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Endlich Urlaub! Der Alpha des Alaska-Caniden-Rudels Darius Amarok, ein schwarzer Wolfswandler, fliegt nach Portland in Maine, um die Ausbildung der Sicherheitsoffiziere von Panthera Enterprises zu überwachen. Als er auf den Beta des Katzenrudels Gattic Tora, einen Tigerwandler, trifft, fliegen die Fetzen. Zusammen sind sie wortwörtlich wie Hund und Katze. Sie können scheinbar nicht miteinander, aber ohneeinander geht es eben auch nicht.
Gelingt es den beiden so unterschiedlichen und in manchen Bereichen so ähnlichen Männern, sich zusammenzuraufen und einen gemeinsamen Weg zu finden?
Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist für Leser unter 18 Jahren und für homophobe Menschen nicht geeignet.
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Sämtliche Personen dieser Geschichte sind frei erfunden und Ähnlichkeiten daher nur zufällig.
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Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist für Leser unter 18 Jahren und für homophobe Menschen nicht geeignet. Im wahren Leben gilt ein verantwortungsbewusster Umgang miteinander und Safer‐Sex!
Seit mindestens zwei Jahren hatte Darius Amarok Alaska nicht mehr verlassen. Sein Rudel hatte in den letzten Wochen einige Veränderungen erfahren und jetzt brauchte er unbedingt Erholung von diesem Stress. Zudem würde es seinem wachgerüttelten Rudel nur gut tun, wenn sie sich sofort an die Neuerungen gewöhnen konnten. Bisher hatten es die Caniden seines Rudels eher konservativ gehalten. Sex war in jeder Ausprägung erlaubt, man band sich aber ausschließlich an das andere Geschlecht. Als schwuler Mann oder lesbische Frau hatte man bei den wolfsartigen Wandlern in Alaska entweder keine Zukunft, oder man war gezwungen, es sein Leben lang zu verheimlichen. Damit hatte Darius nun Schluss gemacht.
Sein Beta Joseph Arctos, der zudem sein Ziehsohn war und ihr nächster Alpha werden sollte, hatte sich mit einem Tigerwandler namens Veris Tigris zusammen getan. Die Beiden harmonierten perfekt und strahlten pure Kraft und Stärke aus. Wer Homosexualität für eine Schwäche hielt, wurde von diesem Paar eines Besseren belehrt. Veris kompensierte perfekt Josephs Schwächen und Joe glich die Macken des Tigers aus.
Die Tatsache, dass Darius nun für mindestens zwei Wochen nicht anwesend sein würde, war für Joseph und Veris eine Chance. Jetzt hatten sie die Gelegenheit, die Zweifler zu überzeugen. Wenn Darius zurück kam, würden die Unbelehrbaren gehen müssen. Zwar zweifelten Viele an der angedrohten Konsequenz, aber der schwarze Timberwolf würde nicht zulassen, dass man seinem Nachfolger das Leben schwer machte. Er hatte Jahre und viel Liebe in Josephs Erziehung investiert und würde ihn jetzt nicht durch einen Anderen ersetzen, nur weil ein paar Idioten dies verlangten. Spätestens dann würden sie wohl bemerken, dass Darius‘ Vorgehensweise bei allen anderen Wandlerverbänden den Standard darstellte. In den Wild Territories herrschte keine Bigotterie, die Wandler waren per se aufgeschlossen und nahmen Neues leichter und schneller an als die restliche Menschheit.
All diese Überlegungen huschten durch Darius‘ Hirn, während er auf die Propellermaschine von Smith Air wartete. Die Schulung in Portland sollte etwa drei bis vier Tage Zeit in Anspruch nehmen, die restlichen Tage wollte er als Gast des Bärenrudels in Florida verbringen. Er stellte es sich traumhaft vor, einfach nur einmal in der Sonne liegen zu können und keine Entscheidungen treffen zu müssen, außer welchen Cocktail er als nächstes kosten wollte.
Mit einem ohrenbetäubenden Lärm landete die kleine Maschine auf der geschotterten Piste und rollte direkt vor Darius aus. Seufzend griff er nach seiner Reisetasche und näherte sich dem Flugzeug. Gekonnt öffnete er die Einstiegsluke und kletterte ins Innere noch bevor die Räder ganz still standen.
