Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
u Beginn des Jahres 1836 spitzt sich der Konflikt zwischen Texas und Mexiko immer weiter zu. Die junge Republik Texas strebt nach Unabhängigkeit. Der mexikanische Diktator, General Antonio López de Santa Anna, will das mit allen Mitteln verhindern.Eine Invasionsarmee unter Führung des Generals José Cosme de Urrea versucht, die Feinde aus Texas aufzuhalten, die den Hafen von Matamoros angreifen. Die Texaner verlieren diesen Kampf und ziehen sich in die kleine Stadt Goliad zurück.Oberstleutnant James Fannin und seine Männer müssen Goliad verteidigen, denn die Festung Alamo ist bereits gefallen. General Urrea und seine Truppen marschieren ungehindert auf Goliad zu. Der Scout Tom Collins wird in diese dramatische Eskalation mit hineingezogen.Das blutige Massaker in Goliad fand nur wenige Tage nach der Schlacht von Alamo am 27. März 1836 statt und forderte um die 400 Menschenleben unter den Verteidigern.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 267
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Western Legenden
In dieser Reihe bisher erschienen
9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache
9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato
9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen
9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen
9005 Dietmar Kuegler Tombstone
9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang
9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod
9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin
9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana
9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas
9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs
9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk
9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition
9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen
9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer
9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen
9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell
9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr
9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee
9020 R. S. Stone Die Hand am Colt
9021 Dietmar Kuegler San Pedro River
9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen
9023 Dietmar Kuegler Alamo – Der Kampf um Texas
9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker
9025 R. S. Stone Blutiger Winter
9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge
9027 Alex Mann Dreitausend Rinder
9028 R. S. Stone Schwarzes Gold
9029 R. S. Stone Schmutziger Job
9030 Peter Dubina Bronco Canyon
9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt
9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille
Alfred Wallon
Das Goliad-Massaker
Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-534-0Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!
Zu Beginn des Jahres 1836 spitzt sich der Konflikt zwischen Texas und Mexiko immer weiter zu. Die junge Republik Texas strebt nach Unabhängigkeit. Der mexikanische Diktator und General Antonio López de Santa Anna will das mit allen Mitteln gewaltsam verhindern.
Eine Invasionsarmee unter Führung des Generals José Cosme de Urrea will die Feinde aus Texas stoppen, die den Hafen von Matamoros unter ihre Kontrolle zu bringen versuchen. Die Texaner verlieren jedoch diesen Kampf und müssen sich nach der kleinen Stadt Goliad zurückziehen.
Colonel James Fannin und seine Männer müssen Goliad verteidigen, denn die Festung Alamo ist bereits gefallen, und es sieht düster aus. General Urrea und seine Truppen marschieren ungehindert auf Goliad zu. Was sollen die Verteidiger tun? Kämpfen oder fliehen? Der Scout Tom Collins wird in diese dramatische Eskalation mit hineingezogen – und auch sein Leben ist bald in großer Gefahr.
Das blutige Massaker in Goliad fand nur wenige Tage nach der Schlacht von Alamo am 27. März 1836 statt und forderte um die 400 Menschenleben unter den Verteidigern. Der vorliegende Roman spielt vor diesem historischen Hintergrund.
27. Februar 1836
In der Nähe des Rancho von Julian de la Garza
Drei Stunden nach Mitternacht
Capitano Rafael Pretalia zog sich den Kragen seiner Uniformjacke etwas höher, weil die peitschenden Regenschleier sein Gesicht trafen. Erst vor einer halben Stunde hatte es zu regnen begonnen, und dieser Regen hatte sich zu einem heftigen Wolkenbruch entwickelt, der ihm und seinen dreißig Soldaten das Vorwärtskommen deutlich erschwerte. Am fernen Horizont zuckten die ersten grellen Blitze auf, denen nur Bruchteile von Sekunden später heftige Donnerschläge folgten.
Zum Glück lag das Zentrum dieses Gewitters etwas weiter westlich, so dass der Capitano und seine Soldaten nur einen Teil des Unwetters abbekamen. Das war jedoch trotzdem so heftig, dass die nassen Uniformen unangenehm auf der Haut der Soldaten klebten. Capitano Pretalia versuchte jedoch, mit gutem Beispiel voranzugehen, indem er nach außen hin diese widrigen Umstände einfach ignorierte und die Soldaten förmlich antrieb, den Marsch auf den Rancho de la Garza umso schneller fortzusetzen.
Es waren die Stunden zwischen Mitternacht und Morgengrauen, in denen der Schlaf des Menschen bekanntlich am tiefsten war. Eine kleine Vorhut von vier Spähreitern hatte dem Capitano berichtet, dass diese elenden Tejanos1 sich offensichtlich völlig unbehelligt fühlten. Sie hatten noch nicht einmal Wachposten aufgestellt – obwohl ihnen eigentlich hätte klar sein müssen, dass die mexikanische Armee diesen Vormarsch in Richtung Matamoros sehr bald stoppen würde. Falls diese Eindringlinge wirklich glaubten, Mexiko würde ihnen Texas einfach kampflos überlassen, dann würden sie bald lernen müssen, mit welcher Härte und Entschlossenheit Mexiko sein ureigenes Territorium verteidigte.
