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Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden. Mark Twain Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen, aber selten etwas Besseres. Lessing Die Vergangenheit ruht nicht Iris, eine junge verwöhnte Frau sucht den Traummann, der ihr ein schönes sorgenfreies Leben bieten kann. In Ralf findet sie den Mann. Nur ihre Eskapaden entwickeln sich für sie anders, als sie es bedachte. Es zeigt, wie Gewalt in der Ehe nicht nur körperliche Schäden, sondern vor allem im Inneren wirkt, dass dabei jegliches Selbstwertgefühl verloren geht. Iris lebt in ständiger Angst. Trotzdem verliert sie ihr Ziel nie aus den Augen: Reichtum. Winterzauber auf Sylt Nach dem Tod ihres Mannes zieht Aliisa mit ihren zwei Kindern auf die Insel Sylt. Da erbte ihr Mann, das alte, wunderschöne Friesenhaus der Familie. Da sie auch sein Geld erbte, ließ sie vieles umbauen und erneuern. In einem Hotel fand sie einen Job als stellvertretende Hotelmanagerin. Alles schien perfekt zu sein. Sie lernt schnell die Leute kennen, die für sie erstrebenswert waren: Menschen mit Geld, Ansehen. Zu ihnen fühlt sie sich zugehörig. Nur wegen ihnen brach sie in Hamburg alle Brücken ab. Nur sie, haben ein ganz anderes Interesse an ihr. Sie wollen das Haus, wie schon in anderen Fällen, billig erwerben, um es dann teuer zu verkaufen. Gerade noch frühzeitig, kommt sie mit nur einer riesigen Enttäuschung davon. In einem neuen Anlauf will sie alles besser machen, um endlich zu den ganz Oberen zu gehören. Nur das ist ihr Ziel. Sie verliert dabei wahre Freundschaften, ihre Kinder und die Wahrheit aus den Augen.
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Angelika Friedemann
2 Nordfriesen-Romane
Die Vergangenheit ruht nicht
Winterzauber auf Sylt
Impressum
Copyright: © 2024. Alle Rechte am Werk liegen bei: Kevin Friedemann, Herrengasse 20, Meinisberg/ch,
Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mithilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.
Autorin: Angelika Friedemann, [email protected].
Bildnachweis: Quelle: piqs.de, Bildtitel: Morsum Fotograf: MickyS74
Die Vergangenheit ruht nicht
Geld zieht nur den Eigennutz an
und verführt stets unwiderstehlich
zum Missbrauch
Albert Einstein
°°°
Über der grauen Straße hing ein finsterer, dunkler Himmel. Kein Mensch war zu sehen, obwohl es noch früher Abend war, aber wer wollte bei so einem Wetter draußen herumlaufen?
Jetzt setzte der Schneeregen heftiger ein, wie sie im Schein der Straßenlaternen erkannte. Der Wind fegte durch die Ritzen der alten doppelten Holzfenster, die seit Langem nicht mehr richtig dicht waren. Fröstelnd schlug sie die Arme um den Oberkörper, aber es war nicht die Zugluft allein, die sie schauern ließ.
Abermals sah sie auf die Uhr, dann guckte sie erneut aus dem Fenster. Ralf, ihr Mann, kam nicht und sie wusste, was das bedeutete. Angst und Entsetzen breiteten sich in ihr aus.
Sie starrte eine geraume Weile hinaus. Ihr Rundblick fiel auf die gegenüberliegenden Wohnhäuser. Verschiedene Fenster waren hell erleuchtet, in einigen sah man bereits Weihnachtsschmuck leuchten, obwohl es erst Ende November war, aber es sah hübsch aus. Nur heute hatte sie keinen Blick dafür und als die Kälte kontinuierlich weiter von ihr Besitz ergriff, wandte sie sich ab.
Leise zog sie sich aus, dass Nachthemd über, schaute noch einmal zu ihrer Tochter, die friedlich in dem Gitterbett lag und schlief. Eine Weile verharrte sie, um den ruhigen Atem zuzuhören. Ein wenig Ruhe kehrte in ihr Inneres ein, während sie das kleine Mädchen betrachtete. Sacht strich sie ihr über die dunkel gelockten Haare, zog die Decke ein wenig höher und legte ihr die kleine schwarz-weiße Katze in den Arm. Leise schloss sie die Tür, legte sich ebenfalls ins Bett. An Schlaf war jedoch nicht zu denken.
Je später es wurde, umso mehr kroch das Bedrohungsgefühl in ihr hoch, breitete sich in ihrem Inneren aus. Sie lauschte auf jeden Klang, schlafen konnte sie doch nicht. Ihr Blick war starr auf die Zimmerdecke gerichtet, wartend, nahm allerdings jeden noch so leisen Laut wahr. Die Hände hielten verkrampft die Bettdecke fest. Sie versuchte ihre Angst zu bezwingen, das Zittern ihres Körpers zu unterdrücken, die Kälte, die sie ganz ausfüllte zu ignorieren, aber so sehr sie sich bemühte, es funktionierte nicht. Erneut schaute sie auf die Uhr. Sie war so müde, dessen ungeachtet ließen sie die Furcht und das Grausen nicht schlafen.
So verrann Stunde um Stunde, ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, während sie in die Dunkelheit horchte. Bei jedem Geräusch zuckte sie voller Panik zusammen. Sie hörte ihr Herz laut in den Ohren trommeln. Ab und zu erhellte der Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos ein wenig den Raum, sie lauschte auf die leisen Motorengeräusche von der Straße, nahm das Zuschlagen einer Autotür wahr. Aus der Wohnung über ihr erklangen Schritte, im Treppenhaus Lachen, dann war wieder Ruhe. Für sie eine trügerische Stille.
Jetzt wurde die Wohnungstür geöffnet, und schnell zog sie die Decke über ihr Gesicht, obwohl sie wusste, dass das nichts nutzte. Ihr ganzer Körper bebte vor Angst. Ihr Herz raste, klopfte heftig gegen die Rippen, schlug so lautstark, dass es in ihren Ohren dröhnte, man es bestimmt im gesamten Zimmer hören konnte. Die Hände inzwischen feucht, verkrampften sich. Die Fingernägel bohrten sich in die Handflächen. Die Schlafzimmertür flog so kräftig auf, dass diese gegen die Wand knallte. Ihr Nachthemd mittlerweile klamm vom Angstschweiß. Er taumelte in den Raum, murmelte irgendetwas vor sich hin, was sie nicht verstand. Selbst das Atmen versuchte sie, zu unterdrücken. Sie fühlte die schweißnassen klebrigen Haare am Kopf, während sie stocksteif liegend auf jede Bewegung von ihm achtete. Sie bekam unter der Bettdecke fast keine Luft mehr, aber sie bewegte sich nicht, lag nur steif, wie leblos da, hoffend, dass er gleich einschlief. Dabei wusste sie genau, dass das nicht der Fall sein würde.
„Mist“, hörte sie ihn fluchen und ein Schwall Alkohol bereitete sich im Zimmer aus. Die Schuhe polterten zu Boden, dann gab er der Tür einen Tritt, dass sie laut krachend in das Schloss fiel. Sie zitterte wie Espenlaub. Hoffentlich wird die Kleine nicht wach, flehte sie stumm. Sie lauschte, aber noch blieb alles still.
Nochmals fluchte er, murmelte etwas und nun ließ er sich auf das Bett plumpsen. Wenig später war er neben ihr, zog ihr die Decke weg. Seine Alkoholfahne streifte ihr Gesicht und sie unterdrückte das Ekelgefühl, das sich in ihr breitmachte. Mit vor Angst weit aufgerissenen Augen blickte sie ihn an. Seine Hand zog an ihrem Arm, drehte sie auf den Rücken. „Meine nette Frau ist ja wach“, lallte er lallend, griff fester zu und beugte sich über sie. „Du bist so schön“, säuselte er und streichelte kurz mit den Fingerspitzen ihre Wange, ihre Lippen und schnell wendete sie das Gesicht zur Seite.
„Ja ich weiß, du magst mich nicht. Komm, ich habe Lust auf dich. Zieh den ollen Fetzen aus“, hörte sie seine kalte Stimme. Er richtete sich auf, zerrte an seinem Pullover und warf den wenig später auf den Fußboden, es folgte die Hose, sich nur mühsam auf den Beinen haltend. Die Socken behielt er an, ließ sich auf das Bett fallen und fasste nach ihr.
„Du sollst dich ausziehen, hast du nicht gehört?“ Sein Tonfall ein wenig aggressiv. „Du willst mich nicht, wolltest mich nie, aber ich dich, und zwar sofort. Also zieh dich aus.“
„Du blöder Versager, du Scheißkerl, du kotzt mich an“, brachte sie voller Hass heraus.
Er lachte verhalten griff nach dem Nachthemd und riss daran herum. Iris setzte sich auf und zog es schnell aus, damit es nicht noch zerriss.
