Flowers of Passion – Zärtliche Magnolien - Layla Hagen - E-Book
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Flowers of Passion – Zärtliche Magnolien E-Book

Layla Hagen

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Beschreibung

Die Erfolgsstory von USA-Today-Bestsellerautorin Layla Hagen geht weiter: Nach der »Diamonds for Love«-Reihe kommen die »Flowers of Passion«! Paige ist gerade erst zurück nach Los Angeles gezogen, als eines Abends der attraktive Kriminalpolizist Will Connor an ihrer Tür klingelt. Vom ersten Augenblick an sprühen zwischen den beiden die Funken. Unter einem Vorwand sucht Paige den ansehnlichen 33-Jährigen bereits am nächsten Tag im Polizeirevier auf und eine heiße Romanze beginnt ... Wunderbar romantisch und wahnsinnig prickelnd - USA-Today-Bestsellerautorin Layla Hagen lässt die Herzen höherschlagen!

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Aus dem Amerikanischen von Vanessa Lamatsch

© Layla Hagen 2018Titel der amerikanischen Originalausgabe:»Meant for you«, EverAfter Romance 2018© der deutschsprachigen Ausgabe:Piper Verlag GmbH, München 2020Redaktion: Anita HirtreiterCovergestaltung: zero-media.net, MünchenCovermotiv: Getty Images/ brianhaslam

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Inhalt

Cover & Impressum

1 – Paige

2 – Will

3 – Paige

4 – Will

5 – Paige

6 – Will

7 – Paige

8 – Will

9 – Paige

10 – Will

11 – Paige

12 – Will

13 – Paige

14 – Will

15 – Paige

16 – Will

17 – Paige

18 – Will

19 – Paige

20 – Will

21 – Paige

22 – Will

23 – Paige

24 – Will

25 – Paige

26 – Will

Epilog

Dank

1

Paige

»Darauf, dass unsere Truppe endlich wieder vereint ist!«, rief Luna und hob ihr Glas Wein zu einem Toast.

Vor zwei Tagen war ich aus Paris zurückgekehrt und hatte sofort ein Treffen mit meinen zwei besten Freundinnen, Luna und Faith, geplant. Ich hatte sie gebeten, sich in der alten Pension meiner Großmutter mit mir zu treffen, weil ich an diesem Nachmittag hier vorbeigeschaut hatte, um nach dem Rechten zu sehen. Letztendlich hatten wir uns Pizza und Wein liefern lassen und beschlossen, hierzubleiben. Das passte gut. Wir verbanden viele schöne Erinnerungen mit diesem Haus.

»Ich kann nicht glauben, dass es hier immer noch genauso aussieht. Als wäre die Zeit stehen geblieben.«

»Bis auf die Staubschicht«, warf ich ein. Die Pension hatte ein paar Monate leer gestanden. Jetzt, wo ich zurück war, hatten meine Eltern mich gebeten, das Haus zu verkaufen.

»Wir sind so froh, dass du wieder da bist.« Faith umarmte mich mit einem Arm.

»Ich bin auch froh.« Mein dreijähriger Aufenthalt in Paris war aufregend gewesen, doch ich hatte mir nicht vorstellen können, dauerhaft in Frankreich zu bleiben. Ich gehörte nach L.A. Ich hatte meine Freundinnen, Eltern, Geschwister und Nichten total vermisst, außerdem hatte mir das kalifornische Beachlife gefehlt. Ich konnte es kaum erwarten, an den Strand zu gehen. Ich wurde schnell braun – und auch wenn mein Haar brünett war, hatte es nach ein paar Tagen in der Sonne immer einen leicht rötlichen Glanz.

»Also willst du die Pension wirklich verkaufen, hm?«, fragte Faith.

»Ja. Es geht nicht anders.« Meine Großmutter hatte ein gut laufendes Bed & Breakfast geführt, aber meine Eltern wollten ihren Ruhestand genießen, und meine Geschwister und ich arbeiteten alle in Vollzeit. Ich konnte mir nicht vorstellen, neben meinen beruflichen Verpflichtungen noch ein B&B zu führen, also war es besser, unser Erbe zu verkaufen, als die Pension herunterkommen zu lassen. Bevor wir es auf den Markt bringen konnten, waren allerdings ein paar Reparaturen am Haus nötig.

Es klingelte an der Tür, als wir gerade die leeren Pizzakartons in die Küche trugen.

»Erwartest du jemanden?«, fragte Luna.

»Nein.«

Ich eilte zur Eingangstür, riss sie auf und fand mich plötzlich einem sehr großen und äußerst attraktiven Mann gegenüber. Er musterte mich, dann sah er über meine Schulter zu Faith und Luna.

»Kann ich Ihnen helfen?«

»Ich bin Detective Will Connor.«

Ein Detective? Damit hatte ich nicht gerechnet. Durften Detectives so heiß sein? Ich hätte ihn eher für einen Schauspieler oder ein Model gehalten. Groß und gut gebaut, mit hellbraunem, leicht verwuscheltem Haar. Seine Augen waren dunkler, und sein Kinn erinnerte mich an diese Hotties in den Aftershave-Werbungen: stark, markant … sexy.

»Oh. Was führt Sie hierher?«

»Ein Nachbar hat angerufen. Meinte, er hätte hier Licht gesehen und dass das Haus ein paar Monate lang leer gestanden hätte.«

»Das war mal die Pension meiner Großmutter. Jetzt gehört sie mir. Ich bin vorbeigekommen, um nach dem Rechten zu sehen.«

»Also sind Sie die Besitzerin?«

»Das bin ich, Detective. Mein Name ist Paige Lamonica. Soll ich mich ausweisen?«

»Das ist nicht nötig. Die Nachbarn dachten, es wäre jemand eingebrochen, weil das Gebäude eigentlich leer steht. Gab es irgendwelche Hinweise auf Eindringlinge? Unbewohnte Häuser ziehen Einbrecher an«, erklärte er.

»Ich habe noch nicht alle Räume kontrolliert, aber sämtliche Türen und Fenster im Erdgeschoss sind immer noch mit Brettern vernagelt. Allerdings werde ich die bald abnehmen lassen. Ich will das Haus renovieren.«

Der Detective verschränkte die Arme vor der Brust, und zum ersten Mal bemerkte ich seinen Bizeps. Mir wurde innerlich ganz heiß. Er trug ein kurzärmliges Hemd. Ich musste mich quasi zwingen, den Blick von seinen Armen abzuwenden.

»Ihr habt auch nichts Außergewöhnliches bemerkt, oder, Mädels?«, fragte ich und drehte mich zu meinen Freundinnen um. Sie nickten stumm, denn sie waren anscheinend zu sehr damit beschäftigt, Will abzuchecken, um wirklich zu antworten. Beim Essen hatte ich vorhin erwähnt, dass ich gerne mal wieder mit einem Mann ausgehen wollte, und ich war mir sicher, dass sie gerade überlegten, ob der Detective ein geeigneter Kandidat dafür wäre. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Will.

