Weihnachtserzählungen ohne Krippe und Kind - Jürgen Wagner - E-Book

Weihnachtserzählungen ohne Krippe und Kind E-Book

Jürgen Wagner

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Beschreibung

In die Zeit der Weihnacht gehören auch die dazugehörigen Geschichten, die man erzählt oder vorliest oder auch mal als Gedicht rezitiert. Erst durch sie und die einhergehenden Bräuche, Lieder und Rituale wird diese Zeit lebendig und mit Sinn erfüllt. Dazu gehören für uns Mitteleuropäer die jüdisch-christlichen Überlieferungen, aber eben auch unsere eigenen Bilder, Symbole und Geschichten aus vorchristlicher Zeit, die nicht in der judäischen Wüste, sondern hier in Mitteleuropa gewachsen sind. In den Volksmärchen und -sagen hat sich beides durchdrungen und ergänzt. Hier werden 30 Geschichten vorgestellt, die vorchristliche Überzeugungen und Wahrheiten beinhalten und uns mit unseren ureigensten Wurzeln verbinden. Viele der Erzählungen werden auch in dichterischer Form dargeboten, was ein zusätzlicher Anreiz sein mag,diese Geschichten vorzutragen und weiterzuerzählen. Unsere Vorfahren hatten ihre Heldengeschichten fast alle in poetischer Form tradiert.

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Weihnachtserzählungenohne Krippe und Kind

30 Geschichten mit vorchristlicher Tradition und Gedichtenfür die Rauhnächte

Jürgen Wagner und Heidi Christa Heim

Impressum

Copyright: © 2025 Jürgen Wagner

Druck und Verlag: epubli

GmbH, Berlin, www.epubli.de

Titelbild: Maria Khan

Gedichte: Jürgen Wagner

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I Weiße Frau und Wilder Jäger – was den Rauhnächten die Weihe gibt

