Zwei Insel-Romane: Die Tote im Sand Die Magie des Silbermondes - Angelika Friedemann - E-Book

Zwei Insel-Romane: Die Tote im Sand Die Magie des Silbermondes E-Book

Angelika Friedemann

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Beschreibung

Gutes kann niemals aus Lüge und Gewalt entstehen. Mahatma Gandhi Ehrlichkeit und Treue sind der Schlüssel. Wenn zwei Menschen ehrlich über alles reden können, ist das der größte Schlüssel zum Erfolg. Taylor Lautner Die Magie des Silbermondes Amrum 2020 Die Ärztin Britta Hansen will nach vielen Rückschlägen auf der Nordsee-Insel Amrum völlig neu anfangen. Sie hat sich das jedoch alles einfacher vorgestellt, auch damit gerechnet, dass mehr Patientinnen kommen. Schnell stellt sie fest, dass der spärliche Verdienst aus ihrer eigenen Praxis weder vorn noch hinten reicht. Die Tote im Sand Rike Jessen lebt mit ihren zwei Kindern ein ruhiges, beschauliches Leben als Goldschmiedin. Die Zwillinge stellen ihr den neuen Klassenkameraden Rafael vor. Ein verschüchterter Junge, der einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat, da seine Mutter über Nacht auf unerklärliche Weise verschwunden ist. Fast zeitgleich erscheint ihr geschiedener Ehemann Kai auf der Insel. Die Ereignisse überschlagen sich: Rafael verschwindet spurlos und das löst eine ungeahnte Lawine aus. Auch Rike erliegt der Mär, der viele nachjagen. Sie träumt davon, zu den sogenannten Reichen und den angeblichen Schönen dazu zu gehören. Das ist es, wonach sie strebt. Dafür ist sie bereit, alles zu opfern.

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3. Advent
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4. Advent
Heilig Abend
Silvester
Mundai
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Wäärnsdai
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Saninj
4 Wochen später
Ende September
Süürsdai
10 Monate später

Angelika Friedemann

 

 

Zwei Insel-Romane

 

Die Tote im Sand

Die Magie des Silbermondes

 

 

 

Impressum

Copyright: © 2023. Alle Rechte am Werk liegen bei: Kevin Friedemann, Herrengasse 20, Meinisberg/ch,

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mithilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.

Autorin: Angelika Friedemann, [email protected].

Bildnachweis: Fotograf: Kevin Friedemann

 

 

 

Dir Tote im Sand

 

Probleme kann man niemals mit derselben

Denkweise lösen,

durch die sie entstanden sind.

Albert Einstein

 

 

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Rike Jessen streckte den Rücken, bewegte die Schultern im Kreis. Seit zwei Stunden hatte sie über der Kette gebeugt gesessen, die einzelnen kleinformatigen Rubine in die goldenen Fassungen eingesetzt. Sie erhob sich, lief einige Schritte hin und her, setzte sich auf die Schreibtischkante, trank den inzwischen kalten Kaffee, indessen ihr Blick auf das vor ihr liegende Kleinod fiel. Sie war von ihrer Kunst begeistert, und während sie das noch nicht fertige Armband taxierte, überlegte sie, welchen Gewinn sie damit erzielen könnte. Je höher der Preis, desto mehr würde man sich darum reißen. Bei den Reichen zählte nur, wie teuer etwas war. Das bedeutete einen satten Verdienst von vielen Tausend Euro.

Die Ladenklingel bimmelte. Sie stand auf, strich kurz über ihre Haare und ging nach vorn in den Laden.

Ein Mann und eine Frau schauten sich um, betrachteten die in einer Vitrine ausgestellten Schmuckstücke. Sie musterte das Pärchen, stellte deren exquisite Garderobe fest.

Seit sie den Schmuckladen besaß, hatte sie sich angewöhnt, Kunden anhand ihrer Kleidung einzuordnen. Da gab es Touristen, die man sofort an der oftmals zu legeren Bekleidung erkannte. Sie kauften in der Regel nur sporadisch eher den preiswerteren Schmuck. Menschen, so wie dieses Paar, die durch teure Designermode auffielen, gehörten mehr zu ihrer Kundschaft. Die Dame deutete auf ein Collier, sprach leise mit dem Herrn, der den Kopf schüttelte. Er drehte sich weg, blickte zu ihr, grüßte. Wow, der sah ja umwerfend aus.

„Guten Tag. Kann ich Ihnen behilflich sein?“, trat Rike lächelnd näher.

Der Mann musterte sie flüchtig, schlenderte zu der kleineren Vitrine hinüber.

„Ich suche ein Ensemble. Kette, Ohrringe und Armband“, sagte die Frau mit einer warmen melodischen Stimme. „Es sollte nicht zu wuchtig ausfallen. Ich stelle mir Dezentes in Platin oder Weißgold vor.“

Rike ging zu der Dame und taxierte sie kurz. „Für einen besonderen Anlass, wenn ich fragen darf?“

„Für meine Hochzeit.“ Sie deutete auf die Kette in der Auslage. „So in dieser Art, nur kein Gelbgold.“

„Nehmen Sie bitte Platz, dann zeige ich Ihnen einige meiner Kompositionen. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“

„Nein, danke. Manuel, möchtest du?“

Der murmelte Undefinierbares.

Rike stöckelte mit wiegenden Hüften nach hinten, da sie wusste, wie er ihr nachsah, pinselte schnell Lippenstift auf, zupfte die Haare zurecht und holte eine rote Schmuckschatulle aus dem Safe, wählte gezielt drei Fächer aus. Sie legte diese nebeneinander auf den Tisch vor die Frau.

„Eine kleine Auswahl, die zu diesem Anlass passend erscheinen. Selbstverständlich nur Einzelstücke. Da wäre dieses Ensemble aus 999er Gold.“

„Manuel, komm bitte her.“

Rike trat ein wenig zur Seite, damit der Mann an ihr vorbei konnte. Sie deutete auf einen Sessel, aber er beachtet sie nicht. Arroganter Schnösel, urteilte sie, lächelte indessen weiter. Er musterte kurz die Schmuckstücke, zog leicht die Stirn kraus. „Gelbgold?“, fragte er eher gelangweilt, als interessiert.

Die Frau nahm das Collier heraus, hielt es vor ihr gebräuntes Dekolleté und schaute in dem Spiegel an. „Sieht gut aus. Manuel, sieh mal. Das würde zu meinem neuen Kostüme passen.“

Sie schaute sich nach dem Mann um, der sie teilnahmslos anblickte, jedoch lächelte. „Wir sind bei deinem Hochzeitsschmuck. Es harmoniert weder mit dem Kleid noch mit deinem Erscheinungsbild. Du bist zu Blond dafür. Lisa, seit wann magst du Gelbgold? Das Zeug ist der pure Kitsch“, erklärte er brüsk.

„Miesepeter. Mir gefällt es“, erklärte die Frau eher trotzig.

„Es steht Ihnen sehr gut, passt hervorragend zu Ihren grünen Augen und zu Ihrem Teint. Blonde Frauen müssen nicht zwangsläufig Weißgold tragen. Das ist 24 Karat Gold, mit den seltenen Rubinen aus Myanmar im Cabochon-Schliff ummantelt mit Azurit aus Namibia.“

„Meinetwegen kann es vom Mond kommen. Es sieht kitschig aus. Dauert es noch lange?“, erkundigte sich der Mann harsch, warf einen Blick auf seine Uhr. „Raul bringt diesen Tand zurück, wenn er den sieht.“

„Sie scheinen einen guten Blick für Ihre Kundschaft zu haben“, lenkte die Frau ab, schmunzelte jedoch zu ihrem Verlobten.

„Man lernt es mit der Zeit.“ Rike erwiderte das Lächeln der Frau. „Ich kann Ihnen gern eine Kreation in Weißgold vorlegen. Lassen Sie sich Zeit. Den Schmuck, für den schönsten Tag im Leben, sollte man nicht überstürzt kaufen.“

„Hat sie vorher gesagt: Platin oder Weißgold. Das ist alles Gelbgold, wie ich sehe. Sie wird eine weiße Robe mit violetten Blümchen tragen, dunkelviolette Knospen im Haar. Jetzt möchte sie passenden Schmuck, der darauf abgestimmt sein sollte. Gold mit Rubinen ist absolut indiskutabel. Das ist kitschig, sieht wie billiges Glas aus. Obendrein mag ihr Verlobter kein glänzendes Gelbgold, noch so bunten Tinnef.“ Er schaute die Frau an. „Du hättest das Platin-Ensemble kaufen sollen. Es stand dir ausgezeichnet und war eine perfekte Ergänzung zu dir, deinem Teint, dem Kleid. Es unterstrich deine Schönheit, zudem wäre Raul begeistert davon. Nicht diese hässlichen Klunker sollen unangenehm auffallen, sondern du als Braut angenehm durch dein Aussehen. Die Leute lachen dich mit diesem Zeug aus.“

„Es passt definitiv nicht zu meiner Aufmachung. Ich dachte dabei mehr an mein Kostüm.“

Er lachte. „Du bist süß, nur das kaufe bitte mit Raul. Wir geraten allmählich unter Zeitdruck.“

Rike schäumte vor Wut, ballte vor Zorn die Fäuste. Was sich dieser Schnösel einbildete, ihre Kompetenz infrage zu stellen, sich einzumischen, ihr das Geschäft zu vermiesen?

