Sessel, die Kleidung klebte an ihrem durchgeschwitzten Körper. Verstohlen blickte sie immer wieder die drei Terroristen an, die pausenlos auf und ab marschierten. Alle in der First Class waren mucksmäuschenstill und ertrugen die brütende Hitze, so gut sie konnten. Besonders schlecht ging es den sieben jungen Punkrockern. Sie hingen angeschnallt mehr tot als lebendig in den Sitzen, grün im Gesicht. Mit den Händen schienen sie Fliegen zu verscheuchen, die es gar nicht gab. Jessica wagte vorsichtig einen Blick nach hinten. Nagamoto saß noch immer aufrecht, die Miene trotzig. Der Schweiß rann ihm übers Gesicht, ansonsten schien es ihm sehr gut zu gehen. Jessica bewunderte ihn für seine Disziplin und das Selbstbewusstsein, den Terroristen nicht die Befriedigung zu verschaffen, ihn zu demütigen. Sie wünschte sich, ebenfalls solche Tapferkeit zu besitzen.

Die Tür zum Crewbereich öffnete sich. Der Anführer der Terroristen trat heraus, frech eine Zigarette rauchend und der Hitze und dem Schweiß nicht achtend. Er hielt einen Fetzen Papier in der Hand, den Jessica als Passagierliste identifizieren konnte. Die Mistkerle hatten drei Flugbegleiterinnen der First Class schon gleich nach der Übernahme dazu gezwungen, sämtliche Passagierlisten auszuhändigen.

»Mr. Tatsuya Nagamoto«, sagte Alec laut und sah sich mit theatralischem Ernst in der First Class um. Niemand regte sich. »Geboren am vierten Juli 1961 in Osaka, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns Energreen Corporation«, fuhr er fort, diesmal mit Abscheu in der Stimme. Er wartete auf eine Reaktion.

Tatsächlich erhob sich Nagamoto und trat hinaus in den Gang. Alec staunte nicht schlecht. Es war genau jener japanische Geschäftsmann, der seiner Einschüchterung zuvor so frech standgehalten hatte. Nun, jetzt würde er diesem steinreichen Schnösel ein bisschen Respekt beibringen – mit Gewalt, Alecs liebstem Verständigungsmittel gegenüber diesem Manager-Abschaum. Er schnippte mit den Fingern, und Tamara und Otto traten an Nagamotos Seite.

»Roter Sommer hat entschieden, dass die westlichen Regierungen zwei Stunden Zeit haben, die Forderungen der Gerechtigkeitsliga zu erfüllen. Geschieht dies nicht, wird eine erste Geisel getötet. Ich bin sicher, Mr. Nagamoto, Sie sind gern bereit, sich in diesem Fall für die anderen Passagiere zu opfern«, verkündete Alec. Er konnte die diebische Freude, die ihm das bereitete, nur schwerlich verbergen. »Ihr Tod erkauft den anderen eine weitere Stunde.«

Nagamoto sagte nichts darauf. Furchtlos stand er in der Mitte der Kabine, sah Alec in die Augen und regte keinen Muskel. Ärger stieg in Alec hoch, glühende Verachtung und heißer Hass gegen dieses geldgeile Wesen, das es tatsächlich wagte, sich noch frech als Mensch zu bezeichnen. Nicht einmal jetzt, im Angesicht des Todes, konnte Nagamoto seine Furcht zeigen, sondern spielte noch Spielchen mit seinen Peinigern. Dazu dieser Blick, dieser die Seele durchdringende Blick …

»Sie machen einen großen Fehler«, sagte Nagamoto schließlich.

Alec musste grinsen. Eine leere Drohung, ein Akt der Verzweiflung. Nun, der Sack würde schon noch sehen, wie wenig ihm das nutzte.

»Sie haben überhaupt einen großen Fehler gemacht. Aber jetzt besiegeln Sie Ihr Ende, das Ende Ihrer Leute und den Tod vieler Unschuldiger. Sie sind keinen Deut besser als jene, die Sie hassen und verachten«, fuhr Nagamoto ungerührt fort.

