Die geschmierte Republik - Thomas Wieczorek - E-Book

Die geschmierte Republik E-Book

Thomas Wieczorek

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Beschreibung

Es ist etwas faul in Deutschland, Korruption wohin man schaut: Ob es um systematische Schmiergeldzahlungen von Pharma- und Baukonzernen geht oder die bestens vergütete Zustimmung von Betriebsräten zum Stellenabbau, um Schiebereien im Sport oder lukrative Steuergeschenke gegen üppige Parteispenden – es gibt keinen gesellschaftlichen Bereich, in dem nicht durch Bestechung von Menschen in Schlüsselpositionen kräftig nachgeholfen wird. Thomas Wieczorek deckt die eklatanten Missstände auf. Sein Fazit: Der Kampf gegen die Korruption ist aussichtslos, solange die Mächtigen aus Politik, Wirtschaft und den Verbänden an diesen Machenschaften nichts ändern können – und wollen.

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Thomas Wieczorek

Die geschmierte Republik

Wie Politiker, Beamte und Wirtschaftsbosse sich kaufen lassen

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

MottoVorab1. Ist Korruption ein Problem unter vielen?2. Ist Korruption lebensgefährlich?3. Richtet Korruption die Gesellschaft zugrunde?4. Wer gibt, will auch etwas dafür haben5. Tricks und SchlicheDie wunderbare Welt der seltsamen ZufälleWann ist Zeitnähe noch zeitnah?Neuer Name für das KindDer »subjektive Faktor« als AusredePsst! Das Problem der GeheimhaltungTeil I Stets zu Diensten – die korrupte Leistung1. Wir ham’s ja – der Kauf über Wert»Wer bietet mehr?« – Vergabe öffentlicher AufträgeWie einst in der DDR – Aufträge ohne AusschreibungOperation »Hand auf beim Einkauf«Es war schon immer etwas teurer …Der Steuerzahler hat’s jaIn der Marktwirtschaft angekommen – Thüringer Streifenwagen-DealsKorruption mit Zwischenhändlern?Goldgrube SchweinegrippeWie der Steuerzahler die Finanzparasiten saniertDie barmherzige katholische KorruptionKönnen Staatsbanken Korruption genauso gut?»Graduierte Idioten« als Steuergroschengrab – die Berater2. Für ’n Appel und ’n Ei – der Staat in SpendierhosenGebrüder Grimm reloaded – die PrivatisierungsmärKliniken – der Profit ist der Star, der Mensch der StatistTango Korrupti und Kölle AlaafHat der Kölner Müllskandal Appetit gemacht?Und noch ein Kölscher SkandalDresdner Wohnungen: Wieso nicht gleich auf die Parkbank?Neue Risikosportart: Bahnfahren»Tausche Parteispende gegen DDR-Vermögen« – die Treuhand»Patriotismus« auf neoliberale ArtDie Allianz-Rente»Teure Fahrt für freie Bürger«3. Mit vollen Händen zum Fenster rausSteuergeschenke in Ehren kann niemand verwehrenSchwarzfahrer im Knast, Steuergangster am PoolKleine Subventionen erhalten die FreundschaftAußergewöhnlich normal – die EU AgrarsubventionitisGedrängel unterm RettungsschirmStaatsknete für UmweltzerstörungArbeitsagentur – dein Vermittler und Betrüger4. Hokuspokus Verschwendibus – willkürlicher KaufSport ist gesund – vor allem fürs Konto5. Wo ein korrupter Wille ist, da ist auch ein Weg6. »Ich erkläre an Meineides statt …«7. So blind und keinen Hund – Duldung illegaler Aktionen»Das bisschen Haushalt« – die SchwarzarbeitDer Geldschein an der Hinterachse – TÜV-Betrug»Wir haben Sie gewarnt« – Razzien-SabotageDie Polizei – dein Freund und InformantOrdnungshüter als amtlicher Arm der Hells AngelsBeteiligung an krummen DingernBleiberecht als Schnäppchen8. Schnell vermittelt ist gut verdient9. Präsente für bloße PflichterfüllungTeil II Geld stinkt nicht (oder kaum) – der korrupte Lohn1. Vom Mittagessen bis zur Schmiergeldmillion2. Schmiergeld muss man nicht sehen oder fühlen können3. »Ein Joint hat noch keinem geschadet« – das AnfütternTeil III Politische Korruption – Korruption in der Politik1. Das Korruptions-Gen der parlamentarischen Demokratie2. Die Verfassung und das ominöse Gewissen3. Der Taschenspielertrick mit dem »Gemeinwohl«Wirtschaft und Volk – eine perverse SchicksalsgemeinschaftDas Gemeinwohl als Ansichtssache?4. Meine Wähler, deine Wähler5. Kanzler und Regierung: »Der Staat sind wir«?Wie wird man eigentlich Kanzler? Urwahl – nein danke!Der Regierung oder dem Volk verpflichtet?6. Die Partei, die Partei, die hat immer recht7. Wenn der Wähler hü und die Partei hott sagt8. Die Fabel von den »vier Loyalitäten«9. Knallbuntes Leben schlägt graue TheorieTeil IV Lobbyismus1. Mit gutem Beispiel voran – die »Brüsseler Spitzen«2. Wir sind nicht korrupt, weil wir nicht korrupt sind3. VorzeigelobbyistenDer christliche Lobbyist: Norbert RöttgenFrechheit schlägt Argument: Reinhard GöhnerIst der Ruf erst ruiniert …: Volker HoffDer Schumi des Lobbyismus: Guido Westerwelle4. Der Ausschuss entscheidet, das Plenum nickt ab5. Die Maulwürfe in der Regierung – selbst ist der Konzern6. RegierungskriminalitätDie Glanzlichter der deutschen DemokratieDer Saudi-PanzerdealTeil V Stimmt so – die Wirtschaft lässt sich nicht lumpen1. LandschaftspflegePastorentöchter unter sichEine Salzburgfahrt ist lustig …… eine Romfahrt, die ist schönDie Gasquellen von BarcelonaSylter Nordseebrisen sind gesund2. Regierungssponsoring – »Dieser Haushalt wurde unterstützt von …«3. Eine kleine Spende für notleidende ParteienLieber von Bankstern abhängig als vom verhassten Staat?Spenden und spenden lassenDankeschönspendenDie Demokratie als Geldfrage4. Glauben Sie nicht, wen Sie vor sich habenEinzelsponsoring – Codewort »Karriereförderung«Gehalt in der Geschenkpackung?Nur »Ritter der Schwafelrunde«? – die Konzernbeiräte5. Immaterielle Korruption6. Ein Dankeschön, das von Herzen kommt und Arbeit schafft7. Gemeinsam sind wir stark – die SeilschaftenMerkel gibt der Wirtschaft einen ausDer Bilderberg-Club – »unsichtbare Weltregierung«?Der Andenpakt – Verschwörung der MuttersöhnchenUnter Brüdern und VetternDie Fraktion als Seilschaft8. Die Mafia aus Finanzwelt und PolitikTeil VI Grimms Märchen – die dritte Gewalt1. Politik befehligt Justiz – Katze beißt sich in Schwanz2. Sind wenigstens die Richter unabhängig?3. Mit Samt und Glacé – Wirtschaft und Politik vor Gericht4. Ist Korruption nicht eigentlich verboten?5. Die Abgeordneten und die Lizenz zur BestechlichkeitTeil VII Korruption als Super-GAU für die Gesellschaft1. Korruption als Leitkultur – auch Klein Michel mischt munter mit2. Der materielle Schaden für die Gesellschaft3. Und was können wir tun?4. Die Schlüsselrolle der Medien5. Legalisierung der Bestechung?6. So geht’s natürlich auch7. Mehr Überwachung wagen?8. Transparenz und ÖffentlichkeitFreiheit der Information – sie lebe hoch!Wunderwaffe Korruptionsregister9. Strafe muss sein – die volle Härte des Rechtsstaats10. Ächtung – zurück ins Mittelalter?11. Summa summarum – die SchwarmintelligenzDanksagungLiteratur

Für Geld kann man

den Teufel tanzen lassen.

DEUTSCHER VOLKSMUND

[home]

Vorab

Korruption ist die Bewässerung

vorhandener Sümpfe.

Wolfgang Gruner, Kabarettist (1926–2002)

Ob zwanzig Haare viel oder wenig sind, so weiß es der Volksmund, kommt ganz darauf an: Auf dem Kopf sind das relativ wenige, in der Suppe relativ viele. So ähnlich ist es mit der Korruption.

Japan ist das Land des Lächelns, Finnland das Land der tausend Seen und Deutschland das Land der Korruption. Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gibt es allein in deutschen Behörden gut zwanzigtausend Korruptionsfälle jährlich. »Gefährdet« sind demnach vor allem Mitarbeiter aus dem gehobenen Dienst (42 Prozent). Zudem werden circa 40 Prozent der aufgedeckten Straftaten von Beamten der unteren Laufbahn wie auch in leitenden Positionen begangen. Die Studie ergab auch, dass maximal 80 Prozent der Straftaten angezeigt wurden.[1] Rechnet man die Routinebestechung in der Wirtschaft und im Alltag der kleinen Leute dazu, so kommt man sicherlich auf weit über hunderttausend Fälle: dreihundert Korruptionsdelikte pro Jahr wären relativ wenig, dreihundert pro Tag sind relativ viel.

