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Eike Klassen leitet die kleine Polizeistation in Husum, der grauen Stadt am Meer, wie sie noch heißt. Einige Todesfälle in letzter Zeit machen ihm jetzt jedoch das Leben schwer. Er hat einen Verdacht, den er allerdings selber für zu weit hergeholt verbannt. Nun kommt noch eine neue Kollegin Aus Hamburg. Mit ihr gibt es vom ersten Tag an nur Ärger. Sie ist dreist, arrogant und hat keinerlei Ahnung von der Polizeiarbeit. Als noch die Mutter des Oberstaatsanwaltes ermordet aufgefunden wird, spitzt sich die Lage zu und Eike fordert Unterstützung vom LKA Schleswig-Holstein an, da sich seine Befürchtungen bewahrheitet haben.
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Seitenzahl: 370
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Angelika Friedemann
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Eike Klaasen beugte sich über die tote Frau, die vollständig angezogen auf dem Bett lag. Es war die 29-jährige Dagmar Schäfer, die er ziemlich gut kannte. Sie musste seit Stunden tot sein. So konnte er keinerlei Auffälligkeiten an der Deern entdecken. Spuren, die auf Fremdeinwirkung hindeuteten, waren nirgends erkennbar. Die rot-geblümte Zudecke unter ihr lag fast glatt. Neben der Schlafstätte standen auf einem Nachtisch eine Lampe und ein Wecker, sonst nichts.
Er begann zu fotografieren, betrachtete die Möbelstücke dabei genauer. Schranktüren und Schubfächer geschlossen.
Er ging in die Küche. Alles aufgeräumt. Kein benutztes Glas oder eine Tasse war sichtbar - kein Stück schmutziges Geschirr. Er fotografierte, durchsuchte den wenigen Müll unter der Spüle, blickte kurz in die Schränke.
Im angrenzenden Wohnzimmer, das ebenfalls ordentlich aussah, nochmals Fotos.
Nirgendwo gab es einen Hinweis auf einen Besucher oder das jemand etwas gesucht oder entwendet hätte.
Dieses Haus ist scheußlich, dachte er. Alles mit alten Möbeln vollgestopft, Nippeskram aus zig Generationen, dazu die kleinen Sprossenfenster, die niedrige Höhe der Räumlichkeiten. Es wirkte düster, selbst jetzt, obwohl die Morgensonne hereinschien. An grauen, wolkenverhangenen Tagen mussten die Leute hier drinnen depressiv werden, da man ständig Licht benötigte.
Es war einer der uralten Bauernhöfe, die nie eine Veränderung erlebt hatten. Nicht einmal eine Heizung gab es. Von außen ein sehr schöner Bau, nur man hatte nie Geld für die Modernisierung ausgegeben. 200 Jahre war er fast unverändert geblieben; nur das Nippeszeug hatte sich vermehrt. Die Möbel waren klobig, alt, die Stoffe ausgeblichen, die Wände und Decken sowie die breiten Holzbalken waren im Laufe der Jahrzehnte dunkel geworden.
Hev up hebbt wat, fret up hebbt nix, hatte Dagmar geäußert, als man sie zu einer Renovierung überreden wollte. Nur ein wenig weiße Farbe für Wände und Zimmerdecken hätten genügt, neben der Entsorgung von einigen der teilweise unschönen Einrichtungsstücke.
Im Flur Jacken, Taschen. Er guckte in den Anorak, der an erster Stelle säuberlich auf einem Kleiderbügel hing. Er fand ein Portemonnaie. Das Geld war vorhanden, wie er feststellte. Ansonsten nur Krimskrams in den Taschen.
Er suchte die beiden Polizeibeamten, die sich in den anderen Zimmern umschauten.
„Jochen, sieh bitte nach, ob du irgendwo Tabletten findest. Peter, du nimmst dir bitte die Mülltonne draußen vor.“
„Wurde sie umgebracht?“
„Ich denke ja. Angenommen du hast einen Herzinfarkt oder Analoges, liegst du nicht so auf dem Bett. Ihre Gesichtszüge sind völlig entspannt, dazu hat sie die Hände wie zum Gebet gefaltet. Im Müll, in der Küche, keinerlei Tablettenpackungen und die müssten bei Suizid vorhanden sein. Es steht kein Glas, kein Becher herum. Wer wäscht das ab, falls er Selbstmord begeht? Snaksch!“
„Der Mörder eventuell“, stellte Peter in den Raum.
„Warum sollte jemand sie umbringen?“, forschte Jochen nach. „Bei ihr gibt es nichts zu klauen und Millionen lagen gewiss nicht unterm Bett versteckt.“
„Könntest du so leben? Ich würde in dem Haus Panik bekommen.“
„Wenn ich daran denke, dass Karin mindestens viermal in der Woche badet und ich müsste jedes Mal den Ofen anheizen, würde ich spätestens dann ausziehen.“
„Peter, für dein Duschen musst du auch heizen. Selbst meine Oma lebt moderner“, schüttelte Jochen den Kopf.
„Büschen komisch war die Schäfer-Deern ja.“
„Wat den een sien Uhl, is den annern sien Nachtigall.“
„Mag sein, aber zu ihr passt kein Suizid. Sie war ´ne taffe Deern, die anpackte und selbst als sie nach dem Tod des Vaters mit dem ganzen Schiet allein dastand, hat sie sich nicht unterkriegen lassen. Wie gesagt, so wie sie da liegt, hat da jemand nach ihrem Tod nachgeholfen, damit es nett aussieht.“
„Die Mutter?“
„Muss man erkunden, obwohl ich das nicht vermute.“
„Eventuell hat sie alles beseitigt, damit keiner auf Selbstmord kommt.“
„Glaube ich nicht, da hätte sie am Telefon nicht gesagt, die Deern hat sich umgebracht. Müssen wir alles erfragen.“
„Moin Moin.“
Eike drehte sich nach dem Arzt um. „Moin, Frank. Sie liegt auf dem Bett, wie aufgebahrt. Das war niemals ein natürlicher Tod.“
„Sonst sieht man nichts?“
„Kein Blut, falls du das meinst. Alles ordentlich sauber sowie das gesamte Haus. Hier kannst du wahrscheinlich vom Fußboden essen.“
„Dat brukt et nich“, grinste der Mann. „Zu der Deern passt generell kein Selbstmord, dazu war sie viel zu emsig.“
„Der Meinung bin ich …“
Die Tür wurde aufgerissen und Kriminaldirektor Knut Rasmussen stürmte herein. „Frau Schäfer wurde ermordet, habe ich gehört?“, grinste er breit.
Eike Klaasen musterte kurz seinen Vorgesetzten, bevor er sich wegdrehte und in den Flur ging. Er verachtete den Mann. Es gab Tage, da konnte er dessen dusselige, bornierte, gekünstelt joviale Art kaum ertragen und so ein Zeitpunkt war momentan. Wie konnte sich ein normaler Mensch freuen, wenn man eine knapp 30-jährige Frau tot auffand? Dieser Kerl war durch und durch schlecht, verlogen und hinterhältig. Trotz allem jedoch sein Vorgesetzter. Er öffnete den Koffer, begann Spuren zu sichern.
„Eike“, hörte er Rasmussen Stimme im Rücken. „Du kanntest sie sehr gut. Wer könnte sie ermordet haben?“
„Fein, dass Sie wissen, dass es ein Tötungsdelikt war. Wie hat man sie ermordet?“
„Einen anderen Tonfall bitte. Wie gesagt, du warst ja näher mit ihr bekannt. Hast du einen Verdacht?“
Eike taxierte Knut Rasmussen, sah das Feixen in dessen Gesicht, die kleinen hellblauen Augen, die ihn belustigt anblickten. „Nein. Augenblicklich ist durch nichts erwiesen, dass es sich um ein Kapitalverbrechen handelt.“
„Ich dachte, du bist Arzt, ein Herr Doktor und da siehst du das nicht?“, erkundigte sich der Mann hämisch.