Alec lächelte nicht mehr. Ja, es stimmte: Dieser Kerl hatte in seine Seele geblickt! Er wusste nicht, warum, aber Nagamoto schien über seine Schwächen und Fehler Bescheid zu wissen. Selbst wenn er sich das nur einbildete, allein der Gedanke daran ließ ihn wütend werden. Schnell trat Alex vor und verpasste Nagamoto einen Fauststoß in den Magen. Der wehrte sich nicht, wich nicht zurück, knickte nur mit einem leisen Keuchen ein. Doch fiel er nicht, richtete sich stattdessen wieder zu voller Größe auf. Grimmige Entschlossenheit erfüllte sein Gesicht.

Alec war kurz davor zurückzuweichen. Etwas war an Nagamoto, das ihn ängstigte. Eine Kraft und Macht, wie er sie noch bei keinem anderen Menschen gesehen hatte. Noch einmal schlug er zu, wollte Nagamoto auf dem Boden sehen – er wollte ihn sogar unbedingt auf dem Boden sehen. Erneut knickte der Manager kurz ein, nur um sich gleich wieder aufzurichten. Otto packte ihn fester, und Alec schlug ein drittes Mal zu, doch jetzt prallte seine Faust auf gestählte Bauchmuskeln, die keinen Zentimeter nachgaben. Seine Finger schmerzten.

Plötzlich trat Tamara zwischen Nagamoto und Alecs erneut ausholende Faust. »Das reicht, Alec! Otto, schaff Nagamoto in die Crewtoilette«, befahl sie streng.

Widerstandslos ließ sich Nagamoto vorwärtsstoßen. Alec kochte vor Zorn und folgte Otto. Tamara war dicht hinter ihm. Sie schloss die Verbindungstür. Im gleichen Augenblick packte Alec sie am Revers und drückte sie gegen die Wand. Regungslos nahm sie seinen Zorn und seine Grobheit hin. Sie kannte ihn, sein hitziges Gemüt und seine Leidenschaft für Gewalt.

»Wage es nicht noch einmal, mir vor Geiseln oder sonstwem zu widersprechen«, zischte er, Mordgier in den Augen.

»Du verlierst die Beherrschung, du brauchst einen kühlen Kopf. Was wolltest du damit beweisen?«, entgegnete sie kalt.

Alec schnaubte, drückte sie noch fester gegen die Wand. »Nagamoto ist ein Drecksschwein! Ein verfluchtes, kapitalistisches Drecksschwein, der Menschen ausbeutet und die Leute um ihre Ersparnisse bringt!«

»Schön. Dann richten wir über ihn wie über die anderen, über die wir schon Gericht gehalten haben. Aber wir werden ihn nicht aus Lust an der Gewalt quälen oder töten! Wir sind besser als die!«

Otto tat so, als würde er nichts mitbekommen. Er schubste Nagamoto in die Crewtoilette, machte die Tür zu, schlug den Türknauf ab und zog den Stift heraus. »Der Sack ist eingesperrt«, verkündete er und beendete die Diskussion zwischen seinen Anführern.

Alec ließ Tamara endlich los. Er trat einen Schritt zurück. Sie war so eiskalt und beherrscht, wie er hitzköpfig und brutal war. Sein Ärger war jedoch noch nicht zur Gänze verraucht. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr, das konnte er spüren. »Was ist los mit dir? Mensch, Tamara! Du hast bei unserer letzten Aktion, diesem Überfall auf die Polizeistation, einem Bullen mitten ins Gesicht geschossen. Eiskalt, ohne zu zögern! Wirst du jetzt weich?«

»Das war etwas anderes«, murrte sie, doch Alec konnte sehen, wie sie ihm auszuweichen versuchte. Es ärgerte und verletzte sie, das erkannte er.

»Willst du aussteigen? Du brauchst es nur zu sagen!«

Nun war sie es, die wütend wurde. »Wir ziehen das durch! Aber mit kühlem Verstand! Wir sind nicht die neue Kopfgeldjägertruppe von diesem Fellows oder seinem ominösen Auftraggeber! Wir folgen unseren Idealen; ohne sie sind wir nicht anders als all die Gescheiterten vor uns. Wir haben geschworen, deren Fehler nicht zu wiederholen«, gab sie zurück, die Stimme erhoben und fauchend – wie eine Tigerin, die man in die Enge getrieben hatte.

