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Ein Leben, das vor allem auf die Erfüllung persönlicher Bedürfnisse ausgerichtet ist, führt früher oder später zu bitterer Enttäuschung. Albert Einstein Alles, und zwar sofort Nach einem Autounfall erkennt Mareike nicht nur, dass ihr Mann sie betrügt, sondern auch, dass ihre zwei Kinder kein Interesse an ihr haben. Sie fährt kurz entschlossen zu ihren Eltern nach Hamburg. Die Ärzte betreiben dort eine Privatklinik. Die nächsten Monate lässt sie sich von allen betütteln, genießt ihr Leben, schmiedet große Pläne für einen Neuanfang. Sie lernt einen Mann kennen. Es ist sofort die große Liebe. Als auch diese Verbindung nach einigen Wochen zerbricht, weil er sie ausgerechnet mit der Tochter betrügt, wendet sie sich dem nächsten Mann zu: einem Arzt aus der Klinik ihrer Eltern. Der jedoch zeigt keinerlei Interesse an ihr. Als sie in ihrem Blumenladen niedergeschlagen wird, reist sie, da sie sich erholen muss, auf die Insel Amrum. Dort trifft sie den Arzt mit zwei Kindern. Dass er verheiratet ist, Familie hat, schreckt sie nicht ab, ihn unbedingt zu wollen. Abends lädt sie ihn zu einem Glas Wein in ihr Zimmer ein. Dort flirtet sie nicht nur heftig mit ihm, fasst ihn an, bis es zum Sex kommt. Danach geht er, sagt ihr, dass es ein Fehler war. Sie träumt jedoch schon von einem gemeinsamen Leben in Hamburg. Doch es soll alles anders kommen. Erst ein Unfall, bei dem ihr Sohn schwer verletzt wird, holt sie auf den Boden der Realität zurück. Alina bekommt noch als Schülerin ein Baby. Dank ihrer Eltern und Großeltern schafft sie einen Schulabschluss und wird Übersetzerin. Sie hat nie verwunden, dass der Erzeuger sie seinerzeit sitzen ließ. Sie zieht Jahre später zu dem Grossvater nach Sylt. Endlich kann sie das Leben leben, welche ihr zusteht, sie immer wollte. Partys mir den Reichen, schicke Kleidung - eben zu den Oberen dazugehören. Dabei bemerkt sie nicht, dass sie in eine Abwärtsspirale gerät, sie auch den Sohn sträflich vernachlässigt.
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Seitenzahl: 638
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Angelika Friedemann
2-Sylt-Erzählungen
Alles, und zwar sofort
Mein anderes Ich
Impressum
Copyright: © 2023. ISBN: 9783734742156. Alle Rechte am Werk liegen beim Autor: Angelika Friedemann, Herrengasse 20, Meinisberg,ch, [email protected]
Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mithilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.
Picture - Quelle: piqs.de, Bildtitel: Stranddämmerung, Fotograf: auwald
Alles, und zwar sofort
Ein Leben, das vor allem auf die Erfüllung persönlicher Bedürfnisse ausgerichtet ist,
führt früher oder später zu bitterer Enttäuschung.
Albert Einstein
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Mareike schlug die Augenlider auf und wurde von dem grellen Licht geblendet. Schnell kniff sie diese wieder zu.
„Frau Eriksen-Schubert, erschrecken Sie nicht, aber Sie liegen im Krankenhaus“, sagte eine freundliche tiefe Männerstimme. „Sie hatten einen Autounfall. Ich bin Doktor Bader.“
Sie wollte etwas sagen, brachte nur ein Krächzen heraus.
„Später. Sie haben den linken Arm gebrochen, eine leichte Gehirnerschütterung, die Schulter war ausgekugelt, eine vordere Rippe ist angeknackst. Dazu summieren sich ein dickes Knie, ein angeknackstes Wadenbein, einige Hämatome.“
„Mir fällt es allmählich ein. Der Lieferwagen, der auf mich zuschoss“, krächzte sie leise. Es kostete sie ungeheure Anstrengung. Der Mund war so trocken.
„So wurde es uns gesagt.“ Er goss Mineralwasser in ein Glas, half ihr, sich ein wenig aufzurichten, und sie trank durstig, betrachtete ihn dabei. Er sah einfach umwerfend aus, so männlich wie seine Stimme.
„Danke! Was ist mit dem Fahrer?“
„Er liegt ebenfalls hier, da er höchstwahrscheinlich einen Herzanfall bekam. Er lebt.“
„Eine gute Nachricht. Ist ihm sonst … nichts weiter … passiert?“, tat sie bewusst mitfühlend, obwohl sie der blöde Kerl nicht interessierte. Das würde teuer für den werden. Mindestens 10.000 Euro am Tag Schmerzensgeld würde sie fordern.
Als der Arzt lächelte, wusste sie, dass sie ihn richtig eingeschätzt hatte. „Sie nehmen das sehr gelassen auf, obwohl Sie verletzt sind und Ihr Wagen vermutlich Schrott.“
„Ist ein Menschenleben nicht etliches wertvoller? Autos gibt es noch zu kaufen, da leben wir nicht mehr. Das Leben wird uns nur einmal geschenkt. Ein Spruch von meinem Vater. Könnte ich bitte noch Wasser erhalten, Doktor …?“
„Bader.“
„Entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihren Namen vergessen habe. Ich bin ein noch ein kleines bisschen durcheinander.“
„Verständlich. Die Schwestern bringen Ihnen etwas zu trinken, gipsen den Arm jetzt vollständig ein, danach schiebt man Sie auf die Station. Sollten Sie irgendwo Schmerzen bekommen, klingeln Sie bitte.“
„Danke, wird schon nicht so schlimm werden. Darf ich bitte kurz telefonieren?“
„Ihr Mann wurde von der Polizei benachrichtigt, Frau Eriksen-Schubert. Auf der Station erhalten Sie nachher ein Telefon, falls Sie das wünschen. Das Handy dürfen Sie hier nicht benutzen, da das eine Unfallstation ist. Ich sehe später nochmals nach Ihnen.“
„Danke, Doktor Bader.“
Er gab der Schwester leise einige Anordnungen, verließ die Kabine. Kurz darauf hörte sie seine tiefe, sonore Stimme leise nebenan. Eine Schwester sprach ihn an, dass der OP fertig sei.
Es wurde bereits dunkel, als Mareike erwachte. Einige Sekunden blieb sie so liegen, musste überlegen, wo sie war. Sicher der Unfall. Sie probierte sich aufzurichten, spürte das Hämmern im Kopf. Irgendwie war ihr übel. Ihre Hand taste nun über ihren Körper, die Bandagen. Der Mediziner setzte sie doch gewiss in Kenntnis, wo sie verletzt war? Sie grübelt, aber es fiel ihr nicht ein, nur das der Arzt gut aussah, schöne Augen und schlanke Finger ohne Ehering hatte. Die konnten bestimmt zärtlich streicheln. Sie drehte sich ein wenig, unterdrückte ein Stöhnen, da die Bewegung schmerzte. Endlich fand sie einen Lichtschalter.
Für einen Moment blinzelte sie. Sie guckte sich um, versuchte, sich langsam hinzusetzen, biss dabei die Zähne zusammen. Mühevoll gelang es ihr. Sie schlug die weiße Bettdecke beiseite, schaute auf ihr linkes Bein, welches bis Mitte Oberschenkel in weißen Verband gepackt war. Ihr Blick fiel auf ihre linke Hand, deren Handrücken ein merkwürdiges blaugrau zierte. Es stach kaum von dem jeansblauen Nagellack ab.
Genau, der Arzt sagt, alles gebrochen, Gehirnerschütterung, Schulter ausgekugelt, Rippen gebrochen, Hämatome. Ihre rechte Hand hingegen sah völlig normal aus, allerdings am Arm auch ein blauer Fleck. Ach ja, da war sie ja vorgestern gegen den Nachtisch gestoßen. Unwichtig! Mit der rechten Hand tastete sie zu der Schulter, die ebenfalls dick verbunden war, folgend an den Kopf. Da gab es keinen Verband. Ihre schulterlangen hellbraunen, leicht lockigen Haare waren noch dran. Sie betastete das Gesicht. Da schien nichts zu sein, sie fühlte da keinen Schmerz.
Sie sah sich in dem Raum um, erblickte die Flasche Mineralwasser und spürte Durst. Sie rückte etwas näher, öffnete mühsam die Flasche und goss das Glas halb voll, bemerkte dabei, wie sie zitterte. Nun trank sie hastig, kippte nach und schraubte die Flasche zu.
An der Seite erkannte sie ihre Reisetasche, auf einem Stuhl lag die Kleidung, die sie am Vormittag trug; ihre Handtasche hing an der Lehne.
Joachim war also im Krankenhaus gewesen. Wieso wartete der nicht, bis sie erwachte? Du bist dumm. Die Ärzte werden ihn nach Hause geschickt haben, damit du in Ruhe schlafen kannst. Jetzt wartete er sicher draußen, bis sie wach wurde. Sollte er ruhig noch eine Weile warten, sich Sorgen machen.
Nun musterte sie das Zimmer. Kein Telefon stellte sie fest. Mit ihrem Handy durfte sie wahrscheinlich nicht telefonieren. Joachim informierte jedoch bestimmt ihre Eltern, legte sie sich zurück. Sie sah an der gegenüberliegenden Wand den Fernseher und suchte nach der Fernbedienung. Es war so still.
