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Aktuelle Erkenntnisse aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft - Ein Denkanstoß aus dem Jahrbuch »Querdenken 2014« Die Marktwirtschaft ist ein Auslaufmodell – nicht nur ökonomisch, sondern vor allem auch gesellschaftspolitisch. Schonungslos prangert Thomas Wieczorek die Profiteure der Misere an und tritt die längst fällige Debatte über die bürgerfernen Interessen von Politik und Wirtschaft los.
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Seitenzahl: 50
Thomas Wieczorek
Abgewirtschaftet – Warum unser Land verkommt und wer daran verdient
Ein Beitrag aus Querdenken 2014
Knaur e-books
Thomas Wieczorek
Kaufmannsehre und Handwerkerehre – allein die Worte lösen beim Gros unserer Eliten aus Politik, Wirtschaft und gekaufter neoliberaler »Wissenschaft« höhnisches Gelächter aus. »Gute Ware für gutes Geld? Hahaha! Aus welchem Mustopf kommen Sie denn?« Ehrlich währt am längsten wurde seit alters her nur vom arbeitsamen gemeinen und naiven Volk mit Ehrlichkeit zahlt sich aus übersetzt und gelebt. Die steinreichen Parasitenbanden bekommen es schon immer mit der Muttermilch: Die Ehrlichen brauchen am längsten, es zu etwas zu bringen. Sie sind die Angeschmierten. Der Ehrliche ist der Dumme lautet ein Buchtitel des First-Class-Journalisten Ulrich Wickert.
Man kann sich ja über den pseudochristlichen Aberglauben des Mittelalters – dem noch heute nicht wenige Berufsklerikale und C-Politiker anhängen – lustig machen: der »liebe Gott« als »Mischung aus Christkind und Goethe und Landgerichtspräsident«. Die Handwerkerehre zum Beispiel verlangte, dass man auch dort korrekt arbeitete, wo man es nicht sieht, an Nahtstellen im Inneren eines Schrankes zum Beispiel. Die Vorstellung war: Der liebe Gott sieht mir über die Schulter und bestraft mich für jeden Pfusch oder Betrug. Ähnliches galt für den Kaufmann und den Arbeitgeber gerade in kleineren Städten, wo jeder jeden kannte und auch der Unternehmer sich einen miesen Ruf gar nicht leisten konnte.
Dies hat sich inzwischen ins Gegenteil verkehrt: Da in unserer Marktwirtschaft das Menschenbild ebenjenes homo oeconomicus gilt, wonach über Leichen gehender Egoismus rational, ein faires Miteinander irrational ist, ist die unausgesprochene Grundlage der Betrug. Hier nur einige Beispiele:
Versicherungs- und Bankendrücker gelten dann als erfolgreich und werden auch entsprechend honoriert, wenn sie arglosen – vorzugsweise älteren – Menschen völlig unseriösen Müll aufschwatzen. »Eskimos einen Kühlschrank verkauft« gilt als Adelstitel dieser Betrügerbande.
Das »Kleingedruckte« ist längst ein geflügeltes Wort: Der Anbieter setzt darauf, dass das Opfer dieses Kleingedruckte überliest und unwissentlich Dinge bestellt oder langfristige Abo-Verträge abschließt: Man versucht erst gar nicht, den Kunden von einem Produkt zu überzeugen, sondern will es ihm »unterjubeln«.
Die Lebensmittelüberwacher von foodwatch decken fast täglich Fälle auf, in denen zum Beispiel Fettmacher als »Sportlernahrung« oder umgepacktes Hundefutter als Edelmenü verkauft werden.
Mogelpackungen gehören längst zur Routine vieler Supermarktketten: Ein Riesenpaket Reis, das kaum in den Kofferraum passt, und zu Hause findet man gerade mal 23 Reiskörner. Eine Variante davon sind z.B. die Wurstpäckchen, die mal 100, mal 85 oder 72 Gramm enthalten, um dem Kunden einen günstigen Preis vozugaukeln.
Produktfälschung: Heuchlerisch wird darüber gejammert, dass »die Asiaten« zum Beispiel Markenjeans fälschen. Andererseits finden sich ja offenbar Anbieter, die diese Fakes hier unter die Leute bringen.
Doch die meiste Kritik an Gier, Betrug und Korruption ist naiv, verlogen oder populistisch. Sie folgt der Logik Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Alle drei scheinbaren »Verfehlungen« sind die Schmiermittel einer Marktwirtschaft, die auf dem homo oeconomicus beruht. Wer einen Neoliberalismus propagiert, der »nicht weiß, was Moral überhaupt ist«, und die über Leichen gehende Raffgier zur »rationalen« Grundlage der Gesellschaft erklärt, dem muss doch klar sein, dass die einzigen Hemmschwellen noch in der Angst vor dem Auffliegen, einer hohen Strafe oder Imageverlust bestehen. Der typische Neoliberale zahlt die niedrigstmöglichen Löhne, besticht Politiker und klaut Schwerverletzten die Brieftasche, anstatt den Notarzt zu alarmieren.
Nur ein Beispiel, das für Hunderte steht: »Razzia bei EnBW«, berichtete Spiegel Online im Juni 2012: Die Staatsanwaltschaft hat die Zentrale des Energieversorgers durchsuchen und umfangreiche Unterlagen beschlagnahmen lassen. Drei Mitarbeiter eines Tochterunternehmens sollen beim Handel mit CO2-Zertifikaten Steuerbetrug in Höhe von 46 Millionen Euro begangen haben.
An der Quadratur des Kreises, nämlich einer humanistischen Marktwirtschaft, haben sich sehr große und integre Geister versucht. Sie wollten nicht wahrhaben, dass Marktwirtschaft zwangsläufig zu Holocaust (siehe oben: das Ahlener Programm der CDU), Völkermord in Vietnam, Wirtschaftsbetrug, Kinder- und Altersarmut führt. Gleiches gilt für die Superreichen, die durch bloßen Kapitalbesitz mehr verdienen, als selbst ein Arzt oder Rechtsanwalt mit ehrlicher Arbeit je verdienen könnte, deren einzige Tätigkeit aber im Faulenzerleben besteht: Wenn so ein gesellschaftlich absolut entbehrlicher Typ zehn Jahre lang ins Idiotenkoma fällt, ist er nach Wiedererwachen doppelt so reich wie vorher. Das und nichts anderes ist der typische Kapitalismus.
Einer der prominentesten Vertreter der Vision eines humanen Kapitalismus ist – neben der Politlegende Norbert Blüm und dem MdB Uwe Schummer – Reinhard Marx, 55, Erzbischof von München und Freising, der laut nachdachte über das Ende des Turbokapitalismus und die Bedeutung von Karl Marx für die katholische Soziallehre.
Leitfaden sind die Ideen des Jesuiten, Nationalökonomen und Sozialphilosophen Oswald von Nell-Breuning (1890–1991) der als »Nestor der katholischen Soziallehre« gilt. Nell-Breuning wirkte als Berater von Papst Pius XI. maßgeblich an der Formulierung der berühmten Sozialenzyklika Quadragesimo anno von 1931 mit, in der die soziale Verantwortung des Eigentums gefordert wurde. Wichtigste Themen waren für ihn die Wirtschaftsethik und die Sozialpolitik, besonders das Verhältnis von Arbeit und Kapital, aber auch die Auseinandersetzung mit dem Marxismus und die Fragen der Mitbestimmung.