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Veyron Swift ist zurück! In seinem dritten großen Abenteuer, wird er vom britischen Geheimdienst beauftragt, das magische Horn des Meeresgottes Triton zu finden. Veyron lehnt ab – bis er erfährt, dass sein allerschlimmster Gegenspieler, der dämonische Schattenkönig, ebenfalls nach dem Besitz des Horns trachtet. Zusammen mit Tom Packard, reist Veyron ein weiteres Mal in die magische Elderwelt. Hilfe finden sie auf dem Inselreich Talassair, wo ihnen der verrückte König Floyd sein bestes Schiff und eine Schar furchtloser Zwerge zur Seite stellt. Die Reise geht quer über den Ozean Elderwelts, doch wohin sie auch kommen, erwarten sie Mord und Verrat. Die Agenten des Schattenkönigs sind überall, auf dem Meer lauern blutrünstige Piraten. Es beginnt ein schier hoffnungsloser Kampf gegen die Mächte der Finsternis. Noch nie stand so viel auf dem Spiel. Für Veyron ist es zudem ein persönliches Duell, denn in seiner Vergangenheit hat der Schattenkönig tiefe Wunden hinterlassen…
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Seitenzahl: 162
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Tobias Fischer
Veyron Swift und der Schattenkönig: Serial Teil 5
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitulation
Floyds fliegende Bulldogge
Das Horn des Triton
Ruhigere Gewässer
Epilog
Impressum neobooks
Das vierzig Meter lange Flugschiff vom Typ Dornier Do-X, mit seinem silbernen Rumpf, dem steilen, hoch aufragenden Bug und dem großen Flügel, der sich über das Cockpit spannte, war ein unverkennbarer und für Tom erleichternder Anblick. Auf einmal kam ihm die Niederlage gegen den Schattenkönig gar nicht mehr so schlimm vor. Es war, als verliehe ihm das alte Fluggerät die Zuversicht, dass nun alles in richtigen Bahnen gelenkt würde.
Die Silberschwan landete ganz in der Nähe der Unglücksstelle. Die zwölf Propellermotoren in ihren sechs Tandem-Gondeln auf dem Flügel, wurden leiser und kamen zum Stillstand. Vorsichtig glitt das Flugschiff zu ihnen herüber. Die Tür über dem Backbord-Stummelflügel wurde geöffnet und heraus traten zwei Seemänner, die ihnen Leinen zuwarfen. Veyron und Danny fingen sie auf und zogen ihr Rettungsboot an den Stummelflügel heran.
Der Kommandant des Flugschiffs, Captain Bernard Viul, erschien im Eingang, sofort an seiner schneeweißen Uniform und dem strengen, wettergegerbten Gesicht, zu erkennen.
»Teufel noch eins«, keuchte er, als er sich schnell einen Überblick über Lage auf den Rettungsbooten verschaffte. »Das ist ja schlimmer als gedacht. So viele Leute kann ich unmöglich an Bord nehmen und nach Talassair ausfliegen. Allerhöchstens einhundert Mann – und dann nur die Verletzten.«
Veyron stieg zu Viul hinauf und die beiden schüttelten sich die Hände. Anschließend half der Captain Floyd an Bord. Einer nach dem anderen stieg nun aus und wurde von Viul willkommen geheißen. Vor Medusa verneigte er sich sogar kurz, was die Gorgone sofort erwiderte.
»Wir wären sicher eher hier gewesen, wenn wir nicht noch den Umweg über Fabrillian nehmen mussten, aber darauf hatten Sie ja bestanden, Mister Swift«, meinte Viul brummelnd, während alle an Bord gingen. Mit einem Wink seiner Rechten deutete er in Richtung Salon.
»Ihr spezieller Passagier wartet auf Sie. Ich schätze mal, es hat sicher etwas mit Ihren Plänen zu tun, wie immer halt«, sagte er.
Veyron, Tom und die anderen machten sich sofort auf den Weg nach hinten, allesamt – mit Ausnahme Veyrons – neugierig, wer sie dort wohl erwartete.
Die dunkelgrünen Samtvorhänge der Bullaugen waren zugezogen, um das Tageslicht auszusperren. Nur ein paar der Deckenlampen sorgten für ein wenig gedimmte, schummrige Beleuchtung. Eine einzelne Frau lümmelte in einem der Polstersessel, in Toms Augen eine der schönsten, die er jemals getroffen hatte. Schlank und hochgewachsen, himmellange Beine, perfekte Rundungen, ein makelloses, ebenmäßiges Gesicht mit einem wundervollen, kirschroten Kussmund, umrahmt von einer Mähne aus dunkelblondem Haar. Jessica Reed, die Vampirin.