„Ich bin Kriminalbeamter. Der Doc wird es mir später sagen, Herr Rasmussen. Es können eben nicht alle Menschen so exorbitant gebildet sein wie Sie. Ersparen wir uns in Zukunft jegliche Obduktion, da Sie es besser als ein Profi sofort erkennen. Solche detaillierten Erkenntnisse lernt man bedauerlicherweise nicht in einem Studium. Sie sollten nicht überall Ihre Fingerabdrücke hinterlassen, wegen der Spuren, falls es sich als ein Tötungsdelikt bewahrheitet.“
„Dir wird deine große Klappe noch vergehen“, zischte Knut leiser.
Eike knipste einige Fotos, auf denen man später erkennen konnte, wie sein Chef die Kommode anfasste.
„Wenn ich Sie sehe, Herr Rasmussen, bestimmt nicht. Jetzt raus oder soll ich das nach Kiel melden?“
„Hast du die Schäfer ermordet und willst etwas vertuschen? Dein Alter hat dir die Schlaftabletten gegeben, nicht wahr? Nun seid ihr beide dran.“
Eike ging näher an den Mann heran, der einen Kopf kleiner als er war. „Rede gefälligst nicht dermaßen respektlos von der Toten. Schämst du dich nicht? Knut, du niveauloser, primitiver, armseliger Nichtskönner, du dusseliger Angeber, der von dem Geld seiner Frau lebt, du bekommst nie meine Mutter, weil sie dir beschränkten, alternden Versager heftig in die Eier treten wird. Vögel weiter irgendwelche einfältigen Frauen, die auf alte Opas stehen, weil er ihnen einen Ring vom Geld seiner Frau kauft oder eine Flasche Schampus. Was wärst du Niete denn ohne Elke? Meinst du, ich weiß nicht, dass du Dagmars Cousine geschwängert hast?“ Er gab dem Mann einen heftigen Schubs und trat zum Doktor. „Es heißt für Sie, Heeerr Rasmussen, immer noch - Herr Klaasen. Kein Benehmen vorhanden.“
„So ist nichts feststellbar. War es ein natürlicher Tod, hat sie jemand aufgefunden und danach dermaßen nett gebettet. Ich schließe mehr auf Mord, Vergiftung. Wie Rasmussen sagte, Schlaftabletten. Woher weiß er das exempli causa?“, trat der Gerichtsmediziner zu ihnen.
„Gute Frage, Doc. Gegebenenfalls wollte er so verhindern, dass bekannt wird, dass er wieder Va…“
„Eike, halt deine Klappe. Erledige lieber deine Arbeit.“
„Dat is en Stück ut de Dullkist. Knut, hast du tatsächlich nichts gelernt? Wieso tatschst du alles an? Willst du vermeiden, dass man deine Fingerabdrücke identifiziert?“
„Doc, das werde ich melden. Mein ach so großer, intelligenter Vorgesetzter, der an einem Tatort überall Spuren hinterlässt, alles anfasst und das ohne Handschuhe.“
„Ich habe nichts berührt. Los, fang an, Spuren aufzunehmen, und quatsch nicht blöd herum. Ich will nachher Bescheid haben.“ Schon stürmte er hinaus und man hörte, wie er heftig Gas gab, als er wegfuhr.
„Das spitzt sich zwischen euch kontinuierlich mehr zu.“
„Er will mir etwas unterjubeln, danach meinem Vater. Er hat noch nicht aufgegeben, meine Mutter zu bekommen.“
„Birte? Knut hat ´ne Macke. Je älter der wird, umso bekloppter wird der Dösbaddel. Was hat es mit diesem Baby auf sich?“
„Dagmar hat mir neulich erzählt, Erika ist von Knut schwanger und er hat getobt, sie bedroht, falls sie das Kind auf die Welt bringen würde, dann … Erika ist Hals über Kopf nach Flensburg gefahren, weil sie Angst hat. Sie will nicht mehr herkommen, selbst zum Geburtstag der Mutter in zwei Wochen nicht.“
„Wie konnte sich die Deern mit dem alten Kerl einlassen?“
„Frage mich nicht. Dagmar meinte, für Erika wäre es die große Liebe gewesen.“
„Erika, ist das die behinderte Deern?“
„Hhmmm. Sie ist eine Nette, nur durch die Behinderung ziemlich verunsichert, schüchtern, zurückhaltend. Für Knut ein Leichtes, sie herumzubekommen. Er sucht sich generell Frauen aus, die jünger als seine Tochter sind. Sie müssen blond, etwas pummelig mit riesiger Oberweite sein, einfältig oder eben extrem schüchterne Frauen. Eine normale junge Frau bekommt er doch nicht ab. Er ist dafür nicht reich genug, noch sieht er jünger oder besonders attraktiv aus. Dazu muss man schon zu den bekannten Persönlichkeiten gehören und über eine dickere Brieftasche verfügen. Rasmussen machen diese eher bedauernswerten Frauen anscheinend männlicher.“
„Was sagte seine holde Gattin dazu?“
„Es wird bereits von Scheidung gemunkelt. Arne redet kein Wort mehr mit ihm, hat ihn neulich auf dem Markt lautstark als miesen Hurenbock und Scheißkerl betitelt.“
„Gibt ihm Elke einen Tritt, steht er nur mit seiner Kleidung da. Selbst die hat sie bezahlt.“
„Eben, deswegen keinen Nachwuchs. Sie wird trotzdem wissen, dass er sie ständig betrügt.“
Zwei Männer mit dem Sarg erschienen. Sie schauten zu, wie man Dagmar behutsam hineinlegte. Wäre nicht die andere Gesichtsfarbe, würde man denken, sie geht gleich in den Stall, dachte Eike dabei. Sie war wie immer bekleidet: Latzhose, Bluse, Socken. Nun transportierten sie die Tote ab. Ein zu kurzes, schweres Leben schon beendet.
Eike sicherte weitere Spuren.
Nachmittags suchte er Gisela Schäfer, die Mutter auf. Die jedoch weinte nur, brachte keinen vernünftigen Satz heraus, kreischte heulend: Warum hat die Deern mir das angetan? Warum? Ein Arzt spritzte ihr ein Beruhigungsmittel, daher war eine Befragung zwecklos.
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Am nächsten Tag stand das Ergebnis fest. Dagmar Schäfer war eindeutig an einer Überdosis Schlaftabletten gestorben. Der Tod musste am späten Abend eingetreten sein, auf jeden Fall nach 23.00 Uhr.
Den Zeitpunkt fand Eike merkwürdig. Er wusste, Dagmar ging mit den Hühnern zu Bett, da sie morgens spätestens gegen halb fünf aufstand, die Viecher versorgte.
Er befragte die Mutter, aber die konnte sich nicht erklären, warum ihre Tochter Selbstmord begangen habe. Sie hätte sich gegen 20.00 Uhr ins Bett gelegt, etwas gelesen. Dagmar wäre ebenfalls schlafen gegangen. Mehr wusste sie nicht. Ein Fremdverschulden kam für sie nicht in Betracht, da Dagmar keine Feinde hatte, nur für und auf dem Hof lebte. Auch heute erfolgte die Anklage: Warum hat mir das die Deern angetan?
Eike wusste, es hatte nie einen Freund gegeben, keine Freundin. Dagmar war rund um die Uhr auf dem Bauernhof beschäftigt gewesen.
An ihr war nichts weiblich gewesen. Sie lief tagein, tagaus in Männerklamotten und Gummistiefeln herum. Das hatte jedoch bereits der Vater in Dagmars Kindheit so gefordert. Es gab keinen Sohn, ergo wurde die Tochter zu einem Jungen erzogen, geformt. Eine schöne Kindheit sah anders aus, da Dagmar bereits da hart arbeiten musste. Es gab kein Spielen, keine Freizeit, nichts, nur Kuh- oder Schweineställe ausmisten, Viecher füttern und sonstige Arbeit, selbst bei der Feldarbeit musste die Lütte anpacken.
Trotzdem schloss er Suizid aus. Das passte nicht zu ihr. Gerade bei Schicksalsschlägen oder in Notsituationen hatte sie beide Ärmel hochgekrempelt und erst richtig losgelegt. He dacht, he meent, he wull ... dor har he de büx all vull, war einer ihrer Lieblingssprüche gewesen.
