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Diese Weihnachten gibt es funkelnde Diamanten ... und die große Liebe!
Glitzernde Weihnachtskugeln, Lichterketten und kitschige Weihnachtssongs: Sienna liebt Weihnachten über alles. Ihr neuer Chef Winston scheint dafür hingegen gar nichts übrig zu haben. Für den 30-Jährigen geht es nur darum, das Geschäftsjahr gut abzuschließen. Doch Sienna, die singend und sexy tanzend die Büros schmückt, verdreht Winston schnell den Kopf. Schon bald hat er nur noch Augen für seine hübsche Mitarbeiterin, und es kommt zu einer ersten heißen Nacht. Sienna schwebt im siebten Himmel. Bis sie erfährt, dass nicht nur ihr Job, sondern auch ihr Liebesglück in Gefahr ist ...
Romantisch, sinnlich, festlich – das Weihnachts-Spin-Off der erfolgreichen »Diamonds for Love«-Reihe!
»Einmal angefangen, kann man Layla Hagens Bücher nicht mehr zur Seite legen.« Geneva Lee, Autorin der »Royals«-Serie
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Cover & Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Epilog
»Ich habe die Liste mit den Geschenken fertig«, sagte ich ins Telefon, den Blick auf mein Merkblatt mit dem Titel Weihnachtsgeschenke gerichtet.
»Wow. Dann bist du mir ein gutes Stück voraus. Ich arbeite noch daran«, antwortete Pippa. »Aber das heißt nicht, dass wir nicht schon mit dem Einkaufen anfangen können.«
»Stimmt.«
Geschenke kaufen war meine zweitliebste Beschäftigung während der Vorweihnachtszeit. Bloß Dekorationen aufhängen machte mir noch mehr Spaß. Mein Büro bewies das deutlich.
»Dann sehen wir uns um halb sieben?«
»Perfekt.«
Manche Leute hätten vielleicht erklärt, dass ich etwas zu früh damit anfing, Geschenke zu kaufen, aber der Bennett-Clan war groß, und es war eine Menge Zeit und Hingabe nötig, das perfekte Geschenk für jeden zu finden. Pippa Bennett-Callahan war meine Lieblingsverwandte und meine Komplizin bei allem, was mit Shopping zu tun hatte.
»Dein Chef kommt heute an?«, fragte sie.
»Ja.«
»Viel Glück.«
»Danke. Das kann ich brauchen.«
Seufzend legte ich auf. Mein Chef hatte seinen Dienstort in unserer Filiale in Seattle gehabt, doch heute zog er offiziell nach San Francisco um. Bisher hatten wir nur über Telefon und E-Mail kommuniziert.
Alle meine Kollegen waren an diesem Morgen nervös, während sie auf seine Ankunft warteten.
»Glaubst du, der Chef aus der Hölle wird zu spät kommen?«, fragte meine Kollegin Mara, als sie den Kopf durch meine Bürotür steckte.
»Nenn ihn nicht so«, antwortete ich lächelnd.
»Warum denn nicht? Alle anderen tun es doch auch.«
»Stimmt. Aber ich glaube nicht, dass er zu spät kommen wird. Das ist nicht sein Stil.«
Der Mann war zwar ungeduldig und fordernd, allerdings auch wahnsinnig intelligent. Winston Statham war ein Genie. Mit gerade mal dreißig hatte er die Leitung der Kaufhauskette von seinen Eltern übernommen. Er war nur fünf Jahre älter als ich. Seit ich mit ihm zusammenarbeitete, hatte ich mehr über das Business gelernt als in meinem vorherigen Job.
Vor einem Jahr hatte ich als Junior Brand Manager bei den Statham Stores angefangen. Dann hatte sich meine Vorgesetzte unerwartet früh in den Mutterschaftsurlaub verabschieden müssen … und Winston hatte entschieden, dass ich über alle nötigen Qualifikationen verfügte, bis zu ihrer Rückkehr ihre Aufgaben zu übernehmen.
Seitdem hatte ich mit ihm daran gearbeitet, unseren Online-Store zu modernisieren.
Mein Arbeitsverhältnis mit Winston war … interessant, um es vorsichtig auszudrücken. Wenn wir uns nicht gerade über Details stritten, waren wir sehr produktiv und bauten die Ideen des anderen jeweils weiter aus. Würde die direkte Zusammenarbeit etwas an dieser Dynamik verändern?
Nun, das würde ich wohl eher früher als später herausfinden.
Lächelnd sah ich mich in meinem Büro um. Ich hatte bereits den gesamten Raum mit Weihnachtsschmuck dekoriert. Sicher, es war erst Anfang November, doch ich hatte mich sehr beherrschen müssen, bis nach Halloween zu warten. Sobald dieser Feiertag vorbei war, hatte ich jegliche Zurückhaltung fahren lassen.
Als ich eine vertraute Stimme aus Richtung der Aufzüge hörte, sprang ich auf und eilte in den Flur. Meine Handflächen waren feucht, mein Mund trocken. Ich war entschlossen, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Ich entdeckte Winston sofort, weil alle sich um ihn drängten.
Im Moment starrte ich auf seinen Rücken: hochgewachsen, athletisch, tiefschwarzes Haar. Als er sich umdrehte, stockte mir der Atem. Ich hatte bisher nicht mal ein Bild von ihm gesehen.
Gott sei Dank hatte er nie auf Videokonferenzen bestanden, weil ich mich beim Anblick dieser faszinierenden grünen Augen überhaupt nicht mehr hätte konzentrieren können. Alles an ihm wirkte männlich sexy. Winston Statham stach aus der Menge hervor – und das nicht nur, weil er einen maßgeschneiderten Anzug trug, der seinen durchtrainierten Körper perfekt umschmeichelte.
Alle stellten sich vor. Ich wartete, bis Winston vor mir stand, dann sagte ich: »Sienna Hensley.«
»Schön, Sie endlich persönlich kennenzulernen.« Seine Augen wurden vor Überraschung groß, und mein Magen machte einen Sprung, während wir kurz Blickkontakt hatten.
Nachdem er alle in der Lobby begrüßt hatte, gingen wir ins Konferenzzimmer. Winston hatte mich gebeten, den Raum vorzubereiten, damit er sich direkt nach seiner Ankunft ans gesamte Team wenden konnte.
Es gab nicht genügend Sitzplätze für alle, also blieb ich neben der Tür stehen. Ich kam einfach nicht darüber hinweg, wie verdammt attraktiv dieser Mann war. Diese Augen, wie er sich bewegte … selbst die Art, wie er sich mit den Fingern durch das schwarze Haar fuhr, war sexy.
»Guten Morgen, alle miteinander. Vielen Dank, dass Sie sich hier versammelt haben. Wie Sie wissen, habe ich bisher aus dem Büro in Seattle gearbeitet, doch San Francisco ist mein Zuhause. Noch dazu ist das hier unser Flagship-Store. Der Ort, an dem man sein muss. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass diese Weihnachtssaison unsere beste Saison überhaupt wird. Ich bin mir sicher, dass wir am Black Friday – und generell in diesem Quartal – die bisherigen Verkaufsrekorde brechen können, wenn wir uns anstrengen.«
Er sah sich im Raum um, als rechne er damit, dass alle zustimmend nickten, doch die meisten schauten eher skeptisch drein.
