Das Echo der Sterne - Drucie Anne Taylor - E-Book

Das Echo der Sterne E-Book

Drucie Anne Taylor

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Beschreibung

Maisie Fairchild war einst der leuchtende Stern am Himmel Hollywoods, doch hinter den Kameras blieb ihr Leben düster und leer. Seit ihrer Kindheit von ihrer ehrgeizigen Mutter in das Rampenlicht gedrängt, drehte sie einen Film nach dem anderen – bis sie dem Druck des Ruhms nicht mehr standhielt. Unter falschem Namen floh sie vor der glitzernden Fassade und versuchte, ein neues Leben in der Anonymität zu beginnen. Gabriel King ist ein gefeierter Enthüllungsjournalist, der keine Skrupel hat, um an die Geheimnisse der Reichen und Berühmten zu gelangen. Seine neueste Mission: die verschwundene Schauspielerin Maisie Fairchild aufzuspüren, die ihn schon als Teenager fasziniert hat. Doch als er sie endlich findet, läuft nichts nach Plan. Maisie verachtet den selbstsicheren Reporter, der sie mit Erpressung zu einem Interview zwingen will. Trotz des Widerstands entsteht zwischen den beiden eine unvorhersehbare Anziehung. Mit jedem Schlagabtausch, jeder Berührung, wächst etwas Zerbrechliches, das bald auf die Probe gestellt wird. Kann Maisie den Schatten ihrer Vergangenheit entkommen? Oder wird das Sternenlicht in ihrem Leben für immer erlöschen?

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Das Echo der Sterne

STARLESS NIGHTS

DRUCIE ANNE TAYLOR

Copyright © 2020 / 2024 Drucie Anne Taylor

Korrektorat: S. B. Zimmer

Satz und Layout: Julia Dahl

Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art

Auflage 01 / 2024

Dieses Buch erschien erstmals 2020 unter dem Titel »Starless Nights.«

Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Dieses Buch

Maisie Fairchild war einst der leuchtende Stern am Himmel Hollywoods, doch hinter den Kameras blieb ihr Leben düster und leer. Seit ihrer Kindheit von ihrer ehrgeizigen Mutter in das Rampenlicht gedrängt, drehte sie einen Film nach dem anderen – bis sie dem Druck des Ruhms nicht mehr standhielt. Unter falschem Namen floh sie vor der glitzernden Fassade und versuchte, ein neues Leben in der Anonymität zu beginnen.

Gabriel King ist ein gefeierter Enthüllungsjournalist, der keine Skrupel hat, um an die Geheimnisse der Reichen und Berühmten zu gelangen. Seine neueste Mission: die verschwundene Schauspielerin Maisie Fairchild aufzuspüren, die ihn schon als Teenager fasziniert hat. Doch als er sie endlich findet, läuft nichts nach Plan. Maisie verachtet den selbstsicheren Reporter, der sie mit Erpressung zu einem Interview zwingen will.

Trotz des Widerstands entsteht zwischen den beiden eine unvorhersehbare Anziehung. Mit jedem Schlagabtausch, jeder Berührung, wächst etwas Zerbrechliches, das bald auf die Probe gestellt wird. Kann Maisie den Schatten ihrer Vergangenheit entkommen? Oder wird das Sternenlicht in ihrem Leben für immer erlöschen?

Wenn ich hebe einsam meinen Blick

In einen finst’ren Himmel ich blick.

Warum bricht das Herz, oh mein?

Gefangen in einer sternlosen Nacht will ich nicht mehr sein.

Drucie Anne Taylor, 2020

Inhalt

1. Maisie

2. Gabriel

3. Maisie

4. Gabriel

5. Maisie

6. Gabriel

7. Gabriel

8. Maisie

9. Maisie

10. Gabriel

11. Maisie

12. Maisie

13. Gabriel

14. Maisie

15. Gabriel

16. Maisie

17. Gabriel

18. Maisie

19. Gabriel

20. Maisie

21. Gabriel

22. Maisie

23. Gabriel

24. Maisie

Epilog

Danksagung

Playlist zum Buch

Über die Autorin

Weitere Werke der Autorin

Rechtliches und Uninteressantes

KAPITEL1

Maisie

Tage kommen.

Tage gehen.

Und mein Leben ist immer das gleiche.

Ich weiß nicht, warum ich mich damals für die Karriere entschieden habe, aber ich dachte, es wäre toll, meine Träume zu verwirklichen. Das war’s nicht, deshalb habe ich die Flucht ergriffen, denn es waren nicht meine Träume, sondern die meiner Mutter. Sie wollte einen Kinderstar aus mir machen und ich wollte immer nur Kind sein.

Das Kind, das vor der Kamera steht, der Teenager, der davor pubertiert, die junge Erwachsene, die ausgebrochen ist – all das vereine ich in mir.

Vor vier Jahren bin ich abgehauen. Meine Mutter schleppte mich von einem Casting zum nächsten, mit siebzehn war ich so am Ende, dass ich versucht habe, mir das Leben zu nehmen. Ich hatte einfach sämtliche Tabletten mit Brandy genommen, die ich im Haus finden konnte. Vom Muntermacher bis zur Schlaftablette über Koffeintabletten und Psychopharmaka war alles dabei – diese Pillen zeigten mit einer halben Flasche Brandy eine fatale Wirkung. Zuerst hatte ich mein Schlafzimmer vollgekotzt, danach war ich umgekippt und hätte Elisa, die Haushälterin mich nicht gefunden, hätte ich endlich aussteigen können, aber nein, diese Frau beherrschte sogar Erste-Hilfe-Maßnahmen, mit denen sie mir das Leben gerettet hatte. Ich war wochenlang im Krankenhaus, hatte dem Arzt sogar erzählt, dass ich drogenabhängig sei, damit ich in eine Entzugsklinik gehen konnte. Dort hatte ich mir auch den Plan zurechtgelegt, von zu Hause wegzulaufen. Ich hatte an meinem ersten Abend zu Hause das Geld von meinen Konten auf ein geheimes Konto überwiesen, danach meine Sachen gepackt und mich in einer Nacht und Nebel Aktion aus dem Staub gemacht. Gelandet bin ich in Winterset in Iowa. Ich wollte immer dorthin, weil ich den Film »Die Brücken am Fluss« so schön fand. Ich hatte ihn in der Entzugsklinik gesehen, mich in die Landschaft verliebt und den Entschluss gefasst, hier ein neues Leben anzufangen.

Nun lebe ich in einem keinen Städtchen, das gerade einmal gut fünftausendzweihundert Einwohner hat, von denen mich bisher niemand erkannt hat. Meine Haare hatte ich kurz vor meiner Ankunft braun gefärbt und ich trage blaue Kontaktlinsen ohne Sehstärke, um nicht erkannt zu werden. Zudem setze ich immer eine Brille mit Fensterglas auf, wenn ich meine kleine Farm verlasse. Hier versorge ich mich mehr oder weniger selbst. Ich kaufe bloß wenige Sachen in der Stadt, um möglichst selten dorthin zu müssen. So vermeide ich es, anderen Menschen zu begegnen, und ich liebe mein eigenes erwähltes Exil. Niemand in der Stadt kennt mich, ich habe meinen Namen geändert und lebe unter einem Pseudonym in Winterset. Ich bin froh, dass es so leicht ist, ein Haus zu kaufen, ohne Ausweispapiere vorlegen zu müssen – man muss nur mit genug Geldscheinen winken, um die Bürokratie ein wenig umgehen zu können.