Nickend begrüßte der Pilot seinen einzigen Passagier. Als gutzahlender Stammkunde wurde für Canis Securities auch einmal ein Sonderflug eingeschoben. Da die Firma einen Bereitschaftszuschlag zahlte, konnten sie ständig auf die Dienste der kleinen Alaska-Airline zurückgreifen. Schnell nahm Darius auf dem hinteren Sitz Platz und schloss den Sicherheitsgurt. Mit einem Nicken bestätigte er dem Piloten die Bereitschaft abzufliegen. Ohne viel Tamtam betätigte dieser den Gashebel und die Maschine rollte an. Mit der Zunahme der Geschwindigkeit änderte sich auch das moderate Motorengeräusch in ein aufbrausend lautes, zudem wurde die Geräuschkulisse erhöht durch den Gegenwind. Als sich die Maschine mit einem leichten Ruck vom Boden hob, atmete Darius leise durch. Zwar hatte er keine Flugangst, aber die Landebahnen in Alaska bestanden nur aus Mineralbeton und waren anfällig für Schlaglöcher, Verwerfungen und Risse. Die extremen Wetterbedingungen des nördlichsten US-Bundesstaates machte es den Instandhaltungsteams nicht gerade leicht.
Nach fünf Minuten hatte die Propellermaschine die endgültige Flughöhe erreicht und Darius schloss müde die Augen. Irgendwann würde er einmal durchrechnen, ob sich Canis Securities nicht einen Lear-Jet leisten konnte. Damit würde ihr aller Leben wesentlich leichter werden. Jetzt sah die Sache so aus, dass er mit Smith Air bis nach Anchorage fliegen würde, dort ging es mit Alaska Airlines weiter nach Seattle. Mit etwas Glück bekam man in Washington einen direkten Anschluss an die Ostküste. Darius hatte diesmal dieses Glück, aber sein Flieger würde in New York landen und dort würde er in den Zug nach Portland steigen. Insgesamt stand ihm eine Gesamtreisedauer von über zwölf Stunden bevor. Wenn man es genau betrachtete, konnte man in der selben Zeit von New York aus zum anderen Ende der Welt reisen. Alaska war eben noch immer ländliche Provinz und mit gerade einmal etwas mehr als siebenhunderttausend Einwohnern auf knapp zwei Millionen Quadratkilometer verteilt würde sich das so schnell nicht ändern. Als er den schnittigen Jet von Panthera gesehen hatte, war ihm im übertragenen Sinne das Wasser im Munde zusammengelaufen. Natürlich kostete so ein Flugzeug mehrere Millionen und der Unterhalt verschlang zudem noch Unsummen, trotzdem würde er über einen solchen Kauf nachdenken. Alleine der Zeitgewinn konnte ihnen das eine oder andere zusätzliche Geschäft einbringen. Im Moment agierten sie an der Peripherie des Geschehens und viele andere Sicherheitsfirmen erhielten den Zuschlag, weil sie schneller vor Ort sein oder die Interessenten sie leichter erreichen konnten.
Blinzelnd öffnete Darius die Augen. Sein Zug rollte gerade in einen der Bahnhöfe von Portland ein. Sich reckend und streckend versuchte der Timberwolf wieder richtig wach zu werden. Mit einem Gähnen, welches seinen Kiefer zum Knacken brachte, schulterte er seine Reisetasche und marschierte durch den Zug. Auf dem Bahnsteig sah er sich erst einmal suchend um. Man hatte ihm angekündigt, dass ihn jemand im Portland Transportation Center abholte. Doch er konnte bisher niemanden entdecken. Ein Blick auf die am Bahnsteig aufgehängte Uhr verriet ihm, dass sein Zug über eine halbe Stunde Verspätung hatte. Vielleicht hatte sein Abholservice keine Lust mehr gehabt zu warten. Schulterzuckend marschierte er los. Darius hatte die Adresse der Außenstelle von Panthera Enterprises in Portland und mit einem Taxi würde er schon hin finden.
Genervt lehnte Gattic an einem der Stehtische im Center und nippte an seinem Kaffee. Das einzig Gute an dieser Warterei war der extrem gute Bohnensud Marke Starbucks. Schon immer hatte der Tigerwandler eine Vorliebe für das Brühgetränk und er genoss jeden Schluck, wenn denn die Qualität stimmte. Sein Blick wanderte über die Passanten, die aus Richtung der Bahnsteige kamen. Da dies der einzige Ausgang war, musste der Wolfswandler hier vorbeikommen. Seine extrem gute Nase würde Gattic schon verraten, wenn es so weit wäre. Schnuppernd behielt er die Menschenmassen im Auge und drehte gedankenverloren den Pappbecher im Kreis.
