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Jede Liebe hat ihren Preis – wie viel bist du bereit zu geben? So seriös sich Max Bennett als Geschäftsmann auch gibt, privat ist er ein absoluter Draufgänger, der seine Unabhängigkeit liebt und für jedes Abenteuer zu haben ist. Doch dann bremst ihn eine unglückliche Landung beim Fallschirmspringen aus. Als ihm seine Physiotherapeutin vorgestellt wird, verschlägt es Max die Sprache: Vor ihm steht seine ehemalige Schulfreundin Emilia Campbell. Sie ist eine bildschöne Frau geworden – mit einem Körper, der ihn um den Verstand bringt. In ihm regt sich brennendes Interesse. Aber ist der freiheitsliebende Max überhaupt bereit für eine Beziehung? »Max Bennett hat mein Herz im Sturm erobert!« Geneva Lee, Autorin der Royals-Serie
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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Vanessa Lamatsch
ISBN 978-3-492-97990-0© Layla Hagen 2016Titel der amerikanischen Originalausgabe:»Your Inescapable Love«, CreateSpace Independent Publishing Platform, 2016© der deutschsprachigen Ausgabe:Piper Verlag GmbH, München 2018Covergestaltung: zero-media.net, MünchenCovermotiv: FinePic®, MünchenDatenkonvertierung: Uhl + Massopust, Aalen
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Inhalt
1 Max
2 Emilia
3 Max
4 Emilia
5 Max
6 Emilia
7 Max
8 Emilia
9 Max
10 Emilia
11 Emilia
12 Max
13 Emilia
14 Emilia
15 Max
16 Emilia
17 Max
18 Emilia
19 Max
20 Emilia
21 Emilia
22 Max
23 Emilia
Epilog
1 Max
Vor neunzehn Jahren
Wieso steht da ein Mädchen in unserem Vorgarten? Sie ist gerade durch das Tor gekommen und sieht sich um, einen Rucksack in den Armen. Mom ist mit meinen Brüdern in der Küche. Wahrscheinlich sollte ich sie rufen, aber das werde ich nicht tun. Ich kann mich selbst darum kümmern. Ich bin ja schon neun Jahre alt.
Ich laufe zum Tor. Als ich näher komme, erkenne ich sie. Es ist das neue Mädchen in meiner Klasse, Emilia Campbell … die immer aussieht, als würde sie gleich anfangen zu weinen. Ich habe einen der Lehrer sagen hören, dass ihre Mutter gestorben sei, bevor sie hierhergezogen ist. Deswegen ist sie wahrscheinlich immer so traurig. Niemand sollte seine Mom verlieren.
»Was machst du hier?«, frage ich sie, als ich das Tor erreiche.
»Ich wohne zwei Häuser weiter«, sagt sie schnell. »Aber ich habe meinen Schlüssel verloren und komme nicht ins Haus. Ich wohne bei Grams. Die arbeitet aber gerade. Normalerweise kommt sie nicht vor sieben Uhr nach Hause. Das Fenster zu meinem Zimmer steht offen und ich habe versucht, hineinzuklettern, aber ich habe es nicht geschafft. Ich bin runtergefallen und jetzt tut mein Knie weh.«
Wow. Ich kenne nicht viele Mädchen, die versuchen würden, durch ein Fenster zu klettern. Meine Schwester Alice würde es schaffen. Alice ist cool, also beschließe ich, dass Emilia Campbell auch cool ist.
»Grams sagt, ich soll niemandem erzählen, dass ich allein daheim bin. Aber ich komme nicht ins Haus und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Ein Gewitter zieht auf und ich fürchte mich vor Gewittern. Donner macht mir Angst.«
»Du kannst bei uns warten«, sage ich.
»Aber ich kenne dich nicht.«
Emilia Campbell hat langes, blondes Haar. Es ist fast so blond wie das meiner Schwester Pippa, aber kürzer geschnitten.
»Doch, tust du. Wir gehen in dieselbe Klasse. Ich bin Max Bennett.«
»Ich heiße Emilia Campbell.«
»Ich weiß. Du bist das neue Mädchen, das in der Pause mit niemandem spielt.«
Sie starrt auf ihre Schuhspitzen. Diese Stiefel sind wirklich grottenhässlich. Hellrosa mit schweinchenrosa Herzen darauf. Ich öffne den Mund, dann schließe ich ihn wieder, weil mir einfällt, dass meine Schwester Alice mir erklärt hat, dass die meisten Leute es nicht mögen, wenn ich ihnen sage, dass ihre Sachen hässlich sind. Und Mom hat gesagt, ich soll nicht grottenhässlich sagen.
»Ich spiele mit niemandem, weil ich keine Freunde habe.«
Dieses Mädchen ist seltsam. Wie soll sie denn Freunde finden, wenn sie mit niemandem spielt? Vielleicht ist das eine Mädchensache. Mädchen werde ich nie verstehen. Ein paar kalte Tropfen treffen mein Gesicht, denn es fängt an zu regnen.
»Lass uns reingehen. Momma sagt, man soll nicht draußen sein, wenn es regnet. Wir erkälten uns sonst.«
Emilia schaut zum Haus, dann wieder zu mir. »Bist du dir sicher, dass deine Eltern sich nicht aufregen werden, wenn ich einfach mitkomme?«
»Nein. Sie lassen mich und meine Brüder und Schwestern ständig Freunde mitbringen.«
Erneut starrt sie auf ihre potthässlichen Stiefel. »Aber ich bin nicht mit dir befreundet.«
Ein lauter Donner ertönt und sie zuckt zusammen. Mit großen Augen starrt sie zum Himmel auf. Mann, sie hat wirklich Angst vor Gewittern.
»Jetzt bist du es. Ich will dein Freund sein, Emilia Campbell. Und ich werde dich vor dem Donner beschützen.«
2 Emilia
Gegenwart
»Bitte, bitte, lass einen heißen Rockstar oder Schauspieler auf der Liste der neuen Patienten stehen.« Meine beste Freundin Abby steht am Rezeptionstresen und starrt konzentriert auf den Computerbildschirm.
»Irgendwer Interessantes?«, frage ich.
Wir arbeiten in einer der besten Physiotherapie-Kliniken San Franciscos. Daher betreuen wir oft hochklassige Athleten, die nach einer Verletzung eine Therapie brauchen, und hin und wieder sogar echte Prominente. Bei den Promis ist es gut, vorher Bescheid zu wissen, dass sie kommen, weil dann manchmal auch Paparazzi auftauchen.
Während Abby die Liste auf ihrem Computer durchsieht, fällt mir ein, dass ich auf der Heimfahrt beim Supermarkt anhalten und meiner Großmutter eine Packung Käsecracker kaufen muss. Egal, wie schlecht ihr Tag auch war, die machen sie immer glücklich. Da meine Großmutter Alzheimer hat, waren in letzter Zeit fast alle Tage schlechte Tage. Es ist unendlich schmerzhaft, der starken Frau, die mich großgezogen hat, dabei zuzusehen, wie sie langsam verblasst.
»Nix da.« Abby schüttelt enttäuscht den Kopf. »In nächster Zeit keine weiteren Promis. Nur noch mehr Geschäftsleute.«
Ich grinse. Ach ja, wir behandeln auch die verschiedensten Geschäftsleute, die von einem Tag auf den anderen beschließen, dass sie in ihrem Beruf zu viel sitzen und mehr Sport machen müssen. Und dann übertreiben sie es, was zu Verletzungen führt. Es ist immer dasselbe.
