City of Kisses – Tess & Liam - Layla Hagen - E-Book

City of Kisses – Tess & Liam E-Book

Layla Hagen

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Beschreibung

So prickelnd schreibt nur Layla Hagen. Auch im fünften Band ihrer New-York-Romance lässt Bestsellerautorin Layla Hagen wieder die Herzen höherschlagen ... Investor Liam lebt nach seinen eigenen Regeln und zeigt selten Gefühle. Das ändert sich schlagartig, als ihm die impulsive Gründerin Tess ihr verführerisches Dessouslabel vorstellt. Zunächst hofft sie nur auf ein Investment, doch schon bald geht ihr der attraktive Unternehmer nicht mehr aus dem Kopf. Als Tess vollen Körpereinsatz zeigt und ihre Kollektion seine Fantasie beflügelt, geht es auch für Liam plötzlich nicht mehr nur ums Geschäftliche. Ihr Begehren füreinander wächst, und schließlich riskiert Liam für die Liebe sogar seine Karriere … Verführerisch, leidenschaftlich, sexy – Nach den »Flowers of Passion« und den »Diamonds for Love« kommt mit den »New York Nights« die neue Romance-Reihe von Bestsellerautorin Layla Hagen! »Einmal angefangen, kann man Layla Hagens Bücher nicht mehr zur Seite legen.« Geneva Lee, Autorin der »Royals«-Serie Alle Bände der »New York Nights«: Band 1: City of Love – Hunter & Josie Band 2: City of Dreams – Heather & Ryker Band 3: City of Hearts – Robert & Skye Band 4: City of Promises – Laney & Cole Band 5: City of Kisses – Tess & Liam

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Impressum ePUB

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Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»My One and Only«,

Independently Published 2021

© Piper Verlag GmbH, München 2022

Covergestaltung: zero-media.net, München

Covermotiv: FinePic®, München

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence, München mit abavo vlow, Buchloe

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Epilog

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Kapitel 1

Liam

»Hey, Gran. Alles gut?« Ich meldete mich zweimal wöchentlich bei meiner Großmutter, egal, was sonst so gerade in meinem Leben los war. Im Moment legte ich eine kurze Pause ein und hatte Zeit, mit ihr zu reden. Zuvor hatte ich mir eine Präsentation von einer Firma angehört, in die mein Fonds eventuell investieren wollte, und jetzt folgte gleich die nächste.

»Ich lebe noch«, antwortete sie.

Ich stöhnte. »Musst du immer so theatralisch sein?«

»Wieso nicht? Ich bin dankbar für jeden Tag, an dem ich noch nicht ins Gras beiße.«

Da war durchaus etwas dran, aber dennoch erschien mir diese Sichtweise ein wenig zu morbide.

»Wie geht es dir?«, fragte ich.

»Ich war gerade im Pilates. Damit hätte ich schon vor Jahren anfangen sollen. Keine Ahnung, warum ich das nicht gemacht habe.«

»Es ist nie zu spät, etwas Neues auszuprobieren«, stimmte ich ihr zu.

»Wann hast du denn das letzte Mal etwas Neues ausprobiert?«, fragte sie.

»Lass mich mal nachdenken.«

Mir fehlte die Zeit für neue Erfahrungen … aber ich war mit meinem Leben zufrieden. Ich führte zusammen mit meinen beiden besten Freunden, David und Becca, unseren gemeinsamen Investmentfonds – Harrington & Co.

»Liam, das ist nicht gut. Eines Tages bist du achtzig und wirst dich fragen, wieso du das Leben hast an dir vorbeiziehen lassen.«

Ich lachte. »Das werde ich im Hinterkopf behalten, Gran. Brauchst du irgendetwas?«

»Nein, nein. Alles prima. Die Liefer-App, die du mir gezeigt hast, ist toll.«

»Freut mich, dass sie dir gefällt.«

Eine der Firmen, in die ich vor ein paar Jahren investiert hatte, hatte eine App entwickelt, auf der eine Kombination von Hausmeisterservice und Essenslieferung angeboten wurde. Die Leute hinter der App waren Genies in Sachen Benutzerfreundlichkeit. Der Beweis dafür war, dass Gran schon nach einer Viertelstunde damit umgehen konnte.

»Ich kann trotzdem vorbeischauen. Diese App kann mich nicht ersetzen«, sagte ich neckend.

»Oh, das stimmt. Du bist nach wie vor der beste Schachspieler, den ich kenne.«

»Freut mich, dass ich ein würdiger Gegner bin.«

Wir spielten schon Schach, seitdem ich mich erinnern konnte. Gran hielt sich für eine bessere Spielerin, als sie es tatsächlich war – hauptsächlich, weil Grandpa sie zu oft hatte gewinnen lassen. Er hatte immer erklärt, sie wäre hinterher besser drauf und ein Mann müsse abwägen, was ihm wichtiger sei. Gran war temperamentvoll und konnte auch ganz schön stur sein – zwei Eigenschaften, die ich anscheinend von ihr geerbt hatte.

Nachdem wir unser Telefonat beendet hatten, sah ich auf die Uhr. Mir blieben noch ein paar Minuten, bevor die nächste Präsentation anfing, also ging ich zu den Toiletten. Es würde ein langer Tag werden – hier, in diesem Auditorium gegenüber unserem Bürogebäude in der Upper West Side.

Harrington & Co veranstaltete einmal im Jahr eine Bewerbungsrunde für Firmen, die nach Investoren suchten. Dieses Jahr hatten sich zwanzig Unternehmen beworben, und alle waren herausragend. Ich betrachtete diese Tatsache als Kompliment für unseren Fonds – denn es bewies, dass wir in New York einen guten Ruf hatten und viel Interesse generierten. Für gewöhnlich nahmen wir jedes Jahr zwei bis drei Firmen an, doch diesmal wäre es nur eine. Unser Team befand sich jetzt schon an der Belastungsgrenze. Wenn wir nicht mehr Leute anstellen wollten, fehlten uns die Kapazitäten für mehr als ein Unternehmen.

Wo zum Teufel waren die Toiletten? Wir mieteten diese Räumlichkeiten nur einmal jährlich für die Präsentationen … und ich verlief mich jedes Mal. Ich bog zweimal in den falschen Flur ab, ehe ich endlich die richtige Richtung einschlug und direkt zur Herrentoilette ging, in Gedanken immer noch bei den fünf Präsentationen, die wir bereits gehört hatten. Ich öffnete die Tür und stolperte über eine halb bekleidete Frau.

Wow! Sie war groß, hatte eine tolle Figur und glänzende Haare, die ihr bis über ihre Schulter fielen. Ich konnte nicht sagen, ob sie blond oder braun waren … eher eine Mischung aus beiden Farben, die ihr super stand.

Sie hatte ihr Oberteil ausgezogen und trug nur einen roten BH, bei dem es mir regelrecht die Sprache verschlug.

»O mein Gott, das ist die Damentoilette!«, rief sie mit einer Grimasse, als sie mich bemerkte.

Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Sie trat einen Schritt zurück und versuchte, ihren Busen zu bedecken, doch eines der Körbchen löste sich. Ich erhaschte einen Blick auf eine wunderbare Brust, bevor es ihr gelang, die Arme vor den Körper zu schlagen. Die Schamröte stieg ihr ins Gesicht, die ihre blauen Augen betonte.

»Tut mir leid. Ich habe nicht aufgepasst.«

»Tür zu. Sofort.«

Ich trat zurück und ließ die Tür zufallen, doch sie schloss sich nicht ganz. Es blieb ein dünner Spalt, aber sehen konnte ich die Frau nicht mehr.