Als ein Bild erschien, löschte sie das Licht, schloss die Augenlider, hörte nur dem Gerede zu. Sie überlegte, wie spät es war? 19.00 Uhr? Ihre Eltern und Tjorben, der Bruder, kamen gewiss erst morgen. Wie lange sie wohl hier liegen musste? Vermutlich würde ihr Vater morgen umgehend veranlassen, dass man sie nach Hamburg in die Privatklinik ihrer Eltern schaffte.
Mareike, hör auf zu grübeln. Sie schaltete den Fernsehapparat aus, lag im Dunkeln, lauschte den leisen Geräuschen auf dem Flur.
Nach Minuten öffnete sich die Tür und der Arzt knipste das kleine Licht an.
„Sie sind wach. Wie fühlen Sie sich?“
„Irgendwie. Nur die normalen Begleiterscheinungen“, versuchte sie zu lächeln. Innerlich fluchte sie, dass sie sich nicht stylte, noch dieses hässliche Krankenhaushemd trug.
„Möchten Sie eine Schmerztablette?“
„Nein, danke. So schlimm ist es nicht.“
„Die Schwester bringt Ihnen gleich Abendessen.“
„Wie viel Uhr ist es, Doktor Bader?“
Er schaute auf die Uhr. „20.32 Uhr.“
„Da haben Sie ja lange Dienst“, versuchte sie zu flirten.
„Es ist das Übliche in unseren Kliniken. Man ist daran gewöhnt, Frau Eriksen-Schubert. Sollte etwas sein, klingeln Sie bitte. Ansonsten schlafen Sie gut.“
„Danke. Ihnen einen schönen Feierabend.“
Nun war sie allein und schlief, ohne etwas zu essen, nach Joachim gefragt zu haben, ein.
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Seit drei Tagen lag sie nun hier. Nicht ein Mensch besuchte sie, was sie inzwischen, wenn auch nicht begreifend, so hinnahm. Am ersten, zweiten Tag weinte sie noch, weil niemand kam. Sie fühlte sich so allein, wollte einfach nur mal in den Arm genommen werden. Der Wunsch sollte ihr nicht erfüllt werden. Wenigstens hatte sie keine Schmerzen.
Sie setzte sich auf den Stuhl, blickte zum Fenster hinaus. Tristesse! Der Winter war eine Jahreszeit, die sie teilweise hasste. Alles sah so farblos, scheußlich aus. Dazu dieser ständige Nebel, die Feuchtigkeit. Sie wartete auf den Frühling, die Wärme, die Sonne.
Einige Schwestern oder was sie waren, latschten dort herum, quatschten. Anscheinend war hier niemand, der aufpasste, dass sie alle ordentlich arbeiteten. Ein Eichhörnchen rannte schnell zu einem hohen Baum, verschwand. Viecher gab es hier auch noch. Was man sich da alles für Krankheiten holen konnte, wenn man sich im Sommer dort aufhielt? Das schien nur eine drittklassige Klinik zu sein, zog sie ein Resümee, legte sich wieder hin, klingelte nach der Krankenschwester, da es ihr so schlecht ging.
Je länger der Sonntag andauerte, umso mehr keimte der Plan in ihr: Sie würde morgen dieses schmutzige Krankenhaus verlassen. Liegen konnte sie auch daheim. Sie musste einiges erledigen, klären. Diese Tage zeigten ihr einmal mehr, wie ihr Mann zu ihr stand. Da würden viele klare Worte fallen. Warum sich jedoch ihre Eltern, der Bruder, ihre Freunde nicht einmal blicken ließen, blieb ihr ein Rätsel. Es passte überhaupt nicht zu ihnen. Zig Mal hielt sie in den letzten Tagen den Telefonhörer in der Hand - ohne zu wählen, legte sie jedes Mal auf. Vergebens suchte sie nach Erklärungen. Warum waren weder ihre Eltern, Tjorben, ihre Freundinnen, Freunde gekommen, riefen zumindest an? Es war ihr unbegreiflich. Egal, sie würde es ja morgen erfahren.
Als die Schwester am frühen Abend erschien, fragte sie nach Doktor Bader. Sie bedauerte, aber er käme erst am Mittwoch, da er einige Tage frei habe. Er arbeite generell nicht auf der Station, sei nur zweimal bei ihr gewesen, da er sie wegen der Scheidung, und dem Familienzwist trösten wollte. Sie hatte diese dumme Pute angeschrien, da sie Lügen verbreiten würde. Die Schwester war wortlos gegangen, aber sie war schnell zur Tür gehumpelt, hörte sie sagen, die eingebildete Furie ist völlig irre. Soll sie bloß bald verschwinden, aber nicht mal die Eltern holen sie nach Hamburg.
Sie humpelte zurück, kochte vor Wut und der Bader? Sie hätte sich gern von dem Arzt verabschiedet, da er immer sehr nett, so aufmerksam gewesen war. Sie plauderte gern mit ihm, dazu war er ein sehr attraktiver Anblick gewesen, daneben heiterte er sie auf, lenkte von ihrem Kummer unwillkürlich ab. Als Mann sah er nicht nur umwerfend aus, er war auch vielversprechend gebaut, wie sie einmal sah, als er mit offenem Kittel hereinkam. Er war auch völlig von ihr hingerissen, wie sie wusste, da er sie stets so verliebt, sehnsuchtsvoll anlächelte. Er war nicht aus Höflichkeit zu ihr gekommen, aber das wusste so eine blöde, alte Schwester ja nicht. Sie klingelte, fragte nun nach seiner Privatadresse. Das lehnte die Schwester ab, verließ den Raum. Das führte gleich zu einem Weiteren ihrer Tobsuchtsanfälle.
Nach dem Abendessen stand sie auf, lehnte sich gegen das Bett, das linke Bein nach vorn ausgestreckt und packte die Sachen in die Reisetasche zurück. Es war eine anstrengende Prozedur, da sie nur auf einem Bein stehend, ständig am Balancieren war. Erschwerend kam hinzu, dass sie nur den rechten Arm bewegen konnte. Die linke Seite war fast vollständig außer Gefecht gesetzt.
Sie schaute in die Handtasche, aber es war alles drinnen, sogar ihr völlig nutzloses Handy.
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Sie frühstückte, grübelte nochmals, aber sie kam zu keinem anderen Entschluss. Sie musste hier raus, wissen, was los war, warum sie niemand besuchte.
Sie zog mühsam den Rock an. Die weiße Bluse band sie wie ein Tuch um den Oberkörper. Es sah scheußlich aus, aber sie besaß hier nichts anderes. Darüber zog sie die Kostümjacke, hängte sie lose nur über die linke Schulter. Ich sehe vermutlich komisch aus, aber sie saß ja in einem Taxi, musste nur die wenigen Meter bis zur Haustür laufen. Mareike - humpeln.
Sie packte die Reste ein und klingelte nach der Schwester.
„Na nu, Sie sind angezogen?“, wunderte sie sich.
„Rufen Sie mir ein Taxi. Ich möchte nach Hause, unterschreibe selbstverständlich, dass ich die Klinik auf eigenen Wunsch verlasse.“
„Da muss ich erst mit dem Doktor sprechen, Frau Eriksen-Schubert.“
„Tun Sie das, nur denken Sie an das Taxi, Schwester Sabine. Beeilung!“
Es dauerte keine fünf Minuten, da kam der junge Arzt herein. „Sie wollen uns verlassen, Frau Eriksen-Schubert? Sehr gut. Wir erwarteten das eigentlich bereits vor Tagen.“
„Mein Vater ist Professor Doktor Wolfram Eriksen. Meinen Eltern gehört die Elbeblick-Klinik in Hamburg. Dort bin ich bestens aufgehoben. Das geht nicht gegen dieses Krankenhaus. Ich möchte einfach nach Hause.“
„Wissen wir bereits alle, da sie es uns jeden Tag mehrfach erzählten. Mit einem Taxi wird das allerdings etwas schwierig. Einer unserer Wagen fährt Sie nach Hause.“
„Danke, sehr nett! Nur hier zu meinem Haus. Dort werde ich von meinem Bruder abgeholt“, lächelte sie. Es war wie stets, sagte sie, wer ihre Eltern waren, öffneten sich sofort die Türen, dachte sie eher belustigt. Sie benutzte diese Art, um ihren Willen zu bekommen, sehr, sehr selten, da sie es hasste, wie man ihr dann stets hofierte.
„Das meinte ich und nicht das Haus Ihrer Eltern in Hamburg. Das zahlt gewiss keine Krankenkasse“, verließ er sie kopfschüttelnd. „Alles Gute“, drehte er sich nochmals in der Tür um. Draußen hörte sie ihn sagen, sie verlässt uns. Eine Frauenstimme antwortete: „Wurde ja auch Zeit. Das ist keine Patientin, sondern eine Furie. Endlich sind wir sie los. Sollen sich der Professor und seine Frau um ihre verzogene Göre kümmern.“ Eine andere Frauenstimme: „Nur bislang war sie ihnen schietegal.“ Eine weitere Stimme lachend: „Kein Wunder, so eine verlogene Furie möchte ja niemand um sich haben. Da haben sie wohl was bei der Erziehung falsch gemacht. Hauptsache, sie geht!“
Bereits eine halbe Stunde später stand sie vor dem Gartentor. Der Sanitäter half ihr bis zur Haustür, verabschiedete sich mit den besten Wünschen.
