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Nach dem Unfalltod ihres Vaters zieht Summer zu ihrer Mutter nach Heartside Bay – in die tiefste Provinz. Überfordert von dem neuen Leben und den Erwartungen, die man an sie stellt, geht sie auf Konfrontation, was insbesondere ihrem Stiefvater missfällt, der für das Bürgermeisteramt kandidiert. Schon an ihrem ersten Tag in der Stadt lernt sie Jace Mitchell, den besten Freund ihres Stiefbruders, kennen. Zwischen den beiden entflammt eine zarte Liebe, die jedoch nicht alle gern sehen. Jace hat einen gewissen Ruf, außerdem ist er schon Vater und Summers Stiefvater sieht seine Kandidatur bedroht. Ihre Familie versucht mit allen Mitteln, die beiden voneinander zu trennen. Wird es Summer und Jace gelingen, ihre Liebe zu schützen?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Copyright © 2020 Drucie Anne Taylor
Lektorat / Korrektorat: S. B. Zimmer
Satz und Layout: Julia Dahl
Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art
Auflage 01 / 2025
Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Nach dem Unfalltod ihres Vaters zieht Summer zu ihrer Mutter nach Heartside Bay – in die tiefste Provinz. Überfordert von dem neuen Leben und den Erwartungen, die man an sie stellt, geht sie auf Konfrontation, was insbesondere ihrem Stiefvater missfällt, der für das Bürgermeisteramt kandidiert. Schon an ihrem ersten Tag in der Stadt lernt sie Jace Mitchell, den besten Freund ihres Stiefbruders, kennen.
Zwischen den beiden entflammt eine zarte Liebe, die jedoch nicht alle gern sehen. Jace hat einen gewissen Ruf, außerdem ist er schon Vater und Summers Stiefvater sieht seine Kandidatur bedroht. Ihre Familie versucht mit allen Mitteln, die beiden voneinander zu trennen.
Wird es Summer und Jace gelingen, ihre Liebe zu schützen?
Für Dich
Für Ihn
Für Sie
Für Euch
Heartside Bay erzählt die Liebesgeschichten einer Clique. Jedes Buch ist in sich abgeschlossen und kann getrennt von den anderen gelesen werden.
Es handelt sich um einen fiktiven Ort, der , so wie beschrieben, bloß in meiner Fantasie existiert.
Ich wünsche Dir viel Spaß mit der Geschichte von Summer und Jace.
1. Summer
2. Jace
3. Summer
4. Jace
5. Summer
6. Jace
7. Summer
8. Jace
9. Summer
10. Jace
11. Summer
12. Jace
13. Summer
14. Jace
15. Summer
16. Jace
Danksagung
Über die Autorin
Weitere Werke der Autorin
Rechtliches und Uninteressantes
Ich sitze in Dads altem Auto und fahre die Küstenstraße entlang. Ich weiß nicht, warum ich mich damit einverstanden erklärt habe, zu meiner Mutter nach Heartside Bay zu ziehen, aber da ich sonst niemanden habe, nahm ich das Angebot erst mal an. Da Dad und ich gerade so über die Runden kamen, konnte ich nicht in San Francisco bleiben, dabei wollte ich gar nicht von dort weg. Aber mit meinem Aushilfsjob in einem Café konnte ich die Miete nicht bezahlen. Und das war schließlich der Grund dafür, dass ich mich auf die lange Reise nach Heartside Bay gemacht habe.
Ich glaube, ich habe mich verfahren, aber ich kam vorhin an einem Supermarkt vorbei, weshalb ich an der nächsten Kreuzung wende. Es ist besser, nach dem Weg zu fragen, statt weiter durch dieses Kaff zu irren. Heartside Bay ist ein typischer Fischerort. Ich glaube, hier gibt es niemanden in meinem Alter, aber wie kann ich das auch erwarten? Mir war ja vorher schon klar, dass in diesem Örtchen nicht viel los ist. Viele Reiche machen hier Urlaub, womit sie im Sommer die Hälfte der Einwohner ausmachen, aber sonst ist hier nicht besonders viel los.
Ich parke vor dem kleinen Supermarkt und steige aus dem Wagen. Seufzend laufe ich auf den Eingang zu, betrete den Laden und sehe mich um.
»Hallöchen«, singt eine weibliche Stimme.
Ich schaue zur Kasse, mir lächelt eine große Brünette entgegen. »Hi, ich habe eine Frage. Können Sie mir sagen, wie ich zur Golden Acres Lane komme?«
Sie hebt eine Augenbraue. »Was wollen Sie denn bei den ganzen Yuppies?«
»Mhm, Familie kann man sich nicht aussuchen, oder?«, frage ich grinsend.
Sie lacht leise. »Klar, also Sie fahren die Küstenstraße noch etwa zwei Meilen weiter, an der Kreuzung biegen sie links ab, bei der nächsten Gelegenheit biegen Sie rechts ab und schon sind Sie auf der Golden Acres Lane.«
»Danke … äh … Miss«, sage ich überfordert.
»Autum«, erwidert sie lächelnd. »Und Sie sind?«
»Summer Green, hallo.«
Autumn streckt ihre Hand aus, die ich ergreife und schüttele. Sie scheint in meinem Alter zu sein, aber vielleicht hat sie sich auch einfach nur gut gehalten. »Ist schön, dass mal ein Mädchen in meinem Alter in dieses verschlafene Nest kommt.«
»Ich fahre dann mal weiter. Die warten sicher schon auf mich.«
»Zu wem musst du denn?«, möchte sie wissen.
»Zu den Brosnans.«
Ihre Miene entgleist. »Oh wow.«
»Warum?«
»Laurence Brosnan will Bürgermeister des Orts werden.«
»Mein Beileid«, stoße ich aus. Eine hohe Meinung habe ich nicht von meinem Stiefvater, aber das liegt daran, dass er mir meine Mom weggenommen hat. Gut, sie ließ sich wegnehmen, aber man macht sich nicht an eine verheiratete Frau heran und überzeugt sie davon, ihr Kind im Stich zu lassen. Zugegeben von meiner Mutter habe ich auch keine besonders hohe Meinung. Deshalb sehe ich der Zeit hier in Heartside Bay auch mit Schrecken entgegen.