Sie lächelte frech, als sie das Erstaunen der anderen bemerkte. Wie immer trug sie einen unverschämt engen, schwarzen Lederanzug, der ihre optischen Vorzüge gekonnt zur Geltung brachte – und sie ganz praktisch vor Sonnenlicht schützte. Danny pfiff leise zwischen den Zähnen hervor. Jessica musste deswegen lachen und entblößte dabei ihre spitzen, verlängerten Eckzähne, was Danny einen Schritt zurücktreten ließ
»Scheiße! Die Lady ist ja ein Vampir«, rief er, was Jessica jedoch nur noch lauter lachen ließ. Vor sich auf dem Tisch hatte sie ein Cocktail-Glas stehen, dass sie nun in die Hand nahm und genüsslich daran nippte.
»Geben Sie es ruhig zu, Swift: diesmal sind Sie heilfroh, mich zu sehen«, sagte sie im Anschluss und stellte das Glas wieder ab. Veyron setzte sich ihr gegenüber, legte die Fingerspitzen aneinander und musterte sie kühl.
»Das wird darauf ankommen, was Sie zu berichten haben, Jessica«, erwiderte er, bar jeglicher Emotion, was sie wiederum nur zum Lachen brachte.
»Da haben Sie gerade eine echte Katastrophe hinter sich und geben sich trotzdem so kalt wie ein Block Eis. Sie erstaunen mich immer wieder, Swift. Also, wo fange ich an? Am besten mal damit: Ihre kleine Polizistin befindet sich noch am Leben, liegt aber weiterhin im Koma. Die Elben konnten ihr nicht wirklich helfen, lediglich ihren Zustand stabilisieren«, erklärte sie.
Tom machte große Augen und setzte sich neugierig neben Veyron in den nächsten Sessel. Die anderen blieben lieber auf Abstand und beäugten Jessica misstrauisch.
»Waren das also Ihre geheimen Maßnahmen? Die Elben benachrichtigen, damit sie Jane helfen?«, hakte Tom bei seinem Paten nach. Veyron nickte stumm, das Erklären überließ er der Vampirin.
»Swift hat mich noch in der gleichen Nacht angerufen, als ihr zwei eure Begegnung mit dem Schattenkönig hinter euch hattet. Ich sollte unverzüglich nach Fabrillian aufbrechen und Königin Girian und die Elben benachrichtigen. Hab ich auch getan – ganz ohne Bezahlung. Aber Sie hatten recht: Der Schattenkönig ließ das Krankenhaus beschatten, von ein paar sehr unangenehmen Kerlen. Königin Girian hat ihren besten Krieger geschickt, ein Typ namens Faeringel. Er hat einen von den Vampir-Agenten ausgeschaltet, als dieser ihn daran hindern wollte, das Krankenhaus zu betreten. Selbst ein ausgewachsener Vampir-Söldner kann es nicht mit einem Krieger der Elben aufnehmen und schon gar nicht mit einem so starken und gutaussehenden Kerl wie diesem Faeringel. Schade, dass er sich nicht für Vampire begeistern kann. Er gefällt mir.«
Veyron hob kurz die Hand, um Jessicas Ausführungen zu unterbrechen.
»Ich bin nicht an Ihrem Männergeschmack interessiert, Miss Reed. Also, was konnten Faeringel und Girian erreichen?«, verlangte er im strengen Ton zu wissen.
Jessica rollte mit den Augen. »Das ist ja wiedermal typisch! Da sagen Sie ständig, man soll kein Detail auslassen, aber die wirklich interessanten Dinge wollen Sie nicht hören. Aber okay, Sie sind der Boss.