»Schau dir den hier an«, sagt Abby lachend. »Er war Fallschirmspringen und hat die Landung vermasselt.«
Ich schlage mir die Hand vor den Mund. »Das ist nicht witzig, Abby. Er hätte …«
»Ernsthafte Verletzungen davontragen können, ich weiß. Aber das hat er nicht. Ich meine, er braucht eine Therapie, aber seine Verletzung ist wirklich nicht allzu schlimm. Ein angerissenes Kreuzband. Mehr nicht. Ich kann einfach nicht anders, als zu lachen, wenn irgendein Hitzkopf sich in ein Abenteuer stürzt, nur um es dann richtig zu verkacken.«
»Du bist ein schlechter Mensch«, sage ich mit einem Kopfschütteln. »Machst dich über das Unglück anderer lustig.«
»Ich muss meine Freizeit ja irgendwie füllen. Und was gibt es da Besseres, als über andere zu urteilen und zu lästern?«
»Hast du es mal mit einem Buch oder Kochen versucht?«, fordere ich sie heraus. »Ich habe gehört, das kann auch Spaß machen.«
»Nö. Zu viel Arbeit.«
Ich seufze ergeben. »Wer ist er? Der Fallschirmspringer, meine ich.«
»Den Namen habe ich vergessen.« Sie richtet den Blick wieder auf den Computer. »Max Bennett. Hey, der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Max B… Bennett?«, stottere ich. Mein Herz schlägt plötzlich Purzelbäume. Der Name ist nicht unbedingt selten, aber trotzdem. »Bist du dir sicher?«
»Ja.«
»Steht da auch sein Geburtsdatum?«
Als Abby das Datum verkündet, muss ich unwillkürlich lächeln. Das ist er. Ganz sicher. Dass zwei Leute gleich heißen und am selben Tag Geburtstag haben, wäre ein zu großer Zufall.
»Das ist mein Max«, sage ich. Und als sie lediglich eine Augenbraue hochzieht, meine ich: »Komm schon, ich habe dir von ihm erzählt. Mein Nachbar, als ich noch klein war.«
»Oooooh, jetzt erinnere ich mich.«
Max war so viel mehr als nur mein Nachbar. Nach Moms Tod war er mein bester Freund und ich habe ihn angebetet. Allerdings habe ich ihn seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen … was ungefähr fünfzehn Jahre zu viel sind.
»Kannst du ihn irgendwie mir zuschustern?«
»Dein Terminplan ist bereits voll.«
»Könntest du einen meiner Patienten jemand anderem geben? Das kannst du für deine beste Freundin doch sicherlich tun.« Ich klimpere mit den Wimpern, davon überzeugt, dass ich dabei absolut lächerlich aussehe.
»Schön. Ich werde mal schauen, wie ich das regeln kann. Ich sage dir Bescheid.«
»Danke. Bis morgen.«
Mit schwungvollen Schritten verlasse ich den Rezeptionsbereich. Lächelnd denke ich an den neunjährigen Jungen zurück, der mich immer auf dem Schulweg begleitet hat, als wäre er mein persönlicher Bodyguard. Max hatte sich auf die Fahne geschrieben, mich zum Lächeln zu bringen, wenn ich doch nur weinen wollte, weil ich meine Mutter verloren hatte. Später, als ich dreizehn war, zogen Grams und ich nach Montana, und Max und ich verloren uns aus den Augen.
Und nun der Fallschirmsprung. Der Junge von damals war kein Hitzkopf. Sicher, er hatte nur Flausen im Kopf und lief nie vor einer Herausforderung davon, aber ich hätte nicht von ihm erwartet, dass er Fallschirmspringen geht.
Ms Henderson, die letzte Patientin, die ich heute behandele, verlässt die Klinik zur selben Zeit wie ich. Ihr Ehemann wartet am Wagen auf sie. Nachdem er seine Frau sanft auf die Wange geküsst hat, öffnet er die Tür für sie. Der liebevolle, fast staunende Ausdruck in seinen Augen rührt mich. Gleichzeitig erinnert er mich erneut an die Unruhe, die sich vor einigen Monaten in mein Herz geschlichen hat. Seitdem ich ein kleines Mädchen war, wünsche ich mir die Art von Liebe, wie die Hendersons sie teilen. Doch manche Leute sind einfach nicht für ein Happy End bestimmt. Meine Eltern jedenfalls nicht. Dem nigelnagelneuen, aber nie getragenen Hochzeitskleid in meinem Schrank nach zu urteilen, gilt dasselbe für mich. Mein Verlobter, Paul, hat unsere Hochzeit drei Wochen vor dem großen Tag abgeblasen. Das war vor einem halben Jahr und ein Teil von mir kann es immer noch nicht glauben.
Auf der Heimfahrt halte ich am Supermarkt an und kaufe die Käsecracker für Grams. Plötzlich verspüre ich das dringende Bedürfnis, mit Grams über Max zu reden, doch ich bin mir nicht sicher, ob sie sich an ihn erinnert. An manchen Tagen erkennt sie mich nicht einmal. Ich beschließe, erst mal ihre Stimmung einzuschätzen, wenn ich nach Hause komme. Dann sehe ich weiter.
Bewaffnet mit den Crackern und erfüllt von einer seltsamen Freude, drehe ich die Musik im Auto lauter, binde mein schulterlanges, blondes Haar zu einem Pferdeschwanz und ziehe die Jacke enger um mich. Die Heizung in meinem Auto hat vor ein paar Wochen den Geist aufgegeben und bis jetzt fehlt mir das Geld, sie reparieren zu lassen. Ich verdiene als Physiotherapeutin nicht schlecht, aber die Miete und die häusliche Pflege für meine Großmutter verschlingen einen großen Teil meines Einkommens. Grams’ mickrige Rente hilft immerhin, ihre Arztrechnungen und Medikamente zu bezahlen. Meine Finger trommeln im Rhythmus der Musik aufs Lenkrad, als ich den Motor anlasse und losfahre.
Eine halbe Stunde später betrete ich das Haus. Sofort begrüßt mich Ms Adams, die Pflegerin meiner Großmutter.
»Gott sei Dank sind Sie da!«
»Was ist passiert?«
»Sie war den ganzen Nachmittag nicht sie selbst und es ist mir auch nicht gelungen, sie zu beruhigen. Sie haben einen harten Abend vor sich. Ich glaube wirklich, es wäre einfacher für Sie, Ihre Großmutter in ein Heim zu geben.«
Die Muskeln in meinem Rücken verkrampfen sich und ich lasse die Schultern kreisen. Ich habe ein Altenheim ein paar Stunden von San Francisco entfernt gefunden, das billiger wäre als eine Vollzeit-Pflegekraft, aber es würde mir das Herz brechen, Grams dorthin abzuschieben.