Super Start, Winston.
Erst letzten Freitag hatte die Hälfte meiner Kollegen darauf gewettet, dass er diese Versammlung einberufen hatte, um das Team besser kennenzulernen; dass er persönlich gar nicht der Chef aus der Hölle war, als der er in seinen E-Mails rüberkam.
Winstons Eltern waren in den Ruhestand gegangen, bevor ich mich Statham Stores angeschlossen hatte, aber meine Kollegen hatten mir erzählt, dass die beiden immer herzlich und nett gewesen waren. Winston war offensichtlich Anhänger eines anderen Führungsstils, denn er begann sofort, über genaue Verkaufsziele und Strategien, wie man sie erreichen konnte, zu sprechen.
Nun, diese Rede sorgte jedenfalls nicht dafür, dass die Leute mit ihm warm wurden.
»Okay, alle miteinander. Wir sollten uns an die Arbeit machen«, beendete er seine Ansprache.
Alle rannten quasi aus dem Raum. Als ich mich ihnen anschließen wollte, ließ mich Winstons Stimme stoppen.
»Miss Hensley, lassen Sie uns in mein Büro gehen. Ich möchte allein mit Ihnen sprechen.«
Er richtete seinen Blick auf mich und musterte mich eingehend. Sofort wurde ich ein wenig kurzatmig.
»Natürlich.«
»Sind die Unterlagen für das Weihnachtsprogramm fertig?«
»Ja.«
»Gut. Bringen Sie sie mit. Ich möchte sie mit Ihnen gemeinsam durchgehen.«
»Können wir das in ungefähr einer Stunde machen? Das Verkaufsteam hat eine Überraschung für Sie vorbereitet. Sie warten unten im Laden auf Sie.«
Das Statham-Kaufhaus in San Francisco war so riesig, dass die Büros in den oberen Stockwerken untergebracht waren.
Er zog die Augenbrauen hoch. »Das steht nicht in meinem Terminkalender.«
»Na ja, nein. Es ist schließlich eine Überraschung.«
»Dafür habe ich gerade keine Zeit.«
»Ich werde meinen Kollegen Bescheid geben, dann bin ich gleich bei Ihnen.«
»Okay. Und nur fürs Protokoll: Erlauben Sie niemandem mehr, irgendwelche Überraschungen zu planen. Dafür fehlt uns die Zeit.«
Autsch. Alle hatten ungeduldig auf seine Ankunft gewartet. Es war quasi ein Firmenevent. Unzählige Angestellte waren auch deswegen jahrzehntelang bei Statham Stores geblieben, weil sie gegenüber der Familie loyal waren; weil sie seine Eltern geliebt und respektiert hatten … und daher auch ihn unterstützen wollten. Sie wollten Winston persönlich kennenlernen.
Wie konnte jemand so Gutaussehendes ein solcher Griesgram sein? Ich musste den Atem anhalten und mich wappnen, als Winston an mir vorbeiging. Verdammt, verdammt, verdammt. Je näher er mir kam, desto attraktiver wurde er, auch wenn seine Miene versteinert war. Wusste mein Chef überhaupt, wie man lächelte?
Ich erklärte es zu meiner Mission, genau das herauszufinden.
Sobald ich mein Büro betreten hatte, wurde mir klar, dass ich meine erste Ansprache an die Angestellten falsch geplant hatte. Ich hätte die Rede besser vorbereiten müssen … doch wenn es etwas gab, was mir momentan fehlte, dann war das Zeit. Noch nie hatte ich unter solchem Druck gestanden. Wenn die Zahlen nicht besser wurden, würde ich dieses Kaufhaus schließen müssen.
Allerdings weigerte ich mich, diese Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen. Ich würde diese Krise bewältigen – für meine Eltern, die mir vertrauten, aber auch für jeden einzelnen Angestellten in diesem Laden. Ihr Lebensunterhalt hing davon ab. Statham Stores gehörten zwölf Kaufhäuser in den gesamten Vereinigten Staaten und zwölf in Europa, doch ich weigerte mich, auch nur eines davon zu schließen – besonders dieses hier. Denn ich hatte so viele wunderbare Erinnerungen an diesen Ort.
Ich war quasi hier aufgewachsen, hatte Mom und Dad dabei beobachtet, wie sie den Laden schmissen. Sie hatten sich genau dieses Büro geteilt. Damals hatten zwei Schreibtische an gegenüberliegenden Wänden gestanden. Jetzt gab es bloß noch einen großen Schreibtisch für mich.
Jemand klopfte an die Tür.
»Ich bin’s, Sienna.«
»Kommen Sie rein.«
Ich atmete tief durch, doch das half auch nicht. Sienna war so schön, dass ich den Blick einfach nicht von ihr abwenden konnte. Ihr hellbraunes Haar fiel ihr bis auf die Mitte des Rückens, und ihre warmen braunen Augen harmonierten mit ihrem bronzefarbenen Teint.
»Ich habe das Weihnachtsprogramm dabei. Das Verkaufsteam möchte Sie nach wie vor treffen, wann immer es Ihnen reinpasst … und ich persönlich halte das für eine gute Idee.«
Mir fehlte die Zeit für Höflichkeiten, aber das hatte ich bereits klargestellt. Wenn Sienna auf dem Treffen bestand, hieß das, dass sie in diesem Punkt anderer Meinung war als ich. Ich hätte sie ja deswegen zur Rede gestellt … doch einer der Gründe, warum ich beschlossen hatte, sie zu befördern, statt jemand anderen für die Senior-Stelle einzustellen, lag darin, dass Sienna mir zu allem ihre Meinung sagte.
Sicher, das führte manchmal zu hitzigen Diskussionen, doch gleichzeitig waren dabei auch sehr kreative und produktive Lösungen für den Relaunch der Website entstanden. Statham Stores zu modernisieren, war keine einfache Aufgabe, aber Sienna hatte sich dieser Herausforderung gestellt.
Wir setzten uns nebeneinander an den langen Schreibtisch. Sie hatte eine ausgedruckte Version des Weihnachtsprogramms mitgebracht, das alles von der Preisgestaltung bis zu Weihnachtsveranstaltungen abdeckte. Inzwischen bekäme ich wirklich Probleme, sollte Sienna kündigen. Sie war für die Umsetzung meiner Pläne zur Rettung des Kaufhauses einfach unersetzlich.
Ich durfte mich auf keinen Fall von ihr angezogen fühlen. Und doch konnte ich mich fast nicht davon abhalten, näher an sie heranzurücken.
»Hat unsere übliche Band für den Weihnachtsabend zugesagt?«
»Ja, aber wir lassen auch noch Kandidaten für eine zweite Band vorspielen. Frisches Blut kann nie schaden.«
»Dem stimme ich zu.«
Ich fand es wunderbar, wie sie die Initiative ergriff. Verdammt, das half mir auch nicht dabei, die Anziehung zu zügeln. Ganz im Gegenteil.