Für Mord gab es bei ihr keinen Grund. Es gab niemand der davon profitierte, außer der Mutter. Die würde den Hof nun verkaufen müssen. Snaksch! Gisela wäre es lieber gewesen, wenn der Bauernhof weitergeführt worden wäre. Gerade Gisela hatte sich nach dem Tod von ihrem Mann vehement dafür eingesetzt, dass Dagmar alles so weiterführte, obwohl man ihr damals viel Geld für einen Teil des Landes geboten hatte, da dort ein neues Siedlungsgebiet entstand. Sie lehnte das kategorisch ab, obwohl die beiden Frauen mit der Summe ein sorgloses Leben hätten führen können. Das Leben der Tochter, deren Wünsche waren ihr piepegal gewesen.
Was sonst? Es blieb nur Erika übrig. Dagmar wusste von der Schwangerschaft und sprach mit Rasmussen darüber. Der drehte durch, da das nicht publik werden durfte. Seine Frau würde sich postwendend scheiden lassen und er wäre ein armer Mann. Keinen Mercedes fahren, keine noblen Designeranzüge, nix mit Geschenken für die jeweilige Gespielin, Angeben ebenfalls passé.
Laut Telefonnachweis hatte Dagmar zweimal mit Knut Rasmussen telefoniert. Einmal davon am Tattag. Sie ruft ihn an und sagte ihm, er solle sich zu dem Baby bekennen. Genau das passte zu der extrem akkuraten Frau. Alles musste bei ihr präzise nach Schema F ablaufen, seine Ordnung haben und vor allem den Moralvorstellungen entsprechen. Man schwängerte keine Frau und heiratete diese nicht. Sex vor der Ehe war für sie ein absolutes No Go.
Er rief einen Bekannten im Landeskriminalamt Schleswig-Holstein an, dem er den Fall schilderte. Sie mussten mit Erika Schäfer sprechen. Eventuell wusste sie mehr. Er benötigte Beweise für seine Theorie.
In dem Haus hatte man Fingerabdrücke von Knut Rasmussen gefunden, aber der konnte sich damit herausreden, dass er diese an dem Morgen hinterlassen hatte, als er im Haus erschienen sei. Er wäre von Suizid ausgegangen, habe deswegen keine Handschuhe getragen. Man habe ihn nicht informiert. Er war so erschüttert, dass er das aus Versehen vergessen hatte. Um Ausreden war Rasmussen garantiert nicht verlegen.
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Er saß im Büro und schaute die Fotos von dem Tatort an, als Andrea Greis hereinkam.
„Setz dich.“
„Etwas gefunden?“
„Nichts. Ich lasse gerade den Morgen Revue passieren, aber ich bin mir sicher, Rasmussen war nicht im Bad.“
„Dann hast du ihn.“
„Wie soll ich das beweisen? Er sagte, er war kurz auf Toilette oder Hände waschen. Da steht Aussage gegen Aussage. Er kann zig Menschen vorweisen, die alle wahrheitsgemäß sagen werden, wie sehr ich diesen Mann verachte. Damit gelte ich als unglaubwürdig. Andrea, ich habe nichts Greifbares, was ihn überführen könnte.“
„Eike, er will dir etwas Gemeines anhängen und das sagte er den Kollegen bereits so. Du hättest mit Dagmar ein Verhältnis gehabt und sie drängte auf Heirat, musste deswegen weg. So seine Aussagen.“
Er lachte schallend. „Sei ehrlich, würde ich so eine Frau anfassen? Sie war ein netter Kerl, aber nie mehr. Dagmar war mehr ein Junge als eine Frau. Ganz abgesehen davon hätte gerade sie sich nie auf eine Affäre eingelassen. Trauschein, Sex im Dunkeln, um die weitere Erbfolge zu sichern. Finis.“
„Na und? Er behauptet es zumindest. Du weißt genau, dass dich Rasmussen hasst und er dir unbedingt etwas anhängen will. Er wusste, dass man sie vergiftet hat. Woher?“
„Das sind keine Beweismittel. Bei Suizid geht fast jeder von Schlaftabletten aus. Damit bekommst du keinen Haftbefehl. Das Kind von Erika Schäfer reicht als Motiv dito nicht aus. Es werden täglich zig uneheliche Kinder von verheiratetet Männern geboren.“
„Er kann damit doch nicht durchkommen?“, empörte sie sich.
„Wir wissen nicht definitiv, dass er es war. Ich will ihn damit gewiss nicht durchkommen lassen, aber es fehlen handfeste Beweise. Das reicht nicht einmal für einen Indizienprozess. Doktor Hansen lacht mich aus, wenn ich ihm das so vorlege. Wir müssen abwarten, was Erika Schäfer erzählt. Eventuell hilft uns das weiter. Wenn dabei nichts herauskommt, muss ich mir etwas anderes überlegen, wie ich ihn aufs Glatteis führen kann.“
„Schiet! Kann da Hansen nichts drehen?“
„Komm, hör auf“, nun schon leicht gereizt. „Du weißt genau, es gibt nichts zu drehen. Ich will auch nichts gedreht wissen, sondern die Wahrheit finden. Hat er die Deern ermordet, wird er versuchen, mir das unterzuschieben und dabei wird er Fehler begehen. Geduld heißt das Zauberwort.“
Sie verließ das Büro und er widmete sich erneut den Fotos, prüfte sorgfältig Bild für Bild, lehnte sich schließlich im Stuhl zurück, verschränkte die Hände hinter seinem Kopf. Seit einer Woche grübelte er über den Tod von Dagmar nach.
Der Täter kommt. Dagmar hat ihn völlig unbefangen hereingelassen. Das bedeutet, sie kannte ihn, sonst hätte sie am späten Abend nicht das Tor geöffnet. Eventuell hatte sie ihn sogar erwartet? Da der Bauernhof abseits lag, gab es keine Zeugen, die einen Wagen, einen Besucher hätten sehen können.
Die Person kommt herein, man unterhält sich. Sie holte etwas zu Trinken und in einem unbemerkten Augenblick mischte man die Tabletten oder Tropfen in ihr Glas. Die haben jedoch einen eigenen Geschmack und das müsste Dagmar aufgefallen sein oder …
Was hatte man getrunken, dass den leicht bitteren Gout übertünchte? Grapefruit? Ein Gemisch mit Alkohol? Bier? Was, wenn man nur eine geringe Dosis darin auflöste, um sie zunächst nur zu betäuben, um ihr später, als sie schläfrig wurde, den Rest einzuflößen?
Dagmar wird müde. Derjenige begleitet sie in ihr Schlafzimmer. So kann er gleichzeitig ausspionieren, ob Gisela schläft. Sie legt sich hin. Er beseitigt die Gläser, wäscht diese ordentlich ab, stellt sie weg. Im Anschluss daran sucht er etwas in der Kommode im Wohnzimmer. Dort hatte man die Fingerabdrücke von Knut Rasmussen festgestellt. Was hatte er gesucht? Fotos? Papiere? Er durchsuchte die Schubladen. Was legte man jedoch zwischen Silberbesteck, Tischtücher, Servietten? Es sah nichts durchwühlt aus. Hatte sie da drinnen etwas versteckt gehabt? Nur woher wusste das der Täter?
Ergo, von vorn. Sie hat Besuch, man redet. Was, wenn sie aus der Schublade Fotos geholt hatte? Diese präsentierte sie ihm, erpresste ihn: Heiratest du Erika nicht, zeige ich diese Bilder deiner Frau, berichte von der Schwangerschaft. Er wollte kontrollieren, ob mehr Aufnahmen existierten, eventuell suchte er die Negative. Dementsprechend die Fingerabdrücke von ihm.
Er stutzte, griff zum Telefon. „Eike Klaasen, Frau Schäfer, ich habe eine Frage. Verfügte Dagmar über einen Fotoapparat?“ „Wissen Sie, ob der da ist?“ „Ja, ich warte. Danke.“ Er betrachtete die Fotografien, schob sie zusammen. Die musste er noch in die Akte heften.
