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Sadie Priest wünscht sich nur die Freiheiten, die auch andere in ihrem Alter haben, jedoch macht ihre Vergangenheit ihr einen Strich durch die Rechnung. Ihre Eltern behüten sie und geben ihr keine Möglichkeit, ihre Flügel auszubreiten. Doch Sadie sieht ihre Chance zum Ausbrechen, als sie den jungen Musiker Saint Williams kennenlernt. Die beiden verlieben sich ineinander, doch Saint ist all das, was ihre Eltern als Bedrohung ansehen, da ihn so viele Geheimnisse umgeben. Als Sadie den Dingen auf die Spur kommt, scheint die junge Liebe keine Chance mehr zu haben, doch erhält sie Unterstützung von jemandem, von dem sie es am wenigsten erwartet hätte. Wird die junge Liebe bestehen oder werden sie von nun an getrennte Wege gehen?
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BACK TO CORAL GABLES
BUCH VIER
Copyright © 2021 Drucie Anne Taylor
Korrektorat: S. B. Zimmer
Satz und Layout: Julia Dahl / [email protected]
Umschlaggestaltung © Julia Dahl / Modern Fairy Tale Design
Auflage 01 / 2024
Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Back to Coral Gables
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Übersicht der Charaktere
Danksagung
Über die Autorin
Weitere Werke der Autorin
Rechtliches und Uninteressantes
Sadie Priest wünscht sich nur die Freiheiten, die auch andere in ihrem Alter haben, jedoch macht ihre Vergangenheit ihr einen Strich durch die Rechnung. Ihre Eltern behüten sie und geben ihr keine Möglichkeit, ihre Flügel auszubreiten. Doch Sadie sieht ihre Chance zum Ausbrechen, als sie den jungen Musiker Saint Williams kennenlernt. Die beiden verlieben sich ineinander, doch Saint ist all das, was ihre Eltern als Bedrohung ansehen, da ihn so viele Geheimnisse umgeben. Als Sadie den Dingen auf die Spur kommt, scheint die junge Liebe keine Chance mehr zu haben, doch erhält sie Unterstützung von jemandem, von dem sie es am wenigsten erwartet hätte.
Wird die junge Liebe bestehen oder werden sie von nun an getrennte Wege gehen?
Back to Coral Gables erzählt die Liebesgeschichten der Kinder von Delsin und Co. Jedes Buch ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden.
Es handelt sich um ein fiktives Coral Gables, das so wie beschrieben bloß in meiner Fantasie existiert.
Bitte denk daran, dass dieses Buch etwa zwanzig Jahre nach der Coral Gables Serie spielt, sodass es gar nicht so abwegig ist, dass Autos über Autopiloten und etwaige andere Gadgets verfügen. Nicht jeder Charakter aus der Coral Gables Serie wird in diesem Buch erwähnt oder kommt zu Wort, weil es den Rahmen der handelnden Figuren sprengen würde, aber einige haben zumindest einen kurzen Auftritt. Für die leichtere Zuordnung findet ihr am Ende eine Übersicht der Charaktere aus der Coral Gables Serie, die nach Familien geordnet ist.
Ich wünsche Dir viel Spaß mit Sadies und Saints Geschichte.
DJ, hör auf damit!«, herrsche ich meinen Bruder an.
»Was mache ich denn?«, echauffiert er sich gespielt, grinst und schneidet mir im nächsten Moment wieder eine Grimasse.
Schnaubend greife ich nach den Nudeln auf meinem Teller und werfe sie nach ihm. »Arschloch!«
»Sadie!«, ruft Mom entsetzt aus, doch das kümmert mich nicht. Viel mehr amüsiert es mich, dass mein Bruder nun Tomatensoße im Gesicht hat.
»Ich bin satt.« Ich wische mir die Hand an der Serviette ab, danach stehe ich auf.
»Mein Gott, was ist nur mit dir los, dass du dich so verhältst?«, fragt Mom.
Daraufhin schaue ich zu ihr. »Er ist los!«, dabei deute ich auf DJ, meinen jüngeren Bruder. Er hat mich schon die ganze Zeit damit aufgezogen, dass ich eine Klausur verbockt habe. Meine Eltern waren auch nicht begeistert, aber was soll ich machen? Es ist nicht mein Traum, Architektur zu studieren, aber die beiden waren und sind der Meinung, dass es der beste Weg für mich sei. Sie sagten, dass ich nach dem Studium bei Avery und Delsin, ihren besten Freunden, arbeiten könnte. Sie haben eine gut laufende Firma, schon zig Häuser in Miami und auf der ganzen Welt entworfen und gebaut, aber ich will keinen Schreibtischjob. Ja, als Architektin würde ich nicht nur im Büro sitzen, aber ich will den Job nicht.
Mom seufzt. »Könnt ihr euch nicht vertragen?«
Marly, meine jüngste Schwester sitzt ebenfalls am Tisch und beäugt die Szene irritiert. »Mom, darf ich mich zu Dad ins Büro setzen? Ich will nicht mit den beiden essen.«
»Klar, geh zu ihm, Schätzchen«, sagt Mom, woraufhin sich meine Schwester mit ihrem Teller erhebt und fluchtartig die Küche verlässt.
Ich seufze schwer. »Mom, er zieht mich schon den ganzen Tag damit auf, dass ich diese verfickte Klausur in den Sand gesetzt habe. Ich darf mir die ganze Zeit anhören, dass ich dumm bin, genauso andere Nettigkeiten. Muss ich mir das gefallen lassen?«
»DJ?«, ermahnt sie ihn.
»Was?«, möchte er wissen. »Sie hat sich doch echt extrem dumm angestellt, als sie die Klausur in den Sand gesetzt hat.« Er grinst mich an. »Aber wo nicht viel ist, kann auch nie viel sein, oder?«
»Oh, du dummes Arschloch!« Ich greife zu meinem Wasserglas und schütte ihm den Inhalt ins Gesicht.
»O Herr, schick mir Geduld – Ganze Lkw-Ladungen voller Geduld und starker Nerven«, stößt Mom aus. »Geh auf dein Zimmer, Sadie, ich habe keinen Nerv mehr auf deine Allüren.«
»Ihr könnt mich mal«, erwidere ich mit Tränen in den Augen, danach verlasse ich die Küche. Es nervt mich, dass ich immer diejenige bin, die gehen muss, wenn eine Situation derart eskaliert. Ja, DJ und ich sind Streithähne, schon immer gewesen, aber ich habe ihn noch nie mit Essen beworfen oder ihm Wasser ins Gesicht geschüttet. Als wir noch jünger waren, haben wir uns oft geprügelt, was Mom und Dad in den Wahnsinn getrieben hat. Ich weiß nicht, wie oft wir beide Nasenbluten hatten, aber ich kann es nicht mehr an zwei Händen abzählen. Wir können uns einfach nicht ausstehen und ich hoffe, dass mein Bruder bald endlich damit aufhört, mich zu nerven.
Ich verschwinde in mein Zimmer, werfe die Tür hinter mir zu und lasse mich aufs Bett fallen. »Dieses blöde Arschloch«, stoße ich frustriert aus. Ich drehe mich auf den Bauch und ziehe mir eines der Kissen über den Kopf. In Gedanken zähle ich schon die Sekunden, bis Dad in meinem Zimmer auftaucht, denn er versucht immer, den Streit zwischen DJ und mir zu schlichten.
Es klopft.
Wow, es hat nur neunundsiebzig Sekunden gedauert, bis jemand gekommen ist.
»Was ist?«, rufe ich gedämpft wegen des Kopfkissens.
»Kleines?« Es ist Dad.
»Was willst du?«, möchte ich wissen.
Die Tür wird geöffnet, dann geschlossen, anschließend nähern sich seine Schritte und die Matratze senkt sich. Bestimmt hat er sich wieder neben mich gelegt. »Was ist passiert?«
Ich schniefe, was er womöglich hört, aber ich will ihn nicht ansehen.
»Komm schon, sieh mich an, du bist die Einzige, bei der ich das Gefühl habe, in meine eigenen Augen zu sehen«, sagt er mit warmer Stimme.
Ich atme tief durch, doch ziehe ich es nicht weg, was Dad schließlich übernimmt. »DJ ist passiert.«
»Was hat er getan?«
Ich schlucke. »Ich habe doch diese Klausur verbockt, weil ich einen Blackout hatte. Ich habe es Mom gesagt, sie hat sich über meine Fehler aufgeregt und DJ hat es mitbekommen. Ich muss mir schon den ganzen Tag anhören, wie dumm ich bin, weil ich die Klausur versemmelt habe. Vorhin beim Essen ist mir der Kragen geplatzt und ich habe ihm meine Nudeln ins Gesicht geworfen und ein Glas Wasser übergeschüttet«, sage ich leise.