Und selbst dies ist nur ein Bruchteil. Die Dunkelziffer der Korruptionsdelikte schätzt »Deutschlands Korruptionsfahnder Nummer eins«[2], der frühere Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner, auf 95 Prozent. Erschwerend für die Ermittlungen ist ihm zufolge, dass die Opfer meist keine Einzelpersonen oder kleinere Gruppen sind, sondern dass es sich um die Steuerzahler, die Gemeinde oder den Staat handelt und dass es nur in Ausnahmefällen Zeugen gibt. Zudem handelt es sich um ein »Beziehungsgeflecht hochintelligenter Wirtschaftsstraftäter«, das »bis in die Spitzen der Behörden und großer Konzerne« reicht. Besonders beklagt Schaupensteiner den Mangel an politischer Unterstützung, weil »der Korruptionssumpf längst in die Ministerien geschwappt ist«.[3]

Glaubt man der erwähnten Studie, so halten 48 Prozent der Bundesbürger Korruption in Behörden für stark verbreitet. »In der Bevölkerung besteht die Wahrnehmung, dass Bestechung und Unterschlagung in öffentlichen Verwaltungen üblich sind«, sagte PwC-Experte Steffen Salvenmoser.[4]

Vorneweg in Sachen Korruption sind standesgemäß die Hauptstadtbehörden, wie ebenfalls PwC ermittelte. Demnach wurden bereits 68 Prozent (Bundesdurchschnitt: 52 Prozent) Opfer einschlägiger Kriminalität.[5]

»Deutschland verliert im Kampf gegen die Korruption«, unkte Welt Online am 26. Oktober 2011.[6] Nichts, aber auch gar nichts deutet darauf hin, dass die Mächtigen aus Politik, Wirtschaft und Finanzadel auch nur das Geringste an diesem fatalen Trend ändern könnten oder auch nur wollten. Ein paar schwarze Schafe sind wohl nie zu verhindern und auch nicht weiter schlimm. Wenn aber die ganze Herde aus schwarzen Schafen mit einer Handvoll weißen besteht und dies in unserer gegenwärtigen Wirtschaftsordnung bereits angelegt ist, dann herrscht Alarmstufe Rot – oder sollte es zumindest. In der aktuellen Weltrangliste der am wenigsten von Korruption betroffenen Staaten belegt Deutschland weit hinter dem Spitzentrio Dänemark, Neuseeland und Singapur nur knapp vor Barbados gemeinsam mit Österreich Platz 15/16 und wäre damit in der Fußballbundesliga in akuter Abstiegsgefahr.[7]

Eigentlich ist nicht der gebührenpflichtige Intimkontakt das älteste Gewerbe der Welt, sondern die Korruption: War das verführerische Lächeln, mit dem Eva ihren Paradiesmitbewohner Adam zum verbotenen Apfelverzehr bewegte, etwas anderes als Bestechung? Und bereits Gaius Iulius Caesar sagte mit der Lex Iulia de repetundis der ausufernden Korruption den Kampf an, indem er Beamten verbot, Geld von Dritten anzunehmen.[8] Der Religionswissenschaftler Karl Rennstich berichtet ausführlich über »Korruption in der Umwelt des Alten Testaments«[9] und »Korruption in der Umwelt des Neuen Testaments«.[10] Bestechung und Bestechlichkeit sind also alles andere als Modeerscheinungen. Allerdings zeigen sie sich in kapitalistisch regulierten Gesellschaften in einer ganz speziellen Variante.

1. Ist Korruption ein Problem unter vielen?

Korruption ist nicht irgendein Missstand. Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Menschenwürde, Vollbeschäftigung, Solidarität, Stabilität, Gesundheitswesen, Bildung, Altersversorgung: Praktisch jedes Problem könnte – isoliert betrachtet – unter heutigen Bedingungen prinzipiell gelöst werden. Anders verhält es sich mit der Korruption: Sie ist nicht irgendein Problem, sondern Hauptangelpunkt und Sargnagel nicht nur unserer Form der Marktwirtschaft, sondern jeder denkbaren Gesellschaftsordnung. »Jeder hat seinen Preis«: Wenn das zutrifft und nahezu alles käuflich ist, dann werden Gesetze und Politik nicht nach den Interessen der Bevölkerung gemacht, sondern meistbietend versteigert; und selbst diese Gesetze und Projekte werden ihrerseits durch Korruption missachtet oder ausgehebelt. Der Korruptionsforscher Werner Rügemer betont, die Korruption gehöre »zum systemischen Instrumentarium der ›unsichtbaren Hand‹ der ›Marktwirtschaft‹ in den Kapitaldemokratien«. Der gegenwärtige neoliberale Globalismus beinhalte »die bisher weitestgehende, nachhaltige Entfesselung der Korruption in der Geschichte«. Korruption werde »hier ständig modernisiert und legalisiert« und entziehe sich »in den meisten Fällen der öffentlichen Wahrnehmung«.[11]

Kriminelle Spitzenpolitiker kommen ohne Gefängnisstrafe davon, weil ihre Inhaftierung angeblich dem »Ansehen der Republik« und dem »Vertrauen in die Politik« schaden würde. Schwarzarbeitgeber gehen nahezu straffrei aus, weil – wie es heißt – eine hohe Geldbuße und erst recht ein Gefängnisaufenthalt Arbeitsplätze gefährde. Die entsprechende Beeinflussung (Bestechung) des Behördenapparats und der Justiz reicht vom Karrieresprung bis zur Strafversetzung – eine Drohung oder deren Umsetzung ist schließlich nichts anderes als negative Korruption: Erpressung ist »Bestechung umgekehrt«. Ein Steuerprüfer fährt plötzlich Ferrari, ein Baudezernent legt sich eine Jacht zu, ein Umweltkontrolleur zieht ins Villenviertel – und der kritische Bürger, sofern er es überhaupt mitbekommt, denkt sich seinen Teil. Aber dies sind nur die Spitzen eines gigantischen Eisbergs.

Korruption, wohin man blickt: Ob Zustimmung von Betriebsräten zu Lohnkürzung und Stellenabbau, Sicherung von Staatsaufträgen, Genehmigung eigentlich verbotener Waffenexporte, Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, geschönte Umweltgutachten oder Bestechung von Ärzten durch Pharmakonzerne und Steuergeschenke gegen »Parteispenden« – es gibt kaum einen Bereich, in dem nicht durch Bestechung nachgeholfen wird.

In diesen, aber auch bei anderen spektakulären Fällen wie etwa Steuerhinterziehung oder abnorm günstigen Angeboten an Privatleute werden ehrliche (oder auch nur naive) Firmenmitarbeiter oder Staatsbedienstete bestochen oder massiv bedroht, strafversetzt und sogar rausgeworfen bzw. zwangspensioniert. Die meist jährlich erscheinenden Fallsammlungen der Rechnungshöfe und des Bundes der Steuerzahler sind fast so umfangreich wie die Telefonbücher einer Großstadt – Konsequenzen gibt es aber in der Regel keine.

Zu den unermesslichen Schäden für Leib und Leben sowie für den Staatshaushalt kommen die ideellen. Die Kleinen nehmen sich ein Beispiel an den hochkriminellen »Eliten«. Für »kleine Aufmerksamkeiten« gibt’s den früheren Termin beim Arzt, Friseur oder Anwalt, den besseren Tisch im Restaurant, das Zimmer mit Meerblick, und beim TÜV oder bei der Fahrprüfung lässt man schon mal fünf gerade sein. Auch Gebrauchtwagen gibt’s zuweilen erheblich billiger, und den Gewinn zu Lasten des Autohausbesitzers teilen sich Verkäufer und Käufer. Und so weiter, und so fort.

2.Ist Korruption lebensgefährlich?

Nicht selten bedroht und kostet Korruption Menschenleben. Man spart aus Kostengründen an notwendigen Sicherheitstests, verwendet minderwertiges bzw. untaugliches Material oder exportiert illegal Waffen in Krisengebiete, frei nach der Devise: »Wird schon gutgehen, das merkt doch keiner.« Die Bayer AG bestach gemeinsam mit anderen Pharma-Riesen japanische Regierungsmitglieder, um anderswo verbotene HIV-infizierte Blutermedikamente verkaufen zu können. Ergebnis: Tausende HIV-Infizierte, über hundert Tote, 100 Millionen Euro Schadenersatz durch Bayer.[12] Das Bahnunglück von Eschede am 3. Juni 1998 mit einhunderteins Toten und achtundachtzig Schwerverletzten war auf Materialermüdung, schlampige Wartung und, laut Eisenbahn-Bundesamt, schwere Verletzungen der Organisations- und Verkehrssicherungspflicht zurückzuführen.[13] Hier hatte der Bahn-Vorstand offenbar direkt in das Prüfungsverfahren des Bundesbahn-Zentralamtes eingegriffen.[14] Ertappte Lieferanten und Verkäufer von Gammelfleisch treffen auf »zugedrückte Augen«. Und wenn’s doch auffliegt, hält man die Namen der schuldigen Firmen möglichst geheim. Störanfällige AKWs werden am Netz gelassen, die Strompreise dem »guten Willen« der Konzerne überlassen. Genauso gut könnte man an einen Tiger appellieren, Vegetarier zu werden. Im Gegenzug für derlei Entgegenkommen winken den Willigen und Pflegeleichten »legale« Parteispenden, traumhafte Dankeschönjobs oder als Info-Veranstaltungen getarnte Traumreisen.