Pretalia wusste, worauf das Ganze hinauslaufen sollte. Gegen Ende des vergangenen Jahres hatten diese sogenannten texanischen Freiheitskämpfer den größten Teil der mexikanischen Truppen weiter nach Süden vertrieben und benahmen sich auf diesem, ihnen einst vertraglich zugesicherten Siedlungsland so, als seien sie schon immer die Herren dieses Landes gewesen. Der Präsident von Mexiko, General Antonio López de Santa Anna, hatte diese feindlichen Bestrebungen jedoch schon rechtzeitig erkannt und entsprechende Maßnahmen mit seinem obersten General José Cosme de Urrea getroffen. Nachdem Urrea erfahren hatte, dass ein Trupp von texanischen Kämpfern sich in der Gegend von San Patricio aufhielt, um von dort aus weiter nach Matamoros zu ziehen und den strategisch wichtigen Hafen zu besetzen, hatte er sofort entsprechende Gegenmaßnahmen in die Wege geleitet, und Capitano Pretalia und seine Soldaten waren ein Teil dieser Planungen.
Er war so intensiv mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, dass er den Sargento erst dann bemerkte, nachdem dieser bereits sein Pferd neben ihm gezügelt hatte und ihn zackig grüßte.
„Si?“, murmelte Pretalia mürrisch. „Was gibt es?“
„Die Späher sind zurück, Capitano“, lautete die Antwort von Sargento Eduardo Cruz. „Auf dem Rancho ist nach wie vor alles still. Diese Hunde schlafen tief und fest. Als wenn sie glaubten, sie wären im Paradies.“
Er grinste bei den letzten Worten höhnisch, weil er genau wie die anderen Soldaten den Zeitpunkt kaum erwarten konnte, an dem sie die Texaner umzingeln und dann alle töten würden.
„Sehr gut“, erwiderte der Capitano und strich sich genüsslich über seinen buschigen Oberlippenbart. „Wir werden ihnen eine böse Überraschung bereiten. Sargento, schwören Sie die Männer darauf ein, dass das Gefecht bald beginnen wird. Kein Pardon und keine Gefangenen, claro?“
Das erneute Aufleuchten eines grellen Blitzes tauchte das Gesicht des Sargentos für Bruchteile von Sekunden in ein helles Licht. Capitano Pretalia sah das triumphierende Funkeln in den Augen von Cruz, der sich so schnell wie möglich in den Kampf stürzen wollte. Das galt für viele Soldaten der mexikanischen Armee, die von General Urrea kommandiert wurde und aufgebrochen war, um die Texaner auf breiter Front zu stoppen. Nach so viel Unrecht, das während dieses Aufruhrs entstanden war, wurde es endlich Zeit, diese Eindringlinge aufzuhalten. Viele Mexikaner hatten bereits einen oder mehrere Verwandte in diesen Kämpfen verloren, und die Situation war mittlerweile sehr ernst. Alles lief auf eine oder mehrere große Schlachten zu, und viele weitere Soldaten und Zivilisten würden in den nächsten Tagen und Wochen sterben müssen.
Die Fackel des Aufstandes brannte lichterloh – und Präsident Santa Anna war nicht gewillt, weiter nachzugeben. Es wurde Zeit, dass die Texaner in ihre Schranken verwiesen und nach und nach aus dem Land verjagt wurden. Texas war zu Beginn eine kleine Kolonie gewesen, aber dann waren immer mehr amerikanische Siedler gekommen und wollten bleiben. Daraus resultierten weitere Auseinandersetzungen um Grund und Boden, und nun stand ein großer Krieg unmittelbar bevor, den weder die eine noch die andere Seite aufhalten konnte.
Capitano Pretalia gab seinem Pferd die Zügel frei. Seine Soldaten folgten ihm. Ein wissendes Lächeln schlich sich in die Züge des Offiziers, als er auf einmal spürte, dass der Regen allmählich wieder nachließ und die dichten Wolken vom Wind weitergetrieben wurden. Schlamm spritzte unter den Hufen der Pferde auf, weil sich der Weg an vielen Stellen in Morast verwandelt hatte. Mit diesen ahnungslosen Texanern würden sie auf dem Rancho leichtes Spiel haben. Er hoffte, dass auch General Urrea und weitere 200 Soldaten genauso viel Glück hatten, wenn sie die Stadt San Patricio kontrollierten und weitere Feinde seines Heimatlandes umzingelten.
Der Capitano wusste von seinem General, dass die Texaner unter der Führung der Colonels James Grant und Frank W. Johnson diese Aktion schon lange geplant hatten. Auch Urrea hatte überall seine Spione und Zuträger und hatte von diesem Plan schon frühzeitig genug etwas mitbekommen und dem Präsidenten davon berichtet. Und dessen Entscheidung war klar und eindeutig: Die Texaner mussten um jeden Preis aufgehalten werden!
