Veyron Swift und der Orden der Medusa: Serial Teil 3 - Tobias Fischer - E-Book

Veyron Swift und der Orden der Medusa: Serial Teil 3 E-Book

Tobias Fischer

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Beschreibung

Die Fortsetzung von Veyron Swift und das Juwel des Feuers! Über ein Jahr ist seit Toms letztem Abenteuer mit seinem kauzigen Patenonkel Veyron Swift vergangen, als eine Prinzessin aus Elderwelt in London auftaucht und den Detektiv um Hilfe bittet. Die Medusa ist in ihrer Stadt unterwegs und bedroht die kaiserliche Familie. Immer mehr angesehene Herrschaften werden zu Stein verwandelt. Doch auch der Regent des Reichs, Consilian, scheint ein hinterhältiges Spiel zu treiben. Mit Intrigen und Mord setzt er dem Kaiserhaus zu und vernichtet nach und nach die stolze Familie. Veyron ist entschlossen die Wahrheit aufzudecken und den Dienern der Finsternis ein Schnippchen zu schlagen. Wieder mit dabei ist auch sein Assistent Tom Packard, der es kaum erwarten kann, endlich nach Elderwelt zurückzukehren. Die Rückkehr gestaltet sich jedoch anders als erwartet. Die mächtigen Zauberer der Simanui verweigern ihre Hilfe und so stehen Tom und Veyron bald mehr oder weniger allein gegen Consilian und den Orden der Medusa, die ihnen immer einen Schritt voraus zu sein scheinen. Mord wartet an jeder Ecke, Dämonen sind überall, und schon bald entbrennt ein Kampf um die Zukunft eines ganzen Imperiums...

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Tobias Fischer

Veyron Swift und der Orden der Medusa: Serial Teil 3

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Augustus

Ein netter, kleiner Abend

Nächtliche Ereignisse

Verschwörung im Dunkeln

Impressum neobooks

Der Augustus

Die Nacht verbrachten sie in einer Billig-Herberge. Das Zimmer war klein, Boden und Decke knarzten unentwegt und die Mauern wiesen zahlreiche Sprünge auf, denen man regelrecht beim Wachsen zusehen konnte. Veyron unterzog das Gebäude einer gründlichen Untersuchung und befand es schließlich für sicher – zumindest für eine Nacht. Tom brachte dennoch kein einziges Auge zu, ständig erwartete er den Zusammensturz des unsäglichen Gemäuers. Dafür bekam er genug von den nächtlichen Aktivitäten der Nachbarschaft mit und musste einige Male den Kopf schütteln oder kichern, je nachdem, ob sich die Bewohner gerade stritten oder andere Geräusche von sich gaben.

Kurz nach Sonnenaufgang, war Veyron wieder auf den Beinen. Er schleifte einen vollkommen übernächtigten Tom hinaus auf die Straße, wo sie sich in einer langen Reihe anstellen mussten, um sich an einem öffentlichen Brunnen zu waschen. Tom schlug daher einen Besuch in den Illaurian-Thermen vor. Veyron klärte ihn jedoch über das knapp bemessene Zeitfenster auf, dass sie hatten, um noch rechtzeitig zum Stadtsee zu gelangen. Floyd würde wohl nicht auf sie warten, bei so vielen hochgeborenen Passagieren, die er nach Bovidium ausfliegen durfte.

»Es war natürlich meine Idee gewesen, das Floyd dem Senat dieses Angebot unterbreitete. Ein kostenloser, blitzschneller Flug von Gloria Maresia nach Bovidium und an Bord fast die ganze kaiserliche Familie, sicher vor jedem Zugriff Consilians. Zehn Leibwächter wurde dem Kaiserclan zugestanden, keiner aus den Reihen der Prätorianergarde«, erklärte Veyron mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf den schmalen Lippen.

