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Die New Yorkerin Liz kommt nach langer Krankheit nach Coral Gables, um ihr Musikstudium wiederaufzunehmen. Auf der Hochzeit eines befreundeten Paares lernt sie den gutaussehenden Damon Kingston kennen, der von diesem Moment an alles dafür gibt, in ihrer Nähe zu sein. Gemeinsam leben sie ihre Liebe zur Musik aus und Damon lässt sich von der lebensfrohen Liz in seinen Bann ziehen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte Liebe, die bedroht wird, als Liz‘ einen Rückfall erleidet. Sie flieht aus dem Krankenhaus und will auf niemanden hören. Wird Damon sie davon überzeugen können, dass sie den Kampf noch einmal aufnimmt, oder wird er scheitern und Liz sich unterkriegen lassen?
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Copyright © 2021 Drucie Anne Taylor
Korrektorat: S. B. Zimmer
Satz und Layout: Julia Dahl / [email protected]
Umschlaggestaltung © Julia Dahl / Modern Fairy Tale Design
Auflage 01 / 2024
Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Back to Coral Gables
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Übersicht der Charaktere
Danksagung
Über die Autorin
Weitere Werke der Autorin
Rechtliches und Uninteressantes
Die New Yorkerin Liz kommt nach langer Krankheit nach Coral Gables, um ihr Musikstudium wiederaufzunehmen. Auf der Hochzeit eines befreundeten Paares lernt sie den gutaussehenden Damon Kingston kennen, der von diesem Moment an alles dafür gibt, in ihrer Nähe zu sein. Gemeinsam leben sie ihre Liebe zur Musik aus und Damon lässt sich von der lebensfrohen Liz in seinen Bann ziehen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte Liebe, die bedroht wird, als Liz‘ einen Rückfall erleidet. Sie flieht aus dem Krankenhaus und will auf niemanden hören.
Wird Damon sie davon überzeugen können, dass sie den Kampf noch einmal aufnimmt, oder wird er scheitern und Liz sich unterkriegen lassen?
Back to Coral Gables erzählt die Liebesgeschichten der Kinder von Delsin und Co. Jedes Buch ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden.
Es handelt sich um ein fiktives Coral Gables, das so, wie beschrieben, bloß in meiner Fantasie existiert.
Bitte denk daran, dass dieses Buch etwa zwanzig Jahre nach der Coral Gables Serie spielt, sodass es gar nicht so abwegig ist, dass Autos über Autopiloten und etwaige andere Gadgets verfügen. Nicht jeder Charakter aus der Coral Gables Serie wird in diesem Buch erwähnt oder kommt zu Wort, weil es den Rahmen der handelnden Figuren sprengen würde, aber einige haben zumindest einen kurzen Auftritt. Für die leichtere Zuordnung findet ihr am Ende eine Übersicht der Charaktere aus der Coral Gables Serie, die nach Familien geordnet ist.
Ich wünsche dir viel Spaß mit Damons und Liz’ Geschichte.
Meine Eltern heiraten.
Ich hätte im Leben nicht damit gerechnet, dass sie es irgendwann durchziehen würden, da ich mitbekommen habe, wie oft Mom Dads Anträge abgelehnt hat. Sie hält nicht viel von der Ehe, wollte nie heiraten und dann hat sie sich auf einmal doch einverstanden erklärt. Weniger begeistert davon bin ich, dass Jacob, die meisten nennen ihn Jace, und ich die Gäste begrüßen sollen. Mein Zwillingsbruder und ich stehen vor der Kirche, in der Mom und Dad einander das Ja-Wort geben werden, haben schon zahlreiche Hände geschüttelt und die Freunde unserer Eltern hineingeschickt. Sadie nannte mich sexy, weil sie findet, dass mir der Anzug hervorragend steht – ich finde ihn total furchtbar. Ich lasse meinen Blick schweifen und ich glaube, ich werde vom Blitz getroffen. »Wow«, stoße ich aus, als ich meine Traumfrau sehe.
Groß, blond, endlos lange Beine und ein Lächeln zum Niederknien. Scheiße, ich habe selten so eine hübsche Frau gesehen. Sie hat sich bei einem Mann mittleren Alters eingehakt. Ich habe keine Ahnung, wer sie sind, aber Mom und Dad scheinen sie zu kennen, sonst wären sie nicht hier. Sie trägt ein hellblaues Kleid, das ihrer sonnengebräunten Haut schmeichelt.
»Was ist los?«, fragt mein Bruder interessiert.
Ich reiße mich von ihrem Anblick los, um ihn anzusehen. »Nichts.«
»Du hast wieder etwas gesehen, was du mir vorenthalten willst, richtig?«, hakt er nach.
»Stimmt.« Jacob hat es schon oft geschafft, die Mädchen und Frauen zu erobern, die mir gefielen, deshalb werde ich ihm jetzt sicher nicht sagen, dass ich meine Traumfrau entdeckt habe. Auf der Feier sollte ich sie unbedingt ansprechen, vielleicht sind wir ja auf einer Wellenlänge und verstehen uns. Ich weiß sicher, dass sie nicht auf die U geht, dort hätte ich sie bestimmt schon mal gesehen. Aber wer ist sie?
»Guten Tag«, sage ich freundlich, als sie mit dem Mann und zwei weiteren Frauen vor uns steht. »Bitte gehen Sie hinein, Mr. …«
»Robertson«, erwidert er.
»Mr. Robertson«, wiederhole ich. »Viel Spaß, Mr. und Mrs. Robertson.«
Sie lacht auf. »Ms. Flank, aber netter Versuch.«
Ich spüre die Hitze in meinen Wangen aufsteigen und grinse verlegen. »Sorry.«
»Das ist meine Mom Clara Flank«, stellt sie mir ihre Mutter vor, die einen Schritt näherkommt und meine Hand ergreift.
»Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Mrs. Flank.«
»Mich auch.« Sie betrachtet mich. »Bist du Damon oder Jacob?«
»Damon, Ma’am«, erwidere ich.
»Du bist deinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.«
»Das sagen alle«, lasse ich sie wissen. »Die linke Seite ist die der Braut.«
»Danke, Damon.« Sie geht an mir vorbei, Mr. Robertson, ihre Tochter und eine weitere junge Frau gehen an mir und meinem Bruder vorbei.
* * *
»Das waren die letzten Gäste«, sagt Jacob nach einer Weile. »Lass uns reingehen, du weißt, dass Dad uns vorne bei sich erwartet.«
»Alles klar«, entgegne ich, betrete die Kirche und schließe die Tür hinter uns. Danach machen wir uns auf den Weg über das Mittelschiff nach vorne, um uns zu Dad zu stellen. Alexis Kingston, der einzige Junggeselle von Downstair Alley, kommt heute unter die Haube, nachdem er schon seit mehr als zwanzig Jahren mit Mom zusammen ist. Wahnsinn, dass sie es jetzt noch mit der Hochzeit wagen. Andererseits glaube ich kaum, dass es die beiden irgendwann mal treffen wird und sie sich scheiden lassen. Mein Blick sucht die Bänke nach Ms. Flank ab.
Warum habe ich sie nicht nach ihrem Vornamen gefragt?
Ich entdecke sie in der zehnten Reihe. Die Reihen davor sind von unserer Familie und den Freunden meiner Eltern besetzt. Als sie zu mir schaut, zwinkere ich ihr zu, womit ich ihr ein Lächeln entlocke. Allerdings bemerkt es auch ihre Mutter, die mir einen mahnenden Blick zuwirft.
»Sind alle da?«, fragt Dad leise, als wir ihn erreicht haben.
»Ja«, erwidert Jacob, der sich zu Linden, Dads bestem Freund, stellt.
»Wie lange haben wir noch?«
»Etwa fünf Minuten«, antworte ich.
Dad schaut an mir vorbei zu Linden. »Hast du die Ringe?«
»Ja, ich hatte sie schon im Auto, davor bei euch und stell dir vor, ich habe sie immer noch«, sagt er grinsend.
Ich schnaube amüsiert. »Hast du die Hosen voll, alter Mann?«
Daraufhin wirft er mir einen vernichtenden Blick zu. »Pass auf, was du sagst, sonst ziehe ich dir die Saiten von deinen Gitarren.«
Ich reiße die Augen auf. »Das wagst du nicht.«
Er nickt und grinst mich spitzbübisch an. »Doch, das wäre die ultimative Strafe, bisher habe ich sie nur nicht eingesetzt, weil eure Mutter sagte, dass sie zu hart ist.«
Abwehrend hebe ich die Hände. »Ich bin schon still.«
»Besser so«, kontert Dad amüsiert und wendet sich ab.
