City of Promises – Laney & Cole - Layla Hagen - E-Book
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City of Promises – Laney & Cole E-Book

Layla Hagen

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Beschreibung

Die glitzernde Skyline von New York, zwei Singles und die große Liebe …

Junggeselle Cole liebt es, Frauen den Kopf zu verdrehen, allerdings stets nur für eine Nacht. Doch mit Laney ist alles anders: Als er die bildhübsche Chirurgin bei einer Reise nach Rom kennenlernt und zwischen ihnen heftig die Funken fliegen, denkt er zum ersten Mal über eine feste Beziehung nach. Zurück in New York unternimmt Cole alles, um Laney seine Gefühle zu zeigen. Doch Laney hat den plötzlichen Tod ihres Ehemannes noch nicht verarbeitet und zögert, obwohl auch sie ständig an Cole denken muss. Wird sie sich ihm öffnen und voll und ganz hingeben können?

Verführerisch, leidenschaftlich, sexy – Nach den »Flowers of Passion« und den »Diamonds for Love« kommt mit den »New York Nights« die neue Romance-Reihe von Bestsellerautorin Layla Hagen!

»Einmal angefangen, kann man Layla Hagens Bücher nicht mehr zur Seite legen.« Geneva Lee, Autorin der »Royals«-Serie

Alle Bände der »New York Nights«:


Band 1: City of Love – Hunter & Josie

Band 2: City of Dreams – Heather & Ryker

Band 3: City of Hearts – Robert & Skye

Band 4: City of Promises – Laney & Cole

Band 5: City of Kisses – Tess & Liam

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© Layla Hagen 2020

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»One Beautiful Promise«, Independently Published 2020

© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Anita HirtreiterKonvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence, München mit abavo vlow, Buchloe

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Kapitel 1

Cole

Geschäftsreisen nach Europa waren wahnsinnig anstrengend, aber sie hatten auch Vorteile. Dieses Mal hatte ich in Rom zu tun. Vor einer Woche war ich aus New York eingeflogen, um einen der wichtigsten Deals meiner Karriere abzuschließen. Der Aufwand hatte sich gelohnt, denn nach sechs Tagen unendlich harter Verhandlungen hatte ich endlich den unterschriebenen Vertrag in der Tasche.

Bisher hatte mir die Zeit gefehlt, die Stadt zu genießen, doch ich hatte vor, das heute Abend und morgen nachzuholen. Und ich hatte bereits beschlossen, dass ich unbedingt mal in die Ewige Stadt zurückkehren musste, um dort Urlaub zu machen. Das Essen war einfach köstlich und auch das Wetter ganz nach meinem Geschmack – zumindest jetzt, im März. Angenehm warm, aber nicht schwül.

In einem rappelvollen Dachterrassen-Restaurant an der Piazza Navona aß ich zu Abend. Hin und wieder drang auch Italienisch an mein Ohr, aber die Gäste schienen überwiegend Touristen zu sein. Mein Handy brummte ständig, weil ich so viele Nachrichten bekam. Meine drei Geschwister gratulierten mir zum Geschäftsabschluss. In unserer Whatsapp-Gruppe dateten wir uns über alles Mögliche up … oder zogen uns einfach ohne guten Grund gegenseitig auf.

Tess: Ich wusste, dass du es schaffst.

Skye: Sag das nicht zu oft, sonst steigt es ihm zu Kopf.

Tess: Hey, im Moment hat er jedes Lob verdient.

 

Ich lachte leise. Ich konnte es kaum erwarten, nach New York zurückzukehren. Meine Familie stand sich sehr nahe. Vor einigen Jahren hatten meine Schwestern schon einmal einen Trip nach Rom gemacht und waren von der Stadt so begeistert, dass sie mich am liebsten begleitet hätten.

Tess: Nur für den Fall, dass du es vergessen hast: Du musst uns unbedingt was mitbringen.

Skye: Und zwar tonnenweise.

 

Lächelnd tippte ich meine Antwort. Gleich am ersten Tag hatte ich Geschenke für sie besorgt, weil ich nicht hatte riskieren wollen, sie vor lauter Geschäftsverhandlungen zu vergessen.

Cole: Schon erledigt.

Tess: Oooooh. Du bist der Beste.

Ryker: Der beste was? Bruder?

Tess: Der beste darin, Mitbringsel zu kaufen. 🙂

Ryker: Da hast du dich aber noch mal gerettet …

 

Als Nächstes meldete sich Hunter, mein Cousin und Geschäftspartner, mit dem ich zusammen eine riesige Baufirma führte – Caldwell Real Estate. Jetzt wollten wir nach Europa expandieren und gemeinsam mit unseren neuen Partner Delimano ein Einkaufszentrum in Rom bauen.

Hunter: Gut gemacht. Und jetzt lass ein wenig Dampf ab. Du hast es verdient.

 

Ja, verdammt. Genau das hatte ich vor. Ich war irrsinnig gut drauf, total euphorisch von meinem Erfolg, ganz angetan von meinen Verhandlungsfähigkeiten, dank derer es mir gelungen war, mich selbst gegenüber einem harten Verhandlungspartner wie Delimano zu behaupten. Wann immer er Druck ausgeübt hatte, hatte ich nicht nachgegeben. Letztendlich hatte er meinen Bedingungen zugestimmt, also hatten wir nun Grund zu feiern.

Tess: Hast du dich schon mit Laney getroffen?

Cole: Nein, das mache ich heute Abend.

Tess: Isabelle meinte, sie wäre eine wahre Rom-Expertin. Dein Glück.

 

Isabelle war Hunters Schwägerin. Als sie gehört hatte, dass ich eine Woche lang in Rom wäre, hatte sie darauf bestanden, dass ich mich mit ihrer Freundin Laney traf – die gerade an einem medizinischen Austauschprogramm teilnahm. Gleich nach meiner Landung in Rom hatte ich Laney eine Nachricht geschrieben, doch bis heute Abend hatte ich keine Zeit gefunden, mich mit ihr zu treffen. Sie sollte eigentlich schon hier sein. Gerade, als mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss, brummte mein Handy wieder.

Laney: Ich werde mich ein paar Minuten verspäten.

 

Aus ein paar Minuten wurde eine Viertelstunde, aber das störte mich nicht. Ich hatte schließlich keine Termine mehr. Stattdessen lehnte ich mich entspannt in meinem Stuhl zurück und studierte die Speisekarte. Natürlich hatte ich jeden Abend in einem italienischen Restaurant gegessen, doch bisher hatte ich den Gerichten kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn ich im Geschäftsmodus war, blendete ich so gut wie alles andere aus.

»Cole Winchester?«, fragte eine weibliche Stimme.

Ich sah auf … und Laney war ein wirklich toller Anblick. Sie war groß und schlank, hatte schulterlange blonde Haare und blaue Augen und trug ein enges weißes Wickelkleid.

»Ja.«

»Ich bin Laney Smith.« Sie lächelte breit.