Kaum waren sie gewaschen, machten sie sich auf den Weg zum Stadtsee, den sie eine knappe Stunde später ohne Verzögerungen erreichten. Er lag auf der anderen Uferseite des Tirvin, im Südwesten der Stadt und wies dort nach nur zwei Kilometern dem Häuserwachstum eine natürliche Grenze auf. Der künstlich geschaffene, elliptische See war von einem ebenso künstlichen Ufer aus marmornen Trittplatten eingefasst. Jenseits des Sees lagen kleine, grüne Hügel mit Olivenhainen und Citrus-Plantagen.

Verfolger vermochte Tom diesmal keine auszumachen und Veyron schien es auch gar nicht weiter zu scheren. Sie erreichten das marmorne Ufer, wo sie von Toink, dem Zwerg, empfanden wurden. Er machte ein mürrisches Gesicht und hatte sich zornig die Fäuste in die Hosentaschen gestopft. Sein mächtiger, rotbrauner Bart zitterte vor Erregung.

»Ein unmögliches Betragen haben diese hochwohlgeborenen Prinzesslein! Pah! Haben mich angestarrt wie ein Wesen aus einer anderen Welt und die Nasen über meinen feinen Bart gerümpft!« beklagte er sich über seine Passagiere.

Tom gab zumindest Verständnis vor, während Veyron ganz offen sein vollkommenes Desinteresse für die Sorgen und Nöte des Zwergs demonstrierte.

Toink wetterte noch ein wenig weiter, während er sie per Ruderboot zur Silberschwan brachte. Sogar seinen Lehnsherrn hätten diese unverschämten Gören mit knappen Begrüßungen und ohne große Dankbarkeit abgekanzelt. Was für eine Unverfrorenheit!

»Kein Wunder, das Maresia bei uns auf Talassair so einen schlechten Ruf hat. Es gibt eintausend Vorurteile – und sie stimmen alle!«

Unter einer aufgehenden Sonne, lag das große Flugschiff golden schimmernd inmitten des Sees und wartete geduldig auf seine Passagiere. Über den Stummelflügel an Steuerbord kamen die hohen Herrschaften an Bord geklettert, wobei die uniformierten Seemänner den Damen eine helfende Hand reichten. Dank erhielten sie allein von Prinzessin Iulia, was Toink erneut in Empörung versetzte.

Kaum befanden sich die letzten Gäste an Bord, wurde der Anker gelichtet. Mit mehrfachem Knallen, starteten die zwölf Propellermotoren in ihren sechs Triebwerksgondeln. Blubbernd und hustend erwachten sie zum Leben und trieben die Do X gemächlich über das Wasser.

Während Veyron und Floyd den illustren Gästen Gesellschaft leisteten, erbat sich Tom die Erlaubnis, den Start vom Cockpit aus zu beobachten. Captain Viul hatte nichts dagegen einzuwenden. Tom durfte ihm und Copilot Wagner vom Navigationstisch aus über die Schultern blicken.

»Die Startstrecke reicht gerade aus, ist furchtbar kurz. Wäre der Verlauf des Tirvin etwas gerader, wäre das der viel bessere Lande- und Startplatz gewesen. Aber der König bestand ja ausgerechnet auf diesem Winzlingssee«, murrte der Captain der Silberschwan.

Der Stadtsee war an seiner längsten Stelle etwas über zwei Kilometer lang und mit vier Metern auch noch erschreckend flach.

»Das Landen ist nicht so schwierig, da reichen mir vierhundert Meter locker aus, bei vollem Gegenschub schaffe ich es sogar auf zweihundert Metern und weniger. Doch das Starten, das ist die Schwierigkeit. Kann also gut sein, dass wir ins Ufer krachen oder an einem der nahegelegenen Wohnhäuser hängen bleiben. Schnall dich gut an, Kleiner«, warnte Viul und zog das Sprachrohr heran.