Etwa hundert Meter entfernt ließ Pretalia seine Männer anhalten und befahl ihnen, abzusteigen. Sie schlichen sich in einem großen Halbkreis näher an die Gebäude des Ranchos heran, in dem die Texaner untergekommen waren. Der Capitano war erzürnt darüber, dass ausgerechnet ein Mexikaner den Feinden seines Landes Unterschlupf gewährte. Und nicht nur das – er hatte es auch offensichtlich zugelassen, dass die Texaner sich hier mit Vorräten ausrüsteten und vermutlich auf weitere Leute warteten. So was musste unterbunden werden! Und zwar noch bevor die Sonne aufging!
Eine Gänsehaut strich ihm über den Rücken, weil er wieder die nasse Kleidung spürte. Aber auf so etwas durfte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Der Rancho musste umstellt werden, bevor einer der Texaner womöglich etwas bemerkte und Alarm schlug. Diesen Augenblick der völligen Überraschung wollten er und seine Männer nutzen!
Lautlos schlichen die mexikanischen Soldaten durch die Nacht. Schließlich tauchten in einiger Entfernung die Gebäude des Rancho de la Garza auf. Der Capitano ließ seine Männer zur Sicherheit noch einmal die Waffen überprüfen. Es hatte schließlich stark geregnet, und wenn das Pulver Nässe abbekommen hatte, würden die Baker-Gewehre und die Brown Bess Rifles nur eingeschränkt funktionieren. Diese Waffen zählten zur Standardausrüstung der mexikanischen Armee und hatten sich in etlichen Gefechten bisher als sehr gut erwiesen. Hoffentlich auch in dieser Nacht!
„Nirgendwo brennt Licht, Capitano“, flüsterte Sargento Cruz. „Die schlafen wirklich den Schlaf der Gerechten.“
„Dieser Schlaf wird nicht mehr von langer Dauer sein, Sargento“, erwiderte Pretalia mit einem Lächeln, das seine Augen kalt bleiben ließ. „Nehmen Sie zehn Mann und sichern Sie das Gebäude von der hinteren Seite. Fünfzehn weitere Soldaten schleichen sich von den Corrals heran. Der Rest der Soldaten und ich nähern uns auf direktem Weg. Geschossen wird nur auf mein Kommando. Verstanden?“
„Si, Capitano“, versicherte ihm Cruz. „Es wird alles so geschehen, wie Sie es befohlen haben.“
Dann verschwand er mit seinen Männern aus Pretalias Blickfeld. Währenddessen zeichneten sich am fernen Horizont die ersten rötlichen Schimmer der einsetzenden Morgendämmerung ab. Und wenn es nach Capitano Pretalia ging, dann würde es ein blutiger Morgen für die Texaner werden!
*
Tom Collins war von einem Augenblick zum anderen hellwach. Verwirrt rieb er sich die Augen und blickte um sich. Er wusste nicht, weshalb er aus dem Schlaf aufgeschreckt war. Und doch spürte er, dass sich irgendetwas verändert hatte – etwas, das er mit seinen Sinnen noch nicht ganz greifen konnte. Aber wenn Gefahr drohte, hatte sich der schwarzhaarige Scout bisher immer auf seinen Instinkt verlassen können.
Er erhob sich von seinem Lager und ging zum Fenster des Raums, in dem außer ihm noch sechs weitere Männer schliefen. Colonel Johnson und weitere zehn Mann hatten sich in einem Nachbargebäude einquartiert, das ihnen der Besitzer des Rancho zur Verfügung gestellt hatte. Die restlichen Texaner hatten ihre Decken in den angrenzenden Schuppen und Stallungen des Ranchos ausgebreitet.
„Was ist los?“, murmelte auf einmal Zeke Hawthorne, der das Lager neben Collins hatte. „Warum zum Teufel schläfst du nicht?“
Er bemühte sich, leise zu sprechen, um die anderen Schlafenden nicht zu wecken.
„Ich weiß nicht“, erwiderte Collins mit gepresst klingender Stimme. „Ich glaube, ich habe irgendwas gehört. Da draußen ...“
„Lass mal sehen“, brummte der fünfzigjährige Hawthorne. Nach außen hin wirkte er wie jemand, vor dem man sich nicht zu fürchten brauchte. Wer ihn jedoch nicht kannte, erlebte spätestens dann eine böse Überraschung, wenn Hawthorne seine Kentucky Rifle abfeuerte. Er war einer der besten Gewehrschützen, denen Collins jemals begegnet war. Er hatte Hawthorne schon in einem Gefecht erlebt und wusste, dass er sich von nichts und niemandem einschüchtern ließ, solange er in der Lage war, ein Gewehr zu halten und abzufeuern.
Der grauhaarige Hawthorne trat jetzt zu Collins und schaute ebenfalls aus dem Fenster.
„Ich sehe nichts“, meinte er schulterzuckend. „Hast du wirklich was gehört? Oder doch nur schlecht geträumt?“
„Verdammt noch mal!“, rief jetzt jemand von weiter hinten aus dem Raum. Die Stimme gehörte dem jungen Billy Nicholson. „Was gibt es denn so Dringendes zu besprechen, dass ihr anderen Menschen unbedingt den Schlaf rauben müsst?“
Jetzt war es natürlich aus und vorbei mit der Ruhe, denn nun waren auch die anderen Männer wach geworden.