Das Klingeln des Telefons lässt mich zusammenzucken. »Wer will denn jetzt schon wieder was von mir?«

Ruby, meine Labradorhündin, jault. Sie mag das Telefon genauso wenig wie ich.

»Hallo?«, melde ich mich, nachdem ich den Hörer abgenommen habe.

»Ms. Greenwald?«

»Wer spricht da?«, hake ich nach.

»Entschuldigen Sie bitte. Mein Name ist Oswald Chambers, ich habe Ihnen das Grundstück in Winterset verkauft.« Er räuspert sich. »In der Stadt erzählt man sich, dass Sie sich kaum dort blicken lassen, und ich wollte fragen, ob alles in Ordnung ist.«

»Sicher, wieso sollte es das nicht sein?«, möchte ich wissen.

»Weil man Sie nur sehr selten sieht«, erwidert er freundlich.

Ich hole tief Luft. »Mr. Chambers, ich sagte Ihnen damals, dass ich meine Ruhe haben will, die habe ich hier draußen, was ich sehr angenehm finde. Ich bestelle das Land, versorge meine beiden Pferde und mich selbst. Das ist für mich noch lange kein Grund, diesem Gerede Glauben zu schenken.« Hoffentlich klinge ich nicht wie eine Kampfzicke. Der Mann weiß zwar nicht, woher ich komme, aber ich hasse es, wenn man mir ständig Fragen stellt. Und er stellt zu viele davon. Viel zu viele. »Wenn das dann alles gewesen ist, würde ich gern weitermachen. Sie haben mich gerade davon abgehalten, die Beete zu düngen.«

»Entschuldigen Sie bitte, Ms. Greenwald.«

»Schon gut. Falls Sie in der Stadt noch mal irgendwelche Gerüchte über mich hören, ignorieren Sie sie einfach.«

»In Ordnung. Melden Sie sich, falls Sie etwas benötigen«, sagt er.

»Das werde ich sicher, danke. Bis dann.« Ich hänge den Hörer auf und verdrehe genervt die Augen. »Fast vier Jahre und diese Leute gehen mir immer noch auf die Nerven«, wende ich mich an Ruby.

Sie gibt einen Laut von sich, der mir vermittelt, dass sie genauso entnervt ist wie ich.

»Lass uns rausgehen.« Ich nicke zur Fliegentür und öffne sie einen Moment später – Ruby läuft an mir vorbei. Meine Hündin bleibt auf der schattigen Veranda, während ich meinen Stetson aufsetze und zum Gemüsebeet gehe. Ich schnappe mir den Korb, danach fange ich an, ein wenig Gemüse zu ernten. Ich hole Karotten aus der Erde, bis ich genug für mein Abendessen habe, danach noch ein paar Kartoffeln und schließlich Lauchzwiebeln. Ich möchte eine Gemüsesuppe kochen, weshalb ich zu guter Letzt noch einen Weißkohl abschneide.

Als ich genug habe, bringe ich den Weidenkorb auf die Veranda. »Möchtest du heute Abend auch ein wenig von der Suppe?«, wende ich mich an Ruby.

Sie brummt bloß.

»Na gut, dann bekommst du eben Hühnchen mit Reis, wie so oft.« Ich gehe in mein Haus, in dem es viel zu warm ist. Es hat keine Klimaanlage und die hiesigen Sommer sind unerbittlich. Der Ventilator läuft den ganzen Tag, manchmal bewege ich mich minutenlang mit ihm, um mich nicht zu verflüssigen. Ruby folgt mir und lässt sich in der schattigen Küche, die der einzig halbwegs erträglich temperierte Raum ist, wo sie sich auf dem Boden ausstreckt.

»Mir ist auch warm, Dicke«, lasse ich sie wissen. Ich hole ihr Futter aus dem Kühlschrank und stelle es auf die Anrichte. Ruby hat Magenprobleme, weshalb ich ihr Fressen selbst koche. Es beschäftigt mich und das kann ich hier draußen sehr gut brauchen. Wenn ich nicht gerade koche, mich um meinen Gemüsegarten oder die Tiere kümmere, male ich oder nähe. Meine Kleider werden in einer Boutique in der Stadt verkauft, damit ich mir ein wenig Geld verdiene, auch wenn ich es nicht brauche. Aber es macht mir Spaß und bevor ich hier hunderte von Kleidern herumfliegen habe, gebe ich sie lieber zu vernünftigen Preisen ab. Und Bethany bringt sie wirklich immer an die Frau. Sie ist meine beste Freundin und meine einzige Ansprechpartnerin in der Einsamkeit, in der ich nun lebe und die ich mir selbst ausgesucht habe. Aber alles ist besser als der Trubel Hollywoods.

* * *

Drei Tage später bin ich mal wieder in der Stadt. Meine Haare habe ich zu einem langen Zopf geflochten, darüber trage ich ein Basecap, da ich neue Farbe brauche, um den roten Ansatz zu kaschieren. Außerdem habe ich wieder neue Kleider genäht, die ich zu Bethany in die Boutique bringen möchte.

Ich habe davor geparkt und sie steht schon im Eingang. »Hey, nichts zu tun?«, erkundige ich mich lächelnd.

Sie sieht zu mir. »Oh, Hannah, hi«, erwidert sie. »Sorry, ich befriedige gerade nur die Neugier der Kleinstädterin, denn in der Stadt ist ein neuer Kerl aufgetaucht.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Was für einer?«

»Ist wohl ein Journalist aus New York, der die Gegend fotografieren will.« Sie zeigt zu seinem Wagen, es ist ein ziemlich schnittiger Mercedes.

»Der Kerl wird sich richtig ärgern, wenn er den Straßenstaub an seinen Felgen hat«, stelle ich amüsiert fest.

Sie lacht. »Du bist so böse.« Bethany betrachtet mich. »Hast du wieder Kleider für mich?«

Daraufhin nicke ich. »Habe ich.« Ich zeige ihr die Kleiderhülle, in der ich sie untergebracht habe. »Ich habe mich mal an einem anderen Schnitt versucht und auch ein paar weitere Größen genäht«, lasse ich sie wissen.

»Gehen wir rein? Dann sehe ich sie mir an.«

»Klar«, antworte ich, anschließend folge ich ihr in ihren Laden.

»Baumwolle oder Jersey?«, fragt sie, als ich die Hülle auf die Kassentheke lege.

»Beides.« Ich öffne sie, überlasse es aber Bethany, die Kleider herauszuholen.

»Wow«, sagt sie anerkennend, als sie das erste Kleid – es ist ein dunkelblaues in A-Linie mit silbernen Sternen, das Spaghettiträger hat – sieht. »Das sieht echt toll aus.«

»Ich habe mir auch eines aus diesem Stoff genäht.«

Sie lässt ihn durch ihre Hände gleiten. »Was möchtest du dafür?«

»Wie immer, fünfunddreißig Dollar pro Kleid.«

»Deine letzten haben sie mir für fünfzig Dollar pro Stück aus den Händen gerissen«, entgegnet sie gut gelaunt. »Ich wette, die hier gehen auch schnell weg.« Nach und nach holt sie alle Kleider heraus und sieht sie sich genauer an. »Die sehen wieder toll aus, Hannah.«

»Danke.«

»Ich bezahle dich sofort, dann sind wir quitt.« Sie zählt die Kleider durch. »Okay, ich muss zur Bank, würdest du kurz den Laden im Auge behalten? Ich habe keine fünfhundert Dollar hier.«

»Wie viel hast du hier?«, erkundige ich mich.

»Ich habe vierhundert Dollar in der Kasse, aber ich brauche noch Wechselgeld.«

»Dann komm doch heute Abend zum Essen vorbei. Das Geld kannst du mitbringen«, entgegne ich.