„Egal, ich will trotzdem Sex. Kapierte, holde Gattin? Für meine Tausender, die du mir geklaut hast, kann ich eine Gegenleistung erwarten“, erwiderte er kalt und sehr klar,
„Bitte, Ralf, nicht“, flehte sie leise, zaghaft, eingeschüchtert. „Hab Erbarmen, wenigstens momentan.“ In ihren Augen glitzerten Tränen.
Er schaute sie an, an ihrem Körper hinunter, streichelte mit den Händen darüber.
„Lass mich wenigstens derzeit mit diesen Schweinereien in Ruhe.“
Nach kurzem Zögern griff er grob nach ihrem Busen, stieß sie zurück und war über und wie ein Schwein grunzend in ihr.
Sein heißer, drängender Atem, der nach Alkohol und Zigarettenrauch stank, streifte sie.
Den Schmerzensschrei unterdrückend, krallte sie die Fingernägel in das Laken, biss die Zähne zusammen, versuchte, an etwas anderes zu denken. Das bin nicht ich, das ist nur mein Körper, den er benutzt, nur meine Gestalt, mein Leib. Sie biss sich auf die Lippen, nur um die Schmerzen zu entschwinden. Es schmeckte nach Blut. Sie hörte ihn stöhnen, grunzen, roch den stinkenden Schweiß, den widerlichen Alkohol und wünschte, dass er endlich fertig, dass es vorbei war.
So schnell ging es heute nicht. Er griff nach ihren Beinen, drückte diese brutal nach oben gegen ihren Kopf. Es tat weh, überdies störte ihr Bauch. Sie war im achten Monat schwanger.
Er keuchte, „Los, mach mit, meine liebevolle Ehefrau.“
Ungestümer, heftiger stieß er zu, merkte, dass es so nicht funktionierte. „Los komm.“
Aber sie konnte nicht, konnte sich nicht bewegen, war wie erstarrt. Er ließ von ihr ab, legte sich neben sie, griff in die langen blonden Haare und zerrte ihren Kopf zu sich. „Machst du es eben anders.“
Er zog fester, Tränen liefen über ihre Wangen und sie rappelte sich etwas hoch, beugte ihren Kopf über ihn, nur damit er Ruhe gab. Das Ekelgefühl genauso wie das Würgen im Hals unterdrückend, als er ihren Kopf hart herunterdrückte. Sie hörte ihn wilder atmen, stöhnen und laut aufschreien, als er befriedigt war.
Sie hielt die Hand vor den Mund, sprang aus dem Bett, rannte in das Bad und musste sich heftig übergeben. Wieder und wieder, bis der Magen leer war und nur ein bitterer Geschmack im Mund übrig blieb.
Den Blick in den Spiegel vermeidend, spülte sie den Mund, putzte Zähne und wusch ihr Gesicht, als sie den Schmerz in ihrem Unterleib verspürte. Hastig atmete sie ein und aus, legte die Hand auf den Bauch. Etwas Warmes lief an ihren Beinen hinunter. Sie wusste sofort, was das bedeutete. Mühsam schleppte sie sich in das Schlafzimmer, zog ein Kleid über, schloss leise die Tür, nur damit er nicht erwachte. Für einen Moment lehnte sie sich an die Wand und griff danach zum Telefon, rief bei ihrer Schwester an.
„Uta, kannst du herkommen? Mein Baby kommt. Bitte.“
„Der schläft und ich möchte ihn nicht wecken. Bitte kümmere dich so lange um Miriam.“
Sie unterdrückte einen Schmerzensschrei, legte auf, um gleich neu zu wählen, dieses Mal rief sie einen Notarztwagen. Sie ergriff die kleine Tasche, die gepackt in einer Ecke stand, schaute noch einmal zu ihrer Tochter und verließ die Wohnung. Mühselig stieg sie Stufe für Stufe hinunter, um unten auf die Schwester und den Krankenwagen zu warten. Sie stöhnte, als der Schmerz bohrend und stechend durch den Körper raste. Endlich war sie unten, lehnte sich an die Wand, schnell atmend, der Schweiß rann ihr den Rücken herab. Sie legte eine Hand unter den Bauch, als wenn sie ihn stützen wollte. Sie schloss die Lider, versuchte, gleichmäßig zu atmen. Entfernt hörte sie die Sirene des Krankenwagens und öffnete die schwere Haustür, dass sie mit letzter Kraft schaffte, dann wurde alles schwarz.
°°°
Es war später Nachmittag, als sie aus dem kurzen Schlaf erwachte. Langsam öffnete sie die Augen, wandte den Kopf und sah Ralf neben ihrem Bett sitzen. Sofort begann sie zu zittern, spürte die Angst.
„Iris, wie geht es dir?“
Etwas erstaunt bemerkte sie, dass er rasiert und ordentlich angezogen war. Er roch nicht nach Alkohol, sondern nach seinem Duschgel und Rasierwasser.
„Gut danke. Was machst du denn hier?“ Ihre Stimme zittrig und, leise. Fast nur ein Hauchen.
„Das ist vielleicht eine blöde Frage“, grinste er sie leicht verlegen an. „Ich war bei unserem Sohn. Dem geht es gut, hat die Ärztin gesagt und in einigen Tagen kann er aus dem Brutkasten. Warum hast du mich nicht geweckt?“
Sie drehte ihr Gesicht weg. Was sollte sie darauf antworten? Ich war froh, dass du schliefst, dass ich meine Ruhe vor dir hatte?
„Es tut mir leid, dass ich gestern so über dich hergefallen bin.“ Er tastete vorsichtig nach ihrer Hand, drückte sie ein wenig. „Du siehst so schön, süß und verführerisch aus.“ Sanft streichelte er die dünne Haut mit den Fingerspitzen.
Wie oft hast du das gesagt? Wie oft hast du dich entschuldigt, um mich danach wieder zu vergewaltigen und mich zu schlagen?
„Wo ist Miriam?“
„Bei deiner Schwester. Sie hat sie heute Morgen mitgenommen, aber ich hole sie nachher dort ab. Ich werde mir Urlaub geben lassen. So kann ich mich um sie kümmern und alles für dich und unseren Sohn vorbereiten.“
Entsetzen machte sich in ihr breit. „Nein, lass sie ruhig bei Uta“, wandte sie hastig ein. Allein der Gedanke, ihn mit dem Kind allein zu wissen, ließ Panik in ihr hochsteigen.
Ralf zog ihre Hand hoch, hauchte zarte Küsse darauf. „Ich liebe dich, weißt du das? Ich werde mich ändern, versprochen. Iris, künftig wird alles anders, keinen Alkohol mehr.“
Ja, auch das kenne ich, trotzdem wird alles so weitergehen und du weißt es, obwohl du dir etwas anderes einredest.
„Wenn du wieder ganz gesund bist, werden wir alle vier für zwei Wochen verreisen. Eine neue, größere Wohnung benötigen wir auch, damit jedes Kind ein eigenes Zimmer bekommt. Du wirst sehen, unser Leben fängt ganz neu an“, strahlte er sie an und in dem Moment sah er gut aus.
Wenn man ihn so sieht, käme kein Mensch auf den Gedanken, in was für ein brutales, grausames Monster er sich nach einigen Gläsern Schnaps verwandeln kann. Auch nun erwiderte sie nichts, sah ihn nur stumm an und zum ersten Mal spürte sie, wie sehr sie diesen Mann verachtete und hasste. Aber er war ihr Mann und sie hatte geschworen, ihn zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod euch scheidet. Mühsam unterdrückte sie die Tränen.
„Ich bin müde, Ralf.“
„Sicher, meine Schöne. Schlaf ruhig. Ich bin noch mit Bernd und ein paar anderen verabredeten. Wir wollen ein bisschen meinen Sohn feiern. Ich muss einen ausgeben“, griente er, streichelte dabei über ihre Wange. Er sah in diesem Moment wie ein großer Junge aus, und wenn man ihn so anblickte, würde ihn jeder für einen liebevollen, zärtlichen Mann und Familienvater halten.
„Mach das.“ Demonstrativ schloss sie die Augenlider, spürte seinen Mund auf ihren. „Ich danke dir für unseren Sohn. Iris, ich liebe dich wirklich“, hörte sie ihn sagen, wenig später, wie er die Tür leise hinter sich zuzog.
Sie öffnete die Augen, setzte sich auf und trank hastig ein Glas Wasser.