»Ich möchte mich noch mal ausdrücklich bei Ihnen entschuldigen«, sagte ich durch die Tür. »Ich war in Gedanken versunken und habe nicht aufgepasst. Ich wollte nicht einfach hereinplatzen.« Dann warf ich einen Blick auf die Schilder an den nebeneinanderliegenden Türen. Ich hätte schwören können, dass sie letztes Jahr vertauscht gewesen waren, aber vielleicht bildete ich mir das ja nur ein.

»Großer Gott, das ist so peinlich. Ich, ähm, musste einen Fleck auswaschen. Normalerweise ziehe ich mich nicht in öffentlichen Toiletten aus.« Sie sprach schnell, und ich konnte deutlich hören, dass sie nervös war.

»Sie sind wegen der Präsentation hier, oder?«

Ich erkannte sie, weil ich sie vorher zwischen den anderen Bewerbern im Wartezimmer gesehen hatte. Und ich wollte sie beruhigen.

»Ja. Ich bin Tess Winchester von Soho Lingerie. Und Sie sind Liam Harrington, oder?«

»Ja.«

»Nun, das ist ja mal ein toller erster Eindruck.«

»Ich werde einfach vorgeben, ich hätte nichts gesehen.«

Es folgte ein kurzer Moment der Stille, ehe sie leise fragte: »Haben Sie etwas gesehen?«

»Nein, gar nichts«, erwiderte ich schnell.

»Sehr überzeugend«, war ihre trockene Antwort.

Das lief irgendwie schief. Je mehr ich mich bemühte, sie zu beruhigen, desto panischer schien sie zu werden.

»Okay, dann werde ich so tun, als wären wir uns nie begegnet. Wie wäre es damit?«

Sie schnaubte.

»Gibt es irgendetwas, was ich tun kann, um diese Situation zu retten?«

»Dieses unbehagliche Gespräch beenden?«

Sie klang wirklich verlegen. Und sie hatte recht. Dieses Gespräch half auch nicht weiter – ganz im Gegenteil. Jetzt, wo sie es erwähnt hatte, wurde mir bewusst, dass ich lediglich eine peinliche Situation in die Länge zog. Schließlich stand sie immer noch halb bekleidet in diesem Raum.

»Wir sehen uns im Auditorium. Viel Glück.«

Sie lachte. Na ja, es war eher ein nervöses Kichern, aber trotzdem ein Fortschritt. Auf keinen Fall wollte ich, dass sie das Auditorium betrat und vor Scham quasi über ihre eigenen Füße stolperte. Sie hatte nur einen Versuch. Ich wollte ihre Erfolgschancen nicht beeinträchtigen.

Bisher war ich von Soho Lingerie nicht gerade überzeugt. Ich erinnerte mich aus den Bewerbungsunterlagen daran, dass sie eindrucksvolle Verkaufszahlen vorzuweisen hatten, doch die Firma existierte noch nicht lange. Was allerdings nicht bedeutete, ich würde ihrer Präsentation keine Chance geben.

»Ich werde versuchen, da zu sein.«

Ich lächelte, dann verschwand ich in der Herrentoilette, nach wie vor genervt von meinem Fehler. Das Auditorium war vor Kurzem umgebaut worden, also hatten sie ja vielleicht im Zuge dessen die Toilettenräume vertauscht.

Aber letztendlich spielte das keine Rolle. Ich hatte andere Probleme. Natürlich konnte ich so tun, als ob wir uns nie begegnet waren, doch dieses sündhafte Bild würde ich sicher nicht aus dem Kopf bekommen.

Kapitel 2

Tess

O mein Gott, das war ja so peinlich! Ich hatte mir Kaffee aufs Oberteil gekleckert, also war ich zur Toilette gegangen, um den Fleck auszuwaschen. Stattdessen hatte ich Liam Harrington persönlich meine Brüste unter die Nase gehalten. Was für ein toller Start in den Tag!

Ich hatte ihn erkannt, weil auf der Firmenwebseite ein Foto von ihm war. Außerdem hatte ich ihn heute Morgen, als wir alle ins Wartezimmer geführt worden waren, im Vorbeigehen kurz gesehen.

Ich gab meine Säuberungsaktion auf und hielt den feuchten Fleck auf meinem Oberteil bestimmt eine gute Minute unter den Handtrockner. Sobald ich mich wieder angezogen hatte, warf ich mir meinen schwarzen Blazer über und schloss die Knöpfe. So, nichts mehr zu sehen. Ich konnte nur hoffen, dass mir nicht zu warm werden würde.

Dann strich ich meinen Rock glatt, bevor ich mit schnellen Schritten in den Wartebereich zurückkehrte – der eigentlich eher ein langer Flur war, an dem auf beiden Seiten Stühle aufgereiht standen. Der Parkettboden und die hohen, aber schmalen Fenster schufen ein freundliches Ambiente. Mit der hohen Decke hatte der Raum etwas Majestätisches.

Meine Schwester Skye starrte auf den Laptop, den sie auf dem Schoß hielt, und kaute auf der Unterlippe. Das war ein nervenaufreibender Tag für uns beide, doch ich hatte meine Schwester bisher selten so nervös gesehen. Und dass wir zwischen unseren Konkurrenten saßen, machte das Ganze auch nicht gerade besser. Ich setzte mich neben Skye, entschlossen, den Vorfall auf der Toilette zu verdrängen und mich ganz auf die Mission Skye beruhigen zu konzentrieren.

Heute stand viel auf dem Spiel. Meine Schwester und ich führten Soho Lingerie, einen Laden mit Onlineshop, in dem alle möglichen Arten von Unterwäsche und Dessous verkauft wurden. Und wir wollten expandieren. Dafür brauchten wir allerdings finanzielle Unterstützung … und wir hofften, sie von Harrington & Co zu erhalten. Zusätzliches Kapital konnte unsere Expansion beschleunigen – daran bestand kein Zweifel. Aber dafür würden wir Harrington & Co auch eine gewisse Kontrolle über unsere Firma einräumen müssen – und mit diesem Gedanken fühlte ich mich immer noch nicht ganz wohl. Doch eins nach dem anderen. Momentan ging es darum, Skye abzulenken.

Sie massierte sich die Schläfen und verwuschelte damit ihren perfekten Pony. Ihr dunkelbraunes Haar sah aus wie ein Vogelnest. Selbst ihr marineblaues Kostüm bekam langsam Falten, weil sie so zappelte.

Normalerweise fiel es mir leicht, Skye zu beruhigen, doch heute war ich ebenfalls supernervös – besonders nach dem Vorfall gerade eben.

Ich griff auf meinen lebenslangen Erfahrungsschatz als älteste Schwester von drei ungestümen Geschwistern zurück und hatte sofort eine Idee. Skye entspannte sich immer, wenn sie über ihren sechs Monate alten Sohn sprach.

»Kann Jonas denn jetzt schon alleine sitzen?«, fragte ich. Ich sprach nicht leiser, weil die nächste Gruppe ein gutes Stück entfernt saß.

Umgehend erhellte ein Lächeln Skyes Gesicht. »Nein, aber er ist toll darin, sich auf dem Bauch vorwärtszuschieben. Sieht aus, als würde er über den Boden robben.«

»Und du hast mir kein Bild geschickt?« Ich zog einen Schmollmund. Gleichzeitig verspürte ich eine seltsame Enge in der Brust. Ich wollte jeden Entwicklungsschritt meines Neffen miterleben, aber aus irgendeinem Grund war diesen Monat im Laden besonders viel los. Wir hatten Mitte September – eigentlich kein großer Shopping-Monat –, doch anscheinend wollten sich derzeit besonders viele Frauen neue Dessous gönnen.

»Tut mir leid, ich habe es vergessen. Zu meiner Verteidigung kann ich bloß sagen, dass er das erst seit gestern kann, als ich an der Präsentation saß. Aber ich habe ein Foto.« Sie zog ihr Handy heraus, tippte kurz darauf herum und drehte es dann, sodass ich den Bildschirm sehen konnte.