„Das hast du ganz toll gemacht, Billy“, sagte Collins, schaute dabei aber Hawthorne an. „Gib mir Feuerschutz, Zeke. Wenn du was bemerkst, dann schieß sofort. Fragen stellen können wir hinterher ...“
„Worauf du dich verlassen kannst, Tom“, versprach ihm Hawthorne und begleitete ihn zur Tür. Währenddessen waren auch die anderen erwacht und fragten sich natürlich, was das alles zu bedeuten hatte. Hawthorne war in diesen Sekunden jedoch die Ruhe selbst, und so klang auch seine Stimme, als er das Wort an die Männer richtete.
„Haltet eure Waffen bereit!“
Wenn jemand wie Zeke Hawthorne so etwas sagte, dann hatten diese Worte auch einen Sinn. Die meisten Texaner hatten schon zusammen mit Hawthorne einige brenzlige Situationen durchstehen müssen, und wenn der erfahrene Kämpfer solch eine Warnung aussprach, dann gab es keinen unter den Männern, der das jemals angezweifelt hätte.
All dies registrierte Tom Collins jedoch nur beiläufig. Er hielt seine Rifle ebenfalls in der Hand, öffnete vorsichtig die Tür der Unterkunft und lauschte. Er runzelte die Stirn, weil nach wie vor alles still blieb, bis auf das Schnauben einiger Pferde drüben im Corral. Das gefiel Collins nicht, und deshalb schaute er jetzt hinüber zu der Stelle, wo die Pferde waren.
Plötzlich glaubte er, vor der aufziehenden Morgenröte plötzlich eine Bewegung seitlich des Corrals wahrgenommen zu haben.
In diesem Moment zerriss das Aufbellen eines Schusses die Stille der Nacht. Etwas pfiff ganz nahe an Collins’ Kopf vorbei und bohrte sich mit einem hässlichen dumpfen Geräusch in das Holz der Tür. Gleichzeitig erklang ein lauter mexikanischer Fluch, gefolgt von einem klaren und deutlichen Befehl.
„Vamos!“
Collins zuckte zusammen, als er auf einmal mehrere Gestalten hinter dem Corral erkannte. Instinktiv riss er seine Rifle hoch, zielte kurz und drückte ab. Ein lauter Schmerzensschrei erklang, und das war Beweis genug dafür, dass Collins sein Ziel auch getroffen hatte.
„Alarm!“, schrie er jetzt, so laut er nur konnte, um auch die anderen Gefährten zu warnen. Aber mittlerweile schien man auch im Ranchhaus und den angrenzenden Gebäuden die Gefahr bemerkt zu haben. Von dort fielen ebenfalls Schüsse.
Hawthorne hatte das Fensterglas zerschlagen und feuerte nun seine Kentucky Rifle auf die Gegner ab. Er stieß einen lauten Freudenschrei aus, als er sah, dass seine Kugel ins Ziel getroffen hatte. Auch die anderen Männer, die erst vor kurzem aufgewacht waren, standen nun Seite an Seite, um sich gegen die Angreifer zur Wehr zu setzen.
Collins musste sich notgedrungen wieder ins Innere der Unterkunft zurückziehen, weil einige der Angreifer ihn jetzt unter Beschuss nahmen. Er hatte geradezu unverschämtes Glück, dass er in diesen entscheidenden Sekunden nicht getroffen wurde.
„Weiß der Teufel, wie du das ahnen konntest!“, brummte Hawthorne, während er seine Rifle nachlud. „Du hast auf jeden Fall einen verdammt guten Instinkt, Tom.“
„Mag sein“, erwiderte dieser. „Trotzdem stecken wir jetzt ganz schön in der Klemme.“
„Hast du erkennen können, wie viele es sind?“, fragte Billy Nicholson atemlos.
„Genug, um zu wissen, dass wir um unser Leben kämpfen müssen, Junge“, antwortete Collins, während er ans Fenster neben Hawthorne trat und einen weiteren Schuss auf die Angreifer abfeuerte. Auch diesmal traf er wieder ins Ziel. Die Kugel erwischte einen der Angreifer, der viel riskiert und seine Deckung verlassen hatte, um sich unter dem Feuerschutz seiner Kameraden noch näher an das Gebäude heranzuschleichen. Aber Collins’ gezielter Schuss hatte diese Absicht von einer Sekunde zur anderen verhindert.
„Das sind Soldaten!“, rief Horace Walton, ein stämmiger Mann, der ursprünglich zusammen mit Davy Crockett aus Tennessee nach Texas gekommen war. Als er erfahren hatte, was Grant und Johnson planten, hatte er sich dieser Truppe als Freiwilliger sofort angeschlossen. Sein Wunsch nach Freiheit für Texas war besonders ausgeprägt, und deshalb war er fest entschlossen, umso erbitterter gegen jeden Feind zu kämpfen – und erst recht gegen Soldaten der mexikanischen Armee!