»Guten Tag, die Damen«, sagt eine männliche Stimme.

Ich drehe mich zur Tür und sehe den Fremden, der uns anlächelt. Statt sein Lächeln zu erwidern, hebe ich eine Augenbraue. »Also dann, sehen wir uns heute Abend, Betty?«, frage ich interessiert.

»Klar, ich komme nach der Arbeit«, antwortet sie freundlich.

»Alles klar.« Ich gehe zur Tür, aber dieser Kerl steht mir im Weg, weshalb ich nicht rauskomme.

»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, wendet Bethany sich an ihn.

»Ja, ich bin auf der Suche nach einem Hotel, mein Zimmer wurde anscheinend einem anderen Gast gegeben, nun ist das Hotel voll und ich würde nur ungern bis nach Des Moines fahren, wenn ich Fotos von Winterset machen soll«, erklärt er.

»Haben Sie mal bei Airbnb geschaut?«, erkundige ich mich.

»Hast du nicht geung Platz, Hannah?«, fragt Bethany.

Ich drehe mich zu ihr um. »Nein, leider nicht, ich renoviere momentan die Schlafzimmer und kann niemandem Obdach geben.«

»Ach stimmt.« Sie blickt zu dem Kerl. »Martha Merryweather vermietet ihr Gästehaus, wenn Sie möchten, schreibe ich Ihnen Ihre Telefonnummer auf oder ich rufe sie sofort an, um zu fragen, ob es noch vakant ist.«

»Das wäre sehr nett.« Er sieht zu mir herunter. »Oh, tut mir leid, ich stehe Ihnen im Weg.« Danach dreht er sich zur Seite, sodass ich an ihm vorbeischlüpfen könnte.

»Wir sehen uns heute Abend, Betty.«

»Bis heute Abend, Hannah.«

Ich schenke meiner Freundin ein Lächeln, anschließend schiebe ich mich an dem Kerl vorbei. Gut gelaunt gehe ich zu meinem Pick-up, steige ein und fahre los. Ich muss zum Supermarkt, um ein wenig für die nächsten Tage einzukaufen. Insbesondere Getränke, denn bei dieser Hitze macht man gefühlt nichts anderes, als zu trinken. Aber abgesehen von den Sixpacks Mineralwasser, hole ich Cola und Tee, mit dem ich selbst Eistee machen kann.

* * *

Als ich mit dem Einkauf fertig bin, schiebe ich den Einkaufswagen zu meinem Auto. Ich sehe den schwarzen Mercedes von diesem Journalisten. Dass er hier ist, um die Gegend zu fotografieren, bezweifle ich, denn der Tourismus hält sich in Grenzen und ich kann mir nicht vorstellen, dass er zunehmen wird, weil jemand Fotos von der Stadt und den Brücken macht. Abgesehen davon frage ich mich, ob er sie für ein Magazin, einen Blog oder eine Fernsehsendung macht. Wobei Letztes kann ich ausschließen, denn in dem Fall hätte er ein Kamerateam bei sich gehabt. Ich stelle die Einkäufe auf die Ladefläche, danach ziehe ich eine Decke darüber. Außerdem behalte ich diesen Kerl im Auge. Er geht geradewegs auf den Supermarkt zu, sieht sich um und entdeckt mich. Seufzend bringe ich den Einkaufswagen weg, danach laufe ich zurück zu meinem Wagen. Ich öffne die Fahrertür und steige ein, als er meinen Pick-up erreicht hat.

»Guten Tag«, sagt er freundlich.

»Kann ich helfen?«, gebe ich mich desinteressiert.

»Nein, ich wollte bloß fragen, ob Sie mir sagen können, wie ich zu Martha Merryweather komme«, erwidert er.

»Ich könnte, aber ich will nicht.« Ich schenke ihm ein Lächeln, danach starte ich den Motor und fahre aus der Parklücke. Ich habe keine Lust, mich mit diesem Kerl zu unterhalten.

»Sehr freundlich, danke!«, ruft er mir hinterher, aber ich bin taub dafür. Ich will bloß nach Hause, das Essen vorbereiten, unter die Dusche und mich vor den Ventilator setzen. Da Samstag ist, habe ich noch zwei Sixpacks Bier gekauft, falls Betty länger bleiben will. Manchmal übernachtet sie bei mir und fährt dann erst montags wieder in die Stadt, da ich ziemlich weit draußen wohne. Ihre Boutique ist ihre einzige Verpflichtung und meistens haben wir beide keine Lust, bis nach Des Moines zu fahren, um einen Club zu besuchen.

* * *

KAPITEL2

Gabriel

Dieser Frau mit dem Pick-up zu begegnen, war eine Sache für sich. Ich habe keine Ahnung, was ich ihr getan habe, aber sie war in der Boutique schon recht feindselig gestimmt. Die Inhaberin hingegen ist unheimlich freundlich und hat mich zum Essen eingeladen – das bei ihrer kleinen unfreundlichen Freundin stattfinden wird. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Einladung annehmen soll, aber vielleicht erfahre ich so etwas über Maisie Scarlett Fairchild, die das letzte Mal hier gesehen wurde. Ihre Mutter hat eine Affäre mit meinem Boss und ihn gebeten, einen Artikel über Maisie schreiben zu lassen, mein Chef meinte dann natürlich, dass ich mich auf die Suche nach ihr machen soll. Ich bin nicht unbedingt scharf darauf, diese verwöhnte Göre zu interviewen, aber es ist mein Job und mir winkt eine Festanstellung, denn derzeit bin ich bloß freiberuflich unterwegs. Ich bräuchte eigentlich keinen Job, da ich sehr gut geerbt habe, aber ich habe keine Lust, den ganzen Tag auf der faulen Haut zu liegen, also nehme ich gelegentlich Aufträge an, um mal aus dem Haus zu kommen.

Bethany gab mir vorhin ihre Handynummer, ich ihr meine. Als ich sie nach Maisie Fairchild fragte, wich sie aus. Sie sagte, dass sie nie eine Frau mit diesem Namen kennengelernt hat, sondern sich nur an sie als Kinderstar erinnert, der durchgebrannt sein soll. Es war einstudiert, das hatte ich sofort durchschaut, aber ich konnte sie nicht damit konfrontieren. Hätte ich das getan, hätte sie mich zukünftig nicht mehr an sich herangelassen. Ich weiß, dass ich behutsam sein muss, damit niemand misstrauisch wird.

Ich sitze in Martha Merryweathers Gästehaus, habe mich ins WLAN eingeloggt und schreibe eine E-Mail an Isabella Fairchild, Maisies Mutter.

Guten Tag, Mrs. Fairchild,

Ich bin heute in Des Moines angekommen. Das ist der letzte Aufenthaltsort, den ich von Maisie herausfinden konnte, bisher scheint aber niemand, den ich auf Ihre Tochter angesprochen habe, sie zu kennen. Ich werde am Ball bleiben und mich in regelmäßigen Abständen bei Ihnen melden.

Hochachtungsvoll,

Gabriel King

Ich schicke die Mail ab und klappe das MacBook zu. Danach tippe ich eine WhatsApp Nachricht an Bethany, um ihre Einladung anzunehmen. Diese Kleine mit dem Basecap weckt mein Interesse, aber sie war so unfreundlich, dass sie mir sicher gar nichts erzählen wird. Allerdings habe ich nicht vor, ihr Fragen zu stellen, sondern sie ins Bett zu kriegen. Es ist immer gut, wenn man sich ein wenig die Hörner abstoßen kann, während man unterwegs ist. Zwar war ich sonst immer in Großstädten unterwegs, aber ich wette, dass ich auch hier einen Erfolg verbuchen kann.