Kaum irgendwo wird die Vermutung, dass die Raffgier ohne alle Skrupel und Grenzen zu unserer Marktwirtschaft gehört wie das Plagiat zu Guttenberg, so nachhaltig bestätigt wie bei ihrem legitimen Kind, der Korruption. Eines der Kennzeichen der Marktwirtschaft ist die Konkurrenz, und zwar auf buchstäblich allen Ebenen: Wenn irgendein Marktteilnehmer im Kampf gegen die anderen Marktteilnehmer unlautere Mittel einsetzt, sind die anderen gezwungen mitzumachen. Wenn daher überhaupt eingeräumt wird, dass man sich unsauberer Methoden bedient hat, dann fehlt niemals der Hinweis, der Konkurrent habe ja schließlich angefangen.[15]

In Deutschland war die Bestechung bei Auslandsgeschäften bis 1999 sogar steuerlich absetzbar[16] und bis August 2002 immer noch völlig legal.[17] Josef Wieland, Professor für Wirtschaftsethik in Konstanz, meint hierzu: »In der Republik galt eben die offizielle Doktrin, dass man in Ländern der Dritten Welt ohne Bestechung gar nicht arbeiten kann.«[18]

3.Richtet Korruption die Gesellschaft zugrunde?

Der durch Korruption verursachte materielle und ideelle Schaden für die Gesellschaft liegt auf der Hand. Wenn Verträge nichts mehr wert sind, wenn Politiker pauschal unter Korruptionsverdacht stehen und man letztlich niemandem mehr trauen kann, richtet sich die Gesellschaft selbst zugrunde. Schon nennt der Volksmund seine Eliten »Ritter der offenen Hand« oder »die besten Politiker, die man für Geld kaufen kann«.

Die Tragikomödie der Korruption besteht darin, dass sie einerseits zwar nicht in der Theorie,[19] wohl aber in der Praxis zwangsläufige Voraussetzung freier Märkte ist – ohne Bestechung läuft in verschiedenen Branchen oder Regionen nichts. Andererseits treibt die Korruptionskonkurrenz die Bestechungskosten ins Uferlose, so dass Korruption unterm Strich für alle Unternehmen teurer ist als ehrlicher Wettbewerb. Darüber hinaus verhindert Korruption systematisch den technischen Fortschritt, also die »Entwicklung der Produktivkräfte«. Noch bestens in Erinnerung ist der Maut-Skandal von 2003: Statt ein funktionstüchtiges System wie das der Schweiz zu übernehmen, schanzte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Daimler und der Telekom den Auftrag zu. Schaden: 6,5 Mrd. Euro.[20]

Was also tun gegen die allgegenwärtige Korruptionsseuche? Zwar schreibt die US-amerikanische Korruptionsforscherin Susan Rose-Ackerman 1996 in einem Anflug von neoliberalem schwarzem Humor: »Wenn der Staat weder Exporte verbieten noch Geschäftslizenzen vergeben und Subventionen verteilen kann« – also letztlich keinerlei Befugnisse mehr hat –, »wäre Bestechung sinnlos.«[21] Aber selbst eine (bislang nur im neoliberalen Modell existierende) völlig freie und nur durch den Polizeistaat abgesicherte Marktwirtschaft wäre schnell am Ende, wenn die Schlüsselpositionen und Schalthebel der Macht mafiös unterwandert würden, denn, wie Susan Rose-Ackerman betont, auch der schlankeste Staat hat Bereitschaftspolizisten mit Ermessensspielraum – also mit Korruptionspotenzial.[22]. So beißt sich die Katze in den Schwanz.

Konsequent zu Ende gedacht, wäre dieser Teufelskreis der Korruption nicht nur die Götterdämmerung des Rechtsstaats und der Marktwirtschaft, sondern sogar jeglicher Zivilisation. Denn spätestens seit Thomas Hobbes wissen wir, dass »der Mensch dem Menschen ein Wolf«[23] und folglich das ungeregelte und gesetzlose Zusammenleben ein »Krieg jeder gegen jeden« sein kann. In seinem Hauptwerk Leviathan schreibt Hobbes, »dass, solange Menschen ohne eine gemeinsame Macht leben, die sie alle in Bann hält, sie sich in dem Zustand befinden, den man Krieg nennt; und dabei handelt es sich um einen Krieg aller Menschen gegen alle Menschen«.[24]

Auch Reichskanzler Otto von Bismarck sah dieses Problem, das sich als Krieg Arm gegen Reich anbahnte. Nur diese Angst, nicht etwa irgendein christlich-moralischer Gedanke, war das Motiv seiner Sozialreformen.[25]

Mein Gedanke war, die arbeitenden Klassen zu gewinnen, oder soll ich sagen zu bestechen, den Staat als soziale Einrichtung anzusehen, die ihretwegen besteht und für ihr Wohl sorgen möchte.

Otto von Bismarck[26]

Aufschlussreich, dass selbst der bedeutendste Politiker des Deutschen Reichs die Gesellschaft offenbar vorwiegend in Bestechende und Bestochene aufteilt und dies augenscheinlich für normal hielt. Dies entspricht der von Immanuel Kant angedachten[27] These des deutsch-österreichischen Staatsrechtlers Georg Jellinek (1851–1911) von der normativen Kraft des Faktischen:[28] Wenn zu viele Leute ständig Gesetze, Vorschriften oder gesellschaftliche Spielregeln missachten und meistens ohne Strafe oder Blamage davonkommen, gilt dieses Verhalten irgendwann als normal. Das gilt für Bierdosenberge nach Freilichtkonzerten, Spickzettel bei Examensklausuren und »Souvenirs« in Form von Kneipengläsern genauso wie für Versicherungsbetrug, Steuerschummelei und eben Korruption. Für einen Zwanziger ist plötzlich doch noch ein Hotelzimmer frei, und für eine Gratis-Flatrate in Papas Restaurant wird aus der Fünf in Mathe die versetzungsrettende Vier.

Dass Korruption überhaupt entsteht und zum Normalzustand wird,[29] ist freilich nur möglich durch den völlig tabulosen Eigennutz, den viele Neoliberale für genetisch bedingt halten, ähnlich wie Rassisten die Intelligenz ganzer Völker. Bestechung und Bestechlichkeit, also strafbare, vertragswidrige oder schlicht unmoralische und asoziale Handlungen im großen Maßstab setzen dieser kruden Theorie nach voraus, dass dem Menschen der skrupellose Egoismus quasi in die Wiege gelegt sei, dass also Regeln wie »Geld regiert die Welt« und »Jeder hat seinen Preis« Naturgesetze seien wie Schwerkraft und Thermodynamik. Die windige Hypothese vom homo oeconomicus – zu Deutsch etwa: Raffke oder Gierschlund – ist aber tatsächlich ein Kernstück der neoliberalen »Lehre« und ihrer Unterabteilung »Neue Politische Ökonomie«. Deren Begründer Antony Downs gibt zu Protokoll: »Wenn wir von rationalem Verhalten sprechen, meinen wir stets rationales Verhalten, dem primär eigennützige Absichten zugrunde liegen.«[30] Folglich erscheinen Solidarität, Rücksichtnahme und erst recht Altruismus als »irrational«, und wenn Wissenschaftler »irrational« sagen oder schreiben, dann meinen sie meist »nicht ganz dicht«, »Sprung in der Schüssel« oder »therapiebedürftig«: Ehrlich währt am längsten – diese Volksweisheit bedeutet entgegen einem verbreiteten Irrtum ja nicht, dass Ehrlichkeit sich langfristig auszahlt, sondern dass man damit am längsten braucht, es zu etwas zu bringen.

In gewisser Weise stimmt das sogar: Da bekanntlich jede Gemeinschaft ihre Menschen »erzieht«, setzt sich eben in einer ausschließlich auf Selbstbereicherung orientierten neoliberalen Gesellschaft der vor nichts zurückschreckende Profitjäger am besten durch, und »Der Ehrliche ist der Dumme«.[31]

Mit Vorsicht zu genießen ist allerdings auch das pauschale Jammern über eine »gefühlskalte Egoistengesellschaft«. Macht man den Leuten nämlich weis, sie hielten sich so ziemlich als Einzige an Recht und Gesetz, an die Regeln von Anstand und Moral, dann fühlen sie sich irgendwann tatsächlich als ausgenutzte »arme Irre« und beteiligen sich fortan lieber am Hauen und Stechen aller gegen alle: Jeder ist sich selbst der Nächste. Und diese Haltung kann leicht um sich greifen wie eine Seuche. Ein einziger Drängler an der Bushaltestelle kann eine geordnete Warteschlange in eine schubsende Horde verwandeln, und ein einziger hupender Autofahrer im Berufsverkehrsstau initiiert oft ein ganzes Hupkonzert.

Aber sind wir als Kinder dieses Wirtschaftssystems nicht alle so? Der Herdentrieb funktioniert jedenfalls auch in die andere Richtung: »Oder-Hochwasser erzeugt eine Welle der Hilfsbereitschaft in ganz Deutschland«[32] – so oder ähnlich lauteten 1997 zahllose Schlagzeilen. Überhaupt ist die Spendenbereitschaft der Deutschen bei Katastrophen in aller Welt geradezu sprichwörtlich; und auch Gastfreundschaft, Nachbarschaftshilfe, ja sogar großzügige Trinkgelder[33] und die Freude am Schenken (auch wenn man nicht damit angeben kann) sind so gar nicht vereinbar mit dem Leitbild des homo oeconomicus, nach dessen Logik die Normalbürger samt und sonders Bekloppte und die schamlosen Raffzähne die »Rationalen« wären.