Sie lacht leise. »Das war auch die Reaktion meines Bruders, als Nolan ihm davon erzählt hat.«
Ich hebe eine Augenbraue. »Wer ist Nolan?«
»Nolan Brosnan, er ist Laurence Brosnans Sohn.«
Ich schlucke. »Okay.« Mir war nicht bewusst, dass Moms Mann einen Sohn hat. Wir haben nicht besonders viel miteinander gesprochen, nachdem Dad verunglückt war. Sie meinte nur, dass ich vorerst bei ihnen unterkommen könnte, dann hatte sie mich schon abgewürgt.
»Dann bist du wahrscheinlich seine Stiefschwester, nicht wahr?«
»Ich gehe davon aus, immerhin ist meine Mutter mit Laurence Brosnan verheiratet«, antworte ich. »Danke für die Hilfe. Ich denke, man sieht sich etwas öfter, da ich ja nun erst mal hier leben werde.«
Autumn schenkt mir ein Lächeln. »Ja, man sieht sich. Mach’s gut, Summer.«
»Bis dann.« Ich verlasse den Laden und laufe zurück zu meinem Auto.
* * *
Ich parke vor dem riesigen Grundstück meiner Mutter und ihres Mannes. Es ist ziemlich pompös und für mich sieht es wie ein goldener Käfig aus. »Willkommen in deinem neuen Zuhause, Summer«, sage ich leise und steige aus meinem Auto. Ich gehe ans Tor und suche nach einer Klingel, aber dann sehe ich eine Sprechanlage. Ich begebe mich dorthin und drücke den grünen Knopf.
»Wer ist da?«
»Hi, mein Name ist Summer Green, ich bin Mrs. Brosnans Tochter«, antworte ich, nachdem ich mich vorgebeugt habe.
»Schauen Sie bitte einmal in die Kamera?«
»Wo soll die sein?«, möchte ich wissen.
»Aufrichten und zum Tor schauen.«
Seufzend und die Augen verdrehend richte ich mich auf und schaue zum Tor.
»Links oben auf der Mauer«, sagt die metallisch klingende Stimme.
Ich wende meinen Blick dorthin. »Reicht das oder soll ich auch noch meine Taschen ausleeren?«
»Fahren Sie vor, Ms. Green«, wird meine Frage übergangen.
»Danke.« Ich laufe zurück zu meinem Auto, steige ein und fahre auf das Tor zu, das sich langsam öffnet. Als es offen ist, steuere ich den Wagen die Auffahrt hoch und parke schließlich vor dem Haus. Noch einmal steige ich aus und sehe an der großen Villa hoch.
»Summer?«
Ich schaue zur Haustür und erkenne meine Mutter, die oben an der Treppe steht. »Ja?«
»Komm ins Haus.«
Ich atme tief durch, anschließend verriegle ich den Wagen und mache mich auf den Weg zu ihr.
»Du bist so erwachsen geworden«, sagt sie lächelnd.
»Hi, Elisabeth«, erwidere ich schlicht, da sie für mich seit zehn Jahren keine Mutter mehr war.
»Ich bin froh, dass du gut angekommen bist«, lächelt sie.
Ich nicke bloß.
»Komm ins Haus«, wiederholt sie. »Laurence und Nolan sind gerade nicht da, aber du lernst sie beim Abendessen kennen.«
»Ich war ziemlich lange unterwegs und würde mich gern hinlegen«, erwidere ich seufzend.
»Es vergehen noch ein paar Stunden bis zum Abendessen. Ich wollte noch ein Kleid mit dir aussuchen.«
Daraufhin hebe ich eine Augenbraue, anschließend sehe ich an mir hinunter. »Was ist an meinen Sachen schlimm?«
»Sie sind zu bürgerlich.«
Meine Miene entgleist. »Wow, okay.« Ich räuspere mich. »Ich hole mein Gepäck, okay?«
»Das kann Carsyn machen«, sagt sie.
»Wer ist das?«
»Der Butler.«
»Okay, nein, ich sorge selbst dafür, dass mein Kram ins Haus kommt.« Meine Güte, sie hat sich verändert. Ich bin mir sicher, dass sie auch Zimmermädchen haben, aber das ist bei so einem Haus wohl normal.
»Summer, Carsyn wird es erledigen.«
Kopfschüttelnd gehe ich zu Dads altem Camaro und hole die beiden Koffer aus dem Wagen.
»Lassen Sie mich helfen, Ms. Green«, sagt ein Mann, der wie aus dem Nichts gekommen ist.
Ich zucke zusammen. »Nein, ich mache das schon.«
»Ich bestehe darauf«, erwidert er und greift nach einem der Trolleys.
Seufzend überlasse ich ihm diesen, klammere mich aber an dem anderen fest. Ich bin noch keine Viertelstunde hier und fühle mich bereits unwohl.
»Folgen Sie mir bitte, Ms. Green, ich werde Ihnen Ihr Schlafzimmer zeigen.«
»Danke«, erwidere ich, schließe den Kofferraum und folge ihm ins Haus.
»Ich komme gleich zu dir«, sagt Mom, ich nicke ihr zu.
Carsyn führt mich nach oben, im Haus stinkt es vor Geld, aber ich werde mich nicht beschweren. Wenn alles gut läuft, bleibe ich nicht besonders lange. Ich denke, ich werde mir hier einen Job suchen, Geld sparen und dann wieder abhauen. »Hier ist Ihr Schlafzimmer, Ms. Green.« Er öffnet die Tür für mich und ich finde mich in einem Schlafzimmer wieder, das sicher dreimal so groß ist, wie das in meinem Elternhaus in San Francisco.
»Danke«, sage ich leise, betrete den Raum und ziehe meinen Koffer bis zu dem großen Himmelbett. Die Möbel sind aus dunklem Holz. Der Boden ist mit Parkett ausgelegt, auf dem vereinzelte schwarze und rote Teppiche liegen. Es ist geschmackvoll, aber altmodisch.
»Brauchen Sie etwas, Ms. Green?«, erkundigt sich Carsyn.