Alec beruhigte sich wieder; er hatte sich nicht in ihr geirrt. Das alte Feuer loderte immer noch in ihr, es musste nur gelegentlich geschürt werden.

Im Cockpit war die Auseinandersetzung kaum zu hören, doch war sie laut genug, um Johan nach draußen zu locken. Er schloss die Tür hinter sich, als er erkannte, dass sich seine beiden Anführer zankten. Davon sollten die Piloten nichts mitbekommen und eventuell eine Schwäche ausloten.

Hotchkiss und sein Kopilot Grant waren allein. Genau auf so einen Moment hatten sie gewartet. »Okay, was ist der Plan?«, fragte Grant. Er war ganz aufgeregt und ließ die Tür nicht aus den Augen.

»Diese Banditen sind gut organisiert. Sie haben einen mächtigen Verbündeten außerhalb des Flugzeugs. Hast du die Waffen gesehen? Fabrikneu. Wie zum Teufel haben sie die an Bord gekriegt? Vollkommen unmöglich, es sei denn durch Korruption. Wenn wir landen – egal wo – werden die sich aus dem Staub machen. Die haben alles genau geplant und vorbereitet«, schlussfolgerte Hotchkiss.

Grant stimmte brummend zu. Plötzlich fiel ihm etwas am Abendhimmel auf. Noch war die Sonne nicht ganz untergegangen; sie hatten einen freien Himmel vor sich, der nur langsam von Rot zu Violett und danach in Schwarzblau überging. Grant glaubte jedoch, in der Ferne einen Blitz zu sehen, und das ohne jede Wolke in der Nähe! Das Unwetter hatten sie bereits viele hundert Meilen hinter sich gelassen. Wieder durchzuckte ein Blitz in auffällig blaugrüner Färbung den Himmel. Dann noch einer und gleich darauf ein weiterer. »Siehst du das? Was ist das? Ein Wetterphänomen? Ist es das Gleiche, das in den vergangenen zwei Wochen schon ein paar unserer Kollegen beobachtet haben?«

Hotchkiss suchte konzentriert den Himmel ab. »Ja, sieht so aus. Aber schau nur, es sind viele Dutzend dieser Blitze. Was immer das für ein Phänomen ist, es wird heftiger. Sollen wir ausweichen oder durchfliegen, was meinst du? Unsere Supersonic wurde für schlechtes Wetter gebaut, die kann alles aushalten. Wahrscheinlich sind es Spannungen zwischen den Luftschichten. Für uns keine Gefahr, unser Baby ist vollkommen antistatisch.«

Die beiden Piloten blickten sich einen Moment lang an, dann fällten sie ihre Entscheidung.

»Wir bleiben auf Kurs. Im schlimmsten Fall werden wir ein wenig durchgeschüttelt. Wir retten niemanden, wenn wir einen Umweg machen und irgendwann aus Spritmangel ins Meer stürzen«, sagte Grant.

»Das wird diese Kerle mächtig ärgern«, erwiderte Hotchkiss.

Sein Kopilot sagte nichts darauf. Es war an jedem selbst, stillschweigend die Tragweite ihrer Entscheidung auszuloten. Sie hatten sich dem unheimlichen Blitzgewitter schon deutlich genähert, als sich die Cockpittür wieder öffnete.

Johan kehrte zurück. Gebannt starrte der Terrorist nach draußen, angesichts der mächtigen Blitze kaum in der Lage zu reagieren. »Was ist das da vorn? Warum fliegen wir darauf zu?«, herrschte er die Piloten an und hob sein Gewehr.

»Das ist bloß ein Wetterphänomen. Wenn wir darum herumfliegen, verbrauchen wir zu viel Treibstoff«, erklärte Hotchkiss. Er versuchte, so sachlich wie möglich zu klingen.

»Dann können Sie Ihrem Boss erklären, warum wir irgendwo im Persischen Golf notwassern müssen«, fügte Grant kaltschnäuzig hinzu.

Johan funkelte ihn zornig an. Hotchkiss gestattete sich ein kurzes Lächeln. »Keine Sorge, Mann. Sie fliegen mit der Supersonic