Denn tatsächlich sind die Raffgierigen nach wie vor in der Minderheit. Glaubt man einer Forsa-Studie, dann dreht sich bei den Deutschen keineswegs alles um den Mammon. Für 98 Prozent ist Gesundheit am wichtigsten, für 97 Prozent hat das Lebensumfeld die zweitgrößte Bedeutung. Danach folgen mit 88 Prozent das Einkommen, mit 78 Prozent die Partnerbeziehung und mit 67 Prozent der Beruf.[34]

Und schließlich: Selbst die übelsten Profitgeier vererben ihr wie auch immer angeeignetes Vermögen ihren Nachkommen. Müssten sie es nicht vielmehr in neoliberaler Egoistenmanier zum großen Teil verprassen nach dem Motto: »Nach mir die Sintflut«? Spätestens hier erweist sich das Modell des homo oeconomicus als reine Propagandaphrase. Insofern gleicht ein Neoliberaler einem katholischen Pfarrer, der die Keuschheit vor der Ehe predigt, es aber selbst mit der Haushälterin treibt. Wenn nun verbissene Verteidiger des homo oeconomicus nach dem Motto »War doch gar nicht so gemeint« zu retten versuchen, was nicht mehr zu retten ist, und sich darauf herausreden wollen, diese Karikatur sei ausschließlich als wirtschaftliches Verhaltensmodell gedacht,[35] dann erinnert das an die makabre Bemerkung, privat wäre Joseph Goebbels doch ein treusorgender Familienvater gewesen.[36]

Derlei kindischer Rechtfertigung erteilt der Greifswalder BWL-Professor und Ethikforscher Steffen Fleßa eine klare Absage: »Für die Unternehmen wird der homo oeconomicus noch weiter verkürzt auf die Gewinnmaximierung … [er] ist nur noch ein Zerrbild seiner selbst. Das Verhalten des homo oeconomicus wird immer mehr zum Maßstab für alle Aspekte menschlicher Existenz … Das Modell, das ursprünglich nur helfen sollte, das wirtschaftliche Handeln zu erklären, wird zum Maßstab aller Dinge. Aus der neutralen Beschreibung wird plötzlich eine Tugend, auf die sich alle Menschen verpflichten sollen. Das Modell wird zum Imperialisten und unterwirft alle anderen Dimensionen.«[37]

Der homo oeconomicus ist eine Karikatur auf den wirklichen Menschen.

Norbert Blüm[38]

Ein typisches Beispiel für die perfide Strategie des homo oeconomicus sind die frei erfundenen und ausschließlich machtpolitisch und am Profit orientierten Beurteilungen von Staaten durch die »Ratingagentur« genannten neoliberalen Einpeitscher und Scharlatane. So stufte Standard & Poor’s (S&P) die Kreditwürdigkeit Italiens im Mai 2011 von »stabil« auf »negativ«. Grund: »stagnierender Reformwille«.[39] Die Kreditwürdigkeit Griechenlands stuften die Propagandisten des globalen Großkapitals im Juni 2011 als weltweit am schlechtesten ein, noch schlechter als die von Jamaika, Ecuador und Pakistan.[40]

Die US-Banken, die 2008 Milliarden verzockt hatten und nur mit Staatshilfe am Leben erhalten werden konnten, wurden dagegen von den US-Ratingagenturen bis heute nicht abgestuft. Nicht so verlogen und zimperlich ist da Chinas Ratingagentur Dagong, die am 9. November 2010 gleich den ganzen Staat USA von der Bestnote AAA auf A+ heruntersetzte.[41] Aber die wird ja auch wohl kaum von amerikanischen Konzernen geschmiert. Dennoch wagte es die US-Agentur Moody’s am 13. Juli 2011 – vielleicht aus Sorge um den letzten Rest Glaubwürdigkeit und weil Dagong erneut mit Abstufung drohte, vielleicht aber auch, weil die Republikaner besser zahlen als Obama – das AAA der USA offen in Frage zu stellen.[42] Tief blicken lässt übrigens die Meldung im Hamburger Abendblatt, Moody’s wolle bei der Bewertung der Bonität der USA »die Notbremse ziehen«.[43] Was ist diese Marktwirtschaft für ein System, wenn gekaufte, konspirative Kasper in der vorgeblichen Weltmacht Number One »die Notbremse ziehen« können?

Dabei sind die Methoden und Kriterien der Ratingagenturen geheimer als die Rezeptur eines Lagerfeld-Parfums. Verständlich, denn sie haben mit »Analyse« oder »Wissenschaft« weniger zu tun als ein Tretauto mit einem Formel-1-Boliden und drücken nur die Interessen des globalen Großkapitals aus. Auf gut Deutsch: Die Nachkommen Cäsars und Platons sind zu langsam bei der systematischen Umverteilung ihres Volksmögens – weg von der ehrlich arbeitenden oder unverschuldet verarmten Bevölkerung hin zu den nationalen und globalen Parasitenbanden, den Milliardären und Großbanken also, die ihr Geld ausschließlich durch den Besitz und Verleih von Kapital verdienen (also ohne einen einzigen produktiven Handschlag). Ihnen nämlich schulden Italien und Griechenland zu einem großen Teil die horrenden Zinsen für kriminelle Wucherkredite (»Staatsanleihen«), und ihnen allein nützt auch die »großzügige« EU-Hilfe. Die kleinen Leute zwischen Bozen und Kreta sehen keinen Cent davon.

Dieser Siegeszug des vor nichts zurückschreckenden homo oeconomicus aber befeuert die Korruption wie die Kohle die Dampflok. »Jeder dritte Angestellte würde schmieren«, ergab eine Umfrage in Europas Konzernen vom Mai 2011.[44] Und viele tun es auch, wie zum Beispiel jener Buchhalter eines sauerländischen Autoteile-Zulieferers, der wegen Beihilfe zur Bestechung eines BMW-Einkäufers vom Landgericht Bochum 18000 Euro Geldstrafe (davon 8000 Euro auf Bewährung) bekam.[45]

Auch unser Nachwuchs soll zu fachidiotischen, eigensüchtigen Monstern erzogen werden. Pädagogikprofessor Armin Bernhard von der Uni Duisburg-Essen fasst zusammen: »Der Mensch ist ein Rohstofflager: Dies ist die Kernaussage des neoliberalen Menschenbildes.«[46] Besonders aufschlussreich ist das Manifest zur Bildung[47] des damaligen Deutschlandchefs der berüchtigten neoliberalen Demagogenhorde McKinsey, Jürgen Kluge, das Bernhard so zusammenfasst: »Die Ausschöpfung der Begabungsreserven soll durch eine möglichst frühe Investition in kindliche Bildung optimiert werden. Der gegenwärtige Boom der ›Frühpädagogik‹ ist in diesem Zusammenhang um die Ausbeutung geistiger Humanressourcen zu sehen … Bildung darf nicht mehr primär als ein Mittel der Persönlichkeitsentwicklung und des Erwerbs von Mündigkeit angesehen, sondern muss als wirtschaftliche Investition begriffen werden.«[48] Dass dies, ginge es nach den Fieberfantasien neoliberaler Triebtäter, über kurz oder lang zum moralfreien homo corruptus führen würde, wäre nur eine Zeitfrage.

4.Wer gibt, will auch etwas dafür haben

Für sich genommen, ist Korruption eigentlich ein ganz normales, mehr oder minder faires Geschäft – zumindest für die Beteiligten, denn »Korruption führt in jedem Fall zu gesamtwirtschaftlichen Verlusten, das heißt zu Wohlstandsminderung«.[49]

Der Ausdruck Do ut des, durch dessen Gebrauch mancher Prahlhans den Besuch eines »humanistischen« Gymnasiums vortäuscht, beschreibt ja im Grunde nur den Tausch als solchen, wird aber besonders im parteipolitischen Hickhack als anderer Begriff für Korruption verwendet.

So kritisierte SPD-Bundestagsfraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann im März 2010 die Begleiterauslese des damaligen Außenministers Guido Westerwelle. »Der Lateiner nennt dieses Prinzip ›do ut des‹ – ›Ich gebe, damit du gibst‹. So ist es: Geneigte Firmen unterstützen Herrn Westerwelles FDP mit satten Spenden vor der Wahl – nach der Wahl nimmt dann der Außenminister seine Freunde mit ins Ausland auf ›Geschäftsreise‹«.[50] Mal abgesehen davon, dass es sich dabei – ähnlich wie ein Knastaufenthalt – um »Urlaub auf Staatskosten« handelt: Anrüchig wurde der Deal »nur« durch den simplen Umstand, dass nicht Westerwelle »der Laden gehört«, sondern dem Deutschen Volke und dass die beträchtlichen kleinen Aufmerksamkeiten der Industrie nicht in der Staatskasse, sondern auf den Konten seiner in diesen Dingen besonders liberalen FDP landeten.

 

Möglich ist Korruption immer dann, wenn jemand über (materielle oder immaterielle) Ressourcen verfügen kann, die ihm nicht gehören. Verkauft ein Bauer seine Eier zu billig, so ist das sein Problem. Tut dies aber sein Angestellter (Prokurist) und erhält dafür – natürlich heimlich – eine Provision vom Käufer, so ist das Korruption und der Bauer der Geschädigte.