Das Gewehrfeuer wurde immer stärker – vor allem drüben beim Haupthaus des Ranchos. Dort schien sich die Situation besonders heftig zuzuspitzen. Collins runzelte die Stirn, als er sich vorstellte, was das bedeuten konnte. Er wusste nicht, wie die Soldaten herausgefunden hatten, wo die Texaner Quartier bezogen hatten, aber es spielte jetzt auch keine Rolle. Er ahnte nur, dass er und seine Kameraden sich nicht weiter in die Defensive zwingen lassen durften, sonst würden sie ganz sicher auf Dauer den Kürzeren ziehen.
„Wir müssen raus hier!“, sagte er nach kurzem Überlegen. „Sonst haben sie uns genau da, wo sie uns auch haben wollen!“
„Du bist verrückt, Tom“, meinte Billy Nicholson. „Die knallen uns doch sofort ab!“
„Wer nicht nur kämpfen, sondern auch siegen will, der bestimmt die Regeln, Junge“, erwiderte Zeke Hawthorne und kam damit Tom Collins zuvor. „Reiß dich am Riemen und mach dir nicht in die Hosen vor Angst. Wir schaffen das schon – irgendwie!“ Sein Blick richtete sich jetzt auf Collins. „Du bist der Erste, Tom. Nimm Billy mit und schleicht euch hinten raus. Wir sorgen schon dafür, dass das niemand mitbekommt. Worauf wartet ihr noch? Los jetzt!“
„Wir müssen so schnell wie möglich nach San Patricio und Colonel Grant warnen“, sagte Collins. „Dieser Angriff der Mexikaner ist kein Zufall. Die haben das wahrscheinlich schon lange im Voraus geplant – und sollte dem so sein, dann sind unsere Kameraden in San Patricio auch in Gefahr.“
„Du glaubst wirklich, dass ...?“
Horace Waltons Stimme ließ große Sorge anklingen, weil er und die anderen Männer sich jetzt vorstellten, was das unter Umständen bedeutete. Vermutlich war der Marsch nach Matamoros schon längere Zeit beobachtet worden – und keiner hatte etwas davon bemerkt. Stattdessen hatten die Mexikaner nur den richtigen Zeitpunkt abgewartet, um dann umso erbarmungsloser zuschlagen zu können!
Tom Collins nickte Billy Nicholson zu, und dann war es auch schon so weit. Die beiden öffneten die zweite Tür des Gebäudes, die nach hinten führte, schauten vorsichtig nach allen Seiten, bemerkten aber nichts Auffälliges. Walton und drei andere Männer hatten sich mit vorgehaltenen Gewehren unmittelbar hinter der Tür aufgestellt und waren bereit, ihren Kameraden Feuerschutz zu geben, falls es kritisch wurde.
Collins atmete tief durch – und dann rannte er geduckt los. Billy folgte ihm nur wenige Augenblicke später. Auf der anderen Seite des Gebäudes fielen weitere Schüsse, und auch drüben beim Haupthaus erklangen jetzt laute Schreie, die immer wieder zu hören waren. Collins fluchte, als er sich vorstellte, was dort gerade geschah.
Sie mussten so schnell wie möglich ihre Pferde holen, aufsitzen und losreiten. Aber das war leichter gesagt als getan, denn Collins musste zu seinem Bedauern erkennen, dass eine Gruppe von fünf Soldaten sich genau vor den Corrals postiert hatte und nun ebenfalls auf alles zu schießen begann, was sich in der Morgendämmerung bewegte.
Collins packte Billy am Arm und zog ihn mit sich in ein Gebüsch. Gerade noch rechtzeitig, bevor man die beiden entdeckte. Sie wagten sich kaum zu rühren, als vier bewaffnete Soldaten ganz nah an ihnen vorbeikamen und sich an einer Stelle postierten, wo man das Gebäude unter Beschuss nehmen konnte, in dem ihre Kameraden ausharrten und sich so gut wie möglich verteidigten.
Collins gab Billy ein Zeichen und deutete auf die vier Soldaten. Sein Blick war ernst, und Billy begriff sofort, was jetzt zu tun war. Er riss seine Kentucky Rifle hoch und zielte auf den Rücken eines der Mexikaner. Auch Collins nahm einen der Gegner aufs Korn. Die Schüsse der beiden Texaner fielen fast gleichzeitig, und die Kugeln trafen ins Ziel. Die beiden Soldaten wurden nach vorn gestoßen – so plötzlich, dass sie gar nicht mehr dazu kamen, einen Todesschrei auszustoßen.
Collins nahm seine Pistole und zielte auf einen weiteren Gegner, der sich erschrocken umgedreht hatte, als er seinen Kameraden plötzlich hatte sterben sehen. Er wollte seine Brown Bess Rifle hochreißen und auf den Texaner zielen – aber er reagierte viel zu spät. Collins hatte bereits abgedrückt, und die Kugel traf auch diesmal wieder ins Ziel. Der mexikanische Soldat schrie laut auf und geriet ins Taumeln. Wenige Sekunden später brach er zusammen und rührte sich nicht mehr.