„Ja, Frau Schäfer.“ „Da sind Sie sicher?“ „Können Sie mir bitte das Modell sagen?“
Er notierte die Angaben, die sie von dem Karton ablas, wie sie erwähnte, wo die Kamera ansonsten drinnen lag. Nebenbei erkundigte er sich, wo die gelegen hatte. Er bedankte sich und bat die Frau, nochmals nachzusehen, ob mehr fehlte. Er legte rasch auf, da er sich das nun folgende Gejammer, warum hat sie mir das angetan, ersparen wollte.
Er rief Martin an, damit der die Kiste bei Gisela Schäfer abholte, da man die auf Fingerabdrücke untersuchen musste. Nun die Geschichte weiter reimen. Mehr war es nämlich nicht. Der Täter hatte demzufolge nicht nur die Fotos mitgenommen, sondern vorsichtshalber den Fotoapparat. Eventuell war das ein kleiner Hinweis. Auf dem Computer von Dagmar hatte man keinerlei Bilder gefunden. Sie müsste diese, falls seine Theorie stimmte, ausgedruckt haben. Was, wenn die jemand anderer geknipst hatte? Warum meldete sich die Person nicht?
Erika Schäfer?
Zurück zum Tatabend. Der Täter geht nochmals zu Dagmar, legt sie ordentlich hin, faltet ihre Hände. Erst folgend verlässt er das Haus. An Dagmars Kleidung hatte man keine fremden Partikel festgestellt, weder sonstige Fasern. An der Haustür, dem Tor keinerlei fremde Fingerabdrücke, nur verwischte von Dagmar Schäfer. Das wiederum bedeutete, dass sie nicht als letzte Person die Dinge berührt hatte. Der mutmaßliche Täter hatte da entweder Handschuhe getragen oder diese wurden mit etwas anderem angepackt, abgewischt. Warum nicht, als er die Kommode anfasste? Pure Spekulation.
Er klebte die Fotos auf, beschriftete alles, heftete diese in die Akte, vermerkte die fehlende Kamera mit genauen Angaben.
Das würde morgen früh alles Doktor Christian Hansen, leitender Oberstaatsanwalt, mit in sein Büro nehmen.
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Der November zeigte sich trüb, nebelig, feucht, trist verhangen. Husum, die graue Stadt am Meer, machte in diesen Tagen, ihrem Beisatz alle Ehre.
Eike brütete erneut über der Akte Schäfer. Vier Wochen waren seitdem Tod der Frau vergangen. Er war der Aufklärung kein Stück näher gekommen.
Bisher war unklar, woher die Schlaftabletten stammten. Weder Dagmar, ihre Mutter oder andere Angehörige hatten jemals welche verschrieben bekommen. Die ansässigen Apotheker kannten Dagmar nicht und Gisela flüchtig, da sie hin und wieder in immer derselben Apotheke Aspirin, Schnupfenspray und dergleichen kaufte.
Rasmussen konnte man keinen Erwerb von Sedativa nachweisen. Elke Rasmussen hatte sich ebenfalls nie welche verschreiben lassen.
Erika Schäfer schwieg, wusste nichts, sagte nichts. Die dortigen Kollegen rieten daher, bis nach der Geburt zu warten und dann durch einen Vaterschaftstest, Knut Rasmussen als Erzeuger feststellen zu lassen. Nur das dauerte noch Monate.
Traf er auf Knut Rasmussen, musste er sich dessen blöde Äußerungen anhören, sich diese grotesken Anspielungen gefallen lassen.
Das Telefon klingelte und Andrea nahm ab. Er kuckte zu ihr hin, als sie sagte, dass jemand käme.
„Eike, eine Frau Ackermann wird vermisst. Der Arbeitgeber hat gerade angerufen, da er sie, seit Tagen nicht erreichte.“
„Wie alt ist sie?“
„Keine Ahnung, aber etwas älter, da sie dort als Sekretärin arbeitet.“
„Soll Martin zu der Wohnung von der Frau fahren, eventuell ist sie krank und geht nicht ans Telefon.“
Sie sagte dem Kollegen Bescheid, sortierte weiter die Unterlagen in die Ordner, beschriftete diese neu.
„Das sieht richtig ordentlich aus“, stellte sie eine Stunde später fest. „Alles sauber und man findet es sofort.“
„Unser Büro sieht durch die Renovierung generell heller aus. Hat sich der Aufwand am Wochenende gelohnt.“
Abermals störte das Telefon und Eike nahm ab, hörte dem Kollegen zu. „Öffne sie. Ich komme hin. Bis gleich.“
Er stand auf. „Andrea, ich fahre zur Goethestraße. Der Wagen von Frau Ackermann steht vor der Tür, aber sie öffnet nicht.“
„Gut. Soll ich den Schreibtisch angehen?“
„Meinetwegen. Richte unserer Putze aus, sie soll Fenster putzen. Irgendwie vergisst sie die permanent.“
„Rennt sie zu dem feinen Boss und beschwert sich. Der legt sie flach und die Fenster bleiben dreckig.“
Eike schaute sie verblüfft an. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“
„Doch. Er legt sie in seinem Büro flach oder exakter, sie besorgt es ihm oral. Gunnar hat sie zweimal erwischt, als sie gerade zugange waren.“
„Oh Mann, der nimmt wirklich jede Frau mit.“
„Nur jede Blondine mit großer Oberweite. Sage mir, wie kann sich eine normal denkende Frau mit so einem Kerl einlassen? Er ist alt, hat einen Bauchansatz, ist klein, die Haare fallen aus, sieht nicht besonders aus, dazu ist er dumm, benimmt sich wie ein Prolet.“
„Er fährt einen Mercedes, den Elke finanziert, trägt Designeranzüge, ebenfalls von seiner Frau bezahlt und hat immer genug Geld in der Tasche, da er das auch von ihr erhält.“
„Trotzdem. Allein der Gedanke, dass mich so einer anfasst, und mir würde schlecht.“
„Du bist nicht sein Typ.“
„Das fehlte noch, dass der mich anbaggerte. Iiihhh.“
„Ich muss los. Bis später.“
In der Wohnung Ackermann erwartete ihn ein penetranter Geruch, obwohl Olaf und Martin die Fenster bereits weit aufgerissen hatten. Der Verwesungsprozess war bereits weit fortgeschritten.
Er taxierte die Frau, die angezogen auf dem Bett lag. Sie erinnerte ihn sofort an Dagmar Schäfer.
„Hier ist ihr Ausweis. Luisa Ackermann, 34, wohnt erst seit neun Monaten in Husum.“
„Die Frau ist seit mindestens drei Tagen tot.“
„Nach Raub sieht es nicht aus. Im Portemonnaie sind über vierhundert Euro und das liegt offen im Flur.“
„Hat sie sich selbst umgebracht.“
„So sieht sie nicht aus. Sucht nach einem Glas, Becher, Tabletten oder dergleichen.“
Er griff zum Handy. „Andrea, die Frau ist tot. Überprüf sie bitte.“ Er las die Daten von ihrem Ausweis ab. „Sie ist erst vor neun Monaten nach Husum gezogen. Wo hat sie gearbeitet?“ „Ich fahre danach zu der Firma. Bis dann.“
„Ich fange mit dem Knipsen an.“ Er zog den weißen Schutzanzug an, fotografierte das Opfer von allen Seiten, das Schlafzimmer, als der Doktor erschien.
„Moin! Sie riecht aber unangenehm.“
„Lieg du so lange bei der Wärme herum, dann duftest du auch anders.“
„Dösbaddel! Wie lange schätzt du?“
„Vier bis fünf Tage.“
„Ich auch. Im Grunde brauchst du mich nicht. Sie liegt wie die Schäfer-Deern da.“
„Ich hatte denselben Eindruck. Wie aufge...“
„Moin. Eine Tote?“
Eike atmete tief durch, als er die Stimme in seinem Rücken hörte. Wer hatte den denn informiert?
