Keine Liebe - Tod - Angelika Friedemann - E-Book

Keine Liebe - Tod E-Book

Angelika Friedemann

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Beschreibung

Sei du selbst die Veränderung, die du die wünschst für diese Welt. M. Gandhi Philipe Jorges, ist Leiter der Abteilung für besondere und schwere Kapitalverbrechen der Brigada de investigacíon criminal in Palma. Seit drei Jahren kämpft er mit seinem Team gegen das organisierte Verbrechen auf der Insel. Immer noch nicht gelangte es ihnen, die Oberen festzunehmen, da Beweise fehlen Im Gegenteil stellen sie fest, dass man seinerzeit Unschuldige einsperrte. Nun heißt es einmal mehr, alles vom Anfang kontrollieren.

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Angelika Friedemann

Keine Liebe - Tod

Impressum

Copyright: © 2022. ISBN: 9783756800476. Alle Rechte am Werk liegen beim Autor: Angelika Friedemann, Herrengasse 20, Meinisberg/ch, [email protected].

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mithilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.

Bildnachweis: Quelle: piqs.de, Bildtitel: Blick auf die Stadt Fotograf: AL40

Sei du selbst die Veränderung,

die du dir wünschst für diese Welt.

M. Gandhi

~~~~~

Das Telefon weckte nicht nur ihn, sondern auch Alejandra am Sonntagmorgen. Er meldete sich, blickte auf den Wecker - 4.17 Uhr, verließ das Schlafzimmer.

Er fragte den Staatsanwalt ungehalten, warum sie das übernehmen sollten. Doctor Perzán meinte nur, weil er es sage, und er würde vor Ort auf ihn warten. Schon legte er auf.

Capitán Philipe Jorges von der Brigada de Investigacíon criminal fluchte, zog sich rasch an, und fuhr los. Wenigstens musste er nicht weit fahren.

Dort angekommen, war die gesamte Wiese hell erleuchtet. Er sah den Wagen von Doctor Fernando Cardossa, dem Leiter der Policía Científica - Kriminaltechnik, daneben parkte der Staatsanwalt. Der lief telefonierend hin und her, nickte ihm kurz zu.

„Buenos días a todos“, grüßte er, versuchte dabei, nicht durch die Nase zu atmen. Ein beißender Geruch nach verbranntem Fleisch hing in der Luft. Er begutachtet den Menschen oder was davon noch übrig war, der bereits auf einer Trage lag und nun abtransportiert wurde, da er noch lebte.

Er sah sich die Brandstelle an.

„Fernando, warum ist die so klein? War das Opfer gefesselt, betäubt?“

„Du bist gut. Gefesselt - no! Wir wissen es nicht. Jedenfalls lag sie, eine Señorita, brav auf dem Rücken, bewegte sich nicht. Abnorm, da man sich wälzt, um die Flammen zu ersticken. Sie lebt noch, aber die Verbrennungen vernichteten ungefähr 70 bis 85 Prozent der Haut, so die Sanitäter. Sie sagte wohl den Ersthelfer, dass sie Ramona heiße, dann murmelte sie was von Carro und Niños. Wir suchen nach Spuren. Gefunden wurden bereits nahe dem Opfer zwei leere 20 Liter Benzinkanister und ein Feuerzeug direkt neben ihr.“

„Merkwürdig! Reifenspuren sieht man nirgends. Ist der Täter mit seinem Opfer gelaufen? Er trug zwei Kanister. Konnte sie da nicht abhauen? Ein Fahrzeug stand auch nicht auf der Zufahrt. Kann es sein, dass sie meinte, es sitzen noch ihre Niños bei dem Täter?“

„Philipe, ich weiß es nicht.“

Der Staatsanwalt kam näher, grüßte. „Es gibt bisher keine Vermisstenmeldung, die zu dem Opfer passt, auch keine betreffs anderer Personen, sagte man mir gerade. Die Streifenwagen suchen die Gegend ab, gucken in jedes Auto, ob darin Niños sind. Wer übernimmt das, Capitán?“

„Julio Martinez.“ Er schlenderte nochmals um die Brandstelle. Nichts! Auch nichts von den Füßen. Keine Spuren von den Händen, wo sie krallten. Sie redete, aber bewegte sich nicht, um die Flammen zu löschen? Ungewöhnlich, sehr ungewöhnlich! Es war gegen jeden menschlichen Instinkt. Der versuchte die Flammen zu ersticken, loszuwerden, da die Schmerzen verursachten. Der Lebenswille signalisierte, wehre dich dagegen.

Er gab Anweisungen, dass man das Gebiet weiträumig absperrte, dazu gehörte auch die Zufahrt zu dem Sandweg, Teile des Feldes auf der anderen Wegseite. Im Hellen musste das alles abgesucht werden. Sie musste irgendwie hergekommen sein. Bis zur Straße waren es gewiss 600 - 700 Meter. Ein Fahrzeug parkte da nicht, wie er sah. Ergo wurde gelaufen! Welcher Mörder macht mit seinem Opfer erst einen Spaziergang, wenn er bis zu der Stelle, wo er die Tat begehen will, fahren kann?

Erst gegen 7.30 Uhr rief er Julio an, damit er um 9.00 Uhr dort erschien, mit der Spusi suchte. Kurz schilderte er, was sie vorfanden und in welcher Clínica die Señora lag.

~~~~~

Philipe grüßte. „Setzt euch, da es etwas länger dauert. Der Oberstaatsanwalt gab mir am Freitagabend eine Liste, wo die Termine für die Verhandlungen betreffs unserer erledigten Fälle darauf stehen. Er bittet darum, dass wir nochmals überprüfen, ob alles bei der Staatsanwaltschaft ist, beziehungsweise will der jeweilige Staatsanwalt Bescheid, falls es da noch Handlungsbedarf gibt. Lese ich vor.

Ruben - Serrazán, Chavez und Ruiz?“

„Alles erledigt und liegt bereits bei Doctor Vasquez und Marques.“

„Ricardo - de Corpévedo?“

„Hat Marques.“

„Mateo - Maréz?“

„Alles bei Doctor Perzán.“

„Julio - Alvarez?“

„Hat Doctor Vasquez. Bloß schnell weg damit.“

„Raoul - Solcars und Tavráres.“

„Ist bei der Staatsanwältin und bei Doctor Perzán.“

„Alles also erledigt. Julio, was gibt es Neues bei dem Brandopfer?“

„Sie heißt Ramona Sando, 26 Jahre alt, verheiratet, aber getrennt lebend, keine Niños, Verkäuferin. Gestern Nachmittag ist sie gestorben. Sie kam nicht mehr zu Bewusstsein. Die Ärzte sagten mir, die Haut war zu 80 Prozent verbrannt. Sie konnte kaum noch atmen, da die Lungen stark geschädigt waren, sie beatmet wurde. Der Doctor in der Clínica deutete an, da der Rücken als Einziges nicht verbrannt war, sie übergoss sich selber, legte sich hin, den Kopf auf etwas Höherem und zündete sich an. Aber ich stecke erst am Anfang der Ermittlungen. Zeugen bislang keine, außer dem älteren Paar, welches das Feuer entdeckte und Erste Hilfe leistete. Sie sahen auch kein anderes Auto, keinen Lichtschein.“

„Bleib dran. Ruben, etwas Neues bei dem Kinderhandel?“

„Ich denke, ich habe die zwei Niños bald so weit, dass sie uns helfen. Sonst können wir ihnen nichts beweisen. Mateo und ich sind mit unserem Latein am Ende. Gegen die vier, Sabo, Zlatko Petrovic und ihre Esposas können wir so nichts unternehmen, da offiziell sauber. Ich bin fast sicher, sie stecken hinter der Ermordung der beiden Niños.“

„Probiert es weiter. Sind die nun Serben oder Albaner?“

„Kosovo-Albaner laut Geburtsurkunde. Kommen auch daher. Komischer Ortsname. Sie geben sich aber gern auch als Serben aus. Da nennen sie sich Petrov, hörte ich.“

„Enrique, was machen die Kodra-Brüder?“

„Noar ist derzeit in Tirana. Er wird mit Waren zurückkommen, denke ich. Dann können wir zuschlagen. Die Fähren sind informiert. Anderes Beweismaterial Mangelware, da keiner etwas sagt, weiß.“

„Andrés hilft dir vorerst weiterhin. Lucca und Nevio ihr weiter die Transplantationen. Ricardo, du schließt alle Ermittlungen betreffs der noch fehlenden Señoritas ab. Der Oberstaatsanwalt will das beendet sehen und die letzten Akten, die hier noch liegen. Álvaro del Cervés letzter Prozess wurde dito festgesetzt und er will das alles damit abschließen. Raoul, du machst bei dem Cold Case weiter. Die zwei Señoritas sollen irgendwann Gerechtigkeit bekommen. Gracias, das war es.“

Donna brachte ihm die Verbindungsnachweise und Ortungen von Staatsanwalt Doctor Masita. Allerdings nur für vier Wochen vor und vier Wochen nach dem Tod von Oberstaatsanwalt Doctor Juan Carcían. Endlich, dachte er, wenn auch weniger als erhofft. Auch bei Masita standen noch zu viele offene Fragen im Raum, was die grausame, bestialische Ermordung von Señora Paola Carcían betraf.