Auch Billy Nicholson war in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben. Er hatte einen Schuss auf den vierten Soldaten abgefeuert – aber der Gegner hatte buchstäblich in letzter Sekunde eine kurze Drehung nach rechts gemacht, so dass ihn Billys Kugel nicht traf. Der mexikanische Soldat stieß einen lauten Wutschrei aus und legte die Waffe auf Billy an. Aber bevor er sein Gewehr abfeuern konnte, hatte ihn Collins angesprungen und zu Boden gerissen. Im Licht der Morgensonne blitzte die scharfe Klinge seines Messers auf und bohrte sich in die Kehle des Mexikaners. Der gab nur noch ein grauenvolles Röcheln von sich, während ein Blutschwall hervortrat. Dann war auch er tot.
„Komm, Billy!“, rief Collins dem Jungen zu. „Weg von hier!“
Natürlich hatte Collins bemerkt, dass der Junge heftig zitterte. Er hatte verdammt viel Glück gehabt, denn wenn Collins den Mexikaner nicht zu Boden gerissen hätte, dann wäre Billy sicher schon tot gewesen. Im entscheidenden Moment hatte er seine Nerven verloren und zu schnell abgedrückt. Aber Collins konnte ihm deswegen keinen Vorwurf machen. Der Junge besaß sicher nicht so viel Kampferfahrung wie Tom Collins.
Unten fielen weitere Schüsse. Collins hörte Hawthornes wütende Stimme. Das war ein gutes Zeichen. Wenn der alte Haudegen noch in der Lage war, so laut zu fluchen, dann bestand noch Hoffnung.
Die beiden Männer rannten weiter. Sie hörten Schüsse aus unterschiedlichen Richtungen und laute Schreie. Dass der Kampf an mehreren Stellen geführt wurde, wussten sie jetzt – und die Lage der Texaner wurde mit jeder weiteren Minute immer bedrohlicher. Aber zum Glück schien niemand bemerkt zu haben, dass Collins und Nicholson die Flucht ergriffen hatten und jetzt versuchten, irgendwie von hier zu entkommen, ohne dass es jemand bemerkte.
Collins und Nicholson hatten mehr Glück als Verstand, dass sie nur wenige Augenblicke später auf die Pferde stießen, die offensichtlich den Soldaten gehörten, mit denen sie sich einen kurzen, aber heftigen Kampf geliefert hatten. Die Zügel der Tiere waren an Sträuchern festgebunden. Als die Pferde die beiden Männer herbeieilen sahen, schnaubten sie nervös. Sie waren ohnehin durch die vielen Schüsse beunruhigt.
„Warte, Billy“, raunte Collins dem jungen Texaner zu. „Jetzt nur nichts überstürzen ...“
Auch wenn er wusste, dass weitere mexikanische Soldaten in der Nähe waren, durften er und Billy jetzt keinen Fehler machen. Sie hatten nur diese eine Chance, und wenn sie die nicht nutzten, gab es keine Möglichkeit mehr, von hier zu entkommen. Damit blieben nur noch der erbarmungslose Kampf Mann gegen Mann und der sichere Tod angesichts einer Übermacht, die diese Aktion sorgfältig geplant hatte.
Collins wusste selbst nicht, wie er die Geduld aufbrachte, ganz langsam auf eines der Pferde zuzugehen und mit besänftigender Stimme auf das Tier einzureden. Aber es funktionierte. Das nervöse Schnauben brach ab, und das Pferd ließ es zu, dass Collins nun die Zügel losbinden konnte. Dann winkte er Billy Nicholson zu, näherzukommen und sich ein anderes Pferd zu nehmen. Das Ganze dauerte nur wenige Augenblicke, aber für Billy kam es vor wie eine halbe Ewigkeit. Umso erleichterter war er, als auch er endlich im Sattel saß.
„Reiten wir“, sagte Collins und gab seinem Pferd die Zügel frei. Billy tat es ihm gleich. In dem Augenblick, als die beiden Männer losritten, erklangen plötzlich wütende Schreie hinter ihnen. Bruchteile von Sekunden später fielen mehrere Schüsse. Billy schrie erschrocken auf und wankte kurz im Sattel, aber dann konnte er zum Glück noch das Gleichgewicht halten. Er duckte sich tief über den Rücken des Pferdes und trieb es weiter an.
Collins wusste, dass irgendetwas mit Billy geschehen war, aber er konnte und durfte jetzt darauf keine Rücksicht nehmen. Er hoffte nur, dass Billys Verletzung nicht zu bedrohlich war, sonst bedeutete dies das Aus für ihn. Aber der Junge war zäh und hielt sich tapfer im Sattel. Auch wenn sein Gesicht sehr blass war.
So gelang es ihnen schließlich, aus diesem Hexenkessel zu entkommen. Ihre Hufschläge verhallten in der Nacht. Und zum Glück gab es keine Verfolger, die sich auf ihre Fährte gesetzt hatten. Zumindest jetzt nicht. Aber deshalb waren sie noch lange nicht in Sicherheit.