Faeringel konnte gar nichts ausrichten. Die Wunde von Ihrer Freundin Willkins erwies sich als zu schwer, um sie mit ein paar Kräutern oder einem Heilungstrank zu kurieren. Wir hätten sie direkt nach Fabrillian bringen müssen, aber das war unmöglich; wegen der Vampir-Agenten des Schattenkönigs. Faeringel meinte, dass sie im Krankenhaus noch am sichersten wäre. Von Zeit und Zeit würde er einen seiner Leute hinschicken, um nach Willkins zu sehen und ihren Zustand zu überwachen. Ich bin also sofort nach Elderwelt zurückgekehrt, um Sie ausfindig zu machen und davon zu berichten. Sie könnten sich also ruhig einmal etwas dankbarer zeigen.«
Veyron erwiderte darauf gar nichts, saß einfach nur regungslos im Sessel, die Finger gefaltet und die Augen zu Schlitzen verengt. Er schien ein wenig verärgert darüber, dass seine Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatten. Was Tom zu seiner nächsten Frage verleitete:
»Weil wir gerade von Ihren Plänen sprechen: wie wollten Sie eigentlich von der Tritonsinsel entkommen, wenn die Rettungsaktion von Haddock und Farin gar nicht geplant war?«
Veyron seufzte kurz. »Ich wollte den Schattenkönig mit der möglichen Zerstörung des Horns erpressen, um uns freies Geleit zu garantieren, zumindest für Hunter und dich. Ich selbst wäre zurückgeblieben – als Gefangener des Schattenkönigs. Ins Horn des Triton habe ich einen der Peilsender geklebt, unsichtbar für alle neugierigen Blicke. Nach dem Peilsignal hätte das Schlachtschiff Oregon sein Feuer ausrichten sollen und Horn samt Monsterschiff zerstören.«
Tom schüttelte den Kopf. »Das ist Irrsinn. Sie wären dabei draufgegangen!«, schimpfte er.
Veyron zuckte beiläufig mit den Schultern.
»Genau wie du, bin ich bereit, für die Rettung Elderwelts notfalls mein Leben herzugeben. Aber diese Entscheidung wollte ich nur für mich allein fällen. Niemand sonst sollte verletzt oder getötet werden. Stattdessen hat nun Hunter meinen Platz eingenommen und das Horn des Triton befindet sich in der Gewalt des Schattenkönigs. Mit dem Unterschied, dass die Oregon nicht zur Stelle ist, um diese unglückselige Angelegenheit abzuschließen«, erwiderte er.
Danny schnaubte wütend, als er das hörte.
»Ich werde nicht zulassen, dass Gwen etwas zustößt und sie getötet wird«, protestierte er.
Veyron warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Danny hatte die Fäuste geballt, bereit für Gwen zu kämpfen, wenn es sein musste.
»Bitte beruhigen Sie sich, Mr. Darrow«, sagte Veyron gelassen. »Meine Pläne sind gescheitert und es besteht keine Veranlassung, sie in modifizierter Form – mit Miss Hunter als Bauernopfer – wieder aufzunehmen. Ich werde einen neuen Plan entwerfen, sofern die anwesenden Entscheidungsträger zustimmen.« Er deutete in Richtung Floyd und Farin.
Der König von Talassair, der an einem Nachbartisch Platz genommen hatte, sprang augenblicklich auf.
»Ich verlange es sogar«, befahl er streng. »Immerhin trägt der Schattenkönig nicht nur an der Ermordung von Julie Morton Schuld – wofür ich mich immer noch rächen will – sondern jetzt auch noch an der Versenkung meines Palastes! Also, lass dir rasch was einfallen, sämtliche Mittel von Talassair stehen dir zur Verfügung!«
Farin wagte diesmal nichts dagegen zu sagen. Seit dem Untergang der Olympic war der weißhaarige Zwerg überhaupt sehr kleinlaut geworden. Tom konnte es ihm nicht verdenken, immerhin war der Ausgang dieser Katastrophe zum Teil auch seine Schuld.
Veyron nickte zufrieden. »Schön. Während ich also mit der Ausarbeitung eines neuen Plans beschäftigt bin, schlage ich vor, die anderen helfen bei der Rettung der Überlebenden. Welche Maßnahmen wurden hierfür bis jetzt eingeleitet?«
Captain Viul kratzte sich kurz am Kopf. »Ich habe die RMS Adriatic verständigen lassen. Sie wird in ein paar Tagen hier eintreffen, um die Überlebenden an Bord zu nehmen. Bis dahin könnten wir die Rettungsboote zu dieser Insel schleppen, die knapp 170 Kilometer weiter westlich liegt«, schlug er vor.
Damit meinte er die Tritonsinsel. Tom biss sich auf die Lippe, als er daran dachte. Ohne das magische Horn hatte sich der schützende Wirbelsturm rund um die Insel nicht wieder aufgebaut und sie war daher frei zugänglich. Die Tritonen lauerten jedoch zwischen den Felsen und wären sicher nicht gut auf eine erneute Invasion von Fremden zu sprechen.