Alles klar, ich freue mich. Ich komme Sie nach der Arbeit abholen. Bis später, Betty

Ich stecke das Handy in meine Hosentasche, anschließend mache ich mich auf den Weg ins Bad. Nach stundenlanger Fahrt brauche ich unbedingt eine Dusche. Die hätte ich schon vor einer Weile haben können, aber der Vollidiot in der örtlichen Pension hat mein Zimmer einfach anderweitig vergeben. Ich frage mich, was in ihn gefahren ist, denn ich hatte meine Reservierung nicht storniert, sondern gestern Abend noch bestätigt.

Kopfschüttelnd vertreibe ich den Ärger und gehe an meine Reisetasche. Nachdem ich saubere Kleidung an mich genommen habe, verschwinde ich im Bad.

* * *

»Sind Sie sicher, dass Ihre Freundin einverstanden ist, dass Sie mich mitbringen?«, erkundige ich mich bei Bethany.

»Wieso sollte Hannah es nicht sein?«, fragt sie hingegen und sieht mich irritiert an.

»Sie war nicht besonders freundlich.«

»Hannah ist gern für sich allein, aber da ich Ihnen angeboten habe, Ihnen die Stadt zu zeigen, ist es für mich selbstverständlich, Sie einzuladen, auch wenn Hannah heute kocht und die Gastgeberin ist.«

»Es wird sie sicher nicht freuen«, stelle ich fest.

»Sie wird sich damit abfinden müssen, dass ich jemanden mitgebracht habe«, sagt sie entschieden.

»Na gut«, erwidere ich, während sie über eine ziemlich staubige Schotterstraße fährt. Mein Mercedes wird es mir nicht danken, dass ich ihn auch noch durch diese Straßen fahren muss, aber was soll’s? Ich hätte mir einen Mietwagen nehmen sollen, aber hinterher ist man immer schlauer.

»Da wären wir«, verkündet sie eine Viertelstunde später und hält vor einem großen Farmhaus.

»Wohnt sie hier ganz alleine?«

»Ja, das tut sie.«

»Warum lebt sie allein in so einem großen Haus?«

»Sie wollte außerhalb der Stadt wohnen und das war das einzige Haus, das freistand«, antwortet sie gut gelaunt, stellt den Motor ab und steigt aus ihrem Pick-up.

Ich löse den Gurt, anschließend folge ich ihr. »Wollen Sie den Wagen nicht abschließen?«

»Hier wird nichts geklaut«, erwidert sie. »Und glauben Sie mir, wenn jemand die alte Rostlaube klaut, hat er sie definitiv nötiger als ich.« Bethany lacht mich an.

Ich schnaube amüsiert. »In Ordnung.«

Gemeinsam gehen wir zum Haus, auf der Veranda liegt ein Labrador, der sofort aufspringt, als er uns sieht. Schwanzwedelnd kommt er auf uns zu, während er Bethanys Hand ableckt, knurrt er mich an.

»Hannah?«, ruft sie daraufhin.

»Die Tür ist offen.«

»Darum geht’s nicht, könntest du Ruby zurückpfeifen? Sie knurrt meine Begleitung an.«

»Du hast eine Begleitung dabei?«, fragt ihre Freundin und taucht an der Fliegentür auf. Sofort verfinstert sich ihr Blick. »Ich habe nicht genug gekocht, um eine weitere Person satt zu bekommen.«

»Das macht nichts«, mische ich mich ein, während ihr Hund mich immer noch anknurrt.

»Ruby, hör auf und komm rein«, sagt sie ernst, lässt den Hund ins Haus und sieht Bethany an. »Können wir uns kurz unterhalten?«

»Sicher.« Bethany betritt das Haus und bevor ich hereingehen kann, wirft Hannah die Tür zu.

»Damit habe ich jetzt nicht gerechnet«, nuschle ich und drehe mich von der Haustür weg. Ich lasse meinen Blick über den Garten schweifen. Sie hat Gemüsebeete angelegt, die wirklich gepflegt aussehen. So viel Talent hätte ich ihr gar nicht zugetraut, aber das liegt nur an meinem ersten Eindruck.

»Hey!«

Ich wende mich um und sehe Hannah vor mir stehen. »Ja?«

»Kommen Sie rein, wir haben eine Lösung gefunden«, sagt sie, während sie mich finster betrachtet.

»Wenn meine Gesellschaft unerwünscht ist, kann ich mir ein Taxi rufen.«

Daraufhin lacht sie gezwungen. »Versuchen Sie, eines zu bekommen, dann sehen wir, wie es ausgeht.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Dann rufe ich eben einen Uber.«

Diesmal prustet sie. »Sie sind in einer Kleinstadt mit etwas mehr als fünftausend Einwohnern, hier gibt’s keine Uber-Fahrer, genauso wenig fahren hier viele Taxis. Die bringen Sie höchstens von Des Moines hierher, aber holen Sie nicht in diesem Nest ab.«

»Gut zu wissen.«

»Kommen Sie nun rein oder wollen Sie zurück zu Mrs. Merryweather laufen?«

»Ich komme rein. Danke.« Ich folge ihr ins Haus, in dem es nicht angenehmer als draußen ist. Das Wetter hier ist wirklich unglaublich heiß und ich hatte nicht damit gerechnet, so einer Hitze ausgesetzt zu werden. Morgen werde ich definitiv nach Des Moines fahren müssen, um mir sommertaugliche Kleidung zu kaufen. Früher oder später würden die Jeans und die Hemden mich umbringen, weshalb ich auf T-Shirts und Cargohosen umsteigen sollte. Ich lasse meinen Blick schweifen, die Küche ist altmodisch eingerichtet, aber der Anstrich scheint neu zu sein. »Sie haben es … gemütlich.«

»Mit anderen Worten, es gefällt Ihnen nicht.«

»Das habe ich nicht gesagt«, entgegne ich gelassen.

»Bethany sitzt im Wohnzimmer.« Sie deutet zum Flur. »Am besten gehen Sie zu ihr, ich bin hier noch ein Weilchen beschäftigt.«

»Mit Kochen?«

»Ja.«

»Darf ich Ihnen vielleicht zur Hand gehen?«, frage ich freundlich.

Hannah sieht mich skeptisch an. »Wirklich?«

»Ja, stellen Sie sich vor, es gibt Männer, die kochen können.«

»Das halte ich für ein Gerücht«, hält sie dagegen und ihre Mundwinkel zucken, jedoch lächelt sie nicht.

»Ich kann Sie gern vom Gegenteil überzeugen.«

Daraufhin winkt Hannah ab. »Möchten Sie etwas trinken, ohne mir im Weg zu stehen?«

»Gern«, antworte ich.

»Wasser, Cola, Bier?«

»Ich würde ein Bier nehmen«, lasse ich sie wissen.

Nickend geht sie an den Kühlschrank, aus dem sie eine Flasche Budweiser holt. Sie öffnet sie, anschließend gibt sie mir die Bierflasche.

»Danke, Miss …«

»Einfach nur Hannah«, entgegnet sie, danach geht sie an den Gasherd.

»Hannah, lässt du Mr. King immer noch draußen warten?«, ruft ihre Freundin.

»Nein, er ist bei mir in der Küche«, entgegnet sie.

Einen Moment später nähern sich ihre Schritte und sie betritt gefolgt von dem Labrador die Küche, der sofort wieder knurrt.