Ich seufzte. Und jetzt war nicht mehr einfach nur meine Brust eng, sondern irgendetwas hinter meinen Rippen schien sich tatsächlich zu verkrampfen. Ich liebte meinen Neffen so sehr. Er wuchs schnell heran. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, schien er sich ein wenig verändert zu haben.

»Bringst du ihn morgen mit in den Laden?«, fragte ich begierig.

Skye grinste. »Na klar. Das macht ihn genauso glücklich wie dich.«

Ich erwiderte ihr Grinsen. »Weil wir eine ganz besondere Beziehung haben.« Und damit wollte ich sagen, dass ich ihn ungefähr neunzig Prozent der Zeit im Arm hielt, wenn wir uns in einem Raum aufhielten. Schon als kleines Mädchen hatte ich Babys geliebt. Ich erinnerte mich, dass ich meine beiden jüngeren Brüder nach ihrer Geburt ständig durchs Haus getragen hatte. Ich hatte so getan, als würde ich Mom helfen wollen, doch eigentlich hatte ich sie einfach bloß gern im Arm gehalten.

Skye zeigte mir noch ein paar Fotos. Ihre Körpersprache wirkte bereits entspannter. Mission erfüllt. Und wenn ich ehrlich war: Mein Stresslevel war auch gesunken.

Zumindest, bis die Tür aufschwang und die nächsten Bewerber aufgerufen wurden.

»Was ist los?«, fragte Skye. »Du wirkst ein wenig schreckhaft, seitdem du zurückgekommen bist. Konntest du den Fleck nicht auswaschen?«

Mit einem Seufzen beschloss ich, die ganze Sache zu gestehen. Vielleicht konnte ich den Vorfall dann nüchtern betrachten.

»Also … während ich den Fleck ausgewaschen habe, ist jemand in den Raum geplatzt. Liam Harrington.«

»Und? Wo liegt das Problem?«

»Ich hatte mein Oberteil zu diesem Zeitpunkt nicht an«, flüsterte ich. »Ich stand nur im BH da. Trägerlos. Und dann ist auch noch ein Körbchen nach unten gerutscht.«

Skye starrte mich einen Moment mit offenem Mund an, bevor sie die Hand an die Lippen presste. Ich konnte ihr Kichern trotzdem hören.

»Oh, Tess!«

»Genau. Das sieht mir wieder ähnlich, hm?«

»Dieser Harrington ist nicht gerade hässlich«, flüsterte sie.

Dieser Kommentar war so untypisch für Skye, dass ich ein Lachen nicht unterdrücken konnte. Seit ihrer Hochzeit bemerkte sie andere Männer kaum, also zog ich fragend die Augenbrauen hoch.

»Was? Du hast mich mit Fragen über Jonas abgelenkt, damit ich mich entspanne. Dann kann ich auch meine Methode anwenden.«

Ich lachte, auch wenn mir gleichzeitig leicht übel wurde. Tagträumereien über attraktive Männer, die meine Aufmerksamkeit erregt hatten, gehörten zu meinen liebsten Entspannungstechniken. Natürlich war »nicht gerade hässlich« noch ziemlich untertrieben. Liam Harringtons tiefblaue Augen hatten mich schon gefesselt, als ich das Bild auf der Webseite gesehen hatte. Und als er heute angekommen war, hatte ich nicht ignorieren können, wie unglaublich gut aussehend er war. Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich ihm glatt die volle Punktzahl geben. Aber dadurch bekam ich meine Nervosität auch nicht in den Griff. Heute durfte ich meine liebste Ablenkungstechnik nicht einsetzen.

Bei unserer Ankunft hatten wir einen Zeitplan mit der Reihenfolge der Präsentationen erhalten. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als mir klar wurde, dass wir als Nächstes dran waren.

Ich drehte den Kopf genau in dem Moment zum Auditorium, als Liam Harrington aus der Tür trat. Jegliche Gespräche im Flur verstummten. Diesen Effekt hatte seine Gegenwart schon beim letzten Erscheinen gehabt. Ich vermutete, dass er mit seiner Präsenz jeden Raum dominierte; immer dafür sorgte, dass alle aufmerkten, um sich ganz auf ihn zu konzentrieren. Seine Ausstrahlung hatte etwas Magnetisches.

»Okay, Leute. Wir sind bereit. Als Nächstes sind Skye und Tess Winchester von Soho Lingerie dran.«

Und sofort hatte ich Lampenfieber.

Skye und ich standen gleich auf und eilten auf ihn zu. Ich hielt den Blick abgewandt, weil ich noch nicht bereit war, ihm in die Augen zu sehen.

Als ich direkt an ihm vorbeiging, fiel mir auf, dass er größer war als ich, mindestens einen Meter achtzig, und markante Gesichtszüge sowie muskulöse Schultern und Arme hatte. Er trug ein schwarzes Hemd, das wie angegossen saß, was mich vermuten ließ, dass es maßgeschneidert war. Sein dunkelblondes Haar verlieh ihm eine schurkische Ausstrahlung, die nicht zum Rest passte, gleichzeitig aber unglaublich attraktiv wirkte.

Ich packte meine Sachen fester und atmete einmal tief durch, als ich den Raum betrat. Das Auditorium war ziemlich einschüchternd – ein riesiger Raum mit zehn langen, ansteigenden Sitzreihen. Jalousien verdunkelten die Fenster, um die Präsentationen an die Wand projizieren zu können. Der Tisch mit der Technik stand am Kopfende.

Harrington blieb neben dem Eingang stehen. Die anderen beiden Partner erhoben sich von ihren Sitzen in der ersten Reihe, als wir eintraten. Ich erkannte Rebecca Johnson und David Delgado, weil ich auch ihre Fotos und Lebensläufe auf der Webseite studiert hatte. Allerdings wusste ich nicht, wer die sechs Leute in der zweiten Reihe waren. Ich hatte nur mit den drei Fondsmanagern gerechnet. Womöglich waren es ja ihre Assistenten.

Harrington führte meine Schwester und mich zu dem Tisch. Als er auf das Kabel zeigte, mit dem ich meinen Laptop anschließen konnte, bemerkte ich, dass seine Initialen in die Manschette seines Hemdes eingestickt waren. Ich hatte recht gehabt: Dieses Hemd war maßgeschneidert.

»Skye, Tess, ihr könnt anfangen, wann immer ihr so weit seid. Unsere Mitarbeiter hören ebenfalls zu, aber wenn euch das stört, können wir sie auch aus dem Raum bitten.«

Skye und ich wechselten einen Blick. Meine Schwester nickte.

»Das ist in Ordnung. Ihre Anwesenheit stört uns nicht«, sagte sie.

Ich fuhr meinen Laptop hoch und befestigte das Kabel für den Projektor. Skye sollte die Präsentation eröffnen, und ich würde ungefähr nach der Hälfte übernehmen. So hatten wir es geprobt.

Harrington setzte sich neben Rebecca, und zum ersten Mal wich ich seinem Blick nicht aus, sondern sah ihn direkt an. Mir stockte der Atem. Verdammt, diesen blauen Augen konnte niemand widerstehen. Ich spürte, wie Hitze in meine Wangen schoss. Dachte er immer noch an diesen kleinen Vorfall?

Sein Blick huschte zu meinen Brüsten – nur für eine Zehntelsekunde, aber ich bemerkte es trotzdem. Und dann schenkte er mir ein wissendes Lächeln.

O Mann.

Zwei Dinge standen damit fest.

Erstens: Er dachte immer noch daran, wie ich halb nackt ausgesehen hatte.

Zweitens: Ich musste die Röte in meinen Wangen unter Kontrolle bekommen, wenn ich wollte, dass uns irgendwer in diesem Raum ernst nahm.