Sie stellte die zwei Schatullen vor die Kundin, die eher skeptisch darauf schaute. Er trat näher, schüttelte den Kopf. „Lisa nein. Das ist eine paradoxe Geschmacklosigkeit. Protzig, zu viele Steine, zu bunt. Das sieht aus, wie für Puppen fabriziert oder für alte Frauen, die ihr faltiges Dekolleté verdecken wollen. Raul flippt aus, wenn er diesen bunten Firlefanz wahrnimmt. Das sind keine Juwelierware für Ladys, sondern mehr so Touristenkram.“

„Ich hätte noch etwas extrem Exquisites aus Weißgold mit Platin kombiniert.“

Die Dame erhob sich, ergriff die Kuverttasche, die auf dem Tisch lag. Rike sah den schmalen Platinring mit drei Diamanten. Der musste ein Vermögen gekostet haben.

„Ich glaube, dies ist alles nicht das Passende. Mir schwebte dezenter Schmuck vor, der durch seine Schlichtheit auffällt.“

„Sie können ja einen Blick darauf werfen.“

„Also gut“, entschied sie leicht seufzend.

„Diese Frau hat dir zig unmögliche, billige Klunkern vorgelegt, weil sie nicht begreift oder nicht zuhört, was du möchtest. Du sagst Weißgold. Sie schleppt anscheinend ihren alten goldenen Tand an, den sie nicht losgeworden ist. Wie ich ausdrückte, wir kaufen bei einem seriösen Juwelier und nicht in einem Kramladen“, hörte Rike den Mann leise sagen. „Lisa, sie hat null Ahnung, nicht die Spur Stil, geschweige Geschmack. Schau dir an, wie sie herumläuft. Das sagt eigentlich alles. Kein Wunder, das der Laden nicht läuft. Lass uns bloß gehen.“

Blöder Lackaffe! Sie holte die letzte Schatulle, klappte sie auf und beide guckten erwartungsvoll die Schmuckstücke an, wobei der Mann gleich die Stirn krauszog. „Das sieht nett aus, aber unter exquisit stelle ich mir andersartiges Design, Material und Verarbeitung vor.“

„Manuel, ich lege es kurz um. Extrem auserlesene Stücke schauen indes anders aus.“

„Was ist das für ein Mineral?“

„Ein Morganit im Rosenschliff umfasst vom palladiumhaltigen Weißgold.“

„Ein eher billiger Stein“, stellte der bornierte Kerl fest.

„Das kostet gewiss eine Stange weniger, als die Platingarnitur. Ist mehr simpler Natur.“

Er musterte sie. „Lisa, nimm bitte deine Haare hoch.“ Er nickte. „Raul wird es nicht gefallen, obwohl das noch das Beste ist, was es in dem Laden gibt. Er kann das sicherlich zurückgeben, oder?“, schaute er nun Rike an.

„Selbstverständlich.“

„Mein Verlobter besitzt detaillierte Vorstellungen, aber ich finde es nett.“

„Nett? Du solltest eine edle Kette tragen und nichts Nettes. Es ist dein Hochzeitstag. Du kannst sie ja umbinden, wenn du mit Karin und Regina shoppen gehst. Wenigstens ist es dezent, nicht kitschig und erschlägt nicht durch bonbonfarben. Wir lassen das Platinensemble bei dem Juwelier zurücklegen, da Raul dazu niemals ja sagt.“

Ricke entfernte den Ring, der dazugehörte. „Soll ich es verpacken?“

Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie der Kerl den Kopf schüttelte, abermals auf die Uhr schaute.

„Nein, danke.“

Rike ergriff die Amex-Karte, die der Mann achtlos auf den Tisch geworfen hatte, las Manuel von Tressen. Wow.

Sie bedankte, verabschiedete sich, als die Tür geöffnet wurde und ihre Zwillinge mit einem Eis in Hand lachend in den Laden stürmten. Maike prallte gegen den Mann und auf seiner Anzugjacke landete das Eis. Vor Schreck ließ sie zu allem Unglück noch das Hörnchen fallen und das traf prompt auf die Schuhspitze. Die zwei Kugeln rötliche und weiße Masse rutschte gemächlich an der Jacke herunter.

„Entschuldigen Sie bitte“, brachte Maike heraus, während sich Malte wegdrehte, damit man sein Grinsen nicht entdeckte.

„Ihr Gören, könnt ihr nicht aufpassen?“, meckerte er empört, aufgebracht.

Die blieben erschrocken stehen und sahen zu ihrer Mutter. Rike lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, riss sich aber im letzten Moment zusammen.

„Entschuldigen Sie bitte. Ich komme selbstverständlich für die Reinigungskosten auf. Es tut mir leid. Einen Augenblick, ich hole einen Lappen.“

„Manuel, reg dich bitte nicht auf, es sind Jugendliche. Sie haben es bisweilen eilig. Wir waren doch nicht anders. Machen Sie sich keine Sorgen, nur ein wenig prekär, da er im Anschluss einen wichtigen Geschäftstermin wahrnehmen muss.“

„Das sage dem Kunden, mit dem ich verabredet bin.“

Die Frau nickte ihr kurz zu und zog den immer noch aufgebrachten Mann aus dem Laden.

Sie schaute zu ihren Kindern.

„Ich habe euch so oft gesagt, dass ihr nicht hereinrennen sollt. Wo ist Oma?“ Sie warf einen Blick hinaus, sah das Pärchen, das eilig zu dem sogenannten Top-Juwelierladen strebte, er dabei aus dem Jackett schlüpfte, mit ihr sprach. Dieser miese Kerl wagte es nicht, in die Bude zu gehen, oder? Da betrat das Paar bereits das Geschäft. In dem Moment kam ihre Mutter herein. „Weißt du, Rike, deine Zwillinge sind die reinsten Rabauken.“

Rike lachte gekünstelt. „Das habe ich soeben bemerkt. Maike hat einem Kunden die Jacke mit Eis bekleckert und der hat sich schrecklich aufgeregt. Mama, lass die Tür ein Stück auf. Die Luft ist heute herrlich frisch.“

„Nur, weil der im Weg stand. Mist, mein schönes Eis. Blöder Affe!“ Maike, ihre Tochter, sah sie trotzig an. „Außerdem muss der nicht gleich so einen Aufstand abziehen.“

„Mensch, der stand hier herum“, pflichtete ihr Bruder bei, warf die Tragetaschen an die Seite.

„Ihr sollt nicht herumrennen, das wisst ihr doch. Der Mann war nicht blöd, sondern erzürnt, da du seine Jacke beschmutzt hast. Lege die Tüten bitte nach hinten. Mama, was macht ihr überhaupt hier?“

Rike holte einen Lappen und beseitigte das Hörnchen und das Eis.

„Ich habe für die beiden Lütten neue Hosen gekauft, dann gab es ein Eis und weg waren sie. Was die Jugendlichen heutzutage für Kleidung tragen? Drei Nummern zu groß und irgendwie sieht das aus, als hätte es schon jemand zuvor getragen.“

„Mama, hast du das nicht entschieden? Du kannst ihnen doch nicht erlauben, dass sie sich Klamotten aussuchen. Sie sind Kinder und haben keine Ahnung davon.“

„Endlich coole Sachen“, Malte sofort.

„Das sehe ich mir an und werde es umtauschen, wenn ihr da solchen modernen Plunder gewählt habt. Ihr seid Kinder und könnt nicht beurteilen, was cool ist. Wen habt ihr getroffen?“

„Keinen.“

Greta Harmsen ging nach hinten, ließ sich auf einen Stuhl fallen.

„Möchtest du ein Glas Saft?“

„Nein. Wir fahren gleich nach Hause. Ich wollte nur wissen, ob ich noch etwas einkaufen soll. Heute ist es wirklich extrem warm und in den Läden tummeln sich die Leute.“

„Oma, die Touris gammeln überall herum und nerven.“

„Malte, bitte“, rügte sie ihren Sohn, während sie die Schmuckstücke einsortierte und in den Safe legte. „Habt ihr eure Hausaufgaben fertig?“

Beide nickten.

„Wir haben ´nen Neuen, einen Rafael.“

„Ja, so ein feiner Pinkel anscheinend.“

„Aber süß sieht er aus“, schwärmte Maike.

„Mensch, du spinnst.“

„Bist´e neidisch?“

„Bestimmt. Von Tressen, der Name sagt alles. Die haben heute alle in der Klasse gelacht.“

„Das Kind kann nichts für seinen Nachnamen. Möglicherweise ist er nett. Das sind blöde Vorurteile“, wies Rike ihren Sohn zurecht. „Maike, der Junge ist gewiss nicht süß, also unterlasse so ein dummes Gerede. Was soll das überhaupt heißen - süß? Ihr habt zu viel Freizeit, wie man so hört, aber das werde ich ändern.“

„Können wir nach Hause? Wir wollen noch reiten“, unterbrach sie Malte.

„Ihr beide geht euch zunächst die Hände und den Mund waschen. Dann könnt ihr fahren, aber vorsichtig und keine Eskapaden. Malte, nimm endlich die Äpfel für die Viecher mit. Die faulen sonst langsam.“

„Haben sie wenigstens etwas gekauft?“ Grete blickte zu ihrer Tochter hoch.

„Ja, ein komplettes Ensemble für ihre Hochzeit. Nur leider nicht das besonders Wertvolle mit den Rubinen, aber ich habe dem Lackaffen gleich 500 Euro mehr abgeknöpft. Seine Partnerin tut mir leid. Wieso will so eine sympathische, nette, junge Frau diesen überheblichen, arroganten Schnösel heiraten? Dazu ist er mindestens 15 Jahre älter. Der blasierte Typ sollte froh sein, dass er überhaupt eine Frau abbekommt.“

Rike war fuchsteufelswild, dass der Kerl sich erdreistet hatte, in ihre Fachkompetenz hineinzureden, ihren Schmuck kitschig bezeichnete und anschließend zu diesem blöden Konkurrenten ging.

