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Auf einer entlegenen Insel im Mittelmeer liegt das Luxusresort Villa Metaphora: ein Mikrokosmos, in dem wilde Natur auf raffinierte Zivilisation trifft, internationale Gäste auf lokales Personal. Doch das Idyll entpuppt sich schon bald als eine luxuriöse Falle.
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Seitenzahl: 1425
Andrea De Carlo
Villa Metaphora
Roman
Aus dem Italienischen vonMaja Pflug
Titel der 2012 bei Bompiani, Mailand,
erschienenen Originalausgabe: ›Villa Metaphora‹
Copyright © 2012 by Bompiani/ RCS Libri S.p.A.
Die deutsche Erstausgabe erschien 2015 im Diogenes Verlag
Covermotiv: Illustration von Malika Favre
Copyright © Malika Favre
Mit freundlicher Genehmigung von Handsome Frank Limited, London
Die Publikation der Übersetzung erfolgt mit freundlicher Unterstützung des italienischen Außenministeriums
Die Übersetzerin dankt dem Deutschen Übersetzerfonds für die großzügige Förderung ihrer Arbeit am vorliegenden Text
Alle deutschen Rechte vorbehalten
Copyright © 2016
Diogenes Verlag AG Zürich
www.diogenes.ch
ISBN Buchausgabe 978 3 257 24371 0 (1. Auflage)
ISBN E-Book 978 3 257 60692 8
Die grauen Zahlen im Text entsprechen den Seitenzahlen der im Impressum genannten Buchausgabe.
Der Autor versichert, dass die Namen der Figuren dieses Romans nicht die der realen Personen sind, die sie auch nur teilweise inspiriert haben mögen. Da es jedoch möglich ist – und in einigen Fällen sogar wahrscheinlich
[7]
[9]1
Von der Schiffsbrücke blickt Lara Laremi auf die glitzernde Weite des Meeres. Das grelle Licht bricht sich vielfach auf der Wasserfläche, dringt durch die dunklen Gläser ihrer Sonnenbrille, überflutet ihre Gedanken. Es ist der einundzwanzigste Juni, Sommeranfang, der längste Tag des Jahres, der Tag, an dem die Sonne ihren Höchststand erreicht, und der einzige Tag, an dem die Sonne am nördlichen Polarkreis nie untergeht. Zwar sind das hier technisch gesehen italienische Gewässer, doch die geographische Breite ist afrikanisch, und das merkt man: Es sind etwa vierzig Grad, ihre alte Sonnenbrille und der in einem kleinen Geschäft am Hafen von Lampedusa erworbene Strohhut schützen sie nur ungenügend. Hier und da auf dem Schiff haben sich Leute mit Schirmmützen, Getränken, Brötchen, MP3-Playern, Zigaretten niedergelassen. Vier Kinder albern herum, rennen hin und her und schubsen sich, lauthals getadelt von Müttern, die jedoch keine ernsthaften Anstalten machen, die Sprösslinge zu zügeln. Zwei Männer in kurzen Hosen rauchen und blicken sich träge um, zwei von der Sonne schon krebsrote Frauen reiben sich ständig mit Cremes und Lotionen ein. Lara Laremi tritt in den Schatten eines Vordachs, setzt sich auf eine rostige weiße Metallkiste und zieht die Beine an. Ihre Mutter wirft ihr bei jedem Streit ihren »italienischen Charakter« vor, den sie rein genetisch von ihrem Vater geerbt habe, doch an der irischen Herkunft ihrer Haut besteht keine Zweifel. Selbst wenn sie sich der prallen Sonne aussetzte, würde sie wahrscheinlich eher einen Sonnenstich bekommen, als braun zu werden, und [10]ihre Sommersprossen würden in wenigen Tagen so zunehmen, dass sie aussähe wie eine kleine Giraffe. Sie lässt ihren Blick schweifen, schnuppert in der Luft; je nach Windrichtung riecht es nach Salz, Schweiß, schlechtem Parfüm, Dieselabgasen aus dem rußigen Schlot.
Sie fragt sich, ob es eine gute Idee war, Lynn Lou Shaws Einladung anzunehmen, eine Woche mit ihr auf der Insel Tari zu verbringen, als Freundin, Vertraute und Stütze für deren schwankendes psychisches Gleichgewicht. Warum hat sie sich verpflichtet gefühlt, auf die Forderungen einer verwöhnten, labilen Schauspielerin einzugehen, die alle anderen Castmitglieder nicht ausstehen können oder sogar hassen? Nun, sie neigt dazu, Gelegenheiten, die das Schicksal ihr bietet, beim Schopf zu packen, da sie meint, sie könnten vielleicht einen verborgenen, tieferen Sinn haben. Außerdem ist Lynn Lou ihr auf gewisse Weise auch sympathisch und macht sie neugierig, denn sie ist gleich alt, hat aber einen völlig anderen Bezug zur Welt. Was immer Lara Laremi über sich sagen oder denken kann, sich in den Mittelpunkt zu stellen hat sie noch nie gereizt. Das weiß sie genau, seit sie die Theaterschule in Limerick besucht hat. Müsste sie sich mit einem Wort beschreiben, würde sie sagen, sie ist eine Beobachterin. Ihre Mutter dagegen charakterisiert sie so: »Du wirkst, als wärst du gerade vom Mond gefallen.« Wahrscheinlich bezieht sich das auf ihre Neigung, erst einmal grundsätzlich verwundert alles zu studieren, um es zu entschlüsseln.
Vielleicht hätte in diesem Fall doch das Misstrauen über die Neugier und die Ungeduld über ihre Empfänglichkeit für Zeichen siegen sollen. Sie hätte diese Drehpause dazu nutzen können, in anderen Teilen Italiens weiter nach ihren Ursprüngen zu forschen, anstatt von der Sonne geblendet in brütender Hitze hier auf diesem schwimmenden alten Kahn zu sitzen, mitten im scheinbar grenzenlosen Meer. Doch sie ist gerade an einem Punkt ihres Lebens, an dem sie aus dem Raster der rationalen [11]Entscheidungen herauskatapultiert worden oder herausgefallen ist; im Augenblick sind Zufall und Instinkt ihre einzigen Leitlinien. Vor einem Monat ist sie siebenundzwanzig geworden, und ihr scheint, dass sie lieber nachdenken als Entscheidungen treffen möchte. Nicht dass sie so etwas wie philosophischen Abstand gewonnen hätte: Sobald sie ihr Handy aus dem kleinen Rucksack holt und zum soundsovielten Mal die letzten drei SMS von Seamus wiederliest, hat sie den Beweis, dass es nicht so ist.
Ich antworte dir nicht persönlich zwischen uns ist schon alles gesagt du bist ein phantastischer mensch aber im moment muss ich mich auf das stück in dublin konzentrieren nicht aus egoismus, ich habe für nichts anderes zeit. Ehrlichkeit über alles wie du immer sagst tut mir leid lieber ein entschlossener schnitt als die sache hinzuziehen
Und:
Wenn du beruflich nach italien willst halte ich dich nicht auf sarah hat nichts damit zu tun zwischen uns lief es schon vorher schlecht auch wenn du es nicht sehen wolltest ich bin kein egoist und auch kein heuchler ich mag dich aber jetzt muss ich ans theater denken und an mich und an alles übrige
Und:
Ok also gute reise und viel glück
Sie denkt daran, wie sie diese Nachrichten in Irland gelesen hat, die erste nachts um zwei auf der Straße, die zweite zu Hause früh um sechs, die dritte im Bus zum Flughafen und dann noch mal beim Warten auf den Abflug und in dem hässlichen anonymen Hotelzimmer in Rom, das ihr die Filmproduktion besorgt hatte. [12]Sie denkt an ihre Fassungslosigkeit angesichts seiner geballten Abwehr und Banalität, seines Mangels an Einfühlsamkeit. Auch während der Arbeit am Set hat sie sie immer wieder gelesen, in den Drehpausen, auf der Toilette oder hinter den Kulissen, als bräuchte sie es, den Schmerz immer wieder neu zu schüren, die Wunde wieder aufzureißen, erneut in den Abgrund der Fragen ohne Antwort zu stürzen.
Sie steckt das Handy ein, beißt sich auf die Lippen, trocknet sich mit zwei Fingern die Augen unter der Sonnenbrille und blickt sich um. Sie hat alles satt, die Tränen, die Gedanken, diese ganze Reise; sie möchte endlich an irgendeinem Ufer landen, endlich etwas anderes denken und fühlen als Kummer oder Verzweiflung.
Erneut öffnet sie den Reißverschluss des Rucksacks, zieht die Seiten heraus, die sie aus dem Internet heruntergeladen und in einem Copyshop bei der Piazza del Pantheon ausgedruckt hat, damit sie wenigstens eine Ahnung davon bekommt, wohin sie eigentlich fährt.