Sie lehnte sich gegen die Mauer, blickte auf den trostlosen vorderen Garten, schloss auf, hangelte sich an der Wand ins Haus, schloss die Tür. Die Reisetasche ließ sie vorn stehen. Es war wie erwartet niemand daheim. Sie zog den Schuh aus, humpelte in die Küche, goss Wasser in ein Glas. Während sie trank, schaute sie sich um. Zwei Sektflöten, eine leere Flasche Champagner, die Reste eines bestellten Essens, zwei Teller. Sie schienen gut gelebt zu haben, dachte sie verblüfft. Sie warf einen Blick ins Wohnzimmer, erkannte die Hose ihres Mannes, daneben ein Frauenkleid und etwas Schwarzes. High Heels lagen verstreut im Raum. Hart stellte sie das Glas ab, humpelte den Flur entlang. Schon bevor sie an der Schlafzimmertür war, hörte sie Joachim stöhnen: „Du machst mich völlig verrückt, bringst mich um den Verstand.“
Beide stöhnten, er dabei immer „oh, ja“, sagend.
Mareike schob sich näher heran, drückte die Tür ganz auf.
„Oh ja, gleich, meine Süße. Mach …“ Er brach ab, starrte sie an, krächzte seltsam: „Mareike?“
„Nennt man Coitus interruptus! Du hast genau drei Minuten Zeit, mit deiner Süßen mein Haus zu verlassen, sonst rufe ich die Polizei“, drehte sie sich um. „Die Zeit läuft.“
„Liebste, ziehen wir uns an. Endlich ist es vorbei und das werden wir später ganz ungestört feiern. Kaufen wir morgen dein Hochzeitskleid. Ich liebe dich!“, nahm er sie in den Arm, küsste sie lange.
Wütend hastete sie hinaus. Im Wohnzimmer nahm sie das Telefon, rief einen Bekannten von einer Baufirma an. „Moin Ralf, Mareike. Ich habe eine Bitte. Kannst du in mein Haus heute noch ein neues Schloss einbauen lassen?“ „Ja!“ „Danke, du bist ein Schatz. Schick die Rechnung bitte zu meinen Eltern, da ich für eine Weile bei ihnen bin.“ „Mache ich. Grüß Gerti.“
„Mareike, lass uns reden und wie normale Menschen endlich scheiden“, stand Joachim in der Tür, zog seinen Lederblouson an.
Sie blickte auf die Armbanduhr. „Die Zeit ist gleich abgelaufen. Nimm deine Sachen mit, da du ab sofort keinen Zugang mehr zu meinem Haus hast. Es wird gleich ein neues Schloss eingebaut. Viel hattest du ja nie.“
„Unser Haus und du kannst …“
„Die Zeit ist gleich abgelaufen. Ich rufe die Polizei“, kreischte sie laut und schrill. „Verschwinde mit deiner Hure.“
„Du spinnst und das war eine Beleidigung. Das werde ich anzeigen. Du hast wirklich null Benehmen. Setz dich hin. Wieso haben sie dich schon entlassen?“, griff er zu der Flasche Mineralwasser, trank gleich aus der Flasche.
„Wage es, mich anzufassen, bekommst du mehr Ärger, als du kleiner Versager vertragen kannst. Nie gibt es eine Scheidung. Nie!“
Er lachend. „Warum sollte ich so etwas wie dich anfassen? Mache ich seit 15 Jahren nicht mehr. Ich mochte noch nie billige, dicke Prostituierte.“
„Schatz, ich warte auf meine Sachen.“
„Bring sie ihr, sonst steht diese dreckige Hure den Beamten nackt gegenüber. Ein eher unschöner Anblick, bei all dem zu vielen fetten Fleisch. Hau ab, sonst erzähle ich allen, wie du mich geschlagen hast, mich umbringen wolltest. Deine alte, verlebte, stinkende Hure wartet auf dich.“ Sie wählte, hielt das Telefon ans Ohr, während er trank, die Flasche abstellte, die Kleidungsstücke auflas. „Eriksen. Können Sie bitte …“
„Wenn du blöde frigide Kuh denkst, du kannst mich ausnehmen, irrst du dich. Ich bin froh, dass es endlich zur Scheidung kommt. Darauf warte ich seit Jahren. Dieses Mal gibt es kein Zurück.“ Er übergab seiner Freundin, die in Dessous zu sehen war, ein Handy in der Hand haltend, die Sachen, gab ihr einen Kuss.
Mareike schniefend mit leidender Stimme. „Sie haben es gehört. Mein Mann will mich erpressen, schlagen, hat mich schon mehrfach mit seiner Hure so zugerichtet, dass ich Hämatome hatte.“ „Aua, aua“, rief sie laut, blickte ihn dabei grinsend an. „Nein, keine Polizei. Ich gehe nachher zum Arzt. Ich denke, er verlässt jetzt mit seiner Geliebten mein Haus.“ Sie nannte noch ihre Adresse, bedankte sich und behielt das Telefon in der Hand, während sie in den Flur humpelte, dort die Autoschlüssel wegnahm und einsteckte. Sie öffnete die Tür, lehnte an der Hauswand.
Sie musste weitere fünf Minuten warten, bis die beiden Personen erschienen.
„Wo ist mein Autoschlüssel?“
„Seit wann hast du ein Auto? Falls du meinen Porsche meinst, der steht dir nicht mehr zur Verfügung. Du gehst so, wie du hier eingezogen bist, mit ein paar Klamotten. Schönen Tag noch!“
„Das bereust du“, zischte er wütend,
„Guten Morgen, Barbara!“
„Du siehst ja schlimm aus, Mareike. Was ist passiert?“, kam die Nachbarin näher.
„Hat mein Ex-Mann wohl vergessen, zu erwähnen, dass ich vor Tagen einen sehr schweren Autounfall hatte.“
„Warum zu erwähnen? Ich sah Joachim erst heute Morgen mit Mia und fragte gar nicht nach dir. Weswegen auch? Was redest du für wirres Zeug?“
„Ein mieser Lügner, Betrüger. Er zieht gerade zu seiner Süßen. Tschüss Joachim!“
„Hexe!“, er laut, nickte Barbara freundlich lächelnd zu. „Endlich!“
„Schatz, reg dich nicht auf. Kläre es auf dem Rechtsweg“, faselte diese Hure.
„Mareike, lass dich endlich scheiden und ermögliche Joachim ein neues Leben mit Mia. Du bist garstig. Warum stiehlst du ihm den Wagen? Was soll das? Tschüss ihr beiden“, winkte sie dem Paar zu, welches zur Straße ging, er dabei telefonierte, dann das Handy wegsteckte, sie um die Schulter fasste, lachte, ihr einen Kuss gab.
„Der Verbrecher zieht endlich aus, ich verkaufe mein Haus. Nachher werden neue Schlösser eingebaut. Ralf kommt mit einem Schlosser her. Ich fahre zu meinen Eltern.“
„Dein Haus? Na denn, Tschüss.“
Sie ging ins Haus, packte, heulte dabei, wütete, fluchte, trank einen Schluck Wodka aus der Flasche, um wieder zu weinen. Keiner half ihr, bedauerte sie sich selber, verfluchte, dass sie nichts anderes zu trinken fand, nahm den nächsten Schluck. Sie hasste Wodka, aber der Weinbrand war alle, da sie am Tag des Unfalls erst einkaufen gehen wollte.
Erst als sie in dem Taxi saß, der sie nach Hamburg fuhr, registrierte sie, was in den letzten Stunden alles geschehen war. Sie merkte, wie sie zitterte, sich die Kopfschmerzen langsam ausbreiteten. Ihr war übel, sie war müde, fühlte sich elend. Dass Joachim sie betrog, vermutete sie seit Jahren, da er sie nur gelegentlich anfasste. Seine Säuseleien, ich liebe dich noch wie am ersten Tag, nahm sie generell nie für voll. Ein Spruch, dem meistens die Bitte nach Geld folgte. Sie gab es ihm stets. Dass er es allerdings wagte, seine Gespielin in ihr Haus zu bringen, das war infam. Was würden die Nachbarn über sie denken? Hoffentlich hatte das sonst niemand bemerkt. Es war so peinlich!
Ihre Mutter war im Haus, als sie dort klingelte, sah sie überrascht, dann entsetzt an, rief nach der Haushälterin.
„Kind, wie siehst du aus? Was ist passiert? Mathilde, rufe bitte meinen Mann an, er soll bitte kommen. Danke!“
Sie ließ sich mühsam auf die Couch plumpsen, nahm dankend den Kaffeepott von ihrer Mutter entgegen, nippte daran.
„Gleich Mama.“
Ihr Vater und ihr Bruder kamen rasch herein, starrten sie an. „Was ist passiert?“, fragte ihr Vater, während Tjorben sich neben sie setzte, den Arm um sie legte. Nun kullerten die Tränen.
Nach einer Weile berichtete sie stockend von dem Unfall, den Tagen in dem Krankenhaus, das niemand kam, sie anrief. Nun ihr Entschluss, nach Hause zu gehen, und dort die Überraschung: Joachim und eine blonde, junge Hure. „Ekelhaft, so ein dreckiges Stück in meinem Bett.“
„Dich haben auch die Kinder nicht besucht?“, fragte Nora Eriksen.
Erst jetzt dachte sie mal wieder an Laureen und Dorian. „Nichts! Nicht einmal angerufen haben sie. Nur wenn sie Geld benötigen, da wissen sie, dass sie eine Mutter haben. Sie kommen ganz nach ihrem Vater“, sagte sie bitter, schniefte laut.
„Warum hast du sie nicht vorher rausgeworfen?“ , nun Wolfram. „Sie sollen es nicht wagen, hier aufzutauchen. So nicht! Aber du bist selber schuld.“
„Dad, ich habe euch immer gesagt, Mareike ist zu gutmütig. Das rächt sich eben jetzt. Man muss auch einmal Nein sagen. Bei Sonja käme unsere Bande nie mit solchen Forderungen durch und bei mir dito nicht. Geld wächst nicht auf den Bäumen. Echt miese Masche.“
Diese Worte waren Öl auf ihrer geschundenen Seele. Ja, sie war immer viel zu gut zu allen gewesen. Ständig opferte sie sich auf, gab ihnen alles, was sie forderten. Auf sich nahm sie nie Rücksicht, weil nur die Familie für sie wichtig war. Dafür beschiss, hinterging und belog man sie.