Er hatte keine Lust auf die Schulung. Doch sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, dass es kein Schaden sein konnte, ihre Fitness und ihre Routinen zu überprüfen. Sein Zusammenstoß mit Chris Renard, dem kleinen Fuchswandler, hatte Gattic gelehrt, dass man nie auslernen konnte. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass ein solch kleiner Canide in der Lage wäre, ihn zu überwältigen. Doch der Lebensgefährte seines Alphas hatte es nicht nur geschafft, er hatte ihm wortwörtlich eine Lektion erteilt. Diesen Dämpfer hatte der Tiger scheinbar auch bitter nötig gehabt, solch eine Überheblichkeit machte einen angreifbar und das wollte er nicht sein.
Plötzlich drang Gattic eine Spur von Wildtier in die Nase. Mit geblähten Nasenflügeln filterte er die Luft und identifizierte die Witterung eines Wolfes. Dem Duft haftete ein Hauch von Regen und Nadelholz an und ließ dem Tiger das Wasser im Mund zusammenlaufen. Mit einem Schnurren löste er sich von seinem Platz und durchpflügte die Menge auf der Suche nach dem leckeren Geruch. Als er vor einem großgewachsenen, fast hager wirkenden, indianisch-stämmigen Mann zum Stehen kam, wusste er, dass er den Gesuchten gefunden hatte. Der Schwarzäugige verkörpert selbst in seiner menschlichen Gestalt den Inbegriff des einsamen Wolfes. Lecker! Dieser Gedanke dominierte in Gattics Gehirn. Sein Kater rollte sich regelrecht in dem Duft, der tief in seine Lungen drang und wünschte sich den Wolf umgehend zu bespringen. Mit einem Schmunzeln reichte er dem Wolfswandler seine Hand. Er musste sich auf jeden Fall zusammenreißen, denn sonst würde ihm Eve die Hölle heiß machen. Seine On-/Off-Freundin hatte eine eifersüchtige Ader und neigte dazu, alle Menschen zu vergraulen, die Gattic attraktiv fand, auch wenn sie selbst das anders sah.
Regelrecht geschockt stand Darius im Durchgang des Bahnhofs. Die Menschen hinter ihm teilten sich, um ihn zu umgehen. Trotz der Tatsache, dass er massiv störte, beschwerte sich niemand. Instinktiv wussten die Passanten, dass sie es bei dem Mann mit einem gefährlichen Raubtier zu tun hatten, obwohl er augenscheinlich gar nicht so aussah. Seine Aura sagte da aber etwas anderes. Er strahlte Gefahr aus und daran ändert auch sein eher gewöhnliches Aussehen nichts. Als Nativ American hatte Darius die schlanke hochgewachsene Statur und die sehnigen flachen Muskelpartien. Von seiner Wandlerseite stammten die Kraft, die Ausdauer und sein unbeugsamer Wille. Obwohl es unter den Alaska-Caniden stärkere Wandler gab als Darius, hielt er trotzdem problemlos seinen Posten als Alpha. Kein Rudelmitglied mit Verstand würde ihn herausfordern. Eine Herausforderung hätte zur Folge, dass der Aggressor verlieren würde und dann seine Heimat verlassen musste. Wandler duldeten keine Verlierer in ihrem Rudel.
Dieser Fremde, dieser Wandler, duftete wie Zuckerwatte, zumindest im übertragenen Sinn. Nach mehrmaligem tiefem Einatmen kam Darius zu dem Schluss, dass er endlich jemanden gefunden hatte, mit dem Sex auch Spaß machen würde. Jeder Wandler erkannte an der Witterung seines Gegenübers, wie gut derjenige allgemein und auch im Bett zu einem passen würde. Der Timberwolf hatte bisher noch nie eine höhere Übereinstimmung wie maximal dreißig Prozent erlebt. Doch der vor ihm stehende Tiger passte zu ihm wie die Faust aufs Auge. Er schätzte auf nahezu neunzig Prozent. Sein Wolf wollte nur eines, den Kater aus seinen Kleidern schälen und ihn überall lecken. Ohne ein Zögern griff Darius die angebotene Hand des Katzenwandlers und fühlte ein statisches Prickeln durch seinen Arm rasen. Winselnd trat er dicht an den größeren Mann heran und musterte aufmerksam dessen Gesicht.