„Danke für das Kompliment.“

Rike drehte sich erschrocken herum, wurde tomatenrot. „Oh.“ Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich sammelte. Ihre grünen Augen blitzten ihn erbost an.

„Der arrogante, überhebliche, alte Schnösel, Lackaffe wollte sich nur für seinen etwas rüden Ton gegenüber den Jugendlichen entschuldigen“, fuhr er mit gespielter Jovialität fort, streifte sie nur mit einem kurzen Blick, schaute Maike und Malte an.

„Da muss man ja nicht gleich herummeckern. War bloß Eis“, half ihr Maike unbewusst aus der Patsche, da Rike wie ein begossener Pudel dastand, ihn anstarrte.

„Ich hatte mich erschrocken, entschuldige junge Dame. Warte bitte.“ Er kramte in seiner Hosentasche und wollte dem Mädchen einige Münzen geben. „Jetzt kannst du dir ein Neues kaufen.“

„Danke, aber möchte ich nicht. Man kann mieses Benehmen nicht mit Geld aus der Welt schaffen. Mama, wir fahren.“ Die Zwillinge verschwanden rasch nach draußen.

„Nochmals, Entschuldigung.“ Mit einem kurzen Nicken verließ er den Laden. Rike setzte sich total verwirrt auf die Schreibtischkante.

„Na, scheint ja heute mein Glückstag zu sein. Die Frau wird vermutlich den Schmuck zurückbringen, da dieser blasierte Typ sie dazu zwingt. Sie wollte das teure Rubin-Gold-Ensemble, indessen hat der Kerl ihr das ausgeredet, fand es kitschig. Meine einmaligen, exzellenten Schmuckkreationen und kitschig. Eine Frechheit. Es war wie für sie angefertigt, ein Bild – formidable, aber dieser Blödmann hat ja keine Ahnung. Offensichtlich war es ihm zu teuer“, klang es verächtlich aus ihrem Mund. Sie erhob sich und gleich kehrte ihre gute Laune gepaart mit Überheblichkeit zurück. „Ach, was soll´s. Ein reichlicher Verdienst war es trotzdem. Mama, willst du warten oder mit dem Bus fahren?“

„Ich bin mit deinem Fahrrad gefahren.“ Greta Harmsen stand auf, umarmte ihre Tochter kurz. „Die Tüten bringst du nachher mit. Ach, ich habe die Fotos abgeholt.“ Sie reichte ihr den Umschlag und Rike war allein.

Der ganze Auftritt war ihr so peinlich gewesen und sie zitterte immer noch ein wenig. Jetzt hatte sie vergessen, sich die Adresse geben zu lassen, damit sie wenigstens die Reinigungskosten bezahlen konnte. Vermutlich würde der Schnösel ihr sowieso die Rechnung schicken, das passte zu dem. Aber sie war ausgesprochen stolz auf Maike. Eben doch meine Kinder, dachte sie amüsiert.

Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, begann die Bestellung fertigzustellen. Sie schaute nochmals in dem Regal nach, trug alles Fehlende ein und faxte die Seite zu dem Lieferanten. Rasch räumte sie Papiere beiseite, zerriss die Bestellung.

Als Nächstes widmete sie sich den Fotos, grinste des Öfteren verschmitzt vor sich hin, wenn sie ihre beiden Rangen so betrachtete.

Die Ladenklingel ertönte, da hörte sie ihre Freundin „Rike?“, rufen.

„Ich bin hinten.“

„Rike, du bist ja immer noch nicht fertig? Komm, beeil dich. Wir wollen fahren tun.“

„Ich habe dir gesagt, dass ich nicht hingehe.“

„Jetzt los. Wir tun rasch zu dir fahren, du ziehst dir ein hübsches Kleid an. Los geht’s, Olaf tut draußen warten tun. Mach schon. Du kannst nicht dein Leben lang, Kai nachtrauern tun. Das tut der Kerl nicht wert sein tun. Du musst öfter unter Menschen, weggehen tun, dich amüsieren tun.“ Jutta zog Rike am Arm. „Nu los, komm.“

„Ich will nicht, außerdem warten meine Kinder auf mich.“

„Rike, du tust heute Abend mit uns gehen, und damit basta. Deine Zwillinge sind dreizehn und keine Babys mehr. Sie tun mit Ole und einigen anderen ebenfalls hingehen tun.“

„Sie liegen um sieben im Bett, so wie immer. Misch dich nicht in meine Erziehung ein“, erboste sie sich lautstark.

„Glucke“, erwiderte Jutta nur grinsend.

Rike seufzte. Sie wusste, dass ihre Freundin dieses Mal keine Ruhe geben würde, und fügte sich.

Diese Streitigkeiten hatten sie letztlich fast turnusgemäß alle paar Monate. Jutta versuchte ständig, sie mit zu irgendwelchen Feiern und Festen zu schleppen, weil sie der Meinung war, dass sie, Rike, unbedingt mehr unter Leute müsste. Seit der Trennung von Kai vor über vier Jahren hatte sie sich zurückgezogen und lebte im Grunde nur noch für ihre dreizehnjährigen Zwillinge und ihren Beruf als Goldschmiedin. Dabei trauerte sie bestimmt nicht um Kai. Ihr fehlte teilweise die Zeit, da sie häufig zu Hause zusätzlich arbeitete, aber mehr, dass sie sich von all dem Stress erholen musste. In erster Linie war es jedoch ein finanzielles Problem. Als edle Schmuckdesignerin der oberen Kategorie musste sie stets in nobler Kleidung herumlaufen, besonders zu solchen Anlässen und dafür fehlte ihr das Geld.

„Fahrt vor, ich komme etwas später.“

„Wir warten vor deinem Haus. Sonst tust du wieder nicht mitgehen.“

„Geht hinein, Mama ist da.“

Jutta nervte. Warum konnte sie nicht mals ordentlich reden lernen, so wiesie, sich gehoben ausdrücken.Sie schloss wenig später ihren kleinen Laden ab und schlenderte die wenigen Meter zu dem Geschäft schräg gegenüber.

„Moin, Elke. Ich benötige fünf Rahmen.“

Sie schaute die verschiedenen Muster an.

„Neue Bilder?“

„Ich möchte nächste Woche alles neu dekorieren. Am Mittwoch habe ich zu, da wird vorne gestrichen. Ich habe seit Jahren nichts renoviert und es wird Zeit.“

Schnell hatte sie sich für die Rahmen entschieden und verließ den Laden und legte diese in ihren Laden, schaltete die Alarmanlage ein, setzte die Sonnenbrille auf. Auf der Heimfahrt hielt sie kurz bei der Post, kaufte einige Lebensmittel im gegenüberliegenden Supermarkt ein.

Sie eilte zu ihrer Mutter und sagte ihr, dass sie nun doch mit zu dieser Beachparty gehen würde, was diese begrüßte. Jutta und Olaf saßen auf der Terrasse. „Bin gleich fertig“, rief sie ihnen zu. „Sind Maike und Malte noch nicht zurück?“

„Nein, aber sie müssten jeden Augenblick kommen. Nun lass sie doch in Ruhe.“

„Ich decke schnell den …“

„Du ziehst dich um und machst dich fertig“, entschied ihre Mutter resolut, schmunzelte dabei zu Jutta und Olaf.

Greta Harmsen vertrat die Meinung, dass ihre Tochter mehr unter Leute gehen sollte, aber aus einem anderen Grund. Sie vertrat den Standpunkt, dass diese unbedingt einen Mann finden sollte, damit die beiden Kinder endlich einen neuen Vater hätten, ihre Tochter jemand, der sie finanziell unterstützte. Ihr Gespartes war bald aufgebraucht und dann?

 

Rike hatte sich umgezogen und ihre halblangen rotblonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Das sah jugendlicher aus, fand sie. Die Ohrringe, in Form eines Mondes, baumelten lustig an ihren Ohren. Ein wenig beschwingt drehte sie sich vor dem Spiegel, stolzierte die Treppe hinunter.

Die Haustür öffnete sich schwungvoll, als Maike und Malte hereinplatzten und ihre Mutter musterten.

„Du hast ein neues Kleid?“

„Maike, das ist alt“, log sie. „Das trage ich nur nie, da ich ständig arbeiten muss, nie für mich Zeit habe.“

„Mama, gehst du nu doch hin?“, erkundigte sich Malte nicht gerade begeistert.

„Ja, Jutta und Olaf sind da und warten auf mich. Ihr beiden macht keine Dummheiten, verstanden?“

„Niiiee“, klang es einstimmig und alle lachten.

„Was war bei den Pferden los? Wer war alles dort?“

„Nur Udo.“

„Über was habt ihr geredet?“

„Gar nicht, da wir gleich los sind.“

„Mit wem habt ihr telefoniert? Zeigt mir die Handys.“

Sie schaute kurz nach, reichte sie zurück.

„Ab unter die Dusche mit euch. Ihr riecht nach Pferd. Übrigens, mein Sohn, sind morgen die Äpfel noch da, gibt’s einen Tag Stubenarrest.“

„Schiet! Habe ich vergessen. Bring sie morgen weg. Versprochen.“

„Um sieben ist für euch Schluss. Ihr fahrt nach Hause und ab ins Bett. Schließt die Fahrräder an. Maike, du fährst nicht allein.“

„Mama, wir sind doch keine Babys mehr“, Maike nun.

