Winterzauber auf Sylt - Angelika Friedemann - E-Book

Winterzauber auf Sylt E-Book

Angelika Friedemann

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Beschreibung

Tausende von Kerzen kann man am Licht einer Kerze anzünden, ohne dass ihr Licht schwächer wird. Freude nimmt nicht ab, wenn sie geteilt wird. Siddharta Gautama Buddha Nach dem Tod ihres Mannes zieht Aliisa mit ihren zwei Kindern auf die Insel Sylt. Da erbte ihr Mann, das alte, wunderschöne Friesenhaus der Familie. Da sie auch sein Geld erbte, ließ sie vieles umbauen und erneuern. In einem Hotel fand sie einen Job als stellvertretende Hotelmanagerin. Alles schien perfekt zu sein. Sie lernt schnell die Leute kennen, die für sie erstrebenswert waren: Menschen mit Geld, Ansehen. Zu ihnen fühlt sie sich zugehörig. Nur wegen ihnen brach sie in Hamburg alle Brücken ab. Nur sie, haben ein ganz anderes Interesse an ihr. Sie wollen das Haus, wie schon in anderen Fällen, billig erwerben, um es dann teuer zu verkaufen. Gerade noch frühzeitig, kommt sie mit nur einer riesigen Enttäuschung davon. In einem neuen Anlauf will sie alles besser machen, um endlich zu den ganz Oberen zu gehören. Nur das ist ihr Ziel. Sie verliert dabei wahre Freundschaften, ihre Kinder und die Wahrheit aus den Augen.