Dad liegt auf dem Rücken und schaut an die Decke. »Das war nicht die feine Art, Kleines.«
»Ich weiß, aber mir ist der Kragen geplatzt, Dad, und Mom hat mich auf mein Zimmer geschickt. Ich weiß nicht, warum sie immer zu ihm hält. Das ist verdammt unfair.«
Er seufzt, bevor er mich wieder ansieht. »Am besten gehst du deinem Bruder aus dem Weg, bevor ihr euch noch gegenseitig umbringt.«
»Ich kann ihm hier nicht aus dem Weg gehen. Er rennt mir ständig hinterher und das kotzt mich total an.«
»Du hast dein Zimmer.«
»Ja super, soll ich mich dann nicht mehr durch das Haus bewegen, sondern ständig hier sitzen?«, hake ich nach.
»Nein, Kleines, ignorier ihn.«
»Das kann ich aber nicht, wenn er mir ständig wie ein Hund hinterherrennt, Dad. Er kommt sogar hier rein, wenn ich die Tür nicht abschließe.«
»Wie wäre es, wenn du morgen die Vorlesungen schwänzt und mich ins Tonstudio begleitest?«
»Wer nimmt denn auf?«, möchte ich wissen.
»Die Haunted Demons. Ich bin zwar nicht scharf darauf, dass du die Jungs kennenlernst, aber um dich abzulenken, nehme ich dich trotzdem mit.«
»Mom wird sicher dagegen sein.«
»Wir verraten deiner Mutter nichts, sonst reißt sie mir noch den Kopf ab, was ich gern vermeiden würde«, sagt er lachend.
Ich lache ebenfalls. »Warum hält Mom eigentlich immer zu ihm?«
»Vielleicht, weil er der Jüngere von euch ist«, sinniert er. »Aber das ist kein Grund, stets zu ihm zu halten. Ich schätze, dass deine Mutter mit ihrem Latein am Ende ist, weil ihr zwei ständig streitet.«
»Wenigstens streite ich nicht mit Marly«, sage ich leise.
»Ja, wenigstens etwas, wobei sie dir wohl aufs Dach steigen würde, immerhin ist sie mitten in der Pubertät.«
Ich schnaube amüsiert, da Marly wirklich ein Biest sein kann, wenn sie will, aber sie ist auch total süß. Mit meiner Schwester verbringe ich gern Zeit, weil sie meistens entspannt ist – zumindest, wenn ich sie anspreche. »Sie hat dir gesagt, dass wir uns gestritten haben, oder?«
»Ja, nachdem sie mein Büro gestürmt hat, während ich mit Alexis im Zoom Call war.«
Irritiert ziehe ich die Augenbrauen zusammen, da Alexis, oder Lex, nur ein paar Minuten von uns entfernt wohnt. »Warum kam er nicht her?«
»Weil er bei Azer und Chris in New York ist«, erwidert Dad. »Honor ist zurzeit mit Damon und Jacob allein.«
»Ach so. Die beiden haben gar nicht erzählt, dass er nicht da ist.«
»Na ja, da er selbst fliegen darf, kann er spontan an- und abreisen, wie er will. So weit ich weiß, ist er erst heute Morgen zu ihnen geflogen.«
»Okay.«
»Und möglicherweise wussten die beiden nicht, dass er vorhatte, nach New York zu fliegen.«
»Gut möglich«, stimme ich zu und drehe mich auf die Seite. »Und du willst mich morgen wirklich ins Tonstudio mitnehmen?«
»Wieso sollte ich nicht?«
»Weil du unter Moms Pantoffel stehst, Dad«, halte ich dagegen und kann mir das Lachen nicht verkneifen.
Er verengt die Augen und sieht mich vernichtend an, allerdings hält das nicht lange an und er schmunzelt. »Du bist genauso ein Biest wie deine Mom damals«, kontert er. »Ganz genauso eins.«
»Was dich nie gestört hat«, entgegne ich kichernd.
»Ich bin froh, dass du noch lachen kannst, meine Kleine.« Dad streckt den Arm aus, sofort rutsche ich zu ihm und kuschle mich an ihn. Er schließt ihn um mich und streichelt meine Schulter. »Lass DJs Sprüche nicht so nah an dich heran, du weißt genau, dass er immer weitermacht, wenn er merkt, dass du darauf anspringst, Deedee.«
Ich seufze schwer. »Es war einfach so unglaublich nervtötend. Ich hatte mich schon mit Mom gestritten und dann hat er mich nicht in Ruhe gelassen.«
»Warum hast du dich mit deiner Mutter gestritten?«
Daraufhin atme ich tief durch. »Wegen der Klausur und weil ich immer noch unzufrieden bin. Das Architekturstudium ist so trocken, Dad, und ihr beide wisst genau, dass ich Musik studieren will. Ihr habt es mich ja nicht mal als zweiten Studiengang belegen lassen. Dad, ich weiß, dass es hart ist, in der Branche Fuß zu fassen, aber ich meine, ihr verbietet mir das Posten auf Instagram und so auch nicht.« Ich schlucke. »Ob ich jetzt auf einer Bühne stehe und singe, Musik unterrichte oder weiterhin irgendwelche Produkte auf Instagram bewerbe, ist doch egal. Ich stehe mit beidem in der Öffentlichkeit und ihr, also Downstair Alley, habt es doch auch geschafft.«
»Schon, aber zu welchem Preis, Kleines? Unser Manager hat deiner Mutter damals erzählt, dass sie nur eine kleine Affäre war, weshalb sie mich verließ; wir waren ständig auf Tour; ich habe deine ersten Schritte verpasst, weil wir unterwegs waren. Ich habe es nicht einmal rechtzeitig zu DJs oder Marlys Geburt geschafft. Willst du auch so ein Leben führen?«
Ich räuspere mich. »Na ja, die Geburt meiner Kinder würde ich eher nicht verpassen.«
Dad lacht auf. »Stimmt, aber trotzdem ist der Weg sehr steinig und ich möchte nicht, dass du ihn beschreitest.«
»Du betreust so viele junge Künstler, aber willst nicht, dass ich Musik mache?«, frage ich irritiert.
»Sadie, du kannst Musik machen, aber nicht hauptberuflich«, antwortet er. »Es ist einfach kein sicherer Job, heutzutage sowieso nicht. Wir hatten es damals schon unheimlich schwer, jedes Album musste mindestens in die Top twenty schießen, damit wir noch eins machen durften. Das war unheimlich stressig. Alexis hatte den Burnout und Azer drehte. Das war alles nicht besonders leicht.«
»Ihr lasst mich aber nicht meine eigenen Erfahrungen machen und das kotzt mich total an.«
»Deedee, bitte nicht schon wieder. Wir haben das Thema schon so oft durchgekaut. Du kennst unseren Standpunkt.«
Daraufhin löse ich mich von ihm. »Ich mache dir einen Vorschlag.«
Dad richtet sich ebenfalls auf und sieht mich fragend an. »Ich bin ganz Ohr.« Er betrachtet mich aus seinen grünblauen Augen, die wie Türkise wirken. »Schieß los.«
»Lass mich einmal Aufnahmen machen. Ich verschicke das Demo und wenn ich Absagen bekomme, werde ich mich nicht mehr beschweren, aber bekomme ich eine Zusage, darf ich Musik studieren.«
Er hebt eine Augenbraue. »Also willst du mir sagen, dass du den Vertrag ablehnen würdest, wenn er dir angeboten wird?«, hakt er ungläubig nach.
»Ja.« Natürlich würde ich ihn annehmen, allerdings hätten Mom und Dad da auch noch ein Wörtchen mitzureden, weshalb ich ihn sowieso nicht alleine unterzeichnen könnte.
Dad sieht mich weiterhin skeptisch an. »Tut mir leid, Kleines, aber ich glaube dir kein Wort. Du willst seit deiner Kindheit Musik machen und ich bezweifle, dass du einen Plattenvertrag ablehnen würdest.«
»Darf ich trotzdem einmal Aufnahmen machen? Nur ein einziges Mal, Daddy, bitte«, bettle ich und sehe ihn mit einem Dackelblick an. Er konnte nie stark bleiben, wenn ich ihn so angesehen habe. Nie.
»Einmal. Ich erkundige mich morgen nach freien Terminen und buche einen für dich, okay?«
»Okay.« Ich falle ihm um den Hals. »Danke, Dad.« Danach drücke ich einen Kuss auf seine Wange. »Ich hab dich lieb.«
»Ich hab dich auch lieb, Spätzchen.« Er streichelt meinen Rücken. »So, wie viele Nudeln konntest du essen, bevor du die übrigen nach deinem Bruder geworfen hast?«
»Keine einzige«, gebe ich zu.