1. Die Prüfung der Herzen:Frau Frigg im märkischen Land

2. Schweigen über die Mysterien:Frau Holla und der treue Eckart

3. Sorgfalt: Frau Holle und der Bauer

4. Begegnung: Frau Holle und der Blinde

5. Stille stehen: Der mutige Mann

6. Die Gebote achten: Ein Reiter in den Zwölften

7. Die Neugierde bezähmen:Die ausgeblasenen Lichter

8. Wertvoll sein: Der nutzlose Strauch

9. Loslassen: Das Tränenkrüglein

10. Barmherzigkeit: Das Kätzchen und die Stricknadeln

11. Gastfreundschaft: Frau Holle am Hörselberg

12. Gehorsam: Die 3 Schwestern von Andreasberg

13. Sich den Armen nicht verschließen:Die Schweinheimer Bäuerin

14. Gerne geben: Großmutter Immergrün

15. Zum Tode ja sagen: Frau Holles Apfelgarten

16. Die Segnende: Die Taube mit dem goldenen Stühlchen

II Das Kommen des Lichtes – was Weihnachten ausmacht

17. Die Wiedergeburt des Lichtes:Die drei goldenen Haare

18. Verstrickungen lösen:Der Hirsch mit dem zwölfzackigen Geweih

19. Himmlisches Licht in der Stille gewinnen:Die drei Ringe

20. Ein Tag, an dem Erlösung möglich ist:Ulfhild, die Elbenfrau

21. Mitgefühl lernen: Der Herr mit dem Krug

22. Ein blühender Wundergarten am Heiligen Abend -Wie die Christrose auf die Erde kam

23. Wie uns geholfen wird: Die 12 Monate

24. Erlösende Liebe und Treue in dunkler Zeit:Tam Lin

25. Dennoch das Fest des Lebens feiern:Das Glück des Holzfällers

26. Von hilfreichen Tieren:Das Kätzchen von Dovre

27. Was Herzenseinfalt vermag:Der Tod und das Knäckebrot

28. Gelingendes Leben inmitten aller Gegensätze:29.Von dem Sommer- und Wintergarten

30. In den Rauhnächten die Hilfe der Ahnen suchen: Die Zauberer auf den Westmännerinseln

31. Hoffnung auf ein glückliches neues Jahr:Der goldene Schlüssel

Anhang

Vorwort

Die geweihten Nächte

In die Zeit der Weihnacht gehören auch die Geschichten, die man dazu erzählt oder vorliest oder auch mal als Gedicht rezitiert. Erst dadurch und die damit einhergehenden Bräuche, Lieder und Rituale wird diese Zeit in uns lebendig und mit Sinn erfüllt. In den christlichen Gottesdiensten werden die prophetischen Verheißungen gelesen und die Geburt des Gottessohnes in einem armen Stall verkündigt und dargestellt. Diese sind ursprünglich im Orient zuhause. Deshalb hat das christliche Weihnachtsfest auch nichts mit Schnee zu tun, denn Israel ist weitgehend Wüstenland und hat so gut wie keinen Winter und keinen Schnee. In Europa aber mit seinen wechselnden Jahreszeiten ist gehört zum Weihnachtsfest auch der Winter mit allen seinen Begleiterscheinungen. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht nur die orientalischen biblischen Erzählungen pflegen, sondern auch unser eigenes Erzählgut. Da es weithin ausgerottet und verschollen war, ist es umso wichtiger, die verbliebenen Reste aufzuspüren, zu erhalten und wieder in unsere Traditionen aufzunehmen. Das ist auch das Anliegen dieses Buches.

Nur so werden wir auch wiederfinden, was über Krippe und Kind hinaus uns schon immer mit dieser heiligen Zeit verbunden hat: die Wiedergeburt des Lichtes und die Durchlässigkeit zur anderen, geistigen, himmlischen Welt. Es ist gar nicht schwer, das zu verbinden mit der Botschaft, die Israel und aller Welt verkündigt wird: die Ehre Gottes und der Friede auf Erden, das Licht der Welt, das in Christus geboren wird.

Das göttliche Licht und seine Symbolik fußen auf dem natürlichen Licht. Sie dürfen nicht gegeneinander gestellt werden, wie das in der Vergangenheit oft geschah. Geist und Natur gehören zusammen. Die Natur ist die Basis, der Geist ist ihre Errungenschaft.

Es tut oft gut, wenn die Traditionen sich durchdringen. Dann korrigieren sie sich auch und ergänzen sich. Die jüdisch-christliche Tradition ist selbst keine Reinkultur: sie ist eine Mischung aus jüdischen, ägyptischen, mesopotamischen, hellenistischen und anderen Elementen. Es wird sich im Folgenden zeigen, dass die Aufnahme von vorchristlichen Elementen wie Ehrung der Natur und fleißige Arbeit uns gut getan hat so wie es umgekehrt auch kein Schaden war, dass das Heidentum seinen Rache- und Kriegsgeist opfern musste. Die Volksmärchen sind das beste Beispiel für eine gelungene Integration der verschiedenen Werte. Sie tradieren die Nächstenliebe genauso selbstverständlich wie das Wissen, dass man Gewalt manchmal nur mit Gewalt beenden kann.

Die Urweihnacht

Man kann es ausprobieren: auch unsere eigenen europäischen Weihnachtsgeschichten können die Menschen verzaubern und auf das Wesentliche dieser Tage hinweisen. Besonders das gesprochene Wort, die erzählte Geschichte haben eine Kraft, die heilsam und verwandelnd ist. Weihnachten war bei unseren Vorfahren die heiligste Zeit überhaupt im Jahr und wurde als eine Friedens- und Ruhezeit zwischen den Jahren begangen. Da waren die geweihten Nächte noch ohne Krippe und ohne Heilige Familie. Die Geschenke, oft Äpfel und Nüsse, brachte nicht das Christkind, sondern die göttliche Frau, die Frau Holle oder Percht mit ihrem Gefolge, die ebenso hart jene strafte, die die Gesetze missachteten. Später wurden aus den Perchtgestalten der Nikolaus und Knecht Ruprecht, die dem Christkind assistierten. Es war die festlichste Zeit im Jahr – und sie ist es in Mittel- und Nordeuropa bis heute geblieben. Sie umfasst nicht nur den Heiligen Abend bis zum 2. Weihnachtstag, es ist ein größerer Zeitraum: es sind die 12 Tage und Nächte zwischen dem beendeten Sonnenjahr am 21.12. und dem noch weiterlaufenden Mondjahr bis zum 31.12. Andere Traditionen zählen die Zwölften zwischen dem 26.12. und dem 6.1. Diese eigentlich ‚leere‘ Zeit nannte man die ‚Rauhnächte oder die ‚wihen nachten‘, die geweihten Nächte. ‚Rauh‘ kommt hier am ehesten von ‚Räuchern‘ und hat nichts mit unserem ‚rau‘ (uneben, unwirtlich, kalt) zu tun. In dieser Zeit wurden nämlich die Häuser und Ställe mit Weihrauch ausgeräuchert. Mancherorts wurde auch lebhaft gefeiert mit Umzügen, guten Wünschen und Glückssymbolen. So beging man das neue Sonnenjahr zur Wintersonnwende.