Die zehn Rettungsboote wurden mit langen Leinen am Heck der Silberschwan vertäut, und auch untereinander – mit den Rudern als Abstandsstangen, um zu verhindern, dass sie zusammenkrachten und zerbrachen. Mit ganz wenig Schubkraft, pflügte das Flugschiff dann durch die Wellen und zog die Boote hinter sich her. Die meisten der Verwundeten hatte man an Bord gebracht, wo Membenga und seine Krankenschwestern bessere Medikamente und Werkzeuge zur Behandlung zur Verfügung standen. Dennoch erwies sich das Manöver als ziemlich riskant. Die Wellen bauschten höher, je schneller sie fuhren. Die Gischt der Silberschwan flutete einige der Rettungsboote, so dass sie nach einer halben Stunde schon wieder anhalten und die Boote leerschöpfen mussten. Die nächste Etappe legte der ungewöhnliche Rettungszug dann langsamer zurück, was jedoch das Überschwappen der Wellen nicht gänzlich verhindern konnte. Es dauerte über zwei Stunden, ehe man den schwarzen Strand der Tritonsinsel erreichte. Die Rettungsboote wurden losgemacht und die Ruderer brachten sie mit eigener Kraft an den Strand. Aus dem Bordbestand der Silberschwan wurden Wassercontainer, einige Gasöfen, Faltzelte und Waffen geholt, um ein Lager aufzubauen. Captain Viul spendete zusätzlich noch Matratzen und Decken für die Überlebenden und nahezu den ganzen Vorrat an Medikamenten und Lebensmitteln. Wenig später stieß auch die Giganthornisse zu den Überlebenden. Sie ließ sich von Toink streicheln und wurde anschließend mit dem ganzen Bordvorrat an Fleisch gefüttert. Für den Rest des Tages verharrte das Tier an Ort und Stelle, bewegte nur hin und wieder einen Fühler oder ein Bein, wenn jemand dicht vorbeimarschierte. Tom, der beim Entladen der Versorgungsgüter half, wurde den Eindruck nicht los, dass das Rieseninsekt immer müder und lethargischer wurde, je länger es von seinen Nestgenossinnen bei den Simanui fort blieb. Es war an der Zeit, die Giganthornisse zu den Simanui zurück zu schicken. Dafür bräuchten sie jedoch erst einmal ein Schiff – und die RMS Adriatic, wie die Olympic ein alter Ozeanliner, war nur langsam.
Wie von Tom befürchtet, dauerte es nicht lange, ehe die Tritonen auftauchten. Zunächst bestand der Besuch nur aus einem Kundschafter-Paar, einem männlichen und einem weiblichen Tritonen. Sie standen auf hohen Felsen, sichtbar für jedermann, aber weit genug entfernt, um sie weder anzugreifen noch gefangen zu nehmen. Medusa bot sich als Dolmetscherin an, da die Tritonen ausschließlich Alt-Griechisch sprachen. Viul war natürlich einverstanden. Medusa näherte sich den Wächtern der Inseln allein und besprach mit ihnen die Lage. Es dauerte bis in die Abendstunden, ehe sie ins Lager zurückkehrte – in Begleitung eines einzelnen Tritonen.
Die Zwerge hatten inzwischen einige Lagerfeuer in Gang gebracht, um sich darum herum zu versammeln und zu wärmen. Eines der Rettungsboote fungierte als provisorische Kombüse, wo die überlebenden Mitglieder der Bordküche aus den wenigen Vorräten das Beste machten. Medusa stellte Viul und McMaster, der das Kommando über die Überlebenden führte, den Anführer der Tritonen vor, einen großen, muskelbepackten Krieger.
»Das ist Misenos, der Kommandant der göttlichen Wache. Er hat sich einverstanden erklärt, dass wir hier am Strand unser Lager errichten, bis ein Schiff kommt, dass uns abholt«, erklärte sie.
Der Tritone musterte die anwesenden Menschen und Zwerge aus seinen dunklen Augen. Dann sprach er etwas auf Alt-Griechisch, das für Tom alles Mögliche bedeuten konnte. Die Strenge in der Stimme des Kriegers mit seiner blauen Schuppenhaut und dem mächtigen Flossenauswuchs auf seinem Haupt, sprach dagegen für sich.
»Er verlangt, dass wir uns vom Heiligtum des Triton fernhalten. Außerdem befiehlt er die Rückgabe des heiligen Horns«, übersetzte Medusa.