Ich stand auf, um ihr die Hand zu schütteln, und konnte mich nicht davon abhalten, den Blick einmal über ihren Körper gleiten zu lassen. Wow, sie war atemberaubend.

»Tut mir leid, dass ich zu spät komme«, sagte sie, als wir uns setzten.

»Kein Problem. Freut mich, dass wir das Treffen endlich hinbekommen haben. Was möchtest du trinken? Die Angebote stehen dort.« Ich deutete auf eine Wandtafel neben der Bar, auf der in farbiger Kreide Getränke aufgelistet waren.

Laney kniff die Augen zusammen. »Hmmm … die Spezialität des Hauses scheint ein Touri-Drink zu sein. Ich habe noch nie gesehen, dass Italiener Limoncello mit Orangensaft gemischt hätten.«

»Ich habe gehört, dass du eine richtige Italien-Expertin bist. Was würdest du empfehlen?«

Laney grinste. »Nun, Limoncello ist eigentlich ein Getränk zum Dessert. Normalerweise trinkt man zum Abendessen Wein … aber natürlich müssen wir uns nicht daran halten.«

»Ich bin immer dafür, sich Vorgaben zu widersetzen.« Ich musterte sie eingehend. Sie schluckte schwer und senkte den Blick auf die Karte, doch ich sah sie weiter unverwandt an.

Letztendlich bestellten wir uns Limoncello, Bruschetta als Vorspeise und Spaghetti als Hauptgericht.

»Wann fliegst du nach New York zurück?«, fragte sie.

»Morgen Abend.«

»Hm. Da bleibt dir nicht viel Zeit, die Stadt zu erkunden.«

»Stimmt. Aber vielleicht kannst du mir ja sagen, was ich mir unbedingt ansehen muss. Du als Insiderin.«

Sie lachte. »Hat Isabelle das behauptet?«

»Ja.«

»Was hat sie noch erzählt?« Die leichte Röte in ihren Wangen verriet mir alles, was ich wissen wollte.

»Dass du im Rahmen eines medizinischen Austauschprogramms hier bist … allerdings habe ich nicht mitbekommen, was dein Fachgebiet ist.«

»Ich bin chirurgische Assistenzärztin im Liberty.«

Das Liberty war ein privates Krankenhaus in New York, über das ich bisher nur Gutes gehört hatte.

»Wow, das ist echt beeindruckend.«

Laney wirkte etwas verlegen. »Danke. Als ich das Angebot bekommen habe, zwei Monate hier zu verbringen, habe ich nicht lange überlegt. So eine Gelegenheit bietet sich schließlich nicht alle Tage, und Rom ist eine tolle Stadt. Allerdings ist es nicht ganz einfach, weil ich kaum Italienisch spreche und niemanden in meinem Team gut kenne, aber ich bin trotzdem froh, dass ich es gewagt habe.«

Mir gefiel die Leidenschaft, die aus ihren Augen leuchtete, ebenso wie ihr Wagemut. Ihren Mumm bewunderte ich fast noch mehr als ihr bezauberndes Lächeln. Als unsere Vorspeise und unsere Getränke gebracht wurden, nippte Laney sofort an dem Limoncello und benetzte dann die Lippen.

Ich musste mich beherrschen, nicht zu lange auf ihren Mund zu starren, also konzentrierte ich mich auf ihren eleganten Hals und danach auf ihr tiefes Dekolleté. Leider konnte ich gerade ihre Wahnsinnsfigur nicht bewundern, da der Rest ihres Körpers hinter dem Tisch verborgen war, aber ich hatte ihre Kurven ja bei ihrer Ankunft kurz präsentiert bekommen.

»Bist du eine echte New Yorkerin?«, fragte ich.

»Nein, ich bin erst vor zwei Jahren dorthin gezogen, als ich die Assistenzstelle bekomme habe. Vorher habe ich in Philadelphia gelebt.« Sie senkte den Blick, dann fragte sie eilig: »Du arbeitest mit Hunter zusammen, oder?«

»Ja.«

»Ich bin froh, dass Isabelle die Idee hatte, uns zusammenzubringen«, sagte sie.

»Ich auch. Wann hat man schon die Gelegenheit, sich mit einer Insiderin auszutauschen?«

»Du übertreibst. Ich habe mich einfach viel über Italien informiert, bevor ich hergekommen bin, weil ich so viel wie möglich von dem Land mitkriegen will, solange ich hier bin. Isabelle übertreibt recht gern, ich bin gar nicht so toll.«

»Hat sie dir denn auch erzählt, dass ich toll bin?«, neckte ich sie.

Laney zuckte lachend mit den Achseln. »Das würde ich nicht gerade sagen …«

Sie wollte mich aufziehen. Herausforderung angenommen. Die Anziehung zwischen uns war beinahe mit Händen greifbar.

Ich sah sie direkt an. »Ich gebe nicht viel auf Hörensagen und mache mir lieber selbst ein Bild von jemandem.«

Sie schenkte mir genau in dem Moment ein spöttisches Lächeln, als der Kellner an den Tisch trat, um die leeren Teller abzuräumen und unser Hauptgericht zu bringen. Wir hatten beide Spaghetti bestellt – ich hatte mich für ein ganz einfaches Gericht mit Tomatensoße und Basilikum entschieden, und Laneys Nudeln waren mit Meeresfrüchten.

»Warum? Denkst du, man würde dir was Falsches erzählen?«

»Das nicht. Allerdings wird vielleicht manches überbewertet oder aus dem Zusammenhang gerissen«, gab ich zurück.

»Ich werde jegliche Vorinformationen ignorieren und mir selbst ein Bild von dir machen. Zufrieden?«

Ob ich zufrieden war? Dazu fehlte noch einiges, aber diese Dinge waren so unpassend, dass ich nicht mal selbst nachvollziehen konnte, was gerade in meiner Fantasie abging, also nickte ich einfach.

»Also, hast du irgendwelche Tipps für mich?«

»Nun, wenn du nur einen Tag Zeit hast, solltest du wahrscheinlich an zwei Stadtführungen teilnehmen. Jede dauert ungefähr drei Stunden … und sie zeigen dir verschiedene Viertel. Du kannst dich auf Tripadvisor anmelden. Es gibt auch einen Hop-on, Hop-off-Bus, aber da der Verkehr in Rom ein echter Albtraum ist, würde ich das nicht empfehlen.«

»Okay. Das hast du alles schon gemacht?«

»Ja, gleich an meinem ersten Tag hier. Auf diese Weise konnte ich mir einen guten Überblick über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten verschaffen und entscheiden, in welcher Reihenfolge ich sie besuchen will.«

»Mir gefällt, dass es dir bloß um die Reihenfolge ging, nicht darum, ob du sie dir überhaupt anschaust.«

»Ich bin gründlich. Ich arbeite hier in Rom nicht ganz so viel wie in New York … aber überwiegend gehe ich am Wochenende auf Besichtigungstour.«

Anschließend konzentrierten wir uns auf unser Essen – es schmeckte vorzüglich – und aßen in geselligem Schweigen. Nachdem wir auch noch Nachtisch und einen weiteren Limoncello bestellt hatten und darauf warteten, erzählte mir Laney, wie sie Isabelle kennengelernt hatte. Sie waren in derselben Stadt in Montana aufgewachsen und zusammen zur Schule gegangen, bevor sie nach Philadelphia gezogen waren, um dort aufs College zu gehen. Laney hatte keinen Akzent, Isabelle dagegen schon. Außerdem ließ mich Laney wissen, dass sie bereits seit fast zwei Monaten hier war und in einer Woche wieder abreisen würde.