Man gibt nie eine Ehe einfach so auf. Du bist seine Frau, also musst du dich ihm fügen. Du musst dafür sorgen, dass er eine nette Wohnung vorfindet, ihm gutes Essen servieren, alles ordentlich aufgeräumt und sauber ist. Natürlich auf seine anderen Bedürfnisse eingehen. Die Männer sind nun mal so und machen Dinge, die eine Frau nicht schön findet, aber auch das gehört zu den ehelichen Pflichten. Du wirst dich daran gewöhnen, außerdem macht man das ja auch, um Babys zu bekommen. Diese Worte ihrer Mutter an ihrem Hochzeitstag konnte sie nicht vergessen. Damals war sie gerade achtzehn gewesen. Sie erinnerte sich an den Tag, als ihre Eltern sie davon unterrichtet hatten, dass der Sohn einer Freundin sie heiraten wollte. Im ersten Moment hatte sie nicht gewusst, wer er war, da sie ihn nur einige Male flüchtig gesehen hatte. Sie war nachmittags freudestrahlend mit ihren guten Abiturnoten nach Hause gekommen, den Kopf voller Pläne und so glücklich. Endlich hatte sie diese Hürde geschafft und nun fing das Leben erst richtig an. Plötzlich und für sie nicht völlig unerwartet erfolgte am gleichen Tag die Ernüchterung, das Ende all ihrer Träume.
„Ich will nicht heiraten“, hatte sie damals gesagt. „Ich kenne den Mann nicht.“
„Er ist ein ordentlicher junger Mann, hat eine Kfz-Lehre beendet, will bald seine Meisterprüfung machen, sieht ansprechend aus. Was willst du mehr? Komm mir nicht wieder mit deinem Studium. Das kannst du vergessen. Du wirst Ralf heiraten und ihm eine gute Frau sein“, hatte ihre Mutter entschieden. Der Vater hatte zugestimmt und ebenfalls von den vorteilhaften Qualitäten des Kerls berichtet.
„Kind, wir wollen nur dein Bestes. Schau dir deine Schwester an. Die reist in der Welt umher, treibt sich abends in Kneipen herum, hat keinen vernünftigen Beruf, keine Zukunft, nichts. Das wollen wir dir ersparen.“
Und sie hatte sich gefügt, nicht ahnend, auf was sie sich da eingelassen hatte. Sie sahen sich von da ab jede Woche, Ralf war zwar etwas schüchtern, sie fand ihn nett und vielleicht könnte sie ihn ja auch irgendwann richtig gern haben. Er trat ihr nie zu nahe, war höflich und liebenswürdig. Er erzählte ihr von seinen Plänen, später eine eigene Werkstatt zu eröffnen, sprach von einem Sohn, den er unbedingt zeugen wollte, versprach ihr den Himmel auf Erden. Aber es war nur leichte Sympathie, die sie für ihn empfand. Manchmal träumte sie mit ihm, aber nur sehr selten und nur für wenige Minuten. Meistens keimte die Wut schnell wieder in ihr hoch. Was wollte der Kerl von ihr? Sie wollte studieren. Sie wünschte, allein in einer schicken Wohnung zu wohnen. Für eine Heirat kam nur ein Mann mit sehr viel Wohlstand infrage, der wusste, was er für einen Goldschatz bekam, nicht so ein popliger Mechaniker. An dem Punkt angekommen, wuchs fast so etwas wie Hass in ihr auf.
Drei Monate später die Hochzeit. Besser seine Frau zu sein, als jeden Tag schuften zu gehen. Sein Geld würde für eine Weile reichen und bis dahin fand sie den richtigen Mann. Außerdem belustigte es sie, dass sie Marion damit ärgerte. Die dachte wirklich, Ralf hätte sie jemals angeschaut. Sicher, weil sie so blöd und hässlich war, wie sie es der ehemaligen Freundin auch an den Kopf geworfen hatte.
Er war betrunken gewesen, als er sie mit in das Schlafzimmer zog. Alles unter dem obszönen Gegröle seiner Freunde.
„Jetzt meine Hübsche kommt das Schönste. Zieh dich aus. Beim ersten Mal tut es ein bisschen weh, aber du wirst merken, wie gut es tut und wie viel Freude es macht.“
Sie war zwar ein wenig aufgeklärt, wusste in etwa, was passierte, aber trotz allem hatte sie Angst neben einer gewissen Neugier. Sie wollte ein Nachthemd anziehen, aber er winkte ab.
„So was brauchst du nicht, ich will dich nackt sehen. Mal sehen, was für ein bezauberndes Vögelchen ich da geheiratet habe.“
Er zog sich ungeniert vor ihr aus, etwas wackelig auf den Beinen. Sie war schnell unter die Decke geschlüpft, hoffend, dass er das Licht ausknipste. Vergebens. Er hatte ihr die Decke weggenommen und sie betrachtet.
„Du bist eine Schöne. Ich liebe dich, weißt du das?“
Zärtlich hatte er sie gestreichelt, sie geküsst, ihren Körper mit seinen Lippen berührt. Dazu noch dieses Liebesgesäusel, das er ihr zuflüsterte. Sie wollte das nicht, hatte sich geekelt, dass er sie so ansah und so berührte. Er sollte sie in Ruhe lassen, sollte warten, bis sie so weit war. Sie kannte ihn doch kaum.
„Ich will nicht. Ich will nicht mit dir schlafen. Ralf, lass mir Zeit. Das ist alles so ekelhaft.“
„Du willst mich nicht, stimmt´s? Deine Mutter hat es mir gesagt, dass du mich nicht willst. Warum? Was habe ich dir getan?“
„Ich weiß nicht. Ich muss mich erst daran gewöhnen, verheiratet zu sein, wir kennen uns kaum. Ich wollte studieren, etwas anders machen und nicht dich heiraten“, hatte sie ihm ehrlich erklärt, hoffend, dass er von ihr abließ.
Er jedoch hatte sie angefasst, seine Hände hatten ihren ganzen Körper berührt, dann wollte er sie küssen, zog sie an sich, aber sie hatte ihn heftig weggestoßen. Zum ersten Mal war er lauter geworden. „Wir werden viel Spaß haben. Darauf habe ich all die Wochen gewartet. Ich liebe dich, Iris, sehr sogar.“
„Ich dich aber nicht. Es ist nur ekelig“, hatte sie ihn angeschrien, damit er es kapierte. Aber da hatte sie sich geirrt. Er hatte sie nur angesehen, sich auf sie gelegt und war heftig und ungestüm in sie eingedrungen. Kurz hatte sie den Schmerz gespürt. Er hatte abermals versucht, sie zu küssen, aber sie hatte ihn grob von sich geschoben.
„Das ist widerlich und du auch“, hatte sie ihn angeschrien.
Ralf hatte sie nur angesehen, sein Gesicht war wie versteinert gewesen, dann hatte er weitergemacht. Nachdem er fertig war, legte er sich neben sie.
„Das musst du noch lernen. Du musst dich bewegen, aber das kommt noch. Wir werden das üben, bis du alles kannst“, hatte er sie angelächelt, aber sein Gesichtsausdruck war dabei ausdruckslos geblieben.
Sie war enttäuscht. War dass alles? Dabei war nichts Aufregendes, nichts was alle anderen Freundinnen als toll geschildert hatten. Es hatte nur wehgetan und war unangenehm.
Wenig später hatte er ihre Hand genommen, sie zwischen seine Beine geführt und ihr gesagt, was sie machen sollte, danach war er wieder in ihr gewesen und sie hatte versucht, seine Anweisungen zu folgen.
„Das, meine hübsche Frau, machen wir von nun an jeden Tag und du wirst Gefallen daran finden“, hatte er am nächsten Morgen zu ihr gesagt, nachdem er sich wieder bei ihr befriedigt hatte.
Damals hatte sie noch gedacht, dass vielleicht die Ehe gut gehen würde. Ihre Freundinnen hatten sie um den großen, braunhaarigen, gut aussehenden Mann beneidet. Sie hatten eine hübsche Dreizimmerwohnung, Geld für neue Möbel von Eltern und Großeltern bekommen. Ralf hatte neben einem Auto ein Motorrad. Er verdiente viel Geld, da er häufig nebenbei arbeitete. Selbst nach der Neueinrichtung der Wohnung hatte er noch Geld auf einem Sparkonto. Alles schien perfekt.
Er erschien dauernd mit irgendwelchen komischen Präsenten, die sie nicht wollte. Er brachte ihr Blumensträuße mit, die sie langweilig aussahen. Als sie es ihm dass eines Tages sagte, hatte er den in die Mülltonne geknallt. Die Kette und Wochen später die Ohrringe, die er ihr schenkte, nur billigen Tand, nicht einmal einige Diamanten waren dabei. Er gab alles seiner Schwester. Er wusste nicht, dass sie keine Pralinen wollte, da die dick machten. Auch die hatte er in den Abfall geworfen und war beleidigt gegangen. Nur weil sie nicht mit ihm ins Kino oder Theater ging, hatte sie an mehreren Wochenenden allein zu Hause herumgesessen. Er war generell schnell gekränkt. Nur weil sie mit ihm kein Motorrad fuhr, hatte er sich ein Wochenende mit seinen Freunden amüsiert. Nur weil sie seine Knutscherei abends vor dem Fernseher ablehnte, weil sie es hasste, wenn er mit ihr duschen oder baden wollte, sprach er abends nicht mit ihr. Nur weil sie ihm gesagt hatte, wie ekelig sie sein Angrapschen fand, hatte er auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen. Der Kerl kannte keine Scham, hatte kein Benehmen, war nur rücksichtslos. Selbst das hatte sie ihm gesagt, aber er hatte sich deswegen nicht geändert. Nein, es war Schlimmer geworden. Er sprach kaum noch mit ihr. Lobte ihr Essen nicht und Geschenke brachte er ihr auch keine mehr mit. Er war eben kein Mann mit Manieren, guter Bildung.