»Was kosten die Eier?«

»25 Cent, die angeknickten 12 Cent.«

»Dann knicken Sie mir bitte zehn Stück an.«

Ebenso treffend wie ironisch nennt der Exchef des früheren staatlichen französischen Ölkonzerns Elf Aquitaine, Loïk Le Floch-Prigent[51], als Grundproblem, »dass jemand, der im Monat nur 10000 Mark verdient, die Möglichkeit hat, mit seiner Unterschrift Entscheidungen zu besiegeln, die Milliarden von Dollar bewegen«.[52]

Die Korruptionstheorie beschreibt den Vorgang so: Auftraggeber und Auftragnehmer (in der Politik das Volk und sein Interessenvertreter) schließen einen legalen Vertrag. Nun vereinbart aber der Auftragnehmer mit einem Dritten einen illegalen korrupten oder unmoralischen Deal zum beiderseitigen Vorteil und zu Lasten des legalen Auftraggebers.[53] Ist dabei Materielles und erst recht Geld im Spiel, so springt die Korruption meist direkt ins Auge. So verurteilte das Landgericht einen Projektmanager der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu einundzwanzig Monaten Haft auf Bewährung wegen Vorteilsnahme und Bestechlichkeit, weil er einem Bauunternehmer Aufträge für 770000 Euro zugeschanzt und im Gegenzug Handwerksleistungen für sein Eigenheim und ein zinsloses Darlehen im Wert von »einigen Tausend Euro« erhalte habe.[54]

 

Schwieriger wird’s schon beim Erkennen der getarnten Korruption. Wenn der korrupte Lohn für eine »Gefälligkeit« zum Beispiel darin besteht, dem Bestochenen zu einem neuen Amt, einem Fernsehauftritt, einer Golfclub-Mitgliedschaft oder dessen Sohnemann zu einem Studienplatz in Yale zu verhelfen, bleibt selbst den Strafverfolgern oft nur ein hilfloses Naserümpfen. Oder man murrt über das »Gschmäckle« eines Skandals, wie etwa der superpeinlichen Kontaktverkaufsaktion des inzwischen vom Wähler in die Wüste geschickten NRW-Ministerpräsidenten Jürgen »Kinder statt Inder«[55] Rüttgers.

Privataudienzen beim Meister und bei seinen Ministern kosteten 20000 Euro. Entsprechende Werbebriefe hatten Rüttgers laut Spiegel den Vorwurf der Käuflichkeit eingebracht. Der Ministerpräsident wies diese Kritik – selbstverständlich – »entschieden zurück«. Solche Unterstellungen seien »absurd und völlig unzutreffend«. Er habe von dem Angebot nichts gewusst.[56]

Erklärung eines Beschuldigten: »1. Ich habe nie Geld von Meier genommen. 2. Es waren alles kleine Scheine. 3. Wer zum Teufel ist Meier?«

Für den Speyerer Korruptionsexperten und Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim »hat das nicht nur ein Geschmäckle, sondern grenzt an Korruption«. Illegal sei dabei nicht die Spende, sagte er der Hannoverschen Neuen Presse, sondern »wenn als Gegenleistung der Zugang zur Regierung versprochen wird«. Ärgerlich nur, wie auch von Arnim befürchtet, dass man das Ganze kaum werde beweisen können.[57]

 

Noch problematischer ist es bei der immateriellen Korruption. »Beim Mord braucht man eine Leiche, bei der Bestechung muss kein Geld geflossen sein«, sagt die Stuttgarter Staatsanwältin Claudia Krauth.[58] Wenn zum Beispiel Volksvertreter wie weiland die Friedensapostel der Grünen abrupt und herdenweise ihre politische »Überzeugung« radikal ins Gegenteil verkehren, um ihre Regierungsbeteiligung inklusive der Ämter und Pöstchen zu retten, dann werden sie einem noch heute, vermutlich ohne rot zu werden, weismachen wollen, es habe sich um einen plötzlichen »politischen Lernprozess« oder ähnlichen grenzdebilen Kokolores gehandelt.

5.Tricks und Schliche

Die besten Schauspieler gehen in die Politik.

Die anderen zum Film.

Volksmund

Prinzipiell ist Korruption natürlich eindeutig zu beweisen. Diesen Beweis zu führen ist in der Praxis aber nicht ganz so einfach. Wäre es das, dann könnte man im Nu den gesamten korrupten Sumpf trockenlegen und die Akteure in Strafunterkünften und psychiatrischen Genesungsheimen unterbringen oder – mit Lebensmitteln für hundertfünfzig Jahre ausgestattet – auf unbewohnte Trauminseln oder in arktische Idylle verfrachten. Den Staaten, »wo der Pfeffer wächst«, wären diese Leute nicht zuzumuten. Was eigentlich ein bisschen schade ist.

Das Beweisproblem hängt damit zusammen, dass die Führer von Politik und Wirtschaft ganze Horden von Experten ausschließlich dafür bezahlen – also in Wahrheit der Bürger über die Steuern oder den Aufschlag auf Waren und Dienstleistungen –, dass sie korrupte Aktionen und ihre Verschleierung bis ins letzte Detail exakt planen. Fliegen größere Korruptionsgeflechte wie Parteispendenskandale, Klüngel- und Amigoaffären oder Bestechungssysteme von Großkonzernen einmal tatsächlich auf, dann hängt das oft mit der giergetriebenen Dusseligkeit der Akteure zusammen. Schmiergeld im Aktenkoffer oder auf Schweizer Konten – Mann, wo kommen Sie denn her? Die Regel ist aber das Tarnen, Herausreden und Abstreiten – im Ernstfall kennen Korruptis nicht einmal ihren eigenen Namen.

Die wunderbare Welt der seltsamen Zufälle

Korruptionsverdächtige versuchen häufig, eine Art »Katz-und-Maus-Spiel« zu veranstalten, indem sie, wie wir noch an Beispielen sehen werden, einfach behaupten, sie hätten die Entscheidungen auch ohne Gegenleistung genauso getroffen, von der Gegenleistung erst nachträglich erfahren oder die Gegenleistung sei gar keine, sondern ihr Zusammentreffen mit der erbrachten Leistung sei rein zufällig.

Selbstverständlich kann sich weder der geduldige Bürger noch die Korruptionsanalyse auf diese Verhöhnung ihrer Intelligenz einlassen, zumal es hier auch gar nicht um Schuldnachweise im juristischen Sinne geht.

Man stelle sich einmal vor: Ein Handwerker behauptet, er habe einem wildfremden »Bekannten« aus purer Nachbarschaftshilfe die Wohnung tapeziert und sei ganz überrascht gewesen, anschließend Geld zu erhalten, bzw. das Geld habe mit dem Tapezieren nichts zu tun, sondern sei eine Spende für ihn als notleidenden Familienvater gewesen. Obwohl so etwas im Einzelfall natürlich stimmen kann, dürfte kaum ein Finanzamt diese Version akzeptieren. Überhaupt geht es ja bei der allgemeinen ebenso wie bei der politischen Korruption um zwei Leistungen und deren objektiven inneren Zusammenhang. Ist der Zusammenhang gegeben, wird die Leistung des einen als korrupte Aktion und die Leistung des anderen als korrupte Bezahlung gewertet.

Wann ist Zeitnähe noch zeitnah?

Natürlich wird ein korrupter Tausch nicht immer so offensichtlich durchgeführt, dass die beiden zusammenhängenden Leistungen zeitnah erfolgen. Nun kann man aber verständlicherweise keine Obergrenze für den Zeitraum benennen, in dem die Leistungen erfolgen müssen, um einen Zusammenhang zu beweisen. Wie viel später darf eine »Dankeschön-Spende« kommen, um als solche identifiziert zu werden? Eine Woche, einen Monat, ein Jahr, fünf Jahre nach der »Gefälligkeit«? Da der zeitliche Abstand also keine Obergrenze hat, kann er auch nicht als Beweis gegen Korruption herhalten. Und die Tatsache, dass einem Agenten der Erhalt eines konkreten, projektbezogenen korrupten Lohns nicht nachgewiesen werden kann, zeigt bestenfalls die Grenzen der Analyse des isolierten Korruptionsfalls. Damit ist nicht der Verdacht widerlegt, dass etwa ein Politiker insgesamt davon profitiert, dass er Konzernen zu Vorteilen auf Kosten der Bürger verhilft. Es ist nämlich dem Wesen nach kein Unterschied, ob jemand z.B. alle zwei Jahre eine Million Euro überweist und dafür bei zehn Grundstücksvergaben bevorzugt wird oder ob er jede Bevorzugung mit 100000 Euro bezahlt. Der Schluss, dass Bestechung nicht zeitnah erfolgen müsse, ist besonders wichtig, wenn wir später die Parteispenden behandeln, insbesondere die Unterschiede zwischen verbotenen projektbezogenen und zulässigen allgemeinen Spenden.

Neuer Name für das Kind

Wenn jemand im Supermarkt ein Brühwürfeletikett mit der Aufschrift »0,99« auf eine Whiskyflasche klebt, dann fällt das natürlich auf. Ganz so simpel ist es mit dem Umdeklarieren korrupter Leistungen natürlich nicht: Die Schmiergeld-Connection will und muss vertuschen, welche korrupte Leistung tatsächlich erbracht und belohnt wird.