»Das Essen war echt köstlich«, sagte ich. »Ich hatte schon befürchtet, der Laden wäre eine Touristenfalle.«

Laney riss die Augen auf. »Du hast mich für eine Expertin gehalten und hättest mich trotzdem in ein schlechtes Restaurant gelockt?«

»Nicht schlecht … bloß eben auf Touristen ausgerichtet.«

»Hmmm … bisher hinterlässt du nicht unbedingt den besten ersten Eindruck.« Sie zog mich schon wieder auf. Ich mochte diese Frau.

»Der Abend ist noch nicht vorbei.«

Laney legte den Kopf schief und trommelte mit den Fingern gegen ihr Glas. »Ich weiß nicht, Cole. Wir sind bereits beim Dessert angekommen.«

Wie aufs Stichwort erschien der Kellern mit unseren Bestellungen: Profiteroles für Laney und ein Stück Zitronentorte für mich, dazu unser Limoncello. Verdammt, hätte er sich nicht mehr Zeit lassen können? Laney lachte leise, als sie nach ihrem frischen Glas griff. Ich schnappte mir das andere, und wir stießen miteinander an.

»Auf neue Bekanntschaften«, sagte sie.

»Darauf trinke ich gern. Nur schade, dass du die ganzen Stadtführungen schon gemacht hast. Ich hätte gern gehört, was du zusätzlich zum Führer so zu erzählen gehabt hättest.«

»Isabelle hatte recht.«

»Womit?«

»Ups. Tut mir leid, das wollte ich gar nicht laut aussprechen.« Ihre Grübchen waren wunderbar und die Form ihres Mundes einfach erregend.

»Das macht mich bloß noch neugieriger.«

Sie errötete, den Blick auf ihren Teller gesenkt. Da ich ihr näher kommen wollte, beugte ich mich leicht über den Tisch.

Sie zuckte kopfschüttelnd mit den Schultern. »Nö. Meine Lippen sind versiegelt.«

»Das werden wir ja noch sehen.«

Sie errötete wieder, diesmal sogar noch heftiger. Danach musterte sie mich mit seltsamer Miene, während sie sich ihr Dessert schmecken ließ.

»Wenn du möchtest, kann ich dir später noch ein paar Sachen hier in der Gegend zeigen. Die wichtigsten Gebäude sind nachts angeleuchtet. Wo liegt dein Hotel?«

»Nicht weit von hier. Auf dem Hinweg war ich nur zehn Minuten zu Fuß unterwegs.«

»Dann lass uns das machen«, sagte sie und sah mich mit großen Augen an. Verdammt, es war wirklich süß, wie aufgeregt sie war!

Allerdings dauerte es ein paar Minuten, bis der Kellner auf uns aufmerksam wurde und wir ihn um die Rechnung bitten konnten. Anschließend war es wirklich harte Arbeit, überhaupt aus dem Restaurant zu kommen, weil es inzwischen noch voller war als bei meiner Ankunft. Vor dem Eingang stand auch noch eine riesige Schlange von Leuten, die alle auf einen Tisch warteten. Wir stiegen die Treppen vom Dach nach unten, weil es ein altes Gebäude ohne Lift war.

Ich ging direkt hinter Laney und wusste den Ausblick durchaus zu schätzen. In dem weißen Wickelkleid sah sie echt umwerfend aus. Ich hatte mich aus reiner Höflichkeit mit ihr getroffen – weil eine Freundin der Familie darauf bestanden hatte. Aber letztendlich hatte ich mehr bekommen, als ich erwartet hatte. Laney blickte über die Schulter zu mir zurück, als wir auf die Straße traten, als wolle sie einschätzen, ob ich immer noch an einer Führung interessiert war.

Ich war durchaus interessiert … nur nicht zwangsweise an der Führung.

Kapitel 2

Laney

»Willst du einen kurzen Spaziergang machen oder lieber eine längere Runde drehen?«, fragte ich.

»Entscheide du. Mir ist alles recht.«

Oh, das war eine gefährliche Aussage. Ich war berauscht von dieser Stadt. Kaum war ich gelandet, hatte mich Rom schon in seinen Bann gezogen. Als ich die mit Platanen gesäumten Alleen, die wunderschönen Kopfsteinpflaster und die zweitausend Jahre alten Ruinen rund um meine Unterkunft gesehen hatte, war es um mich geschehen. Inzwischen hatte ich quasi jeden noch so kleinen Winkel der Ewigen Stadt erkundet … und jede Sehenswürdigkeit hatte mich begeistert.

Ich war unglaublich guter Laune – jetzt noch mehr als sonst. Und das hatte ich diesem unglaublich sexy Mann neben mir zu verdanken. Allerdings wusste ich nicht genau, was er im Schilde führte. Isabelle hatte mir natürlich jede Menge Infos über die Winchesters geliefert … besonders über Cole. Meine Freundin übertrieb jedoch ganz gern, also wusste ich nicht, inwieweit ich mich auf das verlassen konnte, was sie mir erzählt hatte.

War sein Spitzname wirklich »Charmeur«?

Coles Verhalten und sein Lächeln bewiesen, dass er sich sehr wohl bewusst war, wie gut er aussah. Mit seinem tiefschwarzen Haar und den blauen Augen war er aber auch wahnsinnig attraktiv. Er trug schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt, das in der abendlichen Dunkelheit förmlich leuchtete.

»Hier gibt es wirklich tolle Souvenirs.« Ich deutete auf einen kleinen Laden an der Ecke einer schmalen Seitengasse.

Neben der Eingangstür standen Regale, an denen Ledertaschen und verschiedenste Hüte hingen. Im Schaufenster waren unter einer einfachen Lampe in Leder gebundene Notizbücher und winzige Alabasterfiguren römischer Gottheiten ausgestellt.

»Sie haben ganz verschiedene Sachen im Sortiment, und die Preise sind angemessen.« Ich liebte den bunten Mix in Rom. Dieser Souvenirladen lag direkt neben einem schicken Geschäft, in dem man Designertaschen von italienischen Herstellern wie Gucci oder Valentino kaufen konnte.

»Ich habe schon massenweise Geschenke für alle gekauft«, sagte er. Okay, also hatte Isabelle recht gehabt, als sie mir erzählt hatte, dass die Winchesters sich alle sehr nahestanden.