»Auf keinen Fall. Ich komme schon klar. Wo ist sie?«
»Im Garten.«
»Ich gehe zu ihr. Ich habe ihr ihre Lieblingscracker gekauft. Vielen Dank, Ms Adams. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.«
»Bis morgen, Emilia.«
Nachdem Ms Adams das Haus verlassen hat, gehe ich nach draußen. Unser Garten ist klein, aber voller Blumen und Pflanzen. Außerdem gibt es hinter dem Haus eine dunkelgrün gestrichene, überdachte Holzveranda mit Couch und Hollywoodschaukel. Grams sitzt auf dem Sofa, ihre Miene wirkt ausdruckslos. Sie reißt den Kopf zu mir herum und springt auf die Beine, als sie mich sieht. Meine Großmutter ist einundsechzig, aber ihr Körper ist noch fit und beweglich. Früher hat sie immer gesagt: »Alter ist nur eine Zahl. Davon lasse ich mich nicht unterkriegen.« Das silberne Haar umrahmt ihr herzförmiges Gesicht.
»Violet, du bist zu Hause!«
Ich blinzele gegen die Tränen an. Violet ist der Name meiner verstorbenen Mutter. Aber ich habe gelernt, dass es besser ist, meine Großmutter nicht zu korrigieren, sonst wird sie nur noch verwirrter und unsicherer. Grams hat meine Mom sehr geliebt, obwohl sie nur ihre Schwiegertochter war. Mom ist mit sechzehn schwanger geworden. Ihre eigenen Eltern warfen sie raus, also nahm Grams sie auf, sodass wir zu dritt bei ihr wohnten. Nach der Beerdigung meiner Mutter beschloss mein Arschloch von Vater, dass die Vaterschaft nichts für ihn sei. Er verschwand, einfach so. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Seitdem gab es immer nur Grams und mich.
Ich hebe die Packung hoch und sage: »Ich habe dir Cracker gekauft.«
Sie schnalzt missbilligend mit der Zunge und schüttelt den Kopf. »Komm morgen nicht wieder so spät nach Hause. Du weißt, was man über Mädchen sagt, die spät nach Hause kommen. Ich will nicht, dass man schlecht über meine Schwiegertochter spricht.«
Ich presse die Lippen aufeinander und kämpfe erneut mit den Tränen. Ich weiß einfach nicht, wie ich Grams wieder in die Gegenwart locken kann, ohne sie aufzuregen. Doch dann überrascht sie mich plötzlich.
»Dieses Haus ist wunderschön, Emilia, Liebling. Ich bin so froh, dass wir es gefunden haben.«
»Ich auch. Am besten gefällt mir der Garten. Er ist so friedlich.«
Grams schweigt ein paar lange, schmerzhafte Sekunden und als sie die Stimme wieder erhebt, bricht sie mir erneut das Herz: »Ich habe heute einen Anruf von deinem Rektor bekommen. Er hat gesagt, du hättest in der Schule schon wieder Schwierigkeiten gehabt.«
Ein Kloß schnürt mir die Kehle zu. Und schon entgleitet Grams mir wieder. Manchmal verwechselt sie Leute, manchmal Zeiten. Es ist eine ständige emotionale Achterbahnfahrt.
»Lass uns zu Abend essen, okay?«, sage ich mit zitternder Stimme.
Irgendwie schaffe ich es, Grams dazu zu bringen, etwas zu essen. Danach geht sie duschen. Kurz bevor sie ins Bett geht, bürste ich ihr die Haare, wie sie es in meiner Kindheit und Jugend immer für mich getan hat. Das Schlimmste an der Krankheit meiner Großmutter ist, dass die Ausfälle episodenhaft auftreten. An manchen Tagen ist sie wie immer, an anderen Tagen erkennt sie niemanden.
Sobald sie eingeschlafen ist, gieße ich mir ein Glas Wein ein und mache es mir auf der Hollywoodschaukel auf der Veranda gemütlich. Ich nippe an meinem Wein, als mein Handy brummt. Es ist eine Nachricht von Evelyn. Sie ist meine andere beste Freundin und arbeitet ebenfalls in der Klinik. Evelyn ist keine Physiotherapeutin, sondern Psychotherapeutin. Manche unserer Patienten brauchen zusätzlich zur Physio auch Evelyns Hilfe, besonders, wenn sie schwere Verletzungen erlitten haben oder ihre Karrieren durch den Unfall beeinträchtigt werden – wie es oft bei professionellen Sportlern der Fall ist.
Evelyn
Eine Freundin meiner Schwester meinte, sie wäre vielleicht interessiert, dein Hochzeitskleid zu kaufen. Ich habe ihr deine Nummer gegeben.
»Oh.« Ich spüre einen schmerzhaften Stich in der Brust. Das ist gut, sage ich mir selbst. Ich muss den Fummel endlich loswerden und Gott weiß, dass ich jedes bisschen Geld brauchen kann.
Emilia
Danke.
Evelyn
Freu dich drauf, es los zu sein. Dann kannst du dich auch endlich wieder verabreden. Du weißt doch, was man sagt: Andere Mütter haben auch schöne Söhne.
Leise lachend tippe ich in mein Handy.
Emilia
Schon mal gehört, ja. Aber langsam gewöhne ich mich an den Gedanken des lebenslangen Zölibats. Ich werde mir ein paar Katzen anschaffen.
Ich liebe mein Leben. An manchen Tagen ist es hart, an anderen Tagen schmerzhaft, aber was soll’s? Ich habe zwei tolle Freundinnen, meine Grams und dieses kleine Paradies, das ich mein Zuhause nenne. Und ich will den Tag nicht vor dem Abend loben, aber der Freund, den ich seit Jahren vermisst habe, könnte vielleicht wieder in meinem Leben auftauchen. Wenn das kein riesiger Glücksfall ist, weiß ich auch nicht.
Während ich mit dem Handy herumspiele, bemerke ich eine Nachricht von Abby.
Abby
Bin eine deiner Patientinnen losgeworden. Max Bennett gehört dir.
Grinsend nippe ich an meinem Wein. Ich mag ja vielleicht nie wieder mit Männern ausgehen, doch das Wiederauftauchen meines früheren besten Freundes hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können.
* * *
Mein erster Termin mit Max ist für Montag der folgenden Woche angesetzt. Ich tigere in einem der Trainingsräume auf und ab und sehe mir zum hundertsten Mal seine Akte an. Er hat sich beim unsanften Aufkommen nach dem Sprung das hintere Kreuzband angerissen. Es war keine OP nötig, sondern konnte konservativ behandelt werden. Er musste auch nur während der sechs Wochen, in denen er darauf wartete, dass das Band wieder zusammenwuchs, eine Orthese tragen und mit Krücken laufen. Aber er braucht jetzt eine Therapie, um das Kreuzband zu kräftigen und die ruhiggestellte Muskulatur wiederaufzubauen. Sobald wir mit unseren Therapiestunden fertig sind, wird er wieder ordentlich Leute in den Hintern treten können.
Die drei anderen Therapeuten im Raum lächeln mir aufmunternd zu, dann konzentrieren sie sich auf ihre eigenen Patienten. Die Klinik hat zehn solche Behandlungsräume und ein Raum kann gleichzeitig von bis zu fünf Therapeuten mit ihren Patienten belegt werden. Ich wünschte, Max und ich könnten allein sein, wenn wir uns nach so vielen Jahren zum ersten Mal wieder begegnen, aber das bleibt wohl ein Wunschtraum. Mein Magen ist ein gigantischer Knoten, als ich auf die Uhr schaue. Noch zwei Minuten.