In den Silvesterfeiern am 31. 12. haben sich diese lauten Feierlichkeiten mit dem ‚Heidenspektakel‘ erhalten, die auch zu späterer Winterzeit (Karneval) noch stattfanden.

Die Welten schienen in diesen 12 Tagen und Nächten nicht so getrennt zu sein, die Grenzen durchlässiger, so dass man das kommende Jahr gut mit Orakeln bedenken konnte. Jeder der 12 Tage galt als eine Vorschau auf den entsprechenden Monat des neuen Jahres. Auch der Kontakt mit den Seelen Verstorbener fiel in dieser Zeit leichter. Ebenso wurden Träume in dieser Zeit besonders beachtet.

In diesen Tagen machte man Bekanntschaft mit der rauen Seite der Gottheit: in den heftigen Winterstürmen und ihrem Brausen und Toben, denen man früher noch viel mehr ausgesetzt war als heute, Man ahnte in der ‚Wilden Jagd‘ den Göttervater Odin (Wodan) mit seinem Heer verstorbener Seelen und Hunden durch den Himmel reiten oder seine Gattin Frigga/Holle. Es war ratsam, sich ins Haus zurückzuziehen und keinen Anlass zu geben, dass man da mitgenommen wird. Von Odin erzählte man Geschichten und mehr noch von seiner Frau Frigga, die unter verschiedenen Namen im Volk bekannt war: Hulda, Perchta, Holle, Herke, Gode usf. In ganz Deutschland wurden Sagen von ihr erzählt: von wundersamen Begegnungen, Gaben, aber auch Verfehlungen. Sie stand den Menschen in dieser harten Zeit näher als der so oft kriegerische Wodan.

Sie vermochte eher die Güte in den Menschen zu wecken und sie zur Arbeitsruhe in dieser Zeit anzuhalten. Dennoch war auch vor ihr der Respekt groß, die in den winterlichen Umzügen nicht nur die Menschen prüfte, sondern auch die Fruchtbarkeit des neuen Jahreszyklus vorbereitete:

„In den Zwöften zieht Fru Gode herum, und schon mancher ist ihr da begegnet. Mal ist auch ein Knecht bei seinen Pferden im Stall, da kömmt Fru Gode, reicht ihm einen Pfahl und sagt, an den solle er ihr eine Spitze hauen. Erst will er zwar nicht, aber als sie ihm guten Lohn verspricht, tut er's. Als er fertig ist, sagt sie ihm, er solle sich nur die Späne, welche abgefallen seien, auflesen; das tut er, da sind sie am anderen Morgen eitel Gold. Ehedem erzählte man auch viel von Fru Gode, wie sie mit ihren Hunden durch die Luft zöge. So ist sie auch einmal über einen Bauernhof fortgezogen, und als der Bauer vor die Tür hinaustritt, liegt ein kleiner Hund da; den nimmt er mit sich hinein und zieht ihn mit seiner Frau auf. Andern Jahres aber, gerade um dieselbe Zeit, ist der Hund auf einmal fort; an seiner Lagerstätte aber liegt ein großer Klumpen Gold. Das musste dem Bauer doch wohl so von Fru Gode zugedacht worden sein, denn er war bisher nur ein armer Mann gewesen und wurde nun auf einmal sehr reich“

(Nach Adalbert Kuhn und Wilhelm Schwartz, Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche, 1848).