»Sieht ganz so aus, als wären Sie umsonst gekommen. Tut mir leid, dass ich Sie von Ihrer Arbeit abgehalten habe.«

»Ich bin nicht im Dienst, aber ich war gerade in der Gegend, als die Funkmeldung hereinkam.«

»Nun, hier ist jedenfalls nichts los, außer dass ich mich mit meinen alten Freundinnen auf den neuesten Stand bringe und wir drei Tage zu spät den 4. Juli feiern.«

»Stellen Sie sicher, dass das Ganze nicht zu laut wird.« Er klang, als wolle er mich aufziehen.

»Wieso, Detective? Verhaften Sie uns sonst?«, fragte ich neckend.

Etwas funkelte in diesen dunklen Augen und sorgte dafür, dass sich mein Magen verkrampfte. Seine Lippen verzogen sich zu einem atemberaubenden Lächeln. Nun ja, ehrlich gesagt, war dieser Mann insgesamt atemberaubend.

»Da Sie nicht im Dienst sind, können wir Ihnen dann vielleicht etwas zu trinken anbieten, um die Unannehmlichkeiten wiedergutzumachen?«, fragte Luna.

»Ich bin auf dem Weg zu einem Treffen, aber danke für die Einladung.« Er zog eine Visitenkarte aus seiner hinteren Hosentasche und gab sie mir. »Das ist meine Nummer, Paige. Falls Sie irgendwelche Hinweise auf einen Einbruch finden, rufen Sie mich an.«

»Natürlich.«

»Ich wünsche noch einen schönen Abend, Ladys.«

Ich schloss die Tür und drehte mich zu meinen Freundinnen um.

»Wer hätte gedacht, dass Detectives so sexy sein können?«, fragte Luna.

Faith klatschte in die Hände. »Ich jedenfalls nicht. Aber jetzt, wo ich es weiß, wird es wahrscheinlich Zeit, auch Polizisten in meinen Dating-Pool aufzunehmen.«

Ich ließ die Fingerspitzen über die Visitenkarte gleiten. Detective William Connor. Darunter standen eine Handynummer und die Adresse eines Polizeireviers. Ich steckte die Karte ein.

Wir gingen durchs Haus und suchten nach Einbruchspuren. Alle Bretter im Erdgeschoss befanden sich noch an ihrem Platz. Und obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass Diebe durch die Fenster im ersten Stock einstiegen, überprüften wir auch diese. Die Pension war verschont geblieben.

»Ich würde sagen, dann ist es nun höchste Zeit, euch eure Geschenke zu geben«, verkündete ich, als wir ins Wohnzimmer zurückkehrten. Beide quietschten und umarmten mich. Ich hatte einen ganzen zusätzlichen Koffer voller Mitbringsel für Freunde und Familie mitgebracht … und für meine Kollegin Ashley. Sie und ich hatten nach dem College gleichzeitig bei Three Emeralds angefangen, einem gemeinnützigen Unternehmen, das sich darauf konzentrierte, die Lebensumstände von Menschen in Schwierigkeiten zu verbessern. Als die Stelle im Pariser Büro ausgeschrieben wurde, hatte Ashley abgewinkt, weil sie der Meinung war, sie hätte hier mit einem Ehemann und zwei Kindern zu viele Verpflichtungen. Ich hatte mich unglaublich über die Gelegenheit gefreut, für einige Zeit im Ausland zu leben – und dann auch noch in Frankreich. Das Team dort war um einiges größer, und ich hatte viel von meinen Kollegen gelernt. Ich hatte meine Unabhängigkeit immer zu schätzen gewusst, aber in letzter Zeit drängte sich mir das Gefühl auf, dass ein paar Bindungen vielleicht gar nicht so schlecht wären. Vielleicht sollte ich endlich Wurzeln schlagen. Womöglich kam mein Sinneswandel ja daher, dass ich auf den Hochzeiten meiner zwei Schwestern und meines Bruders gewesen war. Ich hatte keine Ahnung, woran es genau lag, doch diese Idee hatte ich mir in den Kopf gesetzt.

»Wie wäre es mit Musik?«, fragte Faith, als sie sich noch ein Glas Wein eingoss.

»Ich habe eine tolle Playlist.« Ich zog mein Handy heraus und tippte auf dem Display herum, um die Liste mit den fröhlichen, schnellen Liedern zu finden. Als ich die Lautstärke voll aufdrehte, fragte ich mich, ob die Nachbarn wohl etwas hören konnten und ob sie gleich vor der Tür auftauchen würden, um uns aufzufordern, leiser zu sein. Oder ob sie die Ruhestörung der Polizei melden würden. Würde dann dieser heiße Detective noch mal vorbeischauen?

2

Will

Ich gluckste immer noch in mich hinein, als ich davonfuhr. Obwohl solche Besuche für gewöhnlich von Streifenpolizisten ausgeführt wurden, war ich froh, dass ich vorbeigeschaut hatte. Die kleine Brünette mit dem unordentlich hochgebundenen Haar hatte mir echt den Abend versüßt, wie sie da in diesem kurzen Kleid stand, das ihre tolle Figur betonte, und mich fragte, ob ich sie jetzt verhaften wollte. Statistisch gesehen, waren leer stehende Gebäude nun einmal Einbrechermagneten.

Ich fuhr direkt zu dem Restaurant, in dem in ein paar Wochen die Hochzeit meiner Schwester Lori stattfinden würde. Sie hatte mich zur Menü-Verkostung eingeladen. Ich kam gleichzeitig mit meinem jüngeren Bruder Jace an. Lori und ihr Verlobter, Graham, saßen bereits an einem Tisch.

»Hey! Lange nicht gesehen«, witzelte ich. Wir hatten erst letzten Freitag zusammen zu Abend gegessen, wie jede Woche. »Nur wir vier?«

»Val wird ein paar Minuten später kommen«, erklärte Lori und bezog sich damit auf unsere älteste Schwester. Ich wusste, dass unsere anderen beiden Geschwister, Landon und Hailey, es nicht schaffen würden, doch es überraschte mich, dass auch Loris achtjähriger Sohn fehlte.

»Wo ist Milo?«, fragte ich Lori.

»Hat verkündet, dass er den Abend lieber mit seiner Freundin Jilly verbringt.«

Kurz darauf kam Val an. Während der Vorspeise besprachen Lori und sie, was für die Hochzeit noch alles vorzubereiten war.

Beim Hauptgang richtete Val ihre Aufmerksamkeit dann auf Jace und mich. »Also, werdet ihr beide vielleicht doch in Begleitung kommen?«

Jace stieß einen Pfiff aus, zog einen Fünf-Dollar-Schein aus der Tasche und gab ihn mir. »Du hast gewonnen.«

»Wie immer.« Ich steckte den Schein ein und grinste, als Val uns neugierig musterte. Ich mochte dreiunddreißig sein, aber zu einer kleinen Wette sagte ich nie Nein.