Viul warf einen Blick zu Tom, der jedoch nur mit den Schultern zucken konnte. Der Captain der Silberschwan musste diese Entscheidung allein fällen. Floyd und Farin waren nicht zugegen, sondern mit Veyron an Bord des Flugschiffs zurückgeblieben.
»Sagt ihm, dass wir tun, was in unserer Macht steht. Das Horn wurde vom Schattenkönig gestohlen, aber wir werden es zurückbringen, wenn wir es vermögen. Und du, Tom, sagst das auch deinem Patenonkel«, entschied Viul.
Medusa übersetzte sofort. Misenos schien noch nicht zufrieden. Er machte eine Geste in Richtung Berg und sprach mit dunkler Stimme ein paar Worte.
»Misenos vertraut uns nicht, da wir es waren, welche das Horn entwendeten. Er ist jedoch überzeugt, dass wir nicht mit dem Schattenkönig im Bunde stehen. Darum schickt er zwölf seiner besten Krieger und Kriegerinnen, um uns bei der Rückgewinnung des Horns zu helfen«, sagte Medusa.
Viul schnaubte ungehalten. »Wohl eher, um sicherzustellen, dass wir Wort halten. Taugen diese Tritonen was?«
Medusa lächelte Misenos an und neigte in dankbarer Geste den Kopf.
»Nein. Ihre Kampftechnik ist miserabel«, sagte sie dann – was sie jedoch nicht wagte, zu übersetzen.
»Sagt ihm trotzdem, dass wir einverstanden sind«, erwiderte Viul nach ein paar Augenblicken des Nachdenkens. »Irgendwie werden wir die Kerle schon beschäftigen, damit sie uns nicht im Weg rumstehen.«
Medusa übersetzte lediglich das »Einverstanden« und Misenos nickte zufrieden. Er verabschiedete sich mit einem alt-griechischem Gruß und Medusa begleitete ihn zurück zum Rand des Waldes.
Gleich danach schickte Viul Tom mit einem Rettungsboot zur Silberschwan, um Veyron von den Ereignissen zu berichten. Er fand seinen Patenonkel im Salon – allein. Jessica hatte sich in eine der Kojen zum Schlafen zurückgezogen. Veyron saß an einem Tisch, die alte Ledertasche neben ihm und auf dem Tisch ausgebreitet, die Briefe des Fliegenden Holländers. Tom fand es erstaunlich, dass Veyron überhaupt in der Lage war, die schwungvolle, altmodische Schrift zu entziffern – zudem alles auf Holländisch. Aber wie er inzwischen wusste, sprach Veyron zehn Sprachen fließend und fünfzehn weitere verstand er zumindest einigermaßen sicher.
»Ich denke, ich habe einen Plan entworfen«, verkündete Veyron und faltete gerade einen der Briefe zusammen, den er zurück ins Kuvert steckte. Nachdenklich sank er in den Sessel zurück, seine Pupillen huschten blitzartig von einer Seite zur anderen.
Tom wartete einen Moment, ehe er von den Ereignissen auf der Insel berichtete, doch Veyron schien ihm gar nicht weiter zuzuhören.
»Geh und wecke Floyd. Er schläft in Viuls Kabine«, befahl er stattdessen. Tom bemerkte, wie Veyron sofort wieder in seine unergründliche Gedankenwelt versank. Es war nutzlos, ihn jetzt anzusprechen oder gar zu kritisieren – er würde so oder so nicht zuhören. Tom seufzte resigniert, drehte sich um und tat, wie ihm geheißen.
Vor Floyds Bett stand Farin, bewaffnet mit einer Pistole und einem Schwert. Er schreckte hoch, als Tom sich näherte. Rasch erklärte er dem Schatzkanzler sein Anliegen. Dann fragte ihn Tom, was das Wachehalten sollte.
»Es befindet sich eine Vampirin an Bord. Ich muss unseren König schützen«, erklärte Farin.
»Jessica ist vertrauenswürdig. Wir haben schon ein paar Mal mit ihr zusammengearbeitet, Veyron und ich.«
»Sie hat damals eine Menge Ärger auf Talassair verursacht«, hielt Farin giftig dagegen. Tom seufzte. Einen nachtragenden Zwerg konnte er jetzt gar nicht gebrauchen.
»Oh Mann, Farin … also echt! Weckt Euren König, Veyron hat einen Plan geschmiedet.«
Farin atmete angestrengt durch, drehte sich um und klopfte mit der Pistole gegen das Bettgestell. Floyd schoss kreischend hoch, die Hände zum Schutz erhoben.