„Knut, du stellst blöde Fragen. Denkst du, eine Lebende sieht so aus?“
„Heute deinen witzigen Tag, Doktor? Wann und wie?“
„Bin ich Hellseher? Vier Tage schätzungsweise.“
„Unser schlauer Arzt Klaasen weiß es gewiss, nicht wahr?“
„Knut, du bist ein Dösbaddel.“
„Er kennt die Frau oder Eike? So wie sie da liegt, wurde sie genauso wie deine Ex-Geliebte Dagmar ermordet. Muss dein Alter die alten Tablettenvorräte loswerden?“
„Rasmussen, du beschränkter Volltrottel, sei vorsichtig, was du sagst, und nimm deine Finger vom Bett. Spuren hinterlassen, damit nicht auffällt, dass du vorher bereits in der Wohnung warst?“
„Das kostet dich deinen Job“, grinste der gekünstelt. „So redest du nicht mit deinem Vorgesetzten. Werde ich sofort melden.“
„Grüß schön.“
„Dieses Mal habe ich sogar Zeugen für deine Unverschämtheiten und die Morde werde ich dir nachweisen, selbst wenn du versuchst, die Spuren zu verwischen. Doktor Fiedler, Sie werden nachher zur Aussage in meinem Büro erscheinen.“
„Keine Zeit und was soll ich aussagen? Wie du Eike beschuldigst und blöd anquatschst? Mache ich, wenn es unbedingt sein muss. Das wird erst nach 18.00 Uhr werden, da ich Praxis habe. Sag mal, kann es sein, dass du dem Jungen unbedingt etwas anhängen willst?“
„Gewiss nicht. Nur seine angeblichen Ermittlungen bringen keine Erfolge, weil er sich selbst belasten müsste. Nirgends steht, dass er mit Dagmar Schäfer liiert war. Er hat kein Alibi für die Tatzeit und das sein Alter ihm die Tabletten beschafft, ist ebenfalls klar, nur nirgends aktenkundig.“
„Warum gehst du nicht zur Staatsanwaltschaft, wenn du das weißt? Die Schäfer-Deern war zudem Jungfrau. Wie kann sie da eine Affäre, mit wem auch immer gehabt haben? Du schwafelst nur Schiet. Man schließt jedoch daraus, wie du ihm etwas anhängen willst.“
Die helle Haut von Knut Rasmussen wurde noch heller, fast durchsichtig. Die Adern an seiner Stirn traten dick hervor, der Puls an seiner Schläfe nun sichtbar und man erkannte, wie schnell der schlug.
„Genau deswegen hat der sie doch ermordet. Die wollte den noblen Klaasen nicht ran lassen.“
„Herr Rasmussen, Sie sind völlig irre. Erstens habe ich ein Alibi, da ich mit drei Kollegen vom LKA verabredet war, in Kiel schlief. Ich hatte nie etwas mit Dagmar. Abstrus. Sie waren mit Erika Schäfer vier Monate zusammen und sie ist von Ihnen schwanger. Kann ich beweisen. Daneben wurden im Haus Schäfer Ihre Fingerabdrücke zuhauf gefunden, keine von mir, da ich vor zwanzig Jahren das letzte Mal dort war. Wo waren Sie am Tatabend?“
„Wieso … Was hast du mit dem LKA zu tun?“, erkundigte der sich verblüfft.
„Geht Sie das etwas an? Was hatten Sie mit Frau Ackermann zu tun?“
„Ein unverschämter …“ Er drehte sich um, blieb in der Tür nochmals stehen. „Ich erwarte einen vollständigen Bericht und die Bestätigung aus Kiel, was Ihr Alibi betrifft. Ist wahrscheinlich sowieso nur ein Gefälligkeitsalibi unter Kollegen. Heute noch. Nicht dass man da erst etwas deichselt.“
„Das sagen Sie den Männern persönlich“, amüsierte sich Eike. „Ich gebe den Herren Ihre Durchwahlnummer. Dazu fehlt Ihnen indes die Courage, oder? Blöder Aufschneider!“
Man hörte die Wohnungstür laut krachend zufallen.
„Wer hat denn den Dösbaddel angerufen?“
„Ich gewiss nicht. Meistens vergesse ich, dass es ihn gibt, weil er generell nie da ist, wenn man ihn benötigt.“
„Kanntest du sie?“
„Nein. Ist nicht mein Typ. Zu üppig, zu blond, zu klein.“
Martin kam herein. „Im Bad liegen jede Menge Medikamente, aber keine Schlaftabletten, falls du die meinst. Ist alles so´n Zeug, das jeder kaufen kann. Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Wieso taucht Rasmussen hier auf?“
„Habt ihr ihm nicht Bescheid gesagt?“
„Eike, was geht den das an? Jeder ist froh, wenn man ihn nicht sieht.“
„Wer hat ihn angerufen?“, forschte Olaf nach. „Andrea?“
„Sie gewiss nicht. Sie kann ihn nicht ausstehen. Bevor sie ihm etwas sagte, geht die Welt unter.“
„Das solltet ihr erkunden. Wäre interessant, von wem er seine Informationen erhält. Bei der Schäfer-Deern ist er ebenfalls urplötzlich aufgetaucht, hat überall etwas angegrapscht.“
„Doc, darum kümmern wir uns gern“, Martin schmunzelnd, blickte dabei eher nachdenklich.
Nach Stunden verließen sie die Wohnung und Eike fuhr zu der Firma.
Sie war seit neun Monaten dort als Sekretärin beschäftigt und sehr zuverlässig gewesen. Am Montag sei sie nicht erschienen und man hatte wiederholt versucht, sie zu erreichen. Die Frau schilderte man als hilfsbereit, freundlich, nett, kollegial. Sie hatte vorher in der Nähe von Flensburg gelebt und nach der Trennung von dem Ehemann hätte sie sich verändern wollen. Daher der Umzug nach Husum. Sie sei vor drei Wochen geschieden worden und wie sie schilderte völlig problemlos, da man sich im guten Einvernehmen getrennt habe. Von einem neuen Freund, Freundinnen wusste dort niemand etwas. Er schaute ihren Arbeitsplatz an, aber da lag nichts Persönliches.
Zurück im Büro las er die Notizen von Andrea. Sie hatte fast Identisches über Luisa Ackermann herausgefunden, wie er bereits gehört hatte. Nur der Ex-Mann hatte ihr am Telefon erzählt, das die Scheidung von ihr ausging, da sie sich neu verliebt hätte. Den Namen von dem Mann wusste er nicht, nur dass er in Husum wohnte, in gehobener Position tätig wäre, über reichlich Gelder verfüge und einen blauen Mercedes, E-Klasse fuhr. Nachdenklich guckte er aus dem Fenster.
Plötzlich fiel ihm etwas anderes ein und er blickte sich in dem Raum um, sogar unter seinen Schreibtisch. Erst unter dem zweiten Schreibtisch fand er, was er gesucht hatte. Sieh an, der Rasmussen spionierte ihnen nach und war so stets auf dem Laufenden, was im Büro vor sich ging. Der Kerl war das Letzte oder er hatte Angst, dass man etwas herausfand? Er grübelte, entschied sich dafür, so zu tun, als wenn er von nichts wüsste. Jetzt konnte er sich darauf einstellen. Er schmunzelte.
„Eike Klaasen. Moin. Haben Sie etwas herausgefunden?“ „Der Rasmussen, dieser Volltrottel, ist blöder, als ich jemals dachte. Ein Fehler jagt den nächsten. Danke für Ihre Hilfe. Das LKA hat ja da doch ganz andere Möglichkeiten als wir hier, zumal da so einiges von diesem Dussel boykottiert wird.“ Breit lächelnd legte er die Seiten in die Akten. Jetzt würde Rasmussen überlegen, mit wem er gesprochen hatte. Keine schlechte Idee. Eventuell konnte man den Kerl so aus der Reserve locken.
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Am Montag bekam er die letzten Auswertungen zum Tod von Luisa Ackermann. Er las die Berichte, als Andrea einen Mann hereinführte.
„Herr Klaasen, das ist der Freund von Frau Ackermann. Herr Dieter Wonniger. Er möchte mit Ihnen sprechen.“
Eike musterte den Mann, bot ihm Platz an.