»Worum ging es bei der Wette?«

»Wie lange es dauern wird, bis du oder Lori diese Frage stellst. Jace hat geglaubt, ihr würdet euch bis zum Dessert Zeit lassen. Ich habe auf den Hauptgang gesetzt.«

Val lachte. »Es wäre eine gute Verteidigungsstrategie, in Begleitung zu erscheinen. Wir können euch jedenfalls nicht vor Pippa retten.«

Damit hatte sie nicht ganz unrecht. Hochzeiten waren immer gute Gelegenheiten für die wohlmeinenden Mitglieder unserer weitläufigeren Familie, sich in unser Leben einzumischen – und meine Cousine Pippa spielte gern die Kupplerin. Sie war auch ziemlich gut darin … zumindest, soweit es ihre eigenen Geschwister anging. Meine Bennett-Cousins – alle neun von ihnen – hatten innerhalb weniger Jahre geheiratet. Pippa gab gerne damit an, durchaus dazu beigetragen zu haben, dass ein paar von diesen Paaren sich gefunden hatten. Jace und ich waren ihren Einmischungen schon bei Landons Hochzeit nur knapp entkommen. Ich ging nicht davon aus, dass mir solches Glück noch mal vergönnt sein würde, aber ich würde trotzdem allein auftauchen. In den letzten Monaten hatte ich Dates mit vielen Frauen gehabt, allerdings war es nie zu einem zweiten Treffen gekommen. Und schließlich wollte ich nicht einfach irgendwen auf die Hochzeit meiner Schwester mitnehmen.

Jace hatte andere Probleme. »Ich kann niemanden mit zur Hochzeit bringen, weil das in allen Zeitungen stehen würde. Das könnte einen falschen Eindruck erwecken.«

Val trommelte lächelnd mit den Fingern auf den Tisch. »Du meinst, sie könnten davon ausgehen, dass der heißeste Spieler der Fußballwelt vom Markt ist?«

GQ hatte unserem Bruder dieses Jahr diesen Titel verliehen, und Jace erntete gerade die Früchte davon – im positiven wie im negativen Sinn.

»Genau.«

»Und das wäre doch wirklich eine Tragödie, nicht wahr?«, fragte Lori grinsend.

»Mädels, hört auf, euren Bruder zu schikanieren«, sagte Graham. Ich mochte ihn, auch wenn ich es immer noch seltsam fand, Lori, Milo und Graham als Einheit zu sehen. Jahrelang hatte es ausschließlich Lori und Milo gegeben, da Milos Idiot von leiblichem Vater sich schon vor seiner Geburt verdünnisiert hatte. Ich hatte versucht, dem Jungen nicht nur ein Onkel zu sein, sondern auch als Vaterfigur zu fungieren und ihm alles weiterzugeben, was ich von meinem verstorbenen Dad gelernt hatte. Jetzt, wo es Graham gab, musste ich diese Rolle nicht mehr übernehmen. Das fehlte mir, aber ich konnte auch nicht leugnen, dass es durchaus seine Vorteile hatte, einfach den unterhaltsamen Onkel spielen zu dürfen.

»Vergiss es«, antwortete Val. »Sie spielen die überbehütenden Brüder, wir schikanieren sie. Es ist nichts umsonst.«

Jace schüttelte spöttisch den Kopf. »Aber danke für den Versuch, Graham.«

Ich genoss es unglaublich, Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

»Will, ist deine Hütte in der Woche nach der Hochzeit vermietet?«, fragte Lori. »Wir haben uns immer noch nicht entschieden, wo wir die Flitterwochen verbringen wollen, aber ich liebe diesen See und deine Hütte.«

»Lass mich das mal checken.« Ich zog mein Handy heraus, um in meinen Aufzeichnungen nachzusehen. Während meiner Zeit am College hatte ich mehrere kleine Hütten in Kalifornien gekauft, die ich vermietete. Die jeweiligen Verwalter schickten mir die Buchungen zu, sobald sie sie erhielten.

»Ist frei. Ich werde meiner Verwalterin sagen, dass sie diesen Zeitraum freihalten soll, bis ihr euch entschieden habt.«

Lori sah Graham an und klimperte mit den Wimpern. Lachend drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn und sagte dann zu mir: »Wir nehmen sie.«

Es war schon nach Mitternacht, als wir das Restaurant verließen. Mein Heimweg führte mich an Paiges Pension vorbei. Wenn immer noch Licht brannte, wollte ich mit ihr über eine Alarmanlage sprechen. Bei einem so großen Grundstück brauchte sie eine der teureren Varianten mit Bewegungsmeldern – zumindest an den Fenstern im Erdgeschoss.

Als ich ankam, waren alle Lichter ausgeschaltet. Die tiefe Enttäuschung, die ich empfand, überraschte mich. Ich hatte vermutet, dass die Party die ganze Nacht dauern würde, so aufgeregt, wie die drei Frauen gewirkt hatten. Bei der Erinnerung an Paiges Kurven reagierte mein Körper sofort. Sie war klein genug, dass ich sie mit einem Arm hochheben konnte. Ich wette, diese Beine würden sich um meinen Körper geschlungen fantastisch anfühlen.

Lachend vertrieb ich dieses Bild aus meinem Kopf. Verdammt, ich hatte sie nicht mal nach ihrer Telefonnummer gefragt. Aber ich nahm mir fest vor, das bei der nächsten Gelegenheit nachzuholen.

Am nächsten Nachmittag erwartete mich eine angenehme Überraschung. Als ich gerade mit meinem Vorgesetzten in seinem Büro einen Fall diskutierte, drang eine vertraute Stimme durch die offene Tür. Bildete ich mir das nur ein, weil ich die ganze Nacht an Paige gedacht hatte? Weil ich vorhatte, heute bei ihrer Pension vorbeizuschauen, um sie nach ihrer Telefonnummer zu fragen? Ich drehte mich um, und tatsächlich, da war sie. Was wollte sie hier? War etwas passiert? Sie stand halb von mir abgewandt und unterhielt sich mit einem Officer. Ich konnte keine Anzeichen entdecken, dass sie in einen Unfall verwickelt gewesen oder angegriffen worden wäre.

»Will?«

»Entschuldigung, Sir. Eine … Bekannte ist gerade gekommen. Können wir dieses Gespräch verschieben, damit ich mich um sie kümmern kann?«

Ich war schon aufgestanden, bevor er auch nur genickt hatte. Mit großen Schritten ging ich an den Schreibtischen vorbei, direkt zu Paige. Als ich näher kam, konnte ich sie besser erkennen. Sie wirkte weder verletzt noch verängstigt und unterhielt sich gerade mit einem unserer jüngsten Officer, Stan. Er war sehr eifrig darauf bedacht, ihr zu helfen. Zu eifrig. Er stand zu nah vor ihr und grinste dümmlich.

»Paige, was tust du hier?«

Sie brach mitten im Satz ab und drehte sich zu mir um. Ihre Lippen waren sogar noch verlockender als in meiner Erinnerung. Sie trug das Haar offen, sodass es ihren Hals verbarg, doch das bisschen Haut, das ich sehen konnte, schrie förmlich nach Küssen.