Mareike lehnte an der geöffneten Balkontür ihres ehemaligen Zimmers, welches jetzt ein modisch eingerichtetes Gästezimmer darstellte. Es war totenstill. Die Welt hörte auf sich zu drehen. Die Vögel waren verstummt. Die Blumen leuchteten auch nicht mehr. Die Sonne verbarg ihr Antlitz hinter einer dunkelgrauen Wolkendecke. Die Nacht brach herein. Das jetzt generell keine Vögel kreischten, da es Winter war, war ihr entfallen, genauso, wie, dass jetzt keine Blumen blühten, alles im Winterschlaf lag. Sie bemerkte nicht, wie ihr Vater sie von unten musterte, hörte nicht sein Rufen, seinen Versuch, sie aus dieser Starre zu befreien.
Erst viel später, der kurze Regenschauer hatte die Erde befeuchtet, der Halbmond stand hoch am Firmament, lugte zuweilen an den schnell vorbeiziehenden Wolken vorbei, schloss sie die Tür, humpelte die wenigen Schritte zu dem Bett, auf das sie sich plumpsen ließ. Der Schlaf wäre eine Gnade gewesen, die ihr in dieser Nacht wohl nicht mehr zuteilwerden ließ. Sie griff nach dem Buch, das sie wohlweislich auf dem Nachtschränkchen hinlegte, rutschte nach oben, begann zu lesen und … schlief ein.
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Vier Wochen waren seit dem Unfall vergangen. Wochen, in denen sie sich selbst bemitleidete, sich treiben, bedauern und besonders verwöhnen ließ.
Mareike lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Ihr Inneres kam ihr kalt und gefühllos wie ein Stein vor. Ihre Augen blieben trocken, obwohl sie so gern geweint hätte. Stattdessen stand sie mühselig auf, stellte sich an die Balkontür. Es war einer jener seltenen klaren Tage, an denen sich der Himmel in einem Kobaltblau zeigte. Der gestrige Regen spülte allen Staub weg. Ungefiltert von Wolken und Dunst stach ihr die Sonne in die Augen. Unten rannte Schaitan, der Schäferhundrüde, über den noch grau-grün aussehenden Rasen.
„Verdammt“, murmelte sie kaum hörbar, schlug mit der Faust gegen den Türrahmen, dass sie sich die Knöchel aufschabte. Es blutet ein wenig, aber sie spürte nicht einmal den Schmerz.
Nein, so nicht, humpelte sie in den Raum zurück. Seit dem bewussten Tag hörte sie kein Wort von Joachim, obwohl sie ihn mehrfach anrief, auf seine Mailbox sprach. Vom Gericht kam nur eine Bekanntgabe des Scheidungstermins. Eine Frechheit, dass der Kerl es wagte, sie abzuschieben. Auch ihre Kinder meldeten sich nicht.
Eine halbe Stunde später hüpfte sie mühsam die Stufen abwärts. Unten angekommen, sah sie ihre Eltern am Frühstückstisch sitzen.
„Moin.“
„Moin, mein Kind. Komm, setz dich. Möchtest du ein Ei?“
„Nein danke, Mama, nur Kaffee. Keine Umstände.“
„Betüttele sie nicht noch. Kann sie alles allein. Selbst aus dem Keller Wein und Sekt stehlen, klappt hervorragend. Denkst du Diebin, weil du alles aus einem Wasserglas trinkst, die Flaschen in den Müll wirfst, bekomme ich das nicht mit, dass du impertinente Person wie ein Rabe stiehlst? Da bist du nie krank. Dein Gehüpfe und Gelaufe ist schädlich für dein Bein. Unbewusst belastetest du so auch das kranke Bein. Widersprich nicht, da ich es besser weiß, es sehe. Dein Heilungsprozess wird sich dadurch verlängern. Ich überlege, ob ich dich in eine Klinik einweisen lasse. Wir haben nicht vor, dich noch zig Wochen mit deiner schlechten Laune zu ertragen, uns weiter bestehlen, herum kommandieren zu lassen. Ich möchte die 830 Euro für den Alkohol haben. Heute! Liegt das Geld nachher nicht auf dem Tisch, gibt es nichts mehr. Du tust alles dafür, dass es nicht heilen kann.“
„Aber Papa, das kannst du doch nicht machen?“
„Soll ich es dir beweisen? Mareike, alle müssen für dich mitdenken, dich betütteln. In diesem Haus wohnt dein Bruder plus Familie oben, wir unten. Nun ziehst du hier ein, beschlagnahmst kurzerhand oben ein Gästezimmer, das Bad der Kinder. Du breitest dich nicht nur ungefragt in ihrer Wohnung aus, nein, auch bei uns. Du jammerst permanent, aber nimmst keinen Termin beim Arzt wahr, weil duuu ja alles besser weißt. Du läufst herum, weil es dich nicht interessiert, ob es heilt. Du wirst ja verhätschelt, bedauert. Nein, nun ist Schluss. Deine Mutter, Sonja, dein Bruder und ich haben alle einen Beruf, arbeiten bis zu 12 Stunden am Tag in der Klinik, daneben hat Sonja zwei Kinder und einen Mann zu versorgen, deine Mutter einen großen Garten zu pflegen. Interessiert dich alles nicht. Selbst abends um zehn schreist du noch nach Wasser, da du angeblich nicht laufen kannst, nur im Keller uns beklauen, das funktioniert. Da bist du nie erschöpft. Nicht einmal da lässt du Sonja und deinen Bruder zur Ruhe kommen. Einfach unverschämt! Den ganzen Tag läufst du herum, aber wenn das Paar Ruhe haben möchte, störst du. Seit wann bist du dermaßen gehässig, bösartig, widerlich, dazu arrogant, verlogen und kriminell?“
„So war das nicht. Ich fühlte mich nur so erschöpft. Hat sich Sonja beschwert, weil sie mir eine Flasche O-Saft bringen sollte? Den Sex konnten sie doch danach weiter machen.“
„Du bist impertinent, dazu eine dreiste, kriminelle Spannerin, die an Schlafzimmertüren lauscht, durch Schlüssellöcher guckt. Schämst du dich nicht? Widerlich solche Frauenzimmer. Neidisch, dass sie eine sehr gute Ehe führen, er sie nicht betrügt? Nein, unsere Enkel haben uns deine Gemeinheiten berichtet. Selbst sie wurden von deinem Gekeife wach. Stört dich alles nicht. Bist du sauer, dass Tjorben und Sonja seit zwanzig Jahren eine sehr gute Beziehung erleben, die von Liebe, Ehrlichkeit, Vertrauen geprägt ist? Nein, er musste nie zahlen, dass meine Schwiegertochter bei ihm blieb. Im Gegenteil, sie bringt ihr Gehalt noch in den Haushalt ein. Mareike, meine letzte Verwarnung. Es reicht! Du bekommst unten das letzte Zimmer. Mathilde räumt das gerade um. Da du so gut laufen kannst, holst du dir deine Sachen allein. Auch Mathilde bedient dich nicht mehr. Ich habe es verboten, dass du selbst sie ständig herum scheuchst, ausfragen versuchst.“
„Ich mache ja fast alles allein. Aber das war früher schon mein Zimmer.“
„Seit über zwanzig Jahren ist es ein Gästezimmer, welches dein Bruder mit Frau vor sieben Jahren neu einrichtete. Das Bad benutzen zwei Kinder, damit es morgens keine Engpässe gibt. Nein, du forderst es für dich allein. Sie mussten ihren Kram wegräumen. Du pennst doch morgens generell, aber nein, du musst alle schikanieren. Infam! Das letzte Zimmer und die kleine Dusche dazu. Ende!“
„Aber Papa, das ist nur ein Zimmerchen und ich brauche …“
„Suche dir eine Wohnung, ziehe in euer Haus zurück und Tschüss. Du rennst doch ständig im Haus herum, stöberst sogar in unseren Schränken herum, in unserem Schlafzimmer. Im Zimmer bist du nie. Ab sofort möchte ich abends mit deiner Mutter allein sein, ohne dich. Fernsehen kannst du auch da sehen. Ende! Noch ein Wort und du kannst dir heute Abend jemand suchen, bei dem du schläfst, da ich dich rauswerfe“, verließ er den Raum und sie hörte ihn in der Küche mit Mathilde sprechen.
Wütend humpelte sie hoch, nahm die wenigen Sachen mit hinunter, warf alles aufs Bett. Das war kein Zimmer, sondern eine Abstellkammer.
Jetzt aber erst einmal den Anwalt, das andere würde sie später mit Sonja klären. So ging das garantiert nicht. Das war schließlich ihr Elternhaus. Sie schilderte dem Anwalt, was sie alles erlebt hatte, wie gemein ihr Mann, ihre Kinder waren.
„Doktor Wagner, ich möchte schnellstens die Scheidung. Bitte benachrichtigen Sie Laureen und Dorian, damit sie ihren persönlichen Kram am Mittwoch ab 11.00 Uhr aus meinem Haus herausholen. Ich fahre hin, werde trotz meiner schweren Behinderungen durch den Unfall ein wenig räumen, Wichtiges mitnehmen, beziehungsweise in Sicherheit bringen, falls sie abermals versuchen, dort einzubrechen. War ja bereits mehrfach der Fall, wie meine Nachbarn berichteten.“
Nein, anzeigen tat es niemand, da alle Angst vor ihrem Ex-Mann hatten, da der sich bereits wiederholt an Menschen vergriff, zuschlug. Nun jedoch wollte sie endlich den Schlussstrich ziehen.