Ich drehe mich zu ihm um. »Nein, nur meine Koffer«, antworte ich und setze mich aufs Bett.
Er stellt ihn zu meinem anderen Trolley, danach verlässt er das Schlafzimmer.
Ich starre in den Raum. Vor einer Woche wurde Dad beerdigt, danach habe ich den größten Teil der Möbel verkauft, um die Rechnung des Bestatters bezahlen zu können, und die übrigen haben mir die neuen Mieter abgekauft. So konnte ich den Sprit hierher bezahlen, auch ein Motel, in dem ich Pause gemacht habe, und etwas zu essen. Ich lasse mich nach hinten fallen und schließe die Augen. Meine Erinnerungen zeigen mir Bilder meines Dads, der vor drei Wochen urplötzlich aus dem Leben gerissen wurde. Bis jetzt hatte ich keine Zeit zum Trauern, aber die will ich mir auch nicht nehmen. Vor meiner Mutter will ich keinesfalls schwach wirken. Mühsam dränge ich die Tränen zurück, die sich hinter meinen geschlossenen Lidern sammeln. Ich atme tief durch, als ich die Tür höre.
»Summer?« Meine Mutter.
»Ja?« Ich hole noch einmal tief Luft, dann schlage ich die Augen auf und setze mich. »Was ist?«
»Ich wollte ein Kleid mit dir aussuchen.«
»Ich möchte gern meine Sachen tragen«, erwidere ich.
»Sie sind zu bürgerlich«, hält sie dagegen.
»Warum willst du mich wie ein Püppchen verkleiden?«, hake ich mit neutraler Stimme nach. »Weil ich zu bürgerlich aussehe oder weil du jemanden aus mir machen willst, der ich nicht bin?«
»Weil dein Vater …«
»Stiefvater«, fahre ich ihr über den Mund. »Den ich nicht einmal kenne und den ich auch nicht beeindrucken will, Elisabeth. Ich bin nur hier, weil ich keine andere Möglichkeit habe. Ich möchte mich nicht verkleiden müssen.«
Sie seufzt resigniert. »Heute Abend kommen Freunde zum Essen, die dich ebenfalls kennenlernen möchten, deshalb bitte ich dich, ein schönes Kleid zu tragen.«
»Ich werde nicht am Abendessen teilnehmen.«
»Summer, jetzt hab dich doch bitte nicht so«, sagt sie seufzend.
»Ich war vierzig Stunden unterwegs, habe kaum geschlafen und bin fix und fertig. Ich möchte mich nicht verkleiden«, entgegne ich niedergeschlagen. »Es tut mir leid, dass ich nicht die Vorzeigetochter bin, die du dir wünschst, aber du hast dich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert.«
Ihre Miene entgleist. »Du wolltest damals bei deinem Vater bleiben.«
»Ja, weil er immer gut zu mir war.«
»Du wolltest keinen Kontakt mehr zu mir haben, Summer.«
»Warum wohl?«, hake ich nach. »Du hast uns verlassen, Elisabeth, und dich nicht mehr für mich interessiert. Ich habe noch an zwei darauffolgenden Geburtstagen und Weihnachtsfesten einen Anruf von dir bekommen, dann nichts mehr. Wenn ich dich angerufen habe, um dir frohe Weihnachten zu wünschen oder dir zum Geburtstag zu gratulieren, wurde ich innerhalb kürzester Zeit von dir abgewürgt. Wir beide haben uns nicht sonderlich bemüht«, erwidere ich heiser. »Ich wäre jetzt gern allein.«
»Wir suchen bitte noch ein Kleid aus.«
Für einen Moment schließe ich die Augen, dabei verziehe ich das Gesicht. »Wann gibt’s Abendessen?«
»Um halb acht.«
»Okay.« Ich stehe auf und nehme meine Handtasche an mich. Danach verlasse ich das Schlafzimmer.
»Wo willst du denn hin, Summer?«, ruft sie mir nach, als sie mir folgt.
Ich eile nach unten und pralle mit jemandem zusammen. »Au, Fuck«, stoße ich aus, als sich zwei große Hände auf meine Schultern legen.
»Vorsicht, hier gibt’s Gegenverkehr.«
Ich schaue hoch und schnaube. »Stellen Sie sich mir einfach nicht in den Weg«, erwidere ich ungehalten, da Tränen in meinen Augen brennen, und gehe an ihm vorbei. Ich laufe aus dem Haus und zu meinem Auto. Nachdem ich eingestiegen bin, starte ich den Motor und fahre auf das offene Tor zu. Ich will bloß hier weg. Meine Mutter hat mich zu einem Zeitpunkt verkleiden wollen, an dem es mir echt beschissen geht, und ich will mich nicht länger mit ihr streiten. Es ist besser, wenn ich ihr eine Weile aus dem Weg gehe.
* * *
Ich bin ans Wasser gefahren. Mein Wagen steht auf einem Parkplatz und ich sitze an einem Anlegesteg. Hier sind keine Boote angebunden, auch sind hier keine Leute unterwegs, worüber ich wirklich froh bin. Ich lasse meinen Tränen freien Lauf.
Um meinen Vater.
Um diese plötzliche Veränderung.
Um dieses neue Leben, das ich nicht führen will.
Immer wieder versuche ich, die Tränen wegzublinzeln, aber es gelingt mir nicht. Weitere folgen und lassen mich mehr oder weniger erblinden. Ich kann mich einfach nicht beruhigen. Ich wische meine Wangen trocken, doch weitere Tränen folgen.
Neben mir räuspert sich jemand, weshalb ich zusammenzucke. »Was kann so schlimm sein, dass ein schönes Ding wie du hier sitzt und heult?«
Ich schaue zur Seite, ein Mann sitzt neben mir. »Ich will alleine sein.«
»Ich auch, dann sind wir wohl gemeinsam alleine.«
»Schweigen wäre super«, erwidere ich schniefend und wische noch einmal über meine Wangen.
»Ich bin sehr gut darin.«
»Beweis es«, entgegne ich leise und wende den Blick ab.
Er stupst mich an, weshalb ich ihn noch einmal ansehe. »Auch eins?« Er hält mir eine geschlossene Bierflasche unter die Nase.