„Ich bin erst am Samstag aus dem Ausland zurückgekommen und habe von einer Nachbarin erfahren, was da mit Luisa passiert ist. Können Sie mir mehr sagen?“
„Die Berichte sind noch nicht eingetroffen, aber vieles deutet auf Suizid hin“, log er. „Seit wann kennen Sie Frau Ackermann?“
„Seit einem Jahr. Wir lernten uns durch einen Bekannten bei der Kieler Woche kennen und verstanden uns sofort blendend. Nur sie war verheiratet, deswegen war das kein Thema für mich. Monate später traf ich sie durch Zufall in Flensburg und wir sind essen gegangen. Sie erzählte, dass sie in Scheidung lebte, sie eventuell nach Schleswig oder Lübeck ziehen wollte, um neu anzufangen. So begann es. Sie bewarb sich in Husum, bekam den Job und zog um. So konnten wir uns öfter sehen.“
„Sie waren ergo nicht der Scheidungsgrund?“
„Gewiss nicht. Verheiratete Frauen sind für mich tabu. Sie war seit Kindertagen mit dem Ex befreundet und irgendwann sei die Luft raus gewesen, schilderte sie den Scheidungsgrund.“
„Kennen Sie Freunde oder gute Bekannte von Frau Ackermann?“
„Sie kannte hier niemand. Sie verstand sich mit einer Arbeitskollegin gut und sie gingen einmal in der Woche abends essen.“
„Herr Wonniger, was fahren Sie für ein Auto?“
„Einen BMW X3. Warum?“
„Schon länger?“
„Seit fast zwei Jahren.“
„Kennen Sie einen älteren Mann mit einem blauen Mercedes der E-Klasse?“
„Muss ich überlegen. Mein Vater hat seit wenigen Tagen einen.“
„Und davor?“
„Einen 230, Silber. Der war inzwischen zwölf Jahre alt. Warum? Was hat er mit Luisa zu tun?“
„Das müssen wir eventuell herausfinden, falls sich der Tod von Frau Ackermann als ein Gewaltdelikt herausstellt. Man hat Frau Ackermann mit einem älteren Herrn gesehen, der eben diesen Wagen fuhr. Wir sind bisher davon ausgegangen, dass er der Freund von Frau Ackermann war. Der Ex-Mann hat die beiden zusammen gesehen und sie hat ihm erzählt, ihr Freund sei ein reicher Herr aus Husum.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Luisa einen anderen Mann hatte. Das passte nicht zu ihr. Reich bin ich allerdings nicht.“
„Möchten Sie einen Kaffee, Herr Wonniger?“
„Ja, gern. Schwarz.“
Eike goss zwei bemalte Tontöpfe voll, stellte sie ab, setzte sich.
„Erzählen Sie mir bitte ein wenig von ihr. Wie war sie?“
„Eine natürliche, lebensfrohe Frau. Sie konnte sich über Kleinigkeiten freuen. Sie war ehrlich, an vielen Dingen interessiert, liebte ihren Beruf und war darin sehr engagiert tätig. Sie war naturverbunden, sparsam, hilfsbereit, liebenswert.“
Eike trat an seinen Schreibtisch, zog zwei Fotos hervor.
„Herr Wonniger, kennen Sie diese Frauen oder haben Sie diese jemals in Begleitung von Frau Ackermann gesehen. Eventuell sogar in Flensburg, da eine der Damen dort wohnt.“
Er betrachtete die Bilder. „Nein, nicht dass ich wüsste.“ Er schaute erneut Dagmars Foto näher an. „Das Gesicht habe ich schon gesehen, allerdings nicht in Verbindung mit Luisa. Irgendwo anders. Fällt mir momentan nicht ein.“
„Diese Frau wurde vor Wochen tot in ihrem Haus aufgefunden.“
„Genau, diese Bäuerin, nicht wahr?“
„Ja. Sie haben Frau Schäfer nie bei oder mit Frau Ackermann gesehen?“
„Nein, nie und die andere Frau ebenfalls nicht. Was haben die Damen mit Luisa zu tun?“
„Bisher nichts. Nur die üblichen Ermittlungen. Nahm Frau Ackermann Schlaftabletten?“
„Nein. So ein Zeug zu schlucken, passte nicht zu ihr. Sie war neulich erkältet, da gab es Dampfbäder, so stinkendes Zeug nahm sie ein. Alles Naturheilmittelchen meinte sie. Selbst normale Kopfschmerztabletten verschmähte sie, sondern vertraute ganz auf Naturmittel. Dieser Selbstmord passt nicht zu ihr. Warum sollte sie sich umbringen? Ihr Beruf, die Arbeit, machte ihr Spaß. Erst vor Kurzem äußerte sie, wie sehr ihr der Ort gefalle und wie schön alles wäre. Sie hatte nette Kollegen, wie sie kontinuierlich erzählte. Sie freute sich auf die Weihnachtsfeiertage, da wir danach für drei Wochen in Urlaub fliegen wollten. Das ergibt keinen Sinn.“
„Noch eine letzte Frage. Können Sie feststellen, ob man in der Wohnung von Frau Ackermann etwas gestohlen hat?“
„Ich werde nachsehen. Nur sie besaß nichts Wertvolles, keinen Schmuck, nichts dergleichen. Sollte doch etwas gestohlen werden sein, melde ich mich. “
„Danke, Herr Wonniger. Falls Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie bitte an.“
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Am Freitagabend traf er sich mit seinem Freund, Staatsanwalt, Doktor Frederik Kerper.
„Moin, Frederik.“ Eike nickte der Bedienung zu, nahm wenig später das Glas Campari mit Grapefruitsaft dankend entgegen.
„Komm, setzen wir uns.“
„Was ist los? Du wirkst so ernst.“
„Deswegen wollte ich dich ja sehen. Nicht nur, natürlich.“
Frederik nahm Platz, stellte sein Glas ab, schaute kurz zu den Nebentischen.