*
27. Februar 1836
In der Nähe von San Patricio
Gegen 7:00 Uhr morgens
Sie hörten das rollende Echo der vielen Schüsse, noch bevor die ersten Häuser der kleinen Stadt San Patricio in Sicht kamen – und sie wussten, was das bedeutete. Die mexikanische Armee hatte mit dem Angriff bereits begonnen. Wahrscheinlich waren Colonel Grant und seine Männer mindestens ebenso überrascht gewesen wie die Texaner auf dem Rancho de la Garza.
Collins blickte sehr ernst drein. Dutzende unterschiedlicher Gedanken gingen ihm in diesem Augenblick durch den Kopf. Auch Billy Nicholsons Miene war jetzt sehr verbittert und verzweifelt zugleich. Zum Glück hatte sich herausgestellt, dass er nur einen Streifschuss abbekommen hatte. Aber die Wunde hatte stark geblutet und ihn deshalb geschwächt. Dass er dennoch durchgehalten hatte, war ein Beweis dafür, dass Billy trotz seiner jungen Jahre sehr tapfer war. Das musste man neidlos anerkennen. Der Verband, den ihm Collins angelegt hatte, war nicht perfekt – aber immerhin reichte es aus, dass die Blutung zum Stoppen gebracht worden war.
„Was sollen wir jetzt tun, Tom?“, fragte Billy verzweifelt. „Wir sind zu spät ... viel zu spät ...“
„Das weiß ich“, brummte Collins. „Diese verdammten Mexikaner! Sie haben von Anfang an gewusst, was wir vorhatten. Aber woher ...?“ Er brach kurz ab, weil er nachdenken musste.
„Glaubst du, dass uns womöglich jemand verraten hat?“, fragte ihn Billy. „Das würde ja bedeuten, dass wir unseren eigenen Kameraden nicht mehr trauen können.“
„Kann gut möglich sein, Billy“, erwiderte Collins. „Aber darüber sollten wir jetzt nicht nachdenken. Wir müssen weg von hier – und zwar so schnell wie möglich. Colonel Fannin muss so schnell wie möglich darüber informiert werden, dass unsere Mission gescheitert ist. Wir müssen zurück nach Goliad.“
Billy Nicholson wollte gerade etwas darauf erwidern, als er ebenso wie Collins plötzlich Hufschläge hörte. Sie kamen aus der Richtung von San Patricio. Kurz darauf erblickten sie einen kleinen Reitertrupp. Sie trugen keine mexikanischen Uniformen, wie Collins sofort feststellen konnte.
„Das sind unsere Leute, Billy“, sagte er. „Komm, wir reiten zu ihnen!“
Er ritt los, und Billy folgte ihm. Als sie den Hügel hinunterritten, wurden auch die Männer auf sie aufmerksam, die San Patricio überhastet verlassen hatten. Collins bemerkte, dass einige der Männer in Panik schon ihre Pistolen gezogen hatten – aber zum Glück hob der Mann an der Spitze die rechte Hand und signalisierte den anderen, die Waffen wieder sinken zu lassen. Es war Colonel James Grant. Seine Blicke richteten sich auf Tom Collins, weil er natürlich nicht damit gerechnet hatte, ihm jetzt und hier zu begegnen.
„Die Mexikaner haben uns überfallen, Colonel!“, stieß Collins atemlos hervor. „Sie umzingelten den Rancho noch vor dem Morgengrauen. Billy und ich sind losgeritten, um Sie und die anderen Freiwilligen zu warnen. Aber jetzt ...“
Er brach ab, als in der Ferne weitere Schüsse zu hören waren. Und er wusste, was das zu bedeuten hatte.
„Sind Sie die Einzigen, die entkommen konnten?“, wollte Grant nun von ihm wissen. „Was ist mit Johnson und den anderen Männern?“
„Ich weiß es nicht“, entgegnete Collins. „Es ging alles so schnell. Colonel, jemand muss von unserem Marsch nach Matamoros gewusst haben. Anders kann ich mir nicht erklären, dass die Armee zur gleichen Zeit angegriffen hat. Wie groß sind die Verluste bei Ihnen?“
Der Blick des Colonels sprach eine eindeutige Sprache. Grant erwiderte nicht gleich etwas darauf, aber seine Miene war so verbittert, dass es keiner weiteren Worte mehr bedurfte.
„Sehen wir zu, dass wir von hier wegkommen“, sagte er schließlich mit einem tiefen Seufzer. „Ich kann nur hoffen, dass es auch noch andere Männer aus Johnsons Trupp geschafft haben.“
Mit diesen Worten trieb er sein Pferd an und ritt los. Collins und Billy Nicholson schlossen sich Grants Männern an. Diesen Rückzug empfand jeder von ihnen als kaum zu ertragende Schande. Sie waren praktisch von einem Augenblick zum anderen mit einer Übermacht konfrontiert gewesen, der sie auf Dauer gesehen gar nicht hätten standhalten können. Das Wissen, dass viele Kameraden schon bei den ersten Schüssen der Mexikaner ihr Leben verloren hatten, war kaum zu ertragen.