Im Garten setzte sie sich mit dem Block hin, begann Stichpunkte für ihr neues Leben zu notieren. Schaitan kam zu ihr, legte sich zu ihren Füßen nieder. Sie streichelte ihn, überlegte dabei. Sie zog die Jacke enger um sich, da sie fror. Noch immer war sie empört über ihre Eltern. Ihnen würde sie es zeigen, wie sie trotz der großen Schmerzen, alles allein meisterte.
Joachims Porsche und die zwei Autos der Kinder mussten verkauft werden, dazu Kündigung der Versicherungen, Fahrzeuge abmelden. Gut, dass sie die Zweitschlüssel einsteckte, dazu die Briefe besaß. Das Haus leer räumen, Möbel verschenken oder so. Versicherungen kündigen, teilweise umschreiben. Erkundigung ob sie für die zwei Kinder trotz ihrer 22 und 24 Jahre Unterhalt zahlen musste. Das war das Ende ihres alten Lebens.
So nun zu ihrem neuen Leben. Laden suchen, Gewerbe anmelden. Deko besorgen, Blumenkübel kaufen, dazu Papier, Zellophan, Bänder, Karten, eine Kasse, Draht. Versicherungen für den Laden. Sie benötigte ein neues Auto, da ihr Fahrzeug Schrott war. Eine Wohnung musste gefunden werden, dann ging es an die Einrichtung. Viel zu tun für ihr neues Leben, aber das lenkte sie ab. Noch saß der Schmerz über den Betrug tief, aber noch tiefer, dass selbst ihre Kinder sich nie nach ihrem Befinden erkundigten, nur nach Geld fragten, Forderungen stellten.
Nachmittags, nachdem sie das Geld geholt hatte, telefonierte sie mit einigen Freunden, setzte sie von der Änderung in Kenntnis. Auch das musste sie endlich hinter sich bringen. Das war allerdings Balsam für ihre geschundene Seele. Man bedauerte, tröstete sie, bot ihr Hilfe an.
Nun humpelte sie hoch, da sie mit Sonja den Mist klären musste. Ihre Schwägerin werkelte in der Küche, bereitete Essen vor.
„Ich will heute Abend eine leckere Nachspeise. Nüsse, Schokopudding, Vanilleeis und so. Vorher einen Salat mit Thunfisch und warmes Brot. Dazu einen lieblichen Rotwein. Sonja, das ist mein Zimmer, also bleibe ich dort wohnen, solange es mir gefällt. Wenn ihr abends vögeln müsst, kann ich nichts dafür. Ich bin krank, benötige Hilfe. Du wirst ja mir wohl was bringen können? Müsst ihr eben später vögeln oder es lassen. Ekelhaft ist es generell, wie ihr euch dabei gebärdet. Fünf Minuten sollten da reichen und man ist fertig. Schaffst du es nicht, ihn scharfzumachen? So, nun gehst du runter, sagst allen, ich solle weiter oben wohnen bleiben. Verstanden? Danach Beeilung mit meinem Essen. Ach, bringe meine Sachen mit hoch und eine Flasche Weißwein. Der liegt links, Südafrika. Wirst du ja finden. Dalli, dalli!“
„Wenn nicht?“, grinste ihre Schwägerin.
„Wirst du dann erleben. Denkst du, du kannst mich aus meinem Elternhaus verjagen, mich in so ein Kabuff sperren lassen? Albern, du dumme Gans. Du bist schneller aus meinem Haus verschwunden, wie du denkst. Was sagen alle, wenn ich denen von deinen vielen Kerlen erzähle oder was mir noch einfällt, dass du zum Beispiel meine Eltern beklaust. Wird man zufällig bei dir Schmuck von meiner Mutter finden. Bist du Alkoholikerin, weil du ihnen ständig Wein stiehlst? Mal sehen, was die Ärztekammer dazu sagt?“, feixte sie frech. „Deine Frechheiten werden dir noch vergehen, blöde Kuh.“
„Du bist das Letzte“, hörte sie Tjorbens Stimme. Sie drehte sich rasch um, das Blut schoss ihr ins Gesicht. Da standen ihr Vater, Tjorben und die Zwillinge.
„Sie kochte weder für dich noch wirst du bedient. Dein Essen steht bereits in deinem Zimmer unten, dazu eine Flasche Wasser und Orangensaft. Das du dich nicht schämst? Kein Wunder, dass dich dein Mann austauschte, deine Kinder dich nicht sehen wollen. Mareike, suche dir schnell eine Wohnung, da ich dich hier nicht mehr sehen möchte.“
„Mich darf man also schikanieren?“, stöhnte sie. „Ich habe ja solche Schmerzen.“
„Niemand schikaniert dich, im Gegenteil ist Sonja sogar immer gesprungen, wenn du bösartige Hexe etwas wolltest. Da du keine Ehe führtest, dein Mann dich mindestens seit zehn Jahren betrügt, gönnst du auch niemand anderen eine gut funktionierende Ehe. Du bist nur ein gehässiges Biest. Hau ab, da du mich gerade ankotzt. Wage es nie wieder, meine Frau dermaßen unverschämt, bösartig und verlogen anzureden. So, nun machen wir vier uns einen schönen Abend ohne diese gemeine, hinterhältige Nervensäge“, gab er Sonja einen Kuss, hielt sie umarmt.
Mareike hastete, so fix sie konnte, hinunter, den Flur lang und knallte die Tür zu. Es war alles so gemein.
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Es kam ihr komisch vor, ihr Haus zu betreten. Tjorben und Sonja waren mit ihr am Samstagmorgen hergefahren. Ihr kam es so vor, als wenn es etwas Fremdes war, sie darin nicht fast zwanzig Jahre gewohnt hätte. Es roch muffig, sah staubig aus. Ihr Bruder riss überall die Fenster und Türen auf, schaute sich um.
„Mareike, was möchtest du alles mitnehmen?“, kehrte er eine Weile später mit den gefalteten Pappkartons zurück. „Diese leeren Schnapsflaschen überall, solltest du auch mal wegräumen.“
„Sind alle von Joachim und seiner Hure.“
„Seit wann trinkt er Weinbrand?“
„Seine Hure säuft das Zeug literweise, wankt dann nackt draußen rum, wie mir die Nachbarn sagten. Egal! Meinen Schmuck, die Kleidung, Ordner, Papiere, Bücher, CDs, Anlage, Fernseher und Kleinkram.“
„Das bekommen wir nie in mein Auto. Mareike, was soll der Schiet? Willst du uns verarschen? Wir opfern dir unsere karge Freizeit, lassen unsere Kids allein, und du bescheißt uns, hast einen Umzug geplant.“
„Ich habe dir gesagt meinen persönlichen Kram.“
„Ja, ich brauche fünf, sechs Kisten, da es nicht mehr ist. Cherie, komm, lassen wir sie packen. Kann sie einen Lastwagen danach anrufen, der sie mitnimmt. Wo soll das gelagert werden?“
„Na, im Haus. Da ist ja überall Platz.“
„Wissen unsere Eltern, dass du eine Abstellkammer aus ihrer Wohnung machen willst? Ich würde erst fragen, da sie nächste Woche die zwei leeren Gästezimmer benötigen. Nein, zu uns kommt nichts. Es reicht, da meine Frau oben schon alles sauber machen musste, weil du ja urplötzlich sooo krank bist, du faules Stück. Sonst kannst du immer laufen, nur dann nicht, wenn Arbeit ansteht. Frage lieber vorher, sonst steht dein Zeugs auf der Straße.“
„Kommt es eben in den Laden. Was soll der Mist, Tjorben? Ich bin krank, muss mich neu orientieren und du fällst mir ständig in den Rücken.“
„Du bist krank, weil du permanent gegen alles, was ein Arzt anordnet, angehst. Du willst, forderst, nimmst auf niemand Rücksicht, suhlst dich in deinem Kummer. Deine Ehe ist seit Jahren Schrott. Weiß jeder. Du hast deine Kinder mit Geld überschüttet, weil du nie denken kannst. Ach, wie toll bin ich, habe viel Geld. Bei Joachim das gleiche. Er will einen Porsche – kriegt er von dir. Er will mit seiner Geliebten drei Wochen verreisen – natürlich bezahlst du. Erzähle nun nicht, das wusstest du nicht. Deine Kinder fordern jede Woche Unsummen, aber natürlich bekommen sie es, werden noch frech, wenn es nicht genug ist. Jetzt willst du bei meinen Kindern diesen Schwachsinn anwenden. Du willst ihnen Geld schenken. Spinnst du? Wir haben sehr normale, nette Kids und du wirst die nicht versauen. Halte dich von ihnen fern. Wir fahren.“
„Ihr könnt mich doch nicht mit allem allein lassen. Bitte, Sonja“, lächelte sie, tätschelte den Arm der Schwägerin.
Tjorben antwortete fix. „Nein, es ist Samstag und wir haben nach einer anstrengenden Woche einmal frei. Du hast uns im Vorfeld belogen. Nicht mit uns. Cherie, wir fahren.“
Sie setzte sich auf die Couch, weinte. Wie sollte sie das allein schaffen? Schließlich telefonierte sie einige Male und zwei Freundinnen kamen, packten alles ein, machten sogar noch sauber. Abends fuhr man sie nach Hamburg.