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~~~~Kindergeburtstag~~~~
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~~~~1.Advent~~~~
~~~~Nikolaus~~~~
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~~~~2.Advent~~~~
~~~~Luciafest~~~~
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~~~~3.Advent~~~~
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~~~~Heiliger Abend~~~~
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~~~~Silvester~~~~
~~~~Neujahr~~~~
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~~~~Biikefest~~~~
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~~~~Ostern~~~~
~~~~Pfingsten~~~~
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~~~~Sommersonnenwende~~~~
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~~~~Einschulung~~~~
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~~~~Kartoffelfest~~~~
~~~~Halloween~~~~
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~~~~Kindergeburtstag~~~~
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~~~~1.Advent~~~~
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~~~~Weihnachtsfeier~~~~
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~~~~Luciafest~~~~
~~~~3.Advent~~~~
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~~~~Heiliger Abend~~~~
~~~~Silvester~~~~
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Angelika Friedemann

Winterzauber

auf Sylt

Impressum

Copyright: © 2022. Alle Rechte am Werk liegen beim Autor: Angelika Friedemann, Herrengasse 20, Meinisberg/ch, [email protected].

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mithilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.

Bildnachweis: Quelle: piqs.de, Bildtitel: Wintersylt, Fotograf: khsdus

Tausende von Kerzen kann man am Licht einer Kerze anzünden,

ohne dass ihr Licht schwächer wird. Freude nimmt nicht ab, wenn sie geteilt wird.

Siddharta Gautama Buddha

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Aliisa Petersen seufzte, als sie die Haustür abschloss. In der neuen Wohnung sah es schlimm aus. Wenigstens hatten die Männer der Umzugsfirma alle Möbel gleich zusammengebaut und an ihren Platz gestellt. Nun hieß es nur noch 89 Kartons auspacken. Die Zahl wusste sie deswegen so genau, weil sie die mehrfach gezählt hatte. Der Umzug von Hamburg auf die Insel Sylt war also vollzogen. Sie zog das große Bild aus dem Beutel, welchen sie in ihrem Auto mitgenommen hatte. Frederik lächelte sie an. Sie stellte es im Wohnzimmer auf das Sideboard. „Wir sind angekommen. Du fehlst mir und unseren Kindern so sehr“, sagte sie leise, streichelte mit Tränen in den Augen, über sein Gesicht.

„Mama, wir haben Hunger“, kamen die 4-jährigen Zwillinge, Ansi und Mirja, angerannt. Schnell wischte sie die Tränen weg.

„Hier gibt es einen Pizza-Dienst, habe ich erkundet und da rufe ich jetzt an.“

Gleich jubelten sie. Pizza kam gleich nach Spaghetti, Gulasch mit Nudeln auf Platz 3.

Warum kann ich nicht auch so fix zur Tagesordnung übergehen, dachte sie, als sie ihre Rangen betrachtete.

„Ihr könnt anfangen, eure Kartons auszupacken. Alles kommt wie in Hamburg so in die Schubfächer. Ordentlich!“

„Du musst noch die Betten beziehen, sonst kann ich nich meine Tiere hinstellen.“

„Mache ich, aber erst bestelle ich das Essen. Morgen Vormittag fahren wir Einkaufen, damit Frisches in den Kühlschrank kommt.“

„Okidoki“, rannte Ansi in sein Zimmer; Mirja folgte langsamer. Ihre Tochter war generell nicht so ein Wirbelwind wie ihr Bruder. Frederik stellte fest, Ansi kommt mehr nach mir, während Mirja so wie du ist. Aussehen tun sie leider beide wie meine Mama. Ich hätte es lieber gehabt, wenn gerade unsere Tochter so wunderschön wie du aussehen würde. Der Meinung war sie gar nicht, da sie fand, dass er besser aussah als sie. Charmant wie er war, widersprach er stets. Sie war generell völlig uneitel. Einen Kamm für die langen braunen Haare und Wimperntusche reichen, war ihre Meinung und Frederik war froh darüber, da er keine angemalten Frauen mochte. Da bleibt man ja kleben, sein humorloser Kommentar. Selbst auf Arbeit lief sie völlig glanzlos herum, wie sie fand. Aber sie kam damit an. Privat warf sie sich nur in besondere Klamotten, wenn sie mal groß ausgingen. Für ihren Mann war sie genau so, wie er seine Frau wollte. Süß aussehend, intelligent, nicht zickig oder zu gestylt. Sie sah in Jeans genau so sexy aus, wie im Kostüm oder Abendkleid, sein Spruch. Sie besaß eben Stil, Natürlichkeit und das war wichtiger als sich stundenlang aufzubrezeln. Sie verscheuchte die Gedanken an ihn.

Sie bestellte für alle Pizza und einen großen Salat. Nun fix die Kiste mit dem großen K in der Küche auspacken, da sie Geschirr, Gläser und Besteck benötigten. Gut, dass sie noch eine Woche Zeit hatte, alles in Ruhe einzurichten, sich umzumelden, sowie die Kinder langsam an die neue Kita zu gewöhnen, ihre neue Umgebung zu erkunden. Obwohl so neu war sie für alle nicht.

Ostern waren sie noch mit Frederik eine Woche hier gewesen. Es war eine schöne Woche, trotz der vielen Arbeit. Frederik wollte nach dem Tod seiner Oma das Haus für sie bewohnbar machen. Sie erbten es beide, da er ihr einziger Enkel war. Sie ließen daher die Heizung und die Bäder, sowie die Küche erneuern. Es gab gleich Solarplatten auf der lang gestreckten Garage, die gleichzeitig eine Art Keller und Heizungsraum darstellte, sowie für ihren Hybrid eine Steckdose in der Garage. Sie hatten, bis auf das eine Gästezimmer die anderen Räume leer geräumt, alles neu gemalert. Es war trotzdem schön gewesen, da sie auch viel Blödsinn machten, lachten, mit den Lütten tobten, spazieren gingen. Für sie war der verwilderte Garten und das Haus ein riesengroßer Spielplatz. Ihnen machte er viel Arbeit. Abends hatten sie zu zweit die Zeit genossen. Wie unbeschwert wir waren, als wenn es ewig so weitergehen würde. Nur fünf Wochen später kam der Schock, den sie immer noch nicht überwunden hatte. Sie seufzte leise.

Aus der Kühlbox holte sie Getränke, stellte den Rest in den Kühlschrank und deckte den Tisch im Esszimmer. Die erste Mahlzeit in dem neuen Zuhause.

Heute wollten die Zwillinge zusammen baden und in einem Bett schlafen, weil alles noch so neu war. Sie bezog, solange sie badeten schnell alle drei Betten, stellte ihre Tiere wie in Hamburg hin.

Sie erzählte ihnen eine Geschichte und sie schliefen rasch ein, da es doch ein langer, aufregender Tag für sie war. Bis nach Mitternacht packte sie aus, räumte ein. Heute schlief auch sie mal sofort ein, ohne all die traurigen Gedanken, die schönen Erinnerungen und der Wut, dass Frederik sie mit den Kindern, allem anderen, allein gelassen hatte.

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Am Samstag fuhren sie nach dem Frühstück zusammen zum Supermarkt, holten noch frische Lebensmittel. Vieles hatte sie aus Hamburg mitgebracht, gerade Nudeln, Reis, Mehl, Zucker, und zwar gleich in großen Mengen; genauso wie Konserven, Marmeladen, Soßen, Puddingpulver, Kaffeebohne, Kakao, Backzutaten, Getränke, sogar Wein. Da war dort alles wesentlich billiger.

Auf dem Rückweg hielt sie am Friedhof. Frederik war hier neben seinen Urgroßelter, seinen Großeltern und seiner Mutter, die bereits vor 24 Jahren an Krebs starb. Sie kaufte vorn ein paar Blumen, dann hockten sie alle drei vor das Grab und weinten gemeinsam, um den riesigen Verlust.

Nach dem Mittagessen backten sie gemeinsam einen Apfelkuchen. Die Zwillinge gingen danach spielen, während sie die Kisten mit den Lebensmitteln in der Kammer ausräumte. Sie musste noch eins der Regale zusammenschrauben, da das eine nicht ausreichte. Die Vorratskammer war danach fast voll und sie hatten für lange Zeit Vorräte. Erst vor Weihnachten würde sie wieder nach Hamburg zum Einkaufen fahren, so ihr Plan.

Ihr Tun wurde von zahlreichen Anrufen von den Freuden aus Hamburg unterbrochen; fast eine Stunde sprach sie mit Jari, ihrem Bruder. Mit dem Laptop zeigte sie ihm das Haus. Er war erstaunt, wie weit sie schon war und wie hübsch es jetzt schon aussah. Er kannte es, da er einmal hier einige Tage war, als Frederiks Großeltern noch lebten.

Die Kinder kamen herein, als es dunkel wurde. Gleich erzählten sie von einem neuen Spielgefährten. Er hieß Ulf, war fünf Jahre alt und wohnte nebenan. Er ging in die gleiche Kita. Sein Vater war Arzt und seine Mutter hatte ihnen eine Milchschnitte gegeben. Er kannte auch Jens, den Enkel von Bauer Friedrichsen. Nun wurde geplappert, wo sie überall waren und was sie Neues sahen.