»Hi, Will. Ich habe mich in der Pension umgesehen, wie du vorgeschlagen hast. Konnte keine Anzeichen von Vandalismus entdecken, aber jemand hat die Seitenspiegel meines Autos gestohlen, das ziemlich lange im Garten stand. Ich habe Fotos gemacht und würde gerne Anzeige erstatten, weil ich das für meine Versicherung brauche.«

»Ich übernehme«, verkündete ich.

»Aber das gehört zu meinem Job«, protestierte Stan, weil er offensichtlich mehr Zeit mit Paige verbringen wollte. Ein Muskel an meinem Kinn begann zu zucken.

»Ich habe gesagt, ich übernehme.«

Stan war klug genug, keinen Vorgesetzten herauszufordern … selbst wenn er recht hatte. Doch ich hatte nicht vor, dem übermäßig hilfsbereiten Stan diese Sache zu überlassen.

»Ich wollte eigentlich erst anrufen, um zu fragen, ob du da bist, aber ich habe deine Visitenkarte verloren«, sagte sie. »Ich habe die Adresse des Reviers gegoogelt.«

Ich wies Paige den Weg zu meinem Schreibtisch, wobei ich einen Schritt hinter ihr ging. Ihre Hüften schwangen bei jedem Schritt, und ich spürte den plötzlichen Drang, herauszufinden, ob die Haut an ihren Schenkeln genauso glatt war wie die an ihren Oberarmen. Alles an dieser Frau war verführerisch.

Als wir meinen Schreibtisch erreichten, holte ich einen Stuhl von einem unbesetzten Schreibtisch, und wir setzten uns. Dann suchte ich in der Datenbank nach den Formularen, die wir brauchten. Paige verschränkte die Beine, und ich konnte einfach nicht anders, als hinzuschauen. Ihre Schenkel waren straff und muskulös, wie die einer Läuferin oder Schwimmerin. Sie würden atemberaubend aussehen, wenn sie um meine Hüften lagen, während ich sie an die Wand presste und mich mit ihr vergnügte. Ich hatte gedacht, meine Reaktion am Vorabend wäre darauf zurückzuführen gewesen, dass sie in diesem kurzen Kleid und dem unordentlich hochgebundenen Haar so … zerzaust ausgesehen hatte. Doch jetzt war Paige sorgfältig zurechtgemacht, und ich verzehrte mich immer noch danach, herauszufinden, wie ihre Beine sich um meinen Körper anfühlen würden.

Ich konzentrierte mich auf die Formulare, als wir sie gemeinsam ausfüllten. Als ich Paiges Führerscheinnummer aufrief, scrollte ich durch ein paar der Informationen.

»Paige … du hattest ein Dutzend Strafzettel?«

Ich sah sie an. Sie errötete, wandte den Blick aber nicht ab.

»Die habe ich bekommen, bevor ich nach Paris gegangen bin. Ich habe alle bezahlt.«

»Ein Dutzend Strafzettel innerhalb von zwei Wochen – wie hast du das denn geschafft?«

Sie zuckte mit den Schultern. Der Riemen ihres Kleides verrutschte ein wenig und gab den Blick auf mehrere Sommersprossen frei.

»Ich konnte mein Auto nicht mit nach Paris nehmen, und dieses Baby läuft so wunderbar, dass ich mich anständig verabschieden wollte.«

Ich ließ mich in meinem Stuhl nach hinten sinken und stieß ein Lachen aus. Heute Morgen hatte ich schreckliche Laune gehabt. Ein Fall, an dem ich gerade arbeitete, hatte sich als ziemlich schwierig herausgestellt, was immer an mir nagte. Doch Paige hatte meine Laune verbessert, als hätte sie einen Schalter umgelegt.

»Die meisten Leute würden so was nicht zugeben.«

»Ich habe damals versucht, meinen Charme einzusetzen, um die Strafzettel zu vermeiden, aber mein Süßholzraspeln hat nicht geholfen.«

Irgendetwas an der Art, wie sie Süßholzraspeln aussprach, sorgte dafür, dass ich mich aufrechter hinsetzte.

»Du hast versucht, mit einem Polizeibeamten zu flirten?«

»Ist das etwa eine Straftat?« Sie schob ihr Kinn vor und klang plötzlich herausfordernd. Ich wollte diesen frechen Mund küssen.

»Nein.«

Wäre ich derjenige gewesen, der Paige erwischt hätte, hätte ich definitiv Gnade vor Recht ergehen lassen, wenn sie mit mir geflirtet hätte.

»Na ja, hat sowieso nicht funktioniert.«

»Das wird echt immer interessanter. Du kommst her, um Anzeige gegen unbekannt zu erstatten, und ich finde heraus, dass du eine gewohnheitsmäßige Gesetzesbrecherin bist.«

In ihren Augen brannte Feuer. Und in diesem Moment wollte ich sie nicht nur küssen. Ich wollte sie auf den Schreibtisch drücken, ihre Handgelenke über ihrem Kopf festhalten und sie gleich hier nehmen – jetzt sofort, während das halbe Revier zusah. Herrgott, ich kannte diese Frau doch überhaupt nicht!

Paige überschlug die Beine in die andere Richtung. Ich sah sie direkt an, bis sie den Blickkontakt abbrach und ihre Zunge über ihre Unterlippe gleiten ließ. Ich wollte das ebenfalls tun. Vielleicht sogar leicht hineinbeißen.

»Fahr nicht mehr zu schnell«, sagte ich schließlich.

Paige tat so, als würde sie mir salutieren. »Ja, Sir.«

»Und du solltest eine Alarmanlage in der Pension einbauen.«

»Warum?«

»Unbeaufsichtigte Baustellen ziehen Einbrecher an.«

»Ich werde mich informieren. Auf keinen Fall möchte ich, dass jemand in die Pension einsteigt.« Es schwang eine Menge Zuneigung in ihren Worten mit.

»Du hängst an diesem Haus.«

»Ja. Es gehörte meiner Großmutter. Meine gesamte Familie liebt die Pension, aber es ist am klügsten, sie zu verkaufen. Wir werden wahrscheinlich eine ordentliche Abschiedsparty schmeißen, bevor wir die Schlüssel an den neuen Besitzer übergeben.«

Mir gefiel, wie warm ihre Stimme klang, wenn sie über ihre Familie sprach.

»Ich werde mal auf Amazon nach einer Alarmanlage suchen und schauen, ob sie schnell liefern können.«

»Es ist einfacher und geht schneller, wenn du in ein Fachgeschäft gehst.« Ich zog ein Post-it von einem Block neben meinem Computer, da ich ihr die Adresse geben wollte, doch dann kam mir eine bessere Idee.

»Ich werde dich zu dem Laden begleiten. Er liegt bloß ein paar Blocks von hier.«

»Das musst du nicht tun, aber ich nehme das Angebot gerne an, weil ich das sonst nur auf die lange Bank schiebe und nie wirklich mache.«

»Hast du jetzt gerade Zeit?« Es war sechs Uhr. Der Laden hatte bis acht Uhr geöffnet. Ich konnte sie hinterher zum Essen ausführen.