Orgelmusik setzt ein und wir schauen zur Tür. Mom kommt gemeinsam mit Grandpa, der ziemlich in die Jahre gekommen ist, hinein. Sie lächelt, strahlt richtiggehend und ich verziehe meine Lippen zu einem Lächeln. Sie sieht wirklich toll aus und ich habe nicht erwartet, dass meine Mutter – die ich eigentlich nur in Jeans, Shorts und Shirts, ab und zu mal in einem Sommerkleid gesehen habe – in einem Hochzeitskleid so gut aussehen würde.
»Wow«, stößt Dad aus.
Die Gäste erheben sich und schauen ebenfalls zu Mom. Sie trägt den Schleier nicht vor dem Gesicht, ihr Kleid ist auch nicht weiß, sondern champagnerfarben – was ich mir zigmal anhören musste, weil ich immer wieder sagte, dass es weiß ist –, und sie trägt den Haarschmuck, den ihre Grandma bei ihrer Hochzeit getragen hat. Vielleicht hätte ich in den letzten Wochen nicht so viel Zeit mit Mom verbringen sollen, aber sie wollte unbedingt, dass wir ihr bei der Planung helfen. Ich war Sadie ziemlich dankbar, dass sie öfter dazu kam, um Mom zur Hand zu gehen, sonst wären mir vermutlich noch Brüste gewachsen und der Schwanz abgefallen.
Mom erreicht uns und schenkt Dad ein strahlendes Lächeln. »Hi.«
»Hey, Handsome«, raunt er, nachdem Grandpa ihm ihre Hand gereicht hat.
Sie drückt einen Kuss auf Großvaters Wange. »Danke, Dad.«
»Dass mir keine Klagen kommen, Alexis«, wendet er sich an Dad, weshalb ich mir das Lachen verkneife.
»Keine Sorge, das passiert nicht«, erwidert mein Vater.
Die beiden wenden sich dem Pfarrer zu.
* * *
Meine Mutter ist die Patentante der Braut. Ich wusste gar nicht, dass sie Alexis Kingston kennt. Sie hat es nie erwähnt, bis die Einladung zur Hochzeit kam. Der Typ, der bei ihm steht und uns vorhin begrüßt hat, schaut immer wieder zu mir. Er ist süß und ich glaube, da er Alexis so ähnlich sieht, ist er bestimmt sein Sohn. Mom hat uns vorhin nicht einander vorgestellt, weshalb ich nicht weiß, ob das wirklich der Fall ist. Ihr Freund hat mich vollgetextet, während sie mit diesem echt heißen Kerl gequatscht hat.
Die beiden haben sich geküsst und wenden sich vom Priester ab. In der Kirche bricht Applaus los, dem ich mich anschließe. Ich lasse mich sogar zu einem Pfiff durch zwei Finger hinreißen.
»Liz!«, herrscht Mom mich an.
Ich nehme die Hand runter und grinse unschuldig. »Sorry, Mom, ich habe vergessen, dass ich mich heute verstellen muss.«
Sie seufzt, schüttelt den Kopf und verlässt die Bankreihe, nachdem die Gäste aus den vorherigen Reihen an uns vorbeigegangen sind.
Ich folge ihr und hake mich bei meiner Schwester ein.
»Mom ist gestresst«, sagt sie leise.
»Sie sieht Honor heute zum ersten Mal, seit wirklich langer Zeit wieder. Wahrscheinlich ist sie aufgeregt«, erwidere ich ebenso gedämpft. Ich schaue zu Mom, die sich bei Eston eingehakt hat. Ich finde den Kerl komisch, aber Mom mag ihn. Außerdem muss ich mich nicht mit ihm verstehen, da ich derzeit so nebenbei nach Miami ziehe. Ich wollte die Uni wechseln, weil ich an der Juilliard nach ein paar Vorfällen nicht mehr zurechtgekommen bin, und die U hat mich angenommen. Ich mache mit dem dritten Semester weiter, weil ich aus mehreren Gründen nicht pünktlich mit dem Studium anfangen konnte.
»Dann ist es doch verständlich, dass sie aufgeregt ist«, meint Catrina. Sie ist drei Jahre älter als ich, längst mit dem College fertig und macht aktuell ihren Master an der Brown, aber im Sommer kommt sie immer nach Hause. Meine Schwester und ich sind unzertrennlich – ich schulde ihr so viel, weil sie mir wortwörtlich das Leben gerettet hat.
Vor der Kirche versammeln sich die Gäste, während Braut und Bräutigam vor einer Kutsche stehenbleiben. Sie steht mit dem Rücken zu uns und wirft mit Schwung den Blumenstrauß.
»Nein«, stoße ich aus, als er über die Köpfe der Frauen hinwegfliegt und ich ihn aus Reflex auffange.
Catrina lacht. »Du bist die nächste.«
»Irgendwann werde ich dir auf einer Beerdigung dasselbe sagen«, kontere ich grinsend.
Ihr Lachen wird lauter. »Fieses Stück.«
Daraufhin zucke ich mit den Schultern. »Wohin geht’s jetzt eigentlich?«
»Die feiern in irgendeinem Hotel. Mom weiß Bescheid und wir fahren ja sowieso mit ihr und Eston.«
Ich nicke. »Dann suchen wir sie mal. Ich gehe davon aus, dass sie sowieso erst im Hotel beglückwünscht werden.«
»Dann mal los«, sagt sie und führt mich zu unserer Mutter.
Manche Frauen sehen mich missmutig an, weil ich den Brautstrauß gefangen habe, aber als wir Mom erreichen, lächelt sie stolz. »Du hast den Brautstrauß gefangen?«
»Ja, Scheißreflexe«, brumme ich und Moms Gesichtszüge entgleisen, aber ich grinse im nächsten Moment. »Fahren wir?«, frage ich weiter.
»Ja, wir warten nur noch, bis Honor und Alexis abfahren.«
»Okay«, erwidere ich.
* * *
Die beiden feiern ihre Hochzeit in einem Country Club, nicht in einem Hotel. Der Schuppen ist ziemlich edel und ich fühle mich in meinem Sommerkleid irgendwie underdressed. Hier sind einige junge Leute, aber ich glaube nicht, dass ich mich dazu gesellen sollte. Ich bleibe lieber bei Cat, meine Schwester kam erst vorgestern nach Hause und dann mussten wir schon wieder aufbrechen. Wir hatten gar keine Zeit, um über alles zu reden, weil wir im Stress waren. Mom hat uns aber auch überhaupt keine Ruhe gelassen. Gestern flogen wir dann hierher und ich werde in Miami bleiben. Meine Sachen kommen morgen mit dem Umzugsunternehmen. Die Möbelpacker haben vorgestern alles abgeholt, weshalb ich im Zimmer meiner Schwester übernachten musste.
Mom und Eston stehen beim Brautpaar, Cat und ich etwas abseits. »Wie geht’s dir eigentlich?«, möchte meine Schwester wissen.
Ich schaue sie lächelnd an. »Sehr gut, im Moment habe ich gar keine Beschwerden und die letzten Untersuchungen haben auch keine Hiobsbotschaften nach sich gezogen.«
Sie atmet auf. »Sehr gut.« Sie schenkt mir ihrerseits ein Lächeln. »Ich bin froh, dass alles gut ist.«
»Und ich erst. Noch mal will ich mir das nicht antun.«
Cat nickt. »Verständlich.« Sie sieht sich um. »Sollen wir uns mal irgendwo ein Glas Champagner organisieren?«
»Ich mag das Zeug nicht«, erwidere ich. »Cola wäre mir lieber.«
»Na gut, dann besorgen wir dir eine Cola, die sowieso besser für deine Niere ist, und mir ein Glas Champagner.« Sie hakt sich bei mir ein und wir gehen durch den Saal, bis wir die Bar erreicht haben. »Hi, könnten wir ein Glas Champagner und eine Cola bekommen?«
»Sicher«, sagt der Barkeeper, nur einen Moment später stellt er die Gläser vor uns.
»Danke«, entgegne ich freundlich, stoße mit Cat an und trinke einen Schluck. »Die kennen verdammt viele Leute.«
»Na ja, der Typ war international erfolgreich. Mom ist immer noch total stolz, dass ihre kleine Honor als Backgroundsängerin startete und dann auch eine internationale Musikkarriere gemacht hat«, meint sie.
»Mhm, ich kenne die Geschichte. Mom hat sie in den letzten paar Wochen gefühlt zweihundertmal erzählt.«
Cat kichert. »Ich habe Honors Musik gern gehört, als ich noch klein war. Mom hat ja all ihre CDs.«
»Ich weiß, die durfte ich mir auch anhören«, halte ich dagegen.