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Am Montagmorgen brachte sie die Lütten probeweise in die Kita. Ihr neuer Freund, Ulf, hatte sie sofort an die Hand genommen und ihnen die anderen Kinder vorgestellt. Sie hatte mit den Erzieherinnen gesnàkt, sich alles angesehen. Nach zwei Stunden waren sie wieder gegangen, da sie noch zu dem Bauernhof wollten, wo man sie danach betreute.

Sie kannte das ältere Ehepaar bereits und die Zwillinge fühlten sich dort gleich wohl, da es Kuchen gab. Danach zeigte ihnen der Bauer, Pieter Friedrichsen, den Hof und die Tiere. Ihr Enkelsohn, Jens, ging dito in die gleiche Kita. Minna Friedrichsen würde sich um die Lütten kümmern.

Als sie sich mittags verabschiedeten, war auch diese Hürde verschwunden und Aliisa atmete erleichtert auf, da es beiden sehr gut gefiel.

Nach dem Mittagessen spielten die zwei, bauten einen Bauernhof und sie hatte Muse, im Schlafzimmer ihre restlichen Dinge auszupacken.

Nachmittags konnten sie nicht raus, da es heftig regnete. So erzählte sie ihnen eine Geschichte von Strandräubern, die ihr Frederik mal erzählt hatte, als sie hier spazieren gingen. Sie solle vorsichtig sein, da er vielleicht von ihnen abstamme. Das war über 13 Jahre her. Da lebte noch sein Opa und sie hatten öfter ein Wochenende hier verbracht, da Frederik kleine Arbeiten für sie erledigt. Sie hingegen half seiner Oma beim Einkochen, der Gartenarbeit oder sie saßen einfach draußen und snàkten. Es waren schöne Zeiten gewesen.

„Auf Sylt strandete an dem Dünental Dikjendäl in einer dunklen, sehr windigen, nassen Sturmnacht ein Schiffer aus Archsum. Mit letzter Kraft rettete er sich und seinen Geldkasten auf dem Strand und hoffte, einen menschenfreundlichen Landsmann zu finden, der sich seiner annehmen würde, damit er nach Hause käme. Doch einige raubgierige Strandräuber hatten seine Ankunft bemerkt und seine Geldkiste gesehen. Anstatt ihm zu helfen, fielen sie über ihn her, schlugen ihn mit ihren Knüppeln zu Boden und verscharrten ihn in den Sand, nachdem sie ihm auch noch die Hand abschlugen. Lachend nahmen sie die Geldkassette an sich und zogen davon. Seit der Zeit wandert der Unglückliche in jenem Dünental, wo der Mord geschah, ruhelos als ein Gespenst umher und heißt der Dikjendälmann. Gleich, als wolle er Gerechtigkeit fordern, richtet er den Armstumpf drohend empor, und jedermann geht ihm fix aus dem Weg.“

„Die waren aber gemein“, entrüstete sich Ansi. „Ich hätte ihm geholfen.“

„Ich auch!“

„So war es eben damals mit den Strandräubern. Es waren arme Menschen, die klauten, damit sie auch etwas hatten. Zum Arbeiten waren sie oftmals zu faul oder manchmal gab es auch keine.“

„Darf man aber nich. Papa hat gesagt, selbst wenn man etwas möchte, aber kein Geld hat, muss man warten und sich darauf freuen, bis man es sich kaufen kann. Haben Arme Hunger, auch dann fragt man, ob ihnen jemand etwas schenkt. Klauen und lügen tun nur ganz schlechte und böse Menschen, die dann auch niemand will, oder so“, erklärte ihr Ansi, nickte dazu mit dem Kopf.

„Da hatte Papa vollkommen recht. Deswegen kann ich auch euer Klettergerüst erst im Frühling kaufen.“

„Mama, is nich schlimm. Jetzt wird es sowieso kalt und der Winter kommt. Wir freuen uns eben schon drauf“, wusste Ansi.

„Schade, dass Papa alles nich mehr sieht“, Mirja, der die Tränen nun über die Wangen kullerten.

Rasch nahm sie beide in den Arm. „Er sieht es ja und freut sich darüber“, unterdrückte sie ihre aufkommenden Tränen.

„Kommt, ich habe eine Idee. Wir fahren nach List, holen uns frische Krabben“, lenkte sie ab.

Beide befreiten sich, wischen die Tränen weg.

„Okidoki! Mama, aber die essen wir mit so Rührei und Tomaten.“

„Machen wir und danach gibt es warmen Vanillepudding mit Mandarinen.“

Nun waren sie total happy, strahlten, putzen die letzten Tränen aus dem Gesicht.

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Der Winter kommt früh und zaghaft, dachte sie, als sie in Kampen herumspazierten, sich alles ansahen, während sie Richtung Dünen liefen. Es war kühl geworden, dazu wehte heute ein eisiger Wind.

Sie war froh, dass sie in Hamburg für alle warme Winterkleidung gekauft hatte, einschließlich Regensachen und Gummistiefel für die Kinder. Auf der Insel war alles viel zu teuer, wie sie noch von früheren Besuchen wusste.

Ihre Lütten wollten jeden Tag etwas Neues erkunden, nur die letzten zwei Tage hatte es fast nur geregnet. Ein Schietwetter, wie sie es hier nannten. In Hamburg hieß es Schmuddelwetter. Wenigstens waren dadurch alle Kisten ausgepackt, alles eingeräumt und sauber. Selbst alle Fenster hatte sie bereits geputzt. Nur die Garage sah nach unordentlich aus, da noch Kartons und restliches Umzugsgut im Weg standen.

Ihre Kinder waren draußen Spielen gewesen, wenn es mal trocken war, und hatten einen Jungen kennengelernt. Ulf war genauso alt wie sie und er ging in die gleiche Kita. Zudem unternahmen sie jeden Tag kleinere Spaziergänge durch den Ort. Ihr gefielen besonders die alten Friesenhäuser. Sie fand sie wunderschön mit ihrem schmucken, gepflegten, großen Garten, dem Steinwall ringsherum und natürlich den Reetdächern. In den Häusern und Grundstücken steckte viel Liebe, fand sie. Alle spiegelten irgendwie das alte Leben, die Inselidylle aus vergangenen Zeiten wider. Ihren Garten im Frühjahr wieder so schön zu gestalten, wie er stets bei Frederiks Großeltern aussah, würde sie viel Arbeit kosten. Aber das war sie Frederik schuldig. Schon bei seinen Urgroßeltern sah alles perfekt aus, wie sie auf alten Fotos gesehen hatte. Ein Schmuckstück! Genau so sollte er wieder werden, das gehörte sich einfach so, wenn man so etwas Kostbares erbte. So wollte sie es erhalten, auch für ihre Kinder und im Andenken an die Verstorbenen.

Die Kinder entdeckten heute einen großen Spielplatz, der es ihnen sofort angetan hatte. Er verfügte über mehrere Schaukeln, einen Entdeckertunnel und Wackelfiguren.

Nun hatte sie die Garage soweit aufgeräumt, noch das Metallregal aufgestellt, darin vieles verstaut, dass sie wenigstens immer ihr Auto reinfahren konnte. Endlich wurde er jedes Mal mit Strom versorgt. So sparte sie Treibstoff, da sie auf der Insel nie weit fuhr. Sie hoffte, dass oft die Sonne schien, sie genug Strom durch die Solarplatten bekam, da sie so erhebliche Stromkosten sparte.

Einmal hackte sie zwei Stunden Holz. Die Kinder waren emsig dabei, da sie die Scheiten an der Seite unter dem überstehenden Dach stapelten.

Sie machte sich in den Regenpausen im Garten zu schaffen. Der war total verwildert. Ostern hatte Frederik noch den Rasen gemäht, Büsche und Sträucher beschnitten, während sie überall Unkraut entfernte, die Winterüberreste wegharkte. Logischerweise war davon nichts mehr zu sehen, also fing sie vorn an und arbeitete sich vorwärts. Die Kinder halfen ihr zuweilen, trugen das Unkraut in die große grüne Tonne.

Sie hatte die zwei Regentonnen am Morgen gewaschen. Damit sammelten sie Regenwasser aus der Dachrinne, einmal vorn an der Garage und am Haus, wo die Terrasse anfing, was besonders im Sommer wertvoll zum Gießen war.

Die Zwillinge blieben vor einem Bäcker stehen und sie musste schmunzeln. Bei einem Bäcker konnte man mit ihnen nie vorbeilaufen. Sie waren wie Frederik, der Kuchen, generell alles Süße, liebte. Er sagte einmal, du weißt, ich liebe alles Süße. Ich habe schließlich deswegen auf dich gewartet. Du bist sehr süß. Schnell schob sie den Gedanken beiseite. Sie wollte nicht traurig werden, sondern endlich wieder lachen lernen. Deswegen war sie umgezogen, zumal sie hier mehr verdiente, als in Hamburg, keine Miete zahlen musste. Es war eben nun alles anders, die Kosten waren nun Wasser- und Abwasser, Heizöl, falls die Solarplatten nicht reichten, Versicherungen.

Sie musste loslassen, sonst war das alles umsonst gewesen. Gerade die letzten Tage, wo sie mehr Zeit hatte, waren ihre Gedanken ständig bei Frederik gewesen. Weder konnte sie sich beim Lesen auf den Inhalt des Buches konzentrieren, noch mit Stricken und Fernsehgucken ablenken. Sie wollte es nicht, aber es geschah von allein. Die Sehnsucht nach ihm, seine Schulter zum Anlehnen, die Gespräche, sein Lachen und seine Zärtlichkeiten fehlten ihr. Warum musste er sie auch mit zwei Kindern allein lassen?

Quatsch, schalt sie sich. Er wollte ja nicht sterben, hatte noch so viele Pläne für ihre Zukunft geschmiedet. Es war ein bedauerlicher Unfall!

„Mama, guck mal, was die für tollen Kuchen haben“, zeige Ansi in den Laden.

„Auf der Rücktour nehmen wir Kuchen mit.“

„Duuu, ich glaub, ich hab´ jetzt schon Hunger“, grinste ihr Sohn sie an und sie fügte sich, kaufte zwei Plunderschnecken.

„Tschüss! Wir kommen nachher noch mal wieder“, verabschiedete sich Ansi und die ältere Dame lächelte noch breiter zu ihnen. „Dat is man fein, nöch?“