~

Ich setzte mich in die erste Reihe, ein paar Plätze von Liam und dem Rest des Harrington-Teams entfernt. Skye stand direkt neben dem Tisch mit dem Laptop. Alles, was auf dem Bildschirm zu sehen war, wurde gleichzeitig hinter ihr an die Wand geworfen. Sie begann damit, unser Wachstum in den letzten drei Jahren vorzustellen. Es erfüllte mich mit Stolz, als ich beobachtete, wie meine Schwester von einer Folie zur nächsten klickte. Wir hatten unsere Firma allein aus dem Boden gestampft. Letztes Jahr hatten wir Anpassungen nach Kundenwunsch ins Programm aufgenommen … und das hatte alles verändert.

Sykes letzte Folie konzentrierte sich auf unsere Pläne für die Zukunft, falls wir die Unterstützung von Harrington & Co bekamen – mit Betonung auf der Tatsache, dass wir noch einen zweiten Laden eröffnen wollten. Außerdem brauchten wir Geld, um einen besseren Onlineshop programmieren zu lassen. Das System, das wir bisher benutzten, konnte dem Ansturm kaum standhalten.

»Dadurch können wir schneller mehr Kunden erreichen. Tess wird Ihnen genauer erklären, welche Art von Produkten wir mit zusätzlicher Finanzierung entwerfen wollen, und Ihnen außerdem die Produkte vorstellen, die unser Wachstum vorangetrieben haben«, beendete Skye ihren Teil des Vortrags.

Sie setzte sich neben mich. Ich drückte kurz ihre Hand und flüsterte: »Gut gemacht, Schwesterherz«, bevor ich an den Tisch trat. Auf der Hälfte der Strecke blieb mein Absatz leicht hängen, und ich stolperte.

Bitte, lieber Gott, nein. Ein peinlicher Vorfall pro Tag reicht! Ich machte mir jetzt schon Sorgen, dass Liam Harrington mich nicht ernst nehmen könnte. Nun wollte ich nicht auch noch Rebecca und David den Eindruck vermitteln, ich wäre ein Trampel.

Glücklicherweise stürzte ich nicht, sondern fand mein Gleichgewicht wieder und trat neben den Tisch.

Ich nahm die Schultern zurück und lächelte, ehe ich mit meinem Teil der Präsentation begann. »Das Alleinstellungsmerkmal von Soho Lingerie ist, dass wir etwas für jeden verkaufen. Seitdem wir unsere kundenindividuelle Produktion angestoßen haben, ist es leichter, dieses Versprechen auch einzuhalten. Unsere Kundinnen können im Onlineshop mit den verschiedenen Einstellungen spielen. Außerdem bieten wir ihnen die Möglichkeit, in den Laden zu kommen und alles anzuprobieren. Seitdem wir diese Option implementiert haben, ist die Umtauschquote um neunzig Prozent gesunken. Wir haben wirklich für jede Kundin etwas: von erwachsenen Frauen, die genau wissen, wonach sie suchen, bis hin zu jungen Mädchen, die sich noch orientieren müssen. Dessous-Erstkäuferinnen befinden sich in einem verletzlichen Alter, daher kann es ganz leicht passieren, dass ihr Selbstwertgefühl erschüttert wird.«

Ich presste kurz die Lippen aufeinander, um ein Lächeln zu unterdrücken. Wie immer war ich bei diesem Thema ein wenig zu sehr ins Detail gegangen. Ich konnte nur hoffen, es merkte niemand, dass ich aus eigener Erfahrung sprach. Doch Liams Blick wurde sanfter. Er hatte mich durchschaut. Nun, das war gut, oder? Sie wollten leidenschaftliche Firmenchefs – und mehr Herzblut als ich konnte eigentlich niemand aufbringen. Doch ich fühlte mich gleichzeitig auch entblößt … als hätte ich einen Teil von mir enthüllt, den ich besser verborgen hätte. Liam war viel aufmerksamer, als ich erwartet hatte. Mein Blick huschte von ihm zu meiner Schwester, und mein Beschützerinstinkt meldete sich zu Wort.

Wir hatten beide schon früh Kurven entwickelt. Das hatte eine Menge Aufmerksamkeit erregt, aber Skye war gleichzeitig auch noch in die Höhe geschossen, weswegen die anderen Kinder sie ständig gehänselt hatten. Schöne Unterwäsche half den meisten Frauen dabei, selbstbewusst zu werden. Gut sitzende Kleidung verlieh Sicherheit. Und wir waren entschlossen, jedem Mädchen, das unseren Laden betrat, auf dem Weg ins Erwachsenenleben zu helfen.

Ich klickte zur nächsten Folie, die eines unserer meistverkauften Produkte präsentierte.

»Das ist ein Beispiel für ein Produkt, das sich individuell anpassen lässt. Kein Körper gleicht perfekt dem anderen, und auch Sinneswahrnehmungen unterscheiden sich. Manchen Frauen sind Samtträger zu weich, bei anderen schneiden sie ins Fleisch. Also bieten wir eine Auswahl von Möglichkeiten an – in Bezug auf Träger, Verzierungen auf den Körbchen und selbst die Polsterung im Inneren. Ich zum Beispiel bevorzuge BHs, deren Körbchen mit Seide ausgekleidet sind. Dieser Stoff liegt glatt an meiner Haut, während Baumwolle einfach nur kratzt.«

Unglücklicherweise wählte ich genau diesen Moment, um Blickkontakt mit Liam aufzunehmen. Die Hitze in seinen Augen trieb mir erneut die Schamröte ins Gesicht.

Großer Gott! Ist es hier drin warm, oder bilde ich mir das nur ein?

Liams Pupillen wirkten etwas erweitert. Und er umklammerte seinen Stift fest genug, dass ich jeden Moment damit rechnete, das Geräusch von splitterndem Plastik zu hören.

Hatte ich zu viele Informationen preisgegeben? Ich hatte gedacht, persönliche Erfahrungen würden ihnen helfen, unser Geschäftsfeld zu verstehen und eine Beziehung dazu zu entwickeln.

Wachsam ließ ich den Blick über den Rest des Publikums gleiten. Niemand wirkte so … beeinflusst … wie Liam. Verdammt. Ich konnte nur hoffen, dass er wirklich meine Präsentation wahrnahm, statt an meine unfreiwillige Stripshow zu denken.

Ich wagte es, noch mal in seine Richtung zu schauen. Tatsächlich: Das Feuer in seinen Augen brannte noch heißer.

Ich wandte den Blick ab und bemühte mich, nicht zu erröten, als ich die Produkte vorstellte, die wir entwickeln wollten, sobald wir mehr Geld hatten. Dabei ging ich ziemlich ins Detail.

Je länger ich sprach, desto enthusiastischer wurde ich. Ich redete laut, gestikulierte viel und sprach sogar noch mehrmals persönliche Erfahrungen an. So war ich einfach. Ich machte keine halben Sachen. Als ich bei der letzten Folie angekommen war, war ich etwas außer Atem.

»Okay, nun, das wäre es von unserer Seite aus«, sagte ich und ließ den Blick erneut über das Publikum gleiten. Fast gegen meinen Willen verweilten meine Augen auf Liam. »Ich hoffe, unsere Präsentation hat in Ihnen das Interesse geweckt, in unsere Firma zu investieren. Falls Sie noch Fragen haben sollten, stehe ich gern zu Verfügung. Gibt es denn welche?«

Du meine Güte, Liams Blick verbrannte mich quasi, aber ich war entschlossen, nicht wegzuschauen – auch wenn mein ganzer Körper kribbelte.

Kapitel 3

Liam

Ich richtete mich in dem bequemen Lederstuhl des Auditoriums auf und trommelte mit meinem Stift auf den Stapel Papiere vor mir. Selten hatte ich jemanden gesehen, der mit so viel Leidenschaft über seine eigenen Produkte und den eigenen Kundenstamm sprach.