»Du bist ja so zu bemitleiden«, sagt sie lachend.
Ich ziehe einen Schmollmund. »Ja, bin ich auch.«
Cat schaut sich um. »Sieh mal, was sich für eine Schlange beim Brautpaar gebildet hat.«
»Vielleicht sollten wir zu Mom gehen, damit wir uns nicht hinten anstellen müssen.«
»Gute Idee.« Meine Schwester und ich begeben uns zu Mom und Eston. In meinen Augen passen die beiden nicht zusammen, aber sie sind glücklich, weshalb ich mich nicht beschwere. Er ist der erste Mann, den sie trifft, seit Dad vor zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Er wollte bloß zur Arbeit fahren, nachdem er mich an der Schule abgesetzt hatte, ein Reifen platzte und sein Mercedes landete nach mehreren Überschlägen im Straßengraben. Laut dem Notarzt war er sofort tot. Damals habe ich mir die Schuld daran gegeben, weil es vielleicht nicht passiert wäre, wenn er mich nicht zur Schule gebracht hätte, aber heute weiß ich, dass ich nicht schuld bin.
»Hey«, sagt jemand.
Da wir uns nicht angesprochen fühlen, gehen wir weiter. »Hey, Mom«, macht Cat sie auf uns aufmerksam.
»Ach, meine Mädchen.« Mom lächelt uns an. »Ihr kommt genau richtig, wir sind jeden Moment dran.«
»Wie toll«, quietsche ich überschwänglich, wofür ich mir gleich wieder einen mahnenden Blick einfange, doch Cat lacht.
»Sei nicht so streng mit ihr, Mom, sie hat gute Laune. Außerdem ist dieses Verhalten ein Zeichen dafür, dass es ihr gut geht.«
Unsere Mutter seufzt. »Sei einfach nicht ganz so aufgekratzt, Liz.«
»Ja, Mom«, erwidere ich. »Ich werde mich ab sofort so richtig langweilig verhalten.«
Eston schnaubt amüsiert. »Du solltest nicht so streng mit ihr sein, Clara.«
»Na gut«, gibt Mom sich schließlich geschlagen. »Trotzdem benimmst du dich bitte, wenn wir Honor und Alexis gratulieren, okay?«
»Aber sicher.« Ich salutiere sogar vor ihr, was ein weiteres böses Anblicken nach sich zieht.
Cat zittert. Sie verkneift sich das Lachen, so war es schon immer, wenn ich ein wenig aufgedreht war. Im Gegensatz zu Mom hat es Dad nie gestört, wenn ich mich so verhalten habe. Er war froh, dass es mir gut ging, denn war es anders, verhielt ich mich nicht so. Manche behaupten, ich sei unreif, aber ich nenne es lebensfroh. Und meine Lebensfreude lasse ich mir von keinem nehmen. Sie gehört nun mal zu mir.
»Hey, wie schön, dass du gekommen bist«, sagt Honor, als wir vor ihr stehen. Sie umarmt Mom fest. »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Tante Clara.«
»Ich freue mich auch und die allerherzlichsten Glückwünsche zur Hochzeit, meine Liebe«, erwidert Mom, nachdem sie sich von ihr gelöst hat. »Darf ich dir meine Töchter vorstellen?«
»Sicher.«
Mom dreht sich zu uns. »Das ist meine Große, Catrina, sie macht gerade ihren Master in Informatik an der Brown.«
»Freut mich sehr, Catrina«, erwidert Honor und sieht mich an. »Dann musst du Elisabeth sein.«
»Liz, ja.« Ich strecke meine Hand aus und schüttle ihre. »Herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit.«
»Danke.«
»Liz studiert nach dem Sommer an der U, sie nimmt dort ihr Musikstudium wieder auf.«
Honor zieht die Augenbrauen zusammen. »Wo hast du denn vorher studiert?«
»An der Juilliard, aber dort kam ich nicht so gut zurecht«, lasse ich sie wissen.
»Dabei ist das eine wirklich gute Schule, ich habe dort damals studiert.«
»Die Dozenten und ich verstehen uns nicht ganz so gut«, winke ich lächelnd ab, auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entspricht, doch kann ich ihr nicht auf die Nase binden, dass ich eine Affäre mit einem meiner Dozenten hatte. Deshalb haben Mom und ich uns auf diese Version der Geschichte geeinigt. Ich schaue zu ihrem Mann und strecke meine Hand aus. »Herzlichen Glückwunsch, Mr. Kingston.«
»Danke, Liz«, erwidert er lächelnd, nachdem er meine Hand ergriffen hat.
Mom stellt noch Eston vor und die beiden sowie Catrina gratulieren auch noch Alexis zur Hochzeit. Sie vertiefen sich in ein Gespräch und ich lasse meinen Blick schweifen. Ich glaube, der heutige Tag wird ziemlich langweilig, weil ich niemanden außer meiner Familie kenne.
»Ich bringe mal mein Glas weg«, wende ich mich leise an Cat, die mir ihre Champagnerflöte in die Hand drückt. »Und deins auch.«
»Ich sage Mom Bescheid.«
»Danke.« Ich drehe mich weg und begebe mich zurück an die Bar. Ich stelle die leeren Gläser ab und lasse noch einmal meinen Blick schweifen. Die meisten Gäste sitzen schon und auf einem Tisch steht eine monströse Hochzeitstorte. Hier drin ist es ziemlich warm, die Klimaanlage versagt ihren Dienst und ich glaube, es wäre am besten, ein wenig frische Luft zu schnappen.
»Hey.«
Ich schaue mich um und sehe den Kerl, der uns vorhin vor der Kirche begrüßt hat, neben mir. »Hi.«
»Mein Name ist Damon.«
»Liz, hi«, erwidere ich und ergreife seine Hand, die ich schüttle. »Kennst du das Brautpaar?«
»Ziemlich gut sogar«, antwortet er lächelnd.
»Ich kenne sie überhaupt nicht. Meine Mutter hat mich hierher geschleppt, dabei hätte ich lieber meine Wohnung eingerichtet.«
Er zieht die Augenbrauen zusammen. »Ich glaube nicht, dass meine Eltern dir böse wären, wenn du dich absetzt.«
Meine Gesichtszüge entgleisen. »Das sind deine Eltern?«
Damon nickt knapp. »Ja, sonst hätte ich wohl kaum mit vor dem Altar gestanden.«
»Auch wieder wahr«, sage ich peinlich berührt. »Nun denn, da ich mich gerade bis auf die Knochen blamiert habe, gehe ich mal nach draußen und suche mir ein Loch, in dem ich jämmerlich verenden kann, okay?«
Er lacht auf. »Nicht nötig. Ich kann verstehen, dass man nicht gern die Hochzeit von Fremden besucht.«
»Das ist es nicht.«
»Was ist es dann?«
»Ich kenne hier niemanden, außer meiner Familie.«
Damon verzieht seine Lippen zu einem Lächeln. »Wie wäre es damit, die anderen kennenzulernen? Ich kann dich zu meinen Freunden mitnehmen, die sind in unserem Alter, vielleicht etwas älter als du.« Er neigt den Kopf. »Du bist doch sicher achtzehn, oder?«
Ich glaube, mir fällt alles aus dem Gesicht. »Nein, bin ich nicht.«
»Siebzehn? Denn älter als achtzehn bist du sicher nicht.«
»Dann habe ich mich für meine einundzwanzig wohl verdammt gut gehalten«, kontere ich amüsiert. »Aber danke für die Blumen, Damon.«
»Kein Ding«, erwidert er verdutzt, während er mich betrachtet. »Du siehst wirklich viel jünger aus.«
»Das hat Vorteile.«
Er schnaubt amüsiert. »Hast du Lust, dich zu mir und meinen Freunden zu setzen, Liz?«
»Ich denke, ich werde mich gleich erst mal zu meiner Familie setzen, weil ich meine Schwester echt lange nicht mehr gesehen habe. Wir haben noch einiges zu bequatschen, aber ich kann später gern zu euch kommen.«
»Klar, ich würde mich freuen.« Damon dreht sich zur Theke. »Könnte ich ein Bier bekommen?«
»Klar.« Der Barkeeper räuspert sich, weshalb ich mich ebenfalls zu ihm umwende. »Möchten Sie auch noch etwas trinken?«
»Ich nehme noch eine Cola, aber diesmal eine Light bitte.«
»Sicher.«
Danach schaue ich Damon an. »Also haben deine Eltern ihr Ehegelübde erneuert oder waren sie gar nicht verheiratet?«
»Sie waren nicht verheiratet, weil meine Mutter nicht viel von der Ehe hält, aber nach über 20 Jahren hat sie sich nun einverstanden erklärt und Dads Antrag angenommen«, erzählt er. »Eigentlich muss man ja heutzutage nicht mehr verheiratet sein, wenn man Kinder hat.«
»Stimmt.«
»Sind deine Eltern verheiratet? Immerhin hast du einen anderen Namen als dein Dad.«
Ich hebe eine Augenbraue. »Das ist nicht mein Dad.«
»Oh, sind deine Eltern getrennt?«
Ich hole tief Luft. »Mein Dad ist vor zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Eston ist der Lebensgefährte meiner Mutter, aber ich denke, es dauert nicht mehr lange, dann werden sie heiraten.«
Er verzieht das Gesicht. »Tut mir echt leid.«
Ich winke ab. »Schon gut, woher hättest du das wissen sollen?«
»Es tut mir trotzdem leid, Liz.« Damon nimmt sein Bier an, ich meine Cola. »Du hast den Brautstrauß gefangen, richtig?«
»Na ja, er ist mir zugeflogen, würde ich sagen. Ich habe ihn aus Reflex aufgefangen«, gebe ich grinsend zu. Er ist echt nett, aber vielleicht ist er nur so freundlich, weil ich alleine herumstand, da er der Sohn der Gastgeber ist.