„Ach ja? Wieso musste ich meiner Tochter vor zwei Jahren ein neues Fahrrad kaufen? Hat sich so weggezaubert. Wahrscheinlich treffen wir uns sowieso.“

 

Auf dem Parkplatz standen jede Menge Autos. Jutta hakte sich bei ihr unter, als wenn sie Angst hätte, dass sie im letzten Moment noch weglaufen würde. Überall waren Tische verteilt, jede Menge Leute tummelten sich am Strand. Rike war froh, dass sie mitgegangen war. Die gelöste Stimmung zu sehen, das vereinzelte Lachen zu hören, und sie spürte, dass ihr das gefehlt hatte. Sie hatte sich zu lange zurückgezogen und es war wohltuend, das lustige Geplauder und die Musik zu vernehmen. Die karibischen Rhythmen klangen nach Sommer, Sonne und Spaß. Olaf kam mit Sektgläsern und reichte ihr eins.

„Ich finde es gut, dass du mitgekommen bist. Die Abwechslung wird dir sicher gut tun“, äußerte Olaf, blickte dabei jedoch zu den zahlreichen Leuten.

„Glaube ich jetzt ebenfalls.“ Sie prostete ihren Freunden zu.

„Mensch, Rike, du hier?“, sprach sie Uta an, während Frank, ihr Mann ihr nur zunickte und im Getümmel verschwand. So wurde sie von allen sofort wahrgenommen, als sie weiter spazierten. „Hallo, Rike, du bist ja doch da?“

„Fabian, du kennst Jutta, sie hat mich mehr oder weniger mitgeschleift.“ Rike bemerkte, wie er sie musterte, und zog leicht die Augenbrauen hoch.

„Meinetwegen. Wollen wir tanzen?“

 

Die Abenddämmerung ging in die dunkle Nacht über. Jetzt flackerten lustig in einigen Abständen drei große Feuer hoch, deren Funken in die Nachtluft stoben und verglimmten. Zusätzlich erhellten Fackeln den Strand, das Gebiet um den Leuchtturm, das dem allen einen schönen Glanz und einen romantischen Touch gab. Überall sah man vergnügte, lachende Menschen, Kinder, die um die Feuer herumsprangen. Selbst der Himmel hatte die leichte rötliche Farbe der Feuer angenommen. Schon als Kind hatte sie Sommersonnenwendfeiern geliebt, genauso wie das alljährliche Biikebrennen.

Sie hatte mit Fabian und Olaf getanzt, den Fisch probiert, und schlenderte allein zum Wasser, ihre Schuhe in der Hand haltend. Sie spürte den immer noch warmen Sand unter ihren Füßen und sie fühlte sich sooo wohl wie seit Monaten nicht mehr. Heute meinte es das Wetter besonders gut. Zudem war es erstaunlich warm für Juni. Sie lief am Wasser entlang und genoss, wie das kühle Nass über ihre Füße rollte und während es ablief, den Sand unter den Fußsohlen mit sich zog, was ein leichtes Kribbeln verursachte. Wenn sie nach oben schaute, sah sie den klaren Himmel über sich, mit zig Tausenden von Sternen und in der Ferne leuchtete der Mond, der sich im Wasser widerspiegelte. Ach, es war herrlich. Das sollte ich viel öfter machen, schwirrte es ihr durch den Sinn. Tief atmete sie frische, salzhaltige Meeresluft ein, schaute sich um und sah, wie weit sie sich von den Feuern entfernt hatte.

Langsam spazierte sie zurück, ihren Blick auf das jetzt dunkle Meer gerichtet. Am liebsten würde ich in das Wasser laufen und weit hinausschwimmen. Es musste herrlich sein, sich dem Spiel der Wellen auszusetzen. Wenn morgen noch schönes Wetter war, würde sie mit den Kindern schwimmen gehen.

Rike setzte sich in den Sand, zog ihre Beine an und legte ihre Arme darum. Sie wollte noch ein wenig die Ruhe genießen, und dem leisen Rollen der Wellen zuhören, bevor sie sich wieder in das fröhliche Getümmel stürzte. Wie oft hatte sie so abends mit Kai am Wasser gesessen? Es war für sie Entspannung vom Arbeitsalltag gewesen. Sie sprachen über den nächsten Tag oder die Kinder, genossen bisweilen schweigend die Nähe des anderen. Sie hatte sich dabei in Kais Arme …

„Gefällt Ihnen das Fest nicht?“

Rike schaute erstaunt nach oben, erschrak und sprang schnell hoch.

„Oh, was machen Sie denn hier? Ich meine ...“ Sie verhaspelte sich und war froh, dass er nicht sah, wie sie abermals rot wurde. Energisch sammelte sie sich.

„Da kann ich mich noch einmal für heute Nachmittag entschuldigen, ferner benötige ich eine Adresse, damit ich Ihnen die anfallenden Reinigungskosten erstatten kann.“

Sie redete schnell, ohne Punkt und Komma, wie ihr auffiel.

„Ist gut. Ich muss mich bei Ihnen für mein rüdes Benehmen entschuldigen, aber ich war von der ganzen Shoppingtour, die ich seit Stunden hinter mir hatte, genervt. Gefällt Ihnen das Fest nicht? Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“

„Doch schon. Ich wollte nur ein wenig die Ruhe genießen.“

Sie drehte sich von ihm weg und schlüpfte in ihre Schuhe. Er wartete, bis sie fertig war, und ging an ihrer Seite zurück.

„Haben Sie den Schmuckladen schon lange?“

„Seit vier Jahren.“

„Sie haben einige nette Stücke dort liegen. Woher beziehen Sie diese Schmuckstücke?“

Sie blieb stehen, sah ihn erstaunt und ungläubig an. „Ich fertige ihn selbst, bis auf den Modeschmuck, der auf Ständern hängt.“ Blöde Frage entschied sie. Dachte der Schnösel, sie bezog das Zeug irgendwo auf dem Flohmarkt?

„Oh, das wusste ich nicht.“

„Ist ja nicht schlimm.“ Für was hatte er heute so viel Geld ausgegeben, wenn er vermutet, dass ihre Kreationen irgendwoher stammten? Entweder war er gedankenlos, blöd oder er gab generell Geld aus, ohne Ahnung zu haben, für was. Rike hoffte, dass er sie allein lassen würde. Ihr waren die Ereignisse vom Nachmittag mehr als peinlich, unangenehm und seine Gegenwart hatte sie wieder daran erinnert.

An den Feuern angekommen, schaute sie sich nach ihren Freunden um.

„Tanzen Sie trotzdem mit dem arroganten, überheblichen Schnösel?“, hörte sie ihn spöttisch fragen.

Jetzt funkelte sie ihn wütend an. Genau das bist du. Warum konnte er sie nicht in Ruhe lassen?

„Besser nicht. Sonst trete ich Ihnen noch auf Ihre teuren Schuhe und muss die hinterher bezahlen“, sprach´s, ließ ihn stehen und ging auf ein paar Bekannte zu, die sie entdeckt hatte. Kurze Zeit später gesellten sich Jutta und Olaf dazu.

Olaf zog sie weg, „komm tanzen. Sonst kommst du aus der Übung.“

Rike lachte. Er legte den Arm um sie und wenig später drehten sie sich im Takt der Musik. Jutta, die allein an der Seite stand, nickte zu ihr herüber. Sie war erfreut, dass sie Rike heute Abend endlich überredet hatte, mitzukommen, was sie Fabian sagte, der gerade zwei Gläser Sekt holte. Er nickte nur und verschwand in der Menge. Vielleicht wird aus den beiden doch noch ein Paar, sinnierte Jutta.

Rike hingegen erblickte gerade ihre ehemalige Freundin Karin, die zu einer Gruppe lächelte. Schnell schaute sie weg, während neben der Wut der leichte Stich in ihr schmerzte. Nein. Das ist seit Jahren vorbei und du solltest es endlich vergessen, sagte sie sich.

Nach einer Weile hörten sie auf und Rike holte ein Glas Orangensaft.

„Sie tanzen gut, also muss ich mir um meine Schuhe keine Gedanken machen.“

Sie drehte sich zu ihm um und funkelte ihn zornig an. „Ich habe mich entschuldigt, also lassen Sie mich zufrieden, okay?“

„Sie werden einem Kunden doch nicht einen Tanz verweigern, oder? Schließlich haben Sie heute ein gutes Geschäft gemacht.“

Er sah sie wieder spöttisch an und Trotz erwachte in ihr.

„Sie sind kein Kunde, sondern Ihre Frau. Aber gut, damit Sie mich danach in Ruhe lassen.“

„Ich habe bezahlt, vergessen? Sie hören anscheinend nie zu.“

Er nahm ihr das Glas ab, stellte es hin, ging mit ihr zu der hölzernen Tanzfläche und legte den Arm um sie. Rike tanzte und war froh, dass sie ihn nicht ansehen musste, da er einen halben Kopf größer war. Sein männlicher Geruch, dazu sein Aftershave drangen ihr in die Nase und sie schloss die Augen, genoss die Nähe dieses schönen Adonis.

„Na, geht doch. Oder ist es so unangenehm, mit einem Schnösel zu tanzen.“

Sie wurde aus ihren Träumen gerissen, hörte den ironischen Unterton heraus und machte sich augenblicklich von ihm frei. „Buchstäblich das sind Sie, ein überheblicher, arroganter, blasierter Schnösel.“ Sie drehte sich um und ließ ihn stehen.

„Was hat der dir getan? Wer war das überhaupt?“ Jutta, die die beiden beobachtet hatte, sah Rike fragend an.

„So ein überheblicher Idiot.“

„Woher tust du den kennen tun?“

„Der war heute mit seiner Frau bei mir. Sie wollen heiraten und sie hat Schmuck gekauft.“ Nun erzählte sie ihrer Freundin die ganze Geschichte.