»Toink, vollen Schub auf alle Zwölf«, rief er hinein. Tom krallte sich in die hölzernen Sitzlehnen und starrte gebannt aus den großen Scheiben. Er betete zu allen höheren Mächten sämtlicher Welten, dass nichts schiefging. Bei seinem letzten Abenteuer hatte er bereits eine furchtbare Bruchlandung mitgemacht. Auf eine Wiederholung war er nicht wild.

Viul beschleunigte, ließ die Silberschwan zum anderen Ende des Sees fahren, wo er das Flugschiff wendete und dann vollen Schub gab. Tom zählte die Sekunden, während das gegenüberliegende Ufer immer näher kam. Erst langsam hob sich die Silberschwan aus dem Wasser, stieg sanft und ohne Ruckeln immer höher in die Luft. Sie schossen über das Ufer hinaus, genau auf die ersten Mietsblöcke der Stadt zu. Tom krallte sich in die Armlehnen. Er hielt die Luft an. Gleich würde es krachen!

Die Katastrophe blieb aus, wenngleich knapp. Die Do X schaffte es gerade noch über die Hausdächer. Nach und nach gewann sie an sicherer Höhe. Copilot Wagner atmete mit hörbarer Erleichterung aus, der bärbeißige Captain schnalzte dagegen mit der Zunge.

»Na, so knapp war’s noch nie. Muss an dem ganzen Gepäck liegen, welche die kaiserlichen Herrschaften an Bord mitschleppen«, meinte er. Tom wurde am Navigationstisch vom Navigator abgelöst. Erleichtert begab er sich nach unten zu den Passagieren.

Die zehn Leibwächter hatten sich in den hinteren Teil der Reisekabine zurückgezogen, wo sie verkrampft in den Sesseln saßen und nicht wagten, aus den Bullaugen zu blicken. Anders als die Soldaten der Prätorianergarde, trugen sie einfache Tuniken aus dunkelblauem Leinen, darunter Hosen von dunkelgrüner Farbe und primitive Lederschuhe. Einige der Männer wiesen Bärte auf, die Jüngeren hatten sich die langen, dunkelblonden Haare auf dem Hinterkopf zusammengeknotet. Sie gehörten zum Stamm der Hroderingas, wie Tom später erfuhr, eines Barbarenvolks aus Turanon, dass dem Imperium Maresia zur Treue verpflichtet war. Von den Wundern Talassairs hatten sie noch nie gehört und zeigten daher auch die entsprechende Furcht vor der unbegreiflichen Flugmaschine.

Die edlen Damen und Herren saßen dagegen mit Floyd im Salon beisammen. Sie ließen sich vom König des Inselreiches mit Anekdoten aus seiner Jugend unterhalten. Es ging um Partys und noch mehr Partys, Floyds Lieblingsthema. Veyron zog sich bald darauf in eine Koje zurück. Dort versank er in tiefe Meditation. Die Augen hielt er geschlossen, doch die Zuckungen unter den Lidern, verrieten seine unermüdlichen Gedankengänge.

Tom kannte diesen Zustand inzwischen zur Genüge. Weil er keine Lust hatte, von seinem Paten ignoriert zu werden, zog er sich in eine eigene Koje zurück und legte sich schlafen.

Der nur einstündige Flug verlief ohne besondere Vorkommnisse. Lediglich ein einziges Mal wachte Tom auf. Die Blase drückte ihn schwer, es war fast nicht auszuhalten. Schnell begab er sich nach vorne in den Bug, wo sich das kleine WC befand. Ganz zu seiner Überraschung fand er die Toilettentür verschlossen vor. Er hörte jemanden würgen und winseln. Tom verdrehte die Augen. Eine der Prinzessinnen war luftkrank. Mann, das war ja voll peinlich.

Er klopfte gegen die Tür. »He, alles in Ordnung da drin?«

Keine Antwort, aber das Winseln hörte sofort auf.