»Yo, Alter«, sagt jemand und als ich zur Seite schaue, habe ich das Gefühl, doppelt zu sehen.
»Oh«, stoße ich aus.
»Liz, das ist mein Zwillingsbruder Jacob. Jace, das ist Liz, sie ist die Tochter von Moms Patentante Clara.«
»Hi, freut mich, dich kennenzulernen, Liz«, grüßt mich Jace.
»Mich auch.« Ich schenke ihm ein Lächeln und schüttle seine Hand, die mir unnatürlich warm vorkommt.
»Mom und Dad möchten, dass du zu uns an den Tisch kommst«, wendet er sich dann an seinen Bruder.
»Ich bin gleich da.«
»Geh ruhig mit, ich werde mal meine Familie suchen. Wir sehen uns später.« Danach wende ich mich ab und lasse meinen Blick schweifen. Mom, Eston und Cat sitzen an einem Tisch in der Nähe der Fenster. Die Sonne knallt herein und ich weiß genau, wenn ich mich zu ihnen setze, habe ich später Sonnenbrand. Meine Haut ist wegen meiner Medikamente empfindlich und ich möchte es nur ungern riskieren, aber Mom sagte, ich soll mich vorbildlich verhalten, also werde ich das tun. Was ist schon ein kleiner Sonnenbrand dafür, dass Mom mal wieder stolz ist? Ich begebe mich zu ihnen. »Da bin ich«, verkünde ich und lasse mich neben meiner Schwester nieder.
»Mit wem hast du gesprochen?«, fragt Cat interessiert.
»Mit Damon Kingston, er ist der Sohn des Brautpaars, wie ich erfahren habe. Mom hat uns vorhin an der Kirche ja nicht einander vorgestellt, Cat.«
»Er sieht echt heiß aus.«
»Er sieht aus wie sein Vater und Alexis ist gutaussehend, aber nicht heiß«, meint Mom. Es scheint ihr mächtig zu stinken, dass Cat und ich so reden, aber warum sollen wir uns immer zurückhalten? »Ich hoffe, dass das Essen koscher ist.«
Daraufhin verdrehe ich die Augen. »Mom, zu Hause achtest du auch nicht darauf, ob das Essen koscher ist oder nicht.«
Ein weiterer, diesmal vernichtender Blick. »Halt dich doch bitte ein wenig zurück, Liz.«
»Ich bin nur ehrlich«, halte ich leise dagegen, damit die anderen am Tisch nicht mitbekommen, dass meine Mutter und ich geradewegs in einen Disput geraten.
»Liz, es reicht jetzt.«
»Mein Gott«, stoße ich genervt aus. »Dann beschwer dich eben übers Essen, damit wir uns alle schämen dürfen.« Ich schenke ihr ein zuckersüßes Lächeln.
»Die Damen, könnt ihr jetzt bitte aufhören?«, mischt Eston sich ein.
Ich winke ab und lehne mich zurück.
* * *
Der beste Freund des Bräutigams hat eine Rede gehalten, nachdem wir gegessen haben. Mom hat uns natürlich blamiert und beim Kellner ein Drama gestartet, weil er nicht wusste, ob das Essen koscher ist, weshalb Cat und ich das Weite gesucht haben. Wir waren in der Zeit einfach bei McDonald’s, so gar nicht koscher, aber wir wollten uns Moms Auftritt nicht antun. Wahrscheinlich hat sie sich auch bei den Gastgebern darüber beschwert, allerdings hätte sie auch den Fisch wählen können.
Jetzt stehen Cat und ich auf der Terrasse. Wir haben uns eine Flasche Champagner und zwei Gläser organisiert, womit wir draußen weiter feiern. »Schläfst du heute in deiner Wohnung?«, fragt sie.
Ich zucke mit den Schultern. »Ich habe nur eine Couch dort stehen, ich glaube nicht, dass die bequemer ist, als das Bett im Hotel.«
»Wie lange bleiben wir eigentlich in Miami?«, möchte sie wissen.
»Ich glaube, Mom hat für eine Woche gebucht, weil sie mir unbedingt beim Einrichten helfen will, aber vielleicht kannst du sie zum Sightseeing überreden, denn ich will nicht, dass sie sich mit ihrem Dekofimmel in meiner Wohnung verausgabt«, antworte ich.
Cat grinst. »Kann ich machen, aber dafür bist du mir etwas schuldig, Liz.«
»Alles, was du willst, außer Organspenden, die bringen dich eher um, als dir zu helfen.«
Meine Schwester lacht auf. »Meine Güte, du hast echt einen verdammt derben Humor.«
Ich zucke mit den Schultern. »Du magst mich trotzdem.«
»Ich liebe dich sogar.«
»Yo, Kingston!«, ruft jemand.
Wir schauen uns um. »Meinst du, der Bräutigam ist rausgekommen?«, fragt sie.
»Wohl eher einer seiner Söhne«, entgegne ich. »Gehen wir ein bisschen spazieren? Ich habe vorhin aufgeschnappt, dass hier irgendwo ein Golfplatz ist.«
»Und du willst dir am 18. Loch einen hinter die Binde kippen?«, hakt Cat nach.
»Unbedingt«, erwidere ich grinsend, greife zur Flasche und sie nimmt unsere Gläser.
»Na schön, vielleicht können wir uns ein Golfcart klauen, damit wir nicht so weit laufen müssen.«
»Das ist eine verdammt gute Idee«, stelle ich fest.
»Mom sagte übrigens, dass sie dir ein Auto kaufen will, damit du nicht jeden Morgen mit dem Bus zur Uni fahren musst«, erzählt meine Schwester, als wir die Terrasse über eine Treppe verlassen.
»Echt?«
»Ja, aber wer weiß, ob sie das nach heute noch in die Tat umsetzt. Immerhin seid ihr vorhin ziemlich aneinandergeraten.«
Ich seufze schwer. »Tut mir leid, dass ich mich geschämt habe. Zuhause macht sie nie ein Fass auf, dass das Essen koscher sein muss, sie hält sich nicht an den Sabbat und ich habe keine Ahnung, warum sie hier und heute unbedingt damit anfangen musste.«
»Das habe ich auch nicht verstanden. Seit Dads Beerdigung, war sie auch nicht mehr in der Synagoge.«
»Ich auch nicht«, erwidere ich und verliere mich kurz in den Gedanken daran, dass ich mit Dads Tod meinen Glauben verloren habe.
Wir erreichen die Golfcarts, an denen sich einige junge Erwachsene aufhalten. »Oh«, stoße ich leise aus. »Ich glaube, das sind die ganzen Kids von den Gästen.«
»So viele?«, hakt Cat mit großen Augen nach.
Ich zucke mit den Schultern. »Es sind viele Gäste.«
»Das sind bestimmt 30 junge Erwachsene.«
»Dann waren sie fleißig«, scherze ich, woraufhin Cat laut lacht und somit die Aufmerksamkeit der anderen auf uns zieht.
Einer löst sich aus der Gruppe und kommt zu uns. »Hey, ich wusste doch, dass wir uns noch mal sehen«, sagt Damon lächelnd.
»Eigentlich wollten wir uns nur ein Golfcart ausleihen und die Party an eines der Golflöcher verlegen«, lasse ich ihn wissen.