»Soll ich loslegen und dir etwas über die Piazza Navona erzählen?«

»Na klar.« Coles Lächeln wirkte ein wenig spöttisch, aber gleichzeitig viel zu charmant. Ich versuchte, jeglichen Blickkontakt zu vermeiden, während ich redete, weil ein Teil seines unwiderstehlichen Sex-Appeals definitiv mit diesen blauen Augen zusammenhing.

Ich nannte ihm ein paar Fakten zu dem Obelisken, genauso wie zu den Barockgebäuden um uns herum. Die Sehenswürdigkeiten waren perfekt angeleuchtet, und selbst zu dieser Tageszeit drängten sich Straßenkünstler auf dem Platz, die Karikaturen zeichneten oder Porträts auf Metallplatten sprühten. Verschiedene Verkäufer hatten so gut wie alles im Angebot, von gefälschten Designerwaren bis hin zu leuchtenden Armbändern, mit denen sie Figuren in die Luft zeichneten.

»Soll ich dir meinen Lieblingsort zeigen?«, fragte ich.

»Du hast das Sagen.« Er zwinkerte mir zu und schenkte mir ein strahlendes Lächeln.

Ja, Cole Winchester war definitiv ein Charmeur. Auch in diesem Punkt hatte Isabelle recht gehabt. Ich versuchte angestrengt, mich zu erinnern, was sie mir sonst noch über Cole erzählt hatte. Ich war ja so glücklich, dass meine beste Freundin ebenfalls nach New York zog.

Isabelle war Psychotherapeutin und wollte eine eigene Praxis eröffnen … auch wenn es sich als ziemliche Herausforderung entpuppt hatte, passende Räumlichkeiten zu finden. Doch Isabelle war Optimistin und konnte ordentlich anpacken. Ich wollte ihr helfen, so gut es ging. Solange ich mich in Rom aufhielt, lebte Isabelle in meiner Wohnung, um Miete zu sparen. Dieses Wochenende würde sie ausziehen. Sie hatte ein tolles Apartment gefunden, und ich hatte fest vor, meine Freundin später noch anzurufen.

Wir bogen in eine Straße ab, die Via del Salvatore hieß und zu einer anderen Lieblingssehenswürdigkeit von mir führte – dem Pantheon. Die Straße war eng und ziemlich voll. Cole ging direkt neben mir. Jedes Mal, wenn unsere Blicke sich trafen, stockte mir der Atem. Ich konnte die Reaktion nicht erklären … es fühlte sich einfach jedes Mal total elektrisierend an.

Alle paar Schritte gab es Restaurants mit Tischen auf der Straße, welche die Gasse noch schmaler machten. Die Luft war geschwängert mit dem Duft von Knoblauch und geröstetem Gemüse, zusammen mit Holzrauch und geschmolzenem Käse von den Pizzaöfen. Ehrlich: Seitdem ich in Rom war, aß ich quasi ununterbrochen. An jeder Ecke wurden kleine Köstlichkeiten verkauft … und meine Willenskraft hatte dem einfach nichts entgegenzusetzen.

Wir bogen noch zweimal ab, dann erreichten wir eine weitere Piazza, kleiner als der letzte Platz. Auch hier gab es wieder einen Obelisken, doch die Hauptattraktion war natürlich das Pantheon selbst.

»Das ist eines der besterhaltenen Monumente aus der Antike«, sagte ich. »Natürlich ist es ein paarmal restauriert worden.«

Die Fassade wurde von acht mächtigen Säulen gestützt, das Innere war allerdings noch atemberaubender.

»Die Kuppel weist ein kreisrundes Loch auf, aber das solltest du dir besser tagsüber ansehen«, erklärte ich Cole. »Früher war es mal ein römischer Tempel, doch jetzt ist es eine Kirche.«

»Du weißt wirklich eine Menge. Ich lese die Reiseführer auch jedes Mal, kann mir allerdings so gut wie nichts davon merken.«

Ich grinste. »O ja. Ich habe massenweise Reiseführer gelesen, daher sind viele Infos hängen geblieben. Und dann wurde mir während der Führungen alles noch mal erzählt, und jetzt weiß ich es wirklich. Oh, bevor ich es vergesse … siehst du den kleinen Laden dort? L’Antica Salumeria?«

Ich deutete auf einen Eckladen rechts vom Pantheon.

Cole trat neben mich und sah in die angegebene Richtung. »Ja.«

»Dort gibt es supertolle Sandwiches. Typisch italienisch. Der beste Sandwichladen in der ganzen Stadt.«

»Empfohlen von den Fremdenführern?«

»Schon. Aber ich habe ihn auch selbst getestet. Ich kann nur bestätigen, dass alles köstlich schmeckt. Ich folge ein paar Bloggern, und die haben den Laden auch empfohlen.«

Cole musterte mich mit schräg gelegtem Kopf, und ich schnappte nach Luft. Ich konnte nicht glauben, dass seine Nähe einen solchen Effekt auf mich ausübte. In den letzten zwei Jahren hatte mich jeglicher männlicher Charme ziemlich kaltgelassen. Ich hatte das nicht so geplant – aber seitdem ich Ryan verloren hatte, ging ich zu Männern auf Abstand.

»Du nimmst deine Recherchen wirklich ernst.«

»Ich komme nicht oft raus. Und wenn ich es dann doch mal tue, will ich das wirklich ausnutzen.«

»Ich bin beinahe in Versuchung, dich über New York auszufragen. Ich wette, du weißt mehr als ich, obwohl ich seit zwanzig Jahren dort lebe.«

»Eigentlich nicht. Meine Arbeitszeiten in New York sind vollkommen geisteskrank. In meiner Freizeit schlafe ich fast nur, also habe ich noch nicht viel von der Stadt gesehen.«

Vor dem Umzug hatte ich ein paar Stadtführer gelesen, aber ehrlich, ich war nach New York umgezogen, weil ich einen Tapetenwechsel gebraucht hatte – und neu anfangen wollte.

»Ich weiß, dass wir schon zu Abend gegessen haben, aber ich hätte durchaus noch Platz für ein Porchetta-Sandwich.« Allein bei dem Gedanken lief mir das Wasser im Mund zusammen, und ich schaute immer wieder zu dem Sandwichladen. Er hatte natürlich geöffnet, weil das Leben in Rom bis weit nach Mitternacht tobte.

Coles Mundwinkel zuckten. »Gut. Warum nicht?«

»Du nimmst mich nicht ernst.«

Er schüttelte den Kopf, doch das neckische Glitzern verriet ihn.

»Vorsichtig, Mr Winchester. Ich sammele immer noch Informationen, um mir einen ersten Eindruck von Ihnen zu machen.«

»Ms Smith, Sie sind wirklich schwer zu überzeugen.« Er sah mir tief in die Augen, sodass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. »Komm, dann lass uns in den Laden gehen.«

Cole ließ mich nicht allein essen, sondern bestellte auch was. Offensichtlich übte ich einen schlechten Einfluss auf ihn aus. Sein Sandwich war mit Mortadella belegt. Es gab keine Tische, also lehnten wir uns zum Essen einfach draußen gegen ein Geländer. Auch auf diesem Platz verkauften Straßenhändler überall diese leuchtenden Spielzeuge an Touristen.