Genauso wie kein Auftragskiller seinen Lohn als »Mörderentgelt« verbuchen wird, sondern z.B. als »Entsorgungsentgelt« – so tarnen meist auch Bestechender und Bestochener den wirklichen Grund für einen Geldfluss, etwa als Honorar für »Beratung«, »Studien« oder »Vorträge«.

Gewissenhafte und im positiven Sinne verbissene Korruptionsfahnder versuchen dann nachzuweisen, dass es sich wirklich nur um Scheinleistungen handelt: dass die »Beratung« nur aus einem Fünfminutentelefonat über das Wetter, die »Studie« aus einer Handvoll Zeitungsausschnitten, der Vortrag aus dem Verlesen der vorletzten Regierungserklärung bestand.

Allerdings ist diese Art von Beweisführung problematisch und zudem überflüssig. Problematisch ist sie, weil Begriffe wie Beratung, Studie und Vortrag ähnlich dehnbar sind wie der Begriff Kunst. Und ähnlich wie die Auffassung »Alles ist Kunst« spätestens seit dem segensreichen Schaffen von Ben Vautier,[59] Andy Warhol und Joseph Beuys durchaus gängig ist, so ist es nach dem Motto »Alles ist Beratung, Studie, Vortrag« bei halbwegs sorgfältiger Tarnung meist so gut wie unmöglich, beispielsweise eine Studie als Scheinleistung zu entlarven. Zumal selbst im Erfolgsfall bestenfalls die mangelnde Qualifikation des Autors bewiesen wäre.

Alles ist Kunst.

Joseph Beuys, Aktionskünstler (1921–1986)

 

Gute Geschäfte sind die beste Kunst.

Andy Warhol, Multikünstler (1927–1987)

Überflüssig ist die Beweisführung über das Thema Scheinleistung, weil die Qualität einer (vorgetäuschten) Leistung völlig unerheblich ist. Denn der korrupte Charakter eines Geschäfts besteht in diesem selbst: Was zählt, ist der Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung. Selbst wenn der von einem Unternehmerverband mit 10000 Euro dotierte Vortrag eines Spitzenpolitikers ein dreistündiges nobelpreiswürdiges Werk wäre, dann änderte dies nicht das Geringste am korrupten Wesen dieses Engagements als solchem.

Der »subjektive Faktor« als Ausrede

Der »subjektive Faktor« ist für die Korruptionsanalyse deshalb besonders wichtig, weil Verdächtige gelegentlich mögliche korrupte Leistungen allein dadurch der näheren Untersuchung entziehen wollen, dass sie z.B. behaupten, sie seien »wegen Überlastung nicht zu einer Überprüfung gekommen«, »zu unerfahren und gutgläubig gewesen« oder »der Komplexität der Sache nicht gewachsen gewesen«. Zugegebenermaßen ist im Einzelfall die subjektive Schuldzumessung – die Unterscheidung von Absicht, Fahrlässigkeit und Unfähigkeit – recht schwierig; schließlich wimmelt es in Politik, Verwaltung und Wirtschaft nur so von aufrechten, waschechten Deppen.

Aber gerade deshalb sind diese »subjektiven Faktoren« auszuklammern und ausschließlich die nackten Zahlen zu betrachten. Ein Beispiel: Es ist nicht nur unbefriedigend, sondern unzulässig, dem Chef einer DGB-Gewerkschaft zuzugestehen, er habe sich bei den Tarifverhandlungen mit dem Arbeitgeber »aus Unerfahrenheit über den Tisch ziehen lassen«, anstatt dies mit der Tatsache in Verbindung zu bringen, dass er sofort nach Vertragsabschluss in den Vorstand des Verhandlungsgegners wechselte.[60]

Dieses Buch ist keine strafrechtliche Untersuchung; deshalb interessiert vor allem die Frage, ob ein Handlungsbevollmächtigter zum Nachteil seines Unternehmens einem Dritten einen Vorteil verschafft und selbst davon profitiert hat. Ob er dies tatsächlich aus »Gutgläubigkeit« getan hat und sich folglich das Glück des korrupten Lohns gar nicht erklären kann, ist nicht unser Thema, sondern eher eines für ein Märchenbuch über »Tausendundeine Ausrede zur Korruption«.

Psst! Das Problem der Geheimhaltung

Geheimhaltung wird in der gängigen Theorie als wichtiges Kriterium für Bestechung angesehen. Natürlich ist Geheimniskrämerei typisch für Korruption. Wenn aber damit gemeint ist, dass das Opfer »von den Vorgängen grundsätzlich nichts wissen darf«,[61] so ist das in dieser Allgemeingültigkeit falsch.

Der Trend scheint eher dahin zu gehen, offenkundige Fälle von korruptem Tausch insofern zu leugnen, als selbst die zeitliche Nähe von Leistung (z.B. Verkauf von Staatseigentum, Kreditvergabe, Mietgarantie) und Gegenleistung (z.B. Parteispende) als »Zufall« hingestellt wird. Besonders forsch und beleidigt abgestritten wird der Korruptionscharakter von Sachwerten. Selbst Kreuzfahrten von fünfstelligem Wert werden nicht etwa heimlich unternommen, sondern als »viel zu geringfügig« dargestellt, als dass sie den integren Politiker in seinem Handeln beeinflussen könnten.

 

Am vehementesten und generell geleugnet wird jedoch der Bestechungscharakter von Parteispenden, obwohl, wie wir noch sehen werden, Spender natürlich eine Gegenleistung erwarten.

Die trotzdem noch relativ große Zurückhaltung bei der Offenlegung von Spenden hat eher zwei andere Gründe als die der Kriminalisierung: zum einen die Befürchtung von Imageverlust und im Gefolge davon auch ökonomischen Nachteilen, zum anderen die Verquickung mit anderen Delikten wie Steuerhinterziehung.

Es lohnt sich also allemal, das Thema Korruption in ihren zahlreichen Spielarten und Aktionsfeldern einmal ausführlich und grundsätzlich unter die Lupe zu nehmen, ja es ist für das Gemeinwesen sogar existenziell notwendig: Die Korruption ist ein, wenn nicht sogar das »Schmiermittel für die Wirtschaft«.[62]

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Teil IStets zu Diensten – die korrupte Leistung

Nicht anders als im normalen Geschäftsleben erwartet auch im korrupten Handel der Kunde etwas für sein Geld. Da also der Schmiergeldzahler nicht die Caritas ist, muss sich der käufliche Privatmann oder Politiker sein Bestechungshonorar durch Leistungen verdienen.

1.Wir ham’s ja – der Kauf über Wert

Zunächst sollten wir uns daran erinnern, dass Korruption bei Staatsdienern durchaus Bestandteil der marktradikalen Theorie ist. Ihr Vordenker Jacob van Klaveren erläuterte logisch und verständlich, »dass ein Beamter sein Amt als Betrieb betrachtet, dessen Einnahmen er im Extremfall zu maximieren versucht. … Die Höhe der Einnahmen hängt dann also nicht ab von einer ethischen Einschätzung seiner Nützlichkeit für das Gemeinwohl, sondern eben von der Marktlage und von seiner Geschicklichkeit, den Maximumgewinnpunkt auf der Nachfragekurve des Publikums herauszufinden.«[63] Da dürfte so mancher ehrliche oder verlogene Minnesänger mit seinem Hohelied auf die unermüdlich und fernab jedes Bestechungsgedankens für das Volk schuftenden Staatsdiener und Volksvertreter in beträchtliche Dissonanzen geraten.

Offenbar gibt es unter unseren privaten und vor allem öffentlichen Bediensteten nicht wenige, die auf jede erdenkliche Weise alles ihnen Anvertraute zum eigenen Nutzen verscherbeln, sofern es nicht unter integrer Beobachtung steht. Und wie bei allen maßlosen Menschen fragt sich der besorgte Bürger tunlichst, ob es sich nicht um gemeingefährliche, unberechenbare Psychopathen handele; und er schwört sich, in ihrer Anwesenheit niemals seine Brieftasche, Geldbörse oder Wertsachen aus den Augen zu lassen. Werfen wir also zunächst einen Blick auf die wichtigsten Spielarten der korrupten Leistung.

Der klassische neoliberal vernebelte Staatsdiener – innerhalb der öffentlich Bediensteten sicher nur eine kleine Minderheit – tut buchstäblich alles zur Mehrung seines Reichtums, Ruhms und Machtwahns. Wie sagt der Volksmund: »Genug ist nicht genug.«

Womöglich würde er sogar – nur gebremst durch die Angst vor Auffliegen, Bestrafung und Verlust von Job und Altersversorgung – seine Tochter als Kinderprostituierte vermieten und den Erbonkel »entsorgen«.

Verglichen damit, ist die Veruntreuung von Firmen- oder Staatseigentum doch eine Kleinigkeit, bei dem er weniger Unrechtsbewusstsein entwickelt als ein Vordrängler an der Supermarktkasse.

