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Alles beginnt mit einem Brief, den Raelyn an den Club der Julias schreibt, um einen für sie wichtigen Rat zu bekommen. Doch ist es keine Sekretärin Julias, die ihn beantwortet, sondern Onyx, ein junger Mann, der sich auf den ersten Blick in sie verliebt hat. Wie es der Zufall will, studieren beide am gleichen College und begegnen sich auf einer Party wieder. Als Raelyn im Begriff ist, eine Dummheit zu machen, ist es Onyx, der ihr hilft. Zwischen den beiden knistert es sofort, doch Raelyns gebrochenes Herz hindert sie daran, sich auf Onyx einzulassen. Mit der Zeit schafft er es, sie für sich zu gewinnen, allerdings verschweigt er ihr, dass er den Brief im Namen von Julias Sekretär verfasst hat. Als die Wahrheit ans Licht kommt, zieht Raelyn sich enttäuscht zurück und beendet, was gerade erst begonnen hat. Hat die junge Liebe noch eine Chance oder werden zwei Herzen gebrochen, die füreinander schlagen?
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Playlist
1. Raelyn
2. Onyx
3. Raelyn
4. Onyx
5. Raelyn
6. Onyx
7. Raelyn
8. Onyx
9. Raelyn
10. Onyx
11. Raelyn
12. Onyx
13. Raelyn
14. Onyx
15. Raelyn
16. Onyx
17. Raelyn
18. Onyx
19. Raelyn
20. Onyx
21. Raelyn
22. Onyx
23. Raelyn
24. Onyx
25. Raelyn
26. Onyx
27. Raelyn
28. Onyx
29. Raelyn
30. Onyx
31. Raelyn
32. Onyx
33. Raelyn
34. Onyx
35. Raelyn
36. Onyx
37. Raelyn
38. Onyx
39. Raelyn
40. Onyx
Epilog
Danksagung
Kennst du schon?
Über die Autorin
Weitere Werke der Autorin
Rechtliches und Uninteressantes
Copyright © 2024 Drucie Anne Taylor
Korrektorat: S. B. Zimmer
Satz und Layout: Julia Dahl
Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art
Auflage 01 / 2024
Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Für jede Julia, die noch auf der Suche nach ihrem Romeo ist – oder sich von ihm finden lassen möchte.
»Kein Hindernis aus Stein hält Liebe auf, was Liebe kann, das wagt sie auch.«
- Romeo & Julia von William Shakespeare
Alles beginnt mit einem Brief, den Raelyn an den Club der Julias schreibt, um einen für sie wichtigen Rat zu bekommen. Doch ist es keine Sekretärin Julias, die ihn beantwortet, sondern Onyx, ein junger Mann, der sich auf den ersten Blick in sie verliebt hat. Wie es der Zufall will, studieren beide am gleichen College und begegnen sich auf einer Party wieder. Als Raelyn im Begriff ist, eine Dummheit zu machen, ist es Onyx, der ihr hilft. Zwischen den beiden knistert es sofort, doch Raelyns gebrochenes Herz hindert sie daran, sich auf Onyx einzulassen. Mit der Zeit schafft er es, sie für sich zu gewinnen, allerdings verschweigt er ihr, dass er den Brief im Namen von Julias Sekretär verfasst hat.
Als die Wahrheit ans Licht kommt, zieht Raelyn sich enttäuscht zurück und beendet, was gerade erst begonnen hat.
Hat die junge Liebe noch eine Chance oder werden zwei Herzen gebrochen, die füreinander schlagen?
Taylor Swift - Love Story (Taylor’s Version)
Backstreet Boys - If I Don’t Have You
Jennifer Lopez - Let’s Get Loud
Henry Moodie - Drunk Text
The Everly Brothers - All I Have to Do Is Dream
Backstreet Boys - I’ll Never Break Your Heart
Samantha Barks - On My Own
The Calling - Wherever You Will Go
Meat Loaf - Rock And Roll Dreams Come Through
Mariah Carey, Boyz II Men - One Sweet Day
Blue - If You Come Back
Backstreet Boys - The One
Roxette - It Must Have Been Love
Die vollständige Playlist findest du hier
https://spoti.fi/3wyjghi
Es war einmal ... oder wird es einmal sein? Schon immer habe ich mich gefragt, warum Märchen mit diesen Worten beginnen, denn es könnte doch auch erst passieren, statt gewesen zu sein.
Warum stelle ich mir diese Frage?