»Mmmh, das schmeckt ja köstlich!«, rief Cole.

»Du klingst überrascht. Schon wieder. Dachtest du wirklich, ich würde dir schlechtes Essen empfehlen?«

»Natürlich nicht, Doc.«

Ich lachte. »Doc? Ernsthaft?«

»Diesen Spitznamen muss ich mir schon den ganzen Abend verkneifen, und jetzt ist er mir doch entwischt. Trotz meiner besten Absichten, einen tollen ersten Eindruck zu hinterlassen.«

»Bisher läuft es ganz okay für dich«, versicherte ich ihm.

»Okay? Mit okay gebe ich mich niemals zufrieden, Laney.«

Mein Herz schlug schneller. Eilig wandte ich den Blick ab und sah Cole nicht noch mal an, bis ich mein Sandwich aufgegessen hatte.

»Wo wollen wir als Nächstes hin?«, fragte er.

»Zum Trevi-Brunnen. Und das wird auch unser letzter Halt.«

»Gibst du mir denn nicht noch ein paar weitere Gelegenheiten, um mich von meiner besten Seite zu zeigen?«

Ich grinste. »Das ist es nicht. Ich muss morgen früh aufstehen.«

»Musst du arbeiten?«

»Nein. Aber ich nehme an einer Führung durchs Kolosseum teil.«

»Ich dachte, du hättest dir die gesamte Stadt bereits angeschaut?«

»Das Beste habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben. Ich bin schon total aufgeregt. Und ich will mich noch in die historischen Fakten einlesen, bevor ich losziehe. Natürlich bekomme ich vom Guide auch alle Infos, aber wenn ich mir alles kurz davor noch mal durchlese, kann ich es mir besser merken.«

»Verdammt, du bist bezaubernd. Total aufgeregt wegen einer Führung.«

»Aha. Isabelle hatte recht. Du bist durch und durch ein Charmeur.«

»Bei dir klingt es, als wäre das etwas Schlechtes.«

Ich tippte mir an die Schläfe. »Ich habe es einfach nur hier abgespeichert. Als Vorabinfo.«

Seine Augen blitzten auf.

Ich wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, dann deutete ich nach rechts. »Zum Brunnen geht es dort entlang.«

Diese Gasse war sogar noch schmaler als die, durch die wir gekommen waren. Wir gingen nebeneinander. Glücklicherweise war hier nicht allzu viel los, doch ich wusste, dass sich das ändern würde, je näher wir dem Brunnen kamen.

»Das weißt du, ohne auf eine Karte zu schauen?«

»Ich habe einen guten Orientierungssinn.«

»Du beeindruckst mich mit jeder Sekunde mehr, Doc.«

»Gut zu wissen.«

»Jetzt verstehe ich, warum meine Schwestern Rom so lieben«, murmelte er.

»Wann waren sie hier?«

»Ist schon Jahre her. Sie waren völlig aufgedreht, als ich ihnen gesagt habe, dass ich herkomme. Inzwischen frage ich mich allerdings echt, ob ich die richtigen Mitbringsel für sie ausgesucht habe.«

Wer war dieser Kerl? Cole sah aus wie jemand, der sich und seine Handlungen niemals hinterfragte. Allein von seiner Körpersprache her könnte man denken, er wäre sehr selbstbewusst und wüsste genau, welche Wirkung er auf Frauen hatte.

»Es gibt unzählige Kioske mit Souvenirs, und überall laufen Straßenverkäufer herum. Wenn du wirklich noch etwas anderes besorgen willst, dürfte das kein Problem sein.«

In Coles Gegenwart war ich ganz kribbelig, und ich wusste einfach nicht, wie ich mich entspannen sollte. Als mein Absatz an einem Pflasterstein hängen blieb und Cole mich mit einer Hand am Oberarm stützte, sammelte sich sofort Hitze in meinem Bauch, nur um sich gleich in den Rest meines Körpers auszubreiten.

Zehn Minuten später erreichten wir die Fontana di Trevi. Und der Platz davor war noch voller, als ich erwartet hatte. Hunderte Leute drängten sich um das Becken, schossen mit Selfie-Sticks Fotos und warfen Münzen ins Wasser. Direkt gegenüber dem Brunnen gab es eine tolle Gelateria, in einem Gebäude, das in einem coolen Terrakotta-Ton gestrichen war. Aber ich war fest entschlossen, den Blick nie länger in diese Richtung schweifen zu lassen.

Ich stöhnte, als wir uns durch die Menge unseren Weg zum Brunnen bahnten. »Am besten kommst du morgen ganz früh noch mal wieder, um ihn dir anzusehen. Um sieben Uhr ist hier so gut wie nichts los.«

Cole sah mich mit großen Augen an. »Auf keinen Fall stehe ich so früh auf. Ich denke, das wird mein einziger Besuch bleiben. Aber der Brunnen ist fantastisch.«

»Nicht wahr?«

»Welcher Gott sitzt da in dem Streitwagen?« Er deutete auf die Statue ganz oben auf dem Brunnen.

»Neptun. Der Gott der Meere. Sieh dir mal die Pferde mit den Flügeln an, die seinen Wagen ziehen. Eines ist wütend, das andere ganz ruhig.«

»Weißt du, warum?«

»Na ja, die See ist launisch, und ich glaube, die Pferde sollen das widerspiegeln. Oh, und das drunter sind Tritonen, also Meeresgötter. Das Gebäude dahinter ist der Palazzo Poli.«

»Im barocken Stil«, sagte er.

»Oh, du hast dich bereits informiert?«

»Nein, aber da ich im Baugewerbe arbeite, fallen mir architektonische Stile auf. Und Werkstoffe … wie den Travertin, der für den Brunnen verwendet wurde. Übrigens, da hinten gibt es einen Eisladen. Willst du eines?«

Mir fiel die Kinnlade nach unten. »Wieso fragst du das?«

»Ich habe gesehen, wie du aus dem Augenwinkel hingestarrt hast. Als würdest du versuchen, dich ja nicht dazu verleiten zu lassen, dir eins zu kaufen.«

»Und da dachtest du, du bringst mich jetzt in Versuchung?«

Er senkte den Blick auf meinen Mund, bevor er über meine Schulter sah … leise lächelnd, als wäre ihm gerade ein Witz eingefallen. Wieso war er bereit, mir jeden Wunsch zu erfüllen?

»Wenn du es so ausdrücken willst, bitte. Dann könnten wir uns dort hinsetzen und uns in Ruhe den Brunnen ansehen.«

Fünf Minuten später aß ich mit einem winzigen Löffel zufrieden mein Pistazieneis. Wir hatten unglaublich Glück gehabt, diese Plätze zu ergattern. Wegen der Menschenmenge konnte man den Brunnen kaum sehen, doch es reichte. Der Duft von Zucker hing in der Luft.