»Wer bietet mehr?« – Vergabe öffentlicher Aufträge

Das Buhlen vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen[64] um Staatsaufträge gleicht dem massenhysterischen Ansturm auf ein längst überfülltes Fußballstadion. Es wird geschubst, getreten, geprügelt – letztlich ist alles erlaubt. Derzeit gibt es lediglich in Berlin[65] und NRW[66] Register für die Vergabe öffentlicher Aufträge mit den Namen der Sünder in puncto Unzuverlässigkeit, Korruption oder anderer Kriminalität. Auf Bundesebene ist daran gegenwärtig nicht zu denken. Der letzte Versuch, ein von der rot-grünen Bundestagsmehrheit bereits verabschiedetes Gesetz zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen (»Korruptionsregister«), wurde aus verständlichen Gründen von den unionsregierten Ländern abgelehnt.[67] Die wohlweislich unausgesprochenen mutmaßlichen Merksätze in diesem Zusammenhang lauten: »Beiße nie die Hand, die dich füttert!«, und: »Antikorruptionskampf schadet dem Standort Deutschland.« Wer investiert schon gern in einem Land, in dem er nicht sämtliche Gesetze und Bestimmungen durch Schmieren aushebeln kann?

 

Den üblichen Ablauf der korrupten Vergabe öffentlicher Aufträge schildert beispielhaft Susan Rose-Ackerman: »Wenn der Staat Käufer oder Auftraggeber ist, gibt es mehrere Gründe, Beamte zu bestechen. Erstens kann eine Firma zahlen, um in die Liste der zugelassenen Anbieter aufgenommen zu werden und um den Umfang der Liste zu beschränken.«[68] Der Idealfall wäre ein Konzern und seine beiden Töchter als einzige Anbieter.

»Zweitens kann sie für Insider-Informationen zahlen.«[69] Dann kann man im Extremfall das beste Angebot um genau einen Cent unterbieten.

»Drittens können Bestechungsgelder Beamte motivieren, die Spezifikation einer Ausschreibung so zu strukturieren, dass die korrupte Firma der einzig qualifizierte Anbieter ist.«[70] Dies wäre der Fall, würde der Bund die Ausschreibung für seine Dienstfahrzeuge auf Untertürkheimer Autohersteller beschränken. Derlei Gebaren aber ist – entgegen der landläufigen Meinung – nicht nur »unfein« oder ein Dienstvergehen, sondern strafbar und kann einen für fünf Jahre in den Bau bringen.

§ 298 StGB

(1) Wer bei einer Ausschreibung über Waren oder gewerbliche Leistungen ein Angebot abgibt, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Ausschreibung im Sinne des Absatzes 1 steht die freihändige Vergabe eines Auftrages nach vorausgegangenem Teilnahmewettbewerb gleich.

In Gemeinden und Landkreisen läuft laut Insiderberichten die Korruption dagegen über den »Planer«, der den Ausschreibungstext so formuliere, dass nur der Bestechende übrig bleibe. Der zahle »Planungshonorar«, und das Finanzamt prüfe bei einer solchen »nützlichen Abgabe« nur, »ob der Empfänger den Betrag auch als Einnahme verbucht bzw. versteuert hat. Die Frage, warum z.B. die Ehefrau eines Bürgermeisters einen Scheck von einem Lüftungsgeräte-Hersteller oder einer Tiefbaufirma einlöst, wird in unserem System wohlweislich nicht gestellt.«[71]

»Viertens kann eine Firma zahlen, um als Auftragsnehmer ausgewählt zu werden.« Das ist am sichersten, kann allerdings je nach Zahl der Mitentscheider ziemlich ins Geld gehen. Aber der große Vorteil: »Nachdem eine Firma als Auftragsnehmer ausgewählt wurde, kann sie schließlich zahlen, um überhöhte Preise festsetzen zu können oder mit schlechter Qualität durchzukommen.«[72] Das hat wohl fast jeder Bürger schon mal erlebt: Ob Renovierung, Hausbau, Internetanbieter oder Haftpflichtversicherung – vor Vertragsabschluss wird einem das Blaue vom Himmel versprochen, danach hat man häufig nichts als Ärger.

Ein Schelm, wer da an Stuttgart 21 denkt: Am 7. November 1995 unterzeichnen Bahn, Bund, Land und Stadt eine Rahmenvereinbarung, in der auch die Finanzierung des mit umgerechnet 2,56 Milliarden Euro veranschlagten Projekts festgelegt wird.[73] Am 11. August 2011 errechnet ein Gutachten für das Umweltbundesamt Gesamtkosten von »bis zu 11 Mrd. Euro« und stellt fest: »Dieser sehr hohe Aufwand steht … in keinem Verhältnis zum geringen verkehrlichen Nutzen.«[74]

So weit, so alltäglich – zumindest bei unseren Regierungen.

Aber hinzu kommt, als Sahnehäubchen oder als »Butter bei die Fische«, das »Geschmäckle«: Die Landesregierung habe im Jahr 2001 der Bahn »einen fragwürdigen Auftrag über mehrere hundert Millionen Euro zugeschanzt, um das umstrittene Verkehrsprojekt Stuttgart 21 zu retten«, berichtete Spiegel Online am 14. August. Und, man konnte es sich eigentlich denken: »Beteiligt war auch Ministerpräsident Stefan Mappus, damals politischer Staatssekretär im Verkehrsministerium und zuständig für den Regionalverkehr.«[75]

Albrecht Müller, von 1973 bis 1982 Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt unter Willy Brandt und Helmut Schmidt, wird in seinen NachDenkSeiten noch deutlicher. Dem Argument der S21-Befürworter, die Verträge seien nun mal da und seien wegen der »Rechtsicherheit« einzuhalten, schreibt er rhetorisch fragend ins Stammbuch: »Muss es Rechtssicherheit und Rechtsschutz für politische Entscheidungen geben, die mit Betrug und Korruption, mit Manipulation und massiver Lobby zu Stande gekommen sind?«[76]

Einen weiteren Trick der Korruptionsprofis unter den Staatsdienern verrät Hans-Jörg Bartsch, Antikorruptionsbeauftragter von Bad Homburg: »Der durch Schmiergeld motivierte Planer baut Fehler in die Ausschreibung ein, die nur sein Korruptionspartner kennt. Der zieht daraus seinen Angebotsvorteil. Alle anderen Bieter, die diese Information nicht kennen, haben weder bei einer freihändigen Vergabe noch bei einer förmlichen Ausschreibung im Wettbewerb eine Chance.« Eine Schlüsselrolle sieht er in den zu kurzen Fristen: »So wie eine verkürzte Planungszeit mehr Planungsfehler verursacht, führen verkürzte Ausschreibungsfristen zu mangelhaft kalkulierten Angeboten. Beides rächt sich, verursacht regelmäßig Mehrkosten.«[77]

Ein geradezu skurriles Beispiel – in diesem Fall sogar mit Happy End – liefert – welch Zufall! – die Baubranche.

Gegen Ende einer Veranstaltung, auf der über die Vergabe eines EU-weit ausgeschriebenen Auftrags unter fünfunddreißig Bietern entschieden wurde, »kam der deutliche Hinweis eines Bieters«, dass er ja wohl der einzige sei, der ein vollständiges Angebot abgegeben hat. An der Dicke der anderen Angebote sei leicht zu erkennen, dass die anderen Angebote unvollständig und somit auszuschließen seien.

Sehr richtig hatte dieser Bieter erkannt, dass sein Angebot mit allen geforderten Unterlagen ein stattliches Paket von etwa fünf Zentimeter Dicke ausmachte, das aller anderen aber nur einen Zentimeter dick war. Die Folge: »Von den insgesamt 35 abgegebenen Angeboten waren wegen fehlender Unterlagen 34 Angebote in der ersten Wertungsstufe auszuschließen. Nur ein Angebot war vollständig und somit zu werten.«[78]

 

Nicht zu unterschätzen ist auch der Aspekt der Folgeaufträge. Hat ein Bewerber erst einmal einen Auftrag an Land gezogen – ob mittels Bestechung, »Parteispenden« oder ohne, ist hier unwichtig –, führt er ihn so aus, dass allen anderen die Details wie böhmische Dörfer erscheinen. Er verwendet quasi einen Geheimcode und erhält zwangsläufig auch die Folgeaufträge. Alternativ kann der Auftraggeber auch mit »guten Erfahrungen« mit diesem Anbieter argumentieren.

Ein bis heute unerreichtes Beispiel war der vom damaligen Verteidigungsminister Rudolf »Bin Baden« Scharping im Jahre 1999 ohne Ausschreibung der Unternehmensberatung Roland Berger zugeschanzte Auftrag »Integriertes Reformmanagement« (IRM) für die Privatisierung möglichst vieler nichtmilitärischer Bundeswehrbereiche. Kosten für sechshundert Beratertage à 3500 Euro pro Mann und Tag: insgesamt schlappe 2,1 Millionen Euro für halbgewalkte Denglisch-Worthülsen.

Dieser »Pfadfindervertrag« (Branchenjargon) als Einstieg brachte in den nächsten neun Monaten neunzehn weitere Verträge, und am Ende blechte der Steuerzahler 10,73 Millionen Euro. Vier Folgeaufträge für die Beratung der »Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb« (GEBB) spülten noch einmal 9,9 Millionen Euro in die Beraterkasse. Scharpings Nachfolger Peter »Hindukusch« Struck stoppte die Gelddruckmaschine IRM. Sein Staatssekretär Eickenboom attestierte den Beratern, »keine Ahnung von den Gegebenheiten im öffentlichen Dienst« zu haben. Außerdem seien eine »Monopolstellung einzelner Firmen« und die Gefahr entstanden, »dass Firmen sich zum Nachteil der Bundeswehr Aufträge selbst generieren«[79].