»Aus, Ruby, du sollst die Gäste nicht anknurren«, wendet Hannah sich an ihren Hund. Mit einem leisen Wimmern verstummt er. »Gutes Mädchen«, sagt sie ruhiger und haut auf ihren Oberschenkel. Sofort läuft Ruby zu ihr, Hannah geht in die Hocke und krault sie hinter dem Ohr. »Ich weiß, du magst keine Männer, ich auch nicht.« Hannah drückt Ruby einen Kuss auf den Kopf, danach richtet sie sich auf. »Setzt euch ruhig ins Wohnzimmer, ich bin doch noch beschäftigt.«

»Wir können uns doch auch hier an den Tisch setzen und ein wenig quatschen«, schlägt Bethany vor.

»Na schön, dann setzt euch hierher«, seufzt Hannah und geht an den Herd. Sie hebt den Deckel von einem Topf, danach wirft sie einen Blick in den Ofen.

»Mr. King?«

Ich schaue zu Bethany. »Ja?«

»Setzen Sie sich.«

»Danke.« Ich gehe an den Tisch und nehme auf dem Stuhl Platz, von dem aus ich den ganzen Raum im Blick behalten kann.

Bethany nimmt rechts von mir Platz.

»Ich hoffe, ihr habt nichts gegen Spaghetti mit Fleischbällchen«, sagt Hannah.

»Nicht, wenn du sie gemacht hast, Hannah«, erwidert Bethany und sieht mich an. »Hannah ist eine unglaublich gute Köchin. Ich versuche immer, ihre Rezepte zu bekommen, aber sie rückt sie einfach nicht raus.«

Ich schnaube amüsiert. »Ich bin mir sicher, dass sie ihre Gründe hat.«

»Die habe ich, außerdem kochst du sie sowieso nicht nach«, wirft die Hausherrin ein.

»Irgendwann werde ich das sicher tun«, gibt Bethany zu bedenken.

»Dann frag mich einfach noch mal, wenn es so weit ist«, kontert Hannah und dreht sich zu uns um. Sie geht an einen Schrank, holt Geschirr heraus und bringt es an den Tisch.

Eine Viertelstunde später hat Hannah das Essen aufgetischt. »Lasst es euch schmecken«, sagt sie und sieht auf ihren Teller, auf dem eine eher kleine Portion liegt. Sie hat noch einen Salat gemacht, außerdem Brot aufgebacken. Dafür dass sie nur Bethany erwartet hat, hat sie ganz schön schwere Geschütze aufgefahren.

»Danke, du dir auch«, erwidert Bethany gut gelaunt.

»Ebenso und danke, dass Sie mich nicht zurück in die Stadt gejagt haben«, wende ich mich an Hannah, die mich irritiert ansieht, während Bethany lacht.

»Ja, Hannah ist auf ihre Art besonders …«, sie grinst Hannah an, »zickig und unfreundlich.«

Die Miene der Gastgeberin entgleist. »Wow … Danke.« Sie sieht auf ihren Teller, dann fängt sie an zu essen.

»Ach komm schon, Hannah, so war’s nicht gemeint.«

»Mhm«, gibt sie zurück.

»Bist du jetzt sauer?«, hakt Bethany nach.

Hannah schüttelt den Kopf, ihre Freundin seufzt und ich weiß gerade nicht, was ich sagen soll.

Das Essen verläuft ziemlich verkrampft, seit Bethany Hannah bloßgestellt hat. Ich verstehe auch nicht recht, warum sie das gemacht hat. Möglicherweise wollte sie die Situation auflockern, hat aber das Gegenteil erreicht, da Hannah sehr schweigsam geworden ist. Sie räumt gerade den Tisch ab und Bethany kratzt am Etikett ihrer Bierflasche.

»Es tut mir leid, Hannah.«

»Schon gut«, erwidert sie, ohne sich zu uns umzudrehen.

»Ich denke, es ist besser, wenn wir fahren«, wendet Bethany sich schließlich an mich.

Ich schaue zu Hannah. »Darf ich Ihnen jetzt vielleicht helfen?«

»Ich komme zurecht. Danke, Mr. King.« Sie räuspert sich. »Ich bringe euch nach draußen.«

Bethany erhebt sich. »Hannah, es war nicht böse gemeint.«

Sie winkt ab. »Wie gesagt, schon gut.« Danach deutet Hannah zur Tür. »Ich bringe euch raus, ich bin müde und sollte ins Bett gehen.«

»Seit wann bist du denn schon wieder wach?«, möchte Bethany wissen.

»Seit fünf, wie immer«, antwortet sie, die wirklich müde aussieht.

Ich stehe ebenfalls auf. »Danke für das wirklich köstliche Abendessen, Hannah.«

»Gern geschehen.«

Mein Blick fällt auf Bethany.

»Telefonieren wir morgen?«, fragt sie Hannah.

»Mal sehen, ich habe morgen eine Menge zu tun«, antwortet Hannah. »Ich melde mich, sobald ich Zeit habe.« Sie geht zu ihrer Freundin und umarmt sie kurz. »Jetzt bringe ich euch raus, damit Ruby noch ihre Runde drehen kann.«

»Alles klar«, sagt Bethany und wir verlassen die Küche, der Hund folgt uns und geht an Hannah vorbei auf die Veranda.

»Auf Wiedersehen, Hannah«, verabschiede ich mich und strecke die Hand aus.

»Bis dann, Mr. King«, erwidert sie, ergreift meine Hand und schüttelt sie. Ihre Finger fühlen sich kühl an, obwohl diese Hitze vorherrscht. »Schlaft gut«, wendet sie sich an uns beide, nachdem sie sich auch von Bethany verabschiedet hat.

Wir gehen zum Pick-up, steigen ein und Bethany schaut zum Haus.

»Worauf warten Sie?«

»Dass Ruby zurückkommt und Hannah winkt. Das machen wir immer so. Sie ist hier draußen alleine und ich habe ein besseres Gefühl, wenn ich sehe, dass sie die Tür abgeschlossen hat«, erklärt sie gelassen.

»Ist sie immer so schnell verletzt?«, erkundige ich mich weiter.

»Normalerweise nicht, aber wahrscheinlich habe ich ein wenig über die Stränge geschlagen«, gibt Bethany zu. »Sie ist ziemlich sensibel, obwohl sie so tough wirkt.«

»Lebt sie schon lange hier draußen?«

»Ein paar Jahre«, antwortet sie und verzieht ihre Lippen zu einem Lächeln. »Ruby ist im Haus, Hannah hat gewinkt und abgeschlossen, wir können fahren.« Anschließend startet sie den Motor und setzt den Pick-up rückwärts vom Grundstück.

»Ist sie nicht einsam? Immerhin liegen die Häuser hier draußen weit auseinander«, fahre ich fort.