Ich habe Max das erste Mal mit neun Jahren getroffen. Mom war gerade gestorben und Grams und ich waren ein paar Häuser entfernt von den Bennetts eingezogen. Ich ging auf dieselbe Schule wie die Bennett-Kinder und wurde schnell zu einer Art Ausgestoßenen … was meine eigene Schuld war. Ich war scheu, ungeschickt und vor Trauer nicht fähig, eine Bewegung auf die anderen zuzumachen. Nach der Beerdigung meiner Mutter zog ich mich komplett in mein Schneckenhaus zurück. Max holte mich daraus hervor. Als Grams und ich vier Jahre später nach Montana zogen, war ich am Boden zerstört.
Erneut werfe ich einen Blick auf die Uhr, bevor ich mich seufzend wieder der Akte widme. Noch eine Minute. Meine Handflächen sind verschwitzt. Ich wische sie an meiner Hose ab, doch die Trainingshose aus Elasthan nimmt keinerlei Feuchtigkeit auf.
Als ich höre, wie sich die Tür öffnet, reiße ich den Kopf hoch. Max und Kurt, der Leiter der Klinik, stehen im Türrahmen. Kurt spricht, doch Max hört nicht zu. Sein Blick ist unverwandt auf mich gerichtet, dann erscheint ein breites Grinsen auf seinem Gesicht, das mich sofort zu dem Tag zurückkatapultiert, als er mich das erste Mal angelächelt hat.
Mit eiligen Schritten gehe ich auf die beiden zu, wobei ich Max von Kopf bis Fuß mustere. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er dreizehn Jahre alt und einen guten Kopf größer als ich. Jetzt ragt er förmlich über mir auf. Ich habe Grams’ zierliche Gestalt geerbt und bin nicht gerade eine Riesin, aber Max ist einfach nur groß und schön und … atemberaubend. Breite Schultern und starke Arme. Sein mitternachtsschwarzes Haar ist verwuschelt und steht in alle Richtungen ab. Seine Gesichtszüge sind eine Mischung aus fesselnder Männlichkeit und einem Rest dieses jungenhaften Charmes, an den ich mich erinnere. Max Bennett ist ein echter Mann.
Ich halte weniger als einen halben Meter vor ihm und Kurt an. Max spießt mich förmlich mit seinem Blick auf, dann wird sein Lächeln noch breiter. O Gott, diese Grübchen hatte ich ganz vergessen.
»Wenn ich es richtig verstanden habe, muss ich niemanden vorstellen, da Abby meinte, dass ihr euch bereits kennt«, sagt Kurt.
Ich öffne den Mund, nur um festzustellen, dass meine Kehle zugeschnürt ist.
»Das stimmt«, sagt Max. Seine Stimme klingt nicht wie früher. Sie ist tief und bestimmt, aber mit einem leichten Anflug von Nervosität. »Sie war mal meine beste Freundin.«
»Nun, dann werde ich jetzt gehen«, sagt Kurt. »Emilia wird sich gut um Sie kümmern.«
»Natürlich werde ich das«, sage ich, nachdem ich meine Stimme endlich wiedergefunden habe.
Kurt nickt uns einmal zu, bevor er verschwindet.
Kaum ist die Tür ins Schloss gefallen, zieht Max mich in eine Umarmung. Ich lasse es, ohne zu zögern, zu, obwohl sich noch andere Leute im Raum aufhalten. Er drückt mich genau wie in meiner Erinnerung – ohne jede Zurückhaltung. Andererseits gab es auch nicht viele Dinge, die der junge Max jemals halbherzig getan hätte, und ich kann mir kaum vorstellen, dass es beim erwachsenen Max anders sein sollte.
»Ich kann es nicht glauben«, murmelt er in mein Haar. »Ich habe mich immer gefragt, was aus dir geworden ist. Ich wollte nach dir suchen, aber ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.« Er reibt mir mit einer Hand über den Rücken, was dafür sorgt, dass sich dort Wärme ausbreitet.
Ich löse mich aus der Umarmung und sage: »Ich wusste immer, wo du bist. Ich bin fürs College nach San Francisco gezogen, aber ich wusste nicht, wie ich dich kontaktieren soll.«
»Ach, dann ist es ja gut, dass ich mich wie ein Vollidiot angestellt habe und diesen Unfall hatte«, meint er. »Sonst wäre ich nicht hier. Das gibt der Theorie, dass alles aus gutem Grund geschieht, eine ganz neue Bedeutung, hm?«
Ich lächele ihn an, überrascht von seiner Aussage – und seiner Fähigkeit, immer noch über sich selbst zu lachen. Wann immer ich in Magazinen über den Erfolg seiner Familie gelesen habe, habe ich mich gefragt, ob er sich wohl verändert hat … ob er wohl arroganter geworden ist. Bisher scheint es nicht so. Ich frage mich, wie seine Geschwister sich wohl entwickelt haben. Insgesamt sind sie zu neunt. Sebastian, Logan und Pippa bilden das Trio der Älteren und soweit ich es verstanden habe, haben sie Bennett Enterprises gegründet – einen der Marktführer auf dem Schmuckmarkt. Max und sein eineiiger Zwillingsbruder Christopher arbeiten ebenfalls für die Firma, aber ich weiß nicht, was die anderen Geschwister so treiben: Alice, Blake, Daniel und Summer. Ich kann es kaum erwarten, mir von Max alles erzählen zu lassen.
»Wie hast du es geschafft, dir dermaßen den Knöchel zu verletzen?«
»Wenn ich einen heldenhaften Grund erfinde, wirst du mir glauben?«
Ich muss lachen.
Max wurde seinerzeit an einem jämmerlichen, regnerischen Tag nach der Schule zu meinem Helden. Wir gingen gerade nach Hause, als wir ein Jaulen hörten. Nachdem wir ein paar Minuten im Schlamm herumgestapft waren, fanden wir die Hunde. Sie saßen im Straßengraben. Ich zählte vier Welpen und etwas, was aussah wie ihre tote Mutter. Die kleinen Hundebabys versuchten verzweifelt, sie anzustupsen, und stießen mit ihren winzigen Köpfen immer wieder gegen ihren Bauch. Einer leckte ihr sogar die Nase. Ich spürte eine instinktive Verbundenheit mit diesen Welpen, die ihre Mutter verloren hatten, sodass ich es einfach nicht über mich brachte, sie sich selbst zu überlassen. Als Max und ich uns daranmachten, die Welpen einzusammeln, entdeckten wir einen fünften Hund. Er war in den Graben gefallen, der sehr tief und schmal war. Ohne zu zögern, sprang Max nach unten, um den Kleinen zu bergen. Im Anschluss brauchte er fast zwanzig Minuten, um selbst wieder rauszukommen. Grams und seine Mutter, Jenna Bennett, bekamen fast einen Herzinfarkt, als wir verdreckt und mit fünf Hundebabys im Gepäck nach Hause kamen. Von diesem Tag an verehre ich Max.
»Ich weiß durchaus, dass du ein Held sein kannst. Aber der Fallschirmunfall steht in deiner Akte. Versuch also nicht, mich anzuflunkern.«
Er stöhnt, dann beißt er sich auf die Unterlippe, sodass ich nicht anders kann, als seinen sinnlichen Mund zu bewundern. Waren seine Lippen immer schon so voll? Und wieso, bei allem, was heilig ist, habe ich solche Gedanken? Der Behandlungsraum wirkt plötzlich zu klein, genauso wie der Abstand zwischen uns.