Vor ihm stand ein maorischer Krieger, groß, breit, muskulös und gemeingefährlich, wenn er es sein wollte. Die gebräunte glatte Haut war dank der wenigen Kleidung gut sichtbar. Ende August herrschten in Portland angenehme vierundzwanzig Grad und es reichte, wenn man in Shorts und Muscle-Shirt aus dem Haus ging. Auch der Tiger trug nicht viel mehr, im Gegensatz zu Darius. Da er gewusst hatte, dass es in Maine wesentlich wärmer sein würde, hatte er sich passende Kleidung für die Reise ausgesucht. Als Alaskabewohner besaß er aber keine kurzen Hosen, daher steckten seine langen Beine in verwaschenen Bluejeans und sein Oberkörper wurde von einem schwarzen Shirt umspielt. Darius verabscheute hautenge Klamotten, da man sich bei einer schnellen Wandlung elendig darin verhedderte. Wenn er den Knopf und den Reißverschluss seiner Jeans öffnete, konnte er sich wandeln und in Tierform blitzschnell aus den Kleidern schlüpfen. Manchmal ging dabei das eine oder andere Shirt entzwei, aber damit konnte er leben.
„Willkommen in Maine“, begrüßte Gattic den Abgesandten von Canis Securities. Der Wolf hatte ein paar Jahre mehr auf dem Buckel und wirkte auf den Tiger recht erfahren. Sein Instinkt schwieg zu der Position des Hundeartigen in dessen Rudel. Meist hatte Gattic einen guten Riecher für Dominanz, doch hier versagte sein Spürsinn.
„Danke. Es ist mir ein Vergnügen hier zu sein. Ich bin Darius Amarok“, stellte sich der Wolf mit schlafzimmerheißerer Stimme vor.
Eine Gänsehaut bildete sich auf Gattics Armen und Rücken. Sogar sein Schwanz sprach auf die Stimme seines Gegenübers an. Hölle! Nach einem Räuspern entgegnete er: „Ich bin Gattic Tora. Ich trage Streifen in meiner Freizeit. Über deine Art und Stellung hat mich Chris informiert. Was führt den Alpha des Alaska-Caniden-Rudels hier her?“
So, so. Chris hatte also aus dem Nähkästchen geplaudert, aber nicht verraten, dass er im Anschluss Urlaub machen wollte. Vielleicht hatte der vielseitig begabte Fuchs es auch einfach nicht gewusst. Zwar hielt Chris jetzt einen stärkeren Kontakt zu seiner Familie, aber sie telefonierten doch nicht täglich. Außerdem nahm sich Darius nicht so wichtig, dass ständig und immer über ihn gesprochen wurde. „Ich werde nach diesem Auftrag noch einige Tage Urlaub hinten dran hängen. Ich habe vor zwei Jahren das letzte Mal Alaska und das Rudel verlassen. Es ist ein bisschen Zeit für Selbstständigkeit.“
Scheiße! Sich der Anziehung des Alphas während der etwa vier Tage andauernden Schulung zu entziehen, hielt Gattic für machbar. Sollte dieser aber länger in Portland bleiben, steuerte er auf eine hausgemachte Katastrophe zu. Ein Techtelmechtel mit einem Alpha aus Alaska war ein absolutes No-Go. Vermutlich war dieser ebenso gestrickt wie Leo, sein eigener Alpha, und machte gerne Nägel mit Köpfen. Doch Gattic konnte es sich einfach nicht vorstellen, sein Rudel zu verlassen. Als Kater unter Caniden zu leben stellte er sich nicht lustig vor. Ihm persönlich tat Veris leid. Er an seiner Stelle hätte auf den Bund mit dem Polarwolf verzichtet und lieber weitergesucht. Auf keinen Fall würde er sich von dem Timberwolf einwickeln lassen. Mit einem verhaltenen Lächeln erklärte er: „Mein Auto steht vor dem Gebäude. Bis zu unserer Firmenfiliale sind es nur wenige Minuten.“
Stirnrunzelnd folgte Darius dem vorangehenden Tiger. Warum distanzierte dieser sich nun von ihm? Der Duft passte fast perfekt und trotzdem hielt der Kater Abstand. Stand er nicht auf Männer? Nein, das glaubte der Wolf nicht. Wäre das der Fall, hätte er sich anfangs weniger begeistert gezeigt. Die Zurückhaltung legte Gattic erst an den Tag, seit er wusste, dass er es mit dem Alpha des Rudels zu tun hatte. Störte er sich daran, mit einem Dominanteren zu schlafen? Das sollte aber kein Problem darstellen, denn Darius hatte früher schon den nehmenden Part übernommen. Er war der Ansicht, dass man sich als Bottom nichts vergab. Nur weil Gattic in seinem Rudel ein Beta war, stand einer Beziehung zwischen ihnen nichts im Weg.