Ich schüttele den Kopf. »Nein, aber danke.«
»Mehr für mich«, sagt er grinsend und öffnet die Flasche. »Ich bin Jace.«
»Summer.«
Er streckt seine Hand aus, ich ergreife und schüttele sie. »Freut mich.« Jace räuspert sich. »Du bist neu hier, oder?«
»Heute angekommen.«
»Wo lebst du?«
Ich seufze schwer. »Bei meiner Mutter.«
»Wer ist das?«
Daraufhin schlucke ich. »Ist das wichtig?«
»Nein.«
»Danke.« Ich bin froh, dass er nicht nachhakt. Meine Mutter ist wahrscheinlich stadtbekannt, das Mädchen im Supermarkt wusste sofort, wer sie ist, und ich schätze, so wird es jedem gehen.
»Also, warum weinst du?«
»Mein Dad ist vor drei Wochen ums Leben gekommen.«
»Das tut mir leid.«
»Mir auch«, sage ich leise und schaue auf meine Beine. Ich trage eine kurze Hose und ein Shirt, beides riecht sicher muffig von der langen Fahrt, da ich in zwei langen Etappen gefahren bin, aber das wird Jace bestimmt nicht stören, da er sich freiwillig neben mir aufhält.
»Und deshalb bist du hier in Heartside Bay?«
Ich nicke knapp. »Ja, aber wahrscheinlich nicht allzu lange.«
»Warum nicht?«
Ich zucke mit den Schultern. »Bisher fühle ich mich nicht besonders wohl.«
»Warum nicht?«, wiederholt er.
Mich räuspernd schaue ich aufs Wasser, auf dem sich die Sonne spiegelt. »Es hat mehrere Gründe.«
»Okay.« Sein Handy klingelt, woraufhin er es aus seiner Tasche holt und den Anruf annimmt. »Was gibt’s?«
Eine kleine Pause entsteht.
»Ich bin gerade am Steg … Kaum war sie da, schon war sie weg? … Scheint ja keine besonders große Lust zu haben, bei euch zu sein … Ach, ihr Name ist Summer?«
Ich erhebe mich, um abzuhauen, doch Jace ergreift meine Hand.
»Ich glaube, ich habe sie gerade kennengelernt«, sagt er weiter und schaut zu mir hoch. »Geht klar, ich frage sie, ob sie nach Hause will. Was ist denn, wenn sie nicht will? … Alles klar, mache ich … Ja, bis später, bye.« Er beendet das Gespräch. »Du gehörst also zu den Brosnans.«
»Unfreiwillig«, erwidere ich und versuche, ihm meine Hand zu entziehen. »Würdest du mich bitte loslassen?«
»Nein.« Ohne mich loszulassen, steht er auf, während ich noch gegen ihn ankämpfe. Verdammt, warum hat er denn so viel Kraft?
»Jetzt lass mich los!«
»Sag mir erst, warum du abgehauen bist«, sagt er ruhig.
»Weil ich mich nicht wie ein Püppchen verkleiden lassen wollte«, entgegne ich und kämpfe weiter gegen ihn an.
Er lässt mich los und ich gerate ins Straucheln. »Wunderbar, dann ist das geklärt.« Jace grinst. »Vorsicht, sonst fällst du ins Wasser.«
Ich stolpere nach hinten, dann passiert, was er vorhergesagt hat. Mit einem lauten Platschen lande ich im Wasser. Prustend stoße ich durch die Oberfläche und strampele unruhig.
»Komm raus, Kleine.«
Ich versuche, zum Steg zu kommen, aber Panik ergreift Besitz von mir. Ich gehe unter, stoße erneut durch die Wasseroberfläche. »Ich … ich kann nicht schwimmen!«, rufe ich ihm zu.
»Fuck.« Er zieht seine Sneaker aus, dann springt er ins Wasser. Mehr bekomme ich nicht mit, da ich untergehe. Er packt mich an der Schulter und zieht mich hoch, dann schwimmt er mit mir zum Steg, an dem eine Leiter angebracht ist. »Kletter raus.«
Ich klammere mich an ihm fest.
»Los, kletter hoch, Summer«, sagt er mit rauer Stimme. Jace schiebt mich zur Leiter, hält mich aber weiterhin fest.
Ich klettere hoch und setze mich schwer atmend auf den Steg. »Warum hast du das getan?«
»Ich habe nicht eingeplant, dass du ins Wasser fällst und fast ertrinkst.«
»Damit muss man rechnen, wenn man jemanden auf einem Steg festhält und dann ruckartig loslässt!«, herrsche ich ihn an.
Jace schnaubt, wischt sich die Haare aus der Stirn und sieht mich an. »Komm mit, ich habe Handtücher im Auto, danach bringe ich dich nach Hause.«
»Dann hast du vierzig Stunden Fahrt vor dir«, halte ich dagegen.
Ein weiteres Schnauben. »Verarschst du mich gerade?«
»Mein Zuhause ist in San Francisco, nicht hier«, antworte ich und greife nach meiner Handtasche, die glücklicherweise nicht mit ins Wasser gefallen ist, weil ich sie noch gar nicht aufgehoben hatte. Ich nehme sie an mich. »Ich haue ab.«
»Du bist klitschnass. Du wirst dich erkälten, Summer.«
»Das ist mir egal. Ich habe lieber eine Grippe, als ein erzwungenes Abendessen mit meiner Mutter, ihrer versnobten Familie und ihren Freunden, denen ich nicht in meinen Klamotten gegenübertreten darf.«
Jace sieht mich skeptisch an. »Kennst du ihre versnobte Familie überhaupt?«
»Ich will sie gar nicht kennen.«
»Wow, okay.« Er räuspert sich. »Du kannst mit zu mir kommen, wenn du willst, dort kannst du duschen und ich gebe dir trockene Sachen von meiner Schwester.«
Ich schlucke. Wieso sollte ich mit zu ihm fahren? Ja, er hat mir trockene Kleidung angeboten, aber wer weiß, was er sonst noch vorhat.
»Also?«
»Okay«, gebe ich klein bei.