Tari
Die Insel Tari liegt südlich von Sizilien zwischen Malta und Tunesien. Obgleich nur wenige Dutzend Seemeilen von Lampedusa, Linosa und Lampione entfernt, gehört sie nicht zum Archipel der Pelagischen Inseln. Mit einer Fläche von 7,7Quadratkilometern und einer höchsten Erhebung von 313Metern über dem Meeresspiegel (Monte Somnu) hat die Insel die Form eines sehr unregelmäßigen Ovals. Tari ist vulkanischen Ursprungs (der Vulkan schlummert seit 1916, dem Jahr des letzten Ausbruchs) und liegt näher an Afrika und Malta als an der Küste Italiens. Der Name der Insel kommt vom Türkischen tarih, was »Geschichte« bedeutet. Im Jahr 1411 landete der türkische Kapitän Kudret Yıldırım mit der Schebecke Tesadüf [13]an der Küste der Insel und verzeichnete das Ereignis in seinem Logbuch. Dennoch gelang es späteren türkischen Seefahrern nicht, sie anhand der von Yıldırım angegebenen Koordinaten wiederzufinden, deshalb gingen sie davon aus, dass es sich um eine Ausgeburt seiner Phantasie handeln müsse. Daher der Name Tarih, der dann, als die Insel 1501, fast ein Jahrhundert später, endlich »wiedergefunden« wurde, den vorherigen Namen Emfanise (Εμφάνισε), den ihr die Griechen (gemäß Strabon) gegeben hatten, und den nachfolgenden römischen Emfanis (so bei Plinius d. Ä., der sie in seiner Naturalis Historia erwähnt) verdrängen sollte. Das ›h‹ am Ende verlor Tarih erst mit dem Anschluss an Italien 1861 und wurde so zum heutigen Tari.
Die kleine, rauhe Insel wurde immer wieder belagert und durch Handstreiche erobert: Zuerst kamen die Phönizier, dann die Griechen, Karthager, Römer, Türken, Malteserritter, Engländer (1625 wurde Lord Tarlington zum Gouverneur ernannt), Spanier, Russen (die Brüder Kontschakow brachten sie 1742 kurz in ihren Besitz), Franzosen, wieder Engländer, Malteser und schließlich Italiener. Diese kulturelle Abfolge spiegelt sich im taresischen Dialekt wider, der sich von den auf Linosa und Lampedusa gesprochenen Dialekten grundlegend unterscheidet. Die sizilianisch-arabische Basis wird von Fragmenten der Sprachen der nachfolgenden Herrscher überlagert, so dass das Taresische mit seinen lateinischen, sizilianischen, italienischen, englischen, spanischen, maltesischen und französischen Elementen schon von einigen Linguisten (L. De Anlans, C. Canistraterra, F. Rudiger) als »natürliches Esperanto« bezeichnet wurde.
Die weitab gelegene und fast unzugängliche, seit 1913 durch ein Untersee-Telegraphenkabel mit dem Festland verbundene Insel verfügt heute über Schiffsverbindungen mit Sizilien und den Pelagischen Inseln und besitzt seit 2005 auch einen [14]Hubschrauberlandeplatz. Die 511Einwohner leben alle in Bonarbor, dem Hafenort der Insel. In der Vergangenheit gab es einen beträchtlichen Anbau von Johannisbrot, heute konzentriert sich die Landwirtschaft mehr auf Kapern (capparis spinosa), Linsen (lens culinaris), Feigen (ficus carica) und Kaktusfeigen (opuntia ficus-india). Das im 19.Jahrhundert florierende Schwammtauchen hat sich erschöpft, da die Bänke durch übermäßige Ausbeutung verschwunden sind, während noch immer in beschränktem Maße Fettfischfang betrieben wird. Es gibt auf der Insel keine Hotels, doch kann man im Sommer bei den Bewohnern in Bonarbor Zimmer oder kleine Appartements an der Ostküste mieten. Die Westküste Taris besitzt keine Süßwasserquellen, sie ist in der kalten Jahreszeit Stürmen und hohem Seegang ausgesetzt und seit je unbewohnt.
Ungeduldig eilen Laras Augen über die Zeilen, aber sie kann sich einfach hier in dieser starken Sonne nicht konzentrieren, bei dieser elenden Warterei, sie kann an nichts anderes als an die SMS von Seamus denken und dass sie sie wie eine dumme Gans nun doch wiedergelesen hat. Außerdem ist ihr die Insel sowieso ziemlich egal, sie fährt ja nicht hin, um das Meer zu genießen oder den Dialekt zu studieren. Es ist nur ein zufälliges, zeitlich begrenztes Exil, eine Gelegenheit, die Gedanken und Gefühle abzuschütteln, die sie in den letzten Monaten beschäftigt haben, und ein Versuch, das Gewesene möglichst zu vergessen und nach vorn zu schauen.
Zunächst sollte sie wenigstens Seamus’ SMS aus ihrem Handy löschen. Und aus ihrem Kopf die Bilder von Seamus, wie er breitbeinig auf der Bühne steht und eine Geste oder einen Tonfall erklärt – mit der ihm eigenen Mischung aus roher Energie und Empfindsamkeit, mit seiner aus Bühnenerfahrung und intellektuellem Spürsinn entwickelten Fähigkeit, genau zu wissen, was der Autor eines Textes bezwecken wollte. Sie fragt sich, [15]ob sie sich nicht schlicht und einfach in ihn verknallt hat nach dem Muster: junge Bühnenbildnerin verliebt sich in talentierten, schwierigen Regisseur, der vom Alter her ihr Vater sein könnte und der von der Bewunderung und naiven Abhängigkeit seiner Schauspieler lebt. Wann wird sie es so sehen können, wann wird sie darüber hinwegkommen? Seit sie vor einem Monat aus Irland weggegangen ist, hat sie jedenfalls keine großen Fortschritte gemacht; jedes Mal, wenn sie glaubte, ein wenig Abstand gewonnen zu haben, genügte ein Erinnerungsfetzen, um sie wieder reinzuziehen. Wenn sie daran denkt, bekommt sie eine unheimliche Wut auf ihre dummen geistigen Eigenschaften, auf die selbstzerstörerischen Neigungen ihres Herzens.
[16]2
Gianluca Perusato geht auf der Hauptterrasse auf und ab, unter sich das unter der sengenden Sonne wogende kobaltblaue Meer. Der Tag ist fast perfekt: klare, warme, trockene, energiegeladene Luft. Manchmal kräuselt eine leichte Brise die glatte, dunkel schillernde Wasseroberfläche mit silbrigen Reflexen. Auch seine Kleidung ist fast perfekt: weißes Leinenhemd, am Hals zwei Knöpfe geöffnet, Ärmel sorgfältig dreimal schmal umgeschlagen bis zur Hälfte des Unterarms, hellbeige Hose aus Leinen, Mokassins aus naturfarbenem Kalbsleder, nach Maß gefertigt von einem Schuhmacher in Perugia, der wie ein Künstler arbeitet. Sein Schritt ist ausgewogen, und wenn er das weiße Umfassungsmäuerchen erreicht hat, kehrt er mit einer eleganten Drehung um. Seine Bewegungen drücken Klasse aus, findet er, Weltgewandtheit, Entschlossenheit, eine Selbstkontrolle, die man von außen für Gelassenheit halten könnte.
Doch gelassen ist er gar nicht, kein bisschen. Seit Beginn der Bauarbeiten an der Villa Metaphora vor sieben Jahren ist der Druck stetig gewachsen, in den letzten Monaten war er sogar kurz davor, alles hinzuschmeißen, da die Kosten offiziell aufs Doppelte angewachsen waren im Vergleich zum ursprünglichen Kostenvoranschlag, und er die Eröffnung von Ostern auf Mitte Mai, dann auf den 14.Juni und schließlich auf den 21. verschieben musste. Es war ein Ausbluten ohne Ende, nur aufgehalten durch die permanenten Geldspritzen, die aus seiner normalen Architektentätigkeit stammten. Dass er das überhaupt durchgezogen hatte, war seiner grimmigen Entschlossenheit und dem [17]Bewusstsein zu verdanken, dass es längst kein Zurück gab. Wie oft hat er sich nach dem unerhörten Privileg von einst gesehnt, sich nicht um die Kosten kümmern zu müssen, die durch jede Meinungsänderung, jeden irrationalen Wunsch oder neuen Anspruch verursacht wurden, als sich seine Verantwortung noch auf die Planung für Auftraggeber beschränkte, die keinerlei Budgetsorgen kannten. Unter der momentanen Last quälender Ängste kommt ihm das vor wie ein sagenhaftes, goldenes, unerklärlicherweise untergegangenes Zeitalter.
Wie oft hat er davon geträumt, zu dem Moment vor sieben Jahren zurückkehren zu können, als er vom Deck des eleganten Zweimasters seines Freundes Bomfrini-Cismari zum ersten Mal diese weißen (damals allerdings eher grauen) Terrassen zwischen Meer und Himmel schweben sah. Die Idee, ein kleines Resort zu schaffen, das im Angesicht des grandiosen Naturschauspiels wie ein Juwel in die Felsen eingebettet ist, summte ihm schon im Kopf herum, seit er begonnen hatte, die Inseln des südlichen Mittelmeers zu erkunden – sei es per Segelboot mit Freunden, sei es von einem der weißgekalkten Steinhäuschen aus, die zur Miete standen und so typisch für die Gegend waren. Er wusste, dass so etwas eine Quelle großer architektonischer und finanzieller Befriedigung sein könnte, hatte aber vorher nie den idealen Ort dafür gefunden. In jenem glühenden Juli 2005 entdeckte er dann zufällig vom Meer aus die Villa Metaphora, und obgleich sie jämmerlich heruntergekommen war, verliebte er sich sofort in sie – wie in eine schwierige Frau mit außergewöhnlichen Eigenschaften. Und so kam es zu dem Projekt: Ein Gefühl wird zu einer Idee, die Idee wird zur Tatsache, die weitere Tatsachen nach sich zieht und mit jeder Phase komplizierter und belastender wird. Hätte er sich nur mehr Zeit zum Nachdenken gelassen, auf die Ratschläge seines Steuerberaters gehört, realistischer eingeschätzt, wie schwierig es ist, mitten im Nichts ein Mehr-Sterne-Resort zu errichten, hätte er nur die bürokratischen [18]Hürden, das Fehlen qualifizierter Arbeitskraft und geeigneter Materialien vor Ort samt den daraus erwachsenden Folgekosten bedacht. Doch nun war der Schritt längst getan: Nun ging es darum, seine neue Rolle als kreativer Unternehmer mit größter Überzeugung zu spielen und hundert Prozent aktiv zu gestalten. Außer seinem Ruf stehen diesmal auch seine Finanzen auf dem Spiel, seine ganze Zukunft; es gilt, immer nur vorwärtszugehen, Rückblicke sind verboten.