»Es ist doch viel lustiger, in einer großen Gruppe zu feiern.«
Cat und ich winken ab. »Ist nicht so unser Ding, wir bevorzugen kleinere Gruppen, in denen man nicht den Überblick verliert«, sagt meine Schwester.
»Ach, gebt euch einen Ruck und bleibt bei uns. Wir beißen auch nur auf Wunsch.« Als Damon mich ansieht, zwinkert er mir zu.
Meine Augenbraue gleitet in die Höhe. »Wer sagt denn, dass wir nicht bissig sind?«
Er grinst. »Gut gekontert.«
»Das kann sie wirklich gut«, stimmt Cat ihm zu.
Er schaut zu ihr. »Ich glaube, wir wurden einander noch nicht vorgestellt. Damon Kingston.«
»Catrina Flank«, erwidert sie. »Liz‘ ältere Schwester.«
»Freut mich«, sagt er und streckt die Hand aus. »Oh, du bist beladen.«
»Ist es okay, wenn wir uns ein Golfcart ausleihen?«, mische ich mich ein.
»Sicher, aber hinterlasst keinen Müll am Loch, sonst bekommen meine Eltern Ärger.«
Cat schnaubt. »Wir mögen uns absetzen, aber wir sind sicher keine Schweine.«
Irritiert sehe ich meine Schwester an. »Was sie sagte. Danke, Damon.« Danach umrunden wir ihn und steigen gleich ins erste Cart. Ich klemme die Champagnerflasche zwischen meine Oberschenkel, drehe den Schlüssel und fahre los.
»Wow, ein bisschen langsamer!«, ruft Cat lachend aus, als ich mit einem Affenzahn über den Weg schieße. »Du bist doch keine Rennfahrerin.«
»Aber wenn ich einen Rekord aufstelle, spricht mich bestimmt ein Talentscout an«, kontere ich.
»Als was? Raserin vom Dienst?«, hakt Cat, die wegen der Champagnergläser kaum Halt findet, nach. »Wirklich, Liz, geh vom Gas!«
Lachend drossle ich das Tempo. »Angst?«
»Um mein Leben? Ja!«
»Hey!«
Ich schaue zur Seite und erkenne Damon in einem Golfcart. »Was willst du denn schon wieder?«
»Eine von euch hat ihr Handy verloren, als du losgeheizt bist«, ruft er mir zu.
Ruckartig trete ich auf die Bremse, was dafür sorgt, dass der Champagner aus den Gläsern überschwappt.
»Liz!«, kreischt Cat auf. »Meine Güte, du bringst mich noch um.«
Kichernd steige ich aus dem Golfcart und laufe zu Damons.
Er hält mir das Handy entgegen und ich stelle fest, dass es meins ist. »Ich weiß nicht, wem von euch es gehört.«
»Danke«, erwidere ich und möchte es ihm aus der Hand nehmen, doch er zieht es weg. Ich seufze. »Was soll das?«
»Bekomme ich deine Nummer?«
Meine Augenbraue flippt in die Höhe. »Warum?«
»Weil ich dich gern kennenlernen würde und meine Mutter sagte, dass du an der U anfängst, vielleicht kann ich dir die Gegend zeigen.«
Auch die andere gleitet in die Höhe, dann lache ich. »Vielleicht findest du mich ja wieder.« Ich ziehe ihm mein Handy aus den Fingern. »Danke, Damon.« Danach wende ich mich ab und eile zurück zu Cat.
»Komm schon, Liz!«, ruft er mir hinterher.
»Wie ich schon sagte, vielleicht findest du mich ja auf dem Campus oder in der Stadt wieder!«, erwidere ich lachend, steige in den Golfcart und gebe wieder Gas.
Meine Schwester kreischt auf, weil ich wieder so Gas gebe. Wenn ich gewusst hätte, dass diese Carts so schnell werden, wäre ich schon längst einem Country Club beigetreten. Das nötige Kleingeld hat Mom und ich habe einen Bleifuß. Ich wäre der Schrecken vom 18. Loch oder so, aber Hauptsache, ich hätte Spaß an der Sache.
* * *
Ich weiß, ich hätte es Liz sagen müssen, aber da ihr Handy weder mit dem Fingerabdruck noch einer PIN zu entsperren war, habe ich einfach meine Nummer gespeichert und mich angeklingelt, damit ich ihre Handynummer habe. Auf der Hochzeitsfeier habe ich sie erst wieder gesehen, als sie und ihre Familie sich verabschiedet hatten. Es war spät, Dad hatte Jacob und mich Whiskey trinken lassen, da wir beide vor Kurzem 21 wurden, und ich habe es nicht mehr auf die Reihe bekommen, ihr zu folgen. Jetzt liege ich im Bett, es ist spät und ich habe den Chat mit ihr geöffnet. Zuletzt war sie vor zehn Minuten online. Ich weiß nicht mal, ob sie Single ist, aber verdammt, sie interessiert mich. Ich glaube, abgesehen von Linda, gab es nie eine Frau, die mich sofort so fasziniert hat. Aber Linda war tabu, das hatte Gavin mir klargemacht, nachdem Dad ihm gesteckt hatte, dass ich auf sie stehe. Außerdem fing sie an zu lachen, als ich sie in New York nach einem Date fragte, als Dad mit Downstair Alley in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurde – sie empfand nie etwas für mich, außer Freundschaft. Und nachdem ich das wusste, habe ich mich recht schnell nicht mehr für sie interessiert. Wir sind immer noch befreundet und ich habe ihr nie vorgeworfen, dass sie kein Interesse an mir hatte.
Ich atme tief durch, dann fange ich an zu tippen:
Hey, ich weiß, es war nicht die feine Art, einfach meine Nummer bei dir zu speichern und mich mit deinem Handy anzuklingeln, aber du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf. Hast du vielleicht Lust, morgen einen Kaffee trinken zu gehen? Gruß, Damon Kingston
Liz kommt online und die Haken färben sich blau. Sie schreibt, doch einen Moment später hört sie schon wieder auf. Vielleicht löscht sie, was sie bisher geschrieben hat.
Ich hypnotisiere mein Handy mehr oder weniger, während ich darauf warte, dass ich eine Antwort bekomme.
Schließlich erhalte ich sie, aber alles, was zurückkommt, ist ein skeptisches Emoji mit einer gehobenen Augenbraue. Wenig später ein kurzer Text:
Was bist du denn für ein Irrer? Ich fand dich heute Abend ja noch recht sympathisch, jetzt habe ich eher Angst, dass du ein Stalker bist.
Ich schnaube amüsiert. »Okay, ich habe mich nicht mit Ruhm bekleckert«, stelle ich leise fest und tippe wieder:
Sorry, war nicht böse gemeint, aber irgendwie musste ich dich doch wiederfinden, dieser Weg erschien mir am leichtesten.
Bist du zu sauer, um morgen einen Kaffee mit mir zu trinken? Stell dir vor, ich schaue dich gerade mit einem Dackelblick an, um dich zu überzeugen.
Grinsend schicke ich die Nachricht ab und hoffe, dass sie mir noch mal antwortet, statt mich zu blockieren.
Sie hat meine kleine Ausrede gelesen und sie schreibt wieder.
Ich verziehe meine Lippen zu einem Lächeln.
Du bist ja echt verzweifelt. Kriegt ein gut aussehender Typ wie du kein Mädchen ab?
Na ja, deine Aktion beantwortet meine Frage eigentlich schon. Ich habe morgen keine Zeit für einen Kaffee, übermorgen auch nicht.
Ich denke, es dauert noch eine Weile, bis ich die Zeit dafür finde, weil ich meine Wohnung einrichten muss.
Man liest sich … oder eher nicht, weil ich echt noch mit mir hadere, dich wegen Stalkings bei deinen Eltern oder den Cops zu verpfeifen. Jetzt geh ich schlafen, gute Nacht, Damon.
An ihrem Status sehe ich, dass sie offline ist. Na gut, ihre Breitseite habe ich verdient, aber verzweifelt bin ich nicht. Ich bin bloß hin und weg von ihr, weil ich noch nie ein Mädchen wie sie gesehen, geschweige denn getroffen habe. Ich schreibe ihr schließlich, dass ich ihr auch eine gute Nacht wünsche und hoffe, dass wir uns wiedersehen werden, dann lege ich mein Handy weg.