»Ich habe die Seiten sieben und zwölf angemerkt. Ich denke, dort sollten wir ein paar Details ändern. Meiner Meinung nach sollten wir die Termine mit dem Weihnachtsmann von Sonntag auf Samstag verschieben. Die Eltern werden sonst nervös, wenn die Schlangen zu lang sind, weil sie am nächsten Tag wieder in die Arbeit müssen.«
»Das ist eine tolle Idee. Leiten Sie das in die Wege.«
»Perfekt.«
Die Frau war nicht nur klug, sondern besaß auch mehr Einfühlungsvermögen als jeder, mit dem ich bisher zusammengearbeitet hatte. Es gelang ihr mühelos, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Vielleicht waren ihre Vorschläge deswegen so gut, weil sie nicht ständig über Gewinnmaximierung nachdachte, sondern stattdessen über Kundenzufriedenheit.
»Miss Hensley, ich habe Sie auch hierhergerufen, weil ich ein neues Projekt plane.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Dieses Kaufhaus … es braucht eine Modernisierung. Schon viel zu lang funktioniert es auf genau dieselbe Weise. Es gibt eine feine Grenze zwischen Achtung vor der Geschichte des Hauses und dem Verlust von Einkünften. Die neuen Merchandising-Systeme, die wir in den anderen Häusern implementiert haben, sind produktiver. Doch angesichts der Tatsache, dass es sich hier um unseren Flagship-Store handelt, sollten wir in San Francisco anders an die Sache herangehen. Sollten tiefer gehen. Bis in die Bausubstanz.«
»Aha. Okay. Ich denke auch, dass es Möglichkeiten zur Verbesserung gibt, aber darauf können wir uns im neuen Jahr konzentrieren.«
»Ich möchte, dass wir in acht Wochen ein Konzept fertig haben.«
»In sieben Wochen ist Weihnachten.«
»Ich bin durchaus fähig zu zählen, Miss Hensley«, meinte ich trocken.
Ihre Augen begannen zu glühen. »Dann wissen Sie vielleicht auch, dass ich ab dem 21. Dezember einen zweiwöchigen Urlaub eingereicht habe.«
»Ich kann mich nicht erinnern, das genehmigt zu haben.«
»Ist noch in der Personalabteilung.« Plötzlich klang sie unsicher. »Ich habe meinem Bruder versprochen, ihn in London zu besuchen. Ich will ihn nicht enttäuschen.«
Das hatten wir gemeinsam. Ich enttäuschte auch nicht gern Leute, die mir am Herzen lagen.
»Das Konzept muss vor dem 31. Dezember fertig sein, Miss Hensley. Ich bin mir sicher, wir können uns einigen und das Projekt in unsere bestehende Arbeitszeit einbinden.«
Natürlich meinte ich eigentlich zusätzlich zur bestehenden Arbeitslast, und das wusste sie auch. Das Konzept fertigzustellen, würde lange Abende im Büro bedeuten, wahrscheinlich auch Wochenendarbeit … und das alles vor Weihnachten. Ich sah quasi, wie das Feuer in ihren Augen an Hitze gewann.
Sie öffnete den Mund, presste dann aber die Lippen zusammen, als hätte sie beschlossen, ihre Gedanken besser nicht in Worte zu fassen. Das war etwas Neues. Vielleicht hatte ich sie zu sehr unter Druck gesetzt.
»Ja, ich bin mir sicher, wir werden eine Lösung finden.« Ihr Tonfall war kälter als bisher. Angesichts meiner Reaktion auf sie war das vielleicht gar nicht so schlecht. Einer von uns musste einen kühlen Kopf bewahren. Und das wäre sicherlich nicht ich.
Um sechs Uhr verließ ich das Statham-Gebäude, um zu meinem Treffen mit Pippa zu eilen. Ich war gerade um die Ecke zum Parkplatz gebogen, als ein Kerl, von dem ich gehofft hatte, ich müsste ihn nie wiedersehen, sich von der Hauswand abstieß. Mein Ex, Trevor.
»Was tust du hier?«, fragte ich.
»Du hast meine Anrufe und Nachrichten ignoriert.«
»Und das hat dir nicht verdeutlicht, dass ich niemals wieder mit dir sprechen will?«
»Stell dich nicht so an«, sagte Trevor im selben Moment, in dem ich Winstons Stimme rechts von mir hörte.
»Ist alles in Ordnung?« Er hielt eine Tüte mit Take-away-Essen in der Hand und sah zwischen Trevor und mir hin und her.
Ich nickte und richtete mich zu meiner vollen Größe auf. Genau das hatte es noch gebraucht: eine Demütigung vor meinem Chef.
»Ich will allein mit dir sprechen«, sagte Trevor.
»Es gibt nichts zu besprechen.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Ich wünschte mir wirklich, Winston würde gehen, denn ich wollte nicht, dass er das hier mit ansehen musste.
»Das stimmt nicht.«
»Du wolltest Abstand, schon vergessen? Ich habe mich von dir getrennt. Ende der Geschichte. Es gibt nichts, worüber wir reden müssten. Ich will dich nicht wiedersehen.«
Die ganze Erfahrung hatte tiefe Spuren bei mir hinterlassen, doch ich wollte nicht, dass jemand davon erfuhr. Trevor hatte mich als fordernd bezeichnet und behauptet, ich würde zu sehr klammern.
»Ich dachte, du hättest meine Nachrichten vielleicht nicht gesehen.«
»Habe ich durchaus. Ich bin nicht interessiert.«
Was hatte er denn geglaubt? Dass ich für zwanglosen Sex zur Verfügung stünde?
»Sie haben Sienna gehört«, sagte Winston. Seine Stimme war ruhig … zu ruhig.
»Halten Sie sich da raus«, meinte Trevor.
»Wenn Sie hier noch einmal auftauchen, werde ich eine einstweilige Verfügung erwirken.«
Das erregte Trevors Aufmerksamkeit. Ich blinzelte nur. Hatte Winston das tatsächlich gesagt?
»Für wen halten Sie sich?«, blaffte Trevor.
»Für jemanden, der Männer wie Sie nicht ertragen kann.«
»Trevor, geh weg. Ruf mich nicht an, tauch nicht an meinem Arbeitsplatz auf.«
»Zwischen uns gibt es noch einiges zu klären.«
»Du wolltest Abstand. Für mich bedeutet Abstand eine Trennung. Wir haben überhaupt nichts mehr zu klären.«
Trevor trat einen Schritt vor. Ich wich nicht zurück, doch Winston bewegte sich. Er trat einen halben Schritt vor mich, um mich mit seinem breiten, starken Körper zu schützen.
»Verschwinden Sie!« Seine Stimme war immer noch unheimlich ruhig, doch an seiner Schläfe pulsierte eine Ader.
Trevor sah ein paar Sekunden zwischen uns hin und her, bevor er einen Schritt zurückwich und auf dem Absatz kehrtmachte.
»Ich werde Sie noch zu Ihrem Auto begleiten«, sagte Winston.
»Vielen Dank. Ich stehe nicht weit entfernt.«
Er ging hinter mir, und ich konnte seine Körperwärme bei jedem Schritt fühlen. Als ich den Wagen erreicht hatte, öffnete ich langsam die Tür, ehe ich mich zu ihm umdrehte. Verdammt. Ich hatte den Abstand zwischen uns falsch eingeschätzt. Winston stand mir so nahe, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Wange fühlen konnte.