Gianluca Perusato kehrt in sein kleines Büro zurück, wo es noch stark nach Lack und Leim riecht, nach soeben beendeten oder noch fertigzustellenden Arbeiten. Zum Trost schnuppert er an seinem Handgelenk, atmet den Duft des Eau de Toilette Endymion von Penhaligon’s ein, mit dem er sich heute Morgen nach der Dusche eingesprüht hat. Ja, ein wenig tröstet es ihn, ebenso wie der Blick aus dem Fenster und das helle, reine Licht, das ins Zimmer flutet. Er setzt sich an den Schreibtisch und vertieft sich noch einmal in den Text für die Website und den Prospekt, der in den letzten Monaten unzählige Male umgearbeitet wurde.
Villa Metaphora
Der ursprüngliche Komplex der Villa Metaphora wurde ab 1946 von Baron Carlo Ludovico Emarico von Canistraterra errichtet, einem in dem sizilianischen Städtchen Calitri geborenen Linguisten, Kosmopoliten, Schriftsteller und Gelehrten. Als er nach Tari kam, um Studien über den einmaligen Dialekt zu betreiben, der auf der Insel gesprochen wird, verfiel der Baron sogleich der wilden Schönheit des Ortes und insbesondere der unbewohnten Westküste. Nachdem er den Felsvorsprung entdeckt hatte, der über den spektakulärsten Meeresblick verfügte, beschloss er, dass hier sein Traumhaus entstehen solle, ungeachtet der Überzeugung der [19]Lokalbevölkerung, dass auf dieser Seite der Insel nichts gebaut werden könne. Der Baron widmete sich persönlich der Planung eines im traditionellen Tareser Baustil gehaltenen Gebäudes mit sieben Terrassen, die durch Treppen und gepflasterte Wege verbunden sind und die alle einen unterschiedlichen Blick auf die außerordentliche Landschaft bieten. (Die Zahl Sieben ist seit je ein magisches und religiöses Symbol für Perfektion, da sie mit dem Mondzyklus zusammenhängt, und stand im Altertum für Globalität, Universalität, vollkommenes Gleichgewicht.)
Die Schwierigkeiten, die auftraten, weil der Ort nicht auf dem Landweg erreichbar war und daher alle Materialien per Schiff transportiert werden mussten, sowie eine Reihe finanzieller Widrigkeiten führten dazu, dass das Gebäude erst nach über zehn Jahren fertig wurde. Deshalb taufte der Baron es Villa Metaphora, denn er betrachtete es als Allegorie dafür, dass sich das Objekt der Begierde stets demjenigen entzieht, der es verfolgt.
Nach dem tragischen Tod von Baron Canistraterra 1961 stand die Villa jahrzehntelang leer und befand sich im Zustand bedrohlichen Verfalls, bis der weltberühmte Architekt Gianluca Perusato – Träger hochangesehener Auszeichnungen wie dem Heyder-Hofstetter-Preis 2004, dem Huntington Award 2007 und dem Gustave Sommier 2010 – sich 2005 in sie verliebte und beschloss, sie zu erwerben. Sieben Jahre sorgfältiger Restaurierung und gleichzeitigen Ausbaus haben dem Hauptgebäude den alten Glanz zurückgegeben und es durch einige Nebengebäude ergänzt, die dem Originalstil treu bleiben und doch mit den jüngsten Entwicklungen der zeitgenössischen Architektur Schritt halten. Im Juni 2012 öffnet die neue Villa Metaphora ihre Pforten – als kleines Spitzenresort mit absolut einzigartigen Vorzügen. Die fünf Suiten, jede mit eigener Terrasse und modernstem Komfort ausgestattet, [20]bieten die Möglichkeit, die Natur in einem der malerischsten und unberührtesten Winkel des südlichen Mittelmeers zu erleben. Dank einer Solar-Entsalzungsanlage (SMCEC – Solar Multiple Condensation Evaporation Cycle) und einer Klimaanlage mit Meerwasserkühlung (SWAC – Seawater Air Conditioning), die mit Sonnenkollektoren, Solarzellen und Windgeneratoren der jüngsten Generation betrieben werden, ist die Villa Metaphora ein Musterbeispiel in Sachen Umweltverträglichkeit und nachhaltiger Entwicklung. Die Einrichtung besorgte der Kunsthandwerker Paolo Zacomel mit eigenhändig angefertigten funktionalen Originalwerken. In der Küche regiert der junge spanische Starkoch Ramiro Juarez, Lieblingsschüler des legendären Hernán Xara, der mit unnachahmlicher Kreativität nur allerfrischste lokale Zutaten von höchster Qualität verarbeitet. Der ungehinderte Zugang zum Meer, das hier zu den unberührtesten Gewässern von ganz Europa gehört, und das Becken, in das direkt aus dem Felsen heißes schwefel-, jod-, brom- und salzhaltiges Thermalwasser sprudelt, die ungestörte Ruhe und absolute Wahrung der Privatsphäre (der Gebrauch von Mobiltelefonen und elektronischen Geräten ist nur auf dem Zimmer und einer dafür vorgesehenen Terrasse gestattet) sowie die besondere Energie, die dem vulkanischen Charakter der Insel zu verdanken ist, machen die Villa Metaphora zu einem einzigartigen Ort, der seinen Gästen die Erfahrung unvergleichlicher körperlicher und geistiger Erholung bieten kann.
»Luciaaaa?!« Gianluca Perusato brüllt, um in dem kleinen mehrstöckigen Labyrinth gehört zu werden. Ja, der Geruch nach Mörtel und Fußbodenharz ist noch deutlich wahrnehmbar, obwohl die Fenster offen stehen und der Wind sie zuschlagen könnte, so dass die Scheiben zerbersten (allerdings ist es im Moment fast windstill). Da jedes Fenster inklusive Rahmen, [21]Scheiben und Jalousien etwa zweitausend Euro kostet, wäre das wirklich nicht wünschenswert. Tatsache ist, dass alles hier zuletzt viel teurer war, als er sich vorgestellt hatte: Es gibt keinen einzigen verdammten größeren oder kleineren Posten, der nicht den Kostenvoranschlag überzogen hätte. Als er beschloss, sich in dieses Unternehmen zu stürzen, wusste er, dass er sich damit eine Last aufhalste, denn dieses Projekt erforderte viel mehr Engagement als seine übliche, elitäre Architektentätigkeit. Gerade das Ausmaß der Herausforderung hatte ihn ja gereizt, das implizite Risiko, die Idee, einzig auf seine eigenen Fähigkeiten setzen zu müssen, einmal sein eigener Auftraggeber zu sein. Doch er hatte weder mit der unendlichen Problemvermehrung gerechnet noch mit der Angst, damit nicht zu Rande zu kommen ohne andere Mittel außer denen seines Berufes, noch mit der dumpfen Feindseligkeit der Tareser, die sich systematisch weigerten zu begreifen, dass die Villa Metaphora eine großartige Chance für die gesamte Insel darstellte. Auch die Schwierigkeiten und die Kosten, um das ganze Baumaterial von weit her zu holen, hatte er unterschätzt, ebenso wie die Notwendigkeit, Arbeiter und Handwerker anzuheuern, die im besten Fall aus Linosa oder Lampedusa stammten, da die Leute aus Tari sich als völlig untauglich erwiesen, und ihnen Kost und Logis zu bieten. Ganz zu schweigen von dem Verrat seitens Luigi Sintaris, den er aus seinem Mailänder Büro abgestellt hatte, um die Bauarbeiten zu überwachen, und der nach einigen Monaten anfing, praktisch von allem etwas für sich abzuzweigen, so dass ihm keine Wahl blieb, als den Mann mit Schimpf und Schande davonzujagen. Oder dem ungeheuerlichen Verhalten von Mario Cotella, den alle Welt als ausgezeichnete Wahl für den Posten des Resort-Managers hielt und der dann, einen Monat vor der Eröffnung, seine Lohnforderungen verdoppelte unter dem Vorwand der Entfernung von seinem Wohnort, als ob er plötzlich entdeckt hätte, dass Tari nicht direkt bei Verona um die Ecke liegt. Eine [22]regelrechte Erpressung, die ihn dazu nötigte, den Mitarbeitern seines Architekturbüros weitgehende Vollmacht für die übrigen laufenden Projekte zu erteilen, um selbst ad interim die Leitung der Villa Metaphora zu übernehmen und sich mit Dingen zu beschäftigen, die er liebend gerne anderen überlassen hätte. Eigentlich hatte er nie den Ehrgeiz verspürt, das Resort persönlich zu leiten, doch die Zeit reichte einfach nicht mehr, um praktikable Alternativen zu finden. So sah er sich gezwungen, Anfang Juni hierherzuziehen, um die tausend Einzelheiten zu regeln, die unabdingbar sind für die Befriedigung höchster Ansprüche, die die Villa Metaphora bieten sollte.