Als es klopft, richte ich mich auf. »Was ist?«
Mom stolpert herein und lächelt mich glücklich an. »Hey, mein Großer.« Sie kommt zum Bett und nimmt auf der Bettkante Platz. »Bist du gar nicht müde?«
»Nein, ich bin total aufgekratzt«, gebe ich zu. »Und ihr kamt gerade erst nach Hause, was?«
Sie nickt grinsend. »Ja, ich wollte schauen, ob ihr noch wach seid, aber bei Jace hatte ich kein Glück.« Mom neigt den Kopf, sie mustert mich. »Irgendwas beschäftigt dich.«
»Stimmt.«
Daraufhin verengt sie die Augen. »Liz Flank, nicht wahr?«
Meine Gesichtszüge entgleisen. »Wie machst du das?« Ich kann nichts dafür, dass ich entsetzt klinge, denn sie hatte schon immer die Fähigkeit, jemandem geradewegs in die Seele zu blicken. Bei mir beherrscht sie es besser als bei Jace – oder Jacob, wie er eigentlich heißt –, da er der Verschlossene von uns beiden ist.
Mom lacht leise. »Das ist ein Mom-Ding, das können nur Mütter.«
»Hmpf.«
»Also?«
Ich seufze. »Sie geht mir nicht aus dem Kopf und ich habe mir einfach ihre Handynummer besorgt, nachdem sie ihr Handy an den Golfcarts fallen ließ. Vorhin habe ich ihr geschrieben und sie hat mich abblitzen lassen.«
»Was gefällt dir denn an ihr?«
»Hast du nicht gemerkt, wie viel Lebensfreude sie ausstrahlt? Sie steht bloß neben dir und du fühlst dich gut.«
»Doch, das habe ich gemerkt, sie scheint ein sehr lebensfroher Mensch zu sein. Sie ist genauso wie ihr Vater.«
»Sie hat mir erzählt, dass er vor zehn Jahren gestorben ist, nachdem ich fragte, ob ihre Eltern nicht verheiratet sind. Ich hielt Mr. Robertson für ihren Dad.«
Mom nickt. »Jacob, Liz‘ Dad, hatte einen Autounfall, nachdem er sie zur Schule gebracht hatte. Laut Notarzt war er sofort tot.«
»Ist sie eigentlich Deutsche?«, erkundige ich mich.
Sie hebt eine Augenbraue. »Ich glaube, ihr Ururgroßvater war Deutscher und ist im zweiten Weltkrieg in die USA geflohen, weil er Jude war.«
»Dann ist sie Jüdin?«
»Ich weiß es nicht, Damon, das musst du sie fragen.«
»Ist Clara denn Jüdin?«, hake ich nach.
Mom nickt wieder.
»Dann wird Liz sicher auch jüdischen Glaubens sein«, stelle ich fest.
Sie kichert. »Wahrscheinlich, aber das ist doch nichts Schlimmes, oder?«
»Nein, ich bin bloß neugierig auf sie, Mom, und da gehört so was eben dazu.«
»Du hast recht, also ich gehe davon aus, dass Liz Jüdin ist. Wenn du dich wirklich für sie interessierst, solltest du also schon mal herausfinden, ob es hier Restaurants mit koscherer Küche gibt, immerhin läuft auch ihr Umzug nach Coral Gables.«
»Sie studiert wirklich an der U?«
»Nach den Ferien, ja, sie kam an der Juilliard nicht zurecht und hat sich auf Claras Betreiben hin hier an der Uni beworben«, antwortet Mom. »Na ja, und Vincent hat ihr einen Studienplatz gegeben.«
»Kennst du sie eigentlich?«
»Kaum. Ich habe Liz zuletzt auf Jacobs Beerdigung gesehen, davor das letzte Mal, als sie noch ein kleines Kind war. Ich kenne sie kaum.«
»Und ihre Schwester?«
»Dasselbe in Grün, Damon.«
»Meinst du, dass ich einen Schritt zu weit gegangen bin, als ich einfach meine Nummer bei ihr gespeichert und mir so ihre besorgt habe?«
»Es ist auf jeden Fall grenzwertig und ich frage mich, von wem … Nein, eigentlich weiß ich, dass du das von deinem Dad hast. Er hat damals auch allerhand Dinger gebracht«, sagt sie lächelnd. »Vielleicht triffst du sie in der Uni und dann kannst du sie immer noch ansprechen.«
»Oder ich versuch’s noch in den Ferien, immerhin dauert es noch ein paar Wochen, bis die Vorlesungen wieder losgehen.« Ich räuspere mich. »Studiert sie Musik?«
Mom nickt. »Ja, sie ist im dritten Semester.«
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. »Warum ist sie erst im dritten? Sie ist doch genauso alt wie ich.«
»Aus mehreren Gründen, aber darüber sollte sie selbst mit dir sprechen, Baby.« Mom beugt sich zu mir und drückt einen Kuss auf meine Stirn. »Ich muss unbedingt ins Bett.«
»Alles klar, Mrs. Kingston.«
Sie lacht auf. »Wurde auch mal Zeit, was?«
»Mich hat’s nie gestört, dass ihr nicht verheiratet wart, Mom, aber ich glaube, Dad ist ganz froh, dass du nicht mehr einfach so abhauen kannst.«
Amüsiert schüttelt sie den Kopf. »Schlaf gut, mein Großer.«
»Du auch.«
Mom erhebt sich und verlässt mein Zimmer.
Als sie weg ist, atme ich tief durch. Vielleicht war’s echt kein kluger Schachzug, mich an Liz‘ Handy zu schaffen zu machen. Aber Fuck, ich will sie näher kennenlernen. Sie ist unbeschreiblich hübsch, schlagfertig und ihre Lebensfreude ist ansteckend. In ihrer Gegenwart hatte ich nicht einen schlechten Gedanken, dabei zweifle ich ständig an mir. Mein Bruder ist der Womanizer, er hat Dads Charme, ich habe Moms Temperament. Das Einzige, was wir gemeinsam haben, ist das Aussehen, das wir wiederum beide von Dad haben.
Ich schalte den Fernseher ein, da mein Schlafrhythmus in den Ferien total verkorkst ist, und hoffe, bald ein Ende zu finden.
* * *
Als ich gegen Mittag aufwache, schaue ich auf mein Handy. Ich habe Nachrichten von Liz bekommen, was mich nach ihren gestrigen überrascht. Ich werfe einen Blick in den Chatverlauf.
Hey, du Stalker, jetzt, da ich eine Nacht über dein Geständnis geschlafen habe, habe ich mir ein Herz gefasst.
Wenn du willst, können wir nächste Woche einen Kaffee trinken gehen, oder irgendwas anderes machen.
Du kannst dir ja etwas überlegen, denn ich kenne mich in der Gegend nicht aus. Man sieht oder liest sich. Liz
Ich kann nicht anders, als zu lächeln. Sie nennt mich zwar Stalker, aber damit kann ich leben – fürs Erste. Obwohl ich noch total verpennt bin, fange ich an zu tippen:
Wenn du willst, können wir an den Strand gehen. Ist zwar nicht unbedingt ein Kaffee, aber auch nicht schlecht. Oder wir gehen miteinander essen. Was gefällt dir besser?
Ich schicke die Nachricht ab und hoffe, dass ich eine schnelle Antwort bekomme. Wirkliche Dates hatte ich nie. Die Sache mit meinen Exfreundinnen hat sich meist irgendwie ergeben, weil man viel miteinander unternahm. Aber ich bin seit vier Jahren Single, weil Sylvie und ich verschiedene Interessen hatten.
Kaffee!
Alles klar, sollen wir uns im Peanuts treffen? Ich schicke dir die Adresse, falls du den Laden nicht kennst. Da gibt’s ganz guten Kaffee und auch kleinere Gerichte, sofern du dann doch etwas essen möchtest.
Sie liest meine Nachricht sofort und ist schon einen Moment später dabei, mir zu antworten.
Wenn das der Laden mit der Erdnuss in der Leuchtreklame ist, dann sind wir gerade dort, um etwas zu essen. Na ja, wie wäre Mittwoch? Ich weiß nicht, ob ich es früher schaffe, weil ich meine Mutter davon abhalten muss, ihren Touch in meine Wohnung zu bringen.
Meine Mundwinkel zucken, mein Herz schlägt aufgeregt und ich kann nicht fassen, dass meine Laune sich binnen Sekunden verbessern konnte. Gerade noch verpennt und wenig gut gelaunt, fühle ich mich jetzt, als könnte ich Bäume ausreißen.
Mittwoch passt, bist du eher Morgenmensch oder Langschläferin? Ich gebe zu, ich bin Langschläfer und mir würde es am frühen Nachmittag am besten passen. Was hältst du von zwei Uhr im Peanuts?
Ich schicke sie ab, danach verlasse ich mein Zimmer.
