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Chiara stammt aus Castelnuovo in Italien. Warum sie nach Deutschland gekommen ist, geht niemanden etwas an. Jetzt ist sie da und führt das Leben, das ihre Freundin Leonie ihr hinterlassen hat: Chiara wohnt in Leonies Haus auf dem Hügel und hat auch ihren Job übernommen, sie putzt. Für den Übergang, sagt sie sich, aber dieses Leben gefällt ihr, sie mag es, in fremde Wohnungen zu schauen, die Dinge in Ordnung zu bringen. Die Wohnung des Herrn Vorden übt dabei eine besondere Anziehung auf sie aus. Und auch Vorden scheint eine tiefere Verbindung zu ihr zu haben - denn jede Woche, wenn Chiara seine Räume betritt, findet sie auf seinem Schreibtisch einen Stapel Blätter mit einer Geschichte. Und jede Woche fragt sie sich, ob der Mann, von dem sie nicht einmal den Vornamen kennt, ihre Gedanken lesen kann. Denn seine Geschichten haben sehr viel mit ihrem Leben zu tun.
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Für Jone
Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe
1. Auflage 2015
ISBN 978-3-492-96924-6
© Piper Verlag GmbH, München 2015 Covergestaltung: Kornelia Rumberg, www.rumbergdesign.de Covermotiv: plainpicture / KuS (Vögel), Photothek via Getty Images (Frau auf Motorroller) Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
Con le tue finestre aperte sulla strada e gli occhi chiusi sulla gente
Fabrizio De André
1
Chiara steht am Fenster. In der Ebene fährt ein weißer Zug nach Süden, weiter hinten ragen die Berge bläulich aus dem Dunst, und der Westwind trägt ein flaches Dröhnen von der Autobahn herüber.
Jeden Dienstag steht sie hier, schon den ganzen Juni hindurch, und erlaubt ihrem Blick das Fliegen. Über Dörfer, Städte, Felder, Strommasten, Silos und Kirchtürme, sie atmet die Weite ein und bedauert nur, dass es mit dieser Aussicht und diesen Dienstagen in zwei Wochen vorbei sein wird, wenn Leonie aus New York heimkehrt und sich ihrer Kundschaft wieder selbst annehmen kann.
Zehn Wohnungen putzt sie, wäscht und bügelt, und für zwei alte Leute kauft sie ein, so kommt sie im Schnitt auf sechs Stunden am Tag und fünf Tage in der Woche, was kein Vermögen einbringt, aber ausreicht, um sich frei zu fühlen in dem provisorischen Leben, das Leonie als einziges erträglich scheint. Sie behauptet, sofort Fieber zu bekommen, wenn alles nicht am nächsten Tag ganz anders werden kann.
Chiara ist eingesprungen, solange Leonie weg ist, das Angebot, oder besser die Bitte, kam im richtigen Moment: Chiara musste weg von dort, wo sie lebte, und hier wird niemand nach ihr suchen.
Der weiße Zug ist jetzt verschwunden, das flache Dröhnen ebenso, denn Chiara hat das bodentiefe Fenster geschlossen, ihren Blick von der Landschaft ab- und den Dingen auf dem Schreibtisch zugewandt, die sie jetzt der Reihe nach zur Seite aufs Regal umsiedelt, bis die Tischplatte leer ist und mit einem feuchten Tuch gewischt werden kann.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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