„Eike, Rasmussen hat still und heimlich eine Neue eingestellt. Sie wurde gerade fix von ihm in einer Nacht- und Nebelaktion befördert, von einer Kommissarin zur Hauptkommissarin vorgeschlagen, da sie ja sooo gut ist.“
„Wer ist sie?“
„Sein Patenkind, Inga Michaelsen. Sie ist knapp 35, hat einen 5-jährigen Sohn. Das ist jedoch sekundär. Sie ist eine Niete. Man hat ihr im Sommer in Hamburg nahegelegt von allein zu kündigen, da sie nichts, absolut nichts kann, außer jeden Kollegen anzugraben. Sie wollte nicht, da hat man ihr die Kündigung geschickt. Rasmussen hat darum gebeten, dass man das rückgängig macht, da wir dringend eine exzellente Fachkraft benötigen und die zweite Stelle unbesetzt sei.“
„Er will ergo über sie versuchen, mich loszuwerden? Ist sie mit Holger und Gunnar verwandt?“
„Die Cousine. Nicht nur dich, besonders deinen Vater, aber du wirst der Erste auf seiner Liste sein. Nur über dich kommt er an deinen Vater heran und damit ist der Weg zu deiner Mutter frei, denkt er.“
„Was schlägst du vor?“
„Diese Frau ist von der nicht denkenden Sorte, ergo kann er sie in die Richtung lenken, wohin er sie haben will, obendrein wird er sie wahrscheinlich ins Bett ziehen. Das ist jedoch irrelevant. Die Michaelsen wird hingegen versuchen, dich zu vernaschen. Das probiert sie bei jedem, der nach Mann aussieht. Du siehst dazu obendrein zu gut aus. Du musst sie auf unbestimmte Art aus der Reserve locken, damit sie, durch dich gesteuert, einen Fehler begeht oder Rasmussen ans Messer liefert. Nur so bekommst du den Mörder von Dagmar und Frau Ackermann, falls wir uns nicht alle irren und es doch nur Suizid war.“ Frederik beugte sich vor. „Eike, das ist wie bei einem Duell: Entweder er springt über die Klinge oder er hängt dir und deinem Vater etwas an. Er will dir unbedingt diese zwei Morde, falls es welche waren, unterjubeln. Er hat Christian gegenüber wiederholt derartige Andeutungen geäußert, nur der hat ihm gesagt, er solle das beweisen, und da er das nicht könne, würde man es Verleumdung und falsche Beschuldigung nennen. Rasmussen erwiderte, er könne die Beweise bald liefern, es würde nur etwas länger dauern, da es schwierig wäre, die Beweismittel vor dir in Sicherheit zu bringen, da du kontinuierlich dazwischenfunken, jeden Kollegen bespitzeln würdest. Damit würde Rasmussen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Du bist der Mörder, dein Vater der Mittäter, da der dir die Schlafmittel besorgt hat. Egal, was deine Mutter aussagt, das wird man beiseiteschieben. Du hast ebenfalls kein Alibi. Rasmussen dreht den Rest passend. Fingerabdrücke, DNA von dir vorzulegen, eine Kleinigkeit. Er wird sagen, das habe man in den Wohnungen gefunden. Auf jeden Fall landet ihr für eine Weile im Gefängnis und die Zeit wird Knut nutzen. Er hat im Rahmen einer Durchsuchung Zugang zu deinem Haus, der Praxis, dem Haus deiner Eltern. Was glaubst du, was man dort alles finden kann, wenn man eine dermaßen große kriminelle Energie wie er an den Tag legt? Da kann er nicht nur die Schlafmittel finden, sondern Drogen, Bilder von Kindern, die man auch als pornografisches Material auslegen wird. In deinem Haus findet man die Kamera von Dagmar, Schriftstücke, was weiß ich. Das wird er in den Medien genüsslich ausbreiten, aufbauschen und es bleibt haufenweise hängen, selbst wenn es sich später als Blödsinn herausstellt. Wie er mit deiner Mutter umspringt, bleibt abzuwarten. Lehnt sie ihn ab, sagte ihm einiges dazu, kann er sie in die Strafvergehen immer noch involvieren. Er hat mit seiner Hetzkampagne auf jeden Fall vorerst Erfolg. Einar kann die Praxisübernahme abschreiben, deine Eltern können den Job aufgeben. Ihr seid danach erledigt, selbst wenn man Rasmussen deswegen verurteilen sollte. Du weißt zu prägnant, es bleibt etwas hängen.“ Er lehnte sich zurück, trank. „Christian und ich sind der Meinung, wir warten ab, was diese Frau Michaelsen unternimmt. Wir können dem Rasmussen die Morde nicht nachweisen, aber über diese Frau schaffen wir es vermutlich.“
„Wie steht Gunnar zu ihr?“
„Irrelevant, obwohl Christian den Verdacht hegt, dass er mit ihr gemeinsame Sache machen wird. Er soll sich sehr gut mit seiner Cousine verstehen. Er steht hinter dem Recht, momentan hinter dir. Nur man muss abwarten. Die Michaelsen wird vermutlich zuerst auf Frau Greis anspringen. Die Kollegen in Hamburg berichteten, sie hat permanent Probleme mit Frauen, die jünger und schöner als sie aussehen und das ist wohl die Mehrzahl. Die hat sie angefeindet, versucht zu diskreditieren, zu diffamieren. Sie hält sich für das Nonplusultra, obwohl sie eher durchschnittlich aussehen soll. Sie wird als arrogant, hochnäsig beschrieben, gilt jedoch als besonders einfältig, aber vor allem scheint sie völlig von sich überzeugt zu sein. Ein Hamburger-Kollege nannte es, IQ weit unter hundert, aber sie kommt sich schlauer als Einstein vor. Sie latscht wie ein Trampeltier durch die Flure, bildet sich ein, hübscher wie Claudia Schiffer zu sein. Sie hat nichts, aber hält sich für den weiblichen Bill Gates.“
Eike lachte. „Das perfekte Opfer für Rasmussen. Wohnt sie bei Pieter?“
„Ja, wegen des Jungen. Er soll sich tagsüber um den Lütten kümmern. Eike, entweder du reizt die Frau, dass sie wütend auf dich ist und mit Rasmussen etwas ausheckt oder aber, du stellst dich gut mit ihr, damit sie für dich Knut auskundschaftet.“
„Befriedigen muss ich sie nicht?“
Frederick schmunzelte. „Das überlass ich dir, aber ich vermute, sie ist nicht dein Typ. Verdammt, wir wollen dir helfen und das Theater beenden.“
„Wann fängt sie an?“
„Am 1. Januar offiziell.“
„Schiet! Ich hatte auf einen richtigen Kollegen, der etwas kann, nett ist, gehofft.“
„Es gab nie eine Ausschreibung, da Rasmussen da schon die Michaelsen im Auge hatte.“
„Warum findet man nichts, um den Kerl aus dem Verkehr zu ziehen? Ich habe Angst, dass er sich an Andrea vergreift. Sie blafft ihn an, kontert scharf, wenn er blöde Anspielungen von sich gibt. Sie nervt selbst mich zuweilen mit ihren dusseligen Mutmaßungen, ihrem sofortigen Wissen, wer es war. Rasmussen ständig verbal anzufeinden, ist mehr als breesig. Erika Schäfer hat solche Angst, dass sie nichts aussagt, sogar leugnet, dass er der Erzeuger ihres Kindes ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie Luisa Ackermann kannte. Es sind alles zu viele Zufälligkeiten. Der gleiche Wohnort, der blaue Mercedes mit dem NF-Kennzeichen, dieselbe Todesart und wie man die Damen aufgefunden hat. Überall seine Fingerabdrücke zuhauf, obwohl er nie so lange in den Räumlichkeiten war, um das alles anzufassen. Gerade bei Frau Ackermann habe ich da aufgepasst, was er antatschte. Olaf hat sogar einige Fotos knipsen können.“
„Ich weiß. Christian hat dir gesagt, das, was gegen ihn vorliegt, reicht nicht für einen Haftbefehl, geschweige für mehr. Wir können ihm nicht nachweisen, dass er diese Tabletten irgendwo besorgt hat. Die Fingerabdrücke und DNA-Spuren wird er mit seiner Anwesenheit in dem Haus, der Wohnung erklären. Die wenigen Telefonate mit den zwei Opfern kann er dehnbar auslegen. Zum Beispiel, sie fühlten sich von dir bedroht oder belästigt. Die fehlende Kamera wäre möglicherweise ein kleiner Schritt vorwärts, aber selbst die würde nicht ausreichen. Seine Frau hält den Mund zu allem.“
„Der ordentliche, so korrekte Kriminaldirektor Rasmussen hat unter dem Schreibtisch eine Wanze angebracht, so kann er hören, was wir im Büro besprechen. Daher wusste er stets, wann wir in Dagmars Haus waren oder in der Wohnung Ackermann. Er hört, was Zeugen aussagen, mit wem telefoniert wird, was wir untereinander besprechen. So ist er permanent auf dem Laufenden.“
„Er hat was? Das ist illegal.“
„Ich habe sie dort gelassen. Andrea weiß Bescheid und manche Dinge diskutieren wir nicht mehr in dem Raum. Wir verständigen uns durch Zeichen, mit Zettelchen, die wir mit nach Hause nehmen, falls er den Papierkorb von seiner Affäre überprüfen und kontrollieren lässt. In ihrem Zimmer ist keine, wie ich festgestellt habe.“
„Das heißt, wir dürfen in deinem Büro nichts mehr besprechen? Christian bekommt einen Tobsuchtsanfall, wenn er das erfährt. Infam.“
„Anstrengend, da man ständig aufpassen muss, was man äußert. Ich gehe zum Telefonieren in Andreas Büro oder telefoniere bei brisanteren oder persönlichen Gesprächen draußen mit meinem Handy. Nur entferne ich sie, lässt er sich etwas Neues einfallen. So kann ich wenigstens kontrollieren, was und wie viel er erfährt.“ Eike bestellte zwei neue Getränke.