Warum

- schickte Staatsanwalt Masita die Policía weg?

- informierte er nicht umgehend die Oberen, Doctor Ramirez und die Spusi?

- ging er zu del Cervé, gab dem so Gelegenheit, bereits Teile aus der Finca Carcían zu entwenden?

- kümmerte er sich nie um die Dama und die Niños?

- ließ er nie von der Spusi Juans und Paolas Handys orten?

- ging er nicht zur Beerdigung von Paola?

Er wartete, bis der Kaffee fertig war, dann überflog er die ersten Seiten. Wenig Najaró, etwas mehr Carcían auf dem Handy, nie die Finca, nie Arnoldo oder die Staatsanwaltschaft in Barça. So die Wochen vorher. Diese Nummern kannte er inzwischen alle auswendig.

Todestag Juan Carcían. Alles auf den ersten Blick wie immer, obwohl jede Nummer noch kontrolliert werden musste.

17.38 Uhr Anruf bei der Policía, da sie nicht zur Carcían-Finca müssten. 17.51 Uhr Eltern Carcían in Barça. Nur eine Minute. Vermutlich niemand zu Hause. Er fuhr da bereits zur Finca Carcían. 17.56 Uhr Leandro Najaró, vier Minuten. Sendemast Finca Carcían. Er muss folglich gegen 18.00 Uhr bei der Finca gewesen sein.

Er findet Paola Carcían leblos vor. Erst um 18.24 Uhr ruft er einen Krankenwagen, anschließend in der Gerichtsmedizin an.

Er holte sein Protokoll aus der Schublade. Um 18.36 Uhr holt man Paola ab. 18.46 Uhr Telefonat mit Doctor Arnoldo in Madrid; gegen circa 18.50 Uhr erscheint Doctor Perez. Masita geht kurz darauf, fährt zu Álvaro del Cervé ins Büro. Der ist merkwürdigerweise noch da. 19.34 Uhr Anruf bei Leandro Najaró fast eine halbe Stunde. 20.36 Uhr zu Hause. Dort nochmals Doctor Carcían in Barça angerufen, 11 Minuten.

Tag danach - Donnerstag:

Merkwürdig! Sein Handy wurde morgens um 6.20 Uhr ausgeschaltet, erst um 11.16 Uhr wieder ein. Da war er in der Staatsanwaltschaft. Allerdings telefonierte er sechsmal, schaltete danach jedes Mal wieder aus. Er war 4 Stunden und 50 Minuten für niemanden erreichbar. Er rief unter anderem die KT an, seinen Boss, Doctor Muerro, nochmals Doctor Carcían. Sendemast einmal daheim; einmal Staatsanwaltschaft und die anderen Male nicht feststellbar.

Einen Tag später - Freitag:

Morgens flog er nach Madrid, kam erst Sonntagabend zurück.

Die folgenden fünf Tage:

Er fuhr fast jeden Morgen früher los und bei der Finca Carcían vorbei. Das gleiche teilweise vormittags, mittags, abends. Er stand vor dem Tor und probierte sie zu erreichen. In einer Woche 21 Mal. Es gab 22 Anrufe, davon sprach er bis zu fünf Minuten mit Paolas Handy. Ergo Mailbox die del Cervé abhörte. Daneben rief er 13-mal danach Leandro an und sechsmal den Anschluss von dem Oberstaatsanwalt in Barcelona. Da stand er jedes Mal im Einzugsbereich der Finca Carcían. Sonst alles nur Nummern, welche er nicht kannte.

Dieser Denaró: Warum erkundigte er sich eigentlich nie nach Paola und den Niños? Da forschten sie noch nicht.

Er rief Ruben in sein Büro. „Schließ die Tür, por favor.“

Er wartete, bis er saß.

„Ruben, zuerst etwas anderes. Gib eine Pressemitteilung heraus, wir suchen Señoras, die dem Betrüger Chavez Geld gaben. Vertraulichkeit wird allen zugesichert, auch gegenüber Familienangehörigen. Nun das größere Problem. Die Telefonnummern von Masita für zwei Monate sind gekommen. Vorerst nichts Besonderes. Wir müssen mit dem Oberstaatsanwalt Doctor Rodrigo Denaró sprechen. Warum erkundete er nie, wo Señora Carcían war, wo die Niños?“

Allein suchte er Nummer für Nummer heraus. Es gab dabei keine Auffälligkeiten oder Überraschungen mehr.

Abends setzte er sich raus. Tief atmete er die frische Luft ein. Der Juni war noch nicht zu warm, sondern gerade abends die Temperaturen eher frisch. Er wollte die schaurigen Bilder von Paola Carcían aus seinem Kopf vertreiben.

Anthrazitgraue Wolken zogen am Himmel fix vorüber, überdeckten damit das wunderschöne Farbenspiel am Firmament. Verschiedene Lila-, Lavendel-, ja sogar Rosatöne zeigten sich dort, wo die Sonne im Begriff war, sich für heute zu verabschieden. Es glich einem betörenden Farbenrausch von einer außergewöhnlichen Schönheit. Dieses Himmelsfeuer vertiefte sich mit jeder Sekunde. Manche der schiefergrauen Wolken schienen von einem Kranz scharlachrot umgeben zu sein, während kleinere, hellere fast wie mit Messing bedeckt glühten. Die Sonne versank nun schnell und den Himmel überzogen mehr die Blautöne der anbrechenden Nacht. Philipe kam es so vor, als wenn er nie so etwas Schönes sah. Er genoss es, spürte wie auch die innere Anspannung, die Wut in ihm nachließ.

Die Natur siegte einmal mehr über die Abscheulichkeiten und Gräueltaten der Menschen.

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Morgens fuhr er gleich zu seinem Chef.

„Welches Anliegen haben Sie, Capitán?“, fragte er eher belustigt, als ungehalten. Philipe erläuterte alles zu Paola Carcían und den Niños, legte dazu Bilder und Telefondaten von Masita, Najaró und del Cervé vor. Jetzt kam er zum Punkt. Er wollte mit Capitán Forres den Oberstaatsanwalt Denaró befragen und die Telefonverbindung von mindestens einem Monat. Privat und dienstlich, mindestens vom Tag der Ermordung des Oberstaatsanwaltes Carcían bis zur Beerdigung von Paola Carcían. Dazu den dienstlichen Verbindungsnachweis von Doctor Masita für den gleichen Zeitraum.

„Jefe Superior Jorges, bekommen Sie“, schaute er von den Fotos auf. „Wer diese bestialischen, kranken Straftaten duldete oder in Kauf nahm, gehört streng bestraft. Es ist infam, dass der Tatort nie abgesperrt wurde, da jeder herumspazierte, Beweismaterial entfernen, dazu stehlen, drinnen wohnen und weitere Straftaten ausführen konnte. Das ist kein Versäumnis, sondern eine Schande, wenn nicht sogar Verbrechen. Auf jeden Fall reicht es alle Mal für ein Disziplinarverfahren. Eine weitere Frage ergibt sich daraus, warum wurde nie Ermittlungen eingeleitet, erfolgte nie Tatortbesichtigungen? Nach Tagen übernimmt das ohne Absprachen einfach jemand? Der Ermittler schmuggelt vorher Drogen, Pornos und Sonstiges in das Haus. Nun präsentiert er der Öffentlichkeit stets die Mörder. Zuerst die Esposa Paola Carcían; folgend Adnan und Admir Milevoj, danach kommt Piotr Sejdu. Alles ohne Ermittlungen, Beweise. Skandalös!“

Zurück holte er den AL-Ordner 12. Sie mussten da weiterkommen.