Alle zwei Wochen rastete er förmlich aus, wenn er nach einem Fußballspiel besoffen in der Wohnung erschien. Er fiel jedes Mal auf die brutalste Art über sie her, zwang sie zu Dingen, vor denen sie sich ekelte und gerade, wenn er betrunken war, schien er potenter zu sein, als im nüchternen Zustand. Er belästigte sie da nur selten und wenn, war es nicht so arg. Das waren Momente gewesen, die ihr sogar in gewisser Weise zeigten, dass Sex erträglich sein konnte, obwohl sie es nicht aufregend fand, aber es tat wenigstens nicht weh. Dieses ganze Kapitel widerte sie nur an und besonders, wenn er noch an ihr herumknutschte.
An seinem Geburtstag war er das erste Mal ausgerastet, hatte sie verprügelt. Mit Freunden hatte er in seiner Stammkneipe gefeiert, ohne sie. Er nahm sie nie mit.
„Du bist schließlich meine Frau und keine von den Weibern, die wir sonst mitnehmen. Du willst ja sonst auch nicht mit mir weggehen“, hatte er zu ihr gesagt, als sie mit ihm vor Monaten in diese Kneipe wollte und sie hatte nie wieder gefragt.
Er fing an, sich auszuziehen, dabei grinste er sie lüstern an. „Schau mich an, meine Hübsche“, lachte er sie mit leicht schiefem Mund an. „Ist das nicht ein schöner Anblick? Den wirst du in deinen süßen, schönen Mund nehmen und noch größer machen.“
Entsetzen kroch in ihr hoch und sie verstand nicht.
„Schön tief und schön langsam. Heute wirst du was dazulernen und ich bekomme auch von dir ein schönes Geburtstagsgeschenk. Das ist besser, als alles, was wir sonst machen.“
Er ließ sich auf das Bett fallen und zog sie an sich. „Los, fang an.“
„Nein, ich will das nicht.“
„Oh doch, du willst. Ich weiß, du willst nie. Du wolltest mich nie, aber trotzdem bist du meine Frau. Verachte mich ruhig weiter, lehne mich ab, hasse mich, aber jetzt, meine Hübsche, wirst du genau das machen, dass ich will. Und nun will ich von dir befriedigt werden, sagt man das so in deiner gehobenen Sprachweise?“
Er fasste in ihre Haare, zog daran, während er mit der anderen Hand ihren Kopf herunterdrückte. „Mach deinen Mund auf und pass auf, dass du deine Zähne bedeckst.“
Sie versuchte es, Ekelgefühl keimte in ihr auf.
„Tiefer. Du musst ihn tiefer reinnehmen und die Lippen ganz eng machen.“
Aber sie konnte nicht. Nach einer Weile schob er sie von sich.
„Leg dich hin, jetzt werde ich ihn in deine Kehle rammen, damit du weißt, wie es geht“, brüllte er sie an, begann zu lachen. „Nachher kannst du es allein und du wirst ihn wieder in die richtige Größe bringen und wir machen es gleich noch einmal. Jutta hat es vorhin auch zweimal bei mir geschafft, da wirst du es auch können, oder? So blöd bist du nicht, aber vielleicht sollte ich sie mit hierher bringen, damit du siehst, wie man es richtig macht.“ Er lachte laut, schien sich darüber zu amüsieren. „Aber nun bist du erst mal dran.“
Er schwankte leicht, setzte sich auf ihre Brust und sie stöhnte leise. Er griff nach ihrem Kopf, umfasste ihn mit beiden Händen, hielt ihn fest, beugte sich über sie und sie unterdrückte nur mühsam das Würgen.
„Mach deinen Mund auf, damit du ihn richtig schmecken kannst, und mach mich richtig geil, meine Hübsche. Wir wollen meinen Geburtstag feiern.“
Als er fertig war, sprang sie aus dem Bett und musste sich übergeben, sein höhnisches Gelächter folgte ihr.
Sie war wieder in das Bett gekrochen, vorsichtig, leise, in der Annahme, dass er schlief. Aber das war ein Irrtum, wie sie gleich bemerkte.
„Du bist du ja wieder, meine kleine, süße Frau. Komm, das machen wir gleich noch einmal, jetzt weißt du ja, wie es geht. Besorg´s mir richtig. Schön langsam.“
„Ich will nicht, das ist ekelhaft.“
Er stützte sich etwas hoch, guckte sie kurz an und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. „Oh, doch.“ Dann schlug er zu, einmal nur und nicht zu fest. „Du wirst ganz lieb sein, das tun, was ich dir sage.“ Seine Stimme klang eiskalt, wie Stein, hatte sie damals gedacht. Er ließ sich auf die Seite fallen, griff nach ihr und rollte auf den Rücken, zerrte sie mit, wie eine leblose Puppe.
„Schieb dein hübsches Köpfchen nach unten, berühr mich dabei mit deinen Lippen und dann machst du mich richtig heiß und geil, meine kleine süße Frau.“
Er lachte und sie machte es, wobei er seine Hände in ihren Haaren vergrub, den Takt vorgab, bis es vorbei war. Danach schlief er ein und sie setzte sich in das Wohnzimmer und weinte hemmungslos.
Ein Jahr nach der Hochzeit kam Miriam auf die Welt und er enttäuscht gewesen, weil es nur ein Mädchen war. „Wir müssen mehr üben, Iris. Ich möchte einen Sohn. Vielleicht solltest du dich etwas mehr beteiligen und nicht nur wie ein Brett daliegen“, hörte sie seinen Vorwurf, als er sie eine Woche später aus dem Krankenhaus abholte.
Einige Tage danach war er brutal über sie hergefallen und sie hatte vor Schmerzen geschrien.
Er hatte sie einige Wochen in Ruhe gelassen, aber dann begann es von vorn und er kam ständig mit anderen Spielchen nach Hause, die sie mit ihm machen musste. Sex ekelte sie nur noch, egal was er von ihr verlangte, genauso wie er sie anwiderte. Sie hasste seinen Körper, sie hasste es, ihn zu berühren, sie hasste seine Küsse, sie hasste alles an ihm. Selbst die blöden Blumensträuße, die er ihr mitbrachte, hasste sie. Er trank häufiger, hatte das Motorrad kaputt gefahren und man zog seinen Führerschein ein. Die Folge, er war permanent schlecht gelaunt, dass er mit Bier und inzwischen auch mit billigem Fusel bekämpfte. Er fing an zu randalieren, warf Geschirr an die Wände, brüllte sie an und dann der Abend, wo er sie grün und blau schlug.
Sie erinnerte sich anschaulich an diesen Samstag, als er völlig betrunken zur Tür herein getaumelt war. Er konnte kaum noch stehen, hatte sich an dem Bild im Flur festhalten, das fiel herunter und zersprang in tausend Glasscherben. Ralf hatte getobt, gebrüllt, und als sie die Scherben wegfegen wollte, hatte er zugeschlagen, auf sie eingeprügelt.
Sie war erst verdutzt, fassungslos gewesen, hatte sich erhoben und ihn wütend angebrüllt. „Du blöder Kerl, dafür wirst du bezahlen. Ich werde dich anzeigen. Es reicht.“ Er hatte wieder auf sie eingeprügelt, sie in das Schlafzimmer geschubst und missbraucht. Danach hatte er sie am Kopf festgehalten, den zwischen seinen Händen festgedrückt. „Du räumst den Mist da fort, kommst her und zeigst mir, wie lieb du sein kannst. Ich weiß, dass du mich vom ersten Tag an gehasst hast, aber jetzt bist du meine Frau. Dabei hätte ich für ein wenig Zuneigung und Interesse deinerseits alles für dich getan. Los fege die Scherben weg.“
Tränen liefen ihr über das Gesicht, als sie sich an all die Schmerzen, Erniedrigungen und Demütigungen erinnerte. Es wurde kontinuierlich schlimmer, und er geriet fortgesetzt außer Kontrolle, belästigte die Nachbarn, brüllte herum, schlug zu. Am nächsten Morgen die Entschuldigung, die haltlosen Versprechungen und daneben ihre kläglichen Versuche, eine gute Ehefrau zu sein, so wie er es wollte.
Sie sprach mit ihrer Mutter, schüttete der ihr Herz aus.