»Ist er schon einmal hier aufgetaucht?«
»Nein.«
»Ich möchte, dass Sie es mir sagen, falls er das noch mal tut. Oder Sie irgendwie anderweitig belästigt.«
»Warum? Wollen Sie wirklich eine einstweilige Verfügung erwirken?«
»Das … oder ich trete ihm in den Hintern.«
Ich zog die Augenbrauen hoch. Irgendwie passte das nicht zu einem Mann mit so einem schicken Anzug.
»Sie bezweifeln, dass ich dazu fähig bin?«, fragte er herausfordernd.
»Ich kann mir nicht so recht vorstellen, wie Sie sich die Hände schmutzig machen, nein.« Und das war nur zur Hälfte ein Witz.
Aber als Winstons Mund sich zu einem verführerischen Lächeln verzog und er eine Hand auf das Dach meines Autos stemmte, direkt neben meinem Arm, wurde mir klar, dass ich ihn vollkommen falsch eingeschätzt hatte.
»Ich kann sehr schmutzig werden, wenn die Situation es erfordert.«
O ja, ich hatte ihn sehr, sehr falsch eingeschätzt, als ich ihn für kühl und distanziert gehalten hatte. Doch heute Abend hatte ich diese andere Seite an ihm entdeckt. Er war leidenschaftlich, vielleicht sogar ein wenig hitzköpfig, aber er zügelte diese Eigenschaften mit Selbstkontrolle. Im Moment konnte ich es allerdings unter der Oberfläche brodeln sehen. Herrje! Ich konnte sein Feuer deutlich sehen, in dem Glitzern seiner Augen und der unüberhörbaren Doppeldeutigkeit seiner Worte.
»Ich bezweifle, dass Trevor noch einmal auftauchen wird. Er ist es nicht gewöhnt, sich für irgendetwas anstrengen zu müssen, sondern mag … leichte Beute. Vermutlich ist er davon ausgegangen, dass ich mich ihm zu Füßen werfe. Vielen Dank für vorhin.«
»Kein Problem.«
»Sie gehen noch mal zurück ins Büro?«, fragte ich mit einer Geste auf seine Restauranttüte.
»Ja. Ich habe mir nur schnell einen Happen zu essen besorgt.«
»Sie machen am ersten Tag schon Überstunden, Chef?« Ich grinste breit, obwohl er die Augenbrauen hochzog.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich einen straffen Zeitplan habe.«
»Ja, natürlich. Dann lasse ich Sie mal in Ruhe.« Immer noch grinsend stieg ich in mein Auto. Könnte sein, dass ich eine kleine Schwäche für Winston und seine mürrische Art entwickelt hatte. Er hatte sich für mich eingesetzt. Der Mann würde ein gigantisches Weihnachtsgeschenk bekommen – ob er nun wollte oder nicht.
Verdammt. Ich wollte mich nicht von meinem Chef angezogen fühlen, egal, wie gut aussehend er auch sein mochte. Oder wie klug. Sein Gehirn faszinierte mich. Ja, das klang vielleicht seltsam, aber für mich war Intelligenz sexy. Ich mochte es, mit ihm zusammenzuarbeiten, wenn wir bis über beide Ohren in Präsentationen steckten und Brainstorming-Sessions abhielten.
Ich war von den Geschehnissen des heutigen Tages nach wie vor aus der Bahn geworfen, daher war ich wahnsinnig glücklich, mich mit Pippa zu treffen. Sie gehörte zu meinen absoluten Lieblingsmenschen. Meine Schwestern – Victoria und Chloe – hatten sich uns eigentlich auf unserem Shoppingtrip anschließen wollen, doch Chloes Schule hatte kurzfristig ein Eltern-Lehrer-Gespräch angesetzt, weswegen die beiden verhindert waren. Sie würden sich uns später anschließen, zum Abendessen.
Ich hatte eine große Familie. Victoria war zwölf Jahre älter als ich, Chloe dreizehn Jahre jünger. Außerdem hatten wir noch einen Bruder, Lucas. Er war siebzehn und verbrachte gerade ein Austauschjahr in London. Ich vermisste ihn wie verrückt.
Wir hatten unsere Eltern verloren, als ich siebzehn gewesen war. Victoria war zu unserem Vormund geworden. Der große Altersunterschied zwischen uns kam daher, dass ich ungeplant gewesen war und meine Eltern Lucas und Chloe adoptiert hatten. Nachdem Victoria Christopher Bennett geheiratet hatte, hatte der Begriff Großfamilie eine ganz neue Bedeutung bekommen.
Ich traf mich am Union Square mit Pippa – Christophers Schwester –, und dann wollten wir die Boutiquen der Umgebung abklappern. Auf dem Weg zum Treffpunkt sah ich noch einmal die Geschenkliste auf meinem Handy durch.
Es gab ein Dutzend Kinder, für die es Geschenke zu kaufen galt, und noch mehr Erwachsene. Insgesamt gab es neun Bennett-Geschwister, plus ihre Eltern, Richard und Jenna. Alle Geschwister waren verheiratet, und die meisten hatten Kinder bekommen. Und einige von Victorias Schwager und Schwägerinnen hatten auch noch größere Familien.
Weihnachtsgeschenke kaufen war daher im wahrsten Sinn des Wortes ein Großprojekt. Pippa stand an der Spitze der Bewegung. Wir hatten eine Tabelle mit Einkaufstagen erstellt, und sie hatte die Erwachsenen in sechs Teams aufgeteilt. Ich liebte es, Geschenke zu kaufen, besonders für die Kids. Das war eine Menge Arbeit, weil ich mit den neuesten Entertainment-Trends für Kinder zwischen drei und siebzehn Jahren Schritt halten musste. Letztes Jahr hatte ich den Fehler gemacht, DVDs eines Films zu kaufen, der mir als Kind gefallen hatte, und konnte mich noch viel zu genau an die Enttäuschung in ihren kleinen Gesichtern erinnern.
Daher war ich entschlossen, diesen Fehler nicht zu wiederholen.
Heute Abend hing ein leiser Nebel in der Luft. Kaum sichtbar, aber klamm genug, dass ich meine Jacke enger um mich zog. Ich liebte San Francisco, auch wenn es hier zu dieser Jahreszeit ein wenig kälter war als in anderen Teilen Kaliforniens. Doch hier zu leben, hatte definitive Vorteile. Manchmal besuchte ich die Touristenattraktionen, einfach, um die Energie der Stadt in mich aufzusaugen. Pier 39 gehörte zu meinen Lieblingsorten. Ich liebte es, an müßigen sonnigen Tagen die Seelöwen dort zu beobachten.
Als ich am Union Square ankam, war Pippa bereits da, einen Donut in der Hand. Sie hatte auch einen für mich dabei.
»Du kannst echt Gedanken lesen.«
»Kohlehydrate und Zucker. Das werden wir für unseren Shopping-Marathon brauchen.«
»Wie wahr, wie wahr«, murmelte ich mit vollem Mund.
Wir schwiegen, bis der letzte süße Bissen verschwunden war, den Blick auf die mit Lichtern verzierten Palmen auf dem Platz gerichtet.