Allerdings stellen ihn die Umstände auf eine harte Probe. Vorgeschwebt hatte ihm ein soft opening, eine langsame Eröffnung mit wenigen, nicht besonders anstrengenden Gästen (soweit es das hier überhaupt geben kann), um den Betrieb gemächlich anrollen zu lassen und langsam auf volle Touren hochzufahren. Das Ehepaar Cobanni und die Dame aus Frankreich schienen sich perfekt dazu zu eignen, und er hätte noch eine ganze Woche gehabt, um letzte Unvollkommenheiten zu beseitigen. Aber nein, durch eine Verkettung absurder Zufälle treffen gänzlich unerwartet nicht nur eine, sondern gleich zwei außergewöhnliche Buchungen ein – es wäre der reine Wahnsinn gewesen, sie abzulehnen. So hat er es nun mit zwei weiteren, sehr unterschiedlichen, im Umgang aber gleich schwierigen Gästepaaren zu tun, bei denen man sich nicht den kleinsten Fehler erlauben darf, ohne die Zukunft der Villa Metaphora aufs Spiel zu setzen. Außerdem wollte die Amerikanerin noch eine Freundin mitbringen: Das heißt, alle Suiten sind besetzt, und vom ersten Tag an herrscht höchster Druck (na gut, vom zweiten Tag an, aber das ändert kaum etwas).
Wie sollte Gianluca Perusato unter diesen Umständen ruhig bleiben? Jedes Vorrücken des Sekundenzeigers auf dem Zifferblatt seiner Rolex Sea Dweller bewirkt, dass ihm ein oder [23]mehrere entscheidende Details einfallen, die noch nicht ganz stimmen. Die Last der Verantwortung erdrückt ihn schier: In manchen Augenblicken kann er kaum atmen, und er verspürt ein verzweifeltes Bedürfnis nach Bestätigung und Anerkennung.
Endlich kommt Lucia, mit zu laut klappernden Absätzen, die Augen zu stark geschminkt, die dichten, glänzenden Haare zu aufgebauscht, ihre Formen in einen zu engen Rock und eine zu enge Bluse gezwängt. »Was ist los?« Der pseudorömische Tonfall, den sie sich zugelegt hat, um ihren taresischen Akzent zu überdecken, klingt recht glaubhaft, aber ihre pseudomailändischen Versuche kann man vergessen.
»Der Text für die Broschüre und die Website muss geändert werden!« Als er sie so breitbeinig vor sich stehen sieht, empfindet Gianluca Perusato eine schwer erklärbare Gereiztheit.
»Warum denn?« Lucia schüttelt den Kopf auf eine Art, die ihn noch mehr aufbringt als ihr Mangel an Feingefühl.
»Darum!« Gleich darauf bedauert er seine aufbrausende Reaktion, aber andererseits schafft er es bei der Anspannung dieser Tage einfach nicht, so gelassen zu bleiben, wie er gern möchte. »Außerdem müssen wir die Broschüre sofort in Druck geben. Sonst haben wir nichts, was wir den Gästen überreichen können.«
»Die haben ja eh schon die Website gesehen.« Lucia versucht auf typisch taresische Art, die Sache herunterzuspielen.
»Eben, und auf der Website haben sie einen Text gelesen, der so nicht geht!« Dass sie ihre Fehler nicht sofort einsieht, sondern so cool bleibt, macht ihn noch wütender.
»Was soll denn daran nicht gehen?« Bodenständig und misstrauisch muss sie inzwischen alles hinterfragen, was er sagt, bevor sie es annimmt.
»Zum Beispiel die Formulierung, dass sich die Villa ›im Zustand bedrohlichen Verfalls befand‹!« Gianluca Perusato schreit, trotz aller guten Vorsätze. »Das vermittelt ein scheußliches, [24]unheimliches Bild! Es muss heißen, dass sie jahrzehntelang dort schlummerte, wie im Märchen.«
»Oh, Verzeihung.« Lucia macht ein beleidigtes Gesicht, als fühlte sie sich in ihrer literarischen Ehre gekränkt.
»Und dann die ›finanziellen Widrigkeiten‹ des Barons. Was zum Teufel fällt dir eigentlich ein?«
»Na, so war’s doch, oder nicht?« Sie verteidigt ihre Position mit der Sturheit einer Mauleselin.
»Oder ›der tragische Tod‹ des Barons!« Je öfter er den Text auf dem Bildschirm wieder liest, umso mehr regt Gianluca Perusato sich auf. »Wollen wir vielleicht noch in allen Einzelheiten den Sturz vom Felsenriff beschreiben? ›Der Tod‹ genügt vollauf, ohne irgendwelche Adjektive!«
»Hatten wir nicht besprochen, dass wir die Geschichte der Villa möglichst eindrucksvoll schildern wollen?« Lucias fleischige Lippen hatten von der ersten Begegnung an seine Lust geweckt, weil sie auf eine starke natürliche Sinnlichkeit hindeuteten und leidenschaftliche Küsse und potentiell phantastische Fellationes versprachen, doch im Moment findet er sie eher animalisch.
»Ja, eindrucksvoll, ganz genau!« Ihren Pygmalion zu spielen hat ihn lange erregt, doch in den letzten Wochen hat die Anziehungskraft ihr gegenüber im gleichen Maß abgenommen, in dem der Verantwortungsstress zunahm. »Was soll das für einen Eindruck machen, von Verfall und tragischem Tod zu reden? Wir wollen Bilder von Frieden, Stille, Licht und intensiver Beziehung zu den Elementen vermitteln! Und nicht von auf den Felsen herumliegenden Leichen, zerbrochenen Scheiben, zertrümmerten Möbeln, Spinnweben, Mäusekot, Rost und Schimmel!«
»Ich habe es genau so gemacht, wie wir es besprochen hatten.« Breitbeinig aufgepflanzt steht Lucia da, schüttelt erneut den Kopf und schwenkt dabei, wumm, wumm, ihre kompakte Mähne hin und her.
[25]»Nein, so hatten wir es nicht besprochen.«
»Doch, genau so!«
»Okay, egal! Es muss geändert werden!« Gianluca Perusato dreht gleich durch. »Und nimm auch den Teil über die finanziellen Widrigkeiten raus, zum Donnerwetter!«
»Den auch?« Wieder mustert ihn Lucia mit finsterem Blick und überlegt, ob sie ihm recht geben soll oder nicht.
»Ja! Und auch den über das stete Sich-Entfernen des Objekts der Begierde!« Gianluca Perusatos Stimme hallt zwischen den frisch verputzten Wänden, kapiert sie denn gar nichts? »Die Villa Metaphora soll für unsere Gäste die unmittelbare Erfüllung eines Wunsches darstellen! Ist es möglich, dass du da nicht von allein draufkommst?!«
Lucia bläht die Backen auf, zieht eine Schnute und schnauft wie ein trotziges Kind, was ihn unter anderen Umständen vielleicht amüsiert hätte, doch jetzt verärgert es ihn noch mehr.
»Außerdem kannst du den metaphorischen Wert der Villa für den Baron nicht damit erklären, dass er sie als Allegorie betrachtete! Allegorie ist kein Synonym für Metapher, sie ist eine erweiterte Metapher!«
»Danke für die Belehrung, Herr Professor!« Die eigensinnige Inselbewohnerin ist taub für solche Nuancen und merkt gar nicht, wie sehr er sich in diesem Augenblick wünschte, sie wäre empfänglich und formbar.
»Auch die ganze Geschichte über den symbolischen Wert der Zahl Sieben muss man locker abhandeln, en passant, wir wenden uns ja nicht an Okkultisten!« Wie so oft bezweifelt Gianluca Perusato, dass seine Worte bei Lucia ankommen, dabei ist sie in Wirklichkeit gar nicht so unzugänglich, wie sie wirkt. Wenn sie will, lernt sie durchaus. Manchmal nur zu schnell. »Schreib einfach, dass es sieben Terrassen gibt, und basta. Nimm all diese nutzlosen spezifischen Daten raus. Es genügt zu schreiben, dass der Baron die Villa in den vierziger Jahren gebaut hat und dass [26]ich sie 2005 gekauft habe, um sie zu restaurieren. Keiner unserer Gäste hat Lust, noch mehr Zahlen aufzunehmen, außer denen, mit denen er schon jeden Tag zu tun hat!«
»Dann darf ich auch nicht schreiben, dass es fünf Suiten gibt?« Lucia sieht ihn herausfordernd an.
»Warum?« Gianluca Perusato fühlt sich plötzlich todmüde.
»Weil dann auch fünf eine nutzlose spezifische Zahl ist!« Die Hand auf die volle Hüfte gestemmt, provoziert Lucia ihn ganz offen, mit dunklem, flammendem Blick, und dass sie gerade in einer sehr heiklen Phase stecken, kümmert sie kein bisschen.