Tarmik Shehu, alias Antek Novic plus weiteren drei Namen, 39, Witwer, wohnhaft Barcelona. Wahlweise war er Albaner, Kroate oder Russe. Er ist der Halbbruder von Albrim Lazami. Er wurde nach 14-jähriger Haft vor vier Jahren entlassen. Er eröffnete sofort eine Im- und Exportfirma in Berlin. Dahin übersiedelte er mit seinen zwei Hijos. Sie wohnten in dem Büro der Firma. Seine Esposa wurde vor 17 Jahren ermordet aufgefunden. Sie fand man halb verbrannt auf einem Feld. Sie konnten noch feststellen, wer sie war. Sie reichte die Scheidung ein, als sie erfuhr, was für ein Gángster ihr Esposo war. Laut Unterlagen aus Tirana wurde sie massiv bedroht, sie solle das sofort rückgängig machen. Sie blieb jedoch dabei, auch wegen der zwei Niños. Die waren da drei und vier

Jahre alt. Sie wurde entführt, vergewaltigt, gefoltert und anschließend angezündet. Da lebte sie noch, laut Obduktionsbericht aus Tirana. Sie bekamen kurz zuvor ein völlig neues Gerichtsmedizinisches Labor, beschäftigten deswegen zwei ausländische Gerichtsmediziner. Also kann man davon ausgehen, dass das alles korrekt ausgeführt wurde. Es wurde Spermien festgestellt, sowie DNA-Material von den Fingernägeln entnommen. Alles belegt. Nur als sie den Schwager von ihr, Zefan Shehu, festnahmen, verschwand alles. Der italienische Gerichtsmediziner stellte Strafanzeige. Nichts passierte. Sie mussten Zefan Shehu laufen lassen. Die Niños kamen zu dem mutmaßlichen Mörder, wuchsen dort auf.

Nun also Anklage bei Tarmik Shehu wegen Mord in vier Fällen: Iveca Xhoca, Safina el-Chafiz, Sofia Galtero, Abogado Camilo Balváne, dazu Raub, Diebstahl, Vergewaltigung, schwere Körperverletzung in drei Fällen, Urkundenfälschung. Haftbefehle waren raus, aber er blieb verschwunden.

Der Ältere, Zefan Shehu, 41, verheiratet, sitzt noch eine 12-jährige Haftstrafe ab. Menschenhandel zum Zwecke der Prostitution und Vergewaltigung. Bevor er die Señoritas in den Westen verfrachtete, vergewaltigte er sie, schlug zu. Teilweise wurden die Minderjährigen sogar gegen ihren Willen nach dieser Tortur verfrachtet. Anderen Señoritas köderte er mit dem goldenen Westen, gut bezahlten Jobs und sie dachten es wirklich. Noch vor Ort erlebten sie das Gegenteil. Nur ein Zurück, gab es nicht mehr.

Der dritte im Bunde ist Karim Aleda, 36, dito ein Halbbruder, verheiratet. Gemeldet ist er in Berlin und Bajam Curr, Albanien. Das ist an der Grenze Kosovo-Montenegro nahe den östlichen Albanischen Alpen. Vorbestraft wegen Fahrens ohne Führerschein mit gestohlenen Autos, Diebstählen, bewaffneten Raubüberfällen. Alles kleineren, fast harmlosere Delikte. Seit 2009 gab es nichts mehr.

Der vierte Gángster, welchen sie suchten: Kaon Hasani, 34, verheiratet. 2 Niños. Er war allerdings nicht mit Lazami verwandt, nur ein weiteres Clan-Mitglied. Er war dito vorbestraft: 3-mal Diebstahl, schweren Raub, Bedrohung. Er war seit Ende 2013 wieder raus. Auch er ein eher kleines Licht.

Aleda und Hasani wurden wegen Menschen- und Drogenhandel gesucht, daneben wegen Missbrauch von Minderjährigen, schwerer Körperverletzung.

Gesucht wurde ferner der Bruder eines Schwagers von Lazami, Enes Kraja, 49, verheiratet mit der 42-jährigen Sara. Der eine Sohn, Enis, 24, saß dito bereits wegen Verticken von Drogen ein. Auch er - verschwunden. Bei ihm war die Latte der Vergehen noch länger.

Diese fünf Gángster waren auf freiem Fuß, trotz Haftbefehlen und breit aufgestellter Suche in ganz Europa. Seit zwei Monaten fehlte von ihnen jede Spur. Sie waren unsichtbar von der Bildfläche verschwunden. Lazami dazu befragt, wusste angeblich nichts.

Ruben kam herein, Schloss die Tür, brühte einen Espresso.

„Lazamis Schuppen sind bis auf vier alle verscherbelt worden. Zwei gehören Medina; zwei seiner Esposa. Zwei hier auf der Insel; zwei in Barça. Beide Señoras wurden vor Kurzem geschieden. Alle vier Schuppen werden von zwei Albanern geführt. Die Geschäftsführer haben ordentliche Verträge, werden richtig bezahl; alles ordnungsgemäß abgeführt. Sauber! Gegen die zwei Hombres liegt nichts vor. Sie wurden bereits hier geboren, sind laut Papier Spanier. José Berca und Bela Taciri. Vorher waren sie als Türsteher und Barmänner angestellt. No, nicht bei Lazami, bei Spaniern, die bisher sauber sind. Sie meldeten sich auf Anzeigen hin.“

„Wer stellte die Señores ein?“

„Seine Schwester. Sie ist Betriebswirtin mit Diplom und führt über alle vier Bars die Oberaufsicht, auch über die ihrer Schwägerin.“

Er trank leer, brühte neu. „Du solltest doch einen trinken.“

„Oh je, da kommt noch was. Also doch einen.“

„Medina und ihre Niños sind steinreich. Anders bei Selena Lazami. Nun der Anfang. Albrim beantragte bereits im April 2017 die Scheidung. Er war seit Mitte 2017 neu liiert. Selena verhinderte die immer wieder mit Krankheiten und so. November 2018 kaufte er eine Finca mit großem Grundstück in der Nähe von Barcelona. Swimmingpool drinnen und draußen. Sie wurde teilweise umgebaut und eingerichtet. No, seine Señora war nicht Selena. Sie feierten da groß Silvester. Albrim und seine neue Esposa, Medina und ihre Familia, Lazamis Söhne, Rada, Sejdu und Esposa, einige andere Freunde, die nichts mit AL zu tun haben. Die Hochzeit war für April 2019 geplant.

Ende Januar 2019 wurde die Finca komplett mit all dem Inventar von Medina verkauft. Das Geld ging an ein Kinderheim. Piotr Sejdu und Jussuf Rada lösten ihre Privatdetektei wieder auf, die sie erst vor fünf Monaten anmeldeten. Genau so aufgelöst wurde die Kanzlei von Lazami in Barcelona. Die drei Mandanten gab er jemand anderen. Alles wanderte auf den Müll. Lazami mietete die Lagerhalle im Februar. Willst du wissen warum?“

„Paola Carcían erfuhr von ihrem Esposa, wer er war und sie machte Schluss.“

„So ähnlich, nur gemeiner und gewiss nicht fair. Lazami und ein paar enge Freunde wollten auf dem Festland völlig neu anfangen. Lazami genau wegen Paola. Keine anderen Señoritas mehr, keine Putas. Er übergab den Brüdern Dushku ein Teil der Geschäfte, zog sich langsam zurück, ebnete ihnen aber den Weg, damit sie da weitermachen konnten, wo er aufhörte. Mit der Heirat war das alte Leben abgeschlossen, nicht nur für ihn auch für seine Kumpels. Nur Juan glaubte ihm nicht, setzte Paola die Pistole auf die Brust: Entweder du beendest das mit dem Verbrecher oder du siehst unsere Niños nie wieder. Sie könne da auch den del Cervé nehmen, da er der gleiche Verbrecher wäre. Sie soll in etwa erwidert haben, da würde sie sich übergeben müssen, wenn der sie anfasste. Juan konterte wohl, der Lazami wäre genauso ein Schwein. Ihr Padre war angeblich stinksauer darüber. Paola machte jedoch Schluss. Allerdings weigerte sie sich, dass Niño abzutreiben, welches sie erwartete. Paola lag drei Wochen deswegen flach; war völlig fertig, weinte nur. Danach war sie anders: Stiller, zog sich ganz von allem zurück, lachte nur noch selten. Juan brach ihr das Herz, sagte man mir. Angeblich wollte er nie, dass sie sich neu bindet. Er si - sie no. Bei ihm wäre es nie Liebe gewesen, wie bei ihr. Deswegen störte ihn das. Sie sollte solo bleiben, da sie eine alte Señora wäre, soll er es genannt haben. Sie würde sich albern benehmen, wenn sie jetzt Puta spielen wollte. Er würde in Zukunft dafür sorgen, dass sie ordentlich lebte, sich mit keinem Tio jemals mehr einlasse. Das sei er auch dem Namen Carcían schuldig und seinen Niños. Er drängte sie danach zu der Geschichte mit dem Zahnarzt. Sie machte wie eine Marionette mit. Sie teilte Anfang Februar 2019 ihrem Anwalt mit, dass sie nach der Scheidung den Namen Carcían ablegen würde und wieder Muerro hieße. Ihre Niños sollte dann Carcían-Muerro heißen. Carcían wäre ihr zu verhasst, da er nur Lug und Betrug verkörperte.