Draußen führte Gattic den Besucher zu seinem alten Suzuki-Geländewagen. Er liebte seine alte Rostschüssel, ahnte aber, dass Darius sie eher wenig ansprechend fand. Doch noch bevor er sich entschuldigen konnte, öffnete sein Gast die Beifahrertür und schwang sich wortlos auf den Sitz. Bis Gattic den Wagen umrundet hatte und eigenstiegen war, hatte Darius schon den Gurt in seinen Verschluss gedrückt und spähte neugierig durch die Frontscheibe.
Portland erinnerte Darius etwas an Anchorage. Die Städte hatten eine ähnliche Struktur und Größe, zumindest kam es dem Wolf so vor. Beide Städte lagen am Meer und das maritime Klima bestimmte das Leben der Bewohner.
Bevor Gattic in den Wagen stieg blickte er noch einmal über das Blechdach und atmete ein letztes Mal tief durch. Krampfhaft zwang er sich dazu, sich an Eve zu erinnern. Seine Freundin wartete in der Firma auf ihn und würde ihn und auch Darius begrüßen. Als Leiterin der Marketing-Abteilung in Portland lernte sie fast alle Geschäftspartner kennen. Natürlich würde sie bemerken, dass der Wolf wesentlich besser zu ihm passte als sie selbst. Die geschmeidige Gepardin neigte zu besitzergreifendem Verhalten und würde das sicher nicht unkommentiert lassen. Mit etwas Glück konnte er sie abfangen, bevor sie Darius eine Szene machte. Sich mit dem Alpha eines Rudels anzulegen, gehörte zu den größten Dummheiten die man begehen konnte, zumal besagter Rudelchef ihr Gast war.
Konzentriert drehte Gattic den Schlüssel im Zündschloss, legte den Gang ein und ließ die Kupplung kommen. Ruckfrei rollte das alte Auto an und er fädelte sich gekonnte in den fließenden Verkehr ein.
Verkehrstechnisch war Portland wesentlich belebter als Anchorage. Trotzdem fühlte sich Darius nicht unwohl. Gattic strahlte eine enorme Ruhe aus und steuerte den Wagen souverän durch die Straßen der Stadt. Was den Wolf sehr wunderte war die fehlende Kommunikation. Normalerweise neigten die meisten dazu, sich als Fremdenführer aufzuführen. Sie berichteten von Sehenswürdigkeiten, erzählten von den Bewohnern der Stadt oder gingen auf den anstehenden Auftrag ein. Doch der Tiger blieb stumm und konzentrierte sich voll und ganz aufs Fahren. Das Schweigen fühlte sich für den Wolf aber nicht unangenehm an, daher änderte er nichts an der Situation und genoss die friedliche Stille. Seine Reise war stellenweise sehr hektisch und nervenaufreibend gewesen, so hatte er zum Beispiel in Seattle zum Gate rennen müssen, um den Anschlussflug zu erreichen. Dafür hatte er in New York Ewigkeiten auf den Zug warten müssen. Jeder dieser Umstände überzeugte Darius immer mehr davon, dass er für sein Rudel einen Firmenjet kaufen musste.
Als Gattic die Tochterfirmen von Panthera Enterprises in Portland erreichte, staunte Darius nicht schlecht. Es handelte sich um zwei umfunktionierte Lagerhallen in retro-modernem Chic mit direktem Blick auf den Atlantik. Wenn er richtig vermutete, konnte man den Anleger der Fähre nach Nova Scotia problemlos fußläufig in wenigen Minuten erreichen. Trotz seines Staunens konnte man ihm die Emotion nicht ansehen. Er wirkte ruhig und gelassen, nur seine Witterung verriet sein Aufgewühltsein. Doch das konnte man auf alles Mögliche zurückführen. Jede neue Situation konnte einen Wandler in Stress versetzen, doch als Alpha sah er sich noch nie einer ausweglosen Lage gegenüber und er hoffte, dass es auch so bleiben würde.