„Iris, du musst dich mehr um deinen Mann bemühen. Ralf ist so ein lieber, netter Kerl. Du hast Glück gehabt, so einen strebsamen Mann zu bekommen, mein Kind. Provoziere ihn nicht, dann schlägt er auch nicht. Kein Mensch schlägt schließlich ohne Grund.“
Warum kann ich ihm nicht eine bessere Frau sein, dass er mich nicht schlagen braucht? Ich darf keinen Ärger heraufbeschwören, muss netter werden, dann schändet er mich nicht. Bin ich entgegenkommender, tut es vielleicht nicht so weh. Ich muss an die Kinder denken und mich ändern. Ich kann nicht nur auf Ralf schimpfen. Es ist auch meine Schuld. Er geht arbeiten und kann wohl erwarten, dass seine Frau netter ist. So grübelte sie wieder und wieder, bildete sich ein, dass es in Zukunft besser werden würde, wenn sie sich änderte.
°°°
Eine Woche später holten sie Uta und Miriam ab, fuhren sie nach Hause. Der kleine Marco musste noch einige Tage im Krankenhaus bleiben. Ralf hatte sie nicht wiedergesehen und sie war im Grunde froh darüber gewesen. Sie stieg langsam die Treppe empor, schloss auf und blieb wie angewurzelt im Flur stehen. Überall lagen leere Flaschen, Kleidungsstücke. Ein Geruch nach kaltem Rauch, Alkohol, Schweiß, Essen schlug ihnen entgegen. In der Küche türmten sich Geschirrberge, leere, halb volle Gläser, Essensreste. Selbst der Fußboden war nicht verschont geblieben. Fast wäre sie in eine Scherbe getreten.
„Was ist das denn für ein Saustall? Kann Ralf nicht sein Zeug aufräumen?“ Uta sah sich um, schüttelte den Kopf. „Komm mit zu mir und lass ihn putzen.“
„Ist nicht so schlimm. Ich mache das gleich.“
„Iris, du musst dich noch schonen, hat der Arzt gesagt und überhaupt bist du nicht seine Putzfrau. Wenn dieser Kerl sich nicht benehmen kann, muss er seinen Dreck allein wegmachen. Macht er so was öfter?“
„Lass es gut sein, Uta, und danke fürs Fahren. Ich kümmere mich erst einmal um Miriam und bald ist dass alles sauber. Geht ja Ruck-Zuck“, entschuldigte sie die Unordnung. Das Chaos war ihr peinlich und sie schämte sich, dass ihre Schwester es sah.
Sie stellte die Tasche in das Schlafzimmer, auch hier Gläser, Flaschen. Hastig riss sie die Fenster auf, um Sauerstoff hereinzulassen. Es stank nach Alkohol, Qualm, abgestandener Luft, Mief.
„Mensch, Iris, lass dir das nicht gefallen. Weißt du was, wenn du bleiben willst, aber Miriam nehme ich mit, wenigstens noch bis zum Wochenende. So hast du mehr Ruhe.“
Einen Augenblick überlegend nickte sie, nur noch mühsam die Tränen unterdrückend.
Als sie allein war, machte sie sich an die Arbeit, beginnend im Schlafzimmer. Sie räumte alles weg und sah mit Erstaunen, den Lippenstift an den Gläsern und Ekel keimte in ihr empor. Sie stellte alles in die Küche, erneuerte die Bettwäsche, die sie nur widerwillig anfasste. Die Tränen flossen in Strömen über ihre Wangen.
Danach war das Wohnzimmer an der Reihe. Auch hier erblickte sie Lippenstift an den Gläsern. Zigarettenkippen lagen auf dem Teppichboden und hatten dort Brandflecke hinterlassen. Auf der blauen Couch sah sie die weißen Spuren und merkte augenblicklich, wie ihr Magen rebellierte. Schnell rannte sie in das Bad, wo sie sich heftig übergab. Ihr Morgenrock lag auf dem Boden und auch den hob sie mit spitzen Fingern hoch, legte ihn in die Waschmaschine. Mit einem Eimer Wasser in der Hand ging es zurück in das Wohnzimmer, wo sie die nächsten Stunden alles säuberte, schrubbte. Sie hing die Wäsche auf, machte das Bad sauber und bestückte wieder die Waschmaschine.
Völlig entkräftet, spürte sie das Ziehen im Unterleib und setzte sich für einen Moment auf den Rand der Badewanne, während sie sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn wischte.
Nach dieser kleinen Pause setzte sie ihre Arbeit in der Küche fort. Sie entfernte die Lebensmittelreste und brachte schließlich alles in die Mülltonne, die auf dem Hinterhof standen. Beschwerlich stieg sie die Treppe wieder hoch, augenblicklich schwer atmend und lehnte sich innen gegen die Wohnungstür. Ihre Bluse klebte ihr am Rücken, die Brust schmerzte, und war ganz hart, aber sie arbeitete weiter. Berge Geschirr musste gesäubert und abgetrocknet werden.
Erst am späten Abend war sie fertig und ließ sich, völlig erschöpft, auf das Bett fallen. Nach einigen Minuten Pause pumpte sie die Milch ab, dass ihr wie eine Erlösung vorkam, da hörte sie die Wohnungstür, Gelächter, Stimmen. Sie vernahm, wie sie das Wohnzimmer betraten, hörte Flaschen klappern, dass Gegröle und Gebrüll, quietschende, spitze Schreie, woraus sie schloss, dass auch Frauen dabei waren. Es ertönte lachen, abermals die Stimmen der Leute.
Ralf hatte noch nicht einmal gemerkt, dass die Wohnung sauber und aufgeräumt war. Leise stand sie auf, schloss die Tür zum Schlafzimmer und ließ sich, immer noch angezogen zurückfallen. Sie wollte nur Ruhe, schlafen, sich ein wenig erholen und irgendwann schlief sie ein.
„Wen haben wir denn da? Meine schöne Frau ist ja wieder da“, schreckte sie die Stimme ihres Mannes auf. Hastig setzte sie sich auf, spürte die Angst, fing an zu zittern, saß wie erstarrt.
Er stand mit zwei Frauen im Arm im Schlafzimmer. Seine Hose war offen, sein erigiertes Glied schaute heraus. Eine der Frauen war halb nackt, die andere hatte die Bluse offen.
„Schaff die Weiber hinaus“, blaffte sie los. „Es ist widerlich.“
„Wenn ich gewusst hätte, meine Hübsche, das du da bist, hätte ich sie nicht mitgebracht. Ich habe dich ja wieder.“ Er grinste sie hinterhältig an, trat langsam, wankend, näher. „Vielleicht sollten wir alle vier unseren Spaß haben.“
Er ließ sich auf das Bett fallen, griff in ihre Haare und zog sie näher an sich.
„Wir gehen besser, mein geiler Bock“, lachte eine der Frauen.
„Bis zum nächsten Mal und schau nach, ob deine Alte nicht da ist.“
Kurze Zeit darauf, hörte sie die Wohnungstür zuschlagen. „Komm her. Ich habe dich vermisst.“
Er nässelte an ihren Sachen herum, aber schnell stand sie auf. „Ralf, lass mich. Ich werde nicht mit dir schlafen, der Arzt hat es verboten. Falls du es vergessen haben solltest, ich habe vor gerade sieben Tagen deinen Sohn zur Welt gebracht.“
Er starrte sie an, überlegte und lachte. „Ja, meinen Sohn. Ein hübsches Kerlchen, ganz der Papa, aber trotzdem habe ich Lust auf dich.“
Er versuchte aufzustehen, fiel aber wieder auf das Bett, begann sich umständlich auszuziehen, während Iris nur dastand, sich nicht traute, an ihm vorbeizugehen, den Raum zu verlassen. Endlich war er nackt.
„Komm her und zeig mir, wie sehr du mich vermisst hast, meine Hübsche“, dabei spielte er an sich herum.
„Lass mich in Ruhe“, giftete sie zurück. Ihr Magen rebellierte allein bei dem Gedanken, was er von ihr erwartete.
Er krabbelte aus dem Bett, hatte sie fest am Arm gepackt, zog sie näher, ließ sich rücklings fallen und zerrte sie mit. Er versuchte sie zu küssen, aber sie drehte den Kopf weg, da schubste er sie neben sich, zog an ihrer Bluse, dass die Knöpfe abrissen, und knetete brutal ihren Busen, dass sie leise schrie.
„Der ist aber schön groß und fest, genauso, wie ich ihn liebe. Du machst mich richtig geil, weißt du das eigentlich?“ Er bearbeitete sie weiter, schob er sich höher, hielt ihren Kopf fest. „Nun mach endlich“, grunzte er und Iris zwang sich, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Er würde sonst keine Ruhe geben.