Lazami bekam im Januar einen Herzinfarkt, war dadurch fast zwei Monate weg. Er kommt zurück und seine Esposa teilt ihm freudestrahlend mit, dass Juan von seiner Hure ermordet wurde. Er röchelte. Sie lacht wohl, schubst ihn und er fällt. Sie schließt die Küchentür, geht zu ihren Freundinnen, die da waren. Sein Ältester rief weinend bei der Policía an. Als sie das mitbekam, flippte sie aus. Lazami wurde abgeholt, in ein künstliches Koma versetzt und zwei Tage darauf am Herzen operiert. Danach abermals Koma, Reha. Ich habe das Band von dem Notruf. Willst du es hören?“

„Leg es hin! Hat sie sich da wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht?“

„Si! Nur du weiß, was dann mit den Niños passiert. Heim. Von Selenas Seite will diese albanische Brut keiner aufnehmen.“

„Sie ist gewiss nicht der richtige Umgang für sie. Was ist mit Medina?“

„Sie ist schon alleinerziehende Madre, obwohl die Niños sind fast erwachsen. Sie beantragte allerdings bereits, dass die zwei Hijos zu ihr kommen. Selena hat dagegen gewütet, dass die nie zu einer dreckigen, albanischen Puta kämen, sie die eher umbringen würde.“

„Muss man klären. Selena ist eine kranke Furie. Prüfe, ob man sie deswegen ran bekommt. Sie schadet den Niños nur. Flippt sie wieder aus, sterben sie auch.“

„Bei Selena kommt ein anderes Problem dazu - Geldmangel. Sie hat nur noch gute 30.000 Euro auf ihren zwei Konten. Sie gab in den letzten zwei Monaten über 400.000 Euro aus, da alles neu sein musste. Sie buchte eine vierwöchige Kreuzfahrt ohne die Hijos. Danach sind auch die 30.000 weg und dann muss sie arbeiten. Als was? Die beiden Bars werfen noch nichts ab, da die umgebaut wurden. Dafür gab sie an die 100.000 Euro aus. Was danach ist - fraglich. An die Gelder ihrer Niños kommt sie nicht ran, da es da Treuhänder gibt.“

„Die Urlaubsreise werden wir ihr vereiteln. Wo leben die Hijos?“

„Bei Freunden. Mal hier - mal da, selten bei ihr. Ich sprach mit seinem Ältesten und der will zu seinem Padre, damit der das alles regelt. Medina hat angeblich einen Besuchertermin für sich und die Niños in Barcelona beantragt. Sie bleibt auf jeden Fall dort wohnen, will nicht mehr nach Albanien, da inzwischen durch und durch Spanierin. Angeblich auch auf Betreiben von dem Bruder.“

„Holt Selena. Sie hat noch Bewährung und das alles reicht, für eine Festnahme. Schützen wir auch die Niños und sie bekommen ein richtiges Zuhause, werden nicht nur hin -und hergeschoben. Sie sind die wirklich Leidtragenden. Rufe den Staatsanwalt an, damit ihr den Haftbefehl bekommt. Schluss mit einem Deal, wenn da Niños darunter leiden müssen.“

Ruben lachte. „Du magst sie wirklich nicht?“

„Eine irre Enfado, die Gángster und Ramera spielen will, nur um zu viel Geld zu kommen. Sie, sie, sie! Krank!“

„Kläre ich es mit dem Staatsanwalt und holen wir sie.“

„Nehmt einige Streifenwagen mit und informiert die Tante der Niños. Anschließend wird alles von ihr durchsucht. Die Spusi soll auch das Auto auf den Kopf stellen. Ich bin sicher, da findet man mehr.“

Als er allein war, schob er die kleine Kassette in den Rekorder.

Eine Kinderstimme erklang: „Ich heiße Rúben Lazami. Mein Padre liegt in der Küche und atmete ganz komisch. Einen Arzt, por favor.“

Eine weibliche Stimme: „Bist du allein?“

„No, mein Hermano, meine Madre und drei Freundinnen von ihr sind hier. Nur keiner kümmert sich darum. Sie machte einfach die Tür zu, nachdem sie ihm sagte, dass Señor Carcían tot ist. Kommen Sie, por favor“, weinte er nun.

„Der Krankenwagen ist schon unterwegs. Gehe zu ihm und …“

Eine Frau kreischte laut, wütend, was man nicht verstand.

Das Kind weinte, weil er zu seinem Padre wollte und sie gemein wäre. Etwas klatschte, dann knallte eine Tür zu und das Telefon war still.

Er sollte sterben, damit sie alles von ihm bekommt, überlegte er. Bei einer Scheidung, die er immer noch wollte, ging sie ziemlich leer aus. Er würde ihr die Hijos wegnehmen und damit eine große Einnahmequelle.