»Sehr gut.« Jace greift nach dem Sixpack Bier, aus dem zwei Flaschen fehlen, danach kommt er an meine Seite. »Bist du mit dem Auto hergekommen?«
»Ja.«
»Ist es okay, wenn wir es stehen lassen oder willst du mir hinterher fahren?«
»Ich fahre dir hinterher.«
»Du wirst aber nicht abhauen, oder?«
»Nein«, seufze ich. Wind kommt auf und mir ist verdammt kalt.
»Oder wir nehmen meinen Wagen und holen deinen später.«
»Okay«, erwidere ich. »Aber du bringst mich wirklich wieder hierher, oder?«
»Ja, keine Sorge.« Er räuspert sich. »Wir sollten uns auf den Weg machen, es wird kalt.«
Mit hängenden Schultern folge ich ihm zu seinem Auto. Es ist ein Jeep, der schon wesentlich bessere Jahre gesehen hat, aber vermutlich hängt er an dem Wagen. Jace holt Handtücher aus einer Kiste, die im Kofferraum steht, danach reicht er mir eines.
»Danke.«
»Kein Thema, am besten wickelst du es dir um die Hüften, damit du mir die Bezüge nicht ruinierst.«
Ich nicke ihm zu, rubble aber erst mal meine langen Haare trocken. Meine Unterlippe zittert, so kalt ist mir. Zwar verstehe ich immer noch nicht, warum er mich nicht gehen lässt, aber ich schätze, er wird mit meinem Stiefbruder telefoniert haben. »Kennst du Nolan?«
»Ja.«
»Seid ihr befreundet?«, hake ich interessiert nach.
»Er ist mein bester Freund und gar nicht so ein Snob, wie du denkst, Summer«, antwortet Jace, als er zu mir kommt. Er öffnet die Beifahrertür für mich. »Steig ein, Summer.«
»Danke.« Ich wickle das Handtuch um meinen Körper, danach klettere ich auf den Sitz.
Jace knallt die Tür zu, was mich zusammenzucken lässt, danach geht er um seinen Jeep herum. »Es tut mir leid, dass dein Dad gestorben ist.«
»Mir auch«, sage ich leise und sehe aus dem Seitenfenster.
»Du wolltest gar nicht hierherkommen, oder?«
»Nein, aber ich konnte die Miete nicht aufbringen. Mit dem Geld vom Möbelverkauf habe ich die Rechnung des Bestatters bezahlt, der Rest ging für das Benzin hierher drauf.«
»Die Brosnans sind gar nicht so übel. Ich kenne Nolan seit meiner Kindheit und komme auch gut mit seiner Stiefmutter klar.«
»Ich kenne meine Mutter gar nicht mehr. Sie ist abgehauen, als ich gerade mal zehn Jahre alt war«, lasse ich ihn wissen.
»Dann lern sie wieder kennen.«
»Mal sehen«, erwidere ich und verliere mich in den Erinnerungen an meinen Vater.
* * *
Die Kleine ist süß, aber die Stiefschwester meines besten Freundes. Sie müsste in Autumns Alter sein, auf jeden Fall hat sie ungefähr die Statur meiner Schwester. Ich bin mir sicher, dass sie Summer ein paar Sachen leihen wird, damit sie sich nicht erkältet. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sie ins Wasser fällt, wenn ich sie loslasse, aber sie hat so sehr gegen mich angekämpft, dass es mich jetzt nicht mehr wundert. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass sie nicht schwimmen kann, sonst hätte ich sie davor bewahrt, im Wasser zu landen.
Ich schaue zu ihr rüber. Sie starrt aus dem Seitenfenster, schnieft und wischt über ihre Wangen. »Irgendwann kannst du damit umgehen.«
»Womit?«
»Mit dem Verlust.« Ich räuspere mich. »Meine Eltern kamen ums Leben, als ich acht Jahre alt war, Autumn war fünf, danach wuchsen wir bei unseren Großeltern auf.«
»Als Kind versteht man doch gar nicht, dass jemand gestorben ist«, hält sie dagegen.
»Es tut aber genauso weh, jemanden zu verlieren«, gebe ich zu bedenken.
Summer nickt langsam. »Tut mir leid mit deinen Eltern.«
»Mir auch, aber sie hätten nicht gewollt, dass ich mich in der Trauer verliere.«
»Wie ist das passiert?«
»Sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort.« Ich hole tief Luft. »Sie wurden erschossen, als sie in der Bank waren, um Geld abzuheben.«
Summer schaut zu mir. »Sie wurden umgebracht?«
»Ja, der Kerl hat wild um sich geschossen, als er unruhig wurde. Mein Vater wurde im Hals getroffen und war fast sofort tot, meine Mutter bekam mehrere Kugeln in die Brust.«
»O Gott«, stößt sie aus. »Mein Dad hatte einen Unfall. Er war mit einem Freund unterwegs, der betrunken gefahren ist.«
»Was ist passiert?«
»Er hat die Kontrolle über den Wagen verloren und ist gegen einen Baum geprallt«, antwortet sie leise. »Mein Vater wurde durch die Windschutzscheibe geschleudert, dabei wurde er so schwer verletzt, dass er noch am Unfallort verblutet ist.«
»Und der Fahrer?«
»Hat schwerverletzt überlebt«, schnieft sie. »Es ist wohl immer so, dass die, die unverantwortlich sind, überleben, aber jene, die immer verantwortungsbewusst waren, gehen drauf.« Sie zittert, als ich wieder zu ihr schaue, und wischt fahrig über ihre Wangen. Verdammt, die Kleine hat echt eine Menge durchgemacht und dann musste sie auch noch an einen Ort kommen, den sie nicht kennt.
»Was ist mit deiner Mutter?«
»Was soll mit ihr sein? Sie meinte, ich könnte erst mal bei ihnen leben, aber das heißt auch, dass ich mich ihren Regeln beugen muss. Ich kenne Laurence und Nolan nicht, meine Mutter ist mir auch fremd, deshalb fühle ich mich überhaupt nicht wohl, geschweige denn willkommen. Dieses Nest schreit geradezu, dass ich nicht hierher gehöre.«
»Mhm«, gebe ich von mir und konzentriere mich wieder auf die Straße. »Wie lange wirst du bleiben?«
»Ein paar Monate, denke ich. Warum?«
»Reines Interesse«, entgegne ich lächelnd.