Kauend nickte er nur. Sie setzten ihre Erkundungen fort, da sie noch zum roten Kliff wollten.

Sie liefen durch eine bizarre Heidelandschaft Richtung Dünen. Einige Hasen sprangen schnell weg; Vögel flogen aufgeschreckt hoch, obwohl sie brav auf dem Weg liefen, nicht lärmten.

Endlich waren sie oben angekommen. Sie hielt die Kinder fest, damit sie nicht zu nahe an die Steilwand gingen. Es war ein herrlicher Blick über den Strand, die wogende Nordsee, die mit kleinen weißgesäumten Wellen auf den Sand rollte. Über eine Holztreppe gelangten sie nach unten und gleich liefen die Kinder Richtung Wasser, wollten am Rand durchlaufen. Sie folgte langsamen, sah interessiert die ungefähr 30 Meter hohe Steilwand an. Sie hatte gelesen, dass die sich so bis Wennigstedt erstreckte. Der Lehm leuchtete nur ein wenig rötlich, aber trotzdem fand sie es gigantisch und beeindruckend. Als die Kinder zu ihr gerannt kamen, gingen sie näher zu der Wand. Die einzelnen Schichten waren gut erkennbar. Sie ließ sachte die Hand darüber gleiten. Es fühlte sich kalt an. Nach einer Weile kehrte sie um. Die Kinder sammelten Muscheln, kleine Steine, die sie für Bernstein hielten, und sie nahm ein wenig Sand mit. Zu Hause wollte sie damit zwei runde Schalen am Boden bedecken, darauf die Dinge der Kinder platzieren und in die Mitte würde sie je einen der Leuchttürme aus Holz stellen, welche sie am Dienstag für die Kinder gekauft hatte. Jeweils eine zierte dann ihr Zimmer.

Auf dem Weg nach Hause kaufte sie nochmals Kuchen. Ansi suchte sich als erster zwei Stück aus, guckte die Verkäuferin verschmitzt an. „Schmeckt gut, nöch?“

Sie lachte. „Du bist goldrichtig“, gab sie beiden Kindern ein paar von den losen Plätzchen. Sie fragte Aliisa, ob sie hier Urlaub verlebten.

„Nein, wir sind hergezogen, wohnen gleich um die Ecke“, antwortete Aliisa.

„Dat is ja man fein, nöch? Da sehe ich euch ja öfter“, guckte sie lächelnd zu den Zwillingen.

„Mama, kauft viel beim Bäcker, auch Brot und so. Sie mag das abgepackte Zeugs nich“, plauderte Ansi aus. „Dat is fein, nöch? Wissen Sie, wir müssen erst noch lernen, so richtig wie hier reden zu können, nöch? Papa konnte das, der er oft bei Oma und Opa war.“

„Ihr seid Frederiks Lütte! Na dann man herzlich willkommen. Das würden sich seine Großeltern ja freuen, dass ihr doch hergezogen seid.“

Auch die anderen Kunden sagten „Willkommen.“ Aliisa war gerührt.

„Das is man fein nöch. Papa wollte auch herkommen, weil er doch fast ein sylterischer Jung war, oder so“, wusste Ansi.

Selbst andere Kunden lachten mit, während die Verkäuferin ihm zuzwinkerte.

Zum Schluss kauften sie in einem Blumenladen drei Asterntöpfe, die in gelb, dunkelrot und weiß herrlich blüten. Sie wollte nachher die Terrasse ein wenig herrichten und da hatte sie etwas Blühendes, damit das nicht so trist aussah. Alles andere erst im Frühjahr.

Daheim gab es Milch zum Kuchen, für sie einen Kaffee. Die Zwillinge kuschelten sich an die Mama auf der Couch und guckten noch - Als die Tiere den Wald verließen.

Es gab nur ein Brot abends, da sie keinen richtigen Hunger hatten. Sie bemerkte, wie müde ihre Zwillinge doch waren. Es war auch ein sehr langer Spaziergang gewesen.

Nach dem Baden gingen sie, ohne zu murren, ins Bett. Heute musste sie ihnen nicht einmal Geschichten erzählen, da sie gleich einschliefen. Sie selbst nahm ein langes Bad. Auch sie fühlte sich heute leichter, fröhlicher, irgendwie anders.

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Nach dem Frühstück fuhren sie nach Hörnum. Das war ein kleines Dorf im Süden der Insel.

Als Erstes spazierten sie zu dem Leuchtturm. Angekommen erlebten sie eine Niederlage. Kinder durften erst ab 8 Jahren hinauf. Die Zwillinge waren enttäuscht, da sie sich so darauf freuten.

Da heute warm die Sonne schien, die Brise eher mäßig wehte, spazierten sie barfuß am Strand entlang Richtung Hafen. Aliisa erzählte ihnen von dem Strand, da immer wieder Sand weggespült wurde. Die Insel verkleinerte sich dadurch, deswegen gab es die Tetrapoden, an denen sie vorbei wanderten. Die sollten die Sandwegnahme etwas hemmen.

„Über Hörnum gibt es viele Sagen. Hier sollen Hexen in den Dünen getanzt haben; Geister von toten Seemännern trieben nachts ihr Unwesen und das die Seeräuber dort lebten, neben den großen Strandräubern Dikjendelmann und Pidder Lüng.“

„Cool! Musst du uns erzählen“, Ansi sofort.

Die Möwen flogen über sie hinweg, machten Theater, wie es Mirja nannte. Die Kinder rannten den Möwen nach, tapsten durch das Wasser. Sie schmunzelte. Hier konnten sie sich richtig austoben, so auch im Garten.

Aliisa blieb stehen, suchte die Nachbarinseln, Föhr und Amrum. Man sah die heute nicht, da über dem Meer eine Dunstglocke hing.

Weiter ging es Richtung Hafen. Die Kinder bestaunten das Seenotrettungsboot Horst Heiner Kneten der DGzRS, Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, dazu die Fischerboote und die Muschelfischer.

„Sie züchten hier Miesmuscheln. Die werden zwischen Juli und April von den Fischern geholt.“

„Muss es aber viel geben“, wusste Ansi.

„Gibt es. Gehen wir essen.“ Sie steuerte ein Fischrestaurant an. Sie bekamen sogar einen Fensterplatz.

Aliisa bestellte für alle eine große Fischplatte. Dazu gab es warmen Kartoffelsalat, der die Kinder strahlen ließ. Auf der Fischplatte fanden sie sogar Miesmuscheln. Allerdings waren die ohne ihre Schale. Sie schmeckten beiden.

In einem Souvenirladen bekam jeder eine kleine Stoffrobbe und sie erstand eine Glasfigur in verschiedenen Blautönen mit zwei Fischen. Die kam ins Bad, wusste Mirja.

Über eine Kegelrobbe hatte sie gelesen und nun suchten sie diese. Den Kindern sagte sie vorher nichts davon, dann waren sie weniger enttäuscht, wenn sie nicht da war, was öfter der Fall war.

Sie hatten jedoch Glück. Im Hafenbecken schwammen Willi, die eigentlich eine weibliche Robbe war und die andere Kegelrobbe, Sylta. Ansi und Mirja waren völlig aus dem Häuschen.

„Als sie noch ein Teenie war, hielt sie sich gern bei Anglern auf, da die ihr öfter einen Fisch zuwarfen. So gewöhnte sie sich an Menschen. Sie kommt wohl seit knapp dreißig Jahren immer wieder her. Erst dachten sie, sie wäre ein Junge, gaben ihr den Namen Willi. Nur sie ist ein Mädchen, wurde in Wilhelmine umgetauft. Nur irgendwie blieb Willi. Sylta heißt die andere. Zusammen schwimmen sie herum, eben auch nach Hörnum.“.

„Okidoki! Allein is ja auch blöd. Können wir nich Fisch kaufen und sie füttern?“

„Nein, sie finden allein genug. Die Menschen sollten nie in den Kreislauf der Tiere, generell nicht in die Natur eingreifen. Das funktioniert so besser.“

„Is so wie bei Simba. Mufasa erklärte es Simba. Dem Gesetz sind wir geweiht. Wir sind alles eins, dieses Universums und das Leben ist ein ewiger Kreis“, sang sie.

„So ist es richtig, nicht nur im Film.“

Nachdem ihre Rangen eingeschlafen waren, holte sie die alten Gartenmöbel, die Frederik mal billig kaufte, auf die Terrasse, putze sie. Auf den Tisch kam eine Tischdecke. Nun stellte sie die vier Stühle hin, legte die ollen Kissen darauf. Neue Gartenmöbel gab es erst im Frühjahr. Sie zog den dicken finnischen Pullover von Frederik an, der ihr bis fast an die Knie reichte. So eingehüllt genoss den kühlen Herbstabend auf der Terrasse, trank ein Glas Saft und erfreute sich an der frischen Luft und den Duft von Frederik, wie sie sich einbildete. War Unfug, da der gewaschen war, aber es war ihr egal. Frederik war bei ihr.

Ein schöner Tag war es auch heute. Bisher hatte der Neustart wunderbar geklappt.

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Sie fuhr mit den Kindern zum Ellenbogen. Dort musste man bezahlen, da der Abschnitt Privatbesitz war. Verständlich! Er war es auch wert, fand sie.

Die Zwillinge trugen ihren Eimer mit allerlei Zeugs, während sie den Rucksack umhänge, in dem unter anderem auch etwas zu trinken war.

„Nur auf den Holzbrettern laufen“, rief sie den Zwei zu, die vorneweg rannten. Oben blieb sie stehen, genoss den Ausblick über den breiten Strand, das Meer. Sie schmeckte das Salz, welches die leichte Brise herantrug, auf ihren Lippen. Unten liefen bereits einige Menschen spazieren. Alle behagte das herrliche Herbstwetter.

Sie folgte langsam den Kindern, welche Richtung Wasser rannten.

Am frühen Nachmittag kehrten sie beladen mit einem Kuchenpaket und vollen Sandeimern zurück. Sie ließen sich den Kuchen und den Kakao schmecken. Kochen würde sie erst am Abend.

„Mama, wir müssen das draußen hübscher machen“, wusste Mirja danach.