„Ruben, wer sind die Freundinnen? Sie kommen möglicherweise auch mit ran. Befrage den Jungen vorsichtig.“

~~~~~

Der Obduktionsbericht von der Gerichtsmedizin kam. Er las, schüttelte den Kopf, ging zu Julio.

„Der Doc geht dito von einem Suizid aus, aber sie weist zahlreiche ältere Verletzungen, Wunden und Hämatome auf. Dazu fand er im Magen Rückstände von Schmerz und Schlaftabletten. Das wird derzeit noch genau analysiert.“

„Vermutlich häusliche Gewalt, wie mir mehrere Leute andeuteten. Sie sagte nie direkt, dass er sie schlug, quälte, nur die sichtbaren Spuren sprachen davon. Ich klapperte gestern Tankstellen in der unmittelbaren Nähe des Tatortes ab. Eine Kamera filmte sie, wie sie die zwei Kanister kaufte; ein zweites Mal, wie sie mit ihrem Auto davonfuhr. Man konnte das Nummernschild gut lesen, da war das leicht feststellbar. Sie suchen jetzt den Wagen.“

„Ist sie dahin gelaufen?“

„Philipe, muss. Es gibt nicht einen kleinsten Hinweis, dass da jemand Fremdes dabei war. Pietro Sando generell nicht, da sie ihn in Palma für eine Nacht einbuchteten, da er sternhagelvoll randalierte. Das war drei Stunden vor dem Brand. Raus kam er morgens um 10.34 Uhr. Ein Verfahren würde folgen. Wäre dann Nummer 13. Der Arzt in der Clínica nannte es, vielleicht litt sie an einer multiplexen Persönlichkeitsstörung, die durch die massive häusliche Gewalt ausgelöst wurde. Ich forschte. Sie stellte Weihnachten 2019 Anzeige gegen ihn. Er schlug sie dermaßen zusammen, dass sie bewusstlos mit zig gebrochenen Knochen unter dem umgefallenen Weihnachtsbaum lag. Da fanden ihre Eltern sie. Er war nicht zu Hause. Sie lag 9 Tage in der Clínica. Sie wurde entlassen und am nächsten Tag zog sie die Anzeige zurück, da sie unglücklich gefallen wäre, dass nicht zugeben wollte. Man konnte ergo nichts unternehmen. Laut Krankenkasse wurde sie 17-mal in die Clínica eingeliefert, wo sie jedes Mal tagelang lag. Ich bekam vorhin die Berichte. Sie hatte fast alle Knochen schon gebrochen und vier Rippen, dazu Hämatome ohne Ende, einige Stich - und Platzwunden. Im Juli 2020 verlor sie Zwillinge, da war sie Ende des siebten - Anfang achten Monat schwanger. Sie war unglücklich gefallen, sagte sie in der Clínica. Die Ärzte erkannten eindeutig einen Schuhabdruck von Arbeits- oder Outdoorschuhen. Foto gibt es. Sie blieb dabei, gefallen. Philipe, ich will den Kerl noch für all das zur Rechenschaft ziehen lassen, auch wenn sie Suizid beging.“

„Mach das! Solche Tios müssen aus dem Verkehr gezogen werden. Ich besorge dir einen Nebenkläger für Señora Sando.“

Er rief den Rechtsanwalt, Doctor Ramon Peirera an, der bereits posthum Camillo Horrés vertrat. Abends wollte er sich mit ihm treffen. Julio kopierte ihm einen Teil der Akten und ein paar Fotos, da er das mitnehmen wollte.

Nun widmete er sich dem Fall Tálic. Die Señora war zwar inzwischen überführt worden, wurde neben den Eltern beigesetzt, aber aufgeklärt war der Mord nicht.

Nochmals gab er eine Pressemitteilung heraus. Die sollte eine Woche lang täglich mehrmals gesendet werden, auch in den angrenzenden Staaten. Es konnte nicht sein, dass es da niemanden gab, der etwas sah, wahrnahm.

Er fuhr nach Puerto Sóller. In drei Hotels, die nahe dem Strand standen, wo die Señora verschwand, forderte er eine genaue Personalliste und eine Aufstellung der Hotelgäste für den Zeitraum an. Das würde ein paar Tage dauern, sagte man ihm eher unfreundlich. Er konterte, wären die Angaben nicht vollständig, machten sie sich strafbar, da es hier um Mord ginge.

Er zog am Auto seine Schuhe aus, wanderte durch den warmen Sand. Hier lief sie an dem Abend telefonierend entlang. Er blieb stehen, musterte die Hotels und die zwei Bars, die jetzt noch geschlossen waren. Da spazierten am späten Abend zig Figuren herum, nicht nur Urlauber. Selbst am Strand waren da Menschen. Niemanden war etwas aufgefallen? Unwahrscheinlich oder es geschah alles wo ganz anders. Was war, wenn sie jemanden traf, den sie vom Hotel kannte? Sie gehen ein Stück am Strand entlang, reden, bis sie allein sind. Sie will zurück; er will Sex. Exitus und er wirft sie ins Wasser. Gemütlich schlenderte er ein Stück am Wasserrand entlang, grübelte über den Fall nach. Er beobachtete die Wellen, die gemächlich an den Strand rollten. Wind war heute keiner, daher bereits jetzt herrlich warm.

Er fuhr zur KT.

„Hola, Fernando. Hast du kurz Zeit?“

„Was hast du?“

„Tálic!“ Er breitete die neue Karte aus. „Sie stand hier, telefonierte. Da herrschen abends Jubel, Trubel, Heiterkeit. Gefunden wurde sie tagespäter hier“, deutete er auf den Punkt, den er vorher markierte. „Sie wurde bereits tot ins Wasser geworfen. Meine Frage, kann man feststellen von wo aus?“

„Wann?“

„Serena Tálic verschwand am 13. September 2016, abends gegen 22.30 Uhr. Gefunden wurde sie morgens, am 18. September.“

„Weißt du auch, wie das Wetter war?“

„Warm“, schmunzelte Philipe. „No, da nie in Sóller ermittelt wurde. Als man sie fand, legte man das als Badeunfall ab, obwohl sie nicht ertrank, wie der damalige Obduktionsbericht ergab. Ähnliche Fälle auf der Insel - no. Der damalige Arzt ist seit vier Jahren in Ruhestand und lebt auf dem Festland.“

„Philipe, kann nicht sein. Wirfst du hier jemanden ins Wasser, selbst wenn du sie weit hinausziehst, mit ihr schwimmst, bevor du sie loslässt, kann sie nicht hier landen. Ohne das Wetter zu kennen - unmöglich. Sie kommt, wenn starken Ostwind ist, hier an, kann nicht um die Landzunge schwimmen, treiben. Westwind landet sie nur wenig von der Stelle entfernt, wo man sie reinwarf. Gans wichtig, egal wo, sie wäre am gleichen Tag am Strand angespült worden. Badegäste, Schwimmer, Bootfahrer hätten den treibenden Körper bereits früher gesichtet. Selbst bei hohem Wellengang, wäre sie nur kurzfristig verschwunden gewesen, aber immer näher zum Strand getrieben worden. Dazu kannst du den Strandabschnitt markieren. Nur hier wäre sie angespült worden.“

Philipe war perplex, aber logisch, er hätte nur genauer überlegen müssen. Mit einem Textmaker vom Chef der KT markierte er den Bereich.

„Du hast recht und es ist völlig logisch. Sie kann, wenn sie hier angespült wurde, wie Fotos beweisen, nur von dem kleinen Umkreis aus ins Wasser geworfen worden sein.“

„Si! Nur man hätte sie auch da bereits am 14. September finden müssen.“

„Wow! Das heißt, der Fall muss völlig neu aufgerollt werden? Der Obduktionsbericht stimmt auch nicht. Darin stand nicht, dass sie erst Tage später ermordet wurde. Was haben die da getrieben?“

„Du musst bei null beginnen, den vorhandenen Kram vergessen.“

Zurück las er gleich nochmals den Obduktionsbericht. Würgemale und Strangulierungsmal am Hals, eingedrückter Kehlkopf und gebrochenes Zungenbein. Drei Stiche seitlich auf der rechten Seite, höhe Taille, die allerdings nicht tödlich waren. Dazu gab es 17 große Hämatome, 21 kleinere, dazu Kratzspuren. An ihren Oberschenkeln zwei große Hämatome, die vermutlich von Knien stammten, dazu Kneifspuren am Busen. Kein Wort davon, dass sie bereits länger im Wasser lag. Er nahm die Fotos und den Bericht und nun ging es zum Gerichtsmediziner.

Pedro Ramirez las den Bericht, schaute die Fotos an. „Wo ist nun das Problem?“

„Das sie da angeblich seit über vier Tagen im Wasser lag, tot war.“

„Tonterías! Sie war nicht länger als acht bis elf Stunden tot, laut den Aufnahmen. Außerdem stände das in dem Bericht. Philipe, sieh sie dir an. Diese Señora wurde vorher misshandelt, vermutlich vergewaltigt. Davon zeugen die vielen Hämatome. Ihre Haut zeigt keine Verbrennungen durch die Sonne, durch das Salz, keine schnell fortgeschrittene Verwesung.“

„Gracias, Pedro. Deine Meinung bestätigt nur das, was Fernando bereits sagte, was nie jemand seinerzeit feststellte. Es hieß, sie sei Tage zuvor, als sie verschwand, umgekommen, sogar sie sei ertrunken. Das sie tagelang irgendwo festgehalten wurde - kein Wort darüber.“

„Du sollst jetzt den Mörder finden? Ist sie die Señora, die den Wirbel verursachte?“

„Si, nur Fernando sagte mir, sie kann niemals dort ins Wasser geworfen worden sein, sonst hätte man sie nicht am Fundort entdeckt. Auch hätte sie nie tagelang dort schwimmen können, da sie früher angespült worden wäre. Als ich das vor sechs Wochen las, dachte ich nur, sie muss noch länger gelebt haben, sonst würde man nicht die Hämatome so deutlich sehen.“

„Du musst von vorn anfangen. Meiner Meinung nach, wenn sich die Zeugen nicht irren, wurde sie tagelang irgendwo festgehalten. Da wurde sie verpflegt, eventuell misshandelt und vergewaltigt. Kann ich aber so nicht beweisen. Ein Psychopath!“

„Das ganze ist sechs Jahre her. Gracias, Pedro!“

Nachdenklich fuhr er zurück. Was war an dem Abend wirklich passiert? Laut Aussagen von dem abends noch anwesenden Hotelpersonal sah man sie an dem Abend weder weggehen, noch ankommen. Nur das sie am Strand war, sich dort bis gegen 22.30 Uhr aufhielt, bewiesen durch Fotos, die sie ihrem Verlobten schickte. Von Fremden gesehen wurde sie um 21.48 Uhr. Da bezahlte sie mit Karte in der Bar. Wurde sie verschleppt? Nur warum? Sie war eine von vielen Urlauberinnen. Sie geht zurück in das Hotel, da trifft sie im Flur einen Gast. Er spricht sie an, da sie hübsch aussieht, freundlich ist. Er sagt, kannst du mir kurz helfen, da ich…? Sie geht mit hinein. Sie unterhalten sich, trinken noch etwas. Er will Sex; sie nicht und es kommt zu Streit. Er schlägt auf sie ein, vergewaltigt sie. Dann behält er sie noch drei, vier Tage im Zimmer? Tonterías! Sie hätte sich gewehrt, sich irgendwann bemerkbar machen können. Sie musste essen, trinken, ergo konnte sie schreien. Der Zimmerservice wäre erschienen und dann? Er musste mit einer Suche rechnen, dass die Policía in die Zimmer gucken will. No, es war anders. Kannte sie den Mann eventuell von früher? Abends trennten sich die Señoras immer, da müde. Was war, wenn sie sich dann mit ihm traf? Sie ging auch an dem Abend nach dem Telefonat zu ihm. Sie blieb über Nacht. Als sie gehen wollte, kam es zum Eklat, da er genug hatte, sie endlich reinen Tisch machen sollte. Sie sagt no; er sperrt sie daraufhin ein. Nach Tagen droht sie ihm, ich gehe zur Policía und er dreht durch. Nachts schafft er sie zum Strand, wo man sie fand.

Er sagte Donna Bescheid, dass sie vom September 2016 aus Puerto Sóller und nahen Umgebung sämtliche Mieter von Ferienhäusern und Ferienwohnungen aufgelistete haben wollten, da es um eine Mordermittlung gehe.

Er las die wenigen Aussagen von damals, auch die der beiden Freundinnen nochmals genau durch - ergebnislos. Da ihr Tod nur als Badeunfall galt, gab es keine Verbindungsnachweise, keine Ortungen ihres Handys, keine Zimmer-Durchsuchung, keine Feststellung in dem Raum von fremder DNA, fremden Fingerabdrücken. Es wurde nicht einmal geprüft, ob etwas gestohlen wurde. Die zwei Freundinnen nahmen, als sie drei Tage später heimflogen, einfach ihre Sachen mit, so die Aussagen. Nun hieß es warten, bis er von allen die Namenslisten bekam. Eventuell halfen ihm die weiter.

Er musste los, da er mit dem Rechtsanwalt zum Essen verabredet war. Erst nachdem sie gegessen hatten, trug er sein Anliegen vor. Er berichtete, was sie bisher wussten, erläuterte warum sie ihn trotz des Suizides verurteilt sehen wollten. Er reichte ihm die Unterlagen von Julio. Der Kollege würde auch den Fall bearbeiten, wäre für ihn der Ansprechpartner.

Es las das kurz durch, sagte si, da er aussichtslose Fälle liebte.