»Dann lass uns nach unten gehen und etwas zu Abend essen.«
»Okay.« Ich löse mich von ihm, danach stehe ich auf.
Dad kommt ebenfalls auf die Beine und ergreift meine Hand. Dass ich die Tochter von Linden Priest bin, macht mein Leben wirklich nicht einfacher. Er weiß, wie das Musikbusiness ist, deshalb will er mich davor beschützen, aber ich habe diesen Schutz nicht nötig.
Kaum sind wir unten, kommt Mom uns entgegen. »Hier ist schon wieder ein Paket für dich gekommen, Sadie.«
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. »Von wem?«
Sie wirft einen Blick auf die Sendung. »Irgendeine Firma, ich kann den Namen nicht aussprechen.«
Ich gehe auf sie zu und nehme ihr den Karton ab. »Ah, das könnten die Leggings sein, die ich vorstellen soll.«
»Wie viel kommt diese Woche denn noch an?«, hakt Mom genervt nach. »Langsam nimmt das Ganze etwas Überhand, Sadie.«
»Ich weiß nichts von weiteren Paketen«, erwidere ich tonlos, danach stelle ich das Paket auf die Treppe und gehe in die Küche.
»Lass sie, Thally. Sie ist immer noch frustriert, weil sie die Klausur vergeigt hat.«
Mom seufzt. »Ich weiß nicht, was ich noch tun soll, Linden.«
»Es gibt nichts zu tun, Mom, aber danke«, mische ich mich ein, als ich das Brot aus dem Schrank hole.
»Sadie, was ist in letzter Zeit mit dir los? Du bist ständig auf Krawall gebürstet«, sagt sie niedergeschlagen.
Ich drehe mich zu ihr um. »Ich bin auf Krawall gebürstet? Du hast schon mitbekommen, was DJ den ganzen Tag gemacht hat, oder?«
»Habe ich, aber das ist kein Grund, ihn mit Nudeln zu bewerfen und ihm Wasser ins Gesicht zu schütten«, hält sie dagegen.
Dad schnaubt. »Es reicht jetzt. Thally. Geh am besten ins Wohnzimmer oder dein Büro, aber hört auf zu streiten.«
Meine Mutter gibt einen entnervten Laut von sich. »Ich streite nicht mit ihr, sondern möchte sie bloß verstehen.«
»Sadie ist frustriert, Darling, verstehst du das nicht?«, fragt Dad. »Du kritisierst sie ständig, aber DJ hat einen Freifahrtschein. Das kann nicht sein und ist alles andere als richtig.«
»Sie ist die Ältere und sollte sich zu benehmen wissen, Linden«, erwidert Mom. »Ständig ist hier Stress, weil Sadie ihr Temperament nicht zügeln kann.«
Kopfschüttelnd wende ich mich von meiner Mutter ab. »Ich sollte Delsin nach einer Wohnung fragen, dann hab ich wenigstens meine Ruhe«, grummle ich vor mich hin.
»Das habe ich gehört«, sagt sie.
Ich drehe mich noch einmal zu ihr um. »Na und? Ich verdiene mein eigenes Geld, also könntest du es nicht einmal verbieten, dabei hast du doch so gern die Kontrolle über mich und jeden anderen in diesem Haus, Mom!«
»Jetzt fang keinen Streit an!«, ermahnt sie mich.
»Das tue ich nicht. Das bist du ganz allein.«
»Mädels!«, ruft Dad, woraufhin wir zu ihm schauen. »Es reicht jetzt. Hört auf zu streiten oder fangt gar nicht erst an. Es nervt, wie oft ihr euch in letzter Zeit an den Hals geht.«
Ich seufze schwer. »Sorry, Dad.«
»Oh, und bei mir entschuldigst du dich nicht?«, bohrt Mom tiefer nach.
»Thally, es reicht«, grätscht Dad erneut dazwischen.
Mom winkt ab. »Ich gehe ins Büro, ich muss sowieso noch einen Auftrag durchgehen, damit ich ihn morgen mit den Mitarbeitern besprechen kann.« Danach geht sie.
Dads strenger Blick trifft mich. »Was sollte das?«
»Sie hat angefangen«, antworte ich, als ich seinen Augen ausweiche. Ich habe das Gefühl, dass er Blitze auf mich schießt, weil ich mich nicht zurückhalten konnte. Niedergeschlagen verschränke ich die Arme vor der Brust. »Du hast doch selbst gehört, dass sie DJ in Schutz nimmt, weil er der Jüngere ist. Ich kriege ständig eins drüber, weil ich die Älteste bin, das nervt mich.«
Dad atmet tief durch. »Deine Mutter und du habt die gleiche Portion Temperament und ich weiß, dass das Streiten dann besonders toll ist, weil man auf jemanden trifft, der sich nichts gefallen lässt, aber du solltest dich ein wenig zurückhalten, Sadie.«
Ich nicke langsam.
»Vor allem auch, weil ich Kopfschmerzen bekomme, wenn ihr zwei loslegt«, sagt er lächelnd, als ich wieder zu ihm schaue. »Ihr beide seid Streithähne und DJ und du genauso, aber bitte versuch doch, dich nicht immer darauf einzulassen, wenn sie dich provozieren beziehungsweise du dich provoziert fühlst.«
»Ich werde es versuchen, Dad.«
»In Ordnung.« Er kommt näher. »Warum willst du dir jetzt ein Sandwich machen?«
»Weil Moms Spaghetti nicht essbar sind«, erwidere ich grinsend.
Er lacht auf. »Machst du mir auch eines?«
Ich nicke ihm zu. »Womit soll ich es belegen?«
»Ich hole alles aus dem Kühlschrank. Was möchtest du?«
»Schinken, Salat und Remoulade.«
»Alles klar.«
* * *
Dad und ich haben miteinander gegessen. Marly hat sich zwischenzeitlich zu uns gesetzt und von ihrem Schultag erzählt. Als ich mit meinem Sandwich fertig bin, bringe ich unsere Teller weg und räume sie in die Spülmaschine, danach hole ich eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank, ebenso drei Gläser aus dem Schrank und gehe zurück an den Tisch.
»Ich bin so froh, dass bald wieder Ferien sind«, beendet Marly ihre Erzählung schließlich, als ich mich wieder zu ihnen setze. Ich verteile die Gläser und schenke uns Coke ein, danach lehne ich mich zurück.
»Ich bin auch froh darüber«, stimme ich ihr zu. »Allerdings werde ich lernen dürfen.«
»Warum machst du denn nichts mit den Roughs, Ryan oder Phoenix?«, möchte Dad wissen.
»Seit Camren, Hunter und Ryan Freundinnen haben und Cam sogar Vater geworden ist, sind sie alle nicht mehr so zugänglich. Außerdem fühle ich mich nicht gern wie das fünfte Rad am Wagen.«
Dad schnaubt. »Genau dasselbe Problem hatte deine Mom damals auch. Cami war mit Delsin zusammen, Ave mit Dale und Hailey mit diesem Cowboy, dessen Namen ich vergessen habe. Sie hatte niemanden und war genervt von der Verliebtheit ihrer Freunde.«
»Ich bin nicht genervt«, erwidere ich.
Dad hebt eine Augenbraue. »Sondern?«
»Ich bin total angepisst, weil man nichts mehr mit ihnen alleine unternehmen kann. Phoenix, Damon und Jacob sind deshalb auch kaum noch mit ihnen unterwegs, außer wir gehen an den Strand«, erkläre ich seufzend. »Ich weiß nicht, warum man seine Freunde vergisst, wenn man in eine Beziehung schlittert, aber es nervt.«
»Das ist aber ganz normal, Deedee. Die Honeymoonphase dauert glücklicherweise nicht ewig.«
»Bei Hunter und Jazz dauert sie schon fast zwei Jahre, dabei verbringen sie jede freie Minute miteinander, sie haben sogar die gleichen Vorlesungen und sind auch in der Uni kaum voneinander getrennt.«
»Bei Camren und Lucy ist gerade ein Baby zur Welt gekommen, es ist klar, dass sie jetzt erst mal die Zeit zu dritt genießen, Kleines, und Ryan und Kylie sehen sich nur selten, weil sie den ganzen Tag arbeiten ist«, hält er dagegen.
»Sie sehen sich jeden Tag, er ist doch bei ihr eingezogen.«
»Echt?«, hakt Dad nach.