Bethany sieht mich nachdenklich an. »Nein, sie bevorzugt es, alleine zu sein, und Ruby passt auf sie auf.«

»Das habe ich gemerkt«, sage ich gefasst. »Ich dachte, der Hund würde mich zerfleischen.«

»Rubys Vorbesitzer war nicht besonders gut zu ihr, seitdem hat sie etwas gegen Männer. Hannah hat sie letztes Jahr aus dem Tierheim geholt, nachdem Brooklyn gestorben ist.«

»Brooklyn?«

»Ihre Bulldogge.«

Ich schaue noch einmal zu dem Farmhaus. Ich weiß von Maisie Fairchild, dass sie eine Bulldogge hatte. »Das hat sie sicher mitgenommen.«

»Ja, sie hatte den Hund schon, als sie hierher gezogen ist.«

Daraufhin nicke ich. Maisie Fairchild hatte ihren Hund damals mitgenommen und ich wusste, dass es eine Bulldogge war, nur nicht mehr, ob es eine englische oder französische war. Wenn ich wieder im Gästehaus bin, werde ich Fotos von Maisie googeln, auch wenn Hannah ihr überhaupt nicht ähnelt. Aber abgesehen davon gibt es von Miss Fairchild nur alte Fotos im Internet. Sie war mit siebzehn Jahren in einer Entzugsklinik, nachdem sie versucht hatte, sich umzubringen. Gleich nach ihrer Entlassung war sie auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Man hatte sie nicht hier in Winterset das letzte Mal gesehen, sondern in Des Moines, der Hauptstadt. Ich habe bloß schon die umliegenden Städte abgeklappert, weil sie kleiner sind und es schneller geht, als die Großstadt nach ihr abzusuchen. Aber es kann ja sein, dass ich hier Glück haben werde. Ich hoffe es zumindest, denn Des Moines ist der letzte Strohhalm, nach dem ich gegriffen habe. Wenn ich sie in Winterset nicht finde, werde ich die Suche aufgeben. Ich weiß, dass Schauspieler allerhand Möglichkeiten haben, um unentdeckt zu bleiben, und ich bin mir sicher, dass Maisie Fairchild sehr genau weiß, was sie tun muss, um nicht aufzufallen.

»Ich glaube, sie wohnt jetzt im fünften Jahr in der Stadt, kann aber auch kürzer sein, ich merke mir so etwas nicht.«

»Woher kommt sie denn ursprünglich?«, frage ich interessiert.

»Aus Washington«, entgegnet Bethany. »Mehr weiß ich auch nicht. Sie ist sehr verschlossen, was ihr bisheriges Leben angeht, und ich denke, es hängt mit einem Mann oder ihrer Familie zusammen«, redet sie weiter.

Ich schaue aus dem Seitenfenster, an dem Felder vorbeiziehen. Diese Geschichte klingt schon wieder einstudiert. Das Gute an meinem Job ist, dass man immer feinere Antennen bekommt, je länger man ihn macht. Auch wenn ich erst seit zwei Jahren im Geschäft bin, habe ich schon verdammt viele Promis getroffen und ihnen Geheimnisse entlockt, die der Öffentlichkeit niemals hätten zugänglich gemacht werden dürfen. Inzwischen habe ich meinen Ruf als Detektiv unter den Journalisten weg, weshalb Interviewanfragen von etablierten Prominenten selten angenommen werden, jedoch treffe ich immer noch Jungstars, die nicht wissen, worauf sie sich einlassen. Und denen habe ich schon so viel entlockt wie den Profis. Nicht einmal ihre Manager können sie davon abhalten, mir ihre tiefsten Geheimnisse anzuvertrauen, wenn ich einmal losgelegt habe.

»Warum interessieren Sie sich so sehr für Hannah?«

»Sie hat mich neugierig gemacht. Ein Städter wie ich kann sich nur schwer erklären, warum jemand aus der Großstadt hierher, um die Einsamkeit zu suchen«, erkläre ich geduldig.

Sie gibt einen amüsierten Laut von sich. »Jemand aus der Kleinstadt kann sich hingegen nicht erklären, wie jemand in der Großstadt leben kann. Es ist laut, es stinkt, die Menschen sind unfreundlich.«

»Woher wissen Sie das alles?«, möchte ich wissen.

»Ich habe früher eine Weile in Des Moines gelebt, das ist zwar nicht groß wie New York City, aber es hat mir gezeigt, dass ich lieber in meiner Heimat bin«, erzählt sie.

Ich nicke. »Haben Sie schon mal etwas von Maisie Fairchild gehört?« Mir ist bewusst, dass ich sie heute Nachmittag schon nach ihr gefragt habe, aber vielleicht ist sie jetzt gesprächiger.

»Wer nicht?«, hakt sie nach.

»Es gibt Gerüchte, die besagen, dass sie in Winterset lebt.«

Bethany lacht auf, allerdings klingt es gespielt. »Wer erzählt denn so einen Quatsch?«

»Einige Menschen.« Ich betrachte sie, um ihr Mienenspiel zu beobachten. »Haben Sie sie hier wirklich nie gesehen?«

»Nein, dabei bekommt man in einer Kleinstadt alles mit«, antwortet sie und ich sehe, wie unruhig ihre Augen hin und her zucken.

»Sind Sie sicher?«

»Sehr sicher sogar.«

Diese Frau lügt wie gedruckt, das erkenne ich unheimlich schnell. »Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie mehr wissen, als Sie zugeben.«

»Wie kommen Sie darauf?«, ist es nun an ihr nachzuhaken.

»Weil Sie keine besonders gute Lügnerin sind, Bethany.«

»Ich kenne Maisie Fairchild nicht«, entgegnet sie entschieden. »Wenn Sie anderer Meinung sind, bitte, aber das ist mir egal.«

»Ich bin mir sicher, dass eine Boutique in einer Kleinstadt nicht so viel abwirft, dass man ein sorgenvolles Leben führen kann, oder?« Ich sehe sie interessiert an.

»Nicht wirklich, aber ich liebe meine Boutique und werde sie nicht schließen.«

»Sagen Sie mir, wo Maisie Fairchild sich versteckt hält, und ich gebe Ihnen eine kleine Finanzspritze. Was halten sie davon?«

Bethany parkt vor Mrs. Merryweathers Haus und sieht mich mit einer gehobenen Augenbraue an. »Ist das Ihr Ernst? Sie wollen mich bestechen, damit ich Ihnen verrate, wo Maisie steckt?«

»Also wissen Sie es«, stelle ich lächelnd fest.

Sie schnaubt. »Am besten steigen Sie jetzt aus und gehen schlafen. Das Bier ist Ihnen zu Kopf gestiegen.«

Ich lache leise. »Sagen Sie es mir, wenn ich Ihnen zehntausend Dollar gebe?«

Bethanys Miene entgleist. »Ich werde keine Freundin an Sie verraten.«

Meine Augenbraue flippt in die Höhe. »Kann es sein, dass Hannah Greenwald eigentlich Maisie Fairchild ist?«

Sie sagt nichts mehr, sondern deutet zum Haus. »Steigen Sie aus, Mr. King.« Alles klar, Bethany ist sauer, sonst hätte sie mich wieder mit Gabriel angesprochen, immerhin hatten wir einander angeboten, uns bei den Vornamen zu nennen.

»Bis morgen, Bethany.« Ich steige aus und gehe mit einem breiten Lächeln auf den Lippen zu Mrs. Merryweathers Gästehaus. Morgen sollte ich mich noch mal zu Hannah begeben. Entweder ist sie Maisie oder sie weiß vielleicht, wo sie sich versteckt.

Es hat gar nicht so lange gedauert, wie ich dachte, bis ich meinem Ziel einen Schritt nähergekommen bin, außerdem habe ich ein Foto von Bethany und Hannah mit dem Handy abgelichtet, das ich durch die Gesichtserkennung laufen lassen werde. Ich weiß, es war nicht die feine Art, mich beim Aufsuchen des Badezimmers umzusehen, aber das ist nun mal mein Job. Wenn sich mein Verdacht bestätigt, waren wir heute bei Maisie Fairchild zum Abendessen. Immerhin ist sie die Einzige, die in den letzten Jahren nach Winterset gekommen und geblieben ist. Zumindest sagten das die meisten Einwohner, mit denen ich gesprochen habe, bevor ich bei Bethany in der Boutique war.