»Der heutige Abend war ein echtes Gelage«, murmelte ich. Ich war ziemlich voll, gleichzeitig aber sehr beschwingt. »Es ist schon spät. Ich sollte nach Hause gehen … oder vielmehr rollen. Kennst du den Weg zu deinem Hotel?«

Als Cole nicht antwortete, drehte ich mich zu ihm um. Die Intensität seines Blickes überraschte mich.

»Laney, halte mich nicht für unverschämt, aber ich würde dich gern begleiten, wenn du morgen zu der Führung gehst.«

»Warum?«

»Hast du nicht vorhin gesagt, dass du dir das Beste bis zum Schluss aufgehoben hast? Was wäre die Sehenswürdigkeit, die ich mir deines Erachtens auf jeden Fall ansehen sollte?«

»Das Kolosseum«, gab ich zu.

»Siehst du?«

Sein Blick wurde immer intensiver. Er lehnte sich über den Tisch, den Unterarm auf dem Tisch, und sah mir tief in die Augen. Mein Herz schlug wie wild … einfach nur, weil er mich ansah. Wie sollte ich es durchstehen, morgen bei der Führung quasi den ganzen Tag mit ihm zu verbringen?

»Okay«, sagte ich. »Das Wichtigste zuerst. Wir müssen dir einen Platz reservieren.«

»Wie lange dauert die Führung denn?«

»Vier Stunden.«

Er riss die Augen auf. »Du machst wirklich keine halben Sachen, oder?«

»Nie. Lass mich schauen, ob es überhaupt noch Tickets gibt.« Ich zog mein Handy heraus und klickte auf den Link für diese spezielle Führung.

»Du hast Glück. Ein Ticket gibt es noch.«

Ich kaufte die Karte sofort, weil mir bei dem Gedanken, dass jemand anders den Platz reservieren könnte, fast der Atem stockte. Hm … offensichtlich freute ich mich mehr auf unseren gemeinsamen Tag, als ich sollte.

»Erledigt. Du kannst morgen direkt beim Tourführer zahlen«, verkündete ich, bevor ich aufsah. Ich erkannte ein ausgelassenes Glitzern in Coles Augen, doch darunter brannte immer noch diese unglaubliche Intensität.

»Gut. Dann kann ich mich ja noch mal richtig ins Zeug legen, damit du einen guten ersten Eindruck von mir bekommst«, sagte er.

»Nö, tut mir leid. Dieser Prozess ist abgeschlossen.«

»Und, wie lautet das Urteil?«

»Das werde ich dir morgen verraten«, zog ich ihn auf. »Um wirklich objektiv zu sein, sollte ich erst mal eine Nacht drüber schlafen. Ich will ja nichts überstürzen.«

»Natürlich nicht.«

»Also, ich breche dann mal auf.«

»Ich werde noch ein wenig bleiben. Ist schön hier.«

»Nicht wahr? Gute Nacht«, sagte ich und stand von meinem Stuhl auf. »Ach ja: Die Führung fängt um elf Uhr an. Wie wäre es, wenn wir uns zehn Minuten vorher vor dem Kolosseum treffen? Komm nicht zu spät.«

»Auf keinen Fall. Gute Nacht, Laney.« Wieder sah er mich direkt an, einen Mundwinkel zu einem halben Lächeln verzogen.

Als ich mir meinen Weg durch die Menge bahnte, spürte ich Coles Blick auf mir. Um mich zu vergewissern, ob ich recht hatte, sah ich kurz über die Schulter zurück, bevor die Gelateria aus meinem Blickfeld geriet … und tatsächlich, er schaute mich immer noch an. Dann trat ich um die Ecke und fächelte mir mit der Hand Luft zu.

Ich navigierte durch ein Labyrinth aus Seitengassen, bis ich die Via Roma erreichte, eine der Hauptstraßen der Stadt. Natürlich hätte ich ein Uber zu meinem Apartment, das in der Nähe des Kolosseums lag, nehmen können – aber wieso sollte ich diesen fantastischen Abend nicht ausnutzen? Ich hatte einen Spaziergang von einer halben Stunde vor mir, andererseits konnte ich dabei gleich ein paar Kalorien verbrennen. Außerdem liebte ich es, durch die Stadt zu schlendern. Rom war wie ein riesiges Freiluftmuseum.

Selbst meine Wohnung strahlte mit den hohen Decken, den riesigen Fenstern und dem Fliesenboden europäischen Charme aus. Meine Vermieterin war eine wunderbare ältere Dame, die mir Kaffee brachte, wann immer ich zu Hause war. Sie lebte ein Stockwerk über mir.

Auf meinem Spaziergang rief ich Isabelle an, weil es in New York noch Tag war – die Zeitverschiebung betrug sechs Stunden.

»Hey, du«, begrüßte sie mich. »Was treibst du gerade?«

»Ich bin auf dem Weg zurück in meine Wohnung, nachdem ich den ganzen Abend mit Cole unterwegs war.«

»Wie war’s?«

»Ich hatte viel Spaß. Und du hattest recht. Er ist definitiv ein Charmeur. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er mit mir geflirtet hat oder nicht.«

»Wenn du dir diese Frage stellst, lautet die Antwort Ja. Ja, er hat mit dir geflirtet.«

»Danke für die Klarstellung. Wie geht es dir mit dem Umzug?«

»Prima. Alle Winchesters – Cole ausgenommen – helfen mir ja. Aber wechsele nicht das Thema.«

»Habe ich gar nicht.« Na ja, irgendwie schon.

»Weißt du … ich wette, Cole hätte nichts gegen eine lockere Affäre einzuwenden, wenn du Interesse hast.«

Ich lachte, dann sah ich mich instinktiv um, auch wenn niemand mein Telefonat belauschen konnte. Typisch Isabelle, so was völlig unbekümmert anzusprechen.

»Isabelle …«, murmelte ich.

»Okay, schön. Das wäre vielleicht ein bisschen viel für dich. Ich will doch nur, dass du glücklich bist. Wie wäre es mit einem Kuss?«

»Ich habe ihn doch gerade erst kennengelernt.«

»Nun, ich kenne ihn gut. Und ich versichere dir, dass er kein Serienkiller ist. Außerdem dürfte er ziemlich toll küssen. Hat schließlich jede Menge Erfahrung. Was wäre das Schlimmste, was passieren kann? Dass es peinlich wird? Er fliegt morgen Abend wieder nach Hause. Und New York ist groß genug, dass du ihn nie wiedersehen musst … außer, du willst das.«

»Hast du dir vorgenommen, mir das zu sagen?«

»Nö, ist mir spontan eingefallen. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Sinn ergibt es. Es wird Zeit für dich, wieder zu leben, Süße. Wieder glücklich zu sein. Du hast es verdient.«

»Du wirst keine Ruhe geben, oder?«

»Dafür hat man schließlich Freunde. Geh es doch ganz langsam an … mit einem Kuss.«

»Also, ich lege jetzt auf, bevor du auf noch mehr dumme Gedanken kommst.«

Was übersetzt hieß: Bevor ich ihr erzählte, dass ich Cole bereits morgen wiedersehen würde. Ich wusste genau, dass Isabelle mir dann ein Ohr abkauen würde, auch wenn mir klar war, dass sie nur mein Bestes wollte. Allerdings war ich seit zwei Jahren nicht mit einem Mann intim gewesen – und ich war mir nicht sicher, ob sich daran in nächster Zeit etwas ändern würde. Früher hatte ich auch ein erfülltes Liebesleben gehabt, doch das war lange her.