Jutta blickte sie genauer an. Sie kannte Rike seit Jahren und hatte sie noch nie so aufgebracht gesehen, sagte jedoch nichts weiter dazu.

„Karin tut sich gerade deinen Kunden angeln tun.“

Rike schaute sich um, erblickte die beiden im Gespräch, lachend, wie sie sich zuprosteten.

„Diese hässliche Schlampe zieht doch jeden Kerl ins Bett. Vermutlich verdient die damit ihren Lebensunterhalt, obwohl bei dem gräulichen Aussehen das nur wenig einbringen wird. Soll sich seine Frau damit beschäftigen. Was geht es mich an? Karin liebt Männer, die verheiratet sind, weil sie andere nie abkriegt“, klang es gehässig. „Suchen wir deinen Mann und amüsieren uns lieber.“

Sie fanden ihn neben Frank und einigen anderen Männern stehend. Rike erkannte sofort einige Prominente. Sie stellte sich dazu, wartete, dass man sie vorstellte, aber keiner nahm von ihrer oder Juttas Anwesenheit Notiz.

Sie wollte das gerade selber in die Hand nehmen, als eine Frau auf die Gruppe förmlich zu wirbelte. Sie hängte sich bei einem der Männer an den Arm. „Cherie, am Mittwochabend kommt Karin zu uns. Da hast du Zeit, oder?“

„Wenn sie kommt, immer.“

„Sie ist mit Dieters Haus fertig und das feiern sie heute Abend ein wenig. Der von Tressen ist dabei. Dieter meinte, wir sollen am Wochenende kommen, da die große Einweihungsfeier stattfindet. Der Architekt und Karin werden ebenfalls anwesend sein, anschließend feiern wir im Go bis zum Morgen durch. Ralf, du musst unbedingt mitkommen. Wo ist eigentlich Ulrike?“

„Sie geistert irgendwo mit dieser Melanie herum. Frage mich nicht.“

„Wir haben Urlaub, gehen wir feiern, sonst kratzt du mir sowieso die Augen aus“, lachte anscheinend der Ehemann, gab ihr einen Kuss.

„Sie steht bei Karin“, sagte ein anderer Mann. „Wenn ich sie sehe, frage ich mich jedes Mal, ob es wirklich so ein vollkommenes Geschöpf geben kann?“

„Meinst du Ulrike oder Karin?“

„Er meinte Karin, da er mehr auf Blondinen steht. Sie gibt es und sie ist fast vollkommen.“

„Meine holde Gattin hat recht. Sie ist etwas Einmaliges, ein Wesen, wie von einem anderen Stern, obwohl mir Ulrike besser gefällt, da sie mehr auf der Erde wandelt.“

„Ich habe Karin das erste Mal vor vierzehn, fünfzehn Jahren im Alsterhaus gesehen. Sie schaute Bücher an. Ich konnte sie nur anstarren, dachte dabei, das kann nicht sein. Sie war wie meistens ungeschminkt, trug den Arm eingegipst. Die Haut makellos, das Gesicht vollkommen symmetrisch. Sie schlenderte um so einen Tisch herum und irgendwie waren diese Bewegung so anmutig, erinnerte mich an eine schleichende Katze. Sie wirkte wahnsinnig feminin, entzückend. Sie muss wohl gespürt haben, dass ich sie beobachtete, schaute mich an. Wunderschöne Augen, aber da war diese Trauer, Wehmut, irgendetwas, dass ich dachte, was hat sie Scheußliches erlebt. Ich sprach sie an, reichte ihr meine Visitenkarte, aber sie sagte Nein. Monate später trafen meine Frau und ich sie am Jungfernstieg. Dieses Mal versuchte sie es, aber nur - nein. Ich hätte ihr sofort zwei Verträge mit Dior und Cartier anbieten können, aber sie sagte - Nein. Zwei Jahre später erzählte uns Heinz von einer neuen Innenarchitektin. Claudia war damals gerade schwanger und rief sie an, damit sie das Kinderzimmer einrichtet. Wir staunten, als wir unsere schöne Unbekannte sahen. Claudia meinte damals, sie wäre noch schöner geworden, obwohl das kaum noch möglich war. Sie richtete das Zimmer ein und wir trafen uns öfter. Heute ist es Freundschaft. Gefragt habe ich sie gewiss an die hundertmal, aber sie will nicht. Sogar Claude und Karl haben ihr persönliche Angebote unterbreitet, sind extra ihretwegen aus Paris eingeflogen, aber sie ist stur - Non.“

Rike bemerkte, wie Olaf zu ihr starrte, sah seine Wangenmuskeln zucken. Er nahm anscheinend keinen anderen Menschen mehr um sich herum wahr. Sie schaute sich nach Jutta um. Deren Gesicht wirkte wie eine hölzerne Maske, die blauen Augen schienen zu glühen, die schmalen Lippen waren so fest zusammengepresst, dass nur ein schmaler Strich sichtbar war.

„Ich möchte zu gern wissen, warum sie diese Wehmut, Traurigkeit in sich trägt.“

„Claudia sagte einmal, es muss eine Männergeschichte sein. Sie lebte jahrelang solo. Keiner kam an sie heran, obwohl gut aussehende und situierte Männer um sie warben. Sie stießen alle gegen eine Wand. Selbst bei ihrem Ex-Mann spürte man eine gewisse Distanz, und seit sie hier arbeitet, ist es noch offensichtlicher. Dabei möchte jeder so eine Frau verwöhnen, lachen, glücklich sehen, sie auf Händen tragen.“

„Das stimmt. Wenn man sie so sieht, sie wirkt so filigran und man möchte sie vor allem Bösen bewahren. Sie sollte lachen, sich freuen, glücklich sein.“

„Wer weiß, was ihr irgendwer Gruseliges angetan hat. Kranke Psychopathen gibt es leider zu viele. Frank, du kennst sie doch seit der Kindheit. War da etwas?“

„Frage die Frau, die neben euch steht.“

Die Paare drehten sich zu ihnen um, musterten Rike und Jutta.

„Oh Gott, was sind das denn für welche?“, flüsterte eine Dame, aber nicht leise genug einer anderen Frau zu. „Peinlich.“

„Die rollenden Tonnen von Sylt“, lachte ein Mann schallend.

„Wie kommen solche häss … Leute … hierher? Ich dachte immer, al... eh ... gehen nicht zu solchen Festlichkeiten. Kennt sie etwa jemand?“, erkundigte sich eine jüngere Frau bei den anderen.

„Schatz, bitte“, mahnte der Schauspieler.

„Kompromittierend. Jürgen, wenn die nun jemand mit uns sieht? Mehr als blamabel“, eine affektierte Ziege, wie Rike feststellte.

Rike sah Frank breit grinsen, während Olaf das Geplänkel anscheinend nicht mitbekam, da er nur zu Karin stierte.

„Wer von den Anwesenden sollte so etwas kennen? Ich bitte dich. Keiner nimmt seine Putze mit, wenn er abends ausgeht.“

Allgemeines Gelächter erklang.

„Wahrscheinlich Autogrammjäger. Holen wir uns Nachschub und trinken sie uns schön“, ein älterer Mann. „Fragen wir, ob sie für die Enkel ein Autogramm von dir wollen.“

Jutta hastete davon und Rike folgte rasch. Diese blöden Angeber schienen alle besoffen zu sein, empörte sie sich. Denen würde sie es eines Tages zeigen, wer sie war.

„Ich kann das Gerede nicht mehr hören tun. Die Hexe belügt alle. Ich verabscheue sie und wäre froh, wenn die endlich weg wäre“, sprudelte es voller Hass aus Rike heraus.

„Du hast recht. Wir sollten was tun, damit die verschwinden tut, diese hässliche Kuh. Für immer.“

Sie blickten sich verstehend an und schlenderten zu einer Gruppe, wo sie Fabian fanden.

Rike schaute sich um, sah Karin bei dem Schnösel stehen. Eine große Gesellschaft hatte sich dort gebildet, auch diese Prominenten dabei. Sie amüsierten sich anscheinend köstlich, stießen mit den Sektgläsern an. Olaf stand neben einer Brünetten. Diese Frau sah unverschämt gut aus. War das diese Melanie? Er schien dort jeden zu kennen. Abermals stieß man an. War bestimmt Champagner drinnen, urteilte sie neidisch. Uta und Frank standen ebenfalls dabei. Diese Reichen bildeten sich zu viel ein, dachte sie zornig. Wütend, besonders darüber, dass man sie nicht beachtet, ihr kein Glas Champagner angeboten, sogar verspottet hatte. Dabei gehörte sie bald genau zu diesen Leuten. Alle würden kommen und ihren exquisiten Schmuck kaufen. Diese Diamantringe der Damen kosteten ein Vermögen, aber das, was man bei ihr bekam, war wesentlich wertvoller und schöner. Ja, ich werde in Kürze dazugehören. Sie guckte rasch weg, als Olaf diese hässliche Braunhaarige flüchtig auf die Wange küsste, den Arm um sie legte, lachte. Sie musste Uta fragen, wer diese Frau war.

Sie unterhielt sich, aber der Spaß war ihr irgendwie vergangen. So verließ sie das Fest und fuhr mit Fabian zurück. Der hatte noch eine Verabredung, wie er sagte. Mit wem, dazu schwieg er beharrlich, selbst einen Kaffee bei ihr lehnte er ab.

Sie verabschiedete sich kurz angebunden von Fabian und hastete hinein. Mitunter nervte Fabian sie mit seinem Getue, den schmachtenden Blicken, dem Liebesgesäusel und seiner Neugierde, was sie betraf.