»Leider nicht, denn ich bin zum Abendessen verabre-det.«

Ich nickte angespannt. Ging sie mit einem Mann aus? Der Gedankte störte mich mehr, als ich zugeben wollte.

»Dann morgen?«, drängte ich.

Paige lachte. »Du glaubst, ich brauche so dringend Schutz?«

»Deinen Strafzetteln zufolge muss die Stadt eher vor dir geschützt werden.«

»Touché, wie die Franzosen gerne sagen. Morgen geht. Passt es dir um sechs?«

»Na klar. Dann treffen wir uns direkt vor dem Laden.« Ich schrieb die Adresse auf den Klebezettel und gab ihn ihr anschließend zusammen mit einer weiteren Visitenkarte von mir. »Verlier sie nicht wieder.«

Paige öffnete ihre Tasche und zog ihren Geldbeutel heraus. »Siehst du? Ich stecke sie sicher ein. Die andere hatte ich schnell zur Seite gelegt, und sie muss versehentlich in den Müll gekommen sein.«

»Ich bin hier irgendwie im Nachteil. Ich habe deine Nummer nicht«, sagte ich, als wir beide aufstanden.

»Oh, natürlich. Du solltest sie haben, für den Fall, dass etwas dazwischenkommt und du nicht kommen kannst.«

Genau, als würde das passieren, dachte ich, als sie ihre Telefonnummer auf ein Post-it schrieb. Dabei beugte sie sich über den Schreibtisch, sodass ich in ihren Ausschnitt sehen konnte. Mannomann, sie war atemberaubend. Mir lief förmlich das Wasser im Mund zusammen, als ich daran dachte, meine Zunge über die Haut zwischen ihren Brüsten gleiten zu lassen und ihre Nippel zu liebkosen.

Hinterher schüttelte ich Paige die Hand und ließ sie nicht aus den Augen, bis sie den Raum verlassen hatte. Da sie so unbekümmert wirkte, konnte ich nicht einschätzen, ob sie die Notwendigkeit einer Alarmanlage wirklich ernst nahm. Doch deswegen gab es ja Menschen wie mich: um Leute wie sie zu beschützen.

3

Paige

Als ich mich am nächsten Morgen für die Arbeit fertig machte, achtete ich viel zu sehr auf mein Aussehen. Ich band mein Haar zu einem hohen Pferdeschwanz, nur um den Haargummi dann wieder herauszuziehen, sodass meine Locken wild um meinen Kopf fielen. Ja, ich sollte sie auf alle Fälle offen tragen. Aber was spielte das überhaupt für eine Rolle? Ich wollte bloß eine Alarmanlage kaufen. Ich hatte keine Ahnung, wieso ich mich so benahm. Na ja, irgendwie doch. Ich wollte einen guten Eindruck hinterlassen, wenn ich mich heute mit Will traf. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mich für einen ziemlichen Wirrkopf hielt. Und dieses Bild, das er wahrscheinlich von mir hatte, wollte ich richtigstellen. Mein Dad war in der Army gewesen, und ich hatte viel Zeit mit Kollegen von ihm verbracht, also war diese ganze Dienstmarken/Uniform-Sache für mich nicht besonders attraktiv. Ganz im Gegenteil sogar. Doch ich bekam Will einfach nicht aus dem Kopf.

Ich gähnte, obwohl ich bereits zwei Tassen Kaffee getrunken hatte. Ich hatte in den letzten zwei Nächten kaum geschlafen. Verdammter Jetlag.

Nur gut, dass ich mich in den ersten beiden Tagen bei der Arbeit noch nicht allzu sehr konzentrieren musste. Ich hatte mich erst einmal an meinem Schreibtisch eingerichtet und etwas Papierkram erledigt. Im Büro hatte sich während meiner Abwesenheit nicht viel verändert. Unsere Räumlichkeiten befanden sich immer noch im Erdgeschoss eines Hochhauses … und selbst das Team war dasselbe.

»Ich kann nicht glauben, dass du Paris aufgegeben hast«, sagte Ashley zum gefühlt tausendsten Mal.

»Ich habe die Stadt nicht aufgegeben. Wir haben einfach nicht zusammengepasst.«

»Mädel, hätte ich nicht einen Ehemann und zwei Kinder, würde ich sofort umziehen.«

»Glaub mir, Ashley, Paris ist gar nicht so toll, wie alle immer denken. Sicher, die Touristenattraktionen sind der Hammer. Der Eiffelturm und diese köstlichen Macarons. Aber die Stadt ist vollkommen überfüllt und die Mieten sind horrend. Ich habe die Hälfte meines Gehaltes für ein winziges Appartement am Stadtrand ausgegeben. Die Pendelei hat mich so viel Zeit gekostet, dass ich quasi keine Zeit für etwas anderes hatte als arbeiten und schlafen.«

Ashley seufzte. »Zerstöre mir meine Träume nicht mit praktischen Problemen.«

Doch solche Dinge gehörten nun einmal zum Leben. Ich hatte nie vorgehabt, dauerhaft nach Paris zu ziehen, sondern hatte das Ganze einfach als wertvolle Erfahrung gesehen. Ich war Projektleiterin, und dort drüben hatte es eine größere Auswahl gegeben. Aber ich war davon überzeugt, dass ich hier mehr bewirken konnte … und das war schließlich, was wirklich zählte. Außerdem hatte ich jetzt die Möglichkeit, ein neues Projekt zu starten. Ich musste noch ein paar Details mit meinem Boss besprechen, doch damit wollte ich warten, bis mein Jetlag nicht mehr so schlimm war.

Mit diesem Plan war es vorbei, als mein Boss an die offene Tür klopfte.

»Paige, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um über das Bildungszentrum-Programm zu reden?«

Es war ein ganz, ganz schlechter Zeitpunkt. Mein Hirn war noch nicht so richtig angesprungen. Aber so was sagte man seinem Chef nicht.

»Sicher.«

»Dann lasse ich euch beide mal allein«, meinte Ashley. Sobald sie verschwunden war, kam Greg auch schon auf den Punkt.

»Ich hatte damit gerechnet, dass wir dich für immer an Paris verlieren.«

Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er darauf gehofft hatte, ich würde nicht zurückkommen. Greg war nicht gerade mein größter Fan. Er sah mich als direkte Konkurrenz, obwohl ich seinen Job gar nicht wollte. Die Abneigung beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit. Greg hatte eine Tendenz zur Frauenfeindlichkeit, die sich hin und wieder bemerkbar machte. Als ich mit einundzwanzig hier angefangen hatte, hatte er mir Angst eingejagt. Sieben Jahre später hatte ich gelernt, ihn einfach zu ignorieren.