»Ich hätte nie gedacht, dass du jemand bist, der Fallschirmspringen geht.«
»Bin ich auch nicht. Ich hatte aber eine Wette mit Blake abgeschlossen. Es war ein Tandemsprung und trotzdem habe ich eine Bruchlandung hingelegt.«
Bei der Erwähnung seines kleinen Bruders muss ich einfach grinsen.
»Verdammt, ich habe so viele Fragen an dich, dass ich gar nicht weiß, welche ich zuerst stellen soll«, gibt er zu.
»Was mein aktuelles Dilemma perfekt in Worte fasst.« Ich hebe einen Finger. »Aber vor allem sollten wir mit deiner Stunde anfangen. Kurt hat mich bereits gewarnt, dass ich während der Behandlung professionell bleiben soll.«
Max zieht eine Augenbraue hoch. »Was denkt er denn, was ich tun werde? Dich anspringen, kaum dass ich dich sehe?«
Hitze steigt in meine Wangen und ich senke plötzlich nervös den Kopf. Nur gut, dass wir weit genug von den anderen entfernt stehen, dass sie uns nicht hören können.
»Ich sehe, du trittst immer noch ins Fettnäpfchen, wann immer sich die Chance dazu bietet«, sage ich.
»Das tue ich. Mist, das kam irgendwie falsch rüber. Ich wollte damit nicht sagen, dass es falsch wäre, dich anzuspringen. Tatsächlich bist du echt ein Hingucker, Jonesie.«
Er grinst, als er den Spitznamen verwendet, den mir sein Bruder Blake vor Jahren verpasst hat. Er fand, Campbell wäre zu schwer auszusprechen und dass ich aussähe wie jemand, der Jones heißen sollte – ein vollkommen zufällig gewählter Name. Max hat das in Jonesie verwandelt und das wurde mein Spitzname im Bennett-Haushalt.
»Als dein ältester Freund darf ich so was sagen, ohne wie ein Perverser zu klingen, oder als würde ich dich anbaggern. Du bist schön.«
Beim letzten Satz wird seine Stimme tiefer und ich will verdammt sein, wenn das mal nicht einige sehr exklusive Orte bei mir zum Kribbeln bringt.
»Du bist auch nicht gerade von schlechten Eltern, Bennett. Siehst schick aus im Anzug«, gebe ich zurück, obwohl mein Gesicht brennt.
Uns gegenseitig aufzuziehen, war immer schon ein Charakteristikum unserer Freundschaft, aber irgendwie fühlt es sich heute anders an als früher. Max trägt einen grauen Anzug und sieht aus, als wäre er darin geboren worden. Allerdings täuscht der Eindruck. Ich habe ihn unsere gesamte Kindheit über in Jeans und Shorts mit einfachen T-Shirts herumlaufen sehen. Dennoch, irgendwas an Max im Anzug ist absolut unwiderstehlich.
»So und jetzt zieh dir deine Trainingsklamotten an, damit wir endlich anfangen können. Der Umkleideraum ist da drüben.« Ich deute auf eine Tür am hinteren Ende des Raums.
»Bin gleich zurück«, sagt er. »Blöd, dass wir uns nicht mehr einfach vor dem anderen umziehen können, wie wir es früher getan haben, oder?«
Ich sollte bei seinen Worten nicht erröten. Sollte ich wirklich nicht. Aber ich tue es trotzdem.
»Nein, das können wir nicht mehr.«
Ich atme tief durch, als Max im Umkleideraum verschwindet. Als Kinder sind Max und ich oft zu einem nahe gelegenen Teich gegangen, um dort zu schwimmen. Wir haben uns voreinander ausgezogen und nur die Unterwäsche anbehalten. Das war vollkommen normal. Bis auf diesen denkwürdigen Sommertag, als er meine Kleidung versteckte, während ich im Wasser war, um kurze Zeit später alle meine Klamotten aus Versehen ins Wasser fallen zu lassen. Ich tickte vollkommen aus und schubste ihn ins Wasser. Auf dem Heimweg vertrugen wir uns dann wieder. Immerhin sahen wir beide aus wie begossene Pudel.
Damals war alles zwischen uns so einfach. Jetzt dagegen … nun, wir sind keine Kinder mehr. Uns nach all der Zeit wiederzusehen, musste zwangsläufig zu ein paar Peinlichkeiten führen … Und anscheinend zu Reaktionen an Stellen, die eigentlich nicht reagieren sollten.
Ich bin so in meine Gedanken versunken, dass ich nicht mal bemerke, dass Max wieder da ist.
»Bereit, wann immer du es bist, Jonesie«, ruft er.
Ich blicke auf und erstarre. Heiliger Schokokuchen mit Sahnehaube. Okay. Max in einem Anzug war unwiderstehlich, aber Max in Shorts und engem Top ist die reinste Sünde. Hastig fange ich mit meiner Therapie an, indem ich sage: »Wir werden eine Mischung aus Übungen an der Maschine und auf der Trainingsmatte absolvieren und auch ein paar im Wasser. Offensichtlich heute nicht im Wasser, da wir dafür einen Pool bräuchten.«
O Gott, ich fasele nur Unsinn. Ich mache Max’ unglaublich dunkle Augen und sein ironisches Lächeln dafür verantwortlich.
»Wie lange wird die Therapie insgesamt dauern?«, will er wissen.
»Etwa vier Wochen, mit zwei Terminen pro Woche.«
Er reibt sich stöhnend das Gesicht. »Nur gut, dass meine Therapeutin meine älteste Freundin ist. Damit haben wir jede Menge Zeit, uns auf den neuesten Stand zu bringen.«
Der Ausdruck »älteste Freundin« sorgt dafür, dass ich mich am Riemen reiße. Freunde checken sich definitiv nicht gegenseitig ab.
»Geschieht mir wahrscheinlich recht«, gibt Max verlegen zu. »Bei meiner Blödheit …«
»Wie hat Blake dich überzeugt, zu springen?«, frage ich. »Der Junge, den ich kannte, wäre ein solches Risiko nicht eingegangen.«
»Ich bin mit dem Alter leider nicht weiser, sondern dümmer geworden.« Er schlendert durch den Raum. »Also, mit welchem dieser Folterinstrumente fangen wir an?«
»So schlimm sind sie gar nicht«, versichere ich ihm. »Gib zu, sie sehen aus wie normale Fitnessgeräte.«
»Nur irgendwie unheimlicher. Nun, ich gehöre dir. Sag mir, was ich tun soll.«
»Mensch, Max, ich hätte nicht gedacht, dass einmal der Tag kommen würde, wo ich dich herumkommandieren darf. Das war doch immer deine Aufgabe.«
Er zuckt mit den Achseln, doch das ironische Grinsen in seinem Gesicht verrät mir, dass er sich nicht verändert hat. »Dein Behandlungsraum. Deine Regeln.«
Der Rest der Therapiestunde vergeht fast schweigend. Ich gehe die Übungen mit Max durch und erkläre jede einzelne geduldig.
»Lass uns hinterher essen gehen«, schlägt Max am Ende vor. »Hast du Zeit?«
»Keine Chance. Ich habe noch zwei Patienten.«
»Kann ich dich später vielleicht abholen?«, fragt er.