Oben, in ihrem Schlafzimmer war jedoch alles vergessen. Sie hatte diese kleine Festlichkeit genossen, die warme Nachtluft, die Menschen, das fröhliche Geplauder, die bewunderten Blicke der Männer.

Im Bett liegend sah sie Karin und den Beau vor sich. Warum musste diese Hexe sich an jeden Mann werfen? Warum fiel der auf diese hässliche Kuh herein? Ob er verheiratet war? Sie hatte nicht auf einen Ehering bei ihm geachtet, aber er sah umwerfend aus, hatte anscheinend viel Geld, jedenfalls nach dem Schmuck seiner zukünftigen Schwägerin zu urteilen.

**

Sie öffnete weit das Fenster und schaute hinaus. Vor ihr das satte Grün des Sommers. Schafe fraßen auf der Wiese nahe den Klippen, blökten hin und wieder. Sie streckte die Arme hoch in die Luft, atmete tief die frische Luft ein, die jetzt zu ihr hineinströmte. Eine Luft, die ihr den leicht salzigen Geruch des Meeres zuwehte. Westwind registrierte sie automatisch. Immer wenn der Wind vom Westen über das Meer kam, roch man die Nordsee. Einen Geruch, den sie liebte und ganz besonders, wenn sie gerade aufgestanden war. Sie griff nach dem blau-weiß gestreiften Herrenhemd, ein Überbleibsel von Kai, zog es über und schloss nur zwei Knöpfe, bevor sie in die Küche ging, Radio und Kaffeemaschine einschaltete. Weit öffnete sie die Tür, die von der Küche in den Garten führte, blieb einen Moment stehen, zog tief die Luft ein. Der Rasen schimmerte noch wie mit silbernen Punkten gesprenkelt. Die ersten zaghaften Sonnenstrahlen ließen die Tautropfen glitzern. Sie widerstand dem Drang barfuß über dieses feuchte Grün zu laufen, wandte sich um und schüttete Cornflakes in eine Schüssel, einige Mandelsplitter dazu, reichlich Zucker, goss Milch darüber und nahm die Schüssel mit zu ihrem Schreibtisch. Das große, alte Möbelstück war übersät mit Zeichnungen. Sie aß in Ruhe, studierte dabei die Bleistiftskizzen und legte zwei beiseite.

Rike räumte das Geschirr weg, duschte und zog Shorts und ein Top über, räumte das Schlafzimmer auf. Sie hörte, dass ihre Mutter wach war und betrat die Küche, gab ihr einen Kuss. Sie deckte gerade den Frühstückstisch, als es klingelte. Sie sah ihre Mutter überrascht an. „Wer ist das denn so früh?“

„Gehe hin, dann weißt du es. Woher soll ich das wissen?“

Als Rike die Tür öffnete, reichte ihr ein Bote einen großen Strauß Sonnenblumen. „Für Maike Jessen.“

Erstaunt sah sie die Blumen in ihrer Hand an und ging zu ihrer Mutter.

„Die sind aber schön. Ein Verehrer, mein Kind?“

„Ach, Quatsch. Keine Ahnung, von wem die sind.“

„Fabian?“

Rike entfernte das Zellophanpapier und sah die kleine Karte: Ich möchte mich bei der jungen Dame für gestern Nachmittag entschuldigen.

„Der spinnt wohl.“

Wütend warf sie die Blumen in den Mülleimer, was ihr einen verdutzten Blick ihrer Mutter einbrachte.

„Was ist das denn? Die schönen Blumen.“

„Von dem arroganten Schnösel von gestern. Der will mich anbaggern.“

Sie hörte ihre Kinder, die gleich darauf in das Esszimmer stürmten, „Guten Morgen“ riefen. „Wer war das denn so früh am Morgen?“

„Blumen von diesem blöden Kerl.“

„Der mit dem Eis?“

„Genau.“

„Wirf sie dem an den Kopf“, stellte Malte fest.

„Ist doch nett von dem Mann.“

„Oma, der ist ein Dösbaddel.“

„Das sagt man nicht und der Herr war ansonsten nett. Erzählt lieber, wenn ihr gestern alles getroffen habt. Über was habt ihr geredet und mit wem?“

Die Teenager verzogen das Gesicht.

„Ist dieses Wochenende Ringreiten?“, lenkte Greta fix ab.

Malte zwinkerte ihr zu. „Nee, Oma, nächste Woche. Montag ist die Mittsommernachtswanderung um die Odde.“

„Ja, am 20. Juni berührt die Sonne den Wendekreis des Krebses und steht damit in ihrem nördlichsten Winkel zur Erde. Diese Konstellation beschert der Nordhalbkugel den längsten Tag und somit die kürzeste Nacht des Jahres.“

„Genau, Oma. Mama, wir wollen zum Wasser hinüber. Sind coole Wellen und ich muss üben.“

„Fahren wir nach dem Frühstück. Mal sehen, wie kalt das Wasser ist.“

„Können wir nicht allein los?“

„Nein, weil das zu gefährlich ist. Seid ihr da etwa mit jemand verabredet?“

„Ich gehe nicht rein. Da erfriert man ja“, Maike nun.

„Warum willst du dann dahin? Mit wem bist du verabredet?“

„Mit keinem.“

„Kommt ihr nun in den Ferien zu uns?“, schritt Greta abermals ein. Die immense Neugier ihrer Tochter schien allmählich krankhaft zu sein.

„Müssen wir ja. Wir sollen doch die Jolle aufarbeiten“, Malte wenig begeistert.

„Mama, sie freuen sich.“

„So mein Mädchen, ich muss gleich los.“

„Warte Mama. Ich trage dir die Tasche zum Auto hinunter.“

Rike rief ihre Kinder, damit sie sich von der Oma verabschieden konnten, fiel ihrer Mutter weinend um den Hals.

„Danke für deine Hilfe, Mama, und grüß schön. Rufst du nachher an, wenn du angekommen bist?“

„Ist gut, mein Mädchen. Du weißt doch, dass ich das gern mache. Ich melde mich, sobald ich angekommen bin. Wir kommen ja in drei Wochen zu deinem Geburtstag.“

Rike winkte traurig dem davonfahrenden Wagen hinterher. Jetzt war sie wieder mit den Zwillingen allein. Sie ging in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen, da sah sie die Blumen in einer Vase auf dem Tisch stehen. Sie setzte sich und schaute diese versonnen an. Schön war der Strauß ja. Sie liebte große Sonnenblumen, nur woher wusste er das?

Sie räumte die Wäsche in die Waschmaschine, schaute kurz in das Gästezimmer, ob das Fenster offen war, und kippte es.

„Mama, komm schnell, Maike ist hingeflogen und blutet.“

Rike hastete in den Garten, sah ihre Tochter lachend stehen.

„Ist doch nur was Kleines. Du Blödmann, musst immer alles liegenlassen“, meckerte sie den Bruder an, gab dem Surfbrett einen Tritt.

„Spinnst du?“

„Hört auf zu streiten. Maike, das Brett war teuer, also bitte. Was habt ihr sonst angestellt?“

„Nichts“, kam es wie aus einem Mund. „Aber die Äpfel sind weg.“

„Gut. Sucht eure Sachen zusammen, dann fahren wir. Malte, das Brett legst du hinten hinein, aber dieses Mal, ohne dass mein Auto einen Kratzer abbekommt.“

 

Sie schaute ihrem Sohn zu, der sich auf das Surfbrett schwang und weit hinausgetragen wurde, während ihre Tochter mehr am Rand entlang surfte. Sie konnte es noch nicht so professionell wie Malte. Sie musterte nun die wenigen Personen, da sie wissen wollte, mit wem ihre Kinder verabredet waren. Sie kannte niemand, da es anscheinen nur Touristen waren. Aber das würde sie noch herausbekommen.

Ihr entging, da sie davon keine Ahnung hatte, dass ein anderer Surfer wie zufällig öfter zu Malte und Maike glitt, dass man miteinander sprach.

Nach einer Weile legte sie sich hin, genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Das war heute das erste Mal, das die Sonne dermaßen heiß vom Himmel schien und trotz des Windes war es warm. Zum Schwimmen war es in der Tat entschieden zu kalt.

Sie spürte den Schatten auf ihrer Haut und schaute verblüfft auf, um sich im nächsten Moment überrascht aufzusetzen.

„Können Sie nicht woanders hingehen? Sie stehen in der Sonne“, fauchte sie ihn aufgebracht an, streckte jedoch ihren Körper, zog den Bauch rasch ein. Er sollte sehen, dass sie wesentlich besser als Karin aussah.

„Das war beabsichtigt.“

„Würden Sie bitte gehen, es ist ja wohl genug Platz woanders vorhanden.“

„Gehört das Terrain Ihnen? Sind Sie kontinuierlich so kratzbürstig und überheblich?“

„Nur bei Leuten, die ich nicht mag.“

„Sie kennen mich nicht, sind voreingenommen.“

„Das ist gut so, mehr muss ich nun wirklich nicht von so einem wissen.“

Rike nahm ihr Shirt und streifte es über.

„Meinetwegen müssen Sie sich nicht anziehen. Ich weiß, wie eine ältere Frau aussieht. Angezogen sehen Sie besser aus.“

Sie schnappte nach Luft, starrte ihn fassungslos an. Blödsinn, er wollte sie ärgern, wusste sie nach einigen Sekunden.

„Ich ziehe mich nicht wegen Ihnen an, sondern weil ich gehen will. Mir gefällt es nicht mehr.“ Sie funkelte ihn wütend an, was er mit einem Lachen beantwortete. Sie stand auf, zog ihre Shorts an und merkte, wie er sie dabei beobachtet. „Wie wird man Sie letztlich los?“

„Indem Sie und die zwei Jugendlichen mit mir und meinem Sohn essen gehen“, entgegnete er betont unbeeindruckt.