»Ach so.«
Ich parke vor meinem Haus und stelle den Motor ab. »Wir sind da.«
Summer schaut aufs Haus und seufzt, danach steigt sie aus.
Ich springe ebenfalls aus dem Wagen, anschließend führe ich sie zum Haus. Ich öffne die Haustür. »Autumn?«
»Was ist?«
»Kannst du vielleicht ein paar Klamotten erübrigen?«
Sie kommt in den Flur und sieht mich irritiert an. »Ich glaube nicht, dass dir eins meiner Shirts oder eine meiner Hosen passen.«
Ich schnaube amüsiert. »Die Sachen sind nicht für mich.«
»Okay. Für wen sonst?«
Ich gehe einen Schritt zur Seite und gebe den Blick auf Summer frei. »Für sie. Sie ist meinetwegen ins Wasser gefallen und will nicht nach Hause.«
»Hey, Summer.«
»Hi«, erwidert sie freundlich.
»Ich denke, es ist das Beste, wenn du unter die Dusche gehst«, wende ich mich an Summer.
»Nein, ich brauche nur ein paar trockene Sachen, ich gehe später zu Hause duschen.«
Daraufhin hebe ich eine Augenbraue. »Du solltest jetzt duschen.«
Mit einem schweren Ausatmen lässt sie die Schultern hängen. »In Ordnung.«
»Ich zeige dir mein Bad, dann kann Jace in seinem duschen«, sagt Autumn und geht auf Summer zu. Sie ergreift ihre Hand und zieht sie regelrecht mit sich.
Ich folge ihnen, jedoch trennen wir uns oben. Autumn und Summer wenden sich nach links, ich mich nach rechts und verschwinde in meinem Schlafzimmer. Ich bin froh, dass wir unsere eigenen Bäder haben, sonst würde ich vermutlich nie dazu kommen, mal zu duschen, da Autumn immer verdammt lange braucht.
Ich hole trockene Kleidung aus dem Schrank, danach gehe ich ins Bad.
* * *
Nachdem ich geduscht habe, habe ich mein Schlafzimmer verlassen. Ich trage Jeans, dazu ein enges Shirt und bin barfuß unterwegs. Von Summer ist nichts zu sehen, aber Autumn sitzt wieder im Wohnzimmer.
»Woher kennst du Summer?«, frage ich interessiert, nachdem ich mich in den Sessel gesetzt habe.
»Sie hat mich heute Nachmittag nach dem Weg zur Golden Acres gefragt.«
Ich nicke langsam. »Scheint nicht ganz ihre Welt zu sein.«
»Wessen Welt ist das hier schon?«, möchte sie wissen.
»Meine, deine, die vieler anderer.«
»Heartside Bay hat sechshundert Einwohner, die sich sicher Schöneres vorstellen können, als in so einem verschlafenen Nest zu wohnen.«
Ich hebe eine Augenbraue. »Was hast du gegen unser Zuhause?«
»Nichts Wirksames«, sagt sie grinsend.
Leise lachend schüttele ich den Kopf. »Ich weiß, dass du aufs College willst, und irgendwann haben wir auch das Geld dafür zusammen.«
»Wahrscheinlich erst, wenn ich vierzig bin«, hält meine Schwester dagegen und legt den Kopf auf die Rückenlehne. »Ich habe das Studium abgeschrieben, Jace. Ich werde einfach weiter bei Phil arbeiten und Geld sparen.«
»Wir kriegen das hin, keine Sorge.«
Sie seufzt. »Jace, ich weiß, dass das Geld vorn und hinten nicht reicht, um zu studieren, damit habe ich mich längst abgefunden. Ich werde einfach mal sehen, was ich sonst so machen kann.«
»Na schön«, brumme ich. Es nervt mich, dass ich Autumn ihren Wunsch nicht erfüllen kann. Ich war schon bei sämtlichen Banken im Umkreis, um einen Kredit für sie aufzunehmen, aber niemand wollte ihn mir gewähren. Ich verdiene einfach nicht genug, um die Raten zu tilgen. Meine Hoffnung lag lange darauf, dass Autumn ein Stipendium bekommt, allerdings bekam das jemand anders, womit ihr Traum verpufft war.
Ein Räuspern, weshalb ich zur Tür schaue. »Ich bin fertig.«
Autumn dreht sich auf der Couch um und sieht Summer an. »Setz dich.«
»Nein, ich würde gern nach Hause fahren. Ich muss nur zurück zu meinem Auto. Deine Sachen bringe ich dir in den Laden, sobald sie gewaschen sind.«
»Möchtest du vielleicht mit uns essen?«, erkundige ich mich.
Summer betrachtet mich nachdenklich. »Ist vielleicht besser, als nun in das Abendessen meiner Mutter zu platzen.« Unruhig knetet sie ihre Hände und lässt ihren Blick schweifen.
»Was möchtest du denn kochen?«, hakt Autumn nach.
Ich schaue zu ihr. »Wie wär’s mit Lasagne?«
»Super«, antwortet sie grinsend und steht auf. »Ich helfe dir.«
»Soll ich vielleicht auch mithelfen?«, erkundigt Summer sich.
»Komm einfach mit in die Küche, setz dich und trink einen Tee, damit du dich nicht erkältest«, entgegnet Autumn gut gelaunt.
»Okay.«
Meine Schwester geht zu ihr und hakt sich einfach bei ihr ein, danach führt sie Summer in die Küche.
Ich folge den beiden und sehe, dass Autumn den Wasserkessel füllt. Indes hole ich das Hackfleisch, eine Zwiebel und alle weiteren Zutaten für die Lasagne hervor, dann mache ich mich an die Vorbereitung.
»Wie alt bist du eigentlich, Summer?«, fragt Autumn interessiert.