~~~~~

Ruben kam herein, schloss die Tür.

„Philipe, Hamir will jetzt aussagen. Ich möchte, dass du dabei bist, wenn er morgen kommt. Ich bringe ihn danach vorerst bei meinem Hermano unter. Da sind Niños zum Spielen und er ist unter Aufsicht.“

„Wie geht es danach mit ihm weiter?“

„Mein Hermano will ihn behalten, wenn es geht. Zurück will Hamir nicht, da er dort auch auf der Straße lebt, seine Eltern ihn nur wegschicken oder erneut verkaufen. Die wollen ihn nicht.“

„Reicht es für eine Festnahme?“

„Si und vier weitere Serben. Gestern Abend nahm er ein Gespräch auf, dass genau schildert, wie gewalttätig es dort zugeht. Wollte gleich der Staatsanwalt hören.“

„Bekommst du die Haftbefehle?“

„Doctor Pere sagt, morgen früh, für alle sieben. Die Niños kommen zuerst in eine Clínica, danach in ein Heim. Deswegen vernehmen wir Hamir erst morgen. Heute geht er noch seinen dortigen Arbeiten nach.“

„Bewacht ihn jemand?“

„Si! Leierte auch Pere an. Dein Kumpel gefällt mir. Wir gehen mit dem SK dahin.“

„Kumpel zu viel gesagt; eher ein ehemaliger Studienkollege, mit dem ich einige Male um die Häuser zog. Passt auf euch auf.“

Er gab Julio die Adresse des Rechtsanwaltes. Er sollte sich mit ihm absprechen, auch wie man weiter vorgehen wollte. Den Ex wollte man für die gräuliche Gewalt verurteilt sehen; auch für den Suizid. Der war die Folge davon, dass sie ständig in großer Angst lebte. Sie wollte lieber sterben, als weiterhin seine Schikanen, Schläge, Tritte, Folterungen, Vergewaltigungen auch psychischer Art, zu ertragen.

„Weißt du, warum sie diese Art des Todes wählte?“

„Sagst du mir gleich.“

„Er sagte öfter zu ihr, er wollte sie auf einem dreckigen Feld erst zusammenschlagen, dann mit Benzin übergießen und lachend zugucken, wie sie langsam verbrennt. Nur weiterer Dreck würde von ihr übrig bleiben. So ein Tio gehört weggesperrt.“

„Der Gachó ist krank, sollte nie wieder rauskommen. Sie hätte ihn anzeigen sollen, statt dem Tio zuzuhören.“

„Daran zweifele ich“, verließ er das Büro.

Ich dito, dacht Philipe. Er erhält maximal 12 bis 15 Jahre, wenn es gut läuft. Danach darf er sich weiter an Señoras austoben und das wird er. Nun erst recht, da er sich an allen rächen will, da er wegen ihnen Ärger bekam.

Lucca legte ihm eine Liste vor.

„Die sendete uns gerade Marseille. Diese 51 Auswanderer aus Nordafrika, sind nirgends in Frankreich gemeldet. Sie wanderten alle 2020 ein, da die Ausweiskopien vorliegen. Die schickten sie uns dito. Die leitete ich gerade zum Doc weiter, damit er da noch wen findet. Akten von den ersten Untersuchungen fehlen nicht nur bei ihnen, sondern generell. Auch die ausgefüllten Fragebogen mit den persönlichen Angaben - weg. Da leitete nun der Staatsanwalt eine Untersuchung ein.“

Philipe blickte ihn entsetzt an. „Du willst mir sagen, sie haben 51 Personen ermordet?“

„Wissen wir nicht. Es fehlen 14 Señoras; der Rest Hombres im Alter ab 15 Jahren. Bei einigen wurde von Verwandten oder Freunden bereits Vermisstenanzeige gestellt. Teilweise wurde geforscht, da vier der Señoritas kleine Niños mitbrachten. Die sind da.“

„Mit dem Konterfei können wir wenig anfangen. Das Wichtigste ist weg. Ich habe eine andere Idee, die ihr überlegen solltet. Fliegt nach Marseille und nehmt Bilder der Vermissten mit. Sucht die Ärzte privat auf und befragt sie danach. Kein Wort über Teile oder dergleichen. Wen gibt es da alles?“

„Die Brüder Lacroix, Thierry Alessandrei, Yann Troadec, Pierre Chabé Michel Bondelle, den Valent und seine Esposa. Hinzu kommen etwa zwanzig andere Ärzte aus anderen Bereichen, wie Orthopädie, Neurologie und so. Die kann man ausschließen.“

„Nehmt euch die zwei älteren Hombres vor, dazu Notärzte und das Personal in der Anmeldung.“

„Chabé und Bondelle.“

„Si. Die Spender werden nicht lebend die Clínica betreten haben, vermute ich. Ergo kennt sie nur jemand, der ihr oder ihm ein Organ entnahm. Das muss ein Arzt mit Kenntnissen gewesen sein.“ Der Bericht von der Durchsuchung bei Selena Lazami wurde abgegeben.

Er überflog alles nur. Vier Sorten Sperma auf dem Bettlaken, drei weitere im Wohnzimmer.

Seine Ahnung hatte ihn also nicht getrogen. Kokain - 4,3 Kilo; Ecstasy - 3.8 Kilo; 7 Pistolen, 14 Halbautomatische Waffen und 4 Maschinengewehre. Alles plus reichlich Munition.

Das reichte zusätzlich zu ein paar Jahren Haft. Mit ein bisschen Glück plädierten sie auf lebenslänglich. Diese Enfado war eine Gefahr für jeden. Er brachte den Bericht nach vorn und legte ihn Ruben auf den Schreibtisch.

In den Abendnachrichten hörte er von der großen Hochzeit der Tochter von Adnan Milevoj. Sie heiratete einen deutlich älteren Albaner, Veli Tahiri. Er notierte den Namen. Von der Braut sah man nicht viel, da das Kleid alles verdeckte und ein undurchsichtiger Schleier das Gesicht. Zig Hombre, eine Art Bodyguards, schirmten sie ab, ließen niemand in das Restorán, wo man anscheinend feierte. Er holte sein Handy und begann zu fotografieren.

Adnan stieg aus einer anderen Luxuslimousine, nickte nur kurz in die Kamera, verschwand nach innen. Wenige Sekunden darauf, kam einer der Bodyguards und ein anderer Hombre zu dem Filmteam. Philipe fotografierte weiter, auch die zwei Hombres, alle die ausstiegen. Wunderbares Konterfei jedes Mal, dazu die Autos mit den Nummern.

Der Kameramann und die Reporterin wurden aufgefordert zu gehen, da man in Ruhe feiern wollte. Die gingen zwei Schritte zurück, filmten weiter. Limousine für Limousine fuhr vor. Alle eilten förmlich in das Lokal, drehte ihr Gesicht von der laufenden Kamera weg. Eine der Gäste sagte etwas zu einem der Bodyguards, der sofort zu dem Kameramann ging, seine Hand davor hielt. Sie wurden barsch aufgefordert, sofort zu gehen, da sie die Privatsphäre massiv störten, dem glücklichen Brautpaar den Tag verdarben. Es sei verboten Bürger ohne Erlaubnis zu filmen. Die Hand wurde weggenommen, aber man sah noch den Bodyguard genau. Auch ihn knipste Philipe. Ein älterer Mann kam zu ihnen. Er stellte sich als Rechtsanwalt von Señor Milevoj vor, bat sie zu gehen. Man würde sich vorbehalten, sie ansonsten zu verklagen. Die Reporterin fragte nach seinem Namen, hielt ihm das Mikrofon hin. Doctor Spahiu. Er betonte nochmals, sie würden der Braut den schönsten Tag im Leben verderben, wenn sie alles ungefragt und unerwünscht filmten.