Die Sachen musste am Montag ein Umzugsunternehmen abholen, den anderen Kram eine Entrümpelungsfirma. Dann musste alles ordentlich geputzt werden. Sie stöhnte, was das alles kostete und die viele Arbeit, die da auf sie zukam, da sie das alles beaufsichtigen musste. Alles nur, weil Sonja ständig ihren Bruder vögeln wollte. So versuchte die Kuh, ihn zu halten.
Sie eilte zu ihren Eltern, die gemütlich mit Freunden bei einem Glas Wein saßen, plauderten.
„Hat euch Tjorben erzählt, was die heute mit mir angestellt haben?“, plapperte sie gleich empört los.
„Punkt eins, grüßt man. Punkt zwei, platzt man nicht in fremde Wohnzimmer, unterbricht keine Gespräche. Punkt drei, ja, da du einmal mehr Sonja und ihn hintergangen hast. Gute Nacht!“
„Aber …“
„Gehe in dein Zimmer, Mareike. Sofort!“, nun hörte sie der Stimme ihres Vaters an, dass er mehr als ärgerlich war und verschwand lieber. Dann eben morgen. Das konnte niemand mit ihr machen.
Nur morgens war das Haus völlig leer. Selbst der Schäferhund fehlte. Tjorbens Wohnung war verschlossen und auch unten hatte man verschiedene Zimmer abgeschlossen.
Abends, als sie kamen, sie ihre Eltern auf die paar Sachen aus dem alten Haus ansprach, kam ein klares nein von ihnen. Nichts würde hier untergestellt. Nicht eine Kiste. Konnte sie ja alles in ihren Laden stellen. Es gab keinen Keller und im Haus wollte man den Kram nicht haben. Ein weiteres Gespräch lehnten sie ab, da sie sich einen sehr schönen Tag nicht von ihr vermiesen lassen würden. Wo sie waren, erfuhr sie nicht.
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Die Wochen vergingen, ihre Genesung schritt nur sehr langsam voran. Sie hatte die Einrichtung, alles andere, das Haus, die drei Autos verkauft. Ein Laden war in der Innenstadt schnell gefunden, die Renovierung beendet. Einige Sachen verkaufte sie bereits. Jetzt fand sie noch eine Drei-Zimmer-Wohnung ganz nach ihrem Geschmack, die sie einrichten musste. Sie legte sich eine neue Handynummer zu, da sie weder von den Kindern noch von Joachim belästigt werden wollte. Gerade Laureen und Dorian war wütend auf sie, da sie ihnen kein Geld mehr gab, die Autos wegnahm. Das hatte viel Arbeit für ihren Anwalt bedeutet und dazu jede Menge Ärger. Sie riefen mehrfach bei den Eltern an, nur gerade Wolfram war da sehr direkt gewesen, sagte ihnen seine Meinung. Trotz der Behinderung kam sie zügig voran. Sie seufzte. Jetzt musste sie zu ihrem Bruder, der sie in die Klinik beordert hatte. Sie ahnte, was kam.
Sie humpelte den Flur entlang, sah erstaunt den Mann im Behandlungszimmer, der in einer Akte las. Er schaute auf. „Moin! Frau Eriksen-Schubert, wie geht es Ihnen?“
„Doktor Bader. Ich wusste nicht, dass Sie zu uns gewechselt haben? Sagen Sie bitte nur Eriksen, das reicht.“
„Das ergab sich so. Wie geht es Ihnen?“
„Danke, gut. In einigen Tagen bekomme ich den Gips ab und dann kann ich endlich wieder richtig laufen.“
„Ihr Bruder wird gleich erscheinen. Einen schönen Tag noch“, verließ er den Raum.
Sie blickte ihm nach, war von seinem Hiersein überrascht. Sie hatte mehrfach an den gut aussehenden Arzt gedacht. Die Welt war zuweilen klein, aber seine Anwesenheit gefiel ihr. Ein Fingerzeig des Schicksals.
„Hallo! Träumst du?“
„Ein wenig. Ich traf gerade Doktor Bader. Er hat mich seinerzeit erstversorgt.“
„Ich weiß, da es mir Henrik erzählte, außerdem steht es in deiner Akte. Deswegen träumst du?“
„Kanntest du ihn vorher schon?“
„Ja, wir studierten zusammen, obwohl er knapp zwei Jahre jünger ist, dafür wesentlich schlauer als ich.“
„Ist er verheiratet?“
Er guckte sie kopfschüttelnd an. „Nun deine Schulter.“
„War nur so eine Frage, da generell unwichtig.“ Sie seufzte leise. „Alles gut.“
„Du warst nicht zur Therapie. So nicht! Es ist wichtig und wegen der halben Stunde, wirst du keinen Aufstand machen.“
„Brauche ich nicht mehr.“
„Hebe bitte deine Arme ganz nach oben, der Ellenbogen bleibt dabei durchgedrückt.“
„Ja, ja. Das kommt aber langsam.“
„Mareike, lass die Ausreden. Du gehst um 10.00 Uhr hin und basta“, wurde er nun ernst. „Ich werde mich auch mit dir nicht herumärgern. Du tust, was ich anordne und Punkt. Wüsstest du nicht alles permanent besser, als wir Ärzte, wärst du bereits seit Wochen geheilt, könntest laufen, endlich dein Leben eigenständig einrichten. Wir alle wären dich Nervensäge los, würden wieder normal leben können, müssten nicht ständig deine Launen, deine Besserwisserei, deine Forderungen ertragen.“
Sie wollte ablenken, seine ungerechten Vorwürfe nicht hören, suchte etwas. „Wohnt Doktor Baders Familie jetzt auch in Hamburg?“
„Frage ihn. Wir geben nie über das Privatleben unserer Angestellten Auskunft. Lenk nicht ab. Du nimmst den Termin wahr, sonst gibt es Ärger.“
„Heute werde ich im Internet nach Töpfen und so suchen.“
„Kannst da ab elf Uhr den ganzen Tag erledigen“, grinste er.
„Ekel!“, musste sie lachen. „Ich gehe ja hin.“
„Mareike, kapierst du es nicht, dass du uns mit deiner bornierten Art, deinen Märchen, deinen Forderungen nur noch nervst? Du findest es gut, leidend zu spielen, dich betütteln zu lassen, bist an einer schnellen Heilung gar nicht interessiert, noch das du endlich dein Leben allein in die Hand nimmst. Du nutzt deine angeblichen Freunde, deine Eltern, Sonja, eigentlich jeden schamlos aus, weil du stinkfaul bist, nur angeben kannst, was duuu angeblich alles machst und kannst. Fakt ist jedoch - nichts! “
„Das stimmt nicht, da ich selbst jetzt mich um alles kümmere.“
„Du sitzt herum, faulenzt, lässt dich bedienen. Dass Mama genug in der Klinik zu tun hat, interessiert dich doch nicht. Selbst sie spannst du ein. Schäm dich! Andere Kinder helfen ihren Eltern in dem Alter, nicht umgekehrt. Auch meine Kinder werden nicht mehr springen, wenn du leidend etwas forderst. Schluss mit dem Zirkus. Meine Patienten warten. Tschüss!“, begleitete er sie zur Tür. Nun suchte sie nach dem jungen Arzt. Sie guckte in alle Räume, ignorierte das Gemecker von Ärzten, Schwestern, die irritierten Blicke. Aber sie fand ihn nirgends, kam dadurch zu spät zu ihrer Therapiestunde, ging gleich wieder, als der Kerl sie blöd anquatschte.
Mittags erlebte sie eine böse Überraschung, da der Tisch nicht für sie mitgedeckt war.
„Es gibt hier nichts mehr für dich, Mareike“, stellte ihr Vater fest. „Du bist der Meinung, du hintergehst uns alle straflos, magst so weiter auf unsere Kosten leben. Falsch! Du hast genau bis Samstag Zeit, auszuziehen. Es ist Schluss!“
„Aber Papa ...“
„Verschwinde in dein Zimmer und da bleibst du! Du hast Küchenverbot, noch das du uns hier nervst. Alle anderen Räume muss man ja inzwischen abschließen, damit man nicht beklaut wird. Jetzt raus, da ich mit meiner Familie in Ruhe Essen möchte. Wir haben nämlich den ganzen Morgen schon gearbeitet.“
„Ich habe aber auch Hunger.“
„Kauf dir etwas von deinem Geld, aber ohne unsere Küche zu benutzen. Tschüss!“
Sie warf sich auf ihr Bett, heulte einmal mehr, bevor sie dann in einem Restaurant ein Mahl bestellte gleich mit zwei Flaschen Wein.
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Sie lächelte vor sich hin. Heute fühlte sie sich frei, wild und irgendwie sogar ein wenig waghalsig, als hätte so etwas Großes, Ungewöhnliches geleistet.
„Du spinnst, bist einfach nur rundherum glücklich“, drehte sie sich im Kreis. Beschwingt schritt sie barfuß über den makellos gemähten Rasen, der sich unter ihren nackten Fußsohlen herrlich anfühlte, schlenkerte dabei die Sandalen hin und her. Ein köstlicher Duft wehte ihr entgegen, schien das Glücksgefühl in ihr noch zu verstärken. Endlich war der Frühling gekommen. Überall sah man das frische Grün, die blühenden Blumen, Knospen die wuchsen. Schaitan tollte um sie herum.
Am Ende des großen Gartens führte ein kleines verstecktes Tor zu der Klinik ihrer Eltern. Rechts und links säumten, die noch nicht blühenden, gelben Gämswurzen den schmalen Weg. Einige große Ahornbäume auf beiden Seiten des Zaunes spendeten Schatten. Ein Spiel von Licht und Schatten entstand so und für sie verkörperte es heute eine besondere Lebendigkeit, obwohl es ruhig wirkte. Als Kind hatten sie mit Tjorben oftmals unter dem Baum gesessen und sie hatte dem ein Jahr jüngeren Bruder Geschichten erzählt oder vorgelesen. Es waren diese schönen Momente, an die sie sich immer erinnern würde.