I WEISSE FRAU UND WILDER JÄGER – was den Rauhnächten die Weihe gibt

Wenn in winterlichen Sturmnächten der Wind zwischen den Häusern heulend hindurchjagt und nicht aufhören will, wenn er Balkonpflanzen umwirft, Dachziegel mitnimmt und an Fassaden rüttelt, wird selbst uns in unseren gesicherten Häusern noch angst und bange. Es braucht sich durch die Windgewalt vielleicht nur noch ein nicht fest verschlossenes Fenster zu öffnen, dann ist man schon dort, wo die Alten waren: bei der Frage: was geschieht da? Was ist das? Hat das etwas zu bedeuten?

So fing man an, die Phänomene zu personalisieren. Aus den Winterstürmen wurde der ‚Wilde Jäger‘, aus den Todesängsten die Weiße Frau. Hat man diese Dinge mal verinnerlicht und kommt an seine Grenzen, neigen manchen Menschen dazu, das Innere nach außen zu projizieren: sie haben Erscheinungen, Visionen. Kinder haben die in ihren frühen Jahren und im hohen Alter fängt man manchmal auch wieder an, schreckliche Dinge unter dem Bett zu wähnen oder vor der Tür. Katholiken erscheint in der Not vielleicht die Mutter Gottes, frommen Hindus Shiva und Nicht-Gläubige haben vielleicht Lichterscheinungen.

Viele Geschichten mögen so entstanden sein und geholfen haben, das Ungreifbare zu begreifen, das Bedrohliche zu meistern, die Angst zu überwinden. Das sind keine ‚Lügenmärchen‘, es sind Seelengeschichten, die mit Bildern aus der Tiefe etwas benennen. Heute können wir die Spur zurückverfolgen und klarer benennen, worum es geht: um Ängste, um Nicht-Wissen, um reale Bedrohungen. Wenn sich der Geist dann öffnet, gibt er etwas frei, was aus der Tiefe kommt und immer etwas Altes und Überraschendes ist.

Wir werden sicher nicht zurückfallen wollen in die Vielzahl von unwissenden Ängsten der Menschen früher, aber wir werden m i t den Märchen und Sagen uns etwas bewahren vom Geheimnis der Dinge, die nicht vollständig entschlüsselt und erobert werden wollen. So wie wir selbst auch einen Schutz möchten vor vollständiger Durchleuchtung, so sollten die Dinge auch bewahrt bleiben vor der übermäßigen Neu-gier des Menschen. In etlichen Märchen wird diese ausdrücklich thematisiert und die Notwendigkeit des Schweigens unterstrichen.

1. DIE PRÜFUNG DER HERZEN –Frau Frigg im märkischen Heideland

Die Seuche ward ins Haus gekommen

sie hatte Kind und Kuh genommen

auch noch die Katze weggerafft

Der Bauer hatte so geschafft ...

Nun saß er arm und still am Feuer

Die Zwölften kamen ungeheuer

der Wind, der fegte um das Haus

Die Tür sprang auf, sie packt Graus!

Doch draußen in der bitt‘ren Kälte

stand nur ein kleiner armer Welpe

Die Frau, sie holte ihn herein.

Von nun an fiel ein heller Schein

ganz warm und freundlich in ihr Leben

Das Hündlein konnte sie erheben

Ein Jahr, da ging‘s den dreien gut

Dann kam die Zeit, wo alles ruht

Es klopfte an die Tür, drei Mal

Der Bauer öffnete – fatal

Da stand die weiße Himmelsfrau

Doch sprach sie: ‚guter Mann, vertrau,

das Hündlein forder ich, fürwahr

das ich verlor im letzten Jahr

Ich weiß, ihr ward sehr gut zu ihm

und hattet Böses nie im Sinn‘

Frau Frigg, sie rief den Hund zurück

Da lief dahin ihr Herz und Glück

Doch sprach sie ihren Segen drauf

- und mit dem Hof ging's steil bergauf

Frau Frigg im märkischen Heideland

Das war in den Heiligen Zwölf Nächten, wenn der Sturm die Felder fegt und die Wälder kämmt. Da fuhr Frau Frigg noch einmal über das märkische Heideland (Brandenburg). Und die Menschen verriegelten Fenster und Türen. Denn ihre segenbringende Sturmfahrt soll kein sterbliches Auge mit ansehen.

Es saß aber um die gleiche Stunde ein Bauer bei seiner Frau im ärmlichen Haus. Da kam es näher mit schrecklichem Sturmgesang und haute auf das morsche Strohdach, dass den beiden da drinnen ganz bange wurde um ihr Häuschen, denn ihre Armut war groß.