»Ja, weil er von dort schneller auf dem Campus ist«, erwidere ich. »Die beiden sieht man kaum noch.«
»Oh«, stößt er aus.
»Du kannst doch auch mehr mit mir unternehmen«, mischt Marly sich ein.
Ich schaue sie an und verziehe meine Lippen zu einem Lächeln. »Wir können am Wochenende shoppen gehen.«
Sie nickt hektisch. »Oh ja.« Marly ist vierzehn, wird bald fünfzehn und ist die Jüngste von uns Nachkommen und sie versteht sich nicht so gut mit Lilly und Joy. Annabelle und Liv, Callums Töchter, sind auch nicht auf ihrer Wellenlänge, wie meine Schwester behauptet, weshalb sie meistens mit Giana unterwegs ist. Aber Giana ist die Tochter von Dekan Meyer, der Wert darauf legt, dass sie sich auf die Schule konzentriert. Deshalb hat sie meist nur am Wochenende Zeit, das sie dann jedes Mal mit Marly verbringt. »Darf Giana auch mitkommen?«, erkundigt sie sich.
»Klar, wenn sie will«, erwidere ich, obwohl ich mich auf einen Schwesterntag gefreut hatte.
»Verbringt doch den Tag zu zweit. Giana kann doch auch Samstagabend noch herkommen«, meint Dad. »Ihr unternehmt so selten etwas zu zweit.«
Marly brummt. »Na gut.«
»Meinetwegen kann Giana mitkommen. Marly muss nicht auf das Wochenende mit ihrer Freundin verzichten«, halte ich dagegen. »Ich wollte sowieso shoppen gehen und die beiden können sich auch zu zweit umsehen, während ich alleine gehe.«
»Du kannst doch Reese fragen, ob er auch mitkommt, oder Phoenix«, schlägt Marly vor.
Ich schüttle den Kopf. »Nein, Reese hat ständig Training und Phoenix muss lernen, weil er Probleme mit dem Stoff hat.«
»Oder wir gehen vormittags«, sinniert meine Schwester weiter.
»Schauen wir mal«, entgegne ich lächelnd.
* * *
»Halt dich bitte von den Jungs fern«, sagt Dad, als wir auf das Tonstudio zugehen.
»Sind sie schon da?«
»Wahrscheinlich nicht, da Saint ständig verschläft«, antwortet er und ich höre den genervten Unterton in seiner Stimme. Er öffnet die Tür und lässt mich eintreten.
»Warum habt ihr eigentlich kein eigenes Tonstudio?«, erkundige ich mich. »Früher in den Hamptons hattet ihr doch auch eines.«
»Ja, aber das haben wir irgendwie nie genutzt, um unsere Songs aufzunehmen, sondern für unsere Jamsessions.«
»Aber ihr könntet ganz einfach eines kaufen«, halte ich dagegen.
»Schon, allerdings bin ich ganz froh, wenn ich mal aus dem Haus komme«, erwidert Dad grinsend.
Ich lache, als wir weiter ins Tonstudio gehen.
»Gott, Vince, du bist eine Drecksau!«, ruft jemand lachend.
Vince ist der zweite Leadsänger der Haunted Demons, die bei mir hoch und runter laufen, zumindest im Auto, denn Dad soll ich nicht wissen, dass ich die Musik seiner Schützlinge mag.
»Morgen, Jungs«, sagt Dad, als wir einen Aufenthaltsraum betreten.
»Hi, Chef«, erwidert Saint Williams und ich glaube, mir ist gerade das Herz in die Hose gerutscht.
Dad geht zu ihnen und reicht ihnen nacheinander die Hand.
»Wen hast du denn mitgebracht?«, fragt Langdon interessiert.
»Das ist meine Tochter Sadie. Sadie, das sind Vince, Langdon, Saint und Brooklyn«, stellt er sie mir vor.
»Guten Morgen«, sage ich leise.
»Hi, Sadie«, entgegnet Saint lächelnd und zwinkert mir zu, was Dad sofort dazu veranlasst, sich zu räuspern.
Ich spüre die Hitze in meinen Wangen, weshalb ich zu meinem Vater hochschaue. »Wo soll ich warten?«
»Am liebsten in meinem Bett«, sagt Brooklyn leise, woraufhin die anderen lachen.
»Leute, noch so ein Spruch und ihr habt ein ziemlich großes Problem mit mir, so wie den anderen«, lässt Dad sie wissen.
»Sorry, Chef«, sagt Brooklyn sofort.
Jetzt weiß ich, warum mein Vater wollte, dass ich eine Jeans und möglichst eine weite Jacke anziehe, aber ich habe eine enge Hose und ein genauso hautenges Top an, bloß trage ich eine Shirtjacke darüber, allerdings schützt sie mich nicht vor ihren Blicken.
»Am besten bleibst du in meiner Nähe, weil ich den Jungs nicht traue, Kleines.«
»Kleines«, echot einer. »Das ist echt süß.«
Ich schaue zu ihnen und hebe eine Augenbraue. »Kann man von euch nicht behaupten.«
»Touché«, sagt Saint amüsiert.
»Schnappt euch eure Instrumente, wir gehen die Setlist durch und dann werden Aufnahmen gemacht«, verkündet Dad.
Saint und Vince nehmen ihre Gitarrenkoffer an sich, Brooklyn und Langdon nichts. Ihre Instrumente stehen sicherlich im Aufnahmeraum, da man ein Schlagzeug oder ein Keyboard weniger leicht transportieren kann wie eine Gitarre.
Dad wendet sich ab und verlässt den Raum, als die Männer auf mich zukommen. Saint ist der Letzte, der an mir vorbeigeht. Er zwinkert mir noch einmal zu und schenkt mir ein charmantes Lächeln, das mich schon wieder erröten lässt. »Heißes Teil.«
Irritiert drehe ich mich um und schaue ihm hinterher. Andere mögen das als Kompliment betrachten, aber ich fand das ziemlich unverschämt.
»Deedee, kommst du?«
Mein Blick fällt auf Dad. »Klar.« Ich gehe zu ihm und fühle mich sofort sicherer, weil ich weiß, dass er mich beschützt. Sonst beschwere ich mich darüber, behütet zu werden, aber in diesem Moment bin ich dankbar. Ich finde Saint unwahrscheinlich heiß, aber er hat auch etwas Bedrohliches an sich.
Dad deutet auf eine Couch. »Du kannst dich hier hinsetzen.«
»Danke.« Ich nehme Platz und bin ein wenig stinkig darüber, dass ich nicht durch die Trennscheibe schauen kann, um die Jungs zu sehen. Seufzend lehne ich mich zurück und lasse meinen Blick schweifen. Hier hängen ein paar Fotos an den Wänden – vermutlich sind das alles Künstler, die hier Aufnahmen gemacht haben. Ich entdecke sogar ein Foto von Downstair Alley.
Dad verlässt den Raum und geht zu den Jungs in den Aufnahmeraum. Ich höre die Unterhaltung, die er mit ihnen führt, aber ich fange an, mich zu langweilen. Ich hole mein Handy aus meiner Handtasche und sehe die Instagram-Benachrichtigungen durch. Kurzerhand entschließe ich mich, eine Story aufzunehmen. Meine Follower mögen es, wenn ich ein wenig aus meinem Alltag als Tochter eines ehemaligen Rockstars erzähle. Außerdem wissen sie, dass Dad der Manager diverser Bands ist. Na ja, er betreut die Haunted Demons, Alexis, Azer, Gavin und Mike kümmern sich um andere Interpreten. Sie haben ständig alle Hände voll zu tun.
Noch einmal schaue ich mich um, dann entscheide ich mich für einen Boomerang und nehme meine wackelnden Füße auf. Sitze mit meinem Dad im Tonstudio, vielleicht zeige ich euch gleich, wer Aufnahmen macht, schreibe ich darunter und setze einen zwinkernden Smiley dahinter. Ich poste die Story mit dem Hashtag #Rockstars und lade sie hoch.
* * *
Mein Handy klingelt, weshalb ich den Mischraum verlasse. Ich gehe raus an die frische Luft, dann nehme ich den Anruf entgegen. »Priest?«
»Hey, Sadie, ich bin’s, Cam. Alles klar bei dir?«
»Ja schon und bei dir, Daddy?«, erkundige ich mich.