Selbstverständlich redeten alle, die sich uns vorstellten, mit Stolz über ihren finanziellen Erfolg und ihre Leistungen, aber diese Frauen waren etwas Besonderes. Es war offensichtlich, dass ihnen die Firma ein persönliches Anliegen war, und das gefiel mir. Ich musste nur damit aufhören, mir Tess in jedem Design vorzustellen, das sie präsentierte.

Als sie erklärt hatte, wie Seide sich auf ihrer Haut anfühlte, hatte ich fast den Verstand verloren. Jeder Gedanke ans Geschäft löste sich in Luft auf. Ich fragte mich, was sich wohl unter ihrem Rock verbarg. Passte es zu dem BH, den ich gesehen hatte? In meiner Fantasie konnte ich ihre weiche Haut unter meinen Fingern spüren, wenn ich sie auszog.

Ich dachte immer noch darüber nach. Verdammt, ich musste mich in den Griff kriegen. Wie alt war ich, vierzehn? Ich zwang meine Gedanken auf den Pfad der Tugend zurück und wies andere Teile meines Körpers an, sich zu beruhigen. Alle Augen waren auf mich gerichtet, weil meine Kollegen darauf warteten, dass ich die Führung übernahm – schließlich hatte ich mich vorher am skeptischsten über die Firma geäußert.

Wir investierten selten in die Bekleidungsindustrie, aber diese Dessousfirma überzeugte mich. Meine bisherige Skepsis war verflogen, sobald ich verstanden hatte, dass der Beginn ihres Wachstums Hand in Hand mit der Einführung von individuellen Anpassungen ging. Ihre Verkäufe würden wachsen. Doch sie mussten das Eisen schmieden, solange es heiß war; mussten so viele Kundinnen wie möglich anwerben, um sich als der Laden zu etablieren, den man aufsuchte, um individuell angepasste Unterwäsche zu kaufen … bevor andere anfingen, ihr Geschäftsmodell zu kopieren.

Sie brauchten einen sehr viel besseren Onlineshop und ein zweites Ladengeschäft, um mit der Nachfrage Schritt halten zu können … und sei es nur, um ihr Lager zu vergrößern.

»Ich danke Ihnen für die Präsentation«, sagte ich. »Wir kannten die Zahlen bereits aus der Bewerbung, die Sie uns geschickt hatten, aber ich möchte noch einmal betonen, dass sie sehr beeindruckend sind. Sie haben eine solide Firma aufgebaut. Heute ging es bloß darum, uns Ihre Präsentation anzuhören. Wir werden uns in ein paar Tagen bei Ihnen melden, um Sie über die nächsten Schritte zu informieren.«

»Wie sähe der nächste Schritt denn aus?«

»Wir laden Sie zu einem Abendessen ein, wo wir uns in weniger förmlicher Umgebung besser kennenlernen.«

David meldete sich zu Wort. »Wir lernen die Besitzer gern persönlich kennen. Es muss auch menschlich passen, sonst wird die Zusammenarbeit schwierig.«

»Okay. Danke für Ihre Aufmerksamkeit«, sagte Skye. »Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören.«

Ich konnte nicht anders, als auf Tess’ Hintern zu starren, als die beiden ihren Laptop und ihre Unterlagen zusammensammelten. Verdammt, diese Frau und ihre Kurven brachten mich beinahe um.

Als sie sich umdrehte, ertappte sie mich beim Starren und zog die Augenbrauen hoch. Mist. Ich wollte nicht, dass sie dachte, ich würde sie wegen unserer Begegnung vorhin nicht ernst nehmen … oder mich für pervers hielt.

Nichts davon traf zu.

Normalerweise war ich besser darin, Geschäftliches und Privates zu trennen. Ich fing nichts mit Bewerberinnen an oder sah sie auch nur auf diese Weise. Punkt. Das war eine meiner wichtigsten Regeln. Ich hatte keine Ahnung, wieso es mir bei Tess so schwerfiel, mich daran zu halten.

Sie wirkte ein wenig niedergeschlagen, als sie und Skye das Auditorium verließen.

Also traf ich eine schnelle Entscheidung.

»Lasst uns fünf Minuten Pause einlegen.«

Becca nickte.

David zuckte mit den Achseln. »Schon wieder?«

»Ich bin sofort zurück.« Mehr sagte ich nicht, bevor ich aufstand.

Ich holte Tess in der Lobby des Gebäudes ein, wo alle ihre persönlichen Gegenstände in Spinden verstaut hatten. Sie stopfte gerade ihren Laptop in eine Tasche – und sie war allein.

»Tess«, sagte ich.

Sie sah überrascht auf, ehe sie sich den Riemen ihrer Tasche über die Schulter warf. »Hey. Haben wir etwas liegen lassen?«

»Nein.« Ich kam näher, bis ich direkt vor ihr stand. »Ich wollte nur kurz mit Ihnen reden.«

»Ich höre.«

Das Thema ließ sich bloß direkt ansprechen, also legte ich einfach die Karten auf den Tisch. »Sie haben eventuell gemerkt, dass ich Sie abgecheckt habe.«

Tess keuchte, dann wurde sie rot. Verdammt, ihre Reaktion war echt süß!

»Eventuell?«, forderte sie mich amüsiert heraus.

»Ich habe es getan. Mehrfach. Aber ich verspreche, dass ich kein Arschloch bin. Und es wird auch keinen Einfluss auf unsere Einschätzung Ihrer Bewerbung haben. Das wollte ich Ihnen noch versichern. Normalerweise bin ich professionell und zeige mich von meiner besten Seite. Es ist nur … in Ihrer Nähe fällt es mir schwer, meine Gedanken unter Kontrolle zu halten. Keine Ahnung, warum.«

»Möglicherweise hat es etwas damit zu tun, dass Sie mich heute Morgen in meinem BH gesehen haben?« Inzwischen lächelte sie. Verdammt, so war sie noch schöner. Und sie wirkte viel entspannter als bisher.

»Und ohne.«

Sie keuchte wieder, dann fing sie an zu lachen. »Sie haben mir gesagt, Sie hätten nichts gesehen.«

»Ich wollte Ihnen nur die Befangenheit nehmen. Oder es zumindest versuchen.«

»Sie haben versagt. Ich war total nervös.«

»Das konnte ich an Ihrer Körpersprache erkennen«, gab ich zu.

Sie sah mich mit großen Augen an, dann räusperte sie sich. Ich beugte mich weit genug vor, dass ich ihr Parfüm riechen konnte. Blumig und süß, aber auch würzig. Sie benetzte die Lippen, bevor sie angespannt den Atem ausstieß. Ich trat zurück und deutete auf den Ausgang.

»Ich will Sie nicht länger aufhalten. Wenn alles gut geht, sehen wir uns beim nächsten Treffen.«

»Und dort werden Sie sich benehmen?«, zog sie mich auf.

»Ich werde mich zumindest bemühen.«

»So, wie Sie sich bemüht haben, sich nicht anmerken zu lassen, dass Sie mich halb nackt gesehen haben?«

»Ich werde mich noch mehr anstrengen. Vergeben Sie mir, falls ich versage. Sie haben einen … bleibenden Eindruck hinterlassen.«

Ihre Lippen formten ein O, bevor sie kopfschüttelnd an mir vorbeiging. Ich konnte den Blick nicht von ihr abwenden, als sie das Gebäude verließ. Ihr Hüftschwung war unwiderstehlich.

Fantastisch. Ich war hergekommen, um sie zu beruhigen, nur um erneut mit ihr zu flirten. Toll gemacht, Harrington!

Ich hätte mir ja gern selbst versichert, dass ich mich beim nächsten Treffen benehmen würde, aber ich machte mir nicht gern etwas vor.