Doch waren es nicht gerade diese körperlichen und psychischen Merkmale gewesen, die ihn angezogen hatten, als sie auf Empfehlung von irgendwem zu einem Vorstellungsgespräch in sein Mailänder Büro kam, als würde sie zu einer abgekarteten Universitätsprüfung erscheinen? War es nicht gerade ihre elementare Weiblichkeit (wie weit unbewusst und wie weit als Mittel zur Verführung eingesetzt, war nicht erkennbar), die ihn dazu bewegt hat, ihr eine Stelle als assistant manager anzubieten und gleich darauf mit ihr ins Bett zu steigen, wobei er ihr vorgaukelte, dass seine Ehe mit Ludovica am Ende sei und sie nur ihren kleinen Töchtern etwas vorspielten, um die beiden nicht zu verunsichern? (Im Moment macht Ludovica mit den Mädchen Ferien in Cortina d’Ampezzo, den ganzen Sommer lang, und wenn er mit ihnen telefoniert, reden sie nur über Sachen oder über das Geld, das man braucht, um sie sich zu besorgen. Kleider, Kosmetikbehandlungen, Sportausrüstungen, immer neuer elektronischer Schnickschnack, Tennis- und Reitstunden – nie zeigen Mutter oder Töchter je die geringste emotionale Anteilnahme an seinem fürchterlichen Stress. Er würde sie jeweils gerne daran erinnern, dass die Villa Metaphora nicht, wie sie zu glauben scheinen, ein kostspieliger Zeitvertreib ist, sondern der Beweis dafür, wie sehr er sich abrackert, um seiner Familie einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen, [27]der beispielsweise drei Monate Ferien in Cortina umfasst. Doch dann lässt er es bleiben, denn im Augenblick steht er schon genug unter Druck, und außerdem macht ihn die Anwesenheit von Lucia Moscatigno in seinem Leben objektiv verwundbarer an der Front der Familienforderungen. Es ist ein Teufelskreis, eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt.)
»Dann schreib den Text doch selber um!« Lucia zieht die Schultern hoch und schiebt den Kopf vor, wie immer, wenn sie sich beleidigt fühlt. Diese potentiell aggressive Körperlichkeit verdankt sie ihren Vorfahren, lauter Bauern, Hirten und Schäfern, die erst Händler und dann Kleinunternehmer geworden sind. Jedes Mal, wenn diese Körperlichkeit aufscheint, empfindet Gianluca Perusato eine seltsame Mischung aus Belustigung und Alarmiertheit.
»Beruhige dich doch.« Er hat seinen Ärger schon überwunden und bemüht sich, die Wogen zu glätten. Er deutet ein Lächeln an, streckt die Hand aus, um ihr übers Haar zu streichen.
»Ich denke nicht daran!« Lucia ist wütend, ihre Bewegungen sind voll taresischer Heftigkeit, die nicht gespielt, sondern echt ist. »Lass doch die Mailänder Agentur den Text umschreiben! Dann darfst du wenigstens noch eine schöne Stange Geld dafür blechen!«
»Ach was, das kannst du wunderbar selber machen.« Gianluca Perusato will retten, was zu retten ist, bevor sich der Schaden noch ausweitet. »Wenn ich es dir nicht zutrauen würde, hätte ich dich doch niemals darum gebeten, den Text zu schreiben.«
»Hör schon auf mit der Schleimerei!« Sie will es nicht zeigen, aber sie ist schon leicht besänftigt, die Gesichtsmuskeln entspannen sich, wenn auch nur wenig.
»Es ist aber wahr. Ich habe größtes Vertrauen in deine Fähigkeiten, das weißt du. Hätte ich dich sonst zum assistant manager ernannt?« Am Anfang brauchte es viel weniger, um sie zu [28]beeindrucken, denkt Gianluca Perusato: Es genügte, ihr die Tür eines schönen Autos zu öffnen, sie in die Suite eines großen Hotels mitzunehmen, ihr ein schmales Goldarmband ums Handgelenk zu legen oder auch einfach nur am Telefon mit einem seiner ausländischen Auftraggeber Englisch oder Deutsch oder Französisch oder Spanisch zu sprechen. Die Rolle, ihr neue Horizonte zu eröffnen, war für ihn erotisch so elektrisierend, wie er es bei früheren Seitensprüngen mit Frauen aus seinem eigenen Milieu noch nie erlebt hatte. In den ersten Monaten ihrer heimlichen Beziehung hatte er sich sexuell wie neugeboren gefühlt, Herr einer willigen, dankbaren, neugierigen, gelehrigen Sklavin. Es gefiel ihm unheimlich, sie mit einem Seidenschal an den Handgelenken ans Kopfteil des Bettes zu fesseln, ihr mit einem Eiswürfel aus dem Champagnerkühler über die Brustwarzen zu streichen, ihr obszöne Worte ins Ohr zu flüstern, sie umzudrehen, sie von hinten zu nehmen, sie in den Hals zu beißen und bei ihrem Anblick keuchend Vergleiche mit berühmten Gemälden und Skulpturen anzustellen, die sie nicht kannte. Er hatte entdeckt, dass die kulturelle Ungleichheit ein noch mächtigeres Aphrodisiakum war als der Altersunterschied, und gnadenlos auf eine Reihe erotischer Tricks aus zweiter und dritter Hand zurückgegriffen, die er bei seiner Frau oder seinen Freundinnen nie auszuprobieren gewagt hätte – aus Angst, zu übertreiben oder entlarvt zu werden. Lucia spielte das Spiel gerne mit und bot ihm ihren jungen, straffen Körper, ihre scheinbare Unerfahrenheit im Tausch für alles an, was er sie lehren konnte. Doch ab einem gewissen Punkt ihrer Beziehung, als ihre Weltkenntnis allmählich wuchs, begann die taresische Naive, sich mit überraschender Geschwindigkeit weiterzuentwickeln. Man kann zwar nicht behaupten, sie sei zu einer Dame geworden, aber es ist auch nicht zu leugnen, dass ein riesiger Unterschied zwischen der Lucia von vor drei Jahren und der heutigen besteht: Die Fortschritte sind beeindruckend. Leider wird dadurch der leicht [29]perverse Genuss beeinträchtigt, den die Machtausübung des Wissenden über den Unwissenden bereitet.
»Wenn du wirklich Vertrauen zu mir hättest, würdest du dir nicht träumen lassen, so mit mir zu reden!« Lucias Stimmgewalt explodiert, ein Evolutionsergebnis zahlloser Generationen, die sich schreiend verständigten, von einem Boot zum anderen, von einem Felsen zum anderen. Sie hat diese etwas verschwommenen Gesichtszüge, diese glatte Haut, diesen dunklen, feuchten Blick, der ihn am Anfang an eine junge Kuh denken ließ, energisch, gesund, widerstandsfähig. Doch inzwischen ist die junge Kuh mit ihm in New York, London und Paris gewesen, hat in den besten Restaurants gegessen und in den luxuriösesten Hotels geschlafen, hat etliche steinreiche, sehr berühmte Menschen kennengelernt, einige davon ungewöhnlich begabt, andere ungewöhnlich eingebildet. Die Ungeschliffenheit ihrer Herkunft hat sie zu einem guten Teil abgelegt, doch die urwüchsige Energie der Enkelin taresischer Fischer hat sie sich bewahrt, genau wie den scharfen Blick, der ihr gestattet, Dinge zu sehen, die ihm womöglich entgehen. Sie war es zum Beispiel, die entdeckt hat, dass Luigi Sintari ihn bestahl; sie hat ihm die Augen geöffnet, indem sie ihm die gefälschten Quittungen zeigte, sie hat ihn gedrängt, den Mann noch am gleichen Tag hinauszuwerfen. Vielleicht wollte sie sich damit wichtigmachen, ihm zeigen, dass sie wachsam ist und Vertrauen verdient, aber bestimmt nicht nur: Ihrem Wesen nach ist sie zutiefst loyal, geradezu unbeirrbar clanverbunden.
»Ich wollte ja nur sagen, dass die Leute, an die wir uns wenden, ziemlich schwierig sind.« Gianluca Perusatos Tonfall ist jetzt ruhig, väterlich, nachsichtig.
»Ich weiß.«
»Diese Leute haben schon alles gesehen, alles gegessen, alles getrunken, alles ausprobiert.«
»Ich weiß.«
[30]»Ich weiß, dass du es weißt.« Zweifellos hat Lucia unterdessen eine Vorstellung davon, welchen Unterschied es macht, ob man etwas anstrebt oder es fest im Besitz hat, ob man etwas beweisen muss oder sich den Luxus erlauben kann, es bleiben zu lassen. Sie ist aufgeweckt, empfänglich: Bereitwillig nimmt sie Informationen auf, macht selten den gleichen Fehler zweimal hintereinander. Andererseits braucht man nur zu sehen, wie sie sich schminkt und anzieht, um zu wissen, dass sie noch einen weiten Weg vor sich hat. Aber vielleicht liegt es auch an ihrem Körper, der einen unbotmäßigen Charakter ausdrückt, an ihren Formen, ihrem Blick. Selbst wenn die Entwicklung voranschreitet, wird es ihr wahrscheinlich nie gelingen, sich ganz von einigen Geschmacksverirrungen zu befreien, genauso wenig wie von ihren markanten Gesichtszügen oder von ihren Farben (nicht dass sie es nicht versuchte, etwa indem sie sich ständig die Augenbrauen zupft oder die Haare mahagonifarben tönt) oder von der geballten Sinnlichkeit ihrer Formen. Mit anderen Worten, es ist ziemlich sicher, dass sie nie so werden wird wie seine Frau – zum Glück, denkt er unwillkürlich.
»Ich weiß, dass unseren Gästen nichts an Prahlerei liegt.« Sie hat es verstanden, o ja.
»Mhm.« Gianluca Perusato fühlt sich geschmeichelt, dass er als ihr Coach gute Resultate erzielt, das muss er zugeben.
»Sie finden, weniger ist mehr.« Das Mädchen will klarstellen, dass er keinerlei Grund mehr hat, an ihr zu zweifeln.
»Genau, deshalb kommen sie hierher, anstatt sich für eines der tausend anderen Ziele zu entscheiden, die noch in Frage kämen.« Gianluca Perusato ist sich allerdings bewusst, wie riskant es ist, auf die minimalistische Karte zu setzen: wie schmal die Grenze ist, jenseits derer die Verfeinerung plötzlich zum Mangel wird, die Reduktion aufs Wesentliche zu Unbequemlichkeit, die Isolation zu Langeweile.