„Hei, Ralf, ich will auch mal. Die anderen Weiber sind weg, aber eine haben wir noch. Mensch, ist das geil. Wo kommt die denn her? Los macht weiter, mir steht er schon, wenn ich euch so zusehe. So kann man ihn noch tiefer reinschieben.“
Iris war erstarrt, sprachlos.
„Lass sie uns schnell ausziehen, damit ich herankomme. Ich nehme sie von vorn und besorge es ihr richtig, danach wechseln wir. Beeil dich, ich komme sonst noch.“ Iris wollte hoch, aber Ralf saß auf ihr, der jetzt erst reagierte, sie losließ, sich langsam, wie im Zeitlupentempo, umdrehte.
„Verschwinde, Bernd. Du lässt die Finger von meiner Frau, sonst bring ich dich um.“
Wütend stand Ralf auf und auch Iris erhob sich, sah zu dem anderen Mann, der mit heruntergelassener Hose in der Tür stand. Ralf wankte auf ihn zu.
„Hau ab, du Mistkerl. Lass dich nie wieder in der Nähe von Iris blicken.“ Er wollte auf den anderen einschlagen, der nun seinerseits brüllte: „Ist egal, wem sie es besorgt. Ich dachte, du bist mein Freund. Die anderen Weiber teilen wir uns auch.“
Schnell stellte sie sich zwischen die beiden Männer. „Verschwinde, sofort“, meckerte Iris ihn an, während sie Ralf am Arm festhielt. „Ralf, komm wieder in das Bett.“
Es passierte etwas Erstaunliches. Ralf legte ihr den Arm um die Taille, zog sie leicht an seine Seite. Eine Geste, die er noch nie gemacht hatte. Sie hatte den Eindruck, als wenn er auf einmal nüchterner wäre.
„Bernd, du hast gehört, was meine Frau gesagt hat und zieh dir die Hose hoch.“
Er schob mit einer Hand den anderen hinaus, ließ sie los, stieß seinen Freund weiter und dann hörte sie die Wohnungstür zufallen. Erst nun merkte sie, wie sehr sie zitterte, und ließ sich auf das Bett fallen, Tränen liefen ihr über die Wangen, sie konnte sie nicht zurückhalten.
Sie hörte Sekunden später die Dusche, erhob sich und zog sich vollständig aus, legte die zerrissene Bluse beiseite, da sie die nähen musste. Sie war gerade mit dem Abpumpen der Milch fertig, als Ralf in das Zimmer trat.
„Du bist ja noch wach. Leg dich hin, du musst dich schonen“, sagte er mit ruhiger, klarer Stimme.
Sie roch erstaunt, dass er die Zähne geputzt hatte. Er deckte sie behutsam zu, streichelte ihr über die Haare. „Es tut mir leid, was heute passiert ist. Das kommt nicht wieder vor. Nie wieder, versprochen. Möchtest du etwas?“ Sie schüttelte nur ungläubig den Kopf, während sie ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Ihr Körper bebte, sie hatte Angst, dass er gleich wieder über sie herfallen würde.
Er umrundete das Bett, zog seinen Bademantel aus und legte sich neben sie, rückte etwas näher und gleich zuckte sie weg. Vorsichtig schob er einen Arm unter ihren Kopf.
„Ich tue dir nichts. Du brauchst keine Angst haben. Ich möchte dich nur im Arm halten. Iris, lass uns neu anfangen. Ich liebe dich so sehr. Warum zerstörst du mein Leben? Alles läuft schief, dabei wollte ich nur das Beste und Schönste für dich, aber du lehnst mich nur ab. Schon vor der Hochzeit hast du mich nicht gewollt, hast mich mit Verachtung und Ablehnung gestraft. Warum?“
Sie gab keine Antwort, stellte sich schlafend. Dieser asoziale, arme Prolet widerte sie an.
°°°
Ganze drei Wochen hielt er eisern durch. Iris hatte in der Zeit Gelegenheit sich zu erholen. Sie staunte fast täglich über ihren Mann, den sie nicht wiedererkannte und langsam gewöhnte sie sich an den veränderten Ralf.
Er hatte sich Urlaub genommen, war den ganzen Tag da, verwöhnte und umsorgte sie. Auch Miriam ging offener mit dem Vater um, da sie bemerkte, dass er sie nicht jedes Mal anschrie, wenn sie etwas sagte. Irgendwie missfiel ihr, wenn sie mit dem Papa lachte, ihn zum Spielen in das Zimmer zog. Der sollte Miriam in Ruhe lassen, da sie ihre Tochter war.
Als Marco zu Hause war, schien das Glück perfekt. Trotzdem mochte sie es nicht, wenn er sie nur in den Arm nahm, zuckte zurück, wenn er sie küssen wollte. Zum ersten Mal fragte sie sich, ob vielleicht mit ihr etwas nicht stimmte. Nach einigen Versuchen gab Ralf auf, belästigte sie nicht mehr und sie atmete erleichtert auf. Er schien verstanden zu haben, dass sie seine körperlichen Berührungen ablehnte. Nein, sie wusste, sie lehnte ihn generell ab. Vorher, als er seltener daheim war, war es schöner gewesen. Der Kerl nervte, sollte gefälligst arbeiten gehen, Geld verdienen.
Ralf musste wieder arbeiten, aber auch da erschien er nach Feierabend sofort in der Wohnung, obwohl sie den Alkohol roch, aber er war lieb, nett und sie unterließ jegliche Äußerungen, wollte den Frieden nicht stören. Es ekelte sie jedoch an, so wie der Mann, mit dem sie leider verheiratet war.
Er begleitete sie sogar samstags zum Einkaufen, schob den Kinderwagen, in dem sein Sohn lag. Iris kam aus dem Staunen nicht heraus und sie genoss die schönen Tage, wünschte, dass es so bliebe, vor allem, da er sie auch sexuell nicht belästigte, sie noch nicht einmal anfasste.
°°°
Dann war der Samstag der Weihnachtsfeier da. Iris hatte vorher Angst und Befürchtungen gehabt, aber Ralf versprach ihr, nur kurz hinzugehen, da er sich auf einen schönen Abend mit ihr freue.
„Vielleicht hast du ja auch Lust auf ein wenig Zärtlichkeit?“, hatte er sie am Morgen gefragt. „Ich bringe uns etwas Schönes zum Essen mit, da brauchst du nicht kochen.“
„Bestimmt nicht. Ich bin froh, wenn du mich nicht anfasst“, hatte sie ihm kalt, aber ehrlich in das Gesicht gesagt. „Es ist ekelhaft und das Kochen stört mich nicht.“ Er hatte sie kurz angesehen und war gegangen.
Nun es war weit nach Mitternacht und sie hörte ihn betrunken durch den Korridor torkeln, permanent fluchte er laut vor sich her. Er knallte die Schlafzimmertür auf, ließ sich auf das Bett fallen und versuchte die Schuhe auszuziehen, dass ihm aber nicht gelang.
„Los, du Schlampe, zieh mir die Schuhe aus“, brüllte er. Schnell schlüpfte sie aus dem Bett, öffnete die Schnürsenkel, zog ihm die Schuhe und Strümpfe mit zitternden Fingern, aus. Sie wollte aufstehen, da hielt er sie an den Haaren fest.
„Du kannst gleich so bleiben. Ich musste lange genug warten.“
Er öffnete die Hose und dokterte daran herum. „Los mach, du dusselige Schlampe.“
Schließlich war er befriedigt und schlief, da hörte sie Marco schreien. Eilig hastete sie hinaus, schloss die Tür hinter sich und trat in das Kinderzimmer, um das schreiende Baby zu beruhigen. Auch Miriam war wach geworden, die auf einer Matratze auf dem Boden schlief. Sie gab dem Jungen die Brust, erzählte dabei leise ihrer Tochter eine Geschichte.
Nachdem beide schliefen, setzte sie sich in das Wohnzimmer. Sie wollte wenigstens ein bisschen Ruhe und sie wollte nachdenken. Die schöne Zeit war also vorbei.
„Wo treibst du dich herum?“ Ralf stand in der Tür und brüllte sie an. „Mach, dass du ins Bett kommst.“
Sie erhob sich, nur damit er Ruhe gab, die Kinder nicht noch weckte. Er grub seine Finger in ihre Oberarme, zog sie zum Bett, während er der Tür einen Tritt gab, dass sie laut zuflog.
„Zieh dich aus. Wie rennst du herum? Kannst du dich nicht ein bisschen hübsch machen?“
Nackt ließ sie sich auf das Bett fallen, wollte die Decke über sich ziehen, aber er hinderte sie daran. „Los, dreh dich.“
Sie verstand nicht, da schlug er ihr hart mit dem Handrücken in das Gesicht, dass ihr Kopf zur Seite flog. Sie schmeckte Blut, in ihrem Ohr dröhnte es.
„Dreh dich.“ Sie legte sich auf den Bauch, weil sie nicht wusste, was er von ihr wollte. Er lag fast auf ihr und im nächsten Moment schrie sie vor Schmerz auf.