~

Im Laufe des Vormittags hörten wir uns noch zwanzig weitere Präsentationen an. Allerdings wanderten meine Gedanken immer wieder zu einer bestimmten Dessousfirma. Am Nachmittag kehrten wir in unsere Büros in einem Stadthaus zurück, das wir in der Upper West Side gemietet hatten. Wir hatten die ursprüngliche Küche in einen Empfangsbereich umgewandelt. Unser Team arbeitete in einer Art Großraumbüro in dem, was einmal das Wohnzimmer gewesen war. David, Becca und ich hatten jeweils eigene, große Büros im ersten Stock. Der Sitzungsraum lag im Keller.

Wir beschlossen gemeinsam, uns auf die Dachterrasse zu begeben – den schönsten Teil des Gebäudes –, um zu diskutieren, in welche Firma wir investieren wollten. Alle liebten die frische Luft hier oben … und da wir nicht im zigsten Stockwerk waren, gab es auch keinen Wind. Der September war kühl, aber aufgrund der umstehenden, höheren Gebäude war die Terrasse recht gut vor den Elementen geschützt. Jedes Mal, wenn ich mich in einem von New Yorks unzähligen Wolkenkratzern aufhielt, hatte ich das Gefühl, als würde ich jeden Moment ersticken. Ich brauchte keine tolle Aussicht aus der fünfzigsten Etage. Es war mir lieber, jederzeit frische Luft schnappen zu können.

Becca, David und ich hatten jeweils zwei Mitarbeiter. Einer meiner Angestellten, Dexter, brachte uns Erfrischungen sowie meinen Stressball – den ich brauchte, um nicht den Verstand zu verlieren. Wir machten es uns auf den Rattansesseln bequem, dann bat ich alle im Team, uns ihre drei Favoriten zu nennen. Jeder von ihnen erwähnte Soho Lingerie. Wir hatten nur vier andere Modefirmen in unserem Portfolio, und jede von ihnen hatte innovative Lösungen für die Herausforderungen der Branche gefunden.

Sobald die sechs uns ihre Einschätzungen gegeben hatten, gingen sie nach unten an ihre Schreibtische. Becca, David und ich blieben oben.

Die beiden waren nicht nur meine Geschäftspartner, sondern auch meine besten Freunde. Wir hatten uns vor fünfzehn Jahren kennengelernt, als wir alle Praktika an der Wall Street gemacht hatten. In unserer Freizeit hatten wir gemeinsam an einer App für persönliches Finanzmanagement namens InvestMe gearbeitet. Eine riesige Bank hatte uns die App für eine Menge Geld abgekauft. Danach hatten wir eine Weile als Berater im Managementteam der App gearbeitet … doch es war schnell klar geworden, dass man uns eigentlich nicht brauchte. Den Investmentfonds hatten wir gegründet, weil wir jetzt eine Menge Geld besaßen und alle von dem Wunsch getrieben wurden, mit Firmengründern zusammenzuarbeiten. Der Fonds war unser ganzer Stolz, und wir drei hatten unermüdlich daran gearbeitet, ihn erfolgreich zu machen. Mittlerweile machten wir das schon seit zehn Jahren, aber auch mit sechsunddreißig waren wir noch so motiviert und erfolgshungrig wie mit sechsundzwanzig.

Damals waren wir zu viert gewesen. Wir hatten noch einen guten Freund mit an Bord genommen – Albert. Er hatte kein Eigenkapital gehabt, aber er war hochintelligent und hatte viele innovative Ideen. Gerade weil er so clever war, hatte es mehrere Jahre gedauert, bis wir herausfanden, was er hinter unserem Rücken trieb. Was zur Folge hatte, dass wir eigentlich nicht mehr über ihn sprachen.

»Also, nachdem wir uns alle Präsentationen angehört haben, fürchte ich, dass wir immer noch zu viele gute Bewerber haben. Das ist natürlich ein Luxusproblem, aber trotzdem ein Problem«, meinte Becca.

Die umstehenden Gebäude warfen Schatten auf die Terrasse, doch hier und dort drangen auch Sonnenstrahlen durch die Lücken. Es war ein wunderschöner Herbsttag.

»Stimmt. Wenn wir genug Leute hätten, würde ich sagen, wir nehmen alle an«, entgegnete ich.

»Vielleicht sollten wir zusätzliche Leute einstellen. Wir hatten doch schon mal darüber geredet«, sagte David.

Ich schüttelte mürrisch den Kopf. »Nein. Ich mag unser Team. Neue Angestellte anlernen kostet Zeit und Mühe.« Auch wenn wir dann expandieren könnten, war es nie einfach, gutes Personal zu finden, und mit unserem bisherigen Team hatten wir wirklich Glück gehabt.

»Oder du bist einfach nur ein Brummbär, der keine neuen Leute mag«, sagte Becca mit einem fiesen Grinsen.

Ich feuerte meinen Stressball auf sie ab.

Sie fing ihn geschickt aus der Luft. »Den kriegst du heute nicht mehr wieder. Dann kannst du ja schauen, wie du ohne auskommst.«

»Becca«, flehte David quasi. »Komm schon, tu uns das nicht an. Er muss sich konzentrieren.«

»Ich bin konzentriert«, versicherte ich.

»Okay, nenn mir deine drei Favoriten. Einfach aus dem Bauch heraus.«

»Soho Lingerie, Robotron und DesignPen.« Ich zögerte keinen Moment. Alle drei Präsentationen hatten sich in mein Gedächtnis eingebrannt – Soho Lingerie mehr als die anderen, auch wenn ich die Gründe dafür nicht benennen konnte.

David legte den Kopf schief. »Zu Beginn warst du von Soho Lingerie nicht besonders überzeugt. Was hat dich veranlasst, deine Meinung zu ändern?«

»Die Präsentation war überzeugend. Ich glaube, wenn sie schnell sind, können sie wirklich groß werden.«

Becca lächelte leise. »Da ist noch etwas, was du uns nicht erzählst. Du hast dich seltsam benommen, als die beiden Frauen den Raum betreten haben.«

Beide sahen mich erwartungsvoll an. Wenn ich nichts sagte, würde sie das nur noch misstrauischer machen.

»Also schön, ich bin aus Versehen in den Raum geplatzt, als Tess Winchester sich gerade im Vorraum der Toilette umgezogen hat.«

»Oh, verdammt, das muss ihr ja furchtbar peinlich gewesen sein. Die Arme!«, meinte Becca.

»Ist sie attraktiv?«, fragte David sofort.

Ich zog nur die Augenbrauen hoch.

»Vergiss es. Natürlich ist sie das. Das konnte ich sogar mit Kleidung erkennen. Wie viel hast du gesehen?«

»Genug, um sie in Verlegenheit zu bringen.« Und anscheinend genug, dass ich jegliche Kontrolle verloren hatte.

»Moment … das hat ausgereicht, um dich aus dem Tritt zu bringen? Wie lange ist es her, dass du mit einer Frau zusammen warst?«, fragte David mich breit grinsend.

»Ich gehe aus«, antwortete ich, ohne weiter ins Detail zu gehen. Ich sprach nicht gern über mein Privatleben. Nicht, dass es da viel zu erzählen gäbe … jenseits von ein paar Dates und Sex ohne Verpflichtungen.

»Würdet ihr beiden bitte damit aufhören?«, ermahnte uns Becca.

»Nein«, antwortete David im selben Moment, in dem ich »Ja« sagte.

»Komm schon, Mann, beschreib mir, wie sie aussieht«, flehte David.

Ich brachte ihn mit einem bösen Blick zum Schweigen. »Lasst uns zum eigentlichen Thema zurückkehren. Dieser Vorfall hat nichts damit zu tun, dass sie unter meinen drei Favoriten sind.«

»Das wären auch meine Favoriten«, sagte Becca. »Aber wir müssen uns letztendlich trotzdem für eine Firma entscheiden.«

»Nun, aber diese Entscheidung müssen wir nicht jetzt sofort treffen. Wir können mindestens zwölf der zwanzig Teams zum Abendessen einladen und dann weiterschauen.« David war deutlich anzumerken, dass er immer noch über meine Begegnung mit Tess sprechen wollte.