Für gewöhnlich trug Pippa Stilettos und entweder ein Kleid oder einen Bleistiftrock mit Bluse. Heute allerdings hatte sie sich in Shopping-Klamotten geschmissen: Turnschuhe, Jeans und eine braune Jacke über einem weißen Pulli. Ihr blondes Haar war zu einem eleganten Pferdeschwanz gebunden.
Pippa war die modischste Person, die ich kannte, und mit ihrer femininen Art eine Seele von Mensch. Ich liebte sie einfach.
Außerdem war sie eine erfolgreiche Kupplerin. So erfolgreich, dass ich tatsächlich hoffte, Pippa würde ihre Aufmerksamkeit auf mich richten. Möglichst bald. Ich war zufrieden mit meinem Leben, doch ich hätte nichts dagegen gehabt, einen Mann zu finden, zu dem ich nach Hause kommen konnte. Jemanden, der mir die Füße massierte und mich fest umarmte. Jemanden, der mit einem einzigen Blick dafür sorgen konnte, dass mir innerlich ganz heiß wurde (Winston gelang das mühelos, doch diesen Gedanken verdrängte ich eilig wieder). Aber vor allem wollte ich jemanden, um den ich mich kümmern und den ich lieben konnte.
»Wie läuft es in der Arbeit?«, fragte Pippa, als wir zum ersten Laden auf unserer Liste liefen.
»Der Chef ist im persönlichen Kontakt sogar noch mürrischer.«
Ich behielt für mich, dass er mir auch seine ritterliche Seite gezeigt hatte, weil ich nicht wollte, dass jemand erfuhr, dass mein Ex-Freund an meinem Arbeitsplatz aufgetaucht war.
»Du weißt, dass du uns bei Bennett Enterprises jederzeit willkommen bist, oder? Wir fänden es wunderbar, wenn du für uns arbeitest. In welcher Abteilung du willst.«
Bennett Enterprises gehörte seit Langem zu den erfolgreichsten Schmuckfirmen Amerikas. Die ältesten Bennett-Geschwister hatten die Firma vor Jahren gegründet: Sebastian, Logan und Pippa – sie war die Chefdesignerin. Insgesamt arbeiteten fünf der Bennett-Geschwister für die Firma, auch Christopher, Victorias Ehemann. Es war ein Familienunternehmen, und ich konnte es kaum erwarten, Teil davon zu werden.
»Danke, Pippa. Ich verspreche dir, das Angebot eines Tages anzunehmen. Aber vorher möchte ich ein wenig Erfahrung sammeln, damit ich euch auch von Nutzen bin, wenn ich diesen Schritt endlich wage.«
»Du musst doch niemandem etwas beweisen.«
Doch, musste ich … mir selbst. Ich wollte wissen, dass ich mich auf mich selbst verlassen und auf eigenen Beinen stehen konnte. Im Teenager-Alter meine Eltern zu verlieren, hatte mich geprägt – ab diesem Moment war es vorbei mit der Sicherheit gewesen. Victoria hatte ihr Bestes gegeben, aber ich war alt genug gewesen, um unsere finanziellen Sorgen zu verstehen. Meine Karriere war mir sehr wichtig, denn meinen beruflichen Erfolg hatte ich mir verdient … und nicht geschenkt bekommen, weil meine Schwester in die Bennett-Familie eingeheiratet hatte.
Außerdem meinte ich ernst, was ich zu Pippa gesagt hatte – ich wollte mehr Erfahrung sammeln, bevor ich mich dem Familienunternehmen anschloss. Ava, Sebastians Ehefrau, leitete die Marketingabteilung und war echt ein Genie. Sie hatte ihre Laufbahn als Beraterin begonnen und über die Jahre mit verschiedensten Firmen zusammengearbeitet.
Ich hatte vor, ein echter Branding-Profi zu sein, wenn ich mich Bennett Enterprises letztendlich anschloss.
»Also, wie ist er so persönlich?«
»Mürrisch.«
»Das hast du bereits gesagt. Du musst mir schon etwas mehr über ihn verraten.«
Ich war mir nicht ganz sicher, was ich sagen sollte.
»Einen Moment.« Pippa stach mit dem Zeigefinger in meine Richtung, dann ließ sie ihn leicht kreisen. »Er ist heiß, habe ich recht?«
Und das, meine Damen und Herren, war die Superkraft von Pippa Bennett-Callahan. Sie konnte wirklich und wahrhaftig Gedanken lesen.
Genau zweimal hatte ich den Fehler begangen, nicht gleich alles zu gestehen, doch inzwischen wusste ich es besser. Weil das einfach nicht funktionierte.
»Ja. Ja, ist er.«
»Also, also. Und du stehst auf ihn.«
»Nein … ich will aber auf keinen Fall auf meinen mürrischen Chef stehen.« Ich schloss die Augen und seufzte. »Ich bin mit genügend Idioten ausgegangen, Pippa. Ich muss mein Beuteschema ändern.«
Allerdings war ich mir nach dem heutigen Abend nicht mehr sicher, ob Winston ein Idiot war. Sicher, er war mürrisch, doch ein Idiot hätte nicht getan, was er getan hatte. Aber eigentlich spielte das keine Rolle. Ich durfte diese Gedanken trotzdem nicht zulassen. Außerdem interessierte er sich ja auch nicht für mich.
»Wo wir gerade davon reden: Könntest du deine Kuppelfähigkeiten auf mich anwenden? Bitte?«
»Ich glaube, du bist die Erste, die mich von sich aus darum bittet.«
»Weil ich nicht zu stolz bin, zuzugeben, dass ich beim Dating Hilfe brauche.«
»Mal sehen, was ich tun kann.«
Ich schwenkte die Hüften und klatschte in die Hände. »Super. Bis Weihnachten habe ich einen Freund.«
Pippa sah mich mit großen Augen an. »Könnte sein, dass du ein wenig zu viel Vertrauen in mich setzt.«
»Nö. Ich habe genug Beweise für deine Erfolge gesehen. Und ich bin nicht wählerisch. Ich will einfach nur einen netten, witzigen Mann, der auch lachen kann.«
Pippa rieb sich grinsend die Hände, dann schenkte sie mir ihr typisches hinterhältiges Lächeln. Ich spürte förmlich, wie mein Glück sich wendete.
»Lass uns die Liste noch mal anschauen, bevor wir die Läden stürmen«, schlug ich vor.
»Gute Idee. Ich fühle bereits, wie die Energie des Zuckers mich erfüllt.«
Ich zwinkerte ihr zu. »Ich glaube, das ist einfach das Adrenalin.«
»Das auch.«
Wir steckten über meinem Handy die Köpfe zusammen. Wahrscheinlich wäre es effektiver gewesen, uns zu trennen, um die Liste abzuarbeiten, doch zusammen machte es einfach mehr Spaß. Wir diskutierten die Vor- und Nachteile jedes Geschenkes, als sprächen wir über die nächste Präsidentenwahl … und kauften letztendlich doppelt so viele Sachen wie geplant.
Danach trafen wir uns mit Victoria und Chloe bei unserem Lieblingsmexikaner, Eduardos Tacos. Das Restaurant lag nur einen Block vom Union Square entfernt.
Victoria stieß einen Pfiff aus, als sie unsere Hände betrachtete.