„Halten Sie mich für dumm oder was soll das? Bevor ich mit Ihnen essen gehe, geht die Welt unter oder ich verhungere lieber.“

„Fragen Sie da nicht Ihre Kinder?“

Sie hatte die Hände in die Hüften gelegt und sah ihn mit blitzenden Augen an. Ihre Wangen nun stark gerötet und das ärgerte sie, da sie die Hitze förmlich spürte.

„Sie sind Kinder, die da gewiss kein Mitspracherecht haben, aber sie würden generell nicht mit Ihnen weggehen. Ich kenne sie.“

„Eben nicht. Schönen Tag noch“, ließ er sie stehen und sie blickte dem Mann überrascht nach, der nun langsam davon spazierte. Sie hatte damit gerechnet, dass er sie nochmals bitten ... Sohn? Der hatte also eine Familie, dachte sie enttäuscht, sammelte nun ihre Sachen ein und setzte sich nahe dem Wasserrand hin. Sie erblickte, dass Maike aus dem Wasser lief, ihr Brett unter dem Arm tragend.

„Es ist lausig kalt, trotz Anzug.“

„Ziehe ihn aus und setz dich in die Sonne, da wird dir warm.“

Sie schaute sich verstohlen um, sah ihn aber nicht mehr. Wieso musste er ausgerechnet hier auftauchen? Die Blumen fielen ihr ein. Woher hatte der überhaupt ihre Privatadresse? Er wusste doch nicht, wie sie hieß.

„Wann kommt nun deine Verabredung?“

„Welche Verabredung? Mama, du siehst Gespenster“, lachte Maike, blickte zu ihrem Bruder und dem anderen Mann.

„Werde nicht frech.“

 

Zu Hause nahm sie erbost die Blumen aus der Vase und knallte diese auf den Komposthaufen. Was bildete der sich ein? Der soll sich um seine Familie kümmern, mich in Frieden lassen.

Nach dem Mittagessen verabschiedeten sich ihre Kinder, da die zu Freunden wollten und sie legte sich auf den Liegestuhl, musterte den Garten. Der kam immer irgendwie zu kurz und durch den vielen Regen in den letzten Wochen, den plötzlichen Wetterumschwung vor einigen Tagen, mit der sommerlichen Wärme, wucherte das Unkraut. Das Grundstück war zu groß und sie schaffte es nie, dass es so akkurat und gepflegt aussah, wie noch zu Lebzeiten ihrer Großeltern. Morgen würden Maike und Malte den ganzen Tag Arbeit bekommen und für Ordnung sorgen. Wenn sie denen nicht ständig alles sagte, taten die nichts. Sie waren zu verwöhnt. Die gesamte Arbeit blieb an ihr hängen.

**

Rike hatte gerade ihren kleinen Laden geöffnet, als ein Bote ihr einen Blumenstrauß, diesmal bunte Sommerblumen, überreichte. „Warten Sie einen Moment. Geben Sie die Ihrer Frau, die freut sich darüber, ich nämlich nicht.“

Der Mann schaute sie verdattert an, nahm aber die Blumen dankend mit. Sie ging nach hinten und holte die Bilder vom Freitag heraus und war Sekunden später in ihre Arbeit vertieft.

Die Ladenklingel riss sie von ihrer Arbeit fort. Sie war über das Erscheinen ihrer Kundin sehr erfreut und zeigte ihr gleich die zwei Colliers.

„Frau Jessen, Sie sind wunderschön. Da sieht man gleich zehn Jahre jünger aus und die kleinen Mängel fallen nicht mehr auf. Alle blicken nur noch auf diese Kunstwerke.“ Sie lächelte Rike an, was diese erleichtert erwiderte.

„Ich nehme das mit den Rubinen. Es passt besser zu dem Kleid.“

„Etwas Einmaliges und edel. Das ist Gold, 24 Karat selbstverständlich. Die Rubine stammen aus Sri Lanka. Sie gelten als die Wertvollsten überhaupt. Geschliffen wurden sie im Cabochon-Schliff. Jeder der einmaligen Rubine wurde besonders eingefasst, wie man sieht. Wünschen Sie noch eine Änderung?“

„Nein, so ist es perfekt, fast zu perfekt.“

„Danke, Frau Baron. Bis wann benötigen Sie die Garnitur?“

„Hat Zeit, da wir in Urlaub fliegen. Sagen wir Anfang August. Da haben Sie keinen Zeitdruck.“

Erneut bimmelte die Ladenklingel und ihre gute Laune war mit einem Schlag verschwunden. Sie konzentrierte sich auf die vor ihr sitzende, ältere Dame, und besprach noch ein paar Kleinigkeiten mit ihr, während ihr Blick zyklisch zu dem Mann glitt, der die ausgestellten Schmuckstücke ansah. Schließlich stand die Dame auf, verabschiedete sich herzlich von Rike, welche diese noch zur Tür begleitete.

„Was wollen Sie?“, meckerte sie ihn gleich barsch an, sobald die Tür geschlossen war.

„Mir die Broschen ansehen.“ Er blickte sie lächelnd an.

„Wie deutlich muss ich es noch sagen, dass Sie es verstehen. Ich werde nie mit Ihnen essen gehen, lieber verhungere ich. Kapiert? Verstanden? Vielleicht verstehen Sie nicht so gut deutsch. Ich kann es gern in Englisch, Dänisch und Französisch wiederholen.“

„Die Sprachen können Sie alle? Schreiben Sie es an die Tür, damit es jeder erfährt. Warum wollen Sie mir nichts verkaufen?“

Sie sah seinen spöttischen Blick, was sie nur noch wütender machte.

„Weil ich Sie nicht mag. Was ich von Ihnen halte, sagte ich bereits. Ich möchte keine Blumen mehr. Die Ersten habe ich in den Mülleimer geworfen, die heute dem Boten gegeben. Es ist doch schade um Ihr schönes Geld. Wie meine Tochter sagte, gutes Benehmen kann man nicht kaufen.“

„Welche Blumen? Der Strauß Sonnenblumen gehörte Ihrer Tochter. Warum sollte ich Ihnen Blumen schicken? Sie kennen mich nicht, zum anderen dachte ich, dass man auch an Kunden verkauft, die man nicht sympathisch findet.“

„Das reicht mir, mehr möchte ich bestimmt nicht von Ihnen kennenlernen, aber das sagte ich, nur Sie begreifen es anscheinend nicht.“

„Gut. In anderen Läden bekommt man ebenfalls Schmuck.“ Er schaute sie lächelnd an, wandte sich um, öffnete die Tür.

„Entschuldigung. Natürlich verkaufe ich Ihnen etwas. Was wollten Sie?“

Er deutete auf einen Schmetterling, einer ihrer Lieblingsstücke. Wenigsten scheint er Geschmack zu haben, schwirrte es ihr durch den Kopf.

„Aber sicher, dafür arbeite ich schließlich.“

„Aha, wenn Geld winkt, lenken Sie wenigstens ein.“

Sie trat zu der Vitrine, holte das Stück heraus und zeigte es ihm nochmals.

„Das ist ein großer Schillerfalter aus hochwertigen Materialien. Die Unterlage ist Gold, 24 Karat. Die Steine sind edle, seltene Saphire und …“

„Mir gefällt die Farbkomposition.“

„Soll ich es verpacken?“

„Ja, ein wenig Papier Drumherum reicht.“

Sie ging nach hinten. Kurze Zeit später spürte sie, wie er sie beobachtete, und drehte sich um.

„Ich bin sofort fertig. Sie können gern vorn Platz nehmen. Es dauert nicht mehr lange.“

„Danke. Darf ich hereinkommen?“

„Bitte.“

Sie bemerkte, wie er sich interessiert umschaute, die Fotos ihrer Kinder hochnahm und die anschaute. „Exzellent, faszinierend. Ihre Kinder sind sportlich.“

„Allerdings und surfen ist neben Reiten wohl unser liebstes Hobby.“

„Sie haben das gut eingefangen, gerade wegen des Gegenlichtes.“

„Danke.“

„Wie erkennt man, dass dabei solche Aufnahmen herauskommen? Das sind doch nur Sekundenbruchteile.“

„Keine Ahnung. Manches ist wahrscheinlich Glück“, erwiderte sie, da sie keinerlei Kenntnisse vom Fotografieren besaß. Die Bilder hatte Frank geknipst.

„Entwerfen Sie das alles?“

„Sicher, nur selten sagen Kunden, was sie sich genau vorstellen. Ich habe einen perfekten Blick für Interessenten und weiß exakt, was zu ihnen passt, obwohl es blasierte Menschen gibt, die sich einbilden, sie könnten das besser beurteilen. Meistens liefert mir die Natur die Vorlagen.“

Sie blickte auf, hielt inne und schüttelte leicht den Kopf. Bin ich tatsächlich verrückt, mich mit ihm über meine Arbeit zu unterhalten? Ausgerechnet mit ihm? Sie bemerkte, wie er sie erstaunt ansah, bevor er schallend lachte.

„Ja, roter Rubin zu einem Kleid mit Violett. Wirklich absolut passend. Danke. Behalten Sie den Schmetterling. Guten Tag“, drehte er sich herum und verließ den Laden.

