Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Veyron Swift bekommt Besuch von einem ungewöhnlichen Klienten: Einem Edelmann aus der magischen Elderwelt. Dort treibt eine Bande Schrate ihr Unwesen, die über einen Tarnmantel verfügen und die Schätze einer blinden Fürstin stehlen. Veyron und sein treuer Assistent, Tom Packard, machen sich sofort auf den Weg nach Elderwelt, um dieses Mysterium aufzuklären. Doch Veyron stellt schnell fest, dass nichts so ist, wie es zunächst scheint...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 70
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Tobias Fischer
Veyron Swift und die Blinde Duchesse
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Die blinde Duchesse
Mehr von Veyron Swift:
Impressum neobooks
Tobias Fischer
Veyron Swift
und die Blinde Duchesse
Den 23. Oktober des Jahres 2013 würde Tom Packard nicht so schnell wieder vergessen. Nicht nur, weil es seit Vormittag in Strömen regnete und der Wetterdienst vor lokalen Überschwemmungen warnte. Auch deshalb nicht, weil Veyron Swift auf der Couch lag, die karierte Wolldecke bis unter das Kinn gezogen, mit so schlechter Laune, dass man ihn am besten gar nicht ansprach. In solchen Fällen bekam man nämlich nichts anderes als Misanthropie und Selbstmitleid zu hören.
Veyron Swift war ein wahres Energiebündel, wenn er an einem Fall arbeitete, mit seinem rastlosen, lichtgeschwindigkeitsschnellen Verstand zu schier übermenschlichen Leistungen imstande. Aktiv war er voll überschäumender Begeisterung – die jedoch in ein tiefes schwarzes Loch zusammenfielen, wenn nicht schnell ein neuer Fall in Aussicht stand. Wenn es nichts gab, an dem sich sein Verstand reiben konnte, verfiel Veyron in eine antriebslose Müdigkeit, die seinesgleichen suchte.
»Urlaub«, hörte Tom ihn klagen. »Ich brauche Urlaub, Tom. Ich kann nicht mehr aufstehen, ohne die Last der ganzen Welt auf meinen Schultern zu spüren.«
»Na, dann legen Sie die Last doch einfach ab«, rief Tom laut. Er saß in der Küche und schaute sich gerade ein spannendes Spiel im Fernseher an. Die Hotspurs gegen Liverpool. Für die Hotspurs stand es nicht schlecht – da konnte er Veyrons Selbstmitleid grad gar nicht gebrauchen.
»Ach, du verstehst mich nicht«, seufzte Veyron. »Immerhin kannst du nichts dafür. Dein Verstand ist beklagenswerter Weise nicht so ausgeprägt, wie der meine. Ach, wie elend ist die Welt! Urlaub oder Arbeit! Gib mir Arbeit, Tom. Gib mir einen Fall, gib mir irgendetwas zu tun, woran sich meine Seele aufrichten und meinen Geist wieder mit Leben erfüllen kann!«
»Mann, dann gehen Sie halt nach draußen und suchen Sie sich einen Fall«, maulte Tom. Er verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Selbst im Selbstmitleid war Veyron noch imstande, ihn zu beleidigen. Nein, das war garantiert nichts, was diesen Tag in Erinnerung bleiben lassen würde.
Aber das kannte Tom nach ganzen zwei Jahren unter einem Dach mit Veyron Swift inzwischen zu genüge. Er wusste, dass würde wieder aufhören, sobald seinem Patenonkel neue Ideen in den Sinn gekommen waren, gleich ob sinnvoll oder absurd. Nur zu gut erinnerte er sich noch daran, wie Veyron nach genau einer solchen lethargischen Phase auf einmal aufgestanden war und mit dem Züchten eines Fliegenschwarms begonnen hatte – oder im vergangenen Frühjahr, als er auf die Idee kam, sich urplötzlich als Chemiker zu versuchen und beinahe das ganze Haus in die Luft gesprengt hätte.
Am späten Nachmittag, inzwischen bildete sich im Garten ein regelrechter Teich und die Wisteria Road glich mehr einem Stadtbach als einer Straße, hämmerte es plötzlich laut und heftig an der Haustür. Tom schrak hoch und stellte den Fernseher lautlos. Als es ein zweites Mal hämmerte, stand er auf und ging in den Flur.
»Wer ist da?«
»Verzeihung«, antwortete ihm eine dunkle Männerstimme. Tom glaubte einen französischen Akzent zu hören. »Ist dies das Haus von Monsieur Veyron Swift? Dem Ermittler für mysteriöse Angelegenheiten?«
»Ist es«, maulte Tom. »Warum klingeln …«
Im nächsten Moment wurde er auch schon von Veyron grob zur Seite geschoben, der plötzlich wie von der Tarantel gestochen angerannt kam.
»Lass den armen Mann doch endlich herein«, rief Veyron aufgekratzt, riss die Tür auf und zog den Fremden ins Haus, ehe dieser wusste, wie ihm überhaupt geschah.
»Willkommen, Monsieur. Sie kommen gerade im rechten Augenblick, ein wahres Himmelsgeschenk! Bitte, legen Sie den nassen Mantel ab. Darf ich Sie ins Wohnzimmer bitten? Dort können Sie Ihren Fall in Ruhe schildern. Tom, setze bitte eine Kanne Tee auf, unserem Gast ist sicher kalt.«
Veyron sprach so schnell, dass Tom Mühe hatte, alles mitzubekommen. Der Mann – hochgewachsen, mit breiten Schultern und einem verwegenen Blick, lächelte schräg, bedankte sich mit einem mehrfachen »Merci, merci« und folgte Veyron dann ins Wohnzimmer.