»Ich habe mir das Dossier angesehen. Dein Plan ist ganz schön mutig.«

Ich wollte ein Bildungszentrum für Leute gründen, die auf der Straße aufgewachsen waren. Theoretisch sollte so etwas gar nicht möglich sein, doch es fielen genug Leute durch die Raster des Sozialsystems, sodass sie als Erwachsene quasi ohne Bildung oder Berufsfähigkeiten dastanden … was dafür sorgte, dass sie auch weiterhin auf der Straße leben mussten. Es war ein Teufelskreis. Und wir konnten etwas daran ändern; konnten ihnen Fähigkeiten vermitteln, mit denen sie einen Job finden konnten. Ich spielte schon mit dem Gedanken, seitdem ich das letzte Mal in L.A. zu Besuch gewesen war. Damals war ich einer Gruppe obdachloser Teenager begegnet. Sie hatten Hoffnungen und Träume wie alle anderen Menschen, aber absolut keinerlei Möglichkeit, sie auch wahr werden zu lassen. Meine Eltern hatten immer hart gearbeitet, damit meine Geschwister und ich alles bekamen, was wir brauchten. Wo wären wir heute, wenn es nicht so gewesen wäre? Ich wusste, dass ich einen gewissen emotionalen Abstand zu meinen Projekten halten sollte, doch ich konnte einfach nicht anders. Dieses Projekt war mir ein persönliches Anliegen.

»Ich kann es hinkriegen. In Frankreich hat auch niemand geglaubt, dass ich es schaffe, ein europaweites Programm aufzubauen. Aber genau das habe ich getan.«

»Du verhandelst hart. Ich sehe, dass Paris dich nicht nachgiebiger gemacht hat.«

»Bestimmt nicht.«

»Mir wäre es lieber, wenn du dich auf andere Dinge konzentrierst.«

»Es ist nicht das einzige Projekt, an dem ich arbeiten werde.« Doch es war das, das mir am meisten bedeutete.

»Keine Zuschussfinanzierung für dieses Projekt.«

»Wieso nicht?«

»Weil wir dafür eine Quote haben und ich die Mittel lieber für andere Projekte einsetzen würde. Konzentrier dich auf private Spender.«

Das machte meinen Job um einiges schwieriger.

»Ich mache dir einen Vorschlag: Bring mir Patronatserklärungen für mindestens fünfundzwanzig Prozent der Finanzierung von privaten Spendern, und ich denke noch einmal darüber nach. Du weißt ja, wie es läuft.«

Das wusste ich allerdings – weswegen mir auch sofort klar war, dass Greg sich von fünfundzwanzig Prozent nicht beeindrucken lassen würde. Ich musste mindestens fünfzig Prozent privat finanzieren, um ihn davon zu überzeugen, dass es keine Zeitverschwendung war.

»Ich lasse dich dann mal wieder allein, damit du dich einrichten kannst. Halt mich auf dem Laufenden.«

»Werde ich.«

Kaum war Greg verschwunden, tauchte Ashley wieder auf und lehnte sich an meinen Schreibtisch, um mir den neuesten Tratsch zu erzählen. Erst am Nachmittag begann ich langsam, mich wieder wie ein Mensch zu fühlen, also stellte ich eine Liste von Firmen zusammen, die ich wegen der Finanzierung ansprechen konnte. Mit den meisten davon hatte ich bereits zusammengearbeitet. Und ich hatte auch in meiner Zeit in Paris mit ihnen Kontakt gehalten, weil ich schon früh verstanden hatte, wie wichtig Networking war. Doch ich musste jeder Firma mein Projekt individuell schmackhaft machen. Einige wären sicherlich an der Sache selbst interessiert … für andere zählte nur, wie viel PR sie aus ihren Spenden rausquetschen konnten. Die meisten Firmen spendeten, weil es im Jahresabschluss und auf ihrer Webseite gut aussah. Aber Geld war Geld.

Ich setzte mich in eines meiner Lieblingscafés in Venice Beach, um an den Präsentationen zu arbeiten. Es lag ein gutes Stück von der Promenade und den Touristen entfernt. Greg war ziemlich egal, wo seine Angestellten arbeiteten – einer der wenigen Punkte, die ich an ihm schätzte. Und jetzt, wo ich wieder in L.A. weilte, hatte ich vor, die Sonne so gut wie möglich auszunutzen. Ich genoss es, den feinen Sand unter meinen Füßen zu spüren, als ich mir Sonnencreme auf Gesicht und Dekolleté schmierte. Dann setzte ich mich in den Außenbereich des Cafés, einen großen Sonnenhut auf dem Kopf, und bastelte mehrere Stunden an meinen Präsentationen. Als ich aufbrechen musste, um mich mit Will zu treffen, hatte ich gerade mal drei von einundzwanzig Pitches fertig. Ich hatte diese Woche noch viel zu tun.

Doch zuerst ging ich auf die Toilette und musterte mich im Spiegel. Trotz der Sonnencreme war meine Nasenspitze gerötet. Das war der erste Schritt auf dem Weg zu einer guten Bräunung. Der zweite Schritt bedeutete, dass ich eine Woche lang aussah wie ein Hummer, bevor meine Haut eine goldbraune Färbung annahm.

Ich frischte mein Make-up auf und trug erneut Mascara auf. Ich hatte meine Bürste zu Hause vergessen, also kämmte ich meine wilde Mähne mit den Fingern aus.

Will lehnte locker an der Wand vor dem Laden, als ich ankam. Ich musterte ihn genau. Das markante Kinn mit leichtem Bartschatten, seine hohen Wangenknochen …

Er trug eine schwarze Lederjacke, die seine breiten Schultern und muskulösen Arme eng umschloss. Die Jacke stand offen, also konnte ich seinen Oberkörper sehen. Nicht nur sein Gesicht war atemberaubend. Ich konnte es einfach nicht fassen, wie attraktiv er war.

Dann bemerkte ich das Motorrad ein paar Schritte entfernt. Wow. Noch ein paar Punkte mehr zum Sexy-Faktor. Nur gut, dass er nicht mit dieser Jacke auf meiner Türschwelle gestanden hatte.

»Guten Abend, Detective.« Ich ging zu ihm, und sofort fiel sein Blick auf meine Nase. Ich vermutete, dass ich inzwischen aussah wie Rudolph das Rentier.

»Du warst in der Sonne.«

Ich nickte, nahm meinen Sonnenhut ab, rollte ihn zusammen und versenkte ihn in meiner Tasche.

»Habe den halben Tag in einem Café in Venice Beach gearbeitet, an einem Außentisch.«

»Was arbeitest du?«, fragte er, als wir den Laden betraten, in dem alle Regale mit Elektronik gefüllt waren.

»Ich bin Projektleiterin bei einer gemeinnützigen Organisation: Three Emeralds. Du hast vielleicht schon davon gehört.«

»Natürlich habe ich davon gehört.« Er wirkte erstaunt, als hätte er Probleme, den Job mit der Frau vor sich in Einklang zu bringen.

»Du hast etwas ganz anderes erwartet, stimmt’s?«

»Ich dachte, du wärst in der Modebranche. Hättest vielleicht gemodelt, weil du Paris erwähnt hast.«

Er schaute nach unten, und ich fühlte förmlich die Hitze in seinem Blick. Meine Nippel wurden hart.

»Du hast doch auch nicht gedacht, dass ich Detective bin, als du mich getroffen hast, oder?«, fragte er.