»Nach der Arbeit ist es schwierig für mich.« Ich atme tief durch, dann gebe ich zu: »Grams hat Alzheimer und inzwischen sind wir an einem Punkt, wo ständig jemand auf sie aufpassen muss. Tagsüber hat sie eine Pflegerin und manchmal – wenn ich Fortbildungen habe – hilft eine nette Nachbarin aus, aber ich verbringe die Abende gern mit ihr.«
»Das tut mir leid«, sagt er sanft. »Besonders, weil Grams noch so jung ist.«
»Ja.« Grams ist einundsechzig. Sie hat Dad mit achtzehn bekommen und ist mit vierunddreißig Großmutter geworden.
»Ich mochte sie immer«, fährt er fort. »Na ja, außer als sie dafür gesorgt hat, dass ihr nach Montana umzieht.«
»Es fällt mir unendlich schwer, sie so zu sehen«, sage ich leise. »Sie war immer so stark und jetzt ist sie … Na ja, auf jeden Fall bleibe ich abends gern bei ihr. Manchmal lese ich ihr etwas vor oder erzähle ihr einfach von meinem Tag.«
Max legt in einer beruhigenden Geste die Hand an meine Wange, wie er es immer getan hat, als wir Kinder waren. Nur dass seine Berührung mich jetzt nicht nur beruhigt, sondern eine Welle aus Hitze durch meinen Körper jagt.
»Sie erinnert sich an mich. Meistens zumindest«, sage ich sanft.
»Glaubst du, sie würde sich an mich erinnern?«
»Es fällt schwer, dich zu vergessen. Selbst als kleiner Junge hast du Eindruck hinterlassen«, erkläre ich mit einem Grinsen, das sofort verblasst, als mein nächster Patient auftaucht. »O verdammt, meine nächste Therapiestunde fängt an. Was dein Bein angeht, es ist nicht geschwollen, aber du solltest es für alle Fälle mit Eis kühlen, sobald du zu Hause bist.«
»Werde ich machen, Boss. Dann bis Donnerstag, zu unserem nächsten Termin.«
Er beugt sich vor und lässt seine Lippen über meine Wange gleiten. Die leichte Berührung bringt meine Haut zum Brennen. Ich atme tief ein, nehme seinen maskulinen Duft in mich auf und meine Sinne laufen Amok. Das ist lächerlich. Wir waren einmal beste Freunde und ich hoffe, wir können diese Freundschaft wieder aufleben lassen. Auf keinen Fall werde ich mich nach Max verzehren. Ich habe ein jungfräuliches Hochzeitskleid und Jahre misslungener Dates im Gepäck, die mich daran erinnern, dass meine romantischen Beziehungen immer schieflaufen. Ich will Max Bennett in meinem Leben halten, und zwar als meinen besten Freund.
Ich schlucke schwer und winke ihm noch einmal zu, als er den Raum verlässt. Ich habe im Vorfeld damit gerechnet, dass unser Wiedersehen verheerende Auswirkungen hat – aber auf meine Gefühle, nicht auf meine Hormone.
3 Max
»Vielen Dank noch mal, dass du mich begleitest«, sagt Alice, als sie in mein Auto steigt. Ich parke vor ihrem Restaurant, das hoch oben über der Stadt in den Twin Peaks liegt. Der Laden ist sehr erfolgreich und ich bin verdammt stolz auf meine Schwester. Sie sucht gerade nach Räumlichkeiten für ein zweites Restaurant und hat mich gebeten, mir zusammen mit ihr eine Immobilie anzusehen.
Als ich den Motor anlasse, stellt sie eine Papiertüte auf meinem Schoß ab.
»Du hast mir etwas zu essen mitgebracht?«, frage ich. Wenige Sekunden später habe ich ein Truthahn-Sandwich ausgewickelt.
»Jepp. Ich kann meinen kleinen Bruder doch nicht verhungern lassen.«
Das Wort »klein« sorgt dafür, dass ich verächtlich schnaube. »Ich bin nur ein Jahr jünger als du.«
Christopher und ich sind fest davon überzeugt, dass wir das ungeplante Zwillingspaar sind. Aber um ehrlich zu sein, würde ich meinen Hintern darauf verwetten, dass eine Menge von uns ungeplant waren.
Auf der Fahrt zur Location erzähle ich Alice: »Du wirst niemals glauben, wer mir heute über den Weg gelaufen ist. Emilia. Sie ist meine Physiotherapeutin.«
Alice runzelt kurz die Stirn, dann ruft sie: »Oh! Jonesie? Unsere Nachbarin von früher?«
»Genau die«, sage ich.
»Wie geht es ihr?«
»Wir konnten uns nicht lange unterhalten, weil ich ja meine Übungen machen musste. Aber ihre Großmutter ist krank. Sie hat Alzheimer.«
Alice seufzt und sinkt in den Sitz. »Das ist traurig. Wie geht es Jonesie?«
»Wie ich schon sagte, wir haben nicht viel geredet, aber ich kann mir vorstellen, dass es hart ist.«
Tatsächlich ist das wahrscheinlich die Untertreibung des Jahrhunderts. Emilia ist förmlich in sich zusammengesunken, als sie über ihre Großmutter gesprochen hat. Ich habe sofort erkannt, was los ist. Als Kind hat sie sich immer in sich selbst zurückgezogen, wenn sie gelitten hat. Das hat ständig meinen Beschützerinstinkt angesprochen. Heute ist genau dasselbe passiert. Als Kind war ich laut, sorglos und selbstbewusst und konnte einfach nicht verstehen, wieso die Leute um mich herum nicht genauso waren. Etwas an Emilia hat mich tief in meinem Innersten berührt und ich machte es zu meiner Mission, ihre Trauer fortan so oft wie möglich zu vertreiben. Ich hatte Erfolg und sie wurde meine beste Freundin.
Als der Klinikleiter ihren Namen erwähnte, war ich begeistert. Doch als ich sie persönlich traf, haute es mich fast um. Sie hat immer noch diese warmen, grünen Augen, an die ich mich erinnere, aber Jonesie ist zu einer schönen, attraktiven Frau herangewachsen … und kaum hatte ich sie gesehen, war ich scharf auf sie. Dämlich von mir. Sie hat sich von mir umarmen lassen, als platonische Freundin. Auf keinen Fall werde ich das ausnutzen. Emilia ist ein toller Mensch und sie hat jemanden verdient, mit dem sie sich niederlassen kann, jemand, der sein Leben mit ihr verbringen will. Sich niederlassen und eine Frau fürs Leben suchen, steht gerade absolut nicht auf meiner Prioritätenliste.
»Erde an Max!«, ruft Alice.
»Hm?«
»Hast du überhaupt gehört, was ich gesagt habe?«
»Ähm …«, brumme ich nichtssagend.
»Ist egal. Bring Jonesie einfach mal zu Mom und Dad, wenn sie Zeit hat. Sie würden sich bestimmt freuen, sie zu sehen. Darf ich mal abbeißen?« Sie deutet auf mein Sandwich.
»Immer stiehlst du mir mein Essen«, beschuldige ich sie.
»Ich will nur einen Bissen!« Im Augenwinkel sehe ich, dass sie die Wimpern klimpern lässt. »Das ist kein Diebstahl. Außerdem habe ich dir das Sandwich mitgebracht.«
»Wieso hast du dir selbst keines mitgenommen?«
»Ich wollte keines. Aber wenn ich jetzt sehe, mit welcher Begeisterung du da reinbeißt, will ich doch ein Stück.«
Ich stöhne, den Blick auf die Straße gerichtet.