Früher, als ihre Kinder noch lebten, kamen in diesen Nächten die segnenden Gabenbringer auch unter ihr Dach, sprachen den Spruch, gaben die Frucht und sahen auf Zucht. Dann hielten die Tiere wohl Zwiesprache in den Ställen, schwärmten die goldenen Bienen um das verschneite Heidekraut, dass es würzig nach Honig roch und es gab süßen Wein in diesen Nächten der Wintersonnwende.

Später aber hat es Missbildungen bei den Tieren im Hof gegeben und Seuchen. Die hatten Kind und Kuh, Kalb und Katze hinweggerafft. Und nun bedrohte wieder der Sturm das morsche Gebälk und das Fachwerk krachte in allen Fugen.

Vor dem Druck der winselnden Winde sprang auf einmal die Haustür auf, und es fauchte herein wie eine wilde Meute, rasselte durch alle Ecken, prasselte in der Flamme am Herd und sprühte dann mit tausend Feuerfunken den Kamin hoch, weit hinaus in den Buschwald. Der Bauer erhob sich schwer und benommen, schlurfte zur Haustür und schlug sie wütend ins Schloss.

Da stieg aus dem aufgestöberten Aschenhaufen die Flamme hell hoch in dem Rauchfang. Bei ihrem Schein erkannten die beiden einen winselnden kleinen Hund am Herdplatz. Der lag da mit zottigem Fell und schlug bettelnd mit dem Schwanz auf den Boden. Er musste wohl eben bei der offenen Haustür hereingesprungen sein. Die Bäuerin nahm das Tier mitleidsvoll auf, strich ihm über das struppige Fell und sprach:

„Du bist in unsere Armut gelaufen. So haben wir wenigstens wieder eine lebendige Seele im Haus. Darum sollst du bei uns bleiben; so viel fällt immer noch ab.“

Man konnte es dem Hund ansehen, er hatte sie Wort für Wort verstanden. Dankbar blickte er zu der neuen Herrin auf und rollte sich wohlig zusammen.

Mit der Zeit entpuppte sich das Tier als ein lustiger Spitz mit blanken Augen. Durch ihn kam neues Leben in das verfallene Haus.

Es war wohl so, dass die Herzen der beiden mit dieser Gabe gewogen werden sollten. Und es stellte sich heraus, dass sie recht und treu waren und voll Freundlichkeit. Von Stund‘ an ging ihnen alles wieder so leicht von der Hand wie vor Zeiten, als sie noch in Fülle und Glück gewirtschaftet hatten. Das alles kam durch die warme Seele des Hundes in ihrer kalten Einsamkeit.

Die Sonne indes stieg in den Sommerbogen und sank zurück mit dem Jahr, bis dass es noch einmal Winter wurde und die Zwölf Nächte kamen. Der Bauer aber hatte einen neuen Riegel für die Haustür geschnitzt. Mochte die Windsbraut auch noch so rütteln und schütteln: der Klotz hielt stand.

Poch, poch, poch, schlug etwas gegen die Haustür. Die beiden dachten, es wird wohl jemand sein, der sich verirrt hat und vor dem Wetter noch ein schützendes Dach sucht. Darum erhob sich der Bauer und ging mit schweren Schritten, den Riegel zu lösen. Da stand im Eichenrahmen eine mächtige Frau. Die ragte hoch in die Sturmwolken unter den blitzenden Sternen. Lang wehte ihr Haar über das weiße Kleid. In der rechten Hand hielt sie eine Peitsche.

Doch ihre Stimme klang ganz vertraut:

„Fürchte dich nicht“, rief sie ihm zu, „ich will nur meinen Hund zurück, den ich im Vorjahr an dieser Stelle verlor. Ich weiß, ihr habt es gehalten wie euer eigen. So sind euch auch mit ihm die guten Geister zurückgegeben. In dieser Einöde soll nun ein neues Leben wachsen. Es werden wieder Kinder im Haus spielen, Pferde und Kühe die Ställe beleben, hinter dem Giebel werden wieder all die Früchte lagern. Das alles gebe ich euch und den euren, solange warme Menschenherzen hier im Hause wohnen.“