In den nächsten Nachrichten knipste er die Personen, die er vorher nicht schaffte, danach druckte er jedes Konterfei aus.

~~~~~

Zuerst rief er im Sender an, da sie eine Kopie der Aufnahme vom gestrigen Abend betreffs Hochzeit Milevoj wollten. Sofort sagte man si, fragte nicht einmal nach einem Beschluss. Man würde es ihm innerhalb der nächsten zwei Stunden vorbeibringen. Philipe bedankte sich überrascht.

Nun begann er den Schwiegersohn von Adnan Milevoy, Veli Tahiri zu überprüfen. Der war 42, Geschäftsmann, seit einem Jahr in Spanien, war hier nicht auffällig. Warum heiratete so eine junge Señorita, so einen alten, feisten Hombre? Der könnte ihr Padre sein.

Der Anwalt, Doctor Luan Spahiu und seine Esposa Vlora wohnten in Barcelona. Auch er in Spanien - sauber. Bei den Folgenden gab er die Autokennzeichen ein.

Stellan Hasani, Murat Balla, Leavo Rama, Rion Lika, Madox Begiri, Bedri Gega, Norik Deda, Lorian Agolli, Alarik Hyseni, Jasin Hysa, Veli Veshić, Elion Osmani, Arion Koci, Babo Murati, Labinot Mehmmetić. Alle waren Geschäftsleute mit kleinen Zweigniederlassungen in Spanien. Hier waren alle sauber.

Lovik Kodra und seine Esposa Luana; Vatou Kodra und seine Esposa Dea. Kein Wunder, das der Kodra gestern nicht gefilmt werden wollte, gleich einen Bodyguard losschickte, der die Kamera abdeckte. Er rief Enrique.

„Zwei deiner Kodra-Brüder feierten gestern mit Adnan Milevoj die Hochzeit seiner Niña in Barcelona.“

„Maldito!“, stürmte er hinaus.

Die Spanier waren zum großen Teil selbstständige Spediteure, einer war Barbesitzer. Sie lebten und arbeiteten verstreut auf dem gesamten Festland. Interessant mir wem der Albaner alles befreundet war. Einige waren bereits vorbestraft, aber alle seit Längerem sauber. Drei spanische Ärzte aus Madrid und Saragossa waren ebenso dabei, wie sechs Unternehmer, die alles Mögliche machten. Von der Reinigung bis hin zu kleinen Kaufhäusern.

Die Bodyguards fand er so nicht. Adnan Milevoj. Er schickte die Fotos der ganzen Unbekannten, einiger sogenannter Unternehmer zur KT. Die fanden so etwas eventuell, falls registriert.

Donna kam herein.

„Also die Familie Zekaj war nicht auf der Hochzeit, genauso wie der Bruder nicht. Beide hörten es erst gestern Abend in den Regionalnachrichten.“

„Gracias! Wieso lade ich meinen Bruder, meinen Cousin, mit den ich stets sooo gut befreundet war, dazu nicht ein?“

„Sie haben Stress oder so. Die zwei Niños sind übrigens da“, ging sie hinaus.

Hamir, 13 Jahre alt und sein Freund Babur, 12 Jahre, saßen im Büro und aßen gierig Kuchen. Wie ihm Ruben bereits im Vorfeld sagte, machte Hamir nichts ohne seinen kleinen Freund. Das Elend schweißte sie zusammen. Philipe betrachte die beiden und irgendwie sah er Marco und Camillo vor sich. Sie schweißte das abscheuliche Vorgehen im Heim zusammen. Auch sie sahen beide abgemagert mit Blessuren an den Armen aus. Ihre Kleidung zerlumpt, dreckig.

Philipe ging zu Donna, reichte ihr seine Bankkarte, nannte ihr die Pin.

„Donna, du darfst shoppen gehen. Kaufe für die zwei Hijos Kleidung. Alles komplett, zweimal. Eine kurze Hose, eine lange und so weiter. Die Schuhgröße musst du erfragen. Ein paar gute Turnschuhe. Nimm gute Klamotten, damit die nicht gleich wieder abfallen. Dazu bekommen sie einen Fußball und jeder einen nicht zu großer Karton Legos.“

„Und zwei große Tafeln Schokolade. Wie viel darf ich ausgeben?“

„Bei tausend ist Schluss.“

Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Bist ein feiner Capitán.“

„Du eine liebe Sekretärin. Du machst das schon richtig. Es ist eine Schande, wie man mit den Niños umgeht.“

Sie wurde ernst. „Philipe, was passiert mit dem anderen Jungen?“

„Ich weiß es nicht. Ich werde mich aber dafür starkmachen, dass die beiden nicht getrennt werden.“

„Es ist wie bei den Solcars; findest du nicht?“

„Eben deswegen. Wären sie danach noch zusammengeblieben, würde eventuell Camillo noch leben, trotz all der Behinderungen. Er war ein feiner, fleißiger, hilfsbereiter Tio, was man so hörte. Weißt du, trotz der Jahre und der vielen Straftaten, schockieren mich manche Verbrechen noch heute. Auch wenn ich im Laufe der Jahre meine Unschuld in der Hinsicht verlor, es gibt Fälle, die mich immer noch schockieren und berühren, was nicht zu oft vorkommt. Ich frage mich dann, was sich Menschen noch alles antun können.“

„Selbst mich verfolgen so manche Opfer, obwohl ich vieles nur vom Tippen kenne. Das zeigt aber auch, das wir noch normale Menschen mit Gefühlen und Herz geblieben sind. Dir fällt etwas ein, ich weiß es. Gehe ich shoppen.“

Ruben kam schmunzelnd zu ihm. „Ich habe uns allen auch je ein Stück Kuchen mitgebracht. Traurig, dass man so etwas heute noch sieht. Durch die Lappen gegangen sind uns Darko Jelic und sein Hermano Pavle. Die anderen wurden alle festgenommen, dazu drei keifende Enfados. Sie unter 20, Serbinnen und bösartig, Sie arbeiteten als Putas, waren für jeden da, lernten bereits kleine Niñas an, verbunden mit viel Gewalt und Schlägen.“

Als die Jungs gegessen hatten, nahm man sie mit in das kleinere Büro. Jetzt kam die ernsthafte Befragung. Besonders interessierte Philipe, die toten Geschwister. Mädchen: circa 12-14 Jahre alt. Sie war keine Jungfrau mehr. Junge: circa 11-13 Jahre alt.

Sie erzählten von ihrem dortigen Leben, von den anderen Kindern, die da mit eingepfercht lebten. Es waren überwiegend Rumänen und ein paar andere Nationen. Man konnte sich nicht mit allen unterhalten, da es eben die Sprachbarrieren gab. Sie nannten Namen: Adelin, Igor, Pawel, Mehmet, Ducu, Radu, Vlad, Bucur, Todor, Michail, Barbu, Iwan. Die Mädchen waren schlimmer als die Jungen dran, da sie viel Schläge bekamen. Oana, Veta, Mascha, Onna, Mara, Vavara, Ligia, Dafina, Katinka, Natascha, Adela. Die ältesten waren 13 Jahre alt; der Jüngste 8 Jahre. Das war Pawel.

Ruben zeigte beiden Fotos von den Gesichtern der Toten, fragte, ob sie die kennen.

„Das sind doch Parle und Ranka. Wir haben sie schon vermisst. Die sehen so komisch aus“, radebrechte Babur.

„Wie alt sind sie?“

„Ranka ist 13; Parla 11. Wo sind sie? Wir suchten schon nach ihnen. Wir wollen sie gern wiedersehen“, Hamir jetzt.

Babur nickte dazu. „Zu Ranka waren die immer richtig gemein und fies, nur weil alle sagten, wie niedlich sie aussah. Sie musste immer zu den Männern und dann kam sie Stunden später blutend, heulend zurück. Parle tobte, wollte die alle wegmachen. Dann waren plötzlich beide weg, sind einfach weggelaufen oder so. Weißt du, wo sie sind?“, sah er Ruben an.

„Si! Sie wurden gefunden, aber leider waren sie da schon tot.“

„Ich wusste es“, Hamir jetzt weinend, während der andere Junge wie versteinert guckte.

„Was wusstest du?“, erkundigte sich Ruben nach einigen Sekunden.

„Ruben, die haben die totgemacht. Die Frauen waren das, die sie totmachten. Sie war zu niedlich, deswegen hauten sie ihr ins Gesicht, zogen die Haare raus und verbrannten sie mit Zigaretten. Jeden Tag hörte man, wie die sie schlugen und so.“

„Beende das für heute, Ruben. Gib ihnen noch etwas zu trinken, bis Donna zurückkommt. Sie hat etwas für sie. Was passiert mit dem anderen Jungen?“

„Zuerst bei meinem Hermano. Das ist aber nur vorübergehend. Wir suchen alle eine Lösung, wollen sie nicht trennen, aber auch in kein Heim stecken.“

Philipe verabschiedete sich und nun Tálic.

Ruben kam zwei Stunden später herein. „Sie sind weg, waren völlig aus dem Häuschen, weinten. Sie bekamen noch nie eigene Kleidung, fragten mich, mit wem sie die teilen müssten. Ehrlich gesagt, mir standen die Tränen in den Augen, als ich die Freude sah. Für uns Alltäglichkeiten; für diese Kinder ein Wunder. Eine Schande, die Regierungen noch fördern und dulden, nur weil sie vor Geldgier nichts anderes mehr sehen.“

„Sagten sie noch etwas aus?“

„Die bildete die Niños hier aus. Später ließ man sie in reicheren Gefilden, den Großstädten ackern.“

„Warum die Insel?“

„Viel Trubel, viele Urlauber, obwohl da nicht viel zu holen war, aber sie fielen hier weniger auf und sie konnten so eine Menge lernen. Philipe, sie wollten sich übrigens bei dir bedanken. Ich log, du seist schon weg. Sie kommen am Montag her, wollen noch mehr erzählen, auch die Männer und Frauen identifizieren.“

Ricardo teilte ihm immer noch brummig mit, dass die Brüder Kodra offiziell nirgends in Spanien eingereist wären. Wo sie sich derzeit aufhielten - unbekannt.

„Sollen sie den Schwiegersohn an Milevoj befragen. Veli Tahiri. Der weiß es gewiss. Maldito! Die Varónes werden per Haftbefehl gesucht.“

„Offene Grenze!“, fluchte Ricard beim Hinausgehen.