„Ja, schrei nur. Das ist gut, so eng, so anders“, stöhnte er.
Sie versuchte, von ihm wegzukommen, aber schaffte es nicht, presste ihr Gesicht in das Kissen, während er heftiger wurde. Sie hielt es nicht aus, mobilisierte die letzten Kräfte und endlich gelang es ihr, dass sie sich etwas hochstemmen konnte, stieß mit dem Ellenbogen zurück, und traf ihn durch Zufall. Er ließ von ihr ab, zog sich aus ihr zurück, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann fasste er in ihre Haare, zog brutal den Kopf nach hinten und prügelte auf sie ein, wieder und wieder, überall hin, egal was er gerade traf, dabei beschimpfte er sie mit den schlimmsten Wörtern, fluchte, tobte. So ausgerastet war er noch nie. Schließlich wurde vor ihren Augen alles schwarz.
Iris erwachte, brauchte Sekunden, bis sie richtig da war. Sie hörte Miriam weinen, sah auf und erblickte ihre Tochter an der Wand stehend, die kleine Katze im Arm haltend. Langsam erhob sie sich vom Boden, hörte das Schnarchen ihres Mannes, der im Bett lag. Nur mühsam rappelte sie sich hoch, sah das Blut auf dem Boden, dem Bettlaken, an ihren Beinen. Sie schlich zu Miriam, wollte diese auf den Arm nehmen, als sie vor Schmerz gepeinigt leicht aufschrie. Sie schob Miriam aus dem Raum und schloss die Tür.
„Gehe in dein Zimmer. Mama kommt gleich“, brachte sie mühsam heraus. „Wir spielen zusammen, meine Süße“, versuchte sie die Kleine zu beruhigen, zwang sich zu einem Lächeln.
Im Bad schaute sie sich im Spiegel an und erschrak. Das gesamte Gesicht war grün und blau, dick geschwollen, sah wie eine unförmige Masse aus. Um den Mund, die Nase herum Blut. Sie kühlte es mit einem Handtuch, genauso wie ihr Dekolleté, das genauso aussah.
Jede Bewegung tat ihr weh, schließlich stellte sie sich unter die Dusche, ließ erst heißes, folgend kaltes Wasser über den zerschundenen Körper laufen, zog sich an, schlurfte zu Miriam, die auf dem Bett saß, und eng die kleine Plüschkatze an sich presste.
Iris setzte sich daneben, zog sie in den Arm und redete beruhigend auf das Kind ein, wiegte sie dabei leicht hin und her. Sie wusste nicht, was die Kleine alles gesehen hatte und wollte nicht fragen. Marco meldete sich, den sie stillte, danach wickelte sie die Kinder, zog Miriam an, erzählte dabei eine lustige Geschichte, bis ihre Tochter auflachte.
Nach dem Frühstück spielte sie mit Miriam, die heute ungewöhnlich still war. Als sie Ralfs Stimme hörte, zuckte die Kleine zusammen, presste sich eng an sie.
„Ich gehe kurz zu Papa, bin aber gleich bei dir.“ Sie erhob sich und betrat das Schlafzimmer.
„Bring mir ein Aspirin. Ich habe Kopfschmerzen“, brummte er.
Hol dir deinen Mist allein, hätte sie ihn am liebsten angeschrien, aber sie brachte ihm das Gewünschte. Er trank hastig, danach sah er sie an.
„Was ist denn mit dir passiert?“
Sie schaute ihn an und zum ersten Mal war nur noch Hass in ihr. Ja, ich hasse ihn, dachte sie, über die eigenen Gefühle erstaunt. Sie drehte sich weg, wollte den Raum verlassen.
„Iris, bleib bitte hier. War ich das?“ Seine Stimme klang leise, fast so, als wenn er es selbst nicht glauben würde.
„Wer sonst? Du bist so ein mieser Kerl“, brachte sie heraus. „Was hast du mit Miriam gemacht, du widerwärtiges Scheusal?“
All das Vergangene breitete sich vor ihr aus und ihr war es egal, wenn er wieder zuschlagen würde.
„Ich habe nichts ... Ich weiß nicht ... Ich glaube, ich kann mich nicht erinnern. Es tut mir leid. Bitte entschuldige.“ Er stotterte, griff mit der Hand an seinen Kopf.
„Spar dir deine Entschuldigungen. Es reicht endgültig. Ich werde dich anzeigen, dich verklagen und mich scheiden lassen.“
Sie eilte hinaus, knallte die Tür hinter sich zu und holte aus der Küche einen Kaffee. Erst jetzt bemerkte sie, wie sie zitterte.
Ralf riss die Tür auf, packte sie fest am Arm, dass der Kaffee überschwappte.
„Du bleibst bei mir, hast du verstanden?“ Seine Stimme klang drohend und er funkelte sie wütend an. „Ich habe mich entschuldigt und damit ist das Thema beendet. Ein kleiner Streit kommt schließlich überall hin und wieder vor. Alles wäre anders, schöner, so friedlich, wenn du mich auch nur ein …“ Er brach ab, als hätte er zu viel gesagt und strich durch seine dichten dunkelbraunen Haare. Iris bemerkte nicht den resignierenden, traurigen Ausdruck in seinen Augen, dafür war sie viel zu aufgebracht.
„Ein kleiner Streit? Du gehörst in Behandlung, du bist krank, du dämlicher ...“
Ein leichter Schlag in das Gesicht brachte sie zur Ruhe. „Benimm dich, dann ist alles in Ordnung. Denk vielleicht auch an die Kinder. Ich bin nicht krank“, sagte er mit leiser, kalter Stimme, gab ihr einen Schubs. „Du bist ein geldgieriges Geschöpf. Nur deswegen diese Heirat.“
„Na und?“, keifte sie zurück, war völlig aufgelöst. „Meinst du Vollidiot, ich hätte dich sonst geheiratet? Ich will dein Geld, viel Geld, also gehe mehr arbeiten. Blöder …“ sie brach ab, als sie sein Gesicht sah, die Augen, die sie böse anstarrten.
Wenig später hörte sie, wie die Wohnungstür laut in das Schloss fiel. Erleichtert atmete sie auf. Verdammt, warum hatte sie das auch gesagt? Womöglich kriegte sie jetzt nichts mehr von diesem dämlichen Kerl.
°°°
Die nächsten drei Tage sah und hörte sie nichts von Ralf.
Am Montag erschien er mitten in der Nacht, legte sich nur in das Bett und schnarchte sofort.
Iris lag zitternd neben ihm, konnte nicht schlafen. Der Alkohol- und Schweißgeruch drang in ihre Nase und schließlich stand sie leise auf, zog sich an. Sie kochte Kaffee und setzte sich in die Küche und wieder überlegte sie, was sie wohl falsch gemacht hatte, dass ihre Ehe so ein Fiasko war.
So ging es wochenlang. Er erschien nur sporadisch in der Wohnung, schlief und verschwand wieder tagelang. Es war ihr egal. Hauptsache er ließ sie in Ruhe und fasste sie nicht an.
So verlief auch das Weihnachtsfest ohne ihn.
Heilig Abend besuchten sie ihre Eltern und diese sparten nicht mit heftigen Vorwürfen, da sie Ralf eine mehr als schlechte Frau sei.
„Sei froh, dass du so einen guten Mann bekommen hast, aber nein, du undankbares Geschöpf, du vergraulst ihn. Du solltest dich etwas schämen.“
Ihre Mutter sah sie aufgebracht an und der Vater war nicht anders. Stundenlang hörte sie sich Tiraden der beiden an, ihre Vorschläge, was sie alles zu erledigen hatte und wie sie alles besser machen könnte. Sie war froh, als sie sich verabschiedeten.
Im Bett liegend, fragte sie sich, ob alle Männer so waren? Ihren Vater hatte sie nie so gesehen. Er trank selten etwas, brüllte nicht und hatte nie die Hand gegen ihre Mutter oder die Töchter, erhoben. Scheinbar musste sie etwas verkehrt machen. Ich muss mit Ralf darüber sprechen, wenn er nüchtern ist, beschloss sie.
°°°
Auch Silvester verbrachte sie allein zu Hause. Ihre Schwester war über die Zeit der Feiertage mit zu den Eltern von Karsten gefahren. Das Paar würde erst Anfang Januar zurückkommen.
Sie stand am Fenster, beobachtete das Feuerwerk und freute sich, als sie die vielen bunten Sterne und Lichtreflexe am Himmel bestaunte. Als Kind liebte sie es, dem Spektakel zuzusehen. Irgendwie sah es fröhlich und so schön aus. Für Minuten vergaß sie alles andere, schaute zu und im Stillen wünschte sie sich, dass es in dem neuen Jahr besser, dass zwischen Ralf und ihr alles anders würde, sie gemeinsam vernünftig leben könnten, so wie vor Monaten die wenigen Wochen.