»Ich bin zwanzig.«
»Ein Jahr älter als ich.«
»Kommt drauf an, ob du dieses Jahr noch zwanzig wirst oder nicht, dann wären es nur ein paar Monate.«
»Ich werde im Herbst zwanzig.«
»Dann sind es nur ein paar Monate, ich wurde vor sechs Wochen zwanzig.«
»Jace ist zweiundzwanzig, wird aber im Dezember dreiundzwanzig.«
»Okay.«
Meine Schwester stellt den Teekessel auf den Herd, danach sieht sie mich grinsend an. »Alles klar?«
»Sicher«, erwidere ich, während ich die Zwiebel schäle.
Das Schweigen legt sich wie ein Mantel über uns.
Als der Kessel pfeift, macht Autumn den Tee für Summer fertig, während ich die Lasagne zubereite.
* * *
»Danke für das Abendessen«, sagt Summer, nachdem wir gegessen haben.
Ich winke ab. »Nichts zu danken.«
Sie verzieht ihre vollen Lippen zu einem Lächeln, das mein Herz schneller schlagen lässt.
Mit einem Räuspern senke ich den Blick wieder auf meinen Teller und esse den Rest meiner Portion.
»Ich gehe mal nach oben, Winter und ich wollten noch telefonieren.«
»Danke für die Sachen, Autumn«, wendet sich Summer an meine Schwester.
»Kein Ding.«
»Ich bringe sie dir in den Laden, sobald sie gewaschen sind.«
Autumn lächelt. »Das sagtest du schon.«
Summer errötet, nickt aber.
Ich erhebe mich, dann fange ich an, den Tisch abzuräumen. »Ich erledige noch den Abwasch, danach bringe ich dich nach Hause.«
»Es reicht, wenn du mich zu meinem Auto bringst, den restlichen Weg schaffe ich allein.«
»Ich komme trotzdem mit, da ich mich noch mit Nolan treffen wollte.«
»Okay.«
Ich kümmere mich um den Abwasch, als Summer auf einmal neben mir auftaucht. Sie greift zum Geschirrtuch, anschließend trocknet sie die Teller ab.
»Du musst mir nicht helfen.«
»Ich möchte aber«, hält sie dagegen und grinst mich an.
Ich schnaube amüsiert. »Na schön.«
Als wir gut zehn Minuten später fertig sind, räume ich das Geschirr weg. »Jetzt können wir los.«
Summer nickt mir zu.
»Ich sage Autumn Bescheid, dass ich noch mal unterwegs bin.«
»Ich warte bei deinem Auto.«
Ich greife in meine Hosentasche und gebe ihr die Schlüssel. »Dann kannst du dich schon mal reinsetzen«, sage ich, als sie mich fragend ansieht.
»Ach so, klar. Danke.«
Gemeinsam gehen wir in den Flur, Summer läuft nach draußen, ich nach oben. Nachdem ich Socken und Schuhe angezogen habe, begebe ich mich zu meiner Schwester. Ich klopfe an.
»Was ist?«
Ich öffne die Tür. »Ich bringe Summer nach Hause, danach bin ich wahrscheinlich noch mit Nolan unterwegs. Wir sehen uns später, ansonsten morgen früh.«
»Hast du morgen frei?«, möchte sie wissen.
»Ja, ich muss erst Montag wieder arbeiten«, erwidere ich.
»Alles klar, dann bis morgen früh oder eher morgen Abend, ich muss um acht im Laden sein«, sagt sie.
»Okay. Mach keinen Scheiß, während ich weg bin«, entgegne ich entschieden.
»Keine Sorge, ich werde noch ein wenig telefonieren, danach gehe ich schlafen.«
»In Ordnung. Wir sehen uns morgen, Kleine.«
»Ja, bis dann.« Autumn drückt die Tür zu, ich gehe zu meinem Auto. Ich steige ein und stelle fest, dass Summer den Schlüssel bereits ins Zündschloss gesteckt hat.
»Bereit?«
»Nicht wirklich, aber ich hoffe, dass ich ungesehen an meiner Mom vorbeikomme.«
»Das kriegen wir hin. Ich will sowieso zu Nolan, dann kannst du einfach reinlaufen und in deinem Zimmer verschwinden.«
Sie nickt mir zu.
Ich starte den Motor.
* * *
Dummerweise ist Summers Mutter vor die Haustür gekommen. Vermutlich hat der Mistkerl von Butler uns verraten, da wir mit zwei Autos vorgefahren sind.
»Würdest du mir bitte verraten, wo du gewesen bist?«, wendet sie sich aufgebracht an Summer.
»Unterwegs«, antwortet sie schlicht und möchte an ihr vorbeigehen.
»Und wie siehst du überhaupt aus?«, hakt Mrs. Brosnan nach.
»Ich bin ins Wasser gefallen und Jace war so nett, mich mit zu sich zu nehmen, damit ich duschen kann und seine Schwester hat mir Klamotten geliehen. War’s das dann mit diesem lächerlichen Verhör?«, möchte Summer wissen.
Ich bleibe daneben stehen und räuspere mich. »Guten Abend, Mrs. Brosnan.«
»Hallo, Jace. Geh ruhig ins Haus, Nolan ist oben.«
Ich nicke ihr zu, danach verschwinde ich ins Haus.
Summer möchte mir folgen.
»Du bleibst hier, junge Dame«, sagt Mrs. Brosnan aufgebracht.
»Du hast zehn Jahre damit verbracht, nicht meine Mutter zu sein. Fang doch jetzt bitte nicht damit an«, entgegnet Summer, einen Moment später rauscht sie an mir vorbei.
»Dieses Mädchen treibt mich noch in den Wahnsinn«, vernehme ich Mrs. Brosnans Stimme, anschließend ihre Schritte.
Kopfschüttelnd mache ich mich auf den Weg nach oben und sehe noch, in welchem Raum Summer verschwindet. Ich für meinen Teil gehe eine Tür weiter, klopfe und Nolan macht auf. »Hey, Alter.«
»Hey.« Er umarmt mich brüderlich und klopft mir auf den Rücken. »Komm rein.« Nolan geht einen Schritt zur Seite.
»Danke.« Ich gehe geradewegs zur Sitzgruppe, die in seinem unverschämt großen Schlafzimmer steht, und setze mich. »Deine Schwester und deine Mom scheinen nicht so gut miteinander klarzukommen, oder?«, erkundige ich mich.