Der Rückzug verlief trotz der gefährlichen Situation immer noch halbwegs geordnet. Auch wenn sie jederzeit damit rechnen mussten, erneut auf mexikanische Soldaten zu stoßen.
Die einzigen Männer, die ihnen jedoch eine knappe halbe Stunde später begegneten, waren Colonel Frank W. Johnson und ein halbes Dutzend Männer. Unter ihnen befanden sich auch Zeke Hawthorne und Horace Walton. Ein Blick in die zornigen Gesichter der Männer zeigten Collins und Billy, dass es die anderen Männer nicht geschafft hatten.
„Sie hatten uns schon umzingelt, bevor wir irgendetwas dagegen tun konnten“, berichtete Johnson. „Bei Gott, wenn wir doch nur herausfinden könnten, welcher Schweinehund uns verraten hat. Ich würde ihn sofort standrechtlich erschießen lassen!“
In Johnsons Worten spiegelten sich Wut und Enttäuschung darüber wider, dass ihre Aktion enttarnt worden war – und dass deswegen so viele gute und tapfere Männer ihr Leben verloren hatten. Diejenigen, die sich angesichts der verzweifelten Situation ergaben und auf Gnade hofften, würden sterben müssen. Die mexikanische Armee kannte kein Pardon mehr. Zu groß war der Hass auf die texanischen Siedler, die nach Unabhängigkeit strebten. Seit dieser Diktator Santa Anna an der Macht war und das Präsidentenamt ausübte, war die Spirale der Gewalt deutlich angestiegen. Dieser kurze, aber dennoch sehr heftige Kampf, der zur selben Zeit an zwei Orten stattgefunden hatte, war ein deutlicher Beweis für die Unversöhnlichkeit der Mexikaner, die fest entschlossen waren, ihr ureigenes Territorium mit allen erdenklichen Mitteln zu verteidigen.
Die Texaner hatten einen hohen Preis dafür zahlen müssen. So wie sich die Lage jetzt zuzuspitzen begann, würde es nicht der letzte Kampf sein, der erbittert zwischen beiden verfeindeten Parteien geführt werden würde.
28. Februar 1836
Goliad – in Colonel James Fannins Hauptquartier
Gegen 10:00 Uhr morgens
„Sind Sie sicher, dass Sie alles richtig beobachtet haben, Mister Ayers?“, fragte Colonel James Fannin. „Überlegen Sie noch einmal genau, ob Sie sich in der ganzen Hektik vielleicht doch nicht geirrt haben? Ich kann gut verstehen, wenn Sie ...“
„Colonel, ich mag zwar nicht mehr der Jüngste sein!“, unterbrach ihn Lewis T. Ayers, der zusammen mit einer Gruppe von Siedlern etwa zwanzig Meilen westlich von Goliad lebte. „Aber ich weiß, was ich gesehen habe. Deshalb haben wir ja unsere Farmen verlassen und sind hierher nach Goliad gekommen. Wir wollen nur in Frieden auf unserem Land leben und es bewirtschaften. Ist das zu viel verlangt?“ Sein Blick war düster, als er weitersprach. „Ich habe die Gesichter unserer Frauen und Kinder gesehen, Colonel. Sie hatten Angst um ihr Leben – und wir hatten geradezu unverschämtes Glück, dass die Armee uns nicht direkt angegriffen hat.“
„Und warum glauben Sie das?“, fragte der immer noch skeptische Colonel Fannin. „Wenn wirklich solch eine große Gefahr bestanden hätte, dann wäre es Ihnen höchstwahrscheinlich gar nicht mehr gelungen, von Ihren Farmen fliehen zu können, oder?“
„Darüber hat heute Morgen niemand nachgedacht, Sir“, sagte Ayers mit mühsam unterdrücktem Zorn. Denn er spürte, dass Fannin die Meinung eines Zivilisten nicht in dem Maß tolerierte, wie es eigentlich hätte sein müssen. „Wir waren voll und ganz damit beschäftigt, das Nötigste zusammenzupacken und dann unser Leben zu retten. Wer weiß, was dort im Moment geschieht? Vielleicht sind unsere Farmen schon längst niedergebrannt und die Felder zerstört ...“
„Nun malen Sie mal den Teufel nicht an die Wand“, versuchte Fannin, den aufgebrachten Siedler zu beruhigen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die mexikanische Armee in der Nähe von Goliad solche Operationen durchführt. Dann müssten die Mexikaner doch eigentlich damit rechnen, dass so etwas nicht unbemerkt bleibt. Nun, in Kürze wird dieser Despot Santa Anna eine böse Überraschung erleben, wenn unsere kleine, aber sehr schlagkräftige Truppe erst einmal Matamoros erreicht und den Hafen besetzt hat. Dies wird eine entscheidende Niederlage werden, denn Matamoros hat eine sehr wichtige strategische Bedeutung.“
Während er das sagte, drehte er sich um und zeigte auf eine Karte, die hinter ihm an der Wand hing und auf der er einige wichtige Punkte besonders markiert hatte.
„Mister Ayers, die texanische Freiheitsbewegung wird niemand aufhalten können – erst recht keine Armee aus Ziegenhirten und Tagelöhnern.“