»Du weißt, dass ich dich nerven werde, bis du nachgibst, richtig?«, fährt Alice fort.
Unglücklicherweise weiß ich das wirklich. »Schön. Aber nur einen Bissen. Ich meine es ernst.«
Natürlich isst sie am Ende trotzdem das halbe Sandwich.
»Es ist so wunderbar, dass du aus London zurückgekommen bist, Max. Mir gefällt es nicht, wenn einer von uns weg ist. Ich kann kaum erwarten, dass Summer zurückkehrt.«
Unsere jüngste Schwester, Summer, ist Malerin und hält sich momentan in Italien auf, wo sie an einem Projekt für ein örtliches Museum arbeitet. Sie wird noch ein paar Monate fort sein.
»Wenigstens bist du jetzt wieder da. Ich habe es vermisst, mich mit dir um Essen zu streiten.«
»Du hast sieben andere Bennetts, mit denen du dich kabbeln kannst.«
Sie zuckt mit den Achseln. »Sicher, aber die anderen regen sich nicht so wunderbar auf wie du.«
»Gib mir das Sandwich zurück. Du hast wirklich Glück, dass ich dich so liebe«, murmele ich, bevor ich den Rest meines Snacks verschlinge.
»Heilige Scheiße«, rufe ich zehn Minuten später, als wir die Location erreichen.
»Ich glaube ›heiliger Drecksmist mit einem Häubchen aus Taubenkacke‹ ist passender.« Alice stemmt die Hände in die Hüften, ihr Gesicht ungläubig verzogen.
»Bist du dir sicher, dass das die richtige Adresse ist?«
»Ja.« Alice’ Enthusiasmus fällt in sich zusammen, als wir die Bruchbude vor uns mustern. Wir steigen aus dem Auto, ohne uns weit davon zu entfernen. Meine Schwester strahlt Wellen von Enttäuschung aus. Irgendwie wünsche ich mir in diesem Moment, ich hätte nicht das gesamte Sandwich gegessen, weil ich es ihr dann schenken könnte. Die Frauen in meiner Familie stehen sehr auf Trostessen und es tut mir weh, Alice so zu sehen.
»Jetzt weiß ich, wieso sie keine Bilder des Gebäudes eingestellt hatten, sondern nur von der Aussicht«, meint sie trocken.
Wir starren etwas an, was wie eine heruntergekommene Scheune aussieht. Die Lage ist fantastisch, wenn auch ein wenig abgelegen. Dieses Gebäude liegt hoch in den Hügeln, mit einer atemberaubenden Aussicht über die Stadt.
»In der Anzeige stand, dass eine umfassende Renovierung nötig ist«, fährt Alice fort.
»Ich hätte da eine tolle Idee. Ich liefere das Benzin.«
»Ich reiße das Streichholz an«, fügt meine Schwester hinzu.
»Letztendlich würdest du nur das Grundstück kaufen.« Ich drehe mich einmal langsam im Kreis, um die Umgebung zu mustern. Es gibt viel Grün und das Grundstück ist groß genug, um einen anständigen Parkplatz neben dem Restaurant anzulegen.
»Sieht so aus.«
»Was bedeutet, dass sie mehr Geld verlangen, als angemessen ist.« Einer der Gründe, warum meine Schwester mich heute gebeten hat, sie zu begleiten, ist mein Verhandlungsgeschick.
»Lass uns reingehen.«
»Kein Geplänkel, sobald der Kerl hier auftaucht«, warne ich sie.
Nichts zerstört die Glaubwürdigkeit mehr als nichtssagender Small Talk. Alice schüttelt nur den Kopf und verdreht die Augen.
»Du spielst den bösen Bullen«, erklärt sie mir. »Ich den guten.«
Im Inneren sieht die Bruchbude noch schlimmer aus. Der Gestank von Dreck und Schimmel dreht mir förmlich den Magen um.
»Mr. Emmerson?«, ruft Alice in den Raum, doch niemand antwortet.
Mein erster Gedanke ist, dass der Besitzer den Termin vergessen hat, doch die Tür stand offen. Andererseits ist es ja nicht so, als würde jemand in dieses Drecksloch einbrechen, selbst wenn die Tür unverschlossen wäre und ein Neonschild darüber Räum mich aus! verkünden würde. Irgendwann stampft ein Mann Mitte fünfzig auf uns zu und wischt sich den Schweiß von der Glatze. Er mustert Alice unverhohlen von Kopf bis Fuß, sein Blick ist hungrig – was sofort dafür sorgt, dass ich ihn nicht leiden kann.
Ich trete vor. »Wir haben einen Termin.«
Der Mann streckt meiner Schwester die Hand entgegen. Alice schüttelt sie einmal, bevor sie eilig zurücktritt.
»Danke, dass Sie so kurzfristig einem Treffen zugestimmt haben. Ich bin Alice Bennett und das ist mein Bruder Max.« Sie seufzt dramatisch, als sie den Raum mustert. »Unglücklicherweise ist das nicht ganz, was ich mir vorgestellt hatte.«
»Aber die Location ist herausragend«, sagt der Schleimbeutel.
Ich versenke die Hände in den Hosentaschen und schlendere durch das Drecksloch. »Ich kenne den Quadratmeterpreis in dieser Gegend. Ihre Forderung ist mindestens vierzig Prozent zu hoch angesetzt.«
Der Schleimbeutel reißt den Kopf zurück. »Ich fürchte, Sie sind falsch informiert.«
»Max«, ermahnt Alice mich sanft, was ihr gar nicht ähnlichsieht, aber es gehört zu ihrer Rolle als guter Bulle. Dann wendet sie sich an den Schleimbeutel und fügt hinzu: »Ich fürchte jedoch, dass mein Bruder recht hat. Dieses Gebäude zu renovieren, wird eine Menge Geld kosten. Ich würde sagen, diese Investition dürfte ziemlich genau den vierzig Prozent entsprechen, die Sie zu viel verlangen.«
»Vierzig Prozent weniger als im Angebot«, erkläre ich ruhig. »Nehmen Sie unseren Vorschlag an oder vergessen Sie es.«
Der Mann wischt sich die Stirn ab, offensichtlich vor den Kopf gestoßen. »Ich muss erst darüber nachdenken.«
»Perfekt«, sagt Alice. »Informieren Sie uns spätestens in drei Tagen über Ihre Entscheidung.«
»Wir werden noch zwei andere Grundstücke besichtigen«, füge ich hinzu, was dafür sorgt, dass er mich misstrauisch mustert. »Unsere Entscheidung wird auf jeden Fall diese Woche fallen.«
Das ist eine unverfrorene Lüge, aber ich kenne solche Typen. Wenn man ihnen keine Frist setzt oder Druck auf sie ausübt, funktioniert es nicht.
Alice schlendert zu dem Fenster am hinteren Ende der Immobilie und mustert mit hoffnungsvollem Blick die Aussicht, was mir verrät, dass sie das Grundstück wirklich haben will. Ich muss zugeben, die Lage ist perfekt. Als ich mich auf dem Absatz umdrehe, erwische ich den Schleimbeutel dabei, wie er meine Schwester angafft, als wollte er sie auffressen. Sofort gerät mein Blut in Wallung. Falls Alice das Grundstück wirklich kauft, muss sie sich noch mal mit ihm treffen und dann bin ich vielleicht nicht dabei. Klar, meine Schwester weiß sich zu wehren, aber sie ist sensibel und ein wenig unaufmerksam, wenn sie von etwas begeistert ist – wie jetzt gerade von der Idee ihres neuen Restaurants.