»Na ja. Nein. Ich dachte, du wärst Schauspieler.«

Er zwinkerte mir zu, dann richtete er sich auf und nahm die Schultern zurück. Die Dienstmarke an seinem Gürtel blitzte auf, als er auf ein Regal rechts von uns zeigte. »Halt dich an diese Modelle. Sie sind teurer, aber auch schwerer auszutricksen. Altmodische Alarmanlagen können Diebe inzwischen problemlos ausschalten.«

Er erklärte mir die Vor- und Nachteile verschiedener Modelle. Für mich klang das alles gleich, also hatte ich vor, mich auf mein Bauchgefühl und den Preis zu verlassen. Ich brauchte keine schicken Zusatzfunktionen, doch das hielt Will nicht davon ab, mir die neuesten Modelle genau zu erläutern.

Ich stellte fest, dass ich mehr auf ihn achtete als auf seine Worte. Seine Arme waren echt unglaublich. Er hatte die Jacke ausgezogen. Darunter trug er ein schwarzes Shirt mit kurzen Ärmeln, die eng an seinem Bizeps anlagen.

»Pass auf. Nicht jeder, der an deine Tür klopft, wird so harmlos sein wie ich. Oder so gut aussehend.«

Er wackelte mit den Augenbrauen, und ich konnte mein Lachen nicht unterdrücken. »Das hast du gerade nicht wirklich gesagt.«

»Und ob ich das habe. Willst du mir etwa widersprechen?«

»Vielleicht.«

»Also dachtest du, ich wäre Schauspieler, weil ich so hässlich bin?«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und bemühte mich, eine schlagfertige Antwort zu finden. Doch ich hatte so eine Ahnung, dass ich endlich dem Richtigen begegnet war.

»Ich kann nicht glauben, dass du mich dafür bestrafst.«

»Ich bestrafe dich nicht. Ich amüsiere mich nur zu gut, um dich nicht zu ärgern.«

»Schlechte Manieren, Detective. Man sorgt nicht zum persönlichen Amüsement dafür, dass andere sich unwohl fühlen.«

Er trat ein wenig näher heran. »Sorge ich dafür, dass du dich unwohl fühlst, Paige?« Er beugte sich leicht vor, sodass er mir noch näher kam. »Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Für mich sieht es ganz so aus, als würdest du dich auch amüsieren.«

Ja, ich war dem Richtigen begegnet, daran bestand kein Zweifel. Ich war sprachlos … und die Antwort auf seine Frage lautete: Ja. Ich amüsierte mich. Lächerlich, oder? Ein Ausflug, um eine Alarmanlage zu kaufen, sollte nicht so viel Spaß machen.

Ich brach den Blickkontakt ab und fand endlich meine Stimme wieder. Auf keinen Fall wollte ich das unkommentiert lassen.

»Du bist so was von eingebildet.« Ich zog einen Karton aus dem Regal, und wir gingen Richtung Kasse.

»Meine Schwestern würden dir da zustimmen.«

»Gut zu wissen. Wie viele hast du?«

»Drei.«

»Große Familie.«

»Und zwei Brüder.«

»Sind die auch so großspurig?«

»Sie bemühen sich. Aber es ist echtes Talent nötig, um überzeugend zu wirken.«

Mein gesamter Körper zitterte vor Lachen, als ich die Alarmanlage bezahlte.

»Danke für die Beratung«, sagte ich, als wir den Laden verließen. Der Himmel hatte sich zu dunklem Orange verfärbt. Die Sonne würde gleich untergehen. »Darf ich dir einen Taco spendieren? Als Dankeschön?« Ich deutete auf den Food-Truck auf der anderen Straßenseite.

»Gerne.«

Wir aßen Seite an Seite an einem der hohen Tische vor dem Truck. Inzwischen war es kühler geworden, und ich zog die Strickjacke an, die ich heute Morgen in meine Tasche gesteckt hatte, und Will seine Lederjacke. Ich war hin- und hergerissen. Einerseits sah er mit der Jacke wirkliche toll aus … andererseits konnte ich ohne sie seine Oberarme bewundern. Sein Handy brummte ständig in einer seiner Taschen.

»Was hat es mit all diesen Nachrichten auf sich?«

»Meine Schwester erinnert mich an einige meiner Aufgaben für die Hochzeit. Sie glaubt, ich vergesse alles, wenn sie mir keine Reminder schickt.«

»Hat sie Grund, davon auszugehen?«

»Natürlich nicht. Ich bin ein sehr verantwortungsvoller älterer Bruder.«

Ich konnte mir Will nur als frechen Unruhestifter vorstellen, doch vielleicht war er ja tatsächlich mehr als ein Muskelpaket mit verführerischem Lächeln.

»Also benimmt sie sich einfach wie jede normale Braut, die kurz vorm Durchdrehen ist?«

»Nein, aber sie ist Hochzeitsplanerin. Liebt ihre Checklisten.« Die Wärme in seiner Stimme verriet deutlich, dass er nicht wirklich sauer auf seine Schwester war.

Während wir aßen, sah Will sich immer wieder um. Ich erkannte das Verhalten. Ich nannte es stille Bürgerwehr. Es erinnerte mich daran, wie ich mich jedes Mal fühlte, wenn ich mit meinem Dad unterwegs war. Er war vor Jahren aus dem aktiven Dienst ausgeschieden, doch alte Gewohnheiten ließen sich nur schwer abschütteln. Er sah sich ebenfalls ständig um. Und sagte dann jedes Mal: »Keine Sorge, Süße. Ich werde auf dich aufpassen.« Die Ironie lag darin, dass ich mich nur unsicher fühlte, wenn er sich pausenlos nach Gefahren umsah, weil ich mir die ganze Zeit Sorgen gemacht hatte, dass ihm etwas zustoßen könnte.

»Entspann dich, Detective. Du machst mich total nervös, wenn du ständig nach Ärger Ausschau hältst.«

»Tut mir leid, ist so eine Angewohnheit.«

»Bist du gerade im Dienst?«

»Nein.«

»Dann genieß deine Freizeit. Mach mich lieber mit deiner Frechheit nervös als mit deinem ewigen Stirnrunzeln.«

Ein Ausdruck tiefen Unglaubens huschte über sein Gesicht, dann grinste er breit.

»Also, erzähl mir von der Hochzeit.«

»Sie ist in drei Wochen, und meine gesamte Familie ist eingespannt.«

»Ich kenne das Gefühl. Ich habe zwei Schwestern und einen Bruder, und sie sind alle schon verheiratet. Wir alle waren vorher total im Hochzeitsfieber. Meine Mom ist fast ausgetickt. Wie hält sich deine denn?«

Seine Lippen wurden schmal. »Meine Eltern sind bei einem Autounfall gestorben, als ich noch ein Teenager war.«

»Oh. Das tut mir leid.«

Er nickte, den Blick auf seinen Taco gerichtet. Ich wollte die Stimmung wieder heben.