Es verging ein weiterer Moment. Das Türschloss wurde geöffnet, Tom wich überrascht zurück. Anstatt einer Prinzessin, kam ein Junge heraus, vielleicht ein Jahr älter als Tom, aber einige Zentimeter kleiner. Sein Gesicht war regelrecht grün vor Übelkeit, er zitterte wie Espenlaub und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Der Junge trug eine feuerrote Tunika und ein purpurnes Pallium darüber, den römischen Herrenumhang. Das wies ihn sofort als Mitglied der kaiserlichen Familie aus. Der Saum seiner Tunika besaß einen kunstvollen Goldrand in Form eines gestickten Lorbeermusters. Ohne Tom eines weiteren Blickes zu würdigen, schob er ihn beiseite und wankte vorbei.

»Hey! So geht’s ja auch nicht!« beschwerte sich Tom. Er packte den Jungen am Ärmel. Mit einem Aufschrei riss sich der Prinz von ihm los.

»Fass mich nicht an, du Sklave!« herrschte ihn der Prinz mit explosionsartigem Zorn an.

»Sklave? Ich glaub dir geht’s wohl zu gut, was? Hier gibt’s keine Sklaven. Wie bist du denn drauf?«

Der Prinz ließ sich davon nicht beeindrucken, ganz im Gegenteil. Die Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. Völlig unbeherrscht fing er an zu brüllen.

»Du wagst es? Ich bin Gaius Aurelius Caesar, Großenkel des vergöttlichten Illaurian! Niemand macht mir hier Vorschriften! Niemand, verstehst du?«

Tom hob die Augenbrauen, fühlte, wie ihm die Hitze in den Kopf stieg. Er ballte die Fäuste.

»Und ich soll jetzt Angst vor dir haben, oder wie stellst du dir das vor?«

Gaius Caesar, Neros jüngster Bruder, stierte Tom einen Moment lang mit hasserfüllten Augen an, dann wirbelte er herum und eilte in den Salon davon. Tom rief ihm noch ein »Du Blödmann« hinterher, aber Gaius reagierte nicht mehr.

»Was für eine sympathische Familie! Die haben sich ja alle nicht unter Kontrolle. Lauter Psychos, Toink hat schon recht«, schimpfte Tom, ehe er im WC verschwand.

Endlich kam Bovidium in Sicht, eine große Insel inmitten azurblauer Fluten, in der Form eines gekrümmten Hornes. Die Küsten ragten steil aus dem Wasser, an der breitesten und zugleich niedrigsten Stelle nur fünf Meter, an der schmalsten und höchsten gewaltige dreihundert. Und dort thronte er, auf der äußersten Klippe, der Palast des Augustus. Ein gewaltiger Bau, der bis zur Hauptterrasse ganze vierzig Meter Hanglage überwand und dann noch einmal zwei Stockwerke in den Himmel ragte. Der eigentliche Wohn- und Geschäftsbereich des Augustus wurde dabei von den Kelleranlagen, den Wohnstuben der Sklaven, Wachsoldaten und den großen Zisternen für die Wasserversorgung gestützt, umgeben von dreistöckigen Arkadenbögen. Die ganze Anlage war rechteckig gehalten, maß in Länge und Breite jeweils über einhundert Meter. Um einen zentralen Innenhof, grenzten auf allen Seiten die Gebäudeflügel an. Die Prachtterrasse im Westen ragte hinaus auf die Klippe.

Die Silberschwan kreiste einmal um die Insel. Vom Cockpit aus hatte Tom den perfekten Überblick. Der Palast von Kaiser Tirvinius schien das einzige bewohnte Gebäude auf der ganzen Insel zu sein. Ein einsamer Ort, dachte er. Was für ein Mensch mag der Kaiser sein, wenn er sich hierher zurückzog, anstatt in der Hauptstadt zu regieren?

Captain Viul leitete schließlich die Landung ein. Sanft wie immer, setzte die Silberschwan nahe der Küste auf. Lediglich die Gischt, die hinter dem Heckruder aufbauschte, zeugte davon, dass sie tatsächlich gewassert war. Kaum stand sie still, spürte Tom das leichte Hin- und Herwogen der Wellen.