Irgendwann legte sie sich hin, nachdem sie noch einmal Marco gestillt hatte.
Das Poltern und die laute Stimme von Ralf weckte sie. Sie blieb liegen, steif und wie immer mit Herzrasen, voller Verzweiflung, Angst, Panik. Er torkelte in das Schlafzimmer.
„Komm her, du Schlampe. Dir werde ich es zeigen“, brüllte er, riss ihr die Decke weg, fiel auf sie, versuchte hochzukommen und schnell griff sie zu, um zu helfen. „Dir werd´ ich´s zeigen, dass ich ein Mann bin.“ Er zerrte an seinen Sachen herum, fiel wieder zur Seite, rappelte sich auf. „Komm her. Allen werde ich es zeigen, dass ich kann.“
Er griff nach ihr, riss an dem Nachthemd herum.
„Leg dich hin. Wegen dir Schlampe krieg ich keinen mehr hoch, aber ich werde es dir zeigen. Gut, du willst mich nicht, aber ich dich.“
Er versuchte sie zu schlagen, kippte abermals um und griff nach ihrem Arm, zog sie zu sich. „Mach schon. Leg dich auf den Bauch.“
„Nein, Ralf, bitte nicht.“ Flehentlich schaute sie zu ihm auf, Panik stieg in ihr hoch, sie ließ ihre Hand federleicht auf seine Oberschenkel gleiten. Ralf packte zu, drehte ihre Hand, dass sie aufschrie.
„Schrei ruhig. Du wirst gleich noch mehr schreien, wenn ich ihn in dich hineinstoße. Los, leg dich hin.“
Er bewegte sich mühselig und schlug zu, traf sie mit dem Handrücken am Mund und sie schmeckte gleich Blut. Er krallte seine Hand in ihre Haare, zog daran, dass sie leise stöhnte, während ihr die Tränen in die Augen traten. Wiederum schlug er, wieder und wieder. Er kniete auf dem Bett, kaum die Balance haltend, während er auf sie einprügelte und beschimpfte und anbrüllte. Dann drehte er sie wie eine leblose Puppe auf den Bauch, hob sie kurz an und sie schrie in das Kissen.
„Schrei ruhig, das macht mich heiß.“
Iris krallte ihre Hände in das Bett, unterdrückte die Schmerzen, bis er von ihr abließ. Sie wollte aufstehen, da hielt er sie fest.
„Du bleibst, meine Hübsche. Das war erst der Anfang. Das neue Jahr fängt gut an. Ich werd´ dir zeigen, was es heißt, eine richtige Frau zu sein. Du wirst viel lernen, besonders wie man mit einem Mann umgeht, obwohl du mich verabscheust, mich nie wolltest. Ich liefere dir wenigsten einen Grund für deine Verachtung, deine hasserfüllten Blicke, deine Abneigung gegen mich, vom ersten Tag an.“
Erst als Marco schrie, ließ er sie gehen. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, alles tat ihr weh. Mit wackligen Beinen tastete sie an der Wand entlang, Halt suchend. Kaum schlief der Junge, schrie Ralf nach ihr. „Ich muss mich um Miriam kümmern. Schlaf ein bisschen“, versuchte sie, ihn zu beruhigen, aber gleich brüllte er wieder los, zerrte sie quer über das Bett, gewaltsam spreizte er ihre Beine, dass sie laut schrie. Erst nachdem er nochmals über sie hergefallen war, schlief er ein und sie schlich leise aus dem Schlafzimmer. Sie duschte, übersah die blauen Stellen, schaute auch nicht in den Spiegel, als sie sich kämmte. Wie gewohnt erledigte sie ihre alltäglichen Arbeiten, sich ab und zu an der Wand festhaltend, weil sie ihre Beine nicht tragen wollten. Sie ignorierte die anderen Schmerzen, nur ihre linke Hand konnte sie nicht bewegen, ohne dass ihr die Tränen über die Wangen kullerten, so weh tat es.
Sie spielte mit Miriam, versuchte, mit ihrer Tochter zu lachen, aber selbst das verursachte ihr weitere Schmerzen.
Erst nachmittags schlurfte Ralf aus dem Schlafzimmer, musterte sie und verschwand. Sie war zufrieden, wenn sie ihn nicht sehen musste.
Am nächsten Tag ging sie einkaufen. Die Kinder hatte sie zu ihrer Nachbarin gebracht, damit sie einmal etwas Ruhe hatte. Gleich war der Ärger verschwunden und am späten Nachmittag kehrte sie bepackt mit Tüten zurück, hoffend, dass er auch heute nicht erschien.
°°°
Sie hatte gerade Marco hingelegt, als sie die Wohnungstür hörte. Gleich eilte sie in die Küche, stellte ihm das Essen hin.
„Was ist das denn für ein Fraß? Kannst du nicht etwas Vernünftiges kochen? Hol mir ein Bier.“
Sie stellte ihm das Gewünschte hin, roch den Alkohol und ahnte, was heute wiederum auf sie zukam. Lähmung breitete sich in ihr aus. Vor Angst konnte sie sich kaum bewegen. Er fasste sie am Arm und zog sie auf seinen Schoß.
„Komm, trink mit, bist du etwas lockerer“, lallte er, hielt ihr die Flasche an die Lippen, angeekelt drehte sich den Kopf weg, stand auf. „Du weißt genau, dass ich kein Bier mag.“
„Du magst nichts“, schrie er sie wütend an, stand auf und fegte mit einer Armbewegung das Essen, das Geschirr vom Tisch. Alles spritzte hoch, klirrte, schepperte. „Und mich am Allerwenigsten.“
Fassungslos sah sie auf den Scherbenhaufen, den Dreck. Nur mühsam unterdrückte sie ihre Tränen. Sie hatten kein Geld, weil er alles in die Kneipe brachte und nun das noch. Hastig wollte den Raum verlassen, da packte er sie am Arm, schlug heftig zu. Wieder und wieder und wieder prügelte er auf sie ein. Iris wurde gegen die Kommode geschleudert, der Kopf schlug gegen die Kante und ein leichtes Dröhnen machte sich in ihr breit. Benommen blieb sie liegen, fühlte etwas Hartes, das ihren Bauch traf. Sie versuchte hoch- und wegzukommen, aber wieder trat er zu. „Dir Schlampe werde ich es zeigen.“
Er griff in ihre Haare, zog sie hoch. Die Tränen liefen über ihre Wangen, wieder schlug er ihr in das Gesicht, schubste sie zum Bett.
Irgendwann hörte sie Marco schreien, halb benommen wollte zu ihm, aber Ralf hinderte sie daran. Er lag fast über ihr, schob ihren Rock hoch, zerrte an ihrem Slip. Nein, wollte sie Schreien, aber keinen Ton brachte sie heraus. Der Mund war trocken, die Stimme wollte ihr nicht gehorchen. Dann war er in ihr, brutal, heftig.
„Mama, da?“
Iris wollte weg.
„Verschwinde, du Balg, sonst mache ich dir Beine“, zischte er seine Tochter an.
„Süße, gehe in dein Bett. Mama kommt gleich“, versuchte sie Miriam aus dem Zimmer zu schicken, aber die stand wie erstarrt, sah zu.
„Miriam, bitte gehe hinaus“, flehte sie, aber zu spät. Ralf erhob sich, schubste die Kleine in den Flur, knallte die Tür zu und schloss ab.
Sie hörte die Tochter weinen, wollte zu ihr, aber Ralf hielt sie grob am Arm fest, stieß sie auf das Bett zurück.
„Jetzt ist Ruhe und du kannst die liebevolle Ehefrau spielen“, griente er sie höhnisch an, war wieder in ihr.
Sie krallte die Nägel in das Betttuch, bis sich auf die Lippen, um nicht vor Schmerz laut aufzuschreien, während er ungestümer, heftiger wurde, auch noch ihren prall gefüllten Busen quetschte. Immer lauter wurde sein Stöhnen, sein feuchter Atem streifte ihr Gesicht und sie sog die Luft durch den Mund ein, damit der Geruch nach Alkohol, kaltem Rauch sie nicht noch mehr peinigte. Mit einem lauten Schrei sank er auf ihr zusammen, rollte wenig später an die Seite und schnarchte laut. Schnell griff sie nach ihren Kleidungsstücken, zog sich an und verließ leise das Zimmer.
Miriam saß auf dem Boden im Flur, weinte still vor sich hin. Sie hob ihre Tochter auf den Arm, betrat die das Kinderzimmer. Dort holte sie Marco heraus, der bereits krebsrot vom Schreien war, legte ihn an ihre Brust und gleich war Ruhe. Sie drückte auf der anderen Seite Miriam an sich, redete beruhigend auf sie ein, erzählte ihr eine lustige Geschichte, damit die Kleine abgelenkt wurde.