»Tu mir nichts, Vampir!«, heulte er, nur um festzustellen, dass lediglich Farin und Tom vor seinem Bett standen. Aus einer der benachbarten Schlafkojen kam amüsiertes Gelächter.
»Nur in Euren Träumen, Majestät«, hörten sie Jessica müde raunen. »Ihr seid nicht mein Typ.«
Floyd stemmte protestierend die Fäuste in die Hüften.
»So was muss ich mir ausgerechnet von einer Vampirin sagen lassen! Unverschämtheit! Farin, diese Person bekommt Hausverbot!«, schimpfte er. Tom kommentierte das mit einem Augenverdrehen, Jessica dagegen mit einem boshaften Kichern. Bevor das Ganze noch in einen Streit ausartete, bat Tom Floyd, in den Salon zu kommen und sich anzuhören, was Veyron ausgetüftelt hatte. Sofort war der König Talassairs auf den Beinen und folgte Tom, Farin kam hinterdrein.
Kaum gelangten die drei in den Salon, tat Veyron, ohne ein Wort der Begrüßung seine Absichten kund.
»Floyd, wir haben keine andere Wahl. Sie müssen vor dem Schattenkönig die Kapitulation Talassairs erklären. Bedingungslos«, sagte er. Den anderen fielen die Kinnladen herunter. Für einen Moment war niemand in der Lage, etwas zu sagen. Das gab Veyron die Gelegenheit, in Seelenruhe noch mehr Details seines Plans zu enthüllen.
»Wir werden morgen früh nach dem Monsterschiff suchen und Kapitulationsverhandlungen anbieten. Der Schattenkönig wird dem nicht widerstehen können. Sie, mein guter Freund, werden sich mit allen Bedingungen einverstanden erklären, die der Schattenkönig stellt. Notfalls werden Sie auch auf die Krone verzichten, falls dies gefordert wird.«
Floyd schnappte erschrocken nach Luft.
»Veyron, du hast den Verstand verloren! Ich werde niemals auf meine Krone verzichten! Was ist dann mit meinen ganzen schönen Palästen, meinen Autos, meinen Flugzeugen, meiner Eisenbahn? Niemals! Ich bin der König, ich sage, wo’s langgeht! Das wird auf keinen Fall gemacht«, schimpfte er.
Veyrons einzige Reaktion bestand in einem interessierten Heben der Augenbrauen.
»Sie haben einen alternativen Plan, Floyd? Ich bin ganz Ohr«, sagte er. Floyd stierte Veyron entgeistert an, öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus. Er wandte sich an Farin, der ebenfalls nur mit den Schultern zuckte. Veyron schien in seiner eher geringschätzigen Meinung gegenüber Floyds geistigen Fähigkeiten bestätigt.
»Dann wird es so gemacht, wie ich es sage. Keine Abweichungen, keine Alternativpläne, kein eigenmächtiges Vorgehen. Alles, was von nun an jedermann tut, geschieht im Kontext unserer Gesamtstrategie. Talassair wird morgen kapitulieren. Das ist der erste Schritt«, sagte er im gebieterischen Ton.
Floyds Widerstandswillen schien noch nicht gänzlich gebrochen. Verzweifelt wandte er sich an seinen Schatzkanzler.
»Farin, sag was dagegen!«.
Doch Farin ließ seinen König in dieser Angelegenheit im Stich.
»Ich werde sofort eine glaubhafte Kapitulationsurkunde ausarbeiten. Ihr entschuldigt mich«, sagte er, deutete eine Verbeugung an und verschwand dann in Richtung Cockpit. Floyd, ratlos, was er nun tun sollte, folgte ihm, leise vor sich her murrend, wer denn nun eigentlich der König sei.
Endlich mit seinem Paten allein, setzte sich Tom ihm gegenüber.
»Das meinten Sie eben doch nicht wirklich ernst, oder«, fragte er halblaut. Veyron verzog seine schmalen Lippen keinen Millimeter.
»Ich fürchte doch«, erwiderte er einen Moment später. Anschließend erläuterte er Tom den Rest seines Plans. Es war das vielleicht Verrückteste und Gefährlichste, was Tom je an verrückten, gefährlichen Plänen zu hören bekommen hatte.
Gleich nach Sonnenaufbruch startete die Silberschwan ihre Motoren, hob in die Lüfte und ließ die Tritonsinsel rasch hinter sich.