Tom konnte nur den Kopf schütteln. Mit einem Fingerschnippen war Veyron aus der Lethargie erwacht, eilte hin und her, bereitete seinem Gast einen Platz auf der Couch und setzte sich selbst in den großen Ohrensessel, die Fingerspitzen aneinandergelegt und aufmerksam lauschend.
Ihr Besucher stellte sich als Chevalier Tanneguy du Gerwagné vor und so weit Tom das beurteilen konnte, schien er in allerbester körperlicher Verfassung. Sein Englisch war nicht schlecht, aber wie sich rasch herausstellte, sprach er trotz seines Namens auch kein perfektes Französisch (Veyron hingegen schon).
»Mir wäre es recht, wenn wir uns auf Eurer Sprache unterhalten könnten. Es sei denn, Ihr sprecht Okzitanisch«, meinte der Chevalier, worauf Veyron kurz auflachen musste.
»Òc, solide«, sagte er.
Der Chevalier klatschte begeistert in die Hände. »“Nutze deine natürliche Fähigkeit zu überzeugen“. Formidable! Ihr habt nicht übertrieben, als Ihr auf Eurer Webseite sechzehn Sprachen erwähntet, die Ihr beherrscht. Formidable! Magnific!« Tanneguy du Gerwagné beugte sich vor und seine laute Stimme nahm einen leisen, verschwörerischen Tonfall an. »Sénher Swift, ich muss Sie fragen: Haben Sie tatsächlich schon von Elderwelt gehört?«
Nun war es an Tom, kurz aufzulachen. Der Chevalier bedachte ihn mit einem zornigen Blick.
»Natürlich haben wir von Elderwelt gehört«, gab Tom zurück. Tanneguy musterte ihn von oben bis unten.
»Hat Euer Knappe nichts anderes zu tun?«
»Bleiben Sie gelassen, Chevalier du Gerwagné«, mahnte ihn Veyron amüsiert. »Sie können vor Tom so freisprechen wie vor mir. Wenn Sie jedoch auf seine Abwesenheit bestehen, muss ich Sie darüber informieren, dass ich ihm hinterher alles bis ins kleinste Detail erzählen werde.«
Darüber schien der Chevalier kurz nachdenken zu müssen. »So sei es«, meinte er schließlich mit einem Schulterzucken. »Er kann bleiben.«
»Ich nehme an, Sie fragen mich nicht umsonst danach, ob ich mit Elderwelt vertraut bin«, versuchte Veyron den Faden wieder aufzunehmen.
»So ist es«, bestätigte ihr Besucher. »Ich selbst komme von dort.«
Tom war froh, dass er Augenlider besaß. Anderenfalls wären seine Augen jetzt sicherlich zu Boden gepurzelt, so weit wie er sie aufriss.
Der Chevalier sprang auf und hielt sich mit inbrünstigem Stolz die Rechte ans Herz. »Ich bin der Chevalier Tanneguy du Gerwagné, Gefolgsmann des Herzogs von Velay, Ritter des Reiches Tewensiniel, Träger des Violetten Bandes und Hüter des Kreuzes der Heiligen der Vergessenen Tage. Meine Ahnen kämpften gegen die Invasoren aus dem Imperium Maresium im Süden und gegen die wilden Stämme am Westfluss.«
Schließlich setzte er sich wieder und schien das erstaunte Schweigen seiner Zuhörer zu genießen. Veyron gestattete sich ein zufriedenes Grinsen.
»Bitte, Chevalier, wenn Sie nun fortfahren wollen, wäre ich Ihnen sehr verbunden.«
»Ihr werdet Euch vielleicht wundern, warum mir Eure Welt – Fernwelt – bekannt ist. Vor zehn Jahren entdeckte ich nämlich ein magisches Tor, dass mich in ein Land Namens Frankreich führte. Okzitanisch spricht man offenbar nur noch sehr selten in diesem Frankreich und das dortige Französisch ist nicht so, wie wir es in Tewensiniel sprechen. Bei uns ist es eine Hofsprache, die nur unter Edelleuten gesprochen wird, während der gemeine Bauer Okzitanisch oder Tewensinisch spricht. Talasenglisch ist bei uns die Sprache der Händler und maresisches Latein benutzt man in der Kirche und in den Kreisen der Wissenschaft. Wir wachsen also recht vielsprachig auf, in Elderwelt. Anders als in eurer Welt, wo jeder Bürger offenbar nur eine einzige Sprache beherrscht. Eure Welt ist in der Tat seltsam und verrückt, laut und stinkend. Aber voll interessanter und merkwürdiger Dinge, der Erforschung durchaus würdig. Seit zehn Jahren erkunde ich Eure Fernwelt jetzt schon, sofern es meine Zeit gestattet; insgesamt nur für wenige Monate im Jahr. Darum dachte ich, dass ich hier vielleicht die Hilfe finde, die es in Tewensiniel und in ganz Elderwelt nicht gibt. Ich suchte in diesem unglaublich großen Informationsspeicher, dem Internet, nach Spuren von Elderwelt, nach jemanden der mit meiner Welt vertraut ist. Und so stieß ich auf Euch.«
Veyron hob die Hand, dachte kurz über das Erzählte nach, dann gab er dem Chevalier ein Zeichen, fortzufahren.