Sie öffnete das Tor, schlüpfte rasch in die Sandalen und schloss es. Nun war sie auf dem Klinikgelände und da musste sie ordentlich angezogen herumlaufen. Seit gestern hatte sie endlich den Gips ab und nun konnte sie ihr Leben neu beginnen.
Henrik Bader stand am Fenster, schaute dem Hund und ihr zu, hörte dabei Tjorben Eriksen telefonieren, nach den Befunden fragen. Er drehte sich weg, goss Kaffee in den Pott, trank.
„Faxen sie uns gleich zu. Eine Schlamperei.“ Er stand auf, guckte hinaus. „Ständig will sie mit dem Kopf durch die Wand. Siehe auch jetzt ihre Heilung. Wäre seit Wochen längst erledigt. Nein, sie weiß ja alles besser, ignoriert, was ihr Ärzte sagen. Alle sollten sie betütteln, ihr ihre neue Wohnung, den Laden einrichten. Das sollte nämlich fertig sein, wenn sie den Gips abbekommt, damit sie keine Arbeit mehr damit hat. Ihre gescheiterte Ehe. Weiß sie seit Jahren, dass er sie nur betrogen hat, ihr Geld wollte. War ihr egal. Bei den Kindern das gleiche Spiel. Erst mit Geld überschütten, dann wundert sie sich, dass die nur eine Geldmaschine in ihr sehen. Sie ist zuweilen eine Nervensäge und teilweise naiv.“
„Sind kleine Schwestern immer“, lächelte der Arzt.
„Deine nicht.“
„Als Kind schon. Ihr habe ich viel zu verdanken. Eigentlich der ganzen Familie. Wir sind ja auch nicht reich, da klappt es. Ohne sie wäre ich nach dem Tod von Karin aufgeschmissen gewesen. Meine Rangen fühlen sich dort wohl, wachsen trotz allem behütet auf.“
„Willst du immer noch irgendwann übersiedeln?“
„Ja, sobald etwas frei wird, greife ich zu. Ich lebe schon zu lange in der Stadt. Außerdem möchte ich etwas Eigenes haben, dem Gerede meiner Arbeitgeber aus dem Weg gehen. Das war immer unser Traum. Das Primäre jedoch, mir fehlen meine Kinder. Ich möchte sie jeden Tag sehen, mit ihnen alles erleben, sie aufwachsen beobachten. Das fehlt mir. Seit zwei Jahren gibt es nur noch an den Wochenenden und in den Ferien ein eingeschränktes Familienleben. Mia weint oft, wenn ich wieder fahren muss. Das ist alles kein Zustand. Ich habe dort ein Haus, aber es steht leer, kostet nur Geld. Hier habe ich die Wohnung, welche auch nur ein Übergang ist. Ein Teil dort, ein Teil hier.“
„Keine neue Frau?“
„Affären, obwohl mir Babs fehlen wird. Wir sind einfach ein perfektes Gespann beim Sex, bei den Gesprächen zwischendurch, beim Kochen, außer das sie auch noch eine Augenweide ist. Das reicht derzeit. Irgendwann kommt die richtige Frau und wenn nicht, auch egal. Gehen wir an die Arbeit. Sobald ich die Unterlagen habe, werde ich mit Herrn Berger sprechen, ihn auf die OP vorbereiten, falls es euch recht ist.“
„Weißt du doch. Der Fachmann bist du, ich nur dein Assistent.“
„Um 7.00 Uhr morgen?“
„Henrik, du entscheidest.“
„Sie sollte den Hund nicht auf dem Klinikgelände frei laufen lassen. Das könnte Ärger geben.“, verließ er den Raum. Tjorben schaute dem Kollegen nachdenklich nach. Mit dem Kaffeepott in der Hand trat er ans Fenster, blickte zu seiner Schwester, die mit dem Hund spielte. Er nahm sein Handy, rief sie an, damit sie den Hund wegschaffte. Sie streckte ihm die Zunge raus. Wie stets suchte ihr Blick nach dem jungen Arzt. Sie traf ihn nie, träumte jedoch ständig von ihm, malte sich die schönen Stunden mit ihm aus.
Der Abend war so mild, dass man das Fenster offenlassen konnte. Sie schaute zum Garten hinaus, und hinter den Ahornbäumen konnte man den Vollmond aufsteigen sehen. Nachtfalter flatterten vorbei, einer schlug gegen die Fensterscheibe nebenan. Sie hätte jetzt gern auf ihrem Balkon oben gesessen, ein Glas Wein getrunken, dem Mond beobachtet. Sonja war richtig gemein. Nun jedoch träumte sie von einem Leben mit dem Arzt. Wie verlangend Henrik Bader sie immer ansah. Er war ganz begeistert von ihr und das, obwohl er jünger, als sie war. Ja, sie war eben eine schöne, bezaubernde Frau. Nackt begutachtete sie sich im Spiegel, drehte sich, warf ihren Kopf gekonnt hoch, wie sie fand. Ja, sie war wirklich immer noch eine wunderschöne, begehrenswerte Frau, nach der sich jeder Mann sehnte. Sie besaß immer noch den perfekten Körper, dazu das faltenfreie Gesicht mit den sinnlichen Lippen, der Stupsnase, dazu ihre lange Mähne. Sie nahm die Bürste und nun mussten ihre Haare dran glauben. Sie beobachtete sich dabei im Spiegel, stellte sich vor, wie Henrik Bader sie so sah, ganz verrückt nach ihr wurde, über sie herfiel. Ach, es würde himmlisch werden. Nun schob sich ein anderes Gesicht davor. Sie wusste nichts von dem jungen Adonis, den sie zuweilen in der Fußgängerzone sah. Aber auch er warf ihr Blicke zu, da schmolz sie förmlich dahin. Der sah noch besser als der Bader aus, war sogar wesentlich jünger.
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Entkräftet vom vielen Einkaufen, dem Gerenne durch die Geschäfte, ließ sie sich am späten Vormittag auf den einzigen Stuhl fallen, der bisher in der Wohnung stand. Sie schaute sich um. Außer der Küche war nichts vorhanden, aber das würde sich morgen ändern. Nun mussten sie die Kartons noch beiseiteschieben, damit man die Möbel gleich richtig aufstellen konnte. In einer Stunde musste sie schon im Laden sein, da dann die Handwerker ihren Tresen einbauen wollten. Überall herrschte das pure Chaos. Tjorben lehnte es ab, ihr zu helfen, verbot es auch Sonja. Ihre Freunde mussten alle arbeiten, hatte sich geweigert, mal einen Tag frei zunehmen und nach Hamburg zu kommen, ihr zu helfen. Sie ärgerte sich immer noch über all die Absagen. Niemand wusste, was sie alles zu erledigen hatte. Als ihre Putzfrau erschien, gab sie Anweisungen, für den ganzen Tag und befahl, dass sie morgen den ganzen Tag bei ihr arbeiten müsste. Sie bekäme dafür auch 20 Euro extra. Die Frau lachte sie aus, verlange den Lohn für die letzten Zweimal. Als sie sagte, sie hätte nie ordentlich geputzt, alles musste sie nach wischen, ging sie.
Sie schloss den Handwerkern den Laden auf, ging dann in ein Café. Sie fühlte sich völlig erschöpft, von der ganzen Arbeit, der Lauferei. Was sollte sie nur morgen machen? Die Möbel mussten alle gereinigt werden. Dazu musste der Laden geputzt werden und sie musste in den nächsten Tagen alles einräumen. Sie war rund um die Uhr beschäftigt.
„Moin! Darf ich mich zu Ihnen setzen?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, nahm er an dem Tisch Platz. Für einen Moment war Mareike sprachlos von so viel Dreistigkeit. Sie hob unwillig eine Augenbraue und erwiderte seinen Blick.
„Warum fragen Sie, wenn Sie sich einfach setzen?“ Endlich – ihr Adonis. Sie wusste, dass er sie unwiderstehlich fand.
„Ist eben Sitte“, lächelte er, dass seine ebenmäßigen weißen Zähne blitzten. Er musterte sie ganz intensiv, so als wolle er sich jede Einzelheit einprägen. „Sie sehen nett aus, wenn Sie wütend sind. Ihre Augen bekommen Leben. Hinter Ihrer kühlen, spröden Fassade schlummert ein heißer Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht. Ich hätte nicht übel Lust, diesen zum Ausbruch zu bringen. Sie wollen es doch auch schon seit einigen Tagen, so wie Sie mich dauernd ansehen.“
„Sie sind verrückt. Sparen Sie sich Ihren Atem. Auf derartiges Süßholzraspeln falle ich gewiss nicht herein“, erwiderte sie eher herausfordernd, als erbost.
„Weil ich Ihre Gegenwart genießen darf, lade ich Sie zu einem Glas Wein, Champagner oder einem Aperitif ein. Was möchten Sie?“
Mareike musste lächeln. Sie fand Gefallen an der Hartnäckigkeit dieses Mannes. Ja, er war total wild auf sie. Ob er schon einen Steifen hatte? „Ich möchte nur ein Mineralwasser. Danke!“ Irgendwie genoss sie die Aufmerksamkeit, das Flirten dieses Draufgängers.
„Langweilig! Zu Ihnen passen mehr Champagner, Luxus, schöne Dinge, Liebe, aufregende Tage, Monate, Jahre.“ Er bestellte Champagner zu dem Wasser.