Aber ein Kuss? Ich grinste, und plötzlich waren meine Schritte viel beschwingter als bisher.

O ja. Darüber musste ich definitiv mal genauer nachdenken.

~

Am nächsten Morgen wachte ich schon voller Tatendrang auf – vibrierte bereits vor freudiger Erwartung, ehe mir meine Vermieterin, Giovanna, meinen morgendlichen Espresso und mein Frühstückssandwich mit Mozzarella und Tomaten brachte. Ich aß an dem kleinen, runden Tisch in meinem Wohnzimmer, den Blick aus dem Fenster gerichtet. Die Bougainvillea, die an einer Seite der Fassade nach oben wuchs, trieb die ersten Blüten aus. Eine dieser atemberaubend schönen pinkfarbenen Blüten konnte ich sogar sehen. Mit Mühe riss ich den Blick von der Pflanze los und konzentrierte mich stattdessen auf den dicken Lonely Planet-Führer auf meinem Schoß. Mir blieben noch zwei Stunden, um mich einzulesen, bevor die Führung startete.

Mein Leben in New York unterschied sich vollkommen von dem, das ich hier in Rom führte. In New York verließ ich meine Wohnung um halb sechs morgens – und wenn ich endlich wieder heimkam, war ich so müde, dass ich nichts anderes mehr tun konnte als schlafen. Ich war dankbar, dass das Krankenhaus in Rom seine ausländischen Assistenzärzte auch mal eine Verschnaufpause einlegen ließ, und nutzte meine Freizeit so gut wie möglich. Samstag war mein Lieblingstag in der Woche, und heute war ich sogar noch aufgeregter als sonst.

Ehe ich aufbrach, musterte ich mich noch mal im Spiegel. Ich hatte mein Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, und mein Outfit aus Jeans, einfachem weißem Pulli und Turnschuhen war perfekt für eine Erkundungstag geeignet.

Dann warf ich mir meinen schwarzen Lederrucksack über die Schulter und hielt auf dem Weg noch an einem kleinen Supermarkt an, der mit Mozzarella belegte Focaccia verkaufte. Da die Führung vier Stunden dauern sollte, würden wir zwischendrin eine Stärkung brauchen. Außerdem kaufte ich zwei Flaschen Wasser.

Als ich beim Kolosseum ankam, war Cole noch nirgendwo zu entdecken. Stattdessen fiel mein Blick auf eine Braut. Der Bräutigam stand direkt neben ihr, und das Paar ließ sich gerade fotografieren. Oh, die beiden gaben ein so schönes Bild ab. An ihrem Hochzeitstag trug sie ein fließendes Kleid mit Meerjungfrauensaum, und ihr Haar war seitlich zu einem Zopf geflochten. Sie strahlte ihren Ehemann an, und sein Blick war voller Anbetung. Gerührt presste ich mir eine Hand an die Brust und seufzte. Ryan, mein verstorbener Ehemann, fehlte mir wahnsinnig. Inzwischen waren zwei Jahre vergangen, seitdem ich ihn verloren hatte, doch ich trauerte nach wie vor sehr um ihn. Als meine Freundin – und als hervorragende Therapeutin – erinnerte mich Isabelle immer wieder daran, dass ich weiterleben musste. Natürlich wusste ich, dass sie recht hatte, und wollte es ja auch wirklich … aber das war einfacher gesagt als getan.

Ich hatte Ryan kennengelernt, als ich in Philadelphia aufs College ging. Er war ziemlich schüchtern und hatte lange nicht den Mut aufgebracht, mich um ein Date zu bitten. Als er sich schließlich doch ein Herz gefasst hatte, lud er mich ins Kino ein, und wir sahen uns Star Wars: Episode III an. Ich hatte mich fast zu Tode gelangweilt, doch gleichzeitig hatte ich festgestellt, dass ich Ryan sehr mochte. Er hatte mich zum Lachen gebracht. Nach der Vorstellung hatten wir uns bis zum Morgengrauen unterhalten, während wir eng nebeneinander auf seinem Einzelbett im Wohnheim gesessen hatten.

In meinem letzten Jahr an der Medical School hatten wir geheiratet und in einer Wohnung auf dem Campus gewohnt, aber bereits angefangen, uns nach einem Haus umzusehen. Ryan studierte Biochemie und wollte seinen Doktor machen, und gemeinsam hatten wir beschlossen, in Philadelphia zu bleiben. Wir hatten so viele Träume gehabt, wollten eine Familie gründen und möglichst viele Kinder bekommen.

Wir waren erst sechs Monate verheiratet gewesen, als Ryan an einem Herzinfarkt gestorben war. Er hatte an einer seltenen, vorher nicht diagnostizierten Herzerkrankung gelitten. Der Schock hatte mich vollkommen betäubt. An diese letzten Monate in Philadelphia vermochte ich mich kaum zu erinnern. Als sich die Chance ergeben hatte, nach New York zu ziehen, hatte ich sie sofort ergriffen. Ich konnte nicht mehr in Philadelphia bleiben oder dort ein Haus kaufen. Ich wollte nicht an unser gemeinsames Leben erinnert werden … oder an unsere gemeinsamen Träume.

Mit einem Seufzen riss ich den Blick von dem Brautpaar los und richtete ihn stattdessen in Richtung Eingang, auf der Suche nach Cole. Danach zog ich mein Handy heraus, um zu schauen, ob er mir eine Nachricht geschrieben hatte, und stellte fest, dass Isabelle mir gestern Nacht noch Bilder von ihrer neuen Wohnung geschickt hatte. Oh, wie sehr ich bedauerte, dass ich nicht dabei gewesen war, um diesen großen Moment in ihrem Leben mit ihr zu feiern.

»Guten Morgen, Doc.«

Ich erschrak, dann sah ich auf. Cole stand vor mir. Im Tageslicht sah er sogar noch atemberaubender aus – sehr männlich und … charmant. Er lächelte mich breit an … und plötzlich spürte ich, wie meine Mundwinkel sich hoben, obwohl ich vor ein paar Minuten noch in Melancholie versunken war. Wie konnte er eine solche Wirkung auf mich haben?