»Ich kann nur über zu wenig Schlaf klagen«, sagt er lachend. »Was machst du? Ich habe dich heute gar nicht in der Uni gesehen.«
Ich seufze. »Ich bin mit Dad und den Haunted Demons im Tonstudio. Sie nehmen ein neues Album auf und nachdem ich mich gestern furchtbar mit DJ und dann auch noch mit Mom gestritten habe, wollte er mich ablenken.«
»Ah okay. Und wie sind die Kerle so?«
»Ein bisschen chauvinistisch und schleimig, aber sonst geht’s. Ich habe ja nichts mit ihnen zu tun, weil ich die ganze Zeit mit Dad im Mischraum sitze«, erzähle ich, greife in meine Handtasche und hole eine Zigarette raus. Wenn Mom wüsste, dass ich gelegentlich rauche, würde sie die Krise kriegen, aber sie war in meinem Alter selbst nicht besser. Sie hat geraucht, Alkohol getrunken und war mit unter einundzwanzig Jahren in Clubs. Sie war kein Kind von Traurigkeit, ich bin auch keins.
»Oh, klingt ja ätzend«, sagt er amüsiert. »Aber sei froh, du bist sie nach heute wieder los.«
»Ja, genau.« Ich stecke mir die Zigarette zwischen die Lippen und krame in meiner Tasche nach einem Feuerzeug. Ich verdrehe die Augen, nehme die Kippe wieder aus dem Mund und seufze schwer. »Soll ich später mal vorbeikommen? Ich habe noch was für die Kleine im Auto.«
»Klar, wann willst du denn kommen?«
»Ich melde mich, wenn Dad und ich hier fertig sind, okay? Ich bin mit ihm gefahren und wir sind echt weit draußen.«
»Alles klar. Dann meld dich, wenn du so weit bist.«
»Mache ich, bis später, Cam.«
»Bis dann.« Er beendet das Gespräch und ich drehe mich zum Haus um.
»Brauchst du Feuer?«, fragt Saint lächelnd, dabei deutet er auf die Zigarette, die ich zwischen den Fingern habe.
»Ja.«
Er kommt näher, dabei bewegt er sich so geschmeidig wie eine Raubkatze, und dieser Umstand lässt mein Herz schneller schlagen. »Du solltest nicht rauchen.«
»Du auch nicht, immerhin bist du Sänger«, halte ich dagegen, als er mir Feuer gibt. Ich stecke mir den Filter zwischen die Lippen und ziehe an der Zigarette, damit sie brennt. Danach stoße ich den blauen Dunst aus. »Lässt mein Vater euch Pause machen?«
»Ja, ich habe einen Anruf bekommen, deshalb brauchte ich ein paar Minuten, allerdings war die Sache schneller geklärt, deshalb wollte ich noch eine rauchen«, erwidert er. Er mustert mich eindringlich, was etwas unangenehm ist. »Du bist wirklich Lindens Tochter?«
»Ja, bin ich.«
»Und wie ist es so, die Tochter einer Legende zu sein?«, möchte er wissen.
»Könnte leichter sein«, entgegne ich.
Saint neigt den Kopf und ich atme tief durch. »Warum?«
»Na ja, ich will Musik machen und meine Eltern erlauben es nicht. Deshalb studiere ich Architektur statt Musik.«
»Ah, sie legen deinem Traum Steine in den Weg«, stellt er fest und zieht an seiner Zigarette.
»Ja, so kann man es sagen, aber ich habe mich zu oft beschwert, als dass ich noch Gehör finden könnte.«
»Hm«, schnaubt er und verzieht seine Lippen zu einem Lächeln. »Lass dir von mir sagen, dass der Weg auf die Bühne echt steinig ist, und wenn ich die Jungs nicht hätte, hätte ich es aufgegeben, im Rampenlicht stehen zu wollen.«
»Okay.« Ich nehme einen Zug von meiner Kippe. »Ich weiß, es ist eine blöde Frage, aber könnte ich ein Selfie von uns machen?«
»Klar doch, aber vielleicht sollten wir damit warten, bis wir geraucht haben«, antwortet er, als ich schon mein Handy entsperre.
»Oh, okay.« Ich behalte die Tür im Auge, falls Dad herauskommt. Für den Fall stehe ich glücklicherweise gleich neben dem Aschenbecher, sodass ich sie hineinwerfen kann.
»Dein Dad behütet dich ziemlich, oder?«
»Es geht. Er will nicht, dass ich die falschen Kerle treffe, ein typischer Vater eben«, entgegne ich lächelnd.
»Was wären denn die falschen Kerle?«
Daraufhin ziehe ich die Schultern hoch.
Saint lacht und der raue Klang jagt die Gänsehaut nur so über meinen Körper. »Komm schon, Sadie, du weißt es.« Wow, er hat sich meinen Namen gemerkt, dabei dachte ich, dass jemand wie er es nicht für nötig halten würde.
»Na ja, jemand wie du wäre wohl der falscheste Mann überhaupt, den ich mit nach Hause bringen könnte«, lasse ich ihn wissen und spüre die Hitze in meine Wangen aufsteigen.
Er schnaubt amüsiert. »Sieht ihm ähnlich. Er versucht ständig, mich von Frauen fernzuhalten. Ich glaube, zuletzt war deine Mutter dabei, da fand er es nicht besonders lustig, dass ich ihr sagte, dass sie echt heiß ist.«
Meine Gesichtszüge entgleisen. »Das hätte ich auch nicht lustig gefunden.«
Er zuckt mit den Schultern. »Ich habe ihr nur gesagt, was ich denke, damit halte ich selten hinterm Berg, Sadie.« Saint zwinkert mir zu.
Ich räuspere mich, ziehe ein letztes Mal an der Zigarette und drücke sie am Aschenbecher aus, danach nehme ich ein Pfefferminz in den Mund.
»Soll Daddy nicht wissen, dass du rauchst?«
»Er weiß es, aber ich mag den Geschmack nach einer Zigarette nicht«, erwidere ich.
»Ah«, stößt er aus. Im nächsten Moment schnippt er die Kippe weg, statt sie in den Aschenbecher zu werfen. »Machen wir das Selfie?«
»Klar.« Ich hole mein Handy hervor, entsperre es und öffne die Kamera, danach stelle ich mich neben ihn. Dummerweise reiche ich ihm gerade mal bis an die Schulter. »Könntest du das Foto machen?«
»Sicher.« Er nimmt mir das Smartphone aus der Hand, hält es höher und wir schauen beide in die Kamera. »Lächeln.« Er knufft mich in die Seite, weshalb ich auflache, dann macht er das Foto.
»O Gott, das sieht dämlich aus.«
»Na ja, du siehst ein bisschen dämlich aus«, erwidert er lachend und deutet auf das Foto. Ich kneife die Augen zu und reiße richtig den Mund auf, weil ich so lachen musste.
Nachdem ich mich beruhigt habe, atme ich tief durch. »Ein zweiter Versuch, ohne mich zu knuffen«, sage ich grinsend, als ich zu ihm hochschaue.
»Alles klar, trotzdem solltest du lächeln, statt so ernst zu gucken, wie du es vorhin getan hast.«
»Ich versuch’s.« Ich verziehe meine Lippen zu einem Lächeln, als Saint das Handy noch einmal höher hebt.
Er lächelt ebenfalls, dann macht er das Foto. »Jetzt sieht’s gut aus.« Er reicht mir das Smartphone.
»Danke.« Ich räuspere mich. »Darf ich es auf Instagram posten?«
»Klar, aber markier mich.«
»Ich mache aber nur eine Story.«
»Ist völlig in Ordnung, Sadie.«
»Danke«, wiederhole ich und lade das Foto in meine Story. Wie versprochen. Ich bin mit den @HauntedDemons im Tonstudio und @TheRealSaint hat sich bereit erklärt, ein Foto mit mir zu machen. Danach stelle ich noch einen Umfragesticker mit der Frage ein, ob sie die Musik auch lieben, und poste die Story.
Saint holt sein Handy heraus. »SadiePriest möchte dir eine Nachricht schicken«, liest er vor.
Die Tür geht auf und Dad schaut heraus. »Saint, es geht weiter, wenn du dann bitte zurückkommen würdest.«
Da er mit dem Rücken zu meinem Vater steht, verdreht er die Augen. »Sicher, Chef.« Danach zwinkert er mir abermals zu, wendet sich ab und geht zu Dad, schließlich an ihm vorbei.
»Wieso warst du hier draußen?«
»Weil ich mit Cam telefoniert habe. Er hat gefragt, warum ich nicht in der Uni war.«
»Alles klar.«
»Und ich würde später gern noch zu den Roughs fahren, weil ich noch was für die Kleine im Auto habe«, lasse ich ihn wissen.