»Lasst uns bis morgen darüber nachdenken«, schlug ich vor. »Ich treffe solche Entscheidungen nicht gern spontan.«

Becca lächelte schon wieder fies. »Ja, das wissen wir alle.«

»Du verarschst mich ständig, aber du magst die Arbeitsabläufe, die ich implementiert habe.« Es war meine Idee gewesen, fast alle Abläufe zu standardisieren.

»Ich weiß. Ich ziehe dich nur gern auf. Oh … du runzelst die Stirn. Dann gebe ich dir jetzt besser deinen Stressball zurück.« Sie warf den Ball zu mir zurück. »Nun, da wir heute keine Entscheidung treffen werden, gehe ich nach unten, um meinen Mitarbeitern Feuer unter dem Hintern zu machen.«

»Ich komme mit«, sagte David.

Wir waren eine ungewöhnliche Gruppe. Auf den ersten Blick hatten wir nicht viel gemeinsam.

David hielt nicht viel von Regeln. Er kam in Jeans und Turnschuhen zur Arbeit und hätte genauso gern ein Highschool-Baseballteam trainiert wie einen Millionen-Dollar-Fonds verwaltet.

Auch Becca kümmerten Regeln wenig, aber für gewöhnlich zog sie David auf … nicht mich. Sie gönnte sich gern etwas im Leben und tauchte meistens ziemlich herausgeputzt im Büro auf.

»Wir sehen uns dann später. Ich werde heute über die Präsentationen nachdenken und in der Zwischenzeit Gran einen Besuch abstatten.« Damit stand ich auf, ging nach unten und bestellte mir ein Uber.

Gran und mein Großvater hatten mich quasi großgezogen, und ich genoss unsere Gespräche. Als Naturfotografen waren meine Eltern ständig unterwegs, also hatte ich bis zu meinem achtzehnten Geburtstag bei meinen Großeltern gelebt. Im Moment waren meine Eltern am Kilimandscharo unterwegs. Mein Großvater war vor fünf Jahren verstorben, also hatte meine Gran nur noch mich.

Nach Grandpas Tod war sie ein Jahr lang in ein tiefes Loch gefallen. Irgendwann hatten Mom und Dad einen Ausflug zum Grand Canyon mit ihr gemacht, und seit ihrer Rückkehr hatte sie sich gefangen. Der Tapetenwechsel hatte ihr gutgetan.

Auf der Fahrt zu Grans Wohnung wollte ich eigentlich im Kopf noch mal die Präsentationen durchgehen. Stattdessen ertappte ich mich dabei, wie ich über Tess Winchester nachdachte.

Das Feuer in ihren Augen und die Leidenschaft in ihrer Stimme fesselten mich selbst noch Stunden später. Der Beschützerinstinkt in ihren Augen, als sie ihre Schwester angesehen hatte, hatte mich auf seltsame Weise gerührt. Eine Präsentation verriet viel über eine Person. Zum Beispiel wusste ich jetzt, dass Tess nicht nur Verwaltungsentscheidungen traf. Ihre Worte hatten klargestellt, dass sie kein Problem damit hatte, selbst mit anzupacken … und schon hatte ich wieder schmutzige Gedanken.

Ich fing erneut an, mir Tess in sexy Dessous vorzustellen, dachte an die Brust, die ich gesehen hatte. Tess war unglaublich süß gewesen, als sie nervös vor mir gestanden hatte. Und auch vor den Spinden hatte sie mich fasziniert. Sie hatte mich aufgezogen und herausgefordert … und sofort hatte ich jeglichen Anstand vergessen. Aber wenn wir mit Soho Lingerie zusammenarbeiten wollten, musste ich damit aufhören, so unprofessionell zu sein.

Ich war immer fähig gewesen, Berufliches und Privates zu trennen. Das war eine meiner Stärken – und ich hätte nie vermutet, dass sich das jemals ändern würde.

Tess Winchester bewies mir gerade das Gegenteil.

Kapitel 4

Tess

Ich liebte Shopping. Es half mir, runterzukommen … und das hatte ich gerade dringend nötig. Gestern war ich den ganzen Tag angespannt gewesen, selbst nachdem wir das Auditorium nach unserer Präsentation verlassen hatten. Heute hatte ich den ganzen Vormittag im Laden gearbeitet, um mich dann nachmittags mit unserer Webdesignerin zu treffen.

Im Moment trieb ich mich ausgestattet mit einer langen Einkaufsliste in NoLIta herum. Allerdings hielt ich mich nie an meine Liste. Für gewöhnlich endete jeder Einkaufsbummel in diesem Viertel mit drei Tüten mehr als geplant. Bisher hatte ich ein Halstuch gekauft, das Mom gefallen könnte, sowie für meine Nichte Avery eine Kette mit einem wunderbaren Anhänger aus blauem Quarz. Ehrlich: Dieser Juwelierladen war so unglaublich, dass ich Probleme hatte, ihn zu verlassen. Er war nicht besonders edel oder irgendwas, sondern mit den pinkfarbenen Schmuckständen einfach gemütlich. Am liebsten kaufte ich Geschenke für meine Nichten und Neffen. Es war so leicht, sie glücklich zu machen. Und da ich im Herzen auch noch ein Kind war, traf ich mit meinen Präsenten meist ins Schwarze.

Meine Geschwister und ich waren in Boston aufgewachsen, in einem riesigen Haus, das alle Annehmlichkeiten bot – bis die Ehe meiner Eltern zerbrochen und Dads Firma pleitegegangen war. Im Anschluss waren wir in einen Vorort von New York gezogen und kaum über die Runden gekommen. Ich hatte schnell gelernt, nicht um neue Sachen zu bitten, weil Mom dann immer traurig wurde. Sie hätte uns jeden Wunsch erfüllt, wenn sie es sich hätte leisten können.

Ich war wahnsinnig glücklich, mich inzwischen in einer Position zu befinden, wo ich alles erstehen konnte, was ich wollte – nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie. Und daher kaufte ich gern ohne guten Grund Geschenke.

Ich fand es wunderbar, dass es mittlerweile so viele Kinder in der Familie gab. Alles hatte vor drei Jahren begonnen, als mein Bruder Ryker angefangen hatte, mit einer alleinerziehenden Mutter auszugehen – Heather. Im Moment war sie mit ihrem gemeinsamen Baby schwanger. Mein Cousin Hunter hatte unsere gute Freundin Josie geheiratet, doch die beiden waren kinderlos – bis jetzt.

Dann war die Familie weitergewachsen, als Skye schwanger geworden war. Zusätzlich hatte die Schwester ihres Ehemannes noch eine zehnjährige Tochter – Lindsay. Ich hatte mich noch nicht entschieden, was für eine Kette ich für sie kaufen wollte, auch wenn sie bisher all meine Geschenke toll gefunden hatte. Ihre Kette musste sich von Averys unterscheiden, damit beide Mädchen sich als etwas Besonderes fühlten; aber sie durften auch nicht so unterschiedlich sein, dass ein Streit darüber entbrannte, wer das schönere Geschenk bekommen hatte. Die Auswahl war so groß, dass ich mich ein wenig überwältigt fühlte. Letztendlich kaufte ich eine Kette mit einem ähnlich geformten Anhänger, doch diesmal mit einem pinkfarbenen Stein darin.

»Könnten Sie beide Ketten in pinkfarbenes Papier verpacken?«, bat ich die Verkäuferin. Das war ein Punkt, in dem die Mädchen sich absolut einig waren: Pink war die schönste Farbe überhaupt.