»Ich hatte damit gerechnet, dass ihr zweimal so viele Tüten mit euch herumschleppt.«
»Victoria!«, rief Pippa gespielt beleidigt. »Das war nur die zweite Runde. Wir haben schon einmal alles im Auto abgeladen.«
Victoria lachte und sagte kopfschüttelnd: »Mein Fehler. Man sollte euch beide wirklich nicht unbeaufsichtigt einkaufen gehen lassen.«
Pippa grinste. Ich bemühte mich, nicht allzu schuldbewusst dreinzublicken.
»Was hast du für mich gekauft?«, fragte Chloe und klimperte dabei mit den Wimpern.
»Das wirst du erst am Weihnachtsmorgen herausfinden«, warnte ich, obwohl ich genau wusste, dass es mir schon seit vier Jahren nicht mehr gelungen war, meine Schwester zu überraschen. Ich hatte wirklich keine Ahnung, wie sie es jedes Mal schaffte, mir auf die Schliche zu kommen. Ich bewachte meine Listen mit Argusaugen.
Chloe seufzte, hakte aber nicht nach – was nur meinen Verdacht bestärkte, dass sie vorhatte, es auf andere Weise herauszufinden.
»Ich hoffe sehr, du hast mir kein Kindergeschenk gekauft«, sagte sie.
»Du wirst schon sehen.« Sie war zwölf und hatte bereits verkündet, dass sie in die Teenager-Gruppe eingeordnet werden wollte.
»Auf welche Sorte Tacos habt ihr Lust?«, fragte Victoria.
»Wie wäre es, wenn wir von jeder Sorte einen bestellen?«, fragte ich. Der köstliche Geruch von frisch gebackenen Tortillas und Chili, zusammen mit der Vitrine voller Guacamole, Hühnchen, Pommes und Salate, sorgte dafür, dass mir das Wasser im Mund zusammenlief.
Victoria rieb sich den Bauch. »Mir gefällt der Vorschlag.«
»Ich werde an der Kasse bestellen gehen«, bot Chloe an.
»Wie war das Eltern-Lehrer-Gespräch?«, fragte ich, sobald Chloe außer Hörweite war und Victoria, Pippa und ich auf einen Tisch im hinteren Teil des Restaurants zuhielten. Chloe war ein tolles Mädchen und machte eigentlich nie Ärger, aber ich konnte einfach nicht anders, als mir Sorgen um sie zu machen.
Nachdem unsere Eltern gestorben waren, hatte ich den Drang verspürt, jeden Schmerz von meinen jüngeren Geschwistern fernzuhalten. Lucas war ein paar Jahre älter als Chloe, daher hatte ihn der tragische Verlust sehr getroffen. Für Chloe war es ein Segen gewesen, dass sie so jung war. In vielerlei Hinsicht waren Christopher und Victoria die einzigen Eltern, die sie kannte.
»Wie üblich. Sie hasst Mathe und liest im Unterricht oft Fantasybücher unter dem Tisch. Ich habe vorgegeben, strenger mit ihr ins Gericht gehen zu wollen; die Lehrerin hat so getan, als würde sie mir glauben. Was gibt es bei euch beiden Neues?«
Ich warf einen Seitenblick zu Pippa, die leise lächelte. Aha! Sie würde mein Geheimnis für sich behalten. Gott sei Dank.
Meine Schwester musste nicht erfahren, dass ich verkuppelt werden wollte. Unglücklicherweise war Victoria in dieser Hinsicht vollkommen unbegabt, versuchte es aber trotzdem immer wieder … was zu einigen wirklich schrecklichen Dates geführt hatte.
Doch ich vertraute blind auf Pippas Fähigkeiten. Irgendwie konnte sie spüren, ob es zwischen zwei Leuten knisterte.
Ich war bestens gelaunt und hätte dabei fast vergessen, dass ich die nächsten paar Wochen fast ausschließlich im Büro verbringen würde.
Nach dem letzten Taco machte ich den Fehler, meine Mails zu checken. Winston hatte mir eine Kalendereinladung geschickt. Er hatte das Konferenzzimmer neben seinem Büro jeden Abend vor Weihnachten von sechs bis acht Uhr reserviert.
Das war nicht gerade mein Lieblingsraum. Er war klein und außerdem das einzige Zimmer, das ich noch nicht weihnachtlich dekoriert hatte.
Als Senior Brand Manager war es meine Aufgabe, das Weihnachtsprogramm des Ladens zu koordinieren … und das beinhaltete, jedes Stockwerk und die Schaufenster zu dekorieren.
In meiner Kindheit hatte ich es geliebt, in den Wochen vor Weihnachten mit Mom und Dad in das Statham-Kaufhaus zu gehen. Und heute erschuf ich selbst einen Teil dieser Magie. War das nicht einfach unglaublich?
Nachdem wir dieses Jahr neue Dekorationen gekauft hatten, hatte ich die alten verwendet, um die Büroräume zu schmücken. Warum auch nicht? Alle liebten die Deko.
Das kleine Konferenzzimmer hatte ich ausgelassen, weil kaum jemand es je benutzte. Aber jetzt würde ich mich gleich morgen früh darum kümmern.
In dieser Jahreszeit war mir immer, als wäre ich wieder ein Kind. Vielleicht liebte ich es deshalb so sehr, alles zu dekorieren. An Weihnachten fühlte ich mich meinen Eltern immer besonders nahe – was der Grund war, warum ich mich so lange wie möglich im Weihnachtsgefühl suhlte.
Unglücklich starrte ich auf die Kalendereinträge für die nächsten paar Wochen. Zumindest hatte Winston Thanksgiving freigelassen.
Ich konnte nicht leugnen, dass ich mich von meinem Chef angezogen fühlte. All diese Männlichkeit und dieser Sex-Appeal. Und ich hatte mich heute Abend mit ihm an meiner Seite so beschützt gefühlt.
Vielleicht war es nicht klug, so eng mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich konnte jederzeit ablehnen. Mehr als zwei Stunden Überstunden die Woche widersprachen den Firmenregeln. Doch ich arbeitete gern. Ich hatte schon bisher so viel gelernt, dabei hatten wir bis jetzt nur über Telefon und E-Mail kommuniziert. Ein paar Wochen, in denen ich täglich zwei Stunden direkt mit ihm zusammenarbeitete? Die Vorstellung sorgte dafür, dass meine ehrgeizige Seite vor Freude tanzte. (Dasselbe galt für meine Intimzone, aber ich weigerte mich, diesen Gedanken anzuerkennen.)
Ich fand es wunderbar, wieder in San Francisco zu sein. Viel zu lang hatte ich an anderen Orten gearbeitet. Diese Stadt war mein Zuhause. Verdammt, dieses Kaufhaus war mein Zuhause. Die ersten Jahre nach meinem College-Abschluss war ich im Bankwesen tätig gewesen, bevor ich bei Statham Stores eingestiegen war. Schon vor drei Jahren hätte ich das Angebot meines Vaters annehmen sollen, die Firma zu übernehmen, doch ich hatte mich noch zu jung dafür gefühlt. Ich hatte mehr Erfahrung sammeln wollen.