~~~~~

Die Umbauarbeiten in seiner neuen Finca waren endlich fertig. Heute wollte er im Garten die letzten Spuren beseitigen, einen kleinen Bach mit Wasserfall und einen Mini-Teich buddeln.

Alejandra kam in Shorts und einem Top heraus. „Alles vorbereitet.“

Er musterte sie, wie sie näher schlenderte.

„Du lenkst mich ab“, lächelte er. „Da kommt man nur auf dumme Gedanken.“

„Du läufst mit noch weniger rum, hast nur eine Hose an.“

„Kommst du da auch auf dumme Gedanken?“, erhob er sich.

„Würde es sich lohnen?“, flirtete sie mit ihm.

Er ging näher, drückte sie an sich. „Es lohnt sich bestimmt.“

„Das fühlt sich schon gut an.“

„Gleich noch viel besser. Wenn es sich nicht lohnt, liegt das eventuell an ihr“, schmunzelte er.

„An mir bestimmt nicht. Zeige ich dir.“

„In Runde zwei, weil zuerst bin ich dran.“

Erst zwei Stunden später buddelten sie zu zweit eifrig. Am Nachmittag kamen seine Freunde; auch der neue Staatsanwalt, Romero Pere mit seiner Esposa, dazu zwei ihrer Freundinnen mit Hombres und da wollte er das gebaut und installiert haben. Dieses unfertige Stück in Garten, nervte ihn bereits.

Sie waren gerade fertig, frisch geduscht, als auch schon die ersten Gäste erschienen. Heute lernte er auch den neuen Staatsanwalt besser kennen. Wie er als Student war, musste heute nicht mehr so sein. Das würde er heute erkunden. Er und seine Esposa waren sehr sympathisch, wurden sofort von allen in den Kreis integriert. Es wurde ein langer, schöner, sehr unterhaltsamer Abend.

Mit Sete holte er Getränke.

„Was machst du eigentlich nun mit deinem Anbau?“

„Keine Ahnung! Erst einmal bleibt er so stehen.“

„Warum richtet Alexa nicht eine Praxis dort ein? Ihr seht euch täglich und du meckerst nicht mehr, wenn sie Nachtschicht hat.“

Er blickte seinen Freund an. So weit dachte er noch nie.

„Und wenn es nicht klappt? Ehrlich gesagt, dass sie bei mir einzieht, war von meiner Seite noch nicht geplant.“

„Auf was willst du warten? Alexa ist nicht wie einige deiner Gespielinnen.“

„Ich kann kommen und gehen, wie ich Lust habe. Das gefällt mir. Jemand 24 Stunden in meinem Haus, der stets da ist, wenn ich komme - no. Abends benötige ich teilweise Zeit, um abzuschalten, will weder gleich Essen, ihre Probleme hören oder die Frage beantworten, was machen wir heute. Ich arbeite öfter hier, liege auf dem Bett, gucke Fernsehen und lese Akten, Berichte. Geht dann alles nicht mehr.“

„Warum nicht? Ist alles eine Koordinationssache.“

„Sie hat gekocht. Ich komme gerade von einem Leichenfundort. Komme her, sage no - kein Essen. Schon ist der Zoff da. Erlebte ich bereits.“

„Wie willst du dann eine Familia gründen?“

„Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt noch will. Mein Niño sagt Opa zu mir.“

„Tonterías! Bringen wir die Getränke raus, sonst verdursten noch alle.“

Über das Gespräch dachte Philipe tagelang nach, da es ihn auch ein wenig schmerzlich an seinen ehemaligen Traum von einer eigenen Familia, erinnerte.

~~~~~

Eine junge Señora wartete bereits auf den Chef, meldete ihm Donna am Montagmorgen.

„In dem pinkfarbenen Kleid? Gruselig! Was will sie?“

„Ihre Madre freibekommen.“

„Ist sie bei mir falsch. Schick sie zum Gefängnis.“

„Och, Philipe, höre sie doch wenigsten an, auch wenn sie in Bezug auf Mode keinen Geschmack besitzt.“

„Donna, du nervst“, musste er schmunzeln, da sie dabei immer übertrieben mit den Wimpern klimperte. Das tat sie stets, wenn er no sagen wollte, sie allerdings anderer Meinung war, so wie jetzt. „Hast du eine Sonnenbrille? Ich werde sonst blind!“

„In fünf Minuten, si?“

„Si!“ Er kochte Kaffee, fragte, warum er sich das antat?

Verónica Siris stellte sie sich vor. Er bot ihr Platz an, fragte, was anlag.

Sie erzählte ihm nun, ihre Madre, Marta Siris war Lehrerin in Pollença. 2009 gab es zwei ermordete 13-jährige Schülerinnen. Die Morde unterstellte man ihrer Madre, weil sie Tage zuvor Streit mit ihnen hatte, sie die Zwei mittags ein Stück mitnahm. Drei Tage später wurde sie verhaftet; 2010 zu lebenslanger Haft verurteilt.

„Sie war es aber nicht. Sie war nie gewalttätig, weder zu mir noch zu meinem Bruder. Ich studiere Jura, um endlich für Gerechtigkeit zu sorgen. Selbst die Eltern der ermordeten Mädchen glauben nicht, dass die Lehrerin die Mörderin gewesen sei.“

Als er das hörte, war sein erster Gedanke - Álvaro del Cervé.

„Was wollen Sie jetzt von mir, Señora Siris?“

„Das Sie alles lesen, meine Madre freilassen und vielleicht den wahren Mörder finden. Der läuft nämlich noch immer frei herum. Capitán Jorges, meiner Madre geht es sehr schlecht. Ich will nicht, dass sie da drinnen stirbt. Sie ist heute 48 Jahre alt und versäumte schon viel in den letzten 11 Jahren, sah nie, wie ihre Niños aufwuchsen, lebten. Mein Padre ließ sich damals von der Mörderin scheiden. Er und mein Hermano besuchten sie nie, eben weil eine Verbrecherin. Jetzt sind ihre Eltern kurz nacheinander verstorben, weil sie das alles nicht verarbeiten konnten. Wenigsten ich will ihr helfen, da ich an ihre Unschuld glaube, auch ich habe all die Jahre deswegen leiden müssen. Ich war damals 11 und wusste nicht, was da eigentlich Gemeines passierte.“

„Wir sehen uns die Akte an, dann entscheide ich. Mehr kann ich Ihnen nicht versprechen.“

„Brauchen Sie nicht, da ich Ihnen alles erzählte. Ordnen Sie einfach ihre Freilassung an und suchen den wahren Mörder. Fertig!“, strahlte sie.

„Sie bestimmen gewiss nicht, wie ich meine Arbeit ausführe und was ich tue.“ Er rief Ricardo herein, stellte ihm die Señorita vor.

„Schreibe ihre Daten auf, dazu Telefonnummer und alles von ihrer Madre. Adiós! Señora Siris!“

Ricardo Cruz kam fünf Minuten später herein.

„Sie, nicht noch mal. Ich bekomme Sehstörungen.“

Philipe lachte. „Ich dito. Trotzdem, lass dir die Akte geben, lies dir alles durch und dann sagst du mir, was du denkst.“

„Weiß ich jetzt schon - del Cervé.“

„Gracias, daran dachte ich auch sofort. Nur er vergewaltigte die Niños, folterte sie. Das war hier nicht der Fall, sonst hätte man keine Lehrerin verdächtigt.“