Sie nickte, räumte erst drinnen auf, während ihre Kinder alles Mögliche rumschleppten.

Sie platzierte die drei Kerzen auf den Tisch, fügte ein Paar der Steine, welche die Zwillinge gesammelt hatten hinzu. Ansi schleppte die dicke Decke an, die sie in Hamburg immer hinlegte, wenn sie auf dem Balkon spielten. Er wuschelte die auf, setzte sich darauf und fand alles cool. „Jetzt sind wir zu Hause, Mama“, stellte er fest.

Abends aßen sie das erste Mal warm angezogen draußen. Sie hatte in List rasch Krabben gekauft. Dazu gab es Rührei und warmes Brot.

Bevor die Kinder in die Badewanne stiegen, legten sie überall im Bad ihre heute gesammelten Muscheln hin. „Is schön!“, wusste Mirja.

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Heute blieben sie daheim. Es wurde noch in wenig geräumt, da die Kinder Muscheln und Steine auf die Blumenbänke legen wollten. Dann durften sie ihr helfen, den Quarkkuchen zu backen. Jeden Tag Kuchenpakete kaufen, das war zu teuer.

Nun ging es schnell in den Supermarkt, wo sie gleich fünf Töpfe mit verschiedenen Gartenkräutern mitnahm.

Nachmittags saßen sie draußen und sie erzählte ihnen die Geschichte von Ekke Nekkepen.

„Ein Schiff geriet auf dem Weg nach England in einen schlimmen Sturm. Plötzlich steckte ein großer Mann seinen Kopf aus dem Meer und fragte nach dem Kapitän aus Rantum. Diesem erklärte er, dass seine Frau Rahn auf dem Meeresgrund ein Kind erwarte und verlange, dass die Frau des Kapitäns ihr bei der Geburt helfe. Die Kapitänsfrau sagte ja, sie helfe gern, sprang über Bord und verschwand mit dem Meermann im Meer. Sofort legte sich der Sturm und schon bald begann das Meer wie eine Wiege zu schaukeln. Die Kapitänsfrau kehrte zurück und brachte Gold und Silber mit, welches ihr Ekke Nekkepen geschenkt hatte. Bei gutem Wind segelte das Schiff nach Hause.

Noch viele Jahre später erinnerte sich der Meermann an die schöne Kapitänsfrau, und da seine Frau Rahn inzwischen alt geworden war, beschloss er, das Schiff des Kapitäns zu versenken und die Witwe zu heiraten. Eines Tages sagte er seiner Frau, er werde Heringe fischen, denn er wusste, dass sie dann Salz mahlen und einen Wirbelsturm verursachen würde.

Nachdem der Kapitän darin untergegangen war, ging Ekke Nekkepen in Gestalt eines Seemanns an Land, traf am Strand von Hörnum auf die Tochter der Kapitänsfrau. Er hielt sie für ihre Mutter, steckte ihr Goldringe an die Finger, legte ihr eine goldene Kette um und sagte zu ihr: Nun habe ich dich gebunden, nun bist du meine Braut. Sie weinte und bat ihn, sie freizugeben, und er erlaubte es ihr unter der Bedingung, dass sie innerhalb eines Tages seinen Namen herausfinden müsse.

Sie fragte überall auf Sylt nach dem Namen des Seemanns, doch niemand kannte ihn. Als sie am folgenden Abend wieder am Strand entlangging, hörte sie plötzlich Gesang:

Heute brau ich; morgen back ich; übermorgen will ich Hochzeit machen. Ich bin Ekke Nekkepen und das weiß niemand, als ich allein.

Als sie das hörte, lief sie schnell zu ihrem Treffpunkt, erwartete ihn dort und rief ihm zu: Du heißt Ekke Nekkepen und ich bleib Inge aus Rantum! Dann rannte sie mit dem Goldschmuck nach Hause. Seitdem ist Ekke Nekkepen böse auf die Sylter und schickte ihnen auf See heftige Stürme, während seine Frau Rahn ständig Salz mahlen muss. Man sieht die Flutschäden in Hörnum und das Meer ist davon ganz salzig geworden.“

„Meinst du, wenn der mich sieht, nimmt der mich mit runter?“, wollte Mirja wissen.

„Der kriegt dich nich, da ich aufpasse“, Ansi sofort.

„Man geht generell nie mit einem Fremden oder Bekannten mit, ohne das ich es vorher erlaube, auch nicht mit einem ollen Meermann. Nicht vergessen!“, mahnte Aliisa.

„Okidoki!“

Draußen wurde abermals Abendbrot gegessen, was besonders den Kindern gut gefiel. Sie bratete Bratwurst, die es mit warmen Brötchen und einem großen Teller geschnippelter Rohkost gab. Den warmen Pudding mit Pfirsichstückchen genossen sie allerdings im Wohnzimmer, da es doch zu ungemütlich draußen wurde.

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Ihr erster Arbeitstag lag vor ihr. Sie überlegte, welches Kostüm sie heute anzog, suchte eine Bluse dazu aus. Nun steckte die Haare hoch und zog die Jacke über. Sie betrachtete sich lange, war mit ihrem Spiegelbild zufrieden. Sie fragte still Frederik, aber der würde sie auslachen, da sie sich viel zu viele Gedanken um solche Nebensächlichkeiten machte. Wichtig war, dass sie akkurat arbeitete, freundlich war, mit allen gut auskam, sich dem Unternehmen anpasste.

Sie fuhr zu dem Hotel, welches wunderschön in der Natur gelegen stand. Die Zwillinge hatte sie in der Kita abgesetzt, was völlig problemlos verlaufen war, zumal dort auch Torben, er wohnte nur zwei Häuser entfernt, schon auf sie wartete.

Sie ging in die Personalabteilung, gab die Papiere ab und der Personalchef persönlich, brachte sie nach oben, stellte sie dem Besitzer des Hotels vor, wünschte eine gute Zusammenarbeit und verabschiedete sich.

Ihr Chef, Richard Brendel, ein groß gewachsener, schlanker Herr, Mitte 60, führte sie durch das gesamte Hotel. Sie lernte das Büropersonal, leitende Mitarbeiter aus den anderen Bereichen kennen. Zum Schluss zeigte er ihr kurz ihr winziges Büro, nahm sie mit zu seinen Räumen. In dem großen Vorzimmer stellte ihr seine Sekretärin, Ruth Lüdtke vor, dann gingen sie in das riesige Büro. Es war gigantisch, zumal die eine Seite nur aus einer Fensterfront bestand, man sogar die Nordsee sah. Davor platziert eine Sitzecke, wo sie Platz nahmen. Er erklärte ihr ihre Aufgaben. Die waren völlig anders, als in Hamburg. Dort hatte sie als eine von drei stellvertretenden Hotelmanagerin gearbeitet. Ihre Aufgaben waren daher völlig anders gewesen und viel aufwendiger. Das Hotel war auch größer, luxuriöser, wurde von viel ausländischer Prominenz aufgesucht. Nun hieß es mehr tippen, weniger sich um organisatorisches kümmern. Das stand nicht in der Stellenanzeige, dass es ein reiner Schreib-Job war. Dafür zahlten sie erstaunlich viel.

Mittags gingen sie zusammen hinunter und da lernte sie seine Frau Gundula Brendel kennen, die nur noch sporadisch im Hotel arbeitete. Sie war eine elegante Dame, etwa 40 Zentimeter kleiner als er und lebhafter. Das ältere Ehepaar war ihr sympathisch, was die Zusammenarbeit sicherlich erleichtern würde. Trotzdem meldete ihr Bauch etwas anderes. Sie schob es beiseite.

Arbeiten tat sie heute nicht, da sie mit den Eheleuten in einer Art Wintergarten saß und zuhörte, da sie ihr alles über den Betrieb, den Ablauf, ihre Gäste und Plänen erzählten.

Man fragte sie, ob alles mit den Kindern geregelt wäre, sie fertig mit dem Umzug sei und wie es ihr hier gefalle. Es war etwas Lauerndes in der Frage, fand sie. Gut, antwortete sie kurz angebunden. Während der ganzen Zeit regnete es gegen die großen Glasscheiben und man sah, wie der Wind über die Heidelandschaft, Sträucher und Büsche fegte.

Nach einem gemeinsamen langen, sehr späten, Mittagessen hatte sie an dem Tag schon Feierabend.

Die schrägen gelben Strahlen fielen durch die Bäume, als die Sonne langsam unter die Wolken sank. Sie tauchte die vom Regen gewaschenen Blätter in funkelndes Gold. Es hatte an dem Tag lange geregnet. Trotzdem war es angenehm auf der eher kahlen Terrasse. Sie grübelte, was da heute nicht passte. Das komische Bauchgefühl war sofort da, wenn sie an das Hotel dachte. Die Zwillinge kamen angerannt und sie schob alles beiseite. Jetzt war nur die Mama gefragt.

Bei Kerzenlicht, einem Glas Grapefruitsaft saß sie draußen, Morgen begann also ihre neue Stellung. Wie stets schweiften ihre Gedanken zu Frederik. Er würde diese Arbeiten als Abstieg betiteln. Gesucht hatten sie in der Anzeige eine stellvertretende Hotelmanagerin mit Sprachkenntnissen und Erfahrung.

Egal, sie musste da durch, da es nicht viele solcher Stellenangebote auf der Insel gab. Umziehen kam gar nicht infrage. Ergo musste sie die Stellenausschreibungen im Auge behalten.

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Ihr erster richtiger Arbeitstag begann. Ruth Lüdtke, die Sekretärin des Chefs, kam gleich rüber, begrüßte sie freundlich. Lieber wäre sie allein gewesen, um sich alles anzusehen, durchzulesen, aber die Kollegin hatte wohl viel Freizeit, redete ununterbrochen. Sie wollte nicht gleich etwas sagen, um keine miese Stimmung zu erzeugen. Über den Betrieb erfuhr sie nichts, da sie nur über andere Leute herzog, tratschte.

Sie wurde zweimal angerufen, da man sie an der Rezeption benötigte, da sich Gäste beschweren wollten. Ihre Chefs seien nicht da und daher sollte sie das regeln. Erleichtert atmete sie auf, da sie so diese Nervensäge los wurde.