Als mein MacBook einsatzbereit ist, ziehe ich das Foto mithilfe von AirDrop auf den Computer, danach speise ich es in die Gesichtserkennungssoftware ein. Ich will wissen, ob mein Bauchgefühl richtig liegt. Die Software gleicht das Foto mit diversen Datenbanken ab und am Fortschrittsbalken sehe ich, dass es schon einige Übereinstimmungen gefunden hat. Ich bezweifle allerdings, dass Hannah viele Fotos von sich in den sozialen Medien gepostet oder eine Modelvergangenheit hat, mithilfe derer sie das Ergebnis entkräften kann.

»Bingo«, sage ich schließlich, als allerhand Fotos von Maisie Fairchild bei den Übereinstimmungen auftauchen. »Du hättest dich besser verstecken sollen, Kleine.«

Ich mache einen Screenshot vom Bildschirm und ziehe ihn auf mein Handy. Ich bin gespannt, was Hannah dazu sagen wird.

* * *

KAPITEL3

Maisie

»Hör zu, du solltest Gabriel aus dem Weg gehen«, sagt Bethany, kaum dass sie mich begrüßt hat.

Ich hebe eine Augenbraue. »Was ist los?«, frage ich in den Hörer.

»Er hat mich gestern über dich ausgefragt und mir unsere Story nicht geglaubt. Ich fürchte, er ist nicht hier, um die Landschaft zu fotografieren und einen Artikel darüber zu schreiben, sondern wegen dir und deiner Vergangenheit als Hollywoodstar«, erklärt sie seufzend.

»Na super«, stoße ich aus und setze mich an den Esstisch. »Kannst du ihn in Schach halten?«

»Ich glaube nicht. Der Typ hat sich in den Kopf gesetzt, dich zu finden, und ich bin mir sicher, dass er dich interviewen will, damit du zurück ins Rampenlicht trittst.«

»Das werde ich zu verhindern wissen«, erwidere ich entschieden.

»Wie willst du das anstellen?«, hakt Bethany nach. »Du sagtest, dass du abgehauen bist, weil niemand dich in Ruhe gelassen hat. Wenn der Kerl erfolgreich ist, werden sicher mehr Reporter und Journalisten hier auftauchen.«

Ich schnaube. »Du hättest ihn nicht mitbringen dürfen.«

»Das weiß ich jetzt auch, aber ich wollte freundlich sein.«

»Deine Freundlichkeit in allen Ehren, aber mich hat sie in die Scheiße geritten und ich bin wirklich nicht scharf drauf, mich wieder mit der Presse herumärgern zu müssen.«

»Es tut mir leid, Maisie«, seufzt sie.

»Mir auch«, erwidere ich und atme tief durch. »Aber gut, ich werde diesen Kerl irgendwie los, mach dir keinen Kopf.«

»Immerhin hast du Ruby, die ihn nicht ausstehen kann«, meint sie kichernd.

»Ja, aber ich will nicht, dass der Sheriff sie konfisziert, weil sie einen Unschuldigen gebissen hat«, halte ich dagegen. »Wenn du ihn siehst, halt ihn in Schach. Ich werde mir einen Schlachtplan zurechtlegen.«

»Alles klar. Ich muss wieder an die Arbeit, wir hören uns.«

»Oder sehen uns, wenn ich dir neue Kleider bringe«, entgegne ich und ringe mir ein Lächeln ab, sie sieht es zwar nicht, aber sie kann es hören.

»Ich melde mich, wenn die letzten verkauft sind. Du solltest schon mal mit Kleidern für den Herbst anfangen, die Sommersachen gehen zwar noch gut, aber bis du eine Kollektion zusammenhast, dauert es sicher eine Weile«, erklärt sie gut gelaunt.

»Alles klar. Bis dann, Betty.«

»Bis dann, Maisie.« Sie legt auf und ich halte seufzend den Telefonhörer fest.

»Das hat gerade noch gefehlt«, brumme ich vor mich hin. Nachdem das Mobilteil auf dem Esstisch gelandet ist, erhebe ich mich. »Ruby!«, rufe ich, mein Hund kommt sofort zu mir. »Wir beide müssen uns einen Schlachtplan überlegen, damit wir diesen Journalisten loswerden.« Ich beuge mich vor und drücke einen Kuss auf ihren Kopf. »Aber vorher kümmern wir uns um Stardust und Blizzen.« Ich kraule sie hinterm Ohr, anschließend erhebe ich mich.

»Komm schon, meine Süße, wir machen uns auf den Weg.« Danach gehe ich zur Fliegentür und lasse sie rauslaufen. Auf der Veranda wartet sie auf mich, jedoch sehe ich, dass sie etwas beobachtet.

»Oh nein«, stoße ich aus, als ich ebenfalls nach draußen trete.

»Guten Tag, Hannah«, sagt Gabriel freundlich und zeigt mir ein Lächeln. Dieser Kerl ist so selbstsicher, wie er dort steht. Er trägt eine Cargohose, die die Hälfte seines Unterschenkels zeigt und mich den Ausläufer eines Tattoos erkennen lässt, außerdem trägt er ein enges T-Shirt, das seinen muskulösen Oberkörper betont. »Ich glaube, wir beide sollten uns unterhalten.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Verlassen Sie mein Grundstück«, erwidere ich entschieden.

»Na na, warum sind Sie denn so gereizt?«, hakt er gut gelaunt nach.

»Weil ich Fremde nicht ausstehen kann«, antworte ich. »Komm, Ruby, gehen wir zu den Pferden.« Danach wende ich mich ab und gehe mit meinem Labrador los.

»Kommen Sie schon, Hannah, oder soll ich Maisie sagen?«

Ich bleibe stehen, dann drehe ich mich zu ihm um. »Wie haben Sie es herausgefunden?«

»Ihre Freundin ist eine sehr schlechte Lügnerin, zusätzlich habe ich eines Ihrer Fotos abgelichtet und es durch die Gesichtserkennung laufen lassen. Ich gebe zu, mit den gefärbten Haaren, den farbigen Kontaktlinsen und der Brille, die Sie gestern Nachmittag getragen haben, habe ich Sie nicht erkannt.«

»Schön.«

»Aber sagen Sie mir, warum Sie sich ausgerechnet in dieses Nest zurückgezogen haben.«

»Weil ich es kann«, weiche ich aus, wende mich ab und gehe mit Ruby zum Pferdestall. Blizzen und Stardust gehörten dem Vorbesitzer der Farm, er wollte die Tiere nicht mehr, weshalb er sie mir für wenig Geld verkauft hat. Sie sind gar nicht so alt, aber beide sehr eigenwillig, was eine gute Herausforderung für mich war. Als Kind hatte ich Reitunterricht, außerdem bin ich keine Rammsau, die wie eine Verrückte auf die Tiere zustürmte, ich hatte ihnen die Möglichkeit gegeben, mich Schritt für Schritt kennenzulernen. Geritten bin ich bis heute nur Stardust. Blizzen ist eine zu große Zicke, die mich zu oft abgeworfen hat, als dass ich noch mal versuchen würde, auf ihr über mein Grundstück zu reiten.

»Ms. Fairchild, ich bitte Sie, geben Sie mir ein paar Antworten.«

»Warum sollte ich?«, möchte ich wissen, als ich durch den Eingang des Pferdestalls gehe.

»Weil die Welt wissen möchte, was aus Ihnen geworden ist.«

»Für die Welt bin ich nicht mehr existent, ebenso wenig für meine Mutter, also wäre es nett, wenn Sie mich in Ruhe mein Leben leben lassen«, halte ich dagegen.