»Hey! Ich habe mir gerade die Fotos angesehen, die Isabelle mir von ihrer neuen Wohnung geschickt hat.«

»Stimmt. Meine Geschwister haben ihr gestern beim Umzug geholfen. Hast du schon mit ihr gesprochen?«

»Ja, gestern auf dem Heimweg. Ich kann es kaum erwarten, wieder in New York zu sein und ihr zu helfen. Es ist beängstigend, in eine neue Stadt zu ziehen.«

»Aber sie hat doch meine Familie. Und dich. Also … hast du sie auf den neuesten Stand gebracht?« Er wackelte mit den Augenbrauen. Dieser Mann!

»Ja. Ich habe ihr von diesem Kerl erzählt, den ich gestern kennengelernt habe. Er ist sehr unterhaltsam und immer bereit, meine kulinarischen Wünsche zu erfüllen.«

»Klingt, als würdest du ihn mögen.«

Ich lachte, dann legte ich den Kopf schief. »Nur ein ganz kleines bisschen.«

»Armer Trottel. Er muss sich wirklich mehr anstrengen, oder?«

Hmmm … das war nicht die Antwort, die ich erwartet hatte, doch jetzt wollte ich wissen, wie seine Anstrengungen aussehen würden.

»Was hat es mit diesem Lächeln auf sich?«, fragte Cole, ohne den Blick von mir abzuwenden.

»Nichts, was dich etwas anginge.«

Er trat einen Schritt näher an mich heran. »Sag. Es. Mir.«

Großer Gott, glaubte er, sein Ton wäre scherzhaft? Denn eigentlich hatte er sich einfach nur herrisch angehört. Cole war es offensichtlich gewöhnt, Befehle zu geben und alle nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.

»Nun, sie hat mir von deinem Spitznamen erzählt und wollte wissen, ob du ihm Ehre gemacht hast.«

»Und wie lautete das Urteil?«

Ich zwinkerte ihm zu, weil ich mich plötzlich frech fühlte. »Das hebe ich mir bis nach der Tour auf.«

»Lasset die Spiele beginnen, Ms Smith.«

»Nein, nein. Die Führung fängt an. Jetzt haben wir keine Zeit für Spielchen.«

»Das werden wir ja noch sehen.«

Seine Augen brannten förmlich. Du lieber Himmel, wenn er den Einsatz schon so erhöhte, bevor die Tour überhaupt angefangen hatte, dürfte der Tag ziemlich interessant werden.

Ich zeigte warnend mit dem Zeigefinger auf ihn. »Cole, ich will mich konzentrieren, also halt deinen Charme im Zaum.«

»Oh, ich lenke dich ab? Gut zu wissen.«

Ich wedelte wieder mit dem Finger vor ihm herum. »Wir machen jetzt eine Führung durchs Kolosseum, und du wirst mich nicht ablenken. Danach können wir verhandeln.«

Er lächelte triumphierend. »Du hast vier Stunden. Danach bestimme ich die Regeln.«

Schmunzelnd atmete ich tief durch. »Wir sollten unseren Tourguide finden. Ach, hast du eigentlich dein Gepäck gleich dabei?«

»Ich habe es mit einem Gepäckservice schon zum Flughafen bringen lassen.«

»Wann musst du dort sein?«

»Um halb sieben.«

»Okay.«

Überall vor dem Kolosseum wanderten Touristen und Straßenverkäufer herum. Wir waren umgeben von Gesprächsfetzen in den verschiedensten Sprachen. Es war kein Problem, unsere Gruppe zu finden, die direkt neben dem Eingang im Schatten stand. Wir waren nicht viele, insgesamt nur zehn Teilnehmer.

»Ich werde nicht die ganze Zeit über reden«, erklärte die Führerin. »Wann immer wir eine neue Ebene betreten, sage ich Ihnen in groben Zügen etwas dazu. Danach können Sie sich in Ruhe umsehen und alles in sich aufnehmen. Eine Warnung: Wenn Sie nicht gut in Form sind, dürfte es ziemlich anstrengend werden, die oberste Ebene zu erreichen. Die Stufen sind alt und sehr steil.«

Ich verzog leicht das Gesicht. Die Arbeit im Krankenhaus hielt mich zwar immer auf Trab, aber Steigungen waren nicht wirklich mein Ding.

»Wenn du willst, kann ich dich tragen«, flüsterte Cole mir ins Ohr. Ich schubste ihn spielerisch.

»Wir sähen lächerlich aus«, flüsterte ich, auch wenn die Idee gar nicht so schlecht klang.

»Das ist mir vollkommen egal.«

»Ich könnte dir den Rücken brechen, Mister.«

»Zum Glück bin ich in Begleitung dieser sexy Ärztin unterwegs. Sie kann sich dann um mich kümmern.«

»Ich bin gerade nicht dafür ausgerüstet, einen gebrochenen Rücken zu heilen.«

»Da finden wir sicher eine Lösung«, meinte Cole mit funkelnden Augen.

Hitze stieg in meine Wangen, doch gleichzeitig musste ich einfach lachen. Ich hatte keine Ahnung, wie er mich gleichzeitig erheitern und zum Erröten bringen konnte. Und ich konnte es kaum erwarten, herauszufinden, wozu Cole noch fähig war. Mein Magen verkrampfte sich leicht, als mir klar wurde, dass Cole bereits in ein paar Stunden verschwinden würde. Als die Führerin uns bat, uns der Gruppe anzuschließen, hatte ich mein inneres Gleichgewicht noch nicht wiedergefunden.

Das Kolosseum war zweifellos das beeindruckendste Gebäude, das ich je gesehen hatte.

Es erschien mir surreal, dass etwas von dieser Größe zweitausend Jahre alt sein konnte. Die Führung startete in der Arena. Wir gingen über einen rekonstruierten Holzboden direkt in die Mitte der Arena, wo die Gladiatorenkämpfe stattgefunden hatten. Von diesen uralten Steinen mit ihrer blutigen, gewalttätigen Geschichte umgeben zu sein, verursachte mir eine Gänsehaut.

»Oh, bevor ich es vergesse. Ich muss meinen Eltern ein Selfie schicken.« Ich hob mein Handy, damit die Tribünen hinter mir ebenfalls ins Bild kamen, und lächelte breit.

»Das Internet funktioniert nicht; habe ich schon ausprobiert.«

»Ich habe eines von diesen tragbaren Modems in meinem Rucksack. Ich kann dir gern das Passwort geben«, bot ich ihm an.

»Danke, aber lieber nicht. Ich bleibe besser offline, sonst fange ich an, meine E-Mails zu checken. Und ich will mich einfach nur auf dich konzentrieren.«

»Du meinst auf die Führung.«

»Nein. Auf dich.« Dieser Mann! Ich konnte nicht glauben, wie schamlos er mit mir flirtete … und auch nicht, wie sehr es mir gefiel. Cole grinste, dann ließ er das Thema fallen, wahrscheinlich, weil er bemerkte, dass ich sprachlos war. »Wieso das tragbare Modem?«

Ende der Leseprobe