Zuerst war es eine ältere Schauspielerin, die sie mal kurz im Fernsehen sah. Da war sie allerdings brünett gewesen, jetzt strohblond. Sie meckerte sofort lautstark los, dass, als sie herunterkam, es kein Frühstücksbüfett mehr gab.

Sie sprach die Dame mit dem Namen an, teilte ihr mit, dass man ab 11.30 Uhr alles bereits für das Mittagessen aufbauen und decken musste. Sie empfahl, das Frühstück bequem im Zimmer einzunehmen, und da bekam sie alles, was sie sich wünschte und konnte noch den herrlichen Blick über die Nordsee genießen.

Der zweite Fall war genauso schnell gelöst. Ein Paar beschwerte sich radebrechend, dass man sie nicht pünktlich geweckt hatte, sie dadurch die Fähre nach Dänemark verpasst hatten. Sie waren zwar jetzt hier ein wenig spazieren gegangen, aber das war kein Ersatz für den entgangenen Ausflug.

Aliisa antwortete in Schwedisch, entschuldigte sich für das Versäumnis, aber heute sollte es noch regnen und da hätten sie eventuell sogar Glück gehabt, wenn sie den Ausflug einen Tag später machen würden. Morgen sollte die Sonne scheinen. Wenn sie es wünschten, würde man sie dieses Mal pünktlich wecken. Auch die Gäste waren mehr als zufrieden, lobten sie sogar noch für ihre perfekte Aussprache. Dass sie Finnin war, verschwieg sie. Auch der Mann, der die Rezeption unter sich hatte, wunderte sich darüber, weil die Menschen mehr Englisch und Französisch lernten, Bürotanten selbst das selten könnten.

„Kann ich dito. Ich bin gebürtige Finnin, spreche und schreibe daher alle skandinavischen Sprachen“, flunkerte sie ein wenig, weil der blöd war. „Heute mal ein Glücksfall. Schönen Tag noch.“

Nun erledigte sie den Schreibkram, schaute in die wenigen Ordner, um sich genauer zu informieren. Das gelang ihr dadurch fast gar nicht. Ihren Chef sah sie nicht und selbst Ruth hatte anscheinend Arbeit.

Es war ein eher entspannter erster Tag gewesen. Nur rosig sah das nicht alles aus. Wirklich ein Abstieg, dachte sie dabei. Nur warum bezahlte man ihr dann so ein hohes Gehalt? Irgendwie machte das alles keinen Sinn.

Sie fuhr zum Feierabend rasch einkaufen, dann holte sie die Zwillinge ab, die auf dem Bauernhof herumtobten.

Plappernd fuhren sie nach Hause. Es gab viel zu erzählen, da sie heute im Sagenwald waren. Ein magischer Ort für groß und klein, um Märchen spielerisch zu erleben, hatte sie mal irgendwo gelesen. Für ihre Rangen war es nur cool gewesen.

„Backen wir gleich Kuchen?“

Die beiden jubelten und für Minuten war der Sagenwald vergessen.

Es wurde sofort eifrig Hände gewaschen. Nun ging es los.

Sie wollten einen Nusskuchen mit Guss und vielen Nüssen oben drauf.

Sie rührten eifrig, bis es zu schwer für sie wurde und Aliisa das übernahm.

„Mama, da ist auch was vom ollen Nekkepen, Nis Puk, Ing und Dung, Seeräubern und so.“

„Müsst ihr mir mal eine Geschichte erzählen.“

„Die kennen wir alle noch nicht. Die anderen schon“, erklang es vorwurfsvoll von ihrer Tochter.

„Lernt ihr noch.“

Jetzt hieß es kochen. Sie hatte Lachs gekauft und heute würde sie den im Backofen überbacken. Dazu gab es Kartoffeln und Salat. Fisch aßen die Kinder genauso gern wie sie.

Nach dem Essen spielten sie noch das kleine Gespenst, wobei Ansi dreimal gewann.

Danach erzählte sie ihnen noch etwas über Nis Puk.

„Nis Puk passt auf Haus, Hof und Tiere auf, aber nur, wenn die Bewohner alles in Ordnung halten, und lieb zu den Tieren sind, aber auch zu den anderen Menschen im Dorf.“

„Machen wir“, nickte Ansi.

„Ja, und zwar schon sehr, sehr gut.“

„Nis Puk soll auf dem Dachboden oder in einer Scheune leben. Angeblich können ihn Erwachsene nich sehen, sagte heute Pieter.“ Bauer Friedrichsen wusste alles, wie die Kinder ihr ständig erzählten. Ihn hatten sie richtig ins Herz geschlossen. Er war so etwas wie ein Opa, die sie zwar hatten, aber zu selten sahen.

„Einmal im Jahr, zu Weihnachten, muss man Nis Puk eine Schüssel Grütze mit Butter hinstellen. Geschieht das nicht, wandert der Nis Puk in ein anderes Dorf. Haus und Hof wären dann ungeschützt.“

„Duuu, das wäre ganz schlecht, weil er doch auf alles aufpasst“, wusste Ansi, mit dem Kopf nickend.

„Mama, wir müssen auch welche kochen. Is wichtig“, fügte Mirja an.

„Da guckt ihr Morgen, ob ihr ihn bei Pieter in der Scheune seht.“

„Haben wir heute schon gemacht, aber er zeigte sich nich.“

„Guckt trotzdem nach. Er ist vielleicht besser gelaunt.“

„Okidoki!“

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Ihre Eltern besuchten sie zwei Wochen später, leider nur für fünf Tage. Mittags holten sie die Kinder aus der Kita. Sie wollte nicht gleich nach Freistunden fragen, kam erst nach Büroschluss heim.

Erst nachmittags begrüßte man sich daher herzlich. Aliisa hatte dabei Tränen in den Augen.

Die Kinder unterbrachen sie, da sie sich all die Leckereien ansehen musste, die Oma und Opa mitbrachten. Dabei auch vieles für die bevorstehende Adventszeit. Oben im Gästezimmer hatte sie bereits die Weihnachtsgeschenke verstaut, flüsterte ihre Mutter ihr zu.

Nun wollten sie das Haus sehen. Die Kinder zeigten ihnen alles, gaben ihre Kommentare dazu ab, während sie in der Küche für Ordnung sorgte, danach Abendessen herrichtete.

Nach dem Essen saßen sie gemütlich bei Kerzenschein, dem lodernden Feuer im Kamin bei einem Glögg und Kakao im Wohnzimmer. Die Eltern erzählten, wie sie gestaunt hatten, dass bereits alles fertig eingerichtet war. Es sah so schön aus und alles war so ordentlich.

„Ich hatte auch zwei fleißige Helfer.“

Sie sah, wie das ihre Kinder freute, der Opa sie an sich drückte.

„Und sonst? Schon neue Freunde hier gefunden?“

„Nette Menschen, die auch Kinder in der Kita haben.“

„Und die Kollegen?“

„Alle nett“, flunkerte sie, wollte die Eltern nicht beunruhigen. Sie meckerten sowie, da sie ihren guten Job in Hamburg aufgab. Dass man sie bereits vom ersten Tag an schnitt, hinter ihren Rücken tuschelte, sie schräg ansah, musterte, bekam sie schon mit. Warum das so war, wusste sie nicht, ahnte es nicht einmal. Aber es war ihr gleichgültig, da sie dort sowieso nicht lange blieb, nur auf eine passende Ausschreibung wartete.

„Und eine neue Liebe?“

„Aber Papa, da suche ich nicht, gucke nicht mal Männer an. Mir fehlt Frederik.“

„Man muss erst die dunklen Schatten der Vergangenheit vertreiben, bevor etwas Neues eine Zukunft haben kann. Oftmals schwer! Aliisa, du musst loslassen können, irgendwann die Trauer überwinden. Denkst du, das hätte Frederik so gewollt? Die Hinterbliebenen leiden, vergessen oftmals, dass das Leben weitergeht. Aliisa, denk an dich, an Mirja und Ansi. Gerade sie würden sich über einen neuen Papa freuen. Frederik hat viel mit ihnen unternommen, getobt und genau so einen Papa benötigen sie. Du bist nur Mutter, kannst ihnen den fehlenden Elternteil nie ersetzen. Ziehe eine neue Beziehung zumindest in Erwägung und sperre dich nicht generell dagegen. Frederik, wirst du nie vergessen, aber er wird nur eine schöne Erinnerung bleiben. So sollte es zumindest sein und so hätte er es gewollt, eben auch wegen seiner Zwillinge. Er kommt nicht wieder, um dir bei deinen Problemen zu helfen, sie zu erziehen, Vater zu sein. Sechs Monate Trauer reichen. Du musst dein Leben selber in die Hand nehmen, Höhen und Tiefen allein überwinden, besonders für deine Kinder.“

Sie erwiderte nichts. Sie würden nicht verstehen, wie sehr sie ihn noch immer vermisste. Für eine neue Beziehung, Liebe, war derzeit kein Platz in ihren Herzen, den Gefühlen. Sie benötigte dafür mehr Zeit. Außerdem kam sie sehr gut allein zurecht.

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Alle drei genossen ihr Leben in dem Haus, wie auch ihre Eltern feststellten. Alles war geräumiger, größer und heller. Aber besonders gefiel den Kindern, dass sie draußen toben konnten, erzählten sie. Viel berichteten sie von Bauer Pieter Friedrichsen, dem Hof, den Tieren und ihren drei neuen Freunden: Jens, Ulf und Torben. Sie waren wirklich innerhalb kürzester Zeit angekommen, zumal viele auch noch ihren Papa von den Besuchen bei seinen Großeltern kannten. Sie hörten gern, wie nett er war, wie er den Großeltern half und von Pieter, was er früher mit Björn, seinem Sohn und Tessa seiner Tochter, für Unfug anstellte.

Abends, als die Kinder schliefen, dekorierte sie das Wohnzimmer mit Luftschlangen, Luftballons und lustigen Figuren. Auf den Tisch baute sie die Geschenke auf. Der Esstisch wurde schon für das Frühstück mit Kerzen, bunten Servietten und Luftschlangen dekoriert.

Ihr Vater, der die Luftballons aufpustete, scherzte, so möchte ich das nächste Mal auch Geburtstag feiern.