»Es dürfte aber echt schwierig sein, einen unberührteren Ort [31]zu finden als diesen.« Lucia spricht mit wachsender Überzeugung. »An dem die Natur dich so überwältigt, sbam!«
»Allerdings.« Daran zweifelt selbst Gianluca Perusato nicht. »Doch wir dürfen nicht vergessen, dass diese Leute sich nie entspannen. Nicht einen Augenblick.«
»Ja, und?« Da ist er wieder, ihr naivster (und erotischster) Ausdruck: leicht geöffnete fleischige Lippen, dunkle, fragende Augen, ganz Ohr.
»Unsere Gäste waren schon auf jeder exklusiven kleinen Pazifikinsel, auf dem Gipfel des Himalaja, wo auch immer sie hinwollten. Kosten oder Entfernungen spielen bei denen keine Rolle.«
»Logo.« Bereitwillig macht sich Lucia jede neue Information sofort zu eigen.
»Aber dann haben sie in Travel & Leisure den Bericht über die Villa Metaphora gelesen oder meinen Namen gehört, weil ich das Haus ihrer Freunde gebaut habe, oder sie haben spontan den Rat von jemandem angenommen, dem sie vertrauen.«
»Wie viele Resorts von diesem Niveau es wohl in Europa gibt?« Darüber haben sie natürlich schon oft gesprochen, aber sie hat verstanden, dass bestimmte Themen unerschöpflich sind, solange man sie immer wieder unter einem anderen Blickwinkel betrachtet.
»Zehn, vielleicht auch zwanzig. Aber das genügt eben nicht, denn diese Leute haben die Ungeduld im Blut, wie eine Krankheit. Mir ist es schon mehr als einmal passiert, dass ich ein Haus umbauen musste, als die Auftraggeber gerade mal vierzehn Tage lang darin gewohnt hatten, weil sie es schon satt waren, noch bevor sie sich überhaupt richtig eingelebt hatten. Hunderttausende Euro zum Fenster hinausgeworfen, aus präventiver Langeweile.«
»Das heißt?« Sie mustert ihn aufmerksam.
»Man muss auf die Zeichen achten. Auf den Blick, der [32]flackert, den Fuß, der auf den Boden klopft, das verhaltene Gähnen, die unauffällige Drehung des Handgelenks, um auf die Uhr zu sehen, auf zu hohe Ansprüche, auf die plötzlich gepocht wird.«
»Und wenn es passiert?« Lucia legt den Kopf schief.
»Dann muss man sich was einfallen lassen, sofort. Irgendetwas Unerwartetes.«
»Zum Beispiel?«
»Na ja, einen Delphin, der unter ihrer Terrasse aus dem Wasser springt.« Gianluca Perusato improvisiert jetzt, es sind nur Ideen, um die Sache möglichst lebensnah zu gestalten. »Eine Sirene, die gesichtet worden ist. Eine Diskussion über ein wichtiges Thema, einen wilden Volkstanz.«
Lucias lernwilliger Ausdruck weicht einer gewissen Skepsis.
»Und wer sollte da bitte tanzen?«
»Was weiß ich, Teresa und Amalia! Auch Carmine! Er wird doch tanzen können, dein Cousin, oder nicht?«
»Nein, dabei sehe ich ihn wirklich nicht.« Lucia schüttelt den Kopf.
»Na, egal! Ich habe es ja nur so gesagt!« Gianluca Perusato ärgert sich schon wieder, weil sie ihn zu wörtlich nimmt.
»Okay.« Lucia nickt, doch ob sie es tatsächlich verstanden hat, bleibt unklar.
»Man muss einfach vorbereitet sein.« Gianluca Perusato erhebt sich, klopft kurz seine Hose zurecht.
»Okay.« Wieder nickt Lucia, wahrscheinlich braucht sie keine Unterweisungen mehr.
»Gut.« Lucia hat entschieden schneller dazugelernt als vorhergesehen. Und als sie sich allmählich den Verhaltenskodex einer anfangs fremden Welt angeeignet hatte, wich ihre Schüchternheit einer gewissen Selbstsicherheit, und daraus entwickelte sich der Hang zu Forderungen. Nicht Kleider oder Schmuck oder andere wertvolle Geschenke, wie es ihm in einigen [33]heimlichen Beziehungen davor passiert ist; nein, Lucia forderte immer beharrlicher eine offizielle Rolle in seinem Leben. Ihn überallhin zu begleiten, Freunden und Kunden vorgestellt zu werden, Projekte zu diskutieren, bei Mittag- und Abendessen, die sie für wichtig hält, neben ihm zu sitzen, auch wenn sie sich dabei langweilt; Selbstbeschränkung ist bei ihren Forderungen nicht vorgesehen. Und es fehlt ihr gewiss nicht an Temperament oder Energie, um sie durchzusetzen.
Mehr als einmal hat ihn ihre Fähigkeit erstaunt, schwierige Situationen zu meistern, ohne mit der Wimper zu zucken. Etwa bei einem Abendessen in Monte Carlo, bei dem ein argentinischer Formel-1-Fahrer, dessen Wohnung von ihm entworfen worden war, aus reiner Ignoranz den Bruder von Aga Khan beleidigt hatte und es Lucia mit einer gänzlich unerwarteten Bemerkung gelungen war, die allgemeine Verlegenheit in Belustigung zu verwandeln. Oder voriges Jahr, als die aus Catania angelieferten Basaltfliesen für die Bäder auf einem Kai in Bonarbor lagen und niemand bereit war, sie zur Villa zu transportieren (es war der soundsovielte Boykott gegen ihn, da er sich nicht der lokalen Zwischenhändler bediente), und sie es geschafft hatte, einige junge Männer aus ihrer Verwandtschaft zu überreden, mit ihren Fischerbooten auszuhelfen. So gesehen hat Gianluca Perusato manchmal fast den Eindruck, ihr gegenüber in eine Abhängigkeit geraten zu sein, jedenfalls hier auf Tari: als könnte er nicht mehr ohne ihre Unterstützung, Bewunderung und Zuneigung leben, lauter Dinge, die ihm seine Frau in der Vergangenheit nur sehr sparsam gegönnt hat und inzwischen gar nicht mehr.
»Na gut, bis später.« Mit entschiedenen Schritten und kräftigem Hüftschwung strebt Lucia zur Tür.
»Hey, wo gehst du hin?« Gianluca Perusatos Stimme wird leicht quengelig, wie immer in solchen Fällen. Er folgt ihr auf die Terrasse, in das gleißende Licht, und versucht, sie am Arm zu [34]nehmen. »Entschuldige, wenn ich vorhin etwas ruppig war. Das ist einfach die Anspannung in dieser Phase, ich bin mit den Nerven am Ende. Das weißt du genau.«
»Du warst nicht etwas ruppig, du warst unverschämt.« Sie macht sich los, will sich nicht umarmen lassen.
»Ich habe mich entschuldigt, okay?« Gianluca Perusato bemüht sich um einen freundlichen Ton, doch am liebsten würde er sie schütteln. Sein Bedürfnis nach Unterstützung, Bewunderung und Zuneigung treibt ihn plötzlich fast zur Verzweiflung: Er braucht die Streicheleinheiten jetzt sofort, kann keine Minute mehr warten.
Lucia zuckt die Achseln, sieht ihn aus einem Schritt Entfernung abwartend an.
»Weißt du, dass du besonders umwerfend aussiehst, wenn du dich aufregst? Wirklich. Du bekommst diesen feurigen, edlen Ausdruck einer Nymphe aus dem tiefen, stürmischen Meer.« Er würde noch Dutzende solcher malerischer Bilder dafür rausziehen, nur um sofort eine Dosis Unterstützung Bewunderung Zuneigung zu bekommen.
Sie ist immer noch erbost, doch endlich entspannen sich ihre Lippen, öffnen sich zu einem halben Lächeln, entblößen ihre strahlend weißen, großen Zähne.
Er nimmt sie an beiden Armen und zieht sie an sich. »Ich fühle mich einfach überfordert in dieser Situation, weißt du, die Zeit rast.«
»Aber nein, Gian. Alles läuft doch wie geplant.« So aus nächster Nähe wirken ihre Augen sanftmütig, doch manchmal können sie eine furchterregende Entschlossenheit ausdrücken. Die Unterstützung Bewunderung Zuneigung, die sie zu geben bereit ist, wird er nicht gratis bekommen: In Kürze wird sie den Anspruch erheben, seine Frau und auch die Töchter aus seinem Leben zu verdrängen und in allem selbst zu entscheiden. Deshalb hat er sie gebeten, den Text für die Broschüre und die Website zu [35]schreiben, mit dem Ergebnis, dass er zwar viel mehr Zeit verloren hat, als wenn er ihn bei der Mailänder Agentur in Auftrag gegeben hätte, aber zugegebenermaßen eine Menge Geld und wer weiß wie viele Telefongespräche mit uneinsichtigen, aufgeblasenen Berufsschreibern gespart hat. In Wirklichkeit ist das Resultat gar nicht so schlecht, wenn man die Stellen, die er ihr genannt hat, ein bisschen umformuliert. Es lohnt sich, sie weiter zu erziehen, diese junge Tareserin, ihr die Wahrnehmung des feinen Unterschieds zwischen gewöhnlich und herausragend einzuimpfen und, zwischen herausragend tout court und herausragend als Möglichkeit, anständigen Profit zu machen.