Dad hatte das Management an seinen langjährigen Geschäftsführer übergeben. Er hatte sich durchaus bemüht, war aber einfach nicht dazu gemacht, eine Firma allein zu führen. Als er letztes Jahr in den Ruhestand gegangen war, war die finanzielle Lage dieses Kaufhauses eine Katastrophe gewesen. Und so war es immer noch.
Ich war entschlossen, das Ruder herumzureißen und dieses Kaufhaus zu retten. Es war das Symbol für den Erfolg meiner Eltern.
Moms Enttäuschung wollte ich mir nicht mal vorstellen, falls wir diese Filiale aufgeben müssten. Sie kannte den Vornamen von jedem einzelnen Angestellten. Kannte ihre Lebensgeschichten. Wenn es mir nicht gelang, das Kaufhaus zu retten, würde ich nicht nur all die loyalen Mitarbeiter im Stich lassen, die seit Jahren für uns in Lohn und Brot standen, sondern auch meine Eltern.
Ich musste mich ausschließlich darauf konzentrieren, das Kaufhaus zu retten. Obwohl ich diese Filiale liebte, hatte ich einen inneren Widerstand gespürt, ins Büro zu kommen … bis ich Sienna persönlich kennengelernt hatte. Ihr ständiges Lächeln ging mir nicht mehr aus dem Sinn. Sie war faszinierend.
Zwei Stunden nach dem Vorfall vor dem Kaufhaus war ich immer noch wütend. Dieses Arschloch hatte echt Nerven, einfach hier aufzutauchen. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich erst einmal nicht hörte, dass mein Handy klingelte.
Dann lachte ich leise, als ich Moms Namen auf dem Display entdeckte.
»Hi, Mom!«
»Winston, hallo. Ich möchte heute ein Abendessen für uns alle kochen. Schaffst du es, vorbeizuschauen?«
Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar. »Können wir das am Wochenende machen? Im Moment gibt es im Büro eine Menge zu tun.«
»Das ist Unsinn. Wir können später essen.«
»An Wochentagen ist wirklich viel los«, beharrte ich.
»Du bist zurück in die Stadt gezogen, aber trotzdem sehe ich dich nicht öfter als zu der Zeit, als du noch weg warst.«
Ich war erst seit zwei Tagen wieder hier.
»Mom, versuch nicht, mich mit Schuldgefühlen zum Abendessen zu überreden.«
»Warum nicht? Es ist das Vorrecht einer Mutter, ihrem Kind Schuldgefühle einzureden. Unruhige Tage, durchwachte Nächte; ich habe eine Menge Argumente.«
»Das glaube ich gern.«
»Habe ich schon die Morgenübelkeit erwähnt? Ich habe in meiner Schwangerschaft Wochen mit dem Kopf über der Schüssel verbracht.«
»Mom.« Ich lachte, gab aber nicht nach. Das durfte ich nicht. Es stand einfach zu viel auf dem Spiel. Ich hatte meinen Eltern nicht erzählt, wie schwierig die Situation war, da es schließlich nichts gab, was sie tun konnten. Sie hätten sich nur Sorgen gemacht.
»Bald geht das Weihnachtsgeschäft los, Mutter. Wir stehen unter Druck, alle Erwartungen zu erfüllen.«
Na also, das war keine Lüge. Doch es war auch nicht die ganze Wahrheit. Denn das war nicht der einzige Grund, warum ich unter Druck stand.
»Zumindest weißt du, dass Weihnachten vor der Tür steht. Ich war mir da nicht so sicher. Vergiss nicht, dich auch mal zu entspannen.«
»Werde ich nicht.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, googelte ich Lieferdienste. Mom liebte Schokolade und Blumen. Ich schickte die Bestellung ab, bevor ich mich wieder an die Arbeit machte. Zwei Stunden später rief sie noch mal an.
»Ich habe gerade deine Geschenke bekommen«, rief sie. »Das ist kein Ersatz für deine Anwesenheit beim Abendessen, junger Mann.«
»Nein, ist es nicht.«
»Außerdem bedeutet das nicht, dass ich dich weniger nerven werde.«
Ich grinste. »Schon klar.« Ich schaute auf meinen Terminkalender und traf eine spontane Entscheidung. »Ich werde diese Woche mal abends bei euch vorbeischauen, aber nicht zum Essen. Nur auf ein Glas Wein.«
Ich konnte die Freude meiner Mutter quasi spüren.
»Ich wusste doch, dass ich dir ein schlechtes Gewissen machen kann.«
Am nächsten Tag kam ich vor allen anderen ins Büro, damit ich mich um das Konferenzzimmer kümmern konnte. Es war nicht so, als wäre Weihnachtsschmuck nicht gern gesehen … doch die Art, wie ich dekorierte, hätte für ein paar hochgezogene Augenbrauen sorgen können. Ich hängte die Zierde nicht einfach aus … ich machte ein Erlebnis daraus.
Ein Beispiel? Ich startete eine Weihnachts-Playlist auf meinem Handy und sparte mir die Kopfhörer, weil sowieso noch niemand auf dem Stockwerk arbeitete. Dann wiegte ich mich im Rhythmus und sang alle Lieder mit: Jingle Bells, Frosty the Snowman und sogar ein paar kommerzielle Weihnachtslieder, die ich liebte: Mariah Careys All I Want For Christmas, Bill Macks Christmas Is All Around Me und mein absoluter Lieblingssong, Santa Baby in der Version von Kylie Minogue. Okay, dieses Lied war eher sinnlich als weihnachtlich, aber hey, auch Erwachsene durften an Weihnachten ein wenig Spaß haben.
Ich sparte mir diesen Titel für den Schluss auf und stellte ihn auf Repeat, während ich die letzten Lichterketten um die Fenster spannte. So, jetzt sah der Raum schon gleich viel besser aus, und ich konnte mir tatsächlich vorstellen, zwei Stunden täglich in diesem Schuhkarton zu verbringen.
»Was geht hier vor sich?«
Ich erstarrte mitten im Hüftschwung, dann atmete ich tief durch.
Mist, Mist, Mist. Winston war da, dabei war es erst halb acht. Vor acht Uhr kam nie jemand ins Büro.
Langsam drehte ich mich um, während ich mir wünschte, ich könnte allein durch Gedankenkraft die Musik abstellen, weil Kylie gerade ein paar ziemlich anzügliche Zeilensang.
Bestimmt war ich knallrot geworden. Verdammt. Mein Ziel war es, Winston zu beeindrucken, damit er mir mehr Verantwortung übertrug. Hemmungslos durchs Büro zu tanzen, würde dabei kaum helfen. Wie sollte er mich von nun an ernst nehmen?
Ich hatte damit gerechnet, dass er sich missbilligend im Raum umsah, doch er schaute mich direkt an, und seine grünen Augen wirkten dunkler als gestern. Er ließ den Blick langsam über meinen Körper gleiten, bevor er ihn wieder hob. Seine Augen funkelten. O mein Gott. Checkte er mich etwa ab?
Allein bei diesem Gedanken wurden meine Handflächen feucht.