„Er hat was mit Frau Lehmann?“
„Ja, Andrea erwähnte es neulich. Kollegen haben sie wohl beim Sex erwischt. Aus diesem Grund kommt sie nicht zum Putzen. Der Dreck stapelt sich in den Ecken. Fensterputzen unbekannt, dafür wischt sie gern innen die Schreibtische aus.“
„Der Kerl ist das Letzte. Er wird von Jahr zu Jahr abartiger.“
„Nicht nur das, auch geistig verwirrter. Dafür bekommt er im Büro nichts mehr in die Reihe.“ Eike schwieg und trank nachdenklich.
„Ich werde die Kollegen aus Kiel einschalten, damit ich den Rücken freihabe. Ich muss dabei an meine Eltern denken, an Einar, Doreen. Nicht dass Rasmussen sie mit in seine perfiden Machenschaften einzubeziehen versucht. Jetzt setzt er einen Spitzel ein, was vermutlich bedeutet, dass er einen weiteren Plan geschmiedet hat. Er will mich beseitigen und diese Frau soll das beschleunigen.“
„So sehen wir das ebenfalls. Allerdings finde ich deine Alleingänge in Bezug auf das Thema stark übertrieben. Eike, obwohl Gunnar hinter seiner Arbeit als Polizist steht, sei bei ihm trotzdem etwas vorsichtiger.“
„Ich weiß, Blut und Karriere sind oftmals wichtiger als Loyalität. Jetzt genießen wir den Abend und lassen den Schiet hinter uns.“
„Schau mal, die beiden Mädels taxieren dich.“
Er drehte sich um, musterte sie nur zwei Sekunden. „Zu langweilig, zu albern, zu jung. Es wird Zeit, dass die Teenies nach Hause müssen, damit es gemütlicher wird. Warum können die nicht in eine Disco gehen?“
Frederik lachte und Eike schmunzelte.
Für den restlichen Abend verdrängte er den Ärger, der sich offenbar in ganz massiver Form anbahnte.
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Eike ritt am Samstagmorgen mit seinem Vater und seinem Bruder aus. Er liebte diese Ausritte, besonders an Tagen, wenn nur eine leichte Brise wehte, das Wasser in kleinen Wellen auf das steinige Ufer rollte.
Nach einem langen Galopp zügelte er den schwarzen Rappen, sprang ab, wartete bis Andreas und Einar absaßen.
„Ich muss mit euch reden, da es ein Problem gibt. Wie ihr wisst, haben wir in den letzten Wochen zwei tote Frauen aufgefunden. Sie wurden mit ziemlicher Sicherheit ermordet, obwohl man einen Suizid nicht ausschließen kann. Mehr spricht hingegen für Mord. Diese zwei Gewaltverbrechen will Knut Rasmussen mir in die Schuhe schieben und damit …“
„Was will er?“
„Ist der Kerl bekloppt? Was soll der Schiet?“, ereiferte sich Einar lautstark.
Eike musterte die beiden Männer. Sie sehen fast wie eineiige Zwillinge aus, dachte er. Nur Vadding hat ein paar Falten mehr um die Augen. Beide die dunklen Augen und glatten Haare, das eckige Kinn, die Grübchen. Er hingegen kam mehr nach seinem Großvater, seine Schwester ebenfalls. Nur die Größe und den muskulösen Körperbau hatten alle Klaasen-Männer gemeinsam. Einar war hingegen wesentlich temperamentvoller als sein Vater. Das hatte er von seiner Mutter. Doreen und er verfügten über die eher ruhige Art der Klaasens. Iris hatte einmal gesagt, sehe ich deinen Opa, weiß ich, wie du in fünfzig Jahren aussiehst.
„Er will nicht nur mich loswerden, sondern besonders Vadding. Er behauptet, ich hätte die Frauen umgebracht, weil ich mit Dagmar und dieser Frau Ackermann etwas gehabt hätte. Sie sind nachweisbar an einer Überdosis Schlafmittel gestorben. Diese Schlafmittel habe mir Vadding gegeben.“
Einar lachte. „Der hat eine Macke. Lass ihn einweisen.“
„So einfach ist das nur nicht. Er kann von mir mit Leichtigkeit Fingerabdrücke und DNA-Material vorweisen, das er angeblich in den Wohnungen fand. Er legt es ja nicht vor, weil er weiß, auf welch wackligen Füßen das steht.“
Eike nahm einen Stein hoch und warf ihn weit in die Nordsee.
„Ich kann es nicht beweisen, aber ich gehe davon aus, dass Rasmussen die Frauen ermordet hat. Ich habe Dagmar kurz vor ihrem Tod getroffen und sie war ziemlich aufgebracht, weil mein Chef ihre Cousine nicht heiraten will. Erika Schäfer ist schwanger und der Erzeuger ist Rasmussen. Sie hat mich mehr oder weniger aufgefordert, dafür zu sorgen, dass sich Rasmussen scheiden lässt. In Dagmars Haus haben wir überall seine Fingerabdrücke gefunden. Wäre ja ein eindeutiger Beweis, dass er dort gewesen ist. Nur leider kam er am Morgen, als Dagmar tot aufgefunden wurde hin, spielte sich als Chef auf. Er trug keine Handschuhe, da er von Suizid ausgegangen sei. Das gleiche Spiel in der Wohnung von Frau Ackermann. Doktor Fiedler hat ihn deswegen angemeckert. Seine Ausrede, ich dachte, sie hätte sich selbst umgebracht. Folgend kam jedes Mal, na Eike, hast du sie getötet, weil sie mehr von dir wollte?“
„Mit anderen Worten, man kann ihm nichts beweisen.“
„So sieht es aus. Erika Schäfer sagt nichts aus, verschweigt, wer der Erzeuger des Kindes ist, das sie erwartet. Die Frau hat panische Angst. Wir hängen fest, da ihm Elke indirekt ein Alibi gibt. Sie sagte, sie habe gehört, dass er daheim war.“
„Eike, nur warum sollte er die Morde dir und Vadding unterjubeln?“
„Wegen Mudding.“
„Mensch, das ist vierzig Jahre her?“, lachte Einar.
„Nur er hat nie verkraftet, das Mudding ihn nicht wollte. Er hat es mir vor Zeugen direkt ins Gesicht gesagt: Deinen Vater und dich mache ich fertig und ich werde euch die Morde nachweisen.“
„Warum redest du nicht mit Arne? Er hasst seinen Vater förmlich und eventuell kann er seine Mutter überreden, dass sie auspackt, falls sie etwas weiß. Ich kapiere sowieso nicht, wieso sie sich das gefallen lässt? Der betrügt sie seit Jahren, gibt ihr Geld für diese Frauen aus.“
„Elke hat vielleicht auch Angst vor ihm. Knut ist bisweilen gewalttätig, wenn es nicht nach seiner Nase geht“, mischte sich Andreas das erste Mal in das Gespräch seiner Jungs ein.
„Ich will sie gewiss nicht in Gefahr bringen, falls ich mit meiner Theorie nicht völlig falschliege. Es darf nicht noch ein Mensch sterben.“
„Nur etwas unternehmen wirst du müssen.“
„Sicher, allerdings habe ich momentan keine Idee, wie ich ihn überführen könnte. Ich wollte euch nur warnen und Bescheid sagen. Er hat jetzt die Enkelin von Pieter Michaelsen nach Husum beordert. Sie hat man in Hamburg wegen Dummheit und einigen anderem entlassen. Rasmussen befördert sie fix und sie wird meine neue Kollegin. Geschah alles in einer Nacht- und Nebelaktion. Sie wird er auf mich ansetzen. Entweder wird sie mich angraben, damit sie mich ausspionieren kann oder das sie etwas Belastendes gegen mich und Vadding entdeckt, weil sie ja sooo eine gute Kriminalbeamtin ist. Er wird da gewiss bereits einen Plan geschmiedet haben, wie ich ihn einschätze.“
„Mensch, sie ist überhaupt nicht dein Fall. Klein, pummelig, nach nichts aussehend, dazu läuft sie wie eine aus einem Puff herum“, lachte Einar. „Gruselig und abtörnend.“
„Woher kennst du sie?“