»Ich habe einfach zehntausend Probleme auf einmal im Kopf.« Gianluca Perusato benutzt wieder seinen leicht quengeligen Ton, er hofft auf eine kräftigere Dosis Unterstützung Bewunderung Zuneigung.
»Ich weiß.«
»Die Kosten sind explodiert, die Bankdarlehen müssen zurückgezahlt werden, und dazu noch das Damoklesschwert des Gesundheitsamts, das fehlende Küchenpersonal, das Holz für die Möbel, das diesem fanatischen Schreiner nicht passt, die gerade erst eingetroffenen wichtigen Buchungen, der ganze Mechanismus, der hochgefahren werden muss, aber nicht irgendwie, sondern mit absoluter Perfektion.«
»Ich weiß, Gian.«
»Es ist nicht leicht.« Gianluca Perusato überläuft ein wohliger Schauer, da er sich unterstützt bewundert geliebt fühlt, doch es genügt ihm noch nicht.
»Du bist ein Held.«
»Nun, Held ist vielleicht zu viel gesagt.« Gianluca Perusato saugt Zuneigung Verständnis Bewunderung auf wie ein Schwamm.
»O nein, Gian.« Lucia schüttelt den Kopf. »Bei allem, was du gemacht hast, wirklich. Ich habe es ja gesehen.« Liegt ein [36]zweideutiger Schatten in ihrem Blick? Vielleicht nicht, aber falls, gehört er zu ihrem tiefsten Wesen, zu ihrer angeborenen Neigung, mit der gleichen Intensität zu geben und zu fordern, ohne Kompromisse.
»Na gut, sagen wir, man braucht in solchen Momenten starke Schultern und Nerven wie Drahtseile.« Gianluca Perusato fühlt sich schon etwas gekräftigt, etwas bewundernswerter, etwas mehr Herr der Lage.
»Ich weiß, Schnuckilein.«
Dieses Wort, oder auch bloß die Art, wie sie es ausspricht, genügt, um ihn plötzlich in Panik zu versetzen, weil er bei einer kulturell und gesellschaftlich unterlegenen Frau Halt gesucht hat und vielleicht demnächst allein mit unerfüllbaren Erwartungen und Verpflichtungen kämpfen muss. Er möchte nur noch schreiend davonlaufen, zur Mole hinuntereilen, in das Motorboot springen und so schnell wie möglich abhauen, bevor es zu spät ist.
[37]3
Einen sonnengebleichten, vom Meer glattgeschliffenen Holzstamm auf der Schulter, springt Paolo Zacomel von Fels zu Fels. Es ist anstrengend, klar, aber ein befriedigendes Gefühl, wenn er mit nackten Fußsohlen auf dem rauhen Stein nach Halt sucht und sich geschickt auf den schrägen Klippen im Gleichgewicht hält. Er genießt es, ohne Hemd herumzulaufen, nur mit dieser alten, verwaschenen Hose, sonnenverbrannt wie ein Wilder, im Einklang mit dem Ort und sich selbst. Als er das an einem Felsen verankerte Boot erreicht, legt er den Stamm neben die anderen Hölzer, die er in ungefähr zwei Stunden an der Küste gesammelt hat. Wer weiß, woher sie kommen. Von der tunesischen Küste? Aus Libyen? Malta? Sizilien? Und wer weiß, wie lange sie im Wasser waren, von den Strömungen hierhin und dorthin getragen. Zuerst sind sie vermutlich noch mit Laub und Zweigen irgendwo in einen Fluss gefallen, der sie bis zur Mündung und von dort ins Meer mitgeschleift und unterwegs allmählich von ihrem Ballast befreit und gesäubert hat, bis nur noch das Wesentliche übrig blieb. Deshalb versucht Paolo Zacomel, sich zu jedem Stück Holz, das er findet, die Geschichte vorzustellen: um es besser zu verstehen und im Dialog eine Idee dafür zu entwickeln, wie er es mit anderen Hölzern kombinieren und schließlich zu einem nützlichen, dauerhaften, schönen Möbelstück verarbeiten kann.
Er geht in die Hocke und betrachtet das durchsichtige Wasser, zögert kurz, kann aber nicht widerstehen: Er zieht die Hose aus, wirft sie auf einen Stein, springt mit einem schwungvollen [38]Kopfsprung ins Wasser. Die Abkühlung ist herrlich, genau wie die unmittelbare Schwerelosigkeit. Mit kräftigen Zügen und offenen Augen schwimmt er nach unten: Das Blau wird mit zunehmender Tiefe immer dunkler, bis der Grund nicht mehr sichtbar ist. Dann kehrt er um, zurück ans Licht, kommt erst keuchend an die Oberfläche, als ihm die Luft ausgeht; er atmet tief ein, taucht wieder unter, schwimmt mit ein paar ruhigen Zügen zu den Klippen zurück und fühlt sich unglaublich frei, als Teil des Ganzen.
Das Wasser ist so kristallklar, dass man an den Felsen der Küste jeden einzelnen Seeigel erkennt und leicht die Stellen findet, wo man sich mit Händen und Füßen festhalten kann, ohne sich zu stechen. Doch Paolo Zacomel möchte noch gar nicht raus; er dreht sich auf den Rücken, dann wieder auf den Bauch, taucht den Kopf nach unten und beobachtet die kleinen silbrigen Fische und die größeren gelbgestreiften, die zwischen den in der Strömung treibenden Algen weiden, die winzigen Krabben und kleinen Krebse, die in die Ritzen kriechen.
Schließlich klettert er hinaus, steigt auf einen Felsen, lässt sich von der Sonne trocknen und denkt, wie weit sich seine sowieso schon bescheidenen Bedürfnisse noch verringert haben, seit er auf der Insel lebt. Monatelang hat er sich von kleinen Mengen Käse und Tomaten ernährt, ab und zu hat er ein bisschen Pasta auf seinem Campingkocher zubereitet, ohne sich je mehr oder etwas Besseres zu wünschen. Sein Abendvergnügen besteht in der Betrachtung der Sterne und der Lektüre von Čechovs gesammelten Erzählungen bei Kerzenschein. Er ist noch hagerer geworden als zuvor, noch leichter und gewandter, seine Fußsohlen haben eine dicke Hornhaut entwickelt vom vielen Barfußgehen auf den spitzen Felsen. Er kann sich nicht erinnern, sich je freier gefühlt zu haben, unabhängiger vom großen Supermarkt der sogenannten zivilisierten Welt. Ist seine Haltung die eines Primitivisten aus dem 18.Jahrhundert? Ist er unbewusst zum [39]Anhänger von Jean-Jacques Rousseaus Mythos vom edlen Wilden geworden? Wer weiß. Damals jedenfalls, als er als unzufriedener, entmutigter Student die Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen gelesen hatte, war die Definition des Menschen im Naturzustand eine Offenbarung für ihn gewesen. Er kann sich noch gut an gewisse Passagen des Textes erinnern, eine lautet in etwa so: Der Wilde lebte ohne Sprache, ohne Wohnstätte, ohne Krieg und ohne jedes Bedürfnis nach konstanter Gesellschaft, er wollte seinen Mitmenschen nicht schaden, ja vielleicht unterschied er nicht einmal den einen vom anderen. Er schweifte in den Wäldern umher, genügte sich selbst und hatte nur die Gefühle und Erkenntnisse, die für ihn wichtig waren. Er verspürte nur seine wirklichen Bedürfnisse, sah nur das an, was ihm von Interesse schien, und seine Intelligenz machte keine größeren Fortschritte als seine Eitelkeit…
Ehrlich gesagt kommt es Paolo Zacomel nicht so vor, als hätte seine Intelligenz in den letzten Monaten geringe Fortschritte gemacht. Doch an der frischen Luft im Wechselspiel der Elemente fast ohne menschlichen Kontakt zu leben und sich, abgesehen von der abendlichen Lektüre, rein praktischen Tätigkeiten zu widmen, hat eine gewisse Ausdünnung seiner Gedanken bewirkt, das schon. Was allerdings gewiss nicht bedeutet, dass er nicht denkt, sondern nur, dass er auf eine wesentlichere Art denkt, näher an den Gefühlen, weiter weg von den Wörtern. Er schlüpft wieder in die Hose, löst das Bugseil, springt ins Boot. Mit einem Fuß stößt er sich von den Felsen ab, zieht den Anker hoch und lässt ihn über dem Meer abtropfen, bevor er ihn im Heck auf die sorgfältig aufgerollte Kette legt. Dann startet er den Innenbordmotor, der mit einem tiefen Brummen anspringt, greift nach dem Ruder und setzt sich auf das Bänkchen. Mit wegen der Sonne zugekniffenen Augen fährt er die Küste entlang, versunken in die mechanische Vibration und das Rauschen des [40]Wassers zu beiden Seiten des Boots, aber nicht ohne den Blick weiterhin auf der Suche nach verwendbaren Holzstücken über die Felsen schweifen zu lassen. Seine Beute ist schon recht ansehnlich, Stämme verschiedener Länge und Dicke, in Formen, die ihn zu interessanten Kombinationen für Bänke, kleine Tische, Stühle, vielleicht sogar Lampen anregen. Wenn nur die Zeit nicht so drängte, weil die ersten Gäste schon heute eintreffen, würde er gern in aller Ruhe die idealen Steckverbindungen, die überraschende Harmonie von Form und Funktion finden. Er betrachtet es als Herausforderung, sich einzig auf die vor Ort verfügbaren Ressourcen zu stützen und die Not in schöpferischen Antrieb zu verwandeln.