Weil ich hoffe, bald mein eigenes Märchen zu erleben. Vor einem guten Jahr kam ich nach Italien, um herumzureisen und es zu entdecken, denn es gibt kein Land, das mich mehr interessiert. Ich liebe die Mythologie, die Geschichte und natürlich auch das Essen. Außerdem spielt meine liebste Liebesgeschichte in diesem Land, doch habe ich es erst jetzt – kurz vor meiner Rückkehr nach Amerika – nach Verona geschafft. Ich habe mich in die Gegend verliebt und möchte eigentlich gar nicht nach Hause, aber alles Schöne hat leider irgendwann ein Ende. Außerdem erwarten mich Dad, Everlee und Blakely zu Hause. Sie sind meine jüngeren Schwestern, die mich nach dem Highschoolabschluss gar nicht ziehen lassen wollten. Aber jetzt bin ich hier, habe etwa zweihundert Telefonate mit meiner Familie geführt und mich in Italien unheimlich wohlgefühlt. Vielleicht sollte ich Dad fragen, ob ich mein Studium hier beginnen darf, andererseits ist mein Italienisch nicht gut genug, um den Stoff in den Vorlesungen zu verstehen, das alltägliche Gerede gleicht ja nicht dem akademischen.
Ich habe ein Sabbatjahr genommen, nachdem ich den Abschluss in der Tasche hatte, denn ich wurde nicht sofort am College meiner Wahl angenommen und so hat mein Vater es mir erlaubt, mir meinen größten Traum zu erfüllen. Seit ich dreizehn bin, habe ich für die Erfüllung gearbeitet. Habe alle möglichen Baby- und Hundesitterjobs gemacht, sogar den Rasen der Nachbarn gemäht und alles getan, was ich gegen ein paar Dollar erledigen konnte.
Darunter waren auch weniger schöne Jobs, aber was tut man nicht alles für ein bisschen Geld?
Ich war mir jedenfalls nicht zu schade dafür, sie zu machen, denn jeder Penny brachte mich meinem Traum näher. Am Ende hatte ich so viel Geld gespart, dass ich mir eine Unterkunft und die Flüge leisten konnte, allerdings hat Dad mir auf die letzten Meter ein wenig unter die Arme greifen müssen, auch wenn ich Work and Travel mäßig unterwegs war.
Nun sind meine letzten Tage in Italien angebrochen und ich bin heute wieder nach Verona gekommen. Ich liebe die Stadt mit all ihren geschichtsträchtigen Mauern, doch war ich noch nicht an dem Ort, den ich sehnsüchtig besuchen will.
Vor meiner Reise hat Dante, mein Ex-Freund, schlussgemacht. Er wollte nicht, dass ich sie antrete, erpresste mich sogar, sodass es so weit kam. Einerseits vermisse ich ihn, andererseits aber auch nicht, dennoch gibt es etwas, das ich deshalb erledigen will.
Da ich nur noch zwei Tage hier sein werde, habe ich mir keinen Job, dafür aber ein günstiges AirBnb gesucht, in dem ich übernachten kann. Ich bin bei einer großen italienischen Familie auf einem Weingut etwas außerhalb untergekommen und verstehe mich sehr gut mit ihnen. Sie sprechen ein wenig Englisch und ich beherrsche ein ganz gutes Italienisch, sodass wir uns miteinander verständigen können. Und was ich nicht weiß, finde ich mithilfe des Google-Übersetzers schnell heraus. Ich mag die Di Girolamos, sie sind herzlich und haben mich sofort in ihrer Mitte aufgenommen.
»Wohin möchtest du?«, fragt Natale, er ist der älteste Sohn meiner Gastgeber und hat mich in die Altstadt von Verona gefahren.
»Zur Casa di Giulietta«, antworte ich aufrichtig.
»Willst du ihr einen Brief schreiben?«, hakt er nach.
Ich schaue zu ihm hoch, da er so verdammt riesig ist. Von wegen Italiener sind klein, ich wurde hier nicht von dem Klischee überzeugt, denn restlos alle waren und sind größer als ich. »Ja, möchte ich.«
»Dann bringe ich dich dorthin und hole dich später wieder ab, in Ordnung?«
»Wann später?«, möchte ich wissen.
»Reicht dir eine Stunde?«
»Denke schon«, erwidere ich. »Wobei nein, ich wollte auch noch zum Club di Giulietta.«
Er hebt eine Augenbraue. »Was willst du denn dort?«
»Vielleicht kann ich ihnen helfen, ein paar Briefe zu beantworten«, antworte ich lächelnd.
Natale schnaubt amüsiert. »Meinst du nicht, dass du etwas zu jung dafür bist?«
»Warum?«
»Du bist neunzehn, Raelyn, ich bin davon überzeugt, dass dir die Weisheit fehlt, Ratschläge in Liebesdingen zu geben«, sagt er. »Aber das meine ich nicht böse, ich kann es mir nur nicht vorstellen.«
»Mhm«, gebe ich nachdenklich brummend von mir.
»Ich meine es wirklich nicht böse.«
»Weiß ich doch«, erwidere ich und schenke ihm ein Lächeln.