»In Ordnung.« Dad räuspert sich und kommt zu mir. »Hat er dich belästigt?«
Daraufhin schüttle ich den Kopf. »Nein, wir haben uns bloß unterhalten und ein gemeinsames Foto gemacht, weil ich ihn darum gebeten habe, um es auf meinem Instagramkanal zu posten.«
»Gut, dann muss ich ihn keinen Kopf kürzer machen.«
Mit großen Augen schaue ich ihn an. »Du musst nicht gleich so brutal werden, Dad.«
»Sadie, es gibt keinen größeren Weiberhelden als Saint Williams und ich will nicht, dass er dich zu einem Teil seiner Trophäensammlung macht.«
Ich hebe eine Augenbraue. »Die Frage ist doch, ob ich mich überhaupt zu einer Trophäe machen lasse, Dad. Glaub mir, das wird definitiv nicht passieren.«
Dad lächelt. »Sehr gut, dann bin ich beruhigt.«
»Vertraust du mir etwa nicht?«, hake ich nach.
»Ich vertraue dir, Deedee, aber ich vertraue den Männern in deinem Alter nicht«, erwidert er. »Lass uns wieder reingehen.«
»Okay«, seufze ich, begebe mich an seine Seite und wir gehen zurück ins Tonstudio. Der Song, der im Mischraum zu hören ist, ist super. Er geht sofort ins Ohr, aber ich glaube, dass sie ihn nicht selbst geschrieben haben. Ich bin mir sicher, dass er auf Dads und Alexis‘ Konto geht, weil er typische Textzeilen und Noten enthält, die auch in zahlreichen Downstair Alley Songs vorkommen.
»Sehr gut, die Aufnahme ist im Kasten«, sagt Dad, als sie das Lied nach dem dritten Versuch eingespielt haben. »Machen wir uns an den nächsten.«
* * *
Ich werde angestupst. »Hey, Deedee.«
Blinzelnd schlage ich die Augen auf. »Mhm?«
»Spätzchen, wir sind fertig. Lass uns nach Hause fahren.«
»Wie spät ist es denn?«
»Fast Mitternacht.«
»Oh Mann«, stoße ich aus.
»Wir sollten nach Hause fahren. Die Jungs packen auch gerade zusammen.«
»Okay«, seufze ich und richte mich auf. Danach hole ich den kleinen Taschenspiegel aus meiner Handtasche und schaue hinein. Glücklicherweise ist mein Augenmake-up nicht verschmiert.
»Können wir dann, Prinzessin der Eitelkeit?«, fragt er ungeduldig.
»Ja, ich komme ja schon.« Ich nehme meine Tasche an mich, danach erhebe ich mich. Ich gehe an Dads Seite, anschließend verlassen wir den Mischraum. Im Vorraum kommen die Haunted Demons dazu und Dad beginnt ein Gespräch mit ihnen.
Ich seufze schwer. »Dad, kann ich die Autoschlüssel haben? Ich bin müde und will mich schon mal setzen.«
»Sicher.« Er greift in seine Hosentasche und reicht sie mir. »Fahr nicht weg.«
»Keine Sorge, dafür bin ich zu müde.« Ich schaue zu seinen Schützlingen. »Bye.«
»Hat uns gefreut, Spätzchen«, sagt Vince grinsend.
»Mich auch, du Bärchen«, kontere ich, danach verlasse ich das Tonstudio. Langsamen Schrittes gehe ich zu Dads Wagen. Er fährt einen Mercedes, na ja, zumindest haben wir den heute genommen, denn in der Garage steht ein ganzer Fuhrpark. Ich steige ein, schnalle mich an und lehne mich zurück. Aber statt die Augen zu schließen, schaue ich raus. Vielleicht kann ich noch einen letzten Blick auf Saint werfen.
* * *
»Treffen wir Giana vor der Mall?«, frage ich meine Schwester, die neben mir auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat.
»Nein, wir treffen sie am Waffelstand in der Mall, weil Kelsey sie mitnimmt. Sie muss noch irgendwas besorgen und meinte, dass sie mit Giana dorthin kommen würde«, antwortet sie.
»Alles klar.« Ich fahre auf den Parkplatz und schaue mich nach einer freien Parkbucht um. »Wohin wollt ihr?«
»Wir wollen in den Music Store, weil ich neue Saiten für meine Ukulele brauche, außerdem soll ich Dad noch Plektren holen, weil seine mittlerweile abgenutzt sind.«
»In den Music Store begleite ich euch, ich will mir eine neue Gitarre kaufen«, lasse ich sie wissen.
»Echt? Du hast doch ewig nicht gespielt.«
»Ja echt, und ich habe so lange nicht gespielt, weil ich wegen der Uni keine Zeit hatte.«
»Du gehst aber immer noch zur Uni«, meint sie.
»Ja, aber ich werde mir in den Ferien wieder mehr Zeit für die Musik nehmen, Süße«, erwidere ich, als ich geparkt habe. »Bereit?«
»Ja«, sagt sie entschlossen und steigt aus.
Ich verlasse ebenfalls das Auto, verriegle die Türen und gehe an die Seite meiner Schwester. Marly hakt sich bei mir ein und wir machen uns gemeinsam auf den Weg in die Mall.
»Wo willst du denn überall einkaufen?«
»Mal schauen. Meistens entscheide ich das spontan, aber ich habe mir vorgenommen, ziemlich viel Geld auszugeben, weil ich in letzter Zeit so viel verdient habe«, erwidere ich.
»Du weißt, dass Mom das nicht gern sieht«, meint sie.
»Schon, aber da ich gemeinsam mit Dad immer schon das Geld für die Steuern zur Seite lege, werde ich heute einiges von dem, das auf meinem Konto herumliegt, ausgeben. Ich gehe fast nie shoppen, dann darf ich es auch mal übertreiben«, halte ich grinsend dagegen.
Marly lacht leise. »Stimmt auch wieder.«
Wir betreten die Mall und ich lasse meinen Blick schweifen. Ich werde definitiv ein paar Klamotten kaufen, auch einen neuen Bikini und die Gitarre, die ich mir schon so lange wünsche, die Mom und Dad mir aber weder zum Geburtstag noch zu Weihnachten schenken wollten. Ich kann es auch irgendwo verstehen, weil sie verdammt teuer ist, andererseits bin ich ein bisschen pissed, weil DJ den Bass bekam, den er sich gewünscht hatte. Und der war auch nicht viel preiswerter.
* * *
Eine gute Viertelstunde später erreichen wir den Waffelstand und ich sehe Giana gemeinsam mit Kelsey dort warten. »Guten Morgen«, sage ich lächelnd, als wir bei ihnen stehen, und umarme Kelsey. »Ich soll dir liebe Grüße von Mom und Dad ausrichten.«
»Danke, grüß sie auch lieb, wenn ihr später zu Hause seid«, entgegnet sie gut gelaunt. Danach umarmt sie Marly. »Hallo, Süße.«
»Hi, Kelsey.«
Wir nennen alle Freunde unserer Eltern Tante oder Onkel, aber ich habe es mir schon vor einer ganzen Weile abgewöhnt. Ich kam mir dabei so dämlich vor.
»Was habt ihr denn vor?«
»Wir wollen in den Music Store«, lasse ich sie wissen. »Und danach trennen wir uns, damit die beiden allein bummeln gehen können. Ich schätze, wir treffen uns dann später an einem vereinbarten Treffpunkt, damit ich sie nach Hause bringe.«
Kelsey nickt. »Alles klar, dann weiß ich Bescheid.« Sie schaut Giana an, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht. »Benimm dich, meine Kleine.«
»Werde ich, Mom, keine Sorge«, antwortet Giana.
Kelsey drückt ihr etwas Geld in die Hand. »Kauf dir was Schönes und wir sehen uns Montag nach der Schule.«
»Danke, Mom. Bis dann.« Sie umarmen einander.
Wir verabschieden uns ebenfalls von Kelsey, anschließend machen wir uns auf den Weg zu dem Music Store, der hier vor Kurzem eröffnet hat.
Die beiden schnattern regelrecht miteinander, während ich nach meinem Handy greife. Ich fische es aus meiner Handtasche, dann rufe ich Camren an, da ich vorgestern nicht mehr bei ihm war, nachdem Dad und ich bis spätabends im Tonstudio waren. Gestern die Vorlesungen zu packen, war echt hart, aber ich habe es hinbekommen und bin früh ins Bett gegangen, um für die Shoppingtour ausgeschlafen zu sein.
»Wir gehen mal die Saiten und die Plektren holen und ziehen dann weiter, Sadie, okay?«, fragt meine Schwester, bevor mein bester Freund den Anruf angenommen hat.