Es vergingen nur ein paar Minuten, ehe eine Gruppe Sklaven mit großen, prächtigen Ruderbooten ankam und längs der beiden Stummelflügel festmachte. Die Besatzung der Silberschwan hieß die Männer willkommen. Sie erfuhren, dass die Sklaven vom Augustus geschickt wurden, um seine Familie an Land zu bringen. Die illustren Passagiere verließen das Flugschiff also wieder einer nach dem anderen. Tom, Floyd, Toink, Viul und Veyron waren die letzten, die sich nach Bovidium aufmachten. Jedoch nicht an Bord eines Sklavenruderers, sondern in einem kleinen silbergrauen Rettungsboot, dass Toink sicherheitshalber mit Außenbordmotor ausgestattet hatte.

»Nicht, dass wieder so eine peinliche Flucht wie bei Loca Inferna ansteht«, murrte der Zwerg, worauf Veyron sich rechtfertigte, dass ein Boot mit Außenbootmotor sie ganz sicher sofort verraten hätte. Außerdem war ja alles gutgegangen und darum jede weitere Diskussion zu diesem Thema Zeitverschwendung. Toink brummelte zur Antwort etwas auf Zwergisch. Die Übersetzung behielt er trotz Toms Nachfragen lieber für sich.

Sie folgten den Sklavenruderern zu einem torähnlichen Höhleneingang und fanden sich in einer mit Fackeln beleuchteten Grotte wieder, wo geschickte Handwerker einen Steg samt Kaimauer angelegt hatten. Der kaiserlichen Familie wurde von Bord geholfen, für jeden stand eine Sänfte mit insgesamt vier Trägern zur Verfügung. Ein jeder nahm sie in Anspruch, mit Ausnahme von Prinzessin Iulia, die mit einem Blick auf Tom & Co, sichtlich von einem schlechten Gewissen geplagt wurde.

»Ich werde lieber zu Fuß gehen«, ließ sie die wartenden Sklaven wissen, worauf der älteste von ihnen regelrecht erschrak.

»Für eine hohe Herrin ist das nicht standesgemäß«, protestierte er mit sichtlicher Empörung.

»Lässt sich mein Großvater auf Bovidium in Sänften herumtragen«, fragte sie mit pikiertem Tonfall.

Der Sklave verneinte das überrascht und schien zu begreifen. Er schnippte mit den Fingern und die Sänftenträger entfernten sich ohne weiteren Kommentar. Iulia wartete, bis Veyron und die anderen angelegt hatten und zu ihr aufschlossen.

»Das ist sehr rücksichtsvoll von Euch, Prinzessin. Aber keine Sorge, wir sind gut zu Fuß«, meinte Veyron.

Nur Floyd war anderer Meinung.

»Wir hätten meinen Rolls Royce mitbringen sollen«, sagte er zu Captain Viul, doch dieser lachte nur.

»Den hätten wir niemals diese kleine Treppe hinaufbekommen. Viel zu schmal«, konterte er und deutete nach vorne auf den in den Fels gehauenen Aufgang. Eine gewundene Treppe führte tiefer in die Höhle hinein.

Floyd zuckte mit den Schultern. »Dann eben meinen Rolls und ein zwergisches Sprengkommando. Überhaupt fallen mir hier zahlreiche notwendige bauliche Maßnahmen auf. Elektrisches Licht und Unterwasserscheinwerfer zum Beispiel. Hier könnte man ein fantastisches blaues Licht an die Wände werfen. Style, Captain; hier fehlt es an Style. Diese Grotte hat sicherlich Potential. Die Felsen gehörten poliert, goldene Stoßleisten für die Stufen, vielleicht noch mit LED-Beleuchtung und…«

Weiter hörte sich Tom diese aberwitzigen Ausführungen nicht mit an. Dem armen Captain Viul blieb dagegen keine andere Wahl, als den visionären Umgestaltungsentwürfen seines Lehnsherrn zu lauschen.