~~~~Kindergeburtstag~~~~

Wie jedes Jahr waren ihre zwei Rangen auch heute bereits eine Stunde früher wach, weckten sie.

„Jetzt sind wir schon fünf Jahre“, hielt Ansi eine Hand hoch.

„Is man fein, nöch“, kitzelte sie die beiden, gratulierte zum Geburtstag. Natürlich wollten sie die Geschenke sehen. Sie jauchzten, als sie das Wohnzimmer sahen.

„Das ist aber schön.“

Die Großeltern waren auch wach geworden, kamen herunter und wieder wurde umarmt und gratuliert.

Während ihre Zwillinge die ganzen Pakete öffneten, dabei cool und zoll riefen, kochte sie Kaffee. Mit der Tasse ging sie hoch, zog sich für die Arbeit an.

Ab Mittag hatte sie frei.

Der Opa kaufte ein Klettergerüst mit Schaukel, baute das gleich mit Jochen, dem unmittelbaren Nachbarn auf. Taari Rantanen freute sich, als er sah, wie begeistert seine Enkelkinder und Ulf darüber waren. Dass sie den großen Garten schon dermaßen in Ordnung brachte, dafür wurde sie dito gelobt. Auch das Holz für den Winter war bereits gehackt, wie ihr Vater feststellte, da er das erledigen wollte.

Dann erschienen einige Kinder aus dem Kindergarten. Zuerst gab es für alle Kaffee und Kuchen, dann spielten sie draußen Sackhüpfen, Eierlaufen und Dosen werfen. Alle bekamen dafür kleine Mitbringsel. Zum Schluss durften sie noch Würstchen über dem Feuer brutzeln.

Es waren ein paar turbulente, aber schöne Stunden und die Zwillinge fanden im Bett liegend, der Geburtstag war genau so schön, wie die immer mit dem Papa waren.

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Die Überraschungen gingen am nächsten Tag für alle weiter. In der Garage baute ihr Vater ein neues Metallregal auf, worein er Werkzeug und dergleichen platzierte. Neues Werkzeug kam hinzu, da man das brauchte. Sie wusste zwar nicht wofür, sagte aber nichts. Schon früher hatten sie alles angeschleppt, weil man das haben musste. Frederik meinte, lass sie, dein Vater ist eben ständig auf dem neusten Stand.