Ich nicke ihr zu. »Wir treffen uns später wieder am Waffelstand. Ich schreibe dir, falls ich vor euch fertig sein sollte.«
»Alles klar.« Sie verschwinden aus meinem Sichtfeld und ich lausche weiter dem Freizeichenton von Camrens Handy. Seufzend lege ich auf und schreibe ihm eine Nachricht, dass er sich bei mir melden soll, wenn er Zeit hat. Anschließend schaue ich mich in dem Store um. So klein, wie DJ behauptet hat, ist er gar nicht. Okay, der andere in der Stadt ist größer, aber ich hoffe, dass ich hier trotzdem die Gitarre finde, die ich haben möchte. Laut Internet ist sie in dieser Filiale verfügbar, aber ich bin schon so oft mit solchen Vorhersagen auf die Nase gefallen, dass ich mich nicht darauf verlassen möchte.
Ich erreiche die Abteilung mit den Gitarren und schaue mich um. Und dann sehe ich sie. »Da bist du ja«, sage ich lächelnd und sehe mich nach einem Verkäufer um. Wie es leider immer der Fall ist, ist nirgends einer zu entdecken.
»Heißes Teil«, meint jemand und ich blicke zur Seite. »Hi, Spätzchen.« Diesen Mann würde ich überall erkennen und ich frage mich, warum er diese lächerliche Verkleidung trägt, denn jeder Fan wird sein Oberarmtattoo oder seine Grübchen erkennen.
»Oh Mann«, stoße ich aus. »Hi, Saint.«
»Hey, Sadie, alles klar?«
»Ja, ich muss nur gerade einen Mitarbeiter suchen, weil ich nicht an die Gitarre komme, die ich haben möchte.«
»Welche ist es?«
»Du hast sie doch schon gesehen, oder nicht?«
»Nein, ich sprach von dir.« Er nimmt die Sonnenbrille ab und zwinkert mir zu.
Ich hole tief Luft, doch statt etwas zu sagen, deute ich zu der Gitarre, die außerhalb meiner Reichweite an der Wand hängt. »Es ist diese.«
»Eine Gibson, gute Wahl.«
»Ich weiß. Danke.«
»Soll ich sie für dich herunterholen?«
»Nein, ich suche mir lieber einen Verkäufer, weil ich auch den passenden Koffer kaufen möchte.« Danach lasse ich ihn stehen. Sein Auftauchen hat mich eiskalt erwischt.
»Jetzt warte doch«, sagt er und kommt an meine Seite. »Bist du ganz allein unterwegs?«
»Nein, meine Schwester und ihre Freundin rennen hier auch irgendwo herum. Wir sind gemeinsam gefahren.«
»Warum sind sie denn nicht bei dir geblieben?«
»Weil sie in andere Läden als ich möchten«, antworte ich.
»Dann bist du ja doch allein unterwegs.«
Seufzend nicke ich. »Ja, bin ich.« Ich entdecke einen Mitarbeiter und laufe eilig auf ihn zu. »Hi, sorry, dass ich störe, aber ich hätte Interesse an einer Gitarre. Ich komme allerdings nicht dran, deshalb bräuchte ich Ihre Hilfe«, sage ich freundlich.
»Klar, welche soll es denn sein?«
»Eine der Gibsons«, erwidere ich und gehe gemeinsam mit ihm zurück. Saint ist immer noch in der Nähe, weshalb ich mich ein wenig unwohl fühle. Ich weiß nicht, warum er hier ist, aber genauso wenig, warum er mich darüber ausgefragt hat, ob ich allein unterwegs bin.
»Welche genau?«, hakt der Mitarbeiter nach.
»Die Gibson 12 String Rosewood Burst«, entgegne ich, weshalb er mich überrascht ansieht. »Was ist? Ich kenne mich nun mal mit Gitarren aus.«
Er lächelt. »Normalerweise bekomme ich die Braune da oder so zu hören, deshalb war ich überrascht, Miss.« Danach holt er eine Leiter und steigt drauf, im nächsten Moment reicht er mir schon die Gitarre. »Brauchen Sie auch Saiten?«
»Nein, aber einen Koffer, weil ich sie nicht so ins Auto legen oder überhaupt lose transportieren will.«
»Du solltest auch Saiten nehmen, Sadie, solche Gitarren werden ständig von irgendwelchen Dullis gespielt, die in solche Stores kommen«, mischt Saint sich ein.
Ich schaue zum Verkäufer. »Ziehen Sie neue Saiten auf die Gitarre auf? Ich meine, sie kostet fast 3.500 Dollar und ich will nicht, dass die Saiten reißen, wenn ich sie zum ersten Mal bespiele.«
Der Mitarbeiter nickt. »Ich erledige das. Kommen Sie dann gleich mit dem Koffer zur Kasse?«
»Ich denke, sie sollte die Gitarre haben, damit sie auch einen passenden Koffer erwischt«, antwortet Saint.
Ich hebe eine Augenbraue. »Ich kann die Saiten selbst aufziehen, aber ich hätte schon gern ein Ersatzpack oder so, weil die Gitarre so teuer ist.«
Der Mitarbeiter nickt mir zu.
Gemeinsam gehen wir durch den Laden und ich suche mir einen Koffer aus. Er ist schwarz, wie es nun mal so üblich ist, und mit rotem Samt ausgekleidet. Nachdem ich auch die Saiten habe, machen wir uns auf den Weg zur Kasse.
»Was hast du heute noch vor?«, erkundigt sich Saint.
Ich schaue zu ihm hoch, während der Mitarbeiter die verschiedenen Artikel in die Kasse eingibt. »Ich werde shoppen gehen.«
»Darf ich dich begleiten? Ich langweile mich so schnell.«
»Bist du denn allein unterwegs?«, möchte ich wissen.
»Nein, die Jungs rennen auch irgendwo in der Mall herum, aber meistens ziehe ich allein los.«
»Warum willst du dann mit mir gehen?«, hake ich irritiert nach.
»Ich könnte die Gitarre für dich tragen«, schlägt er grinsend vor.
Der Verkäufer räuspert sich, weshalb ich zu ihm schaue. Er nennt mir den Betrag, ich reiche ihm meine Kreditkarte. Nachdem ich den Beleg unterschrieben habe, bekomme ich die Gitarre, die bereits im Koffer liegt, und die Saiten.
»Vielen Dank«, sage ich lächelnd und nehme den Gitarrenkoffer an mich, danach verlasse ich gemeinsam mit Saint das Geschäft.
»Also, hättest du etwas dagegen?«, möchte er wissen.
»Nein, aber ich glaube kaum, dass du mit mir shoppen gehen willst.«
»Doch, würde ich, sofern du mich lässt, Sadie.« Er nimmt mir den Gitarrenkoffer aus der Hand.
»Danke, Saint.«
»Kein Ding.« Inzwischen trägt er wieder seine Sonnenbrille, außerdem ein schwarzes Beanie. »Also?«
»Na gut, dann begleite mich, aber ich übernehme keine Verantwortung, falls du dich langweilst.«
»Geht in Ordnung.«
Dad wird ja so was von dagegen sein, dass er mit mir beziehungsweise ich mit ihm unterwegs bin, aber das kümmert mich im Augenblick nicht. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, seinen Schwarm hautnah zu erleben? Genau, sehr selten oder eigentlich nie, zumindest nicht, wenn es sich dabei um einen Rockstar handelt, den man sonst nur aus der Ferne anhimmeln kann. Saints Duft umspielt meine Sinne, er riecht nach Bergamotte und einem Parfüm, vielleicht ist es auch sein Aftershave, aber die Note ist berauschend. »Willst du nicht shoppen gehen?«, erkundige ich mich.
»Doch, aber ich werde dich erst mal begleiten und dann mal schauen, was ich noch so mache.«
»Wir können uns auch abwechseln und gehen jetzt in einen Laden, in den du willst, danach in einen, in den ich will, und so weiter«, schlage ich vor.
»Dann machen wir es eben so«, sagt er grinsend.
»Und wohin möchtest du?«
Saint bläht die Wangen auf und stößt die Luft aus. »Gute Frage. Ich habe kein direktes Ziel.«
»Mein Gott«, stoße ich aus. »Kannst du dich vielleicht entscheiden, während wir durch die Mall laufen, als wären wir irgendwelche Idioten?«
Diesmal lacht er, außerdem bleibt er stehen und schaut sich um. »Ist hier irgendwo ein Jack & Jones Shop?«
Ich nicke ihm zu. »Ja.«
»Gut, weil hier war er, bevor wir in die Hamptons gezogen sind, deshalb bin ich gerade verwirrt und weiß nicht, wo es langgeht.«
Ich verziehe meine Lippen zu einem Lächeln. »Ich weiß, wo der Laden ist, mein Bruder und mein bester Freund kaufen immer dort ein.«
»Dein bester Freund oder dein fester Freund?«, bohrt er interessiert nach.