Ich mache einen Schritt auf den Schleimbeutel zu. »Wenn Sie meine Schwester noch einmal so ansehen, werde ich Ihnen Ihre Hoden so tief in den Arsch rammen, dass sie oben wieder rauskommen«, erkläre ich dem Kerl leise, damit Alice nichts mitbekommt.
Er zuckt zusammen, dann tritt er einen Schritt zurück, als wollte er so viel Abstand wie möglich zwischen uns bringen.
Meine Schwester dreht sich zu uns um und bedeutet mir mit einer Geste, dass wir gehen sollen. »Es war nett, Sie kennenzulernen, Mr. Emmerson. Ich freue mich darauf, von Ihnen zu hören.«
»Ich werde Ihnen eine E-Mail schicken«, knurrt der Schleimbeutel, während sein Blick zwischen mir und meiner Schwester hin- und herhuscht.
»Wir waren voll krass«, sagt Alice, sobald wir im Auto sitzen.
»Absolut«, stimme ich zu. »Ich wette, er schreibt dir noch heute.«
»Mmm. Aber wieso wirkte er bei unserem Aufbruch, als würde er sich jeden Moment in die Hose machen?«
»Keine Ahnung.« Ich entwickele ein intensives Interesse für einen Fleck auf der Windschutzscheibe. Auf unserer Fahrt zurück in die Stadt unterhalten wir uns über alles und nichts, bevor erneut Emilia zum Thema wird.
»Wie lang wird die Therapie dauern?«, fragt Alice.
»Vier Wochen.«
»Wow. Das ist ja nervig.«
»Erzähl mir was Neues.«
»Zumindest kannst du Zeit mit Jonesie verbringen.«
»Jepp«, antworte ich ruhig.
Doch meine Ruhe täuscht. Allein an sie zu denken, bringt mich durcheinander. Verdammt. Mit Jonesie befreundet zu sein, gehört zu den schönsten Erinnerungen meiner Kindheit, aber mit einer erwachsenen Emilia befreundet zu sein, könnte sich zu einer der größten Herausforderungen meines Lebens entwickeln.
4 Emilia
Mein Kopf pulsiert vor Schmerz, als ich nach einem langen Tag nach Hause komme. Ms Adams erklärt mir, dass Grams bereits schläft, also schnappe ich mir einen Pulli und ein Buch und verbringe den Rest des Abends auf der Veranda. Ich setze mich auf die Couch draußen und schiebe mir mein Lieblingskissen – dunkelblau mit silbernen Sternen – unter den Kopf. Doch als ich mein Buch öffne, wandern meine Gedanken zum gestrigen Wiedersehen mit Max. Jetzt, vierundzwanzig Stunden später, kann ich die Begegnung mit mehr Distanz betrachten.
Natürlich sind meine Hormone durcheinandergeraten, als ich ihn gesehen habe. Er ist ein atemberaubend gut aussehender Kerl, bei dem das Höschen jeder Frau ins Rutschen geraten würde. Nicht, dass ich vorhabe, mein Höschen fallen zu lassen oder so. Aber ich bin trotz allem eine Frau. Also hat es mich aus der Bahn geworfen, Max in all seiner Pracht zu sehen. Mehr war es allerdings auch nicht. Verwirrung.
Als ich versuche, endlich in mein Buch einzutauchen, klingelt mein Handy. Ein kurzer Blick auf das Display verrät mir, dass es eine unbekannte Nummer ist, aber ich hebe trotzdem ab.
»Hallo?«
»Schwert oder Pfeil und Bogen?«, fragt Max.
Ich grinse und setze mich so abrupt auf, dass das Buch auf den Boden rutscht. »Pfeil und Bogen natürlich.«
Als Kind haben wir am liebsten Pirat gespielt. Beim ersten Mal drückte mir Max ein improvisiertes Schwert in die Hand. Ich ließ es fallen wie eine lebende Schlange und erklärte voller Überzeugung, dass für mich nur Pfeil und Bogen infrage kämen. Darauf folgte eine langwierige Debatte über die Vorteile der jeweiligen Waffen, bevor wir uns schließlich darauf einigten, dass wir uns nicht einigen konnten. Unter Zehnjährigen bedeutete das eine ständige Schlammschlacht.
»Du triffst immer noch die falschen Entscheidungen«, sagt Max. »Das Schwert gewinnt immer.«
»Wie du meinst.« Ich grinse wie eine Idiotin. »Woher hast du meine Telefonnummer?«
»Ich habe die Klinik angerufen.«
»Aber sie geben keine Privatnummern heraus«, halte ich dagegen.
»Ich kann sehr überzeugend sein, Jonesie.«
Sein Tonfall versetzt jeden Nerv in meinem Körper in Schwingung.
»Darauf wette ich«, murmele ich. »Nun, ich bin jedenfalls froh, dass du dir meine Nummer besorgt hast.«
»Ich will mal in Ruhe reden. Wir müssen schließlich fünfzehn Jahre aufholen.«
»Dann wird das wohl ein langes Telefonat.« Mein Grinsen wird noch breiter, als ich mich wieder in die Couch sinken lasse. Es ist eine Weile her, dass mich ein Gespräch mit einem Mann mit solcher Freude erfüllt hat.
Kein Mann, Emilia. Du redest mit deinem Sandkastenfreund.
»Wir sind gut darin, uns stundenlang zu unterhalten.«
»Stimmt, aber ich muss sagen, besagte Stunden auf einem Dach zu verbringen, ist aufregender als ein Telefonat.«
Max hatte früher die Angewohnheit, sich mitten in der Nacht zu meinem Haus zu schleichen. Dann kletterten wir immer aufs Dach, damit Grams uns nicht hören konnte.
»Du fängst an«, sage ich. »Du und Bennett Enterprises wart ein paarmal in der Zeitung, aber ich will alles von dir hören.«
»Ein paar Jahre, nachdem du weggezogen bist, hat Sebastian meine Eltern gebeten, die Ranch zu verkaufen, weil er Kapital brauchte, um Bennett Enterprises zu gründen, und …«
»O nein. Ich habe eure Ranch geliebt!« Ich habe dort so viele Nachmittage verbracht, dass sie quasi ein zweites Zuhause für mich war.
»Dann wird es dich freuen zu hören, dass Sebastian sie vor ungefähr zwei Jahren zurückgekauft hat, als Geschenk zu ihrem Hochzeitstag.«
»Wow! Dein Bruder ist wirklich eine Nummer.«
»Stimmt. Meine Eltern haben ein B&B draus gemacht. Wir können gern mal vorbeischauen.«
»Das fände ich toll.« Ich verbinde so viele positive Erinnerungen mit diesem Haus. »Also, weiter im Text. Ich weiß, dass ein paar von euch für die Firma arbeiten, aber was treiben die anderen so?«
»Alice ist Besitzerin eines Restaurants und kurz davor, ein zweites zu eröffnen. Summer malt, Blake hat vor ein paar Monaten eine Bar aufgemacht und Daniel denkt darüber nach, eine eigene Firma zu gründen.«
Ende der Leseprobe