»Ich habe dich selten mit so guter Laune aus deinem Zimmer kommen sehen. Entweder hast du dir einen runtergeholt oder ein Date«, meint Jace.
Ich lache auf. »Arschloch.«
»Also, was von beidem ist es?«
»Liz, die Kleine, die gestern mit ihrer Schwester zu den Golfcarts kam, hat sich mit mir zum Kaffee verabredet.«
Seine Gesichtszüge entgleisen. »Ernsthaft? Weiß sie, dass du deine Nummer einfach so bei ihr eingespeichert hast?«
Ich nicke. »Ja, ich habe ihr gestern geschrieben. Zuerst war sie gar nicht begeistert, aber heute hat sie geschrieben, dass sie einen Kaffee mit mir trinken gehen würde.«
»Und sie war nicht sauer?«
»Doch, sie nennt mich Stalker«, erwidere ich und gehe weiter zum Bad. »Sind Mom und Dad schon wach?«
»Denke nicht, die beiden waren ja erst mitten in der Nacht zu Hause.«
»Fliegen sie in die Flitterwochen?«, hake ich nach, da Mom mir diesbezüglich gar nichts erzählt hat.
»Ja, sie wollen für ein paar Tage mit uns nach Hawaii zu Mike und den anderen fliegen.«
Meine Gesichtszüge entgleisen. »Wann?«
»Glaube, in den nächsten Tagen, warum?«
»Weil ich am Mittwoch mit Liz verabredet bin.«
»Frag sie doch, ob sie mitkommt. Mom und Dad haben sicher nichts dagegen und wir sind ja keine Unbekannten. Na ja, du und ich schon, aber Mom und Dad kennen doch ihre Familie.«
»Ich kenne Liz doch gar nicht. Ich glaube nicht, dass sie dann mal eben so einen Hawaiitrip mit uns machen würde.«
»Versuch dein Glück. Mehr, als dich für einen gestörten Psychopathen halten, kann sie nicht.« Jace grinst mich an.
»Ich schaue mal, ansonsten frage ich Mom und Dad, ob wir den Trip nicht auf nächstes Wochenende verschieben können, falls nicht, bleibe ich hier.«
»Du hast dich ja echt total verknallt«, stellt mein Bruder amüsiert fest.
»Nein, ich interessiere mich bloß für sie. Ist das denn so schlimm?«
»Nö«, erwidert er gelassen. »Ich geh Frühstück machen, irgendwelche Wünsche?«, fragt er.
»Nein, mach irgendwas Essbares und am besten weckst du Mom und Dad, wir wollen ja nicht zulassen, dass sie den Kater verschlafen«, antworte ich amüsiert.
»Alles klar.« Lachend macht er sich auf den Weg zu Mom und Dads Schlafzimmer.
Indes gehe ich ins Badezimmer, um zu duschen.
* * *
Als ich fertig bin und mich angezogen habe, mache ich mich auf den Weg in die Küche. Mom und Dad sitzen am Tisch, sie haben jeder eine Flasche Gatorade vor sich stehen. »Guten Morgen«, sage ich beschwingt von meiner guten Laune.
»Gott, nicht so laut, Junge«, erwidert Dad leidend.
»Sorry, aber wer saufen kann, kann auch seine Kinder ertragen«, kontere ich lachend.
»Es hört sich an, als stünden wir auf einem Schlachtfeld«, jammert Mom.
»Nehmt einfach eure Aspirin und trinkt das Gatorade, dann geht’s euch gleich besser«, meint Jace und stellt eine Pfanne mit Bacon und Rührei auf den Tisch.
»Oah«, stößt Mom aus. »Das verkraftet mein Magen nicht.«
»Vor zwanzig Jahren war es definitiv leichter, mit einem Kater klarzukommen«, brummt Dad, danach trinkt er einen kräftigen Schluck.
Grinsend bediene ich mich am Rührei und nehme mir auch ein paar Scheiben Bacon. »Hast du nur Rührei gemacht?«
»Ich habe auch Pancakes gemacht, aber mit dieser Fertigmischung, weil ich sie nicht so hinkriege wie Mom«, entgegnet er und holt den Teller mit den Pfannkuchen. Jace setzt sich zu uns, bedient sich am Rührei, ebenso an den Pancakes, während Mom das Gesicht verzieht.
»Leute, wenn ihr schon mal Frühstück macht, wäre es toll, wenn ihr uns etwas übrig lassen würdet«, sagt Dad, dem es schon besser zu gehen scheint.
»Dann solltet ihr essen, statt herumzuheulen, sonst ist es weg«, kontert Jace gut gelaunt, als ich schon esse.
Mom greift schließlich nach einem Pfannkuchen. »Habt ihr heute etwas vor?«
»Nö«, antworte ich zwischen zwei Bissen.
»Ich treffe mich später mit Phoenix und Hunter, wir wollen skaten gehen«, lässt mein Bruder sie wissen. »Komm doch mit«, wendet er sich an mich.
»Ich bleib hier oder rufe Sadie an, vielleicht hat sie Zeit.«
»Ich glaube, Saint und sie wollen heute in den Urlaub fliegen«, mischt Dad sich ein. »Linden sagte gestern so etwas und die beiden waren auch recht früh weg, damit sie ihren Flug nicht verpassen.«
»Oh«, stoße ich aus.
»Und wir fliegen morgen nach Hawaii, sofern ich bis dahin diesen Kater los bin«, fährt er fort.
»Was das betrifft«, beginne ich und er sieht mich fragend an. »Könnten wir den Trip zu Mike und Malia vielleicht um ein paar Tage verschieben?«
»Du weißt, dass die beiden dort selbst Urlaub mit der Familie machen und wir kein riesiges Zeitfenster haben, oder?«, hakt Dad nach. »Und warum eigentlich?«
»Weil Damon ein Kaffeedate hat«, grätscht Jace dazwischen.
Mom und Dad sehen mich mit gehobenen Augenbrauen an. »Du sagtest doch, dass es momentan keine Frau gibt, mit der du dich triffst«, sagt Dad irritiert.
»Ich habe sie auch erst kennengelernt«, weiche ich aus.
»Wo?«, bohrt er tiefer nach.
»Auf der Hochzeit«, meint Mom. »Claras Tochter.«
»Catrina?«, fragt Dad, der immer noch verdutzt aus der Wäsche schaut.
»Nein, Elisabeth, also Liz«, erwidert Mom. »Ich schätze, dann bist du in ihren Augen kein Stalker mehr, oder?«
Daraufhin zucke ich mit den Schultern. »Ihre Nachricht vorhin ging mit Hey, du Stalker los.«
Die drei lachen. »Damit hat sie ja auch nicht ganz unrecht, nach dem, was du dir geleistet hast«, stellt Mom fest.
»Ja, meine Güte, außergewöhnliche Situationen erfordern nun mal genauso außergewöhnliche Maßnahmen«, halte ich dagegen.
»Aber nicht, sich einfach ihrer Nummer zu bemächtigen, weil sie ihr Handy verloren hat«, sagt Jace.
Ich verdrehe die Augen. »Sie nimmt es mir offensichtlich nicht übel, sonst hätte sie sich nicht auf den Kaffee eingelassen.«
»Ich werde später mit Mike telefonieren, wie lange die beiden noch mit den Kids auf Hawaii sind«, sagt Dad schließlich und greift nach einer Scheibe Toast.
»Wenn sie nicht mehr so lange dort sind, bleibe ich hier«, lasse ich ihn wissen, woraufhin meine Eltern mich mit großen Augen ansehen.
»Du lässt dir Hawaii doch sonst nicht entgehen«, entgegnet Mom entgeistert.
Abermals zucke ich mit den Schultern. »Sonst habe ich auch kein Kaffeedate mit meiner Traumfrau vor mir.«
Mom seufzt. »Na schön, aber beschwer dich hinterher nicht, dass wir ohne dich geflogen sind.«
»Werde ich nicht, keine Sorge.« Ich grinse meine Eltern an, dann bediene ich mich am Kaffee.
»Ich will’s hoffen, sonst gibt’s keine Ausnahmen mehr wegen Kaffeedates mit der mehr oder weniger Cousine deiner Mom«, sagt Dad.
Meine Gesichtszüge entgleisen. »Was?«
»Clara ist meine Taufpatin, Damon, also meine Patentante und dein Dad ist der Meinung, dass Cat und Liz mehr oder weniger meine Cousinen sind«, erklärt Mom.
»Aber ihr seid nicht verwandt, oder?«, hake ich nach.
»Nein, Clara ist eine gute Freundin deiner Grandma und sie hat auf mich aufgepasst, als ich noch ein Kind war.«
»Wie alt ist sie eigentlich?«, möchte ich wissen.