»Aber natürlich.«

Ich kontrollierte breit grinsend meine Einkaufsliste. Alles erledigt. Und ich war viel entspannter als gestern. Nur eine Sache nagte an mir: Wir hatten noch nichts von Harrington & Co gehört. Heute hatte ich alle halbe Stunde meine E-Mails gecheckt, um auf Nummer sicher zu gehen. Jedes Mal, wenn ich an meine erste Begegnung mit Liam und das schamlose Flirten vor den Spinden zurückdachte, wurde ich ganz unruhig. Damit hatte ich nicht gerechnet!

Ich verließ den Laden und sah mich auf den Straßen von NoLIta um, um zu entscheiden, was ich als Nächstes tun sollte. Ich entdeckte einen Cupcake-Laden. Auch wenn ich mehr für Schokoladenkuchen übrighatte, fühlte ich mich von dem rosafarbenen Schild und den gemütlichen Kissen auf der Fensterbank angesprochen.

Mein Handy klingelte, als ich gerade die Straße überquerte. Ich verlagerte alle Tüten in die rechte Hand und tastete mit der Linken in meiner Handtasche nach dem Gerät. Skye rief an. Ich hob sofort ab, erfüllt von der Hoffnung, dass sie etwas gehört hatte.

»Wir sind in der nächsten Runde!«, kreischte sie mir ins Ohr.

»Super. Ich habe in letzter Zeit meine Mails nicht gecheckt. Wann findet das Essen statt?«

»Sie haben uns drei Termine zur Auswahl gegeben. Einmal morgen, einmal Freitag und der dritte nächsten Montag. Jeweils um sieben Uhr abends.«

»Ich habe an allen Abenden Zeit, also kannst du aussuchen.«

»Okay, ich werde gleich antworten. Tess, ich bin so aufgeregt. Ich war mir nicht sicher, was ich denken sollte, als sie uns gestern so schnell weggeschickt haben.«

»Alle Bewerber hatten eine Viertelstunde Zeit, Skye. Ich glaube, die Zeit ist nur schneller vergangen, weil wir die Präsentation gehalten haben.«

»Du hast recht. Auf jeden Fall habe ich mir ganz umsonst Sorgen gemacht … weil wir es geschafft haben! Ich kann es kaum erwarten.«

»Hey, ich stehe gerade vor einem tollen Cupcake-Laden. Soll ich uns etwas holen und zur Feier des Tages bei dir vorbeikommen?« Es gab keine bessere Art, eine gute Nachricht zu feiern, als Zeit mit meiner Schwester, ihrem Ehemann und meinem Neffen zu verbringen.

»Oh, ich kann leider nicht. Wir sind zum Abendessen bei Robs Schwester eingeladen.«

»Nur damit du es weißt: Ich schmolle gerade. Aber ich wünsche dir viel Spaß.«

»Danke, Tess. Ich bin so froh, dass wir diese Chance bekommen.«

Ich grinste. »Genau wie ich, Schwesterherz.«

Man hätte denken können, ich hätte daraufhin den Cupcake-Laden ignoriert, doch stattdessen trat ich ans Schaufenster, um mir ihr Angebot genauer anzusehen. Und wisst ihr was? Da lag ein Stück Schokoladenkuchen auf einem goldenen Teller. Den konnte ich mir doch nicht entgehen lassen, oder?

~

Meine Aufregung wuchs stetig, sobald wir die Bestätigung für das Abendessen am nächsten Tag bekommen hatten. Und ich war den ganzen Tag nervös, von dem Moment an, in dem ich mein Bett verlassen hatte.

Ich hatte keine Termine, also arbeitete ich von zu Hause aus. In Jogginghose und weitem T-Shirt saß ich auf dem Sofa und machte mich an einer Tabellenkalkulation mit Etatentwürfen zu schaffen. Besonders produktiv war ich allerdings nicht.

Ich versuchte ständig, mir vorzustellen, wie der Abend wohl laufen würde. Worüber würden sie reden wollen? Unsere Designs? Detaillierte Pläne für die Zukunft unserer Firma? Mein Hirn spuckte schneller potenzielle Fragen aus, als ich Antworten darauf finden konnte.

Ich presste mir eine Hand an die Brust und atmete tief durch. Ich musste mich entspannen, damit ich heute Abend in Bestform war. Also setzte ich mich in den Schneidersitz, legte die Hände auf die Knie und schloss die Augen, um mich an einer der Entspannungstechniken zu versuchen, die meine Yogalehrerin mir vor Kurzem beigebracht hatte – ich sollte mir vorstellen, dass ich am Fuße eines sehr alten, großen Baumes saß, dessen majestätische Krone sich im Wind wiegte. Im Yogakurs war mir das so gut gelungen, dass ich hätte schwören können, ich hätte eine leichte Brise auf der Haut gespürt.

Ich grinste. Nein, im Moment sah ich definitiv keine Bäume vor meinem inneren Auge. Stattdessen sah ich zwei atemberaubend blaue Augen. Liam Harringtons Augen waren allerdings eher aquamarinfarben. Und auch den Rest seines Körpers konnte ich mir genau vorstellen, weil er sich in mein Gedächtnis eingebrannt hatte – von seinen markanten Gesichtszügen bis hin zu seinen muskulösen Armen. Der Mann war wirklich umwerfend. Wie gern hätte ich diesen Körper mit den Lippen erkundet!

Ich darf ihn heute Abend nicht angaffen, ermahnte ich mich selbst. Ich musste einfach nur einen guten Eindruck hinterlassen, mehr nicht. Ich hoffte, dass das Knistern, das vor den Spinden die Luft zwischen uns erfüllt hatte, nur eine Nachwirkung der vorherigen peinlichen Situation gewesen war. Das hoffte ich wirklich inständig. Denn wenn dieser Mann mich mit seinen blauen Augen wieder so eingehend musterte, würde ich wahrscheinlich spontan in Flammen aufgehen. Schon bei dem Gedanken daran sammelte sich Hitze zwischen meinen Beinen.

Eine halbe Stunde bevor Skye bei mir auftauchen sollte, warf ich mich in ein weiteres schickes Outfit. Diesmal war es ein kurzärmliges schwarzes Wickelkleid, kombiniert mit grünen Stilettos mit silbernen Absätzen und einer dazu passenden Clutch. Außerdem trug ich riesige silberne Ohrringe. Mein Haar fiel in sanften Wellen über meine Schultern – dank meines Lockenstabes. Ich fuhr mir einmal mit der Hand durch meine Frisur, um die blonden Strähnen besser zur Geltung zu bringen.

Als Skye endlich auftauchte, zappelte ich bereits vor Nervosität. Das Restaurant, in dem das Treffen stattfand, lag näher an meiner Wohnung als an ihrem Haus, also hatten wir beschlossen, uns bei mir zu treffen und dann gemeinsam loszuziehen.

Skye trug ein wunderschönes cremefarbenes Seidenkleid mit einem schwarzen Kaschmirmantel darüber. Ich zog einen ähnlichen Mantel an – wir hatten sie als Geschenk an uns selbst gekauft, als wir unseren letzten großen Meilenstein erreichten: eine Million verkaufte Produkte.

»Ohoh«, meinte ich und deutete auf ihre Miene. »Du machst dir mal wieder Sorgen. Das brauchst du nicht. Sie werden uns lieben!«

Skye zog einen Schmollmund. »Das hoffe ich wirklich. Wieso machst du dir keine Sorgen?«

Ich lachte. »Tue ich. Ich bin nur besser darin, das zu verbergen.« Dann seufzte ich tief, ergriff die Hand meiner Schwester und sah ihr tief in die Augen. »Schwesterherz, du musst mir versprechen, dass du mich unter Kontrolle hältst.«

»Tess, das ist unmöglich.«

»Du weißt doch, dass ich manchmal etwas übermütig werde.«

Skye entzog mir ihre Finger, um mit beiden Händen mein Gesicht zu umfassen. »Du machst eben keine halben Sachen. Und ich glaube nicht, dass du anders handeln könntest.«

Ende der Leseprobe