Direkt unterhalb des Palastareals, führte die Treppe wieder ins Freie. Hier standen einige kleine Wirtschaftsgebäude, dahinter begannen die Gärten des Palastes. Sie waren in dem abfallenden Hang eingebettet, die gepflasterten Gehwege immer wieder durch marmorne Treppen unterbrochen, flankiert von Statuen nackter, athletischer Männerkörper. Sie zeigten allesamt erfolgreiche Olympioniken mit verschiedenen Sportgeräten – oder Halbgötter mit ihren Waffen. So genau konnte das Tom nicht unterscheiden.

Die Prozession, mit den Leibwächtern an der Spitze, nahm die Wege durch die Gärten hinauf zum Palast. Künstliche Bäche mit Wasserfällen und kleinen, halb unter Felsen verborgenen, blau schimmernden Grotten, prägten das Gartenbild. In künstlichen Teichen, an deren Ufern bronzene Wasserspeier standen, tummelten sich schillernde Fische. Zunächst hatte Tom sie für Goldfische gehalten, doch waren sie kleiner und lebten in großen Schwärmen. Je nach Lichteinfall nahm ihr Schuppenkleid eine andere Farbe an, mal leuchtend blau, mal grün, dann wieder gelb, rot, oder leuchtend violett.

»Diese Fische lebten früher in einem See in den Grünen Hügeln. Unsere Vorfahren hatten den See ausgetrocknet und man hielt diese Fischart für ausgestorben. Schließlich wurden sie hier auf Bovidium in einem fast ausgetrockneten Tümpel wiederentdeckt. Mein Großvater ließ sie in großen Becken züchten und dann in allen Teichen hier aussetzen. Sie sind die letzten ihrer Art. Wir nennen sie „Regenbogenwechsler“«, erklärte Iulia, als ihr Toms Staunen auffiel. Er schaute den leuchtenden Schwärmen noch einen Moment zu, anschließend beeilte er sich, um wieder zu Veyron und Toink aufzuschließen.

Zwischen den alten, krummen Pinien wuchsen auf freien Plätzen Mandarinenbäume und Palmen, von Gärtnern stets zurechtgestutzt und im Wuchs unnatürlich symmetrisch gehalten. Der Rasen der Gartenanlage wurde penibel gehegt und jedes fremde Kraut sofort entfernt. Einen gepflegteren Rasen gab es wohl auch in England nicht, da war Tom sicher. Schließlich erreichten sie die Stützarkaden des Palastes, der jetzt hoch über ihnen aufragte.

Über eine gewaltig hohe Außentreppe mussten die Besucher die vierzig Meter bis zum Haupteingang im Norden überwinden. Tom zählte 250 Stufen. Immerhin waren die Architekten von Tirvinius gnädig genug gewesen, alle fünfzig Stufen eine kleine Plattform dazwischen zu schieben, von der aus man über die Steilküste hinaus aufs Meer und die ferne Küste Maresias blicken konnte.

Dort, so erklärte ihm Veyron, stand in der Hafenstadt Sirenum ein großer Leuchtturm. Mit Hilfe von Lichtsignalen wurden Nachrichten aus Gloria Maresia an den Augustus übermittelt und seine Antworten wiederum zurück in die Hauptstadt „gefunkt“. Zwischen Sirenum und Porta Gloria, der nur zehn Kilometer westlich von Gloria Maresia liegende Flottenstützpunkt, standen im Abstand von zwanzig Kilometern sieben weitere Signaltürme, meist auf Hügeln platziert. Obwohl er eine Dreitagesreise entfernt von der Hauptstadt residierte, konnte der Kaiser auf diese Weise unmittelbaren Einfluss auf die Geschehnisse im ganzen Imperium nehmen.