»Mein bester, nicht mein fester. Er ist in festen Händen und Vater«, erkläre ich und nun zwinkere ich ihm zu.
»Wie alt ist er?«
»Einundzwanzig.«
»Autsch«, stößt er aus. »Ist ziemlich früh passiert, oder?«
»Ja, aber wenn man nicht verhütet, ist das nun mal die logische Konsequenz«, erwidere ich und gehe wieder los.
Saint kommt an meine Seite.
* * *
Wir waren in drei Geschäften und langsam bekomme ich Hunger. Da ich heute Morgen ein wenig verschlafen hatte, bin ich sofort mit Marly losgefahren und eigentlich wollte ich mir irgendwo ein Sandwich oder so holen, aber dann ist Saint aufgetaucht und ich habe nicht mehr daran gedacht.
»Ist alles okay?«, erkundigt er sich.
»Ja, ich habe bloß Hunger.«
»Lass uns essen gehen. Ich kann auch etwas vertragen«, meint er.
Ich schaue Saint an. Inzwischen ist er ziemlich bepackt, da er all meine Taschen sowie den Gitarrenkoffer und auch seine eigenen Einkäufe trägt. »Soll ich dir wirklich nichts abnehmen?«
Er sieht mich über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg an. »Sollen wir deine Sachen in dein Auto bringen? Danach gehen wir essen.«
»Alles klar.« Seit wir miteinander unterwegs sind, habe ich Marly und Giana nicht einmal gesehen. Ich habe keine Ahnung, wo die beiden unterwegs sind, aber ich werde meiner Schwester gleich eine Nachricht schicken, damit sie mir verrät, wo sie sich herumtreiben.
Nach einer Weile erreichen wir meinen Wagen und ich öffne den Kofferraum. »Netter Schlitten«, sagt Saint anerkennend. »Von Daddy gesponsert?«
»Von Mommy«, erwidere ich. »Na ja, eigentlich von beiden, ich habe ihn letztes Jahr zum Geburtstag bekommen.«
»Ah, nettes Geschenk.«
»Finde ich auch.«
Saint stellt den Gitarrenkoffer in den Kofferraum, anschließend auch die Taschen. »Meinetwegen können wir jetzt essen gehen.«
Ich schließe die Klappe, verriegle meinen Wagen wieder und gehe an seine Seite.
Saint bietet mir seinen Arm an, weshalb ich irritiert zu ihm hochschaue. Was soll’s?, denke ich und hake mich bei ihm ein. »Also, Sadie Priest, was machst du so den lieben langen Tag?«
»Ich studiere Architektur.«
»Aber du würdest lieber Musik machen, richtig? Zumindest sagtest du so was, als wir vor dem Tonstudio standen.«
»Ich wollte Musik studieren, aber meine Eltern waren dagegen und sie sind es noch, weil sie der Meinung sind, dass ich etwas studieren soll, das mir auch eine Zukunft bringt beziehungsweise meinen Lebensunterhalt sichert.« Ich räuspere mich. »Meine Mutter ist Architektin, aber inzwischen leitet sie die Werbeagentur meines Großvaters, und mein Dad ist mit seinen ehemaligen Bandkollegen ins Management gegangen. Sie haben ihre Firma gegründet, als ich 13 war, weil sie nicht mehr herumtouren wollten und so.«
»Downstair Alley macht aber schon länger keine Musik mehr, oder?«
»Richtig, ich glaube, ich war acht oder neun Jahre alt, als sie sich entschieden, eine Abschiedstour und ein letztes Album zu machen«, antworte ich.
»Dann haben sie recht lange Musik gemacht, oder?«
»Ich glaube ja. Als sie in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurden, schnellte Without you I’ll die noch mal an die Spitze der Charts.«
»Ich weiß, ich bin mit dem Song aufgewachsen. Meine Mom war ein großer Downstair Alley Fan.«
»Weiß mein Vater davon?«, frage ich.
»Nein, er kennt sie auch nicht.«
»Warum nicht?«
»Sie ist vor zehn Jahren gestorben«, antwortet er.
O Gott, da habe ich mich mit einer Arschbombe ins Fettnäpfchen geworfen. »Das tut mir leid.«
»Ich komme klar.« Er klingt heiser, aber als ich zu ihm hochschaue, lächelt er mich an.
Ich schlucke. Ich weiß nicht, was ich sagen kann, um die Situation zu entschärfen.
»Wo gehen wir essen?«
»Wir könnten Hotdogs essen oder wir holen uns von allem etwas und setzen uns dann irgendwo hin«, erwidere ich.
»Von allem etwas klingt gut, aber ich bin mir nicht sicher, ob du so viel essen kannst«, sagt er lachend. Offensichtlich hat er meinen Fauxpas schon ad acta gelegt.
»Du würdest dich wundern, außerdem habe ich nicht gefrühstückt«, lasse ich ihn wissen.
»Na schön, da ich sehen will, wie viel in deinen zierlichen Körper reinpasst, holen wir von allem etwas.«
»Geht klar.« Ich steuere den Asia Imbiss an, weil ich die gebratenen Nudeln und auch den gebratenen Reis total gern esse. Ich bestelle von beidem zwei Portionen. »Gehen wir weiter?«
»Du meintest das wirklich ernst«, stellt er überrascht fest.
»Sonst hätte ich es nicht vorgeschlagen.« Ich grinse zu ihm hoch. »Also, weiter geht’s.«
* * *
Etwa zwanzig Minuten später haben wir zwei Tabletts voller Speisen vor uns und sitzen im Restaurantbereich der Mall. »Ich habe keine Ahnung, wie ich das alles schaffen soll«, meint er.
Ich lache leise und trinke einen Schluck von der großen Cola, die wir ebenfalls für jeden von uns gekauft haben. »Nicht denken. Essen.« Danach greife ich zu den Chicken Nuggets. »Und wenn dir schlecht wird, ist die nächste Apotheke nicht weit.«
»Wo steckst du das alles hin?«, hakt er nach, während er mich betrachtet.
Daraufhin zucke ich mit den Schultern. »Ich habe einen sehr guten Stoffwechsel, aber ich mache auch jeden Abend oder Morgen Sport, also trainiere ich meist wieder ab, was ich so in mich reinstopfe.«
»Alles klar, ich schätze, das sollte ich heute Abend auch tun, sofern die Jungs mich lassen.«
Ich verziehe meine Lippen zu einem Lächeln. »Jetzt iss, wir müssen ja nicht alles aufessen.«
»Du hast recht, aber ich glaube, ich schreibe den Jungs, dass sie kommen und uns helfen sollen«, entgegnet er, bevor er anfängt zu essen. »Ich meine, ich bezweifle wirklich, dass wir das alles schaffen.«
»Das kriegen wir schon hin, ansonsten schreib deinen Freunden, aber glaubst du wirklich, dass sie kommen werden, wenn du sie zum Essen rufst, als wärst du ihre Mom?«
»Sie werden kommen, glaub mir.« Saint holt sein Handy heraus und tippt darauf herum. Es dauert etwa zwei Chicken Nuggets, bis er eine Nachricht bekommt. »Sie machen sich auf den Weg. Wenn die drei hören, dass es etwas umsonst gibt, sind sie sofort am Start.«
Ich lächle, jedoch zeige ich dabei keine Zähne, weil ich nicht weiß, ob ich irgendwas in den Zahnzwischenräumen hängen habe. Ich greife zu der Assiette vom Asia Imbiss und nehme die Stäbchen an mich. »Willst du nicht essen?«
»Doch.« Er greift ebenfalls zu einer der Schachteln vom Chinarestaurant und öffnet sie. »Ist das mit Fleisch?«
»Ja, mit Hühnchen«, erwidere ich.
»Alles klar.« Im Gegensatz zu mir nimmt Saint eine Gabel und fängt an zu essen. Mein Handy vibriert, weshalb ich es aus meiner Hosentasche hole. Camren hat mir geschrieben, aber es hat Zeit, bis ich seine Nachricht lese, außerdem ist mir ein Anruf meiner Schwester entgangen. Ich entsperre das Display und rufe Marly zurück.
»Hey, warum kann man dich denn nicht erreichen?«, nölt sie mir ins Ohr.
»Äh sorry, ich hab’s nicht mitbekommen. Was gibt’s denn?«
»Wir sind fertig und würden gern nach Hause. Wo bist du?«
»Ich esse gerade etwas.«
»Okay, sollen wir zu dir kommen?«, fragt sie.
Ich seufze. »Marly, ich wollte danach noch weiter.