»Miss Hensley, was ist das alles?«
»Weihnachtsdeko.«
»Das sehe ich. Was tut sie hier drin?«
»Ich fand, dieser Raum könnte ein wenig Weihnachtsstimmung gebrauchen. Es war das einzige ungeschmückte Konferenzzimmer.«
»Ist Ihnen vielleicht in den Sinn gekommen, dass ich es deswegen ausgesucht habe? Im gesamten Stockwerk funkelt und blinkt es von allen Seiten.«
Moment mal … stichelte er gegen meine Weihnachtsdekorationen? Jetzt verlor er gerade meine Sympathie, wo er doch gestern so viele Pluspunkte bei mir gesammelt hatte.
»Es ist nicht gegen die Firmenregeln, den Arbeitsplatz zu schmücken. Das habe ich nachgelesen.«
»Nein, aber laute Musik ist kaum passend.«
»Sie mögen keine Weihnachtslieder?«, hielt ich dagegen. Ich hatte wirklich keine Ahnung, warum ich plötzlich so sauer war.
Er kniff die Augen zusammen. »Das ist kein Weihnachtslied.«
Mich überraschte, dass er der Musik lang genug zugehört hatte, um den Unterschied zu erkennen. In meinem Kopf arbeitete Winston immer, gekleidet in einen seiner schicken Anzüge. In meiner Fantasie zog der Mann das Jackett aus und rollte seine Hemdsärmel auf. Seine Unterarme waren echt eindrucksvoll. Muskulös und wohlgeformt. Auf einmal wollte ich dringend wissen, was sich sonst noch unter diesem Hemd verbarg. Und unter dieser Hose.
Ich räusperte mich, in der Hoffnung, so die sündhaften Bilder aus meinem Kopf vertreiben zu können. Natürlich versagte ich kläglich. Doch ich musste mich zusammenreißen und mich entschuldigen. Professionell sein.
»Das mit der Musik tut mir leid. Sie haben recht, das ist … unpassend. Ich dachte nur einfach nicht, dass schon jemand hier ist. Ich kenne die Arbeitszeiten von allen. Außer Ihren, natürlich.« Wieso hatte ich daran nicht gedacht? »Aber das mit dem Weihnachtsschmuck tut mir nicht leid. Alle stehen unter Stress, um die Verkaufsziele zu erreichen. Wir arbeiten wie die Irren. Da braucht es ein wenig gute Laune.«
Ich hatte damit gerechnet, dass er auf seine übliche, mürrische Art reagierte und mich anwies, alles wieder abzunehmen.
»Schön. Die Dekorationen dürfen bleiben. Sie haben recht. Alle anderen fühlen sich dadurch motiviert.« Sein Tonfall war erstaunlich sanft. Alle anderen, aber er nicht? Dafür gab es sicher einen Grund. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Ich war entschlossen, Winston Statham zu bekehren.
»Aber ich will dieses Lied nicht noch mal hören«, fügte er hinzu. Der herrische Tonfall war zurück.
Ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, dann hob ich die Hand an die Schläfe und salutierte spöttisch. »Ja, Chef.«
»Sie sind ziemlich frech, nicht wahr, Miss Hensley?«
»Das war noch gar nichts, Mister Statham.«
Wieder schienen diese tiefgrünen Augen zu brennen, als hätte der Funke die ganze Zeit darin geschlummert und wäre durch meine Worte zu Flammen angefacht worden. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen und wandte den Blick ab. Ich hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging und was ich mit dieser plötzlichen … Anspannung anfangen sollte. Noch nie war ich jemandem begegnet, der so männlich war, so dominant.
Als ich es erneut wagte, Winston anzusehen, zuckte ich leicht zusammen. Er musterte mich nach wie vor eingehend. Konnte er erkennen, dass mein ganzer Körper kribbelte, einfach nur, weil er mich ansah?
»Das Lied, Miss Hensley. Es läuft immer noch.« Obwohl sein Tonfall herrisch war, hörte ich doch auch einen amüsierten Unterton in seiner Stimme.
»Ach so. Stimmt.«
Ich fühlte seinen Blick auf meinem Rücken, als ich zu dem Tisch ging, auf dem mein Handy lag. Als das Lied endlich abbrach, hörte ich ihn glucksen.
Er löste sich aus dem Türrahmen, sodass gerade genug Platz entstand, dass ich mich an ihm vorbeischieben konnte. Fast hätte auf dem Weg nach draußen meine Schulter seine Brust berührt.
Ich konnte diese Schwingungen, die von ihm ausgingen, einfach nicht ignorieren. Ich konnte ihn nicht ignorieren, ganz einfach. Seine Gegenwart war überwältigend. Aber ich war mir sicher, dass nur der anzügliche Text des Liedes für diese … flirtende Anspannung in der Luft verantwortlich war.
Oder zumindest hoffte ich das.
Sonst könnte es passieren, dass es mein Untergang wäre, jeden Abend zwei Stunden allein mit diesem sündhaften Mann zu verbringen.
***
Der Rest des Tages fühlte sich an wie ein Dauersprint. Winston schickte mir ungefähr zehn E-Mails pro Stunde. Nach dem gelegentlichen Stöhnen und den geflüsterten Flüchen, die ich von den Arbeitsplätzen meiner Kollegen hörte, zu schließen, füllte er ihre Posteingänge ebenfalls.
Um elf Uhr berief er ein Meeting des Branding- und Marketing-Teams ein. Aus mir unerklärlichen Gründen war ich nervös.
Ich setzte mich nach ganz hinten, als ich das große Konferenzzimmer betrat. Nacheinander erschienen auch meine Kollegen und positionierten sich um den ovalen Tisch. Winston selbst kam als Letztes. Ich schnappte nach Luft, als er durch die Tür trat, um dann eilig wegzuschauen. Irgendwoher wusste ich, dass er mich ansah. Als ich einen kurzen Blick nach vorne wagte, biss ich mir auf die Unterlippe. Ich hatte recht gehabt. Er visierte mich tatsächlich.
Sobald alle versammelt waren, begann Winston zu reden. Er sprach lange über die Webseite. Zu meiner Überraschung erwähnte er das Rebranding mit keinem Wort.
»Vielen Dank, dass Sie alle gekommen sind, obwohl ich dieses Treffen so kurzfristig angesetzt habe«, beendete er seine Ausführungen. »Bisher habe ich mit vielen von Ihnen ausführlich über Telefon und E-Mail kommuniziert, doch ich freue mich darauf, Sie alle persönlich kennenzulernen. Dieses Kaufhaus ist ein Familienunternehmen, und ich habe vor, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Ich versichere Ihnen, dass das Wohlergehen der Firma und aller, die hier arbeiten, im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit steht. Meine Tür steht immer offen.«
Er sah sich am Tisch um. Hatte er überhaupt eine Ahnung, wie einschüchternd er wirkte? Er hatte eine dominante Ausstrahlung, die fast gefährlich wirkte – als bestände das ernst zu nehmende Risiko, dass man den Raum nicht als dieselbe Person verlassen würde, wenn man sein Büro jemals betrat.
Auf seine Einführung folgte eine Frage-und-Antwort-Runde, bei der alle die drängendsten Themen ansprechen konnten.
Winston war ein Genie, anders ließ es sich nicht beschreiben. Für beinahe jedes Problem fand er eine schnelle Lösung, und mir war bewusst, dass meine Kollegen ihn vielleicht fürchteten, aber auch respektierten.
Ende der Leseprobe