»Clara?«, fragt Mom.
Ich nicke.
»Ich glaube, sie ist Ende 50, sie war ein Teenager, als sie anfing, auf mich aufzupassen«, erwidert Mom.
»Alles klar«, stoße ich aus und trinke etwas Kaffee. Ich dachte wirklich, dass Liz und ich über ein paar Ecken verwandt sein könnten, aber glücklicherweise hat sich diese Befürchtung nicht bewahrheitet. Dass Dad sich aber auch immer so beschissen ausdrücken muss!
Mein Vater lacht. »Du hättest dein Gesicht sehen sollen.«
»Ahahaha«, äffe ich ihn mit düsterem Blick nach. »Voll lustig, mich so zu verarschen, alter Mann.«
»Ich geb dir gleich alter Mann«, kontert er.
»Sicher. Was willst du machen? Die orthopädischen Schuhe nach mir werfen?«, hake ich mit spitzer Zunge nach.
Daraufhin zeigt Dad mir seinen ausgestreckten Mittelfinger.
»Küsschen drauf«, greife ich Sadies Spruch auf und zwinkere ihm zu.
Kopfschüttelnd widmet er sich wieder seinem Frühstück. »Spinner«, brummt er noch.
Lachend esse ich weiter.
* * *
Ich bin froh, dass Cat unsere Mutter davon abhalten konnte, sich in meiner Wohnung zu verausgaben. Eigentlich hatte ich in eine WG ziehen wollen, aber Mom war der Meinung, dass es zu unsicher wäre, weil ich die Mitbewohner nicht kennen würde. Ach was, als ob mir das nicht bewusst wäre, aber so hätte ich leichter Anschluss gefunden, statt allein in meiner Wohnung zu sitzen. Vielleicht kann ich mir ja noch einen Mitbewohner oder eine Mitbewohnerin suchen, denn Mom hat auf die Kacke gehauen und mir ein Drei-Zimmer-Apartment gekauft. Sie hat es gut gemeint, aber ich finde es ziemlich übertrieben, da ich nach dem Studium zurück nach New York will. Gut, dann könnte man sie wieder verkaufen, aber man hätte sie ja auch mieten können. Heute sind Cat und Eston mit ihr unterwegs, um sich die Gegend anzusehen. Mom wollte, dass ich sie begleite, aber ich konnte mich drücken, da ich ihr sagte, dass ich mich nicht so gut fühle. Sie wird zwar sauer sein, wenn sie herauskriegt, dass ich doch unterwegs war, aber das kümmert mich nicht.
Ich werfe einen Blick auf mein Handy. »Oh Fuck«, stoße ich aus und springe von der Couch auf. Dann eile ich ins Schlafzimmer und hole Shorts und ein Top aus dem Kleiderschrank. Ich ziehe mich schnell um, werfe einen Blick in den Spiegel und nicke meiner Reflexion zu. Meine Haare sitzen noch in einem verdammt unordentlichen Dutt, der aussieht, als hätte ein Vogel versucht, ein Nest in ihnen zu bauen. Geschminkt bin ich nicht, das sollte ich vielleicht noch machen, andererseits habe ich keine Lust, bei solchen Temperaturen Schminke im Gesicht zu haben.
Ich verlasse das Schlafzimmer, hole meine Umhängetasche, die ich gemeinsam mit meiner Grandma gehäkelt habe, als ich noch ein Teenager war, und stecke mein Handy sowie den Schlüssel herein. Mein Portemonnaie ist sowieso immer in der Tasche, daher muss ich es jetzt glücklicherweise nicht suchen. Nachdem ich in meine Flipflops geschlüpft bin, verlasse ich meine Wohnung und mache mich auf den Weg zu der Verabredung mit Damon.
* * *
Ich bin mit dem Bus gefahren, da mein Auto in New York steht und die anderen den Mietwagen genommen haben. Aber ich bin angekommen und schaue noch einmal auf mein Handy. »Oh«, stoße ich leise aus, da ich mich um gut 20 Minuten verspätet habe. Und Damon hat mir geschrieben. Ich lese die Nachricht besser nicht, sondern gehe einfach rein. Ja, das ist die beste Entscheidung.
Ich betrete das Peanuts und schaue mich nach ihm um. Er sitzt am Tresen. Nach einem tiefen Atemzug begebe ich mich zu ihm. »Hey, sorry, dass ich zu spät bin.«
Damon schaut mich an. »Ich dachte schon, du würdest mich auflaufen lassen.« Danach lächelt er.
Ich grinse. »Verdient hättest du es, nachdem du dich einfach meiner Nummer bemächtigt hast.«
»Ich weiß.« Ein roter Schein tritt auf seine Wangen, doch nachdem er sich geräuspert hat, verfliegt er recht schnell wieder. »Sollen wir uns an einen Tisch setzen oder willst du am Tresen bleiben?«
»Am Tisch wäre es bequemer.« Ich wende mich ab und schaue mich in dem Laden um. »Da hinten ist einer frei.«
»Dann setzen wir uns dorthin«, sagt Damon und rutscht vom Hocker. Er nimmt seine Tasse an sich. »Hazel?«
Ich drehe mich um, damit ich sehe, mit wem er spricht.
»Ja, Damon?«, fragt die Bedienung.
»Ich setze mich da hinten an den Tisch. Ist das okay?«
»Sicher, ich buche den Kaffee einfach auf euren Tisch um«, sagt sie und schaut zu mir. »Möchtest du auch etwas trinken?«
»Ja, ein Latte macchiato und eine Cola wären toll«, lasse ich sie wissen.
»Kommt gleich.«
»Danke«, lächle ich und gehe gemeinsam mit Damon zum Tisch. Zu meiner Überraschung zieht er mir einen der Stühle zurück.
»Setz dich.«
»Danke.« Verdutzt nehme ich Platz und bin noch irritierter, als er ihn mir sogar zurechtrückt.
Nachdem er sich gesetzt hat, betrachtet er mich. »Hast du dich schon eingelebt?«
Daraufhin nicke ich. »Ja, wie man sich eben inmitten von Kartons und neuen Möbeln einleben kann.«
Seine Mundwinkel zucken. »Meine Mutter hat mir erzählt, dass du vorher an der Juilliard studiert hast, warum wechselst du hierher, wenn du in der Königsklasse angekommen warst?«
Ich hole tief Luft. »Ich kam nicht besonders gut mit den Dozenten zurecht. Wir hatten verschiedene Ansichten, was zu vielen Diskussionen führte.«
»Und deshalb wirfst du das Studium an der Juilliard hin?«
»Es hatte mehrere Gründe, aber ich will nicht darüber sprechen«, weiche ich aus.
»So, hier sind der Latte macchiato und die Cola«, verkündet Hazel und stellt beide Getränke vor mich.
»Vielen Dank«, erwidere ich und greife zum Zuckerstreuer.
»Möchtest du noch etwas haben?«, wendet sie sich an Damon.
»Ich melde mich, wenn ich auf dem Trockenen sitze.«
»Alles klar«, sagt sie lächelnd und verschwindet.
Ich schaue ihr hinterher, danach richte ich meinen Blick wieder auf Damon. »Kennt ihr euch?«
»Ja, sie und ihr Mann sind Freunde meiner Eltern«, entgegnet er.
»Ah okay.« Ich rühre Zucker in meinen Latte macchiato und lehne mich dann zurück. »Warum wolltest du einen Kaffee mit mir trinken?«
»Weil ich dich gern kennenlernen würde, immerhin ist deine Mom die Patentante meiner Mom.«
Meine Augenbraue flippt in die Höhe. »Verarschst du mich gerade?«, frage ich dann lachend.
»Ich will dich nicht aus diesem Grund näher kennenlernen.«
»Sondern?«, hake ich noch immer amüsiert nach.
»Ich weiß nicht, was du an dir hast, aber du strahlst etwas aus, was einem ein verdammt gutes Gefühl gibt«, antwortet er, als wäre es das Normalste der Welt, jemandem so etwas zu sagen.
»Ooooookay«, sage ich langgezogen. »So was hört man auch nicht jeden Tag.«
Damon schnaubt amüsiert. »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, sei lieber ehrlich, statt mir irgendeinen Stuss zu erzählen.«
Er trinkt einen Schluck Kaffee. »Hast du eigentlich gut hierher gefunden?«
»Ja, aber ich musste mit dem Bus kommen, weil ich noch kein Auto habe beziehungsweise meins noch in New York steht, aber meine Mutter ist der Meinung, dass sie mir ein neues kaufen muss, statt mir mein Auto hierher bringen zu lassen«, erzähle ich.