 

Übrigens gilt natürlich auch im Korruptionsgeschäft das Preis-Leistungs-Verhältnis, demzufolge sich der Bestechungslohn nach dem Auftragsvolumen richtet, so dass manche gefälligen Staatsdiener eben mit Präsenten unterhalb von Ferrari und Jacht zufrieden sein müssen. »Ein Behördenmitarbeiter wird mit Eintrittskarten für Fußballspiele belohnt«, weiß Sabine Deckwerth von der Berliner Zeitung, »andere bekommen ein Essen im Restaurant oder Einladungen ins Bordell geschenkt. Manche Firmen sind erfinderisch, wenn sie bei öffentlichen Ausschreibungen den Zuschlag erhalten wollen.«[80]

Allgemein gilt: Nimmt der Entscheidende für diesen Zuschlag eine Gegenleistung an, dann handelt es sich immer um Korruption, auch wenn der Bestochene (vielleicht sogar wahrheitsgemäß) behauptet, er hätte diese Entscheidung »sowieso« getroffen.

Wie einst in der DDR – Aufträge ohne Ausschreibung

Die Überschrift ist natürlich ein wenig irreführend; selbstverständlich besteht im Hinblick auf die ausschreibungslose Auftragsvergabe ein riesiger Unterschied zwischen den Systemen. Während in der staatskapitalistischen Diktatur die Aufträge automatisch an volkseigene Betriebe gingen, landen sie in unserer Demokratie rein zufällig bei den Parteikumpels und Mäzenen der Regierenden.

 

»Aufträge in Millionenhöhe an SPD-Parteifreunde vergeben – ohne Ausschreibung«, berichtete die Berliner BZ am 21. Mai 2011 zu Recht etwas atemlos. »Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin (66, SPD) wusste von dieser umstrittenen Vergabepraxis des Vorstands der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge.« Ihm sei es »immer um die wirtschaftlichste Vorgehensweise bei den vielen Wohnungssanierungen der Howoge gegangen«, wand sich der neue Held der NPD[81] vor dem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Jahrelang wurden laut BZ »freihändig Millionenaufträge an die Bauplanungsfirma des damaligen SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg vergeben«. Und Sarrazin gibt – ist der Ruf erst ruiniert … – auch ungeniert zu: »Diese Praxis habe ich ausdrücklich gebilligt.« Seine enge Parteifreundin, die Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer, wusste nach eigenen Angaben – natürlich! – von nichts, obwohl die Baunebenkosten mit rund 1,3 Millionen Euro haushoch über dem Wert von 200000 Euro lagen, ab dem ein Auftrag ausgeschrieben werden muss.[82] Und die Moral aus der haarsträubenden Geschichte? »Wirtschaftskriminelle und Korruptionsbetrüger: Rein in die SPD und Steuergelder abgreifen«?

Für den völkischen Finanzsenator Sarrazin allerdings gehörte Vetternwirtschaft, gepaart mit bodenloser Unverschämtheit und abgrundtiefer Verachtung der Steuerzahler, schon immer zum guten Ton. So schusterte er im Februar 2002 der mit ihm befreundeten Beratungsklitsche Hay Group »aufgrund früherer guter Zusammenarbeit« einen Auftrag für ein »Gutachten« zu, dessen Preis mit 198750 Euro haarscharf unter erwähntem Limit von 200000 Euro lag.[83] Für den Landesrechnungshof verstieß Sarrazin damit nicht nur gegen die Landeshaushaltsordnung, sondern auch gegen die Verfassung.[84]

Der Politologe Jürgen Bellers sieht in derartigen »unbürokratischen Machenschaften« eine Spielart des Bestechungsgewerbes: »Unter ›Korruption‹ wird hier ebenfalls die ›Protektion‹ subsumiert, d.h. die Ausführung einer Amtshandlung unter Einfluss und zur Wahrung von persönlichen Beziehungen bei Verletzung des Prinzips der Neutralität und Unparteilichkeit.«[85]

 

In Sachen Auftragsvergabe ohne Ausschreibung ganz vorne mit dabei ist natürlich auch Europas Korruptionsmekka: die EU-Kommission.[86] So vergab man im März 2011 einen millionenschweren Auftrag zur Aktualisierung von 36000 Behördencomputern der Bakschischzentrale ohne Ausschreibung an Microsoft. Damit, so Paul Meller vom Open Forum Europe,[87] verpflichte sich die Kommission weiter gegenüber einem einzelnen Anbieter eines geschlossenen Systems.[88]

Online-Jobbörse: teuer und weitgehend nutzlos

Dem kritischen Bürger noch immer in lebhafter Erinnerung ist der frühere Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) Roland Gerster. Unmittelbar nach dessen Ablösung räumte sein Nachfolger Frank-Jürgen Weise im Februar 2004 kleinlaut ein, dass die Kosten für den »virtuellen Arbeitsmarkt« – die neue Internet-Jobbörse der BA – von ursprünglich 65 Millionen Euro auf bis zu 165 Millionen Euro steigen könnten. Projektleiter Jürgen Koch wurde unverzüglich in das Landesarbeitsamt Essen versetzt. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg ermittelte gegen BA-Mitarbeiter wegen des Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Gelder.[89]

»Innenrevision wittert Korruption«,[90] titelte der Spiegel: Eine IT-Firma habe angeblich Aufträge an der Vergabestelle vorbei erhalten. Weise stoppte das Projekt, da die Website mit dem Stellenmarkt für Arbeitslose »einige Mängel« aufweise. Die Spiegel-Rechercheure fanden anderes heraus: »Arbeitsagentur.de: Teuer und weitgehend nutzlos … Tatsächlich kann von einzelnen Mängeln kaum die Rede sein … Fachleute bezeichnen Aufbau und Design als vorsintflutlich. Arbeitsmarktpolitiker der Regierung versuchen zurzeit noch, das Problem zu ignorieren.«[91] Dass die Sache mehr oder weniger im politischen Sande verlief, bedarf eigentlich keiner Erwähnung.

 

Im Jahre 2005 vergab die rot-grüne Bundesregierung den Auftrag für den Betrieb eines neuen digitalen Behördennetzes im Wert von 1,5 Milliarden Euro an die Bahn-Tochter DB Telematik. Ausrede für den Verzicht auf eine Ausschreibung: »Sicherheitsrelevanz«.[92]

Der Gesetzgeber – dein Komplize und Helfer

Manchmal hilft der Gesetzgeber sogar regelrecht nach: »Bundesregierung öffnet der Korruption Tür und Tor!«, stellte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, Karl Robl, nüchtern fest.[93]

Gerade der Vorrang der öffentlichen Ausschreibung garantiere die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots in einem fairen und für alle Bieter transparenten Verfahren. »Manipulation und Korruption blühen dort, wo Aufträge im Verborgenen vergeben werden.« Die Bundesregierung müsse sich fragen lassen, warum sie erst im Sommer 2004 in einer Richtlinie zur Korruptionsprävention die besondere Bedeutung des Vorrangs der öffentlichen Ausschreibung herausstelle, »nur um diesen Vorrang dann wenige Monate später sang- und klanglos aufzugeben«.

Die nunmehr zulässige »freie« Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen unterhalb eines Geringfügigkeitswertes von 10000 Euro führe einen der wesentlichen Grundsätze des Vergaberechts, nämlich die Korruptionsprävention, »vollständig ad absurdum«, da unterhalb dieser Grenze keinerlei Vorgaben bei der Vergabe solcher Aufträge zu beachten wären. »Für Hunderttausende von Lieferaufträgen in Milliardenhöhe würde ein rechtsfreier Raum geschaffen. Die Bundesregierung nimmt billigend in Kauf, dass Manipulation und Korruption eine Renaissance erleben«, und stelle einen Freibrief für das Wiederaufleben eines vergessen geglaubten Hoflieferantentums aus. »Kein offener und transparenter Wettbewerb fände mehr statt!«, so Robl.

Tatsächlich sieht man im Geiste förmlich vor sich, wie die Baulöwen wutschnaubend zum Telefon greifen und die von ihnen »bespendeten« Politiker ergebenst eine schnelle Regelung geloben.

Operation »Hand auf beim Einkauf«

Geklotzt statt gekleckert haben soll laut Staatsanwaltschaft Hannover ein Einkäufer der Drogeriekette Rossmann. 1,5 Millionen Euro Bestechungsgeld soll er von einem Lieferanten kassiert und das Schmiergeld auf die Preisforderung an Rossmann aufgeschlagen haben.[94]

 

Ebenfalls nicht kleinlich zeigten sich zwei Autoteile-Zulieferer aus NRW. Sie schmierten laut Urteil des Landgerichts Bochum vom März 2011 zwecks Erlangung von Millionenaufträgen jahrelang einen BMW-Mitarbeiter und bekamen dafür fünfzehn und zweiundzwanzig Monate Haft auf Bewährung sowie insgesamt 3,8 Millionen Euro Geldstrafe – den Wert der erschmierten Aufträge. Als strafmildernd wertete Richter Markus van den Hövel offenbar die »Zwickmühle« der Firmen: »Ohne Bestechung keine Aufträge, ohne Aufträge keine blühende Firma.« Die Angeklagten beteuerten, sie hätten schon allein fünf- bis zehntausend Euro »Eintrittsgeld« an den BMW