Mittags wurde ein Holzhaus geliefert. Innen lag eine Holztreppe und viel Befestigungsmaterial. Sogar zwei Fenster hatte es, jubelten die Kinder. Sie waren völlig aus dem Häuschen. Jochen Jansen und er hatten beschlossen, dass das im Frühjahr auf den großen Baum kam, der an der Grenze zu Jansens Grundstück stand. Jochen würde das mit seinen Freunden oben montieren. Über den Winter stand es erst einmal so im Garten.

Als sie ihr das abends alles zeigten, waren sie immer noch aufgeregt. Mit Ulf hatten sie heute bereits das erste Mal drinnen gesessen und Kuchen von Oma gegessen.

Ihre Mutter verwöhnte sie alle mit ihren Gerichten, dem Kuchen. Nicht einmal putzen musste sie, da auch das ihre Mutter erledigte, obwohl sie ihr das verboten hatte, da sie ihren Urlaub genießen sollten.

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Am Samstagmorgen unternahm ihre Mutter mit ihr einen Großeinkauf, wie es ihr Vater anordnete. Alle Vorratsschränke waren danach übervoll. In der Garage stapelten sich an der Seite Selters, Säfte, Bitter Lemon und sogar verschiedene Weine hatten sie gekauft.

Mittags fuhren sie nach Westerland, besuchten den Wintermarkt. Sie entdeckten ein paar kleine Mitbringsel für den Bruder, Jari und dessen Familie. Es gab für alle Leckereien, danach Bratwurst, da die Kinder die wollten.

Am frühen Abend waren sie zurück und ihre Eltern packten, da es morgen Vormittag zurück nach Finnland ging. Man würde sich erst im neuen Jahr wiedersehen. Dieses Jahr würden sie alle zusammen bei ihrem Bruder feiern, da sie voriges Jahr in Hamburg waren. Dabei würden auch ihr Großvater sein. Dazu summierten sie die Großeltern, Eltern, Geschwister ihrer Schwägerin Aina. Ein großes Fest, was bestimmt sehr schön war. So hatten sie immer gefeiert. Die ganze Familie versammelte sich unter dem Weihnachtsbaum. Sie seufzte verstohlen. Sie würde allein mit den Kindern feiern, da sie jetzt nicht nach Finnland fahren konnte.

Sie verstaute ihre Weihnachtsgeschenke für die ganze Familie in zwei Tragetaschen, brachte sie selber zum Auto.

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Am Montag lernte sie den Juniorchef Doktor Sören Brendel kennen. Ein Schnösel, stellte sie fest, als er sie in sein Büro zitierte. Er stellte ihr seine Sekretärin vor: Renate Deller.

„Frau Petersen wird dich unterstützen, dir die ganze Schreibarbeit abnehmen.“

Sie gab ihm dafür einen Kuss auf die Wange. Sie gab Aliisa einige Bänder, die sie abtippen sollte, aber sauber, schnell und fehlerfrei. Man sah ihr an, wie groß sie sich dabei fühlte, dass sie es mal war, die anderen etwas zu sagen hatte.

Sören Brendel hingegen musterte sie mit hochgezogenen Brauen. „Frau Petersen, Sie sind unpassend gekleidet, finde ich. Wir sind hier schon im 20 Jahrhundert angekommen.“

Er und Frau Deller lachten.

„Fein, ich auch, fahre deswegen einen Hybrid, keine alten Autos. Ich kenne schon Solartechnik und einiges mehr, wende selbst das an.“

Ein Mann stand in der Tür, taxierte sie.

„Sören, adrett und passend. Es können nicht alle fast nackt herumlaufen“, schüttelte er den Kopf.

Sie bemerkte, wie wütend, böse ihr Chef schaute, bevor er sie lächelnd aus dem Raum schickte. Hinterher dachte sie, ich habe mich geirrt. Es war ja nur kurz, schob sie es weg.

Frau Brendel kippte das, da sie eine andere Aufgabe übertrug.

Das erste Weihnachtsfest ohne Frederik stand bevor, dachte sie, als sie im Keller des Hotels die Weihnachtsdeko betrachtete. Nein, daran will ich nicht denken. Sie notierte, was alles vorhanden war. Generell sah das alles in die Jahre gekommen aus und langweilig. Nur das erneuern, würde zu viel kosten. Trotzdem wollte sie versuchen, wenigstens kleine Neuerungen einzuführen. Sie fand es öde, einfach in die Halle nur einen Baum hinzustellen und im Restaurant auf jeden Tisch ein kleines Tannengesteck mit Kerze, wie sie wusste.

In ihrem Büro setzte sie sich hin, arbeitete aus, was ihr vorschwebte. Winterzauber! Zum Schluss fertigte sie kleine Bleistiftskizzen dazu an.

Nach der Mittagspause ging sie zum Büro ihres Chefs. Renate meldete sie an. Er behielt das alles da, wollte darüber später entscheiden, da er gleich Besuch erwartete. Er wollte die Protokolle von den Bändern.

Als sie die holte, ihm auch vorlegte, blickte er sie mehr als erstaunt an. Der dachte, hat sie nicht gemacht und ich kann meckern.

„Traurig, dass ich nachfragen muss“, hatte er wie stets das letzte Wort. Da konnte er zeigen, dass er der große Boss war. Belustigt ging sie in ihr Büro, machte sich an die Quartalsbilanz. Es war wie das meiste, reine Beschaffungsmaßnahmen. Solche Zahlen konnte jede Buchhaltung für einen beliebigen Zeitraum ausdrucken, selbst im Querformat, wie sie es jetzt tippen sollte. Aber gut, erledigte sie auch das. Es war zwar öde, aber was solls. Es war schon alles merkwürdig. Sie waren fast pleite, aber sie stellten eine Betriebswirtin ein, damit diese nur tippte. Unverständlich! Sollte das der Angabe dienen? Nur eigentlich erfuhr so etwas keiner.

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Dienstagvormittags beorderte er sie zu sich ins Büro. Als sie Renate sah, die im Minirock und halb offener Bluse aus seinem Büro kam, schüttelte sie nur den Kopf. Billig! In dem Moment öffnete sich die Tür und Gundula Brendel kam herein, musterte von oben bis unten die Sekretärin.

„Moin! Frau Deller, kommen Sie noch einmal so angezogen zur Arbeit, werden Sie am gleichen Tag fristlos entlassen. Infam! Wir sind kein Bordell, auch wenn mein Sohn das nett findet. Frau Petersen gehen wir zu Sören.“

„Moin! Mama, sie ist meine Sekretärin, die ich einstellte, da sie über eine extrem gute Qualifikation verfügt. Du lässt sie ergo in Ruhe.“

Nun besprachen sie die Weihnachtsdekoration. Als sie den Entwurf von ihr sah, war sie begeistert, ließ sich noch einiges erklären. Sie durfte dann gehen, da sie noch andere Arbeit hatte, die liegen geblieben war, wie Sören feststellte.

Der Mann verfügt über ein Defizit an Selbstbewusstsein, musste sich immer zur Schau stellen, ihre Schlussfolgerung. Frauen, die willig waren, möbelten sein männliches Ego auf. Angestellte, die er kommandieren konnte, dienten seinem lädierten Selbstbewusstsein. Ein Ferrari, wenn auch vier-fünf Jahre alt, die Rolex, Designer-Klamotten steigerten sein Selbstwertgefühl, dienten der Angabe. Nun begann der Kreislauf von vorn. Da half vermutlich nur ein Psychiater. Bei ihm nicht, da er so bleiben würde, weil sooo von sich überzeugt.

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Als sie am übernächsten morgen das Hotel betrat, staunte sie nicht schlecht, als sie im Foyer die große Winterlandschaft erblickte. Zig Gäste standen herum und alle waren begeistert, wie sie hörte. Warum informierte er sie nicht vorher, dass ihnen ihr Vorschlag gefiel?