Doch Architekt Perusato ist nach den mehrfachen Verzögerungen, Komplikationen und unterbrochenen Materiallieferungen so gestresst, dass es manchmal an Panik grenzt. Im Vergleich zum Beginn hat sich sein Verhalten sehr geändert: Damals hatte er im Tonfall eines Mäzens der Künste eine Reihe von Einzelstücken bei ihm bestellt, um sein megaexklusives Resort im südlichen Mittelmeer damit zu schmücken. Er hatte einige Möbel gesehen, die Paolo für einen befreundeten Maler in Venedig angefertigt hatte, und ihn danach angerufen; zwar war ihm der Architekt bei diesem Gespräch und auch bei den ersten persönlichen Treffen nicht besonders sympathisch, doch hatte ihn die Idee begeistert, Möbel zu bauen (abgesehen von den Betten und den Tischen auf der Hauptterrasse, die gemauert waren) für einen Ort, an dem die Leute sich nur vorübergehend aufhielten. Normalerweise versuchte er, Ensembles aus Stühlen, Tischen und Sofas zu erfinden, die zum Charakter bestimmter Personen passten; der Gedanke, dass seine Möbel von wechselnden, ihm unbekannten Gästen benutzt würden, eröffnete ihm eine Vielfalt unbekannter Perspektiven. Außerdem hatte er schon bei anderen Gelegenheiten entdeckt, dass ein nicht befreundeter oder sogar unsympathischer Auftraggeber ihn zu überraschenden [41]Lösungen anregen kann. Bei solchen Herausforderungen verschwimmt die Trennlinie zwischen der Denkweise des Handwerkers und der des Künstlers, selbst wenn er Möbel und Skulpturen weiterhin als etwas Unterschiedliches ansieht. Sosehr sich die beiden Ebenen auch annähern, überlagern werden sie sich nie. Möbel zu bauen ermöglicht ihm, seine Skulpturen zu bezahlen, denn die kauft keiner, und in Wirklichkeit möchte er sie auch gar nicht verkaufen. Wenn er Möbel herstellt, sollen sie funktional sein; nie wäre es ihm eingefallen, einen Stuhl zu bauen, auf dem man nicht (bequem) sitzen kann, oder einen Tisch, auf dem man nichts abstellen kann.
Paolo Zacomel taucht eine Hand ins Wasser, genießt, wie es Handfläche und Handgelenk umschließt, die Kühle, die allmählich den Arm hinaufsteigt bis zur schon wieder glühenden Schulter. Er denkt immer noch darüber nach, wie sehr sich in den drei Monaten seit seiner Ankunft die Situation in der Villa Metaphora verändert hat: wie die anfängliche Idee, ohne Rücksicht auf die Kosten nur das Beste vom Besten zu wollen, nach und nach verblasste, während die Ausgaben unaufhaltsam stiegen. Jedes Mal, wenn Perusato von den verschiedenen Orten, wo er seine anderen Baustellen als Architekt überwachte, hierher zurückkehrte, war er etwas vorsichtiger und sorgenvoller, etwas weiter entfernt von der Großspurigkeit, mit der er ihm die Arbeit ursprünglich angetragen hatte. Er hat das angeforderte Kirsch-, Nuss- und Olivenholz für ihn kommen lassen, das ja, wenn auch weniger als benötigt. Und ihm war es gelungen, eine beträchtliche Anzahl von Stühlen, Tischen, Sesseln und Sofas daraus zu machen. Doch dann war das Holz ausgegangen, und er hatte kein Material mehr, um die noch fehlenden Möbel zu bauen. Im Lauf der Wochen wurde Perusato immer vager und ausweichender und begann, seine Nachfragen als exzentrische Forderungen abzutun. Daher ist das Schwemmholz jetzt der einzige Rohstoff, auf den er zählen kann; das würde ihm [42]keineswegs missfallen, wenn der Druck nicht jeden Tag größer würde, als hinge es allein von ihm ab, dass die Villa Metaphora noch nicht bis ins kleinste Detail so ist, wie man sie gerne hätte. Andere hätten an seiner Stelle vielleicht schon das Schiff genommen und wären nach Hause zurückgekehrt, um sich anderen Arbeiten zu widmen, doch er ist einfach nicht der Typ, der einen übernommenen Auftrag nur halb erfüllt, so schwierig die Situation auch sein mag. Denn er fühlt sich viel mehr den Gegenständen verpflichtet, die er herzustellen versprochen hat, als dem Auftraggeber. Es ist, als zählten die schon angefangenen oder noch nicht existenten Bänke und Tische auf ihn, um sich zu materialisieren, als sprächen sie zu ihm durch die Formen und die Beschaffenheit der einzelnen Hölzer, die Wind und Wellen hergetragen haben.
Natürlich spielt es auch eine Rolle, dass er mittlerweile seit Anfang März hier arbeitet und das Geld für die geleistete Arbeit gut gebrauchen könnte. Außerdem gefällt ihm die Natur auf Tari, und ganz besonders diese verlassene Küste: die starke Sonne, die Tiefe des Meeres, der kräftige Wind, die duftenden wilden Sträucher. Es gefällt ihm, wie er sich hier fühlt, abseits der vielen Menschen und der Zwänge der bewohnten Welt, sogar frei von der Pflicht zu essen (manchmal allerdings nicht freiwillig), Herr über seine Hände zu sein und das, was sie hervorbringen können. Einen großen Teil der dreieinhalb Monate, die er auf der Insel verbracht hat, war er praktisch allein, abgesehen von einigen Zulieferern und gelegentlichen Kontrollbesuchen von Perusato und Lucia. Ungestört konnte er die Reinheit des Lichts und Intensität der Dunkelheit würdigen, die Stille und das schöne Gefühl, einem Gedanken nachhängen zu können, ohne unterbrochen zu werden. In den letzten Wochen haben sich die Dinge etwas geändert, seit sich der Architekt mit Lucia und Carmine – Bootsmann und Faktotum – auf Dauer hier eingerichtet hat. Doch auch jetzt braucht er sich nur auf die dem [43]Meer am nächsten gelegene Terrasse oder in seine Werkstatt an der Rückseite des Hauptgebäudes zurückzuziehen, schon könnte er der einzige Bewohner von Tari sein.
Einige Meter vor dem Landesteg stellt er den Motor ab, wirft den Anker, lässt das Boot gleiten, springt mit dem Seil in der Hand auf den Steg und befestigt es rasch mit einem Palstek am Poller. Dann lädt er die Hölzer aus, die er gesammelt hat, und lauscht dabei dem dumpfen Klacken, das sich je nach Holzart und Zelldichte beim Aneinanderstoßen unterschiedlich anhört.
Hoch oben, auf einer der Terrassen, unterhält sich Lucia angeregt mit Amalia und der jungen Teresa, die seit ein paar Tagen auf Probe als Zimmermädchen und Bedienung arbeiten. Alle drei gestikulieren heftig, schütteln den Kopf, beugen sich vor und zurück, gehen hin und her. Es könnte sich um einen heftigen Streit oder um einen einfachen Meinungsaustausch handeln, vielleicht sogar um ein Ballett; von hier unten ist keine Stimme, kein Wort zu hören.
Carmine kommt auf die Mole, wie immer ganz auf seine praktische Tätigkeit konzentriert, und schiebt einen Karren vor sich her, den er gerade aus dem Lastenaufzug ausgeladen hat. »Fertig damit?« Er deutet auf das Boot, als werfe er ihm vor, es ohne Erlaubnis gebraucht zu haben. Doch es ist nur die typische Schroffheit der Bewohner von Tari und das nur allzu verständliche Misstrauen gegenüber einem Eindringling.
»Ja.« Paolo Zacomel legt die letzten zwei Schwemmhölzer auf den Steg und lächelt.
[44]4
Ramiro Juarez macht einen Erkundungsgang durch die (abgesehen von den Proben) noch unbenutzte Küche, schaut aus einem der kleinen Fenster, durch die man das Meer sieht; er versucht sich zu beruhigen, aber es gelingt ihm nicht. Er hat nicht gewusst, wie so eine Insel auf sein Nervensystem wirkt: das horizontale Schwindelgefühl, das sich unkontrollierbar im weiten Raum ausdehnt. Er fragt sich, ob es sich um ein offiziell klassifiziertes Syndrom handelt, für das es a) einen speziellen Namen, b) Präzedenzfälle und c) mögliche Therapien gibt. Wenn er ins Internet dürfte, könnte er wenigstens unter dem Stichwort ›Inselphobie‹ die Symptome nachlesen, wie er es gewöhnlich auch bei geringeren Beschwerden macht. Doch damit muss er warten, bis er wieder in sein Zimmer kann, und unterdessen würde er am liebsten laut schreien und alles zertrampeln.
Als Architekt Perusato ihm anbot, als Chefkoch in seinem ultraexklusiven Resort zu arbeiten, waren in seinem Kopf Bilder aufgetaucht, die dummerweise wenig mit der Realität zu tun hatten, eine automatische Collage der schönsten Inseln, die er kannte: Formentera, Mykonos und Capri zusammen! Das sind zwar auch Inseln, ja, aber nicht so unendlich weit von der Zivilisation entfernt, und dort gibt es Leben bei Tag und bei Nacht, zumindest in der Sommersaison, und Leute, mit denen man a) reden, b) trinken, c) tanzen und d) Freundschaft schließen kann. Das hier dagegen ist ein öder Vulkanfelsen mitten im grenzenlosen Meer: ein wüster, brutaler, ungastlicher Ort.
[45]Perusato war sehr geschickt vorgegangen, als er ihm in Aussicht stellte, er bekomme a) die Chance, seine Fähigkeiten als Starkoch im Showcase