Nolan winkt ab. »Das Einzige, was ich bisher von Summer gesehen habe, war ein verheultes Gesicht und sie hat mich angemacht, weil ich ihr im Weg stand, als sie raus wollte.« Er räuspert sich. »Ich denke, sie ist mit der Situation überfordert, immerhin ist erst ihr Dad gestorben, dann musste sie alles verkaufen und schließlich auch noch hierher kommen, dabei hat Elisabeth sie damals verlassen, um mit meinem Dad zusammen zu sein.«
Ich nicke knapp. »Und dir war sie eine Mutter, Summer aber nicht.« Mein Blick schweift und ich sehe die Tür, die die beiden Schlafzimmer miteinander verbindet. »Sie ist ziemlich fertig, weil sie ihren Dad bei einem echt krassen Unfall verloren hat.«
»Das glaub ich gern. Ging mir damals mit meiner Mom nicht anders.«
»Mhm«, gibt er von sich. »Willst du was trinken?«
»Nein, ich denke nicht, dass ich so lange bleiben werde.«
»Musst du morgen arbeiten?«
»Nein, ich hab’s Wochenende frei«, antworte ich und lehne mich zurück. »Eigentlich wollte ich fragen, ob du ein Bier mit mir trinken gehst.«
»Meh … Die Alten haben Gäste im Haus wegen des Wahlkampfs meines alten Herrn, die bringen mich um, wenn ich jetzt auch noch abhaue«, erwidert er genervt. »Aber ich kann Conny bitten, uns Bier zu bringen.«
»Besser als nichts«, sage ich gelassen.
»Herrgott, wo findet man hier denn ein Bad?«, höre ich Summer fluchen.
Nolan lacht leise. »Ob ich ihr sagen soll, wo es sich versteckt?«
»Wäre nicht das Schlechteste.«
Er erhebt sich von der Couch und geht an die Verbindungstür. Er klopft an. »Summer?«
»Was ist?«, hakt sie nach.
Er öffnet die Tür und sieht in ihr Zimmer. »Soll ich dir das Bad zeigen?«
»Ja, das wäre nett.«
Nolan verschwindet in ihrem Schlafzimmer. »Es versteckt sich hinter dieser Wand.« Ich höre, dass er die Badezimmertür öffnet. »Wenn etwas ist, komm einfach durch die Verbindungstür.«
»Was sollte denn sein?«
»Na ja, falls du nicht alleine sein willst. Jace ist auch da und vielleicht gibst du mir ja die Gelegenheit, dich ein wenig kennenzulernen«, vernehme ich seine Stimme.
»Ach so … Mal schauen. Danke …«
»Nolan.«
»Nolan«, wiederholt sie und räuspert sich. »Und wohin soll ich meine Dreckwäsche bringen?«
»Im Bad steht ein Korb, Conny holt sie jeden Morgen, während wir frühstücken.«
»Okay.«
»Ich gehe mal wieder zu Jace. Hast du Lust, rüberzukommen? Dann könnten wir dich etwas besser kennenlernen.«
Ich höre sie bis hierher seufzen. Ich erhebe mich und gehe ebenfalls an die Tür. »Wäre wirklich netter, nicht die ganze Zeit den Depp ansehen zu müssen.«
Summer errötet und senkt den Blick. »Ich wäre lieber allein.«
»Na gut, komm einfach rüber, falls du etwas brauchst«, sagt Nolan und kommt auf mich zu. Durch aufgeblähte Wangen stößt er die Luft aus.
»Danke, Nolan.«
»Keine Ursache.« Er schiebt mich durch die Tür, die er hinter sich zu zieht. »Wow«, brummt er.
»Sie ist noch ziemlich daneben, weil sie ihren Dad so unverhofft verloren hat.«
»Und sie ist schon mit Mom aneinandergeraten«, ergänzt er meine Aussage. »Dad hat schon gesagt, dass er sich keine Zickereien gefallen lassen wird. Sollte sie es übertreiben, jagt er sie sicher aus dem Haus.«
Ich hebe eine Augenbraue. »Das ist ziemlich hart, immerhin ist er mit dafür verantwortlich, dass sie in den letzten Jahren keine Mutter hatte.«
Nolan räuspert sich, als wir zurück zur Sitzgruppe gehen. »Sie hatte die Wahl, sie hierher zu begleiten, aber das wollte sie nicht. Ich erinnere mich an einen Sommer, in dem sie hier war. Sie war kaum zwei Stunden im Haus, da wollte sie unbedingt zurück zu ihrem Vater, der arme Kerl hat dann auf dem Heimweg kehrt gemacht und sie wieder abgeholt«, erzählt er.
»Ich dachte, ihr kennt euch nicht.«
»Ich habe sie damals nur ganz kurz gesehen, Dad hatte sie gar nicht kennengelernt. Jetzt ist er auch nicht besonders scharf darauf, weil er der Meinung ist, dass ihr Auftauchen seinen Wahlkampf stört.«
»Er kandidiert bloß für das Bürgermeisteramt«, gebe ich zu bedenken. »Was soll die Kleine bei den ganzen Einwohnern erzählen, damit er keine Chance hat?«
»Es geht nicht um das, was sie erzählen könnte, sondern darum, wie sie sich verhalten wird. Wenn sie ihm das versaut, wird er sie definitiv aus dem Haus jagen.«
»Mhm«, nicke ich. »Wir wollten doch ein Bier trinken.«
»Stimmt.« Nolan fährt sich durch seine schwarzen Haare und steht auf. »Ich hole uns welches, Conny ist sicher noch mit dem Abwasch beschäftigt.«
»Geht klar.«
Nolan verlässt sein Schlafzimmer und als er gerade weg ist, erhebe ich mich noch einmal. Ich gehe an die Verbindungstür und lege mein Ohr an das Türblatt.
Ich höre ein Schluchzen und meine Hand umfasst den Türgriff wie von selbst. Doch bevor ich sie öffnen kann, klopfe ich.
»Ich will niemanden sehen!«, ruft Summer laut.
Im nächsten Moment klopft es wieder bei ihr, aber diesmal war ich nicht derjenige.