»Ich hoffe, es gibt auf der Hochzeit keinen Singletisch. Die gehören verboten. Einmal musste ich diesen Horror durchstehen.«

Er stieß ein Lachen aus. »Gibt es nicht. So grausam ist meine Familie nicht.«

»Meine eigentlich auch nicht. Nur ahnungslos. Mein Bruder hat als Erstes geheiratet, und auf seiner Hochzeit gab es diesen schrecklichen Tisch. Meine Schwestern waren zu diesem Zeitpunkt auch solo. Wir halten ihm das immer noch vor. Im Nachhinein hat er das bereut, aber wir sind eben nachtragend.«

Will musterte mich ein paar Sekunden lang schweigend, als versuche er, eine Entscheidung zu treffen.

»Was machst du Samstag in drei Wochen?«

Ich zog eine Grimasse. »Eigentlich sollte ich da zu einem Klassentreffen gehen, habe aber gar keine große Lust dazu.«

»Dann denkst du nicht gern an deine Highschool-Zeit zurück?«

»Eher weniger.«

»An diesem Samstag findet die Hochzeit meiner Schwester statt. Wie fändest du es, mich zu begleiten?«

»Sehr witzig«, sagte ich. Aber er lächelte nicht. »Moment, du meinst das ernst?«

»Ja.«

»Wieso solltest du jemanden mitnehmen, den du gar nicht gut kennst?«

Er trat näher an mich heran. Unsere Arme berührten sich, und seltsamerweise sorgte das dafür, dass sich Hitze in meinem gesamten Körper ausbreitete.

»Ich weiß alles, was wichtig ist. Du ignorierst absichtlich Geschwindigkeitsbeschränkungen und bist schlagfertig. Und die Hochzeit wäre eine gute Ausrede gegenüber deinen ehemaligen Mitschülern.« Er zwinkerte, dann musterte er mich erwartungsvoll. Ich war ein wenig vor den Kopf geschlagen und musste erst einmal meine Gedanken sortieren. Und gegen die Versuchung ankämpfen, einfach Ja zu sagen.

»Das ist wirklich schmeichelhaft, aber … Nicht böse sein, aber ich kenne dich kaum. Wieso musst du überhaupt jemanden mitnehmen? Geh doch allein hin.«

»Damit würde ich riskieren, meiner Cousine Pippa einen Grund für ihre berüchtigten Kuppelversuche zu liefern.«

Ich zog die Augenbrauen hoch, bevor ich einen Schluck aus meiner Dose nahm. »Du bittest mich also, als deine Beschützerin zu fungieren?«

»So hätte ich es nicht ausgedrückt.« Will verlagerte sein Gewicht und beugte sich leicht vor, sodass er über mir aufragte. Der Effekt war atemberaubend. In den Tiefen seiner braunen Augen brannte Feuer, als wolle er mich herausfordern, Nein zu sagen. Was ich natürlich auch tat.

»Die Antwort lautet Nein. Ich kenne dich immer noch nicht gut.« Ich mochte ihn, und ich hatte heute Abend viel Spaß gehabt. Aber trotzdem hatte ich ihn erst vor zwei Tagen kennengelernt. »Und ich sollte jetzt los.«

»Ich werde dich noch zu deinem Auto bringen.«

»Ich habe ein Uber genommen.«

»Wo willst du hin? Ich kann dich absetzen.«

»Venice Beach. Liegt das auf deinem Weg?«

Er nickte, dennoch zögerte ich.

»Ich habe noch nie auf einem Motorrad gesessen.«

»Komm schon, es gibt für alles ein erstes Mal. Das gilt übrigens auch dafür, mit einem Kerl, den du gerade erst kennengelernt hast, auf eine Hochzeit zu gehen.«

Ich lachte, als wir auf dem Weg zu seinem Motorrad die Straße überquerten. »Immer langsam, Detective.«

»Wann musst du da sein?«, fragte Will.

»Ich treffe mich in vierzig Minuten mit jemandem in einer Bar nicht weit vom Strand.«

Seine gesamte Haltung veränderte sich. Das ungezwungene Lächeln erstarb auf seinen Lippen. Als wir das Motorrad erreichten, schüttelte er seine Jacke ab.

»Ich habe nur eine Jacke. Und die bekommst du.«

»Diese Jacke ist ungefähr fünf Nummern zu groß für mich.«

»Schützen wird sie dich trotzdem.«

Ich zog die Jacke an, dann setzte ich den Helm auf. Davon besaß er zwei. Ich fühlte mich wie der Polizist in RoboCop, als ich hinter ihm auf das Motorrad stieg.

»Halt dich gut fest«, sagte er, sobald ich ihm die Adresse genannt hatte.

O ja. Ratet mal, was es hieß, mich festzuhalten? Ich durfte meine Handflächen auf seinen Bauch pressen. Dieser Waschbrettbauch passte perfekt zu seinen Oberarmen. Ich musste mich wirklich anstrengen, um meine Hände stillzuhalten. Ich wollte sie auf Wanderschaft gehen lassen … Wie kam es, dass er so muskulös war? Meine Arme lagen um seine Hüften. Er hatte kein Gramm Fett am Körper.

Will Connor bestand quasi nur aus Muskeln.

Die Motorradfahrt war ein echter Adrenalinrausch; anders konnte ich es nicht ausdrücken. Die Geschwindigkeit, der Fahrtwind, der gegen meine Beine drückte. Mein Kleid war locker genug, dass ich gut sitzen konnte, aber eng genug, dass ich mir keine Sorgen machen musste, dass es wegwehte. Ich musste gegen den seltsamen Drang ankämpfen, meinen Helm abzunehmen, um den Wind im Haar zu spüren – aber ich wusste, das wäre gefährlich gewesen.

Ich klammerte mich an Will fest, als er um eine enge Kurve bog, wobei das Motorrad sich so neigte, dass mir der kalte Schweiß ausbrach.

Viel zu schnell erreichten wir die Adresse, wo ich mich mit Luna treffen wollte. Ich stieg ab, wobei ich sorgfältig darauf achtete, Will nicht meine Unterwäsche zu zeigen, dann setzte ich den Helm ab und zog die Jacke aus. Jetzt roch ich ein wenig wie Will.

Luna wartete vor der Bar auf mich. Sie starrte mit offenem Mund, als sie sah, wie ich vom Motorrad stieg. Ihr Blick huschte zwischen Will und mir hin und her.

»Detective, ich hatte nicht damit gerechnet, Sie so schnell wiederzusehen«, meinte sie zu Will.

Er lächelte. »Will, bitte.«

Ich hob meine Tüte. »Er hat mir geholfen, eine Alarmanlage für die Pension zu kaufen.«

»Hast du Lust, mit uns was zu trinken?«, fragte sie.

»Ihr beide habt einen Mädelsabend?«

»Ja«, bestätigte ich.

Will hob abwehrend die Hände, doch er lächelte breit. »Ich weiß aus Erfahrung, dass es keine gute Idee ist, einen Mädelsabend zu stören. Das haben mir meine Schwestern echt deutlich klargemacht.«

Luna verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich mag dich.«

Ich mochte ihn auch. Sehr sogar.

»Ich bestehe darauf«, fuhr Luna fort. »Wenigstens ein Cocktail?«

Ende der Leseprobe