„Da wären wir“, erklärte der Tiger, während er mit seinem Firmenausweis die Schranke frei schaltete, um auf den Parkplatz fahren zu können. Seine Nerven lagen blank, obwohl er sich mit so etwas Trivialem wie Smalltalk nicht aufgehalten hatte. Die Ruhe, die Darius ausstrahlte, wirkte irgendwie verstörend auf den Kater. Normalerweise fühlten sich Menschen nicht wohl, wenn so anhaltend geschwiegen wurde.
Anhand der Witterung des Tigers erkannte Darius, dass dieser sich extrem verunsichert fühlte. Es amüsierte den Wolf ungemein, dass er nur durch sein Auftreten den Kater so aus dem Tritt bringen konnte. Gelassen folgte er dem größeren Mann hinein ins Gebäude.
Wie erwartet stand Eve Geenaway am Ende des Empfangsbereichs und lächelte Darius und Gattic entgegen. Als Marketingchefin gehörte dies zu ihren Aufgaben und sie stand gern in dieser Form im Rampenlicht. Vom Auftreten her wäre sie sicher gerne eine Beta, aber dafür fehlte ihr einfach das kämpferische Geschick. Diplomatie und Menschenkenntnis alleine reichten nicht aus, um Stellvertreter des Alphas zu sein. Seufzend akzeptierte Gattic, dass dieses Zusammentreffen unschön enden könnte. Hoffentlich erinnerte sich Eve rechtzeitig daran, dass es sich bei dem Wolfswandler um einen Gast ihres Alphas handelte. Sogar Finn Cougar würde übermorgen vorbei kommen, um sich mit dem Besucher zu treffen. Der nächste Alpha ihres Rudels knüpfte bereits jetzt Kontakte, um seinem Alpha besser beistehen zu können. Finn war jetzt erst dreiundzwanzig Jahre alt und würde Leo in etwa dreißig Jahren beerben. Würde der Löwe länger im Amt bleiben, denn nach außen verkörperte er den CEO von Panthera Enterprises, würde auffallen, dass er wesentlich langsamer alterte als ein normaler Mensch, daher wurde ein Alpha nach etwa zweieinhalb bis drei Jahrzehnten abgelöst. Dies verlief im Gegensatz zur freien Natur meist eher unblutig und wenig kämpferisch. Man erkannte einen potenziellen Alpha sehr schnell und dieser wurde dann von dem aktuellen Rudelführer gefördert und protegiert. So erwarb der Nachfolger die benötigte Erfahrung und erhielt für seine Amtszeit einen guten Berater, den er jeder Zeit nach seiner Meinung fragen konnte. Dieses Vorgehen hatte sich bewährt und auch Leo de Leew hatte beschlossen, daran festzuhalten.
Auch Darius hielt es so, nur dass in seinem Fall die Ablösung schon gewissermaßen ins Haus stand. Der Timberwolf führte seine Caniden mittlerweile fast dreißig Jahre an und es wurde Zeit für einen Machtwechsel. Joseph hatte sich bewährt und sein Rudel würde die damit einhergehende Neuerung akzeptieren. Dem Übergang stand nichts weiter im Weg. Tief in seinem Inneren freute sich Darius schon auf eine Zeit mit weniger Verantwortung. Es hatte ihm gefallen der Alpha zu sein, doch es wurde langsam Zeit, dass er selbst wieder im Fokus stand und nicht mehr nur das Rudel. Für seine Zukunft ergaben sich da ganz neue Möglichkeiten, die er als Alpha nicht hatte. Innerlich rieb er bei diesem Gedanken freudig die Hände.
Als sie sich der wartenden Frau näherten fing Darius deren Witterung auf. Gepardin, zu ihm nicht passend und sie roch nach Gattic! Tief durchatmend versuchte sich der Wolf zu beruhigen. Auf keinen Fall durfte er die Fremde anknurren. Sie konnte schließlich nichts dafür, dass der Tiger etwas mit ihr hatte. Es lag einzig und alleine an Darius, etwas daran zu ändern. Es beunruhigte ihn etwas, dass die Katze so gut zu Gattic passte. Ihre Kompatibilität lag sicher bei um die siebzig Prozent. Ob sie wohl in der Lage war zu erkennen, dass er besser zu dem Tigerwandler passte? Insgeheim hoffte er, dass sie es nicht konnte. Viele Frauen reagierten sehr emotional in solchen Situationen und es gab für sie noch gar keinen Grund zur Eifersucht. Noch hatte Darius keinen Annäherungsversuch unternommen und Gattic ebenso wenig. Doch viele Wandlerinnen sahen überall Feinde und Rivalen. Dies lag wohl an ihrer Raubtiernatur, dagegen kamen sie ebenso wenig an, wie gegen Hunger und Durst.