»Und warum ist das so?«, hakt er unerbittlich nach.

Kopfschüttelnd öffne ich die beiden Boxen, hole Stardust aus seiner, anschließend Blizzen aus ihrer und hänge die Führleinen an ihre Halfter. »Kommt, ihr zwei, ihr dürft in den nächsten Tagen ein wenig auf die Koppel.« Danach führe ich die Pferde nach draußen. Ruby bildet die Nachhut, aber das macht sie immer. Obwohl sie als Labrador eher zu den Staubsaugern unter den Hunden gehört, ist sie ein hervorragender Wachhund. Ich weiß nicht, warum sie so ist, denn ich habe sie nie darauf trainiert, aber sie gibt mir Sicherheit.

Gabriel geht neben uns her. »Warum haben Sie Hollywood verlassen?«

»Warum möchten Sie das wissen?«, antworte ich mit einer Gegenfrage. »Möchten Sie eine große Enthüllungsreportage schreiben? Vielleicht darüber, wie tief Maisie Fairchild nach dem Verlassen der Glamourwelt gefallen ist?«

»In erster Linie geht es um einen Artikel über Sie und ein Interview mit Ihnen. Ihre Fans vermissen Sie und möchten wissen, wo Sie sind, wie es Ihnen geht, all die kleinen Dinge, die Sie heute ausmachen.«

»Meine Fans kennen nur den Kinder- und Teeniestar, der ich war, aber nicht die Frau, die aus mir geworden ist.«

»Wissen Sie, dass Ihre Mutter eine hohe Belohnung auf Ihren Kopf ausgesetzt hat?«

Irritiert sehe ich ihn an. »Meine Mutter hat ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt?«

»Nein, kein Kopfgeld, aber jeder, der ihr brauchbare Informationen liefert, erhält eine Aufwandsentschädigung.«

»Meine Mutter sollte aufpassen, sonst hat sie bald kein Geld mehr«, stelle ich fest.

»Sie vergoldet sich mit Ihrem Namen immer noch die Nase, also keine Sorge, sie hat immer genug für die nächste Botoxspritze«, hält er dagegen, was mich auflachen lässt. »Und sie vögelt meinen Boss, also hat sie noch einen Dummen, der sie aushält.«

»Sie scheinen ja sehr viel von ihr zu halten«, sage ich amüsiert. Mindestens genauso viel wie ich, aber das werde ich nicht laut aussprechen.

»Ihre Mutter ist sehr unsympathisch, aber sie wollte, dass ich diesen Auftrag annehme, weil ich mehr Biss als meine Kollegen habe.«

»Mal angenommen, ich gebe Ihnen ein Interview, was habe ich davon? Die Stadt wäre nach der Veröffentlichung vermutlich voller Journalisten und Klatschreporter, davon habe ich nichts. Ich möchte meine Ruhe haben und nicht behelligt werden, sonst wäre ich nicht in eine Kleinstadt gezogen, die weit weg von Zuhause liegt«, erkläre ich ihm.

»Wenn Sie mir ein Interview geben, garantiere ich Ihnen, dass niemand Wind davon bekommt, wo Sie inzwischen leben.«

»Ihr Auftraggeber weiß doch sicher, wo Sie sind«, kontere ich, dann gehe ich weiter.

»Indirekt, er denkt, ich sei in Des Moines, aber ich werde ihm sagen, dass ich einer Spur nach Georgia gefolgt bin«, entgegnet er. »Sie müssen mir bloß ein paar Fragen beantworten, dann sind Sie mich los und werden nicht mehr behelligt.«

»Wollen Sie einen Skandal? Dann schreiben Sie darüber, dass meine Mutter mich seit meinem dritten Geburtstag von einem Casting zum nächsten geschleppt hat. Oder schreiben Sie doch darüber, dass sie meinen ersten Freund verhaften ließ, indem sie ihn einen Kinderschänder nannte, weil er achtzehn und ich fünfzehn war. Vielleicht erzählen Sie auch die Geschichte von all den Tabletten, mit denen ich vollgepumpt wurde, um nicht umzukippen, weil ich viel zu viel arbeiten musste«, biete ich ihm an. »Es gibt einige Geschichten, die ich Ihnen erzählen könnte, die aus einem schillernden Star ganz schnell eine verglühte Sternschnuppe machen.«

»Sie waren der Stern an Hollywoods Filmhimmel.«

»Und heute gibt es für mich nur noch sternlose Nächte, Mr. King«, gebe ich mich desinteressiert, danach binde ich Blizzen und Stardust an, um das Tor zur Koppel zu öffnen.

Gabriel geht mir zur Hand. »Zeigen Sie mir die Frau hinter dem Ruhm, Maisie.«

»Warum sollte ich?«

»Weil ich denke, dass ihre Fans diese Frau gern kennenlernen würden, statt den Star, der sie einst war.«

»Ruhm ist nichts weiter als eine Bürde, Mr. King. Man kann nicht mal in Ruhe irgendwo essen, ohne dass man angequatscht, fotografiert oder mit Fragen bombardiert wird. Ihre Kollegen gaben mir selten Luft zum Atmen, sondern bedrängten mich. Ich halte nicht viel von Ihrer Branche und entweder gehen Sie jetzt, oder ich rufe den Sheriff«, erwidere ich gelassen, dabei kocht es in mir. Ich wollte der Öffentlichkeit entfliehen und bis gestern ist es mir über Jahre hinweg gelungen, aber dann schickt irgendein Magazin diesen Schnüffler, um mich zu finden, und vorbei ist es mit dem Frieden. Ich hole meine Pferde, gehe mit ihnen auf die Koppel und löse die Führleinen von ihren Halftern, danach lasse ich sie laufen. Als ich das Tor geschlossen habe, sehe ich Mr. King im Augenwinkel. »Für welches Magazin arbeiten Sie?«

»Screenscream«, erwidert er und ich verdrehe die Augen.

»Auch noch für das größte Klatschblatt der Nation«, stelle ich kopfschüttelnd fest. »Komm schon, Ruby, wir gehen ein wenig Gemüse ernten, damit wir etwas fürs Abendessen haben.«

»Sie versorgen sich hier draußen selbst?«

»Warum wollen Sie das wissen?«

»Es interessiert mich«, lächelt er.

»Und wahrscheinlich auch all meine Fans«, nuschle ich, dann setzen Ruby und ich uns in Bewegung.

»Maisie, geben Sie mir eine Möglichkeit, hinter Ihre Fassade zu blicken. Wenn Sie am Ende nicht einverstanden sind, werde ich den Artikel nicht einreichen«, sagt er, doch ich erhöre ihn nicht.

Es hat einen Grund, warum ich damals weggelaufen bin. Es war nicht nur der Druck, der seitens der Filmgesellschaften und Öffentlichkeit auf mich wirkte, sondern am meisten lag es an meiner Mutter. Sie gab mir Aufputschmittel, Drogen, Schlaftabletten, Antidepressiva und sie ließ mich Sportprogramme absolvieren, die vermutlich jeden Profisportler in die Knie gezwungen hätten. Kaum hatte ich Hollywood verlassen, hatte ich zehn Kilo zugenommen und fühlte mich schlagartig viel wohler in meinem Körper.

»Ich bitte Sie, was ist denn schon dabei? Sie sind die Erste, die das Interview und den zugehörigen Artikel lesen wird, wenn Sie den Druck ablehnen, werde ich alles löschen und behaupten, dass ich Sie nicht gefunden habe.«

»Ich lege keinen Wert darauf, irgendwann noch mal etwas über mich zu lesen.

---ENDE DER LESEPROBE---