Sie stand perplex da, eilte zur Tür, riss diese auf, wollte ihm Nachrufen, als sie zwei Polizisten erblickte, die durch die Fußgängerzone schlenderten. Sie ging zurück, schaute dem Mann jedoch nach und sah, wie er den Juwelierladen betrat. Voller Wut wartete sie, bis er herauskam, aber er entfernte sich in die andere Richtung. Der Kerl hatte es in der Tat gewagt, in diesem Geschäft zu kaufen? Beim nächsten Mal würde sie dem Schnösel noch einiges mehr an den Kopf werfen. Sie packte das Kästchen aus, legte den Schmetterling zurück, fluchte dabei, dass ihr der Verdienst durch die Lappen gegangen war, alles nur, weil der Lackaffe nie die Wahrheit hören wollte. Hoffentlich hatte er es jetzt begriffen und ließ sie in Zukunft in Ruhe. Nun widmete sie sich dem Armband der Frau Baron und vergaß für Stunden alles um sich herum, während sie sich dabei vorstellte, was sie von dem Geld alles kaufen konnte.

 

Bevor sie nach Hause fuhr, brachte sie die Kleidung der Zwillinge zurück und kaufte sich ein 2-teiliges Kleid für den Gutschein, den sie dort erhielt. Ihre Mutter hatte richtig viel Geld dafür ausgegeben. So kam sie zu einem wirklich teuren, schicken Kleidungsstück.

**

Im Laden angekommen, sah sie den Strauß Sommerblumen vor der Tür liegen. Sie atmete deren Duft ein und stellte ihn vorn in einer großen Vase auf den Boden hin. Es sah hübsch aus und brachte etwas von Sonne und Sommer in den kleinen Verkaufsraum. Heute musste sie vorne alles ausräumen, da der Morgen neu gestrichen werden sollte.

 

So zog sich die Woche hin, sie erhielt jeden Tag ein Bukett anderer Blumen, was sie langsam belustigte. Ausdauer hatte er. Überall standen die Sträuße. Was wohl seine Frau dazu sagen würde, geisterte es ihr durch den Kopf, den sie bei dem Gedanken leicht schüttelte. Der Typ war wirklich das Allerletzte. Der dachte, weil er anscheinend etwas Geld hatte, konnte er alles kaufen. Süß sah er ja aus und elegant. Ein Beau eben. Wahrscheinlich stimmte es in seiner Ehe nicht mehr und er lebte in Scheidung. Nun hatte er sich dem Anschein nach Hals über Kopf in sie verliebt. Rike von Tressen hörte sich eigentlich gut an. Exquisite Geschmeide von Rike von Tressen. Auserlesene Juwelenkreationen von Rike von Tressen. Rike von Tressen und ihr Gatte oder besser Gemahl geben sich die Ehre, heute um 21.00 Uhr zum … zu laden. Wenn man mit so einem Mann verheiratet war, wie wurde man da eigentlich angeredet, tüftelte sie. Frau Baronin? Frau Gräfin? Sie wusste es nicht.

Sie versuchte Uta zu erreichen, weil sie wissen wollte, ob sie am Samstag zu dieser Feier gehen würden. Vermutlich konnte sie mitgehen. Sie war noch nie bei solchen Prominenten eingeladen gewesen und das würde sofort ihren Bekanntheitsgrad heraufsetzen. Außerdem würde sie dort Manuel von Tressen treffen. Nur die meldete sich nicht und zum sechsten Mal hinterließ sie eine Nachricht.

 

Nachmittags kaufte sie zwei neue Kleider, ein Abendkleid für Samstag und ein paar Schuhe mit passender Handtasche. Sie grübelte, welchen Schmuck sie alles dazu tragen könnte. Es mussten viele Stücke sein, damit man ihr nicht ansah, dass sie nicht wirklich zu den Reichen gehörte.

Durch den Verkauf des Ensembles hatte sie reichlich verdient und wollte sich selbst damit belohnen. Eventuell erschien er plötzlich im Laden, wollte mit ihr ausgehen und dafür musste sie gerüstet sein.

Beim Verlassen des Ladens erblickte sie seine Schwägerin. Sie kam gerade aus dem Juwelierladen, trug eine kleine Tasche. Die Frau unterhielt sich mit einer anderen, schlenderte an ihr vorbei.

„Ich hoffte, dass der Schmuck Raul gefällt. Manuel hat gleich gesagt, ich soll diesen Kitsch in diesem Ramschladen nicht kaufen.“

„Gibt den Plunder zurück. Diese Person hat euch über den Tisch gezogen, da der Preis eine Unverschämtheit ist.“

„Impertinent. Raul wird den Kram zurückgeben, hat er getobt. Als ich mir den zu Hause nochmals anschaute, habe ich mich gefragt, wieso ich den genommen habe?“

„Du hast ja gehört, wie sie am Sonntag alle darauf reagiert haben. Diese Frau wird von unseren Verwandten und Bekannten gewiss keinen mehr dermaßen dreist betrügen. Eine Frechheit.“

„Als Manuel bei ihr eine Brosche kaufen wollte, sprach sie ihn dumm-dreist, frech an. Er fand dafür einen tollen Schmetterling in dem Laden, wo wir gerade waren. Himmlisch. Mama hat sich darüber gefreut. Soll das Raul klären. Veranstaltet diese Hochstaplerin Zirkus, wird er das nicht nur an die Polizei, sondern an die Presse geben, dann kann diese Aufschneiderin schließen. Stell dir vor, diese impertinente Person beschimpfte danach sogar Manuel, betitelte ihn als alt, nur weil er ihr die Meinung sagte. Da erzählte sie einer älteren Dame noch stolz, dass sie uns um 500 Euro betrogen hatte.“

„Man sollte diese Betrügerin anzeigen. Eine Person ohne Stil, Benehmen, dazu keine Figur, eher unterer Durchschnitt. So eine Art Hausmütterchen, mehr ist sie nicht. Ich habe sie einmal gesehen, hat mir gereicht. Dass jemand überhaupt bei ihr kauft?“

„Wahrscheinlich Touristen, die sie so übervorteilt. Das meiste ist purer Plunder.“

„Kommt heutzutage alles aus China, und so eine Person bezeichnet sich als Goldschmiedin. Chuzpe. Diese Glasteile fallen beim bloßen Anfassen heraus. So ein Vorgehen nennt man Betrug.“

„Raul soll das managen, da ich gewiss nie mehr einen Fuß in diesen Laden setze.“

„Wie weit seid ihr mit der Einrichtung?“

Rike stand wie erstarrt, schaute den Frauen entsetzt nach. Das war eine Frechheit. Na, der Kerl würde was zu hören bekommen. So nicht. Als wenn sie sich von solchen Angebern in die Knie zwingen ließe.

 

Kurz vor Ladenschluss erschien ein älterer Herr, legte prägnant den Schmuckkarton auf den Tresen und forderte die Rücknahme. Als sie das lautstark ablehnte, zeigte er ihr eine Expertise, die sein Mandant, Raul von Tressen hatte anfertigen lassen und daraus ging hervor, dass dort nur minderwertiges Material verarbeitet worden war. Er könnte das Einklagen, falls sie jetzt Zirkus veranstaltete. Das würde man Betrug nennen und wäre ein Straftatbestand. Sie gab ihm einen Scheck und er verließ den Laden. Sie las diesen Wisch durch und warf den zornig in den Müll. Ein blöder Kerl kritzelte da irgendwelchen Mist. Der besaß null Wissen, wie viele Stunden sie darüber gesessen hatte. Ob nun 333er oder 999er Gold war dabei wohl unwichtig. Das sah sowieso niemand und bei dem Morganit war es ähnlich.

 

Zu Hause erwartete sie eine Nachricht von Uta, die es strikt ablehnte, dass sie mit zu dieser Feier ging. Er wären nur eingeladene Personen erwünscht und die habe der Besitzer ausgewählt. Hunz und Kunz hätten da keinen Zutritt. Nicht mal normal reden, können diese Proleten, hörte man im Hintergrund Franks Stimme.

Rike schäumte einmal mehr vor Wut, dass die sich weigerten, sie mitzunehmen. Das nannten sich nun Freunde. Ihre Enttäuschung, den Ärger ließ sie an den Zwillingen aus, denen sie lautstark klarmachte, dass sie in Zukunft weniger Freizeit hätten, da im Haushalt und im Garten genug Arbeit auf sie wartete. Schluss mit der Faulenzerei und das alles permanent an ihr hängen blieb. Malte maulte deswegen und so entwendete sie ihnen die Handys und verbot ihnen jeglichen Umgang mit dem Computer, daneben sollten sie gleich anfangen und endlich ihren Wagen waschen. Danach würde sie noch mehr Arbeiten haben.

 

Freitagabend besuchten sie überraschend Jutta und Olaf. Sie saßen gemütlich bei einem Glas Wein zusammen, obwohl Olaf kaum ein Wort sprach, nur missmutig vor sich hinstarrte.

Sie bemerkte, wie Jutta sie beobachtete, machte sich aber keine weiteren Gedanken darüber. Als sie beide für einen Moment allein waren, fragte sie: „Rike, hast du eigentlich den Mann wiedersehen tun?“

„Welchen Mann?“ Sie sah Jutta erstaunt an.

„Na, diesen dunkelhaarigen …?“

Rike sah ihre Freundin total perplex an, lachte schallend. „Wie kommst du denn darauf? Nein.“

Sie erzählte ihrer Freundin nichts von dem Zusammentreffen und den Blumen. Sie ahnte, dass Jutta da mehr hineininterpretieren würde, als es war.

„Wollte nur mal fragen tun. Er sah gut aus.“

„Das Aussehen ist nicht alles, obwohl er etwas von einem Beau an sich hat.“

„Also doch Feuer gefangen?“

„Du spinnst. Er sieht so aus, wie er ist, ein arroganter Lackaffe. Der Kerl heiratet oder ist gerade frisch verheiratet, zieht ohne seine Frau um die Häuser. Toller Mann.“