Mit einem breiten Lächeln trat Eve auf Darius zu und schüttelte diesem die Hand. Automatisch begann sie mit dem großgewachsenen Wolf zu flirten, obwohl ihre gute Nase ihr verriet, dass er gar nicht zu ihr passte. Erst nachdem sie bereits einige nichtssagende Floskeln mit diesem gewechselt hatte, fing sie die Witterung Gattics auf. Dieser roch dermaßen nach Unbehagen, dass man es fast schon schmecken konnte. Erst jetzt analysierte sie die unterschiedlichen Duftnoten und erkannte zu ihrer Bestürzung, dass dieser Wolf zu ihrem Tiger besser passte, als sie selbst. Zähneknirschend bot sie diesem nun eine Führung durch die Filiale an und hoffte, ihm dabei klar machen zu können, dass Gattic bereits vergeben war. Zwar waren sie nicht verheiratet oder verlobt, aber der Tiger bezeichnete sie zuweilen als seine Freundin und er ging mit keiner anderen aus. Vermutlich stand ihr Kater gar nicht auf Kerle, zumindest versucht sie sich genau das einzureden. Die meisten Wandler machten keinen Unterschied, sondern entschieden ausschließlich nach der Kompatibilität bei der Auswahl ihrer Bettpartner. Es machte keinen Sinn jemanden zu umwerben, der gar nicht mit einem harmonierte. Die Passgenauigkeit betraf nicht nur die Bettspiele sondern jeden Bereich im Leben. Fand man jemanden, der perfekt zu einem passte, konnte und sollte man diesen sofort fest an sich binden, denn es gab nichts Erfüllenderes, als ein Leben mit dieser Person an seiner Seite. Nur sehr wenige Wandler fanden diese sogenannten Seelenverwandten.
An dem schlagartig veränderten Verhalten der Katze erkannte Darius, dass ihr eben bewusst geworden war, wie es zwischen ihm und Gattic stand. Eve hatte eben erkannt, dass er ein ernstzunehmender Rivale sein konnte. Darius hatte fest vor, nicht nur ein Rivale zu sein. Er hatte vor, Gattic fest an sich zu binden. Niemals hatte er damit gerechnet, mit fast sechzig Jahren endlich doch noch jemanden zu finden, der wirklich zu ihm passte und ihn ergänzte. Dass es sich dabei um einen Kater und einen Mann handelte, störte ihn eher weniger. Er hatte so wenig Auswahl, dass er nehmen würde, was ihm Mutter Natur anbot. Oft hatte er die Wissenschaftler verflucht, die ihrer aller Vorfahren erschaffen hatten. Seine genetische Kombination war so selten, dass es wenig bis gar keine Übereinstimmungen gab und er daher ein eher unbefriedigendes Leben führte, zumindest im sexuellen Bereich. Auch Darius‘ Eltern hatten nur zu etwa sechzig Prozent zueinander gepasst. Sie hatten das Beste daraus gemacht und sich damit arrangiert. Ansonsten konnte sich Darius über sein Dasein nicht beklagen. Er hatte es mit gerade einmal dreißig Jahren zum Alpha geschafft, hatte sein Rudel erfolgreich an die Spitze ihres Wirtschaftszweiges geführt und sie lebten in finanzieller Sicherheit. Ebenso hatte er es fertig gebracht, einen Nachfolger zu finden und sein Rudel von den letzten Hirnverbrandheiten zu befreien. Solch hinterwäldlerisches Gebaren passte nicht zu einem Rudel dieser Zeit und Darius hatte dafür die Weichen gestellt. Jetzt, da er sich selbst ebenfalls an einen Mann binden wollte, stellte er erneut fest, dass er schon vor Jahrzehnten hätte etwas ändern müssen. Doch jetzt darüber zu jammern würde wenig bringen. Die Milch war verschüttet und kam nicht zurück in den Krug.