„Ich heiße übrigens Philip, bin 28, ledig noch ohne Kinder. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“ Er lächelte ungezwungen charmant, beugte sich leicht vor, senkte die Stimme und blickte ihr tief in die Augen. „Verraten Sie mir Ihren Namen, Unbekannte?“
„Mareike! Sie irren sich teilweise. Ich mag keinen Champagner, keinen Luxus, muss gleich arbeiten gehen, da ich nur Mittagspause habe.“
„Schade, nun habe ich bestellt. Probieren Sie trotzdem. Er wird gleich serviert“, deutet er auf die Bedienung.
„Was arbeiten Sie“, fragte er, als sie allein waren, nippte dabei an dem Kaffee. Sie trank den Schampus und er schmeckte süffig, nach mehr. Das war etwas anderes als das billige Zeug bei ihren Eltern.
„Lecker! Ich bin selbstständige Geschäftsfrau, eröffnete gerade einen weiteren Blumenladen.“
„Blumen sind etwas Schönes. Sie sagen oft mehr als tausend Worte.“
Drei Stunden später, beschwipst, tippelt sie zu ihrem Laden, begutachtete den Tresen; fand alles rosarot, war nur ein wenig enttäuscht, dass er sie nicht mit in seine Wohnung genommen hatte. Sie wollte endlich mit ihm schlafen.
Sie kontrollierte nochmals alle, fuhr anschließend nach Hause. Unterwegs kauft sie zwei Flaschen von dem köstlichen Champagner, der eigentlich Sekt war, wie die Verkäuferin sie aufklärte. War ihr egal. Sie warf ihre Sachen daheim auf den Sessel, öffnete eine Flasche, trank, tanzte durch das Zimmer. Ach, das Leben war herrlich. Nun träumte sie von diesem Traummann und wie es wohl mit ihm sein würde. Himmlisch, wusste sie. So verliebt wie er in sie war, würde es einfach nur himmlisch werden.
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Morgen ist also so weit, dachte sie, als der Wecker sie weckte. Heute gab es noch eine Menge zu tun. Sie zog sich an, trank schnell einen Kaffee und fuhr in ihren Laden. Alles lag noch herum.
Überrascht schaute sie die vier Frauen an, bevor sie die freudig begrüßte. „Moin, ihr seid zu früh dran, aber ich habe gerade Kaffee gekocht, also setzen wir uns. Eröffnung ist doch erst morgen.“
„Wir sind zum Helfen da. Trotzdem nehmen wir den Kaffee.“ Julia reichte ihr zwei Flaschen Prosecco. „Kaltstellen, für nach der Arbeit.“
Nun war Mareike in ihrem Element. Sie konnte Anweisungen geben, alles Beaufsichtigen, schauen, ob alles richtig platziert wurde, herumnörgeln, Schnelligkeit fordern. Sie trank den Prosecco dazu, rannte mit dem Glas hin und her, beanstandete jede Kleinigkeit.
Nach drei Stunden gingen die Freundinnen, auch ein wenig verstimmt, da Mareike sie aufgefordert hatte, weiter zu arbeiten, da sie noch so viel zu erledigen hatte. Sie fluchte, öffnete die zweite Flasche, trank noch ein Glas und rief nun ihre Schwägerin an, damit die kam, alles fertigmachte. Kaum war Sonja da, erteilte sie schroff Befehle, meckerte noch, dass es so lange gedauert hatte, fuhr Blumen kaufen.
Sie ließ die Tür offen, damit Sonja die Ware hereintragen konnte. Sonja kam mit dem Arm voller Blumen herein, legte diese vorsichtig auf den Tresen. „Du räumst die weg, ich hole die anderen.“
„Ich habe keine Zeit. Lege die gleich ordentlich nach hinten. Was soll das? Du bist wirklich zu allem zu dusselig. Los Beeilung. Ich muss noch mal weg“, trank sie das nächste Glas.
„Ich habe nicht mehr lange Zeit, da ich Termine habe.“
„Verschiebst du. Was soll der Mist?“ Ohne Sonja wäre ich aufgeschmissen wusste sie plötzlich. Die half ihr seit Wochen neben ihrer Arbeit, dem Haushalt, der Familie, den Kindern. Na ja, vieles nahm ihr sicher Mathilde ab. Die Pflanzen lagen und standen alle im Laden. Es sah schrecklich aus.
„Sonja, ich muss noch was besorgen. Fang schon mal mit Putzen an. Alles muss noch einmal gewienert werden, damit nicht ein Staubkörnchen zu sehen ist. Trödel nicht ständig. Diese Unordnung nervt. Bis gleich.“
„Nein Mareike, ich fahre jetzt auch“, ging sie nach hinten. Mareike nahm ihre Handtasche, verschwand rasch, schloss den Laden ab. Lächelnd ging sie zu ihrem Wagen: Nu musste die putzen.
„Kann ich Ihnen helfen?“, begrüßte sie eine Verkäuferin.
„Nein danke, da ich mich in Ruhe umschauen möchte.“ Sie hasste es, wenn sofort eine Angestellte auftauchte und sie fortan nicht mehr aus den Augen ließ. Sie wollte stöbern, anschauen, bewundern, anfassen, auswählen und anprobieren. Dieses lapidare Gefasel, ach, steht Ihnen das gut, ersparte sie sich zu gern. Um etwas zu verkaufen, würden sie das zu jedem noch so hässlichen Sack sagen, den man sich überstülpte.
Sie nahm einen pflaumenfarbenen Pullover hoch, den es zum halben Preis gab, schaute ihn an und wusste, er würde ihrer Schwägerin gefallen. Sie suchte die Größe 34, da stand die Verkäuferin schon wieder neben ihr.
„Dieses Modell steht Ihnen ausgezeichnet, nur Sie sollten 40 nehmen.“
Mareike zog das Stück unter einem Stapel hervor, grinste dabei. „Danke, ich helfe mir allein.“ Nun noch schicke modische Ohrringe dazu passend, schlenderte sie durch den Laden, als ihr ein Kleid auffiel. Bewundernd blieb sie davor stehen, berührte vorsichtig den Stoff.
„Das würde Ihnen wirklich gut stehen.“
Sie drehte sich erschrocken um, als sie die Männerstimme hörte.
„Herr Haller, Sie haben mich erschreckt.“
„Tut mir leid. Das Kleid passt gut zu Ihnen.“
„Mag sein, aber ich habe etwas für meine Schwägerin gesucht. Ich muss gehen.“
„Keine Zeit für einen Kaffee?“, lächelte er.
Sie überlegte. Sonja war gewiss noch nicht mit der leidigen Putzerei fertig. „Gut! Einer geht.“
Sie bezahlte rasch den Pulli und sie verließen den Laden. Philip nahm sie in den Arm, gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Danke!“
Gegenüber war gleich ein Café, welches sie ansteuerten. In dem Moment sah sie Henrik Bader, der aus einem Juwelierladen trat.
„Moin, Doktor Bader.“
„Moin, Frau Eriksen. Schönen Tag noch“, musterte er kurz den Mann an ihrer Seite, bevor er weiter ging.
Sie fühlte den Arm um ihre Taille, machte sich los und nahm Platz.
„Fahren wir noch zu Ihnen?“
Sie blickte ihn an und die Schmetterlinge flogen noch aufgeregter in ihrem Bauch herum.
„Ich muss leider arbeiten, habe so viel zu tun.“
„Schade! Ich dachte, Sie möchten ein paar sinnliche Stunden buchen. Die nächsten Tage bin ich leider schon vergeben. Die Stunde kostet 150 Euro. Geld, was sich jedoch lohnt.“
Er macht einen Scherz, wusste sie.
Er eilte zielstrebig zum CD-Spieler, legte eine CD ein, die er plötzlich in der Hand gehalten hatte. „Holst du Gläser, dann öffne ich die Flasche.“
Sie handelte sofort. Er goss ein, reichte ihr ein Glas Champagner. „Diese Sorte wird dir schmecken“, lächelte er. Leise Musik erklang. Sie trank und es schmeckte ihr. Er nahm ihr das Glas ab, umfasste sie, und sie fühlte seinen Mund an ihrem Hals. Sie schmiegte sich an ihn. Alles in ihr schrie förmlich nach ihm, seinem Körper, nach Sex mit ihm. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch flatterten aufgeregt.
Er lachte ihr leise ins Ohr, streichelte ihre Wirbelsäule entlang, während die andere Hand ihren Nacken kraulte. Er schob ihre Haare etwas beiseite, dann gewahrte sie seinen warmen Atem an ihrem Hals, kühle Lippen, die sie zart berührten. Sie zitterte leicht, wollte sich von ihm lösen, um es ihm nicht so einfach zu machen. Sie war schließlich eine Dame der oberen Gesellschaftsschicht.
„Ich habe Hunger auf dich, möchte dich mit Haut und Haar verschlingen“, flüsterte er ihr zu. „Ich weiß, dass es dir genauso geht. Dein Blick verrät dich, an deinem Körper fühlt man es. Deswegen bist du doch mitgekommen, weil du guten Sex wünschst. Du erhältst ihn. Zwei Stunden?“
„Oh ja“, stöhnte sie voll Verlangen nach ihm.
„300 Euro kriege ich dann. Meine Gesellschaft war heute noch gratis.“
„Ja, komm, mach weiter.“ Sie wollte kein dummes Gefasel hören, da alles nach Sex mit ihm schrie.
Seine Finger, wie rot glühendes Eisen, schienen sie zu verbrennen. Sein Mund wanderte von ihrem Hals zu ihrem Dekolleté. Sie hörte auf zu denken, ließ sich fallen, gab sich nur noch den Gefühlen, Empfindungen hin. Eine körperliche Intimität machte sich in ihr breit, damit einhergehende angenehme Sinnesreize.