»Na gut«, stößt er erleichtert aus. »Soll ich dich jetzt zu Julias Haus bringen?«
Ich nicke ihm zu. »Das wäre schön, dann haben wir hinterher noch Zeit, etwas essen zu gehen und uns den Rest der Altstadt anzusehen.«
Natale hebt eine Augenbraue. »Ich kenne die Altstadt, Raelyn.«
»Dann kannst du ja wunderbar meinen Touristenführer spielen«, halte ich grinsend dagegen.
Daraufhin schnaubt er amüsiert. »Alles klar.« Natale bietet mir seinen Arm an und ich hake mich bei ihm ein. »Wir müssen nur zum Abendessen zurück sein, sonst reißt Mama uns die Köpfe ab.«
»Geht klar«, sage ich mit großen Augen, dann richte ich meinen Blick vor uns.
Natale führt mich durch die altehrwürdige Stadt, deren Gründung auf eine Zeit vor Christi Geburt datiert wird. Es sind enge Gassen, durch die trotzdem Autos fahren, und alles hier sieht einfach wundervoll aus. Ich liebe Verona und kann mir gut vorstellen, dauerhaft hier zu leben. Doch das Studium wartet auf mich, denn ich wurde endlich an meinem Wunschcollege angenommen, sogar mit einem Vollstipendium, sodass Dad keine Kosten hat, denn ich weiß, wie hoch die Studiengebühren für Stanford sind. Ich möchte Geschichte studieren, denn es gibt nichts, wofür ich mich mehr interessiere, außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass eine gute Historikerin aus mir werden würde. Für wen ich nach dem Studium arbeiten möchte, weiß ich noch nicht, aber ich bin mir sicher, dass ich einen Job finden werde.
»Ich würde auch gern zum Haus des Romeos«, lasse ich ihn wissen.
»Das besuchen wir, nachdem wir bei Julias Haus waren, in Ordnung?«
»Ich richte mich ganz nach dir«, entgegne ich gut gelaunt, als er mich über die Via Capello führt. Ich schaue mich um, denn ich weiß, dass die Casa di Giulietta hier sein soll, aber wo?
Natale bringt mich zu einem schmalen Gang. »Da wären wir. In einer Stunde treffen wir uns wieder hier, ja?«
Ich nicke ihm zu, dabei ziehe ich meinen Arm aus seinem. »Alles klar. Wo bist du denn in der nächsten Stunde?«
Er deutet hinter sich. »Dort vorne ist ein Café, ich werde einen Espresso trinken und ein wenig lesen.« Während er spricht, hebt er das Buch, das er schon den ganzen Tag mit sich herumschleppt. Wann immer ich mir etwas ansehe, setzt er sich irgendwo hin und liest.
»Okay.«
»Nun geh schon. Ich hoffe, du hast Briefpapier dabei.«
»Das nicht, aber ich habe meinen Block und Briefumschläge in der Tasche«, entgegne ich. »Wir sehen uns gleich.«
Er nickt. »Bis gleich und weich den weinenden Frauen aus.« Grinsend wendet er sich von mir ab und lässt mich allein.
Irritiert sehe ich ihm hinterher, schüttle den Kopf und gehe schließlich durch den schmalen Gang in den Hinterhof, in dem sich die Bronzestatue der Julia und ihr Balkon befinden. Der Hof ist gut besucht und ich würde auch gern ins Haus, aber eine Stunde reicht sicher nicht dafür. Ich denke, die Besichtigung werde ich auf morgen verschieben, denn ich möchte mir auch noch den Rest der Stadt ansehen. An einem oder zwei Tagen kann man gar nicht alle Sehenswürdigkeiten schaffen. Aber Natale wird mich sicher noch einmal begleiten und falls nicht, fahre ich mit einem Taxi, um meine zweite Sightseeing-Tour zu unternehmen.
An der bronzenen Statue der Julia befinden sich einige Menschen, die Fotos damit machen, während sie der unschuldigen Figur an die Brust langen. Ich weiß, dass es Glück bringen soll, halte es aber für einen befremdlichen Aberglauben. Ich hoffe nur, dass ich gleich die Möglichkeit habe, die Bronzestatue zu fotografieren, ohne dass sich die ganzen Leute darum knubbeln. Vielleicht kann ich auch jemanden fragen, ob er oder sie mich fotografieren würde, wenn ich daneben stehe, nur ohne meine Hand auf Julias Brust zu legen.
Ich lasse meinen Blick schweifen. In zahlreichen Händen sehe ich Briefumschläge, und hinter der Statue kleben einige an den Wänden. Meine Füße tragen mich weiter in den kleinen, aber verdammt gut besuchten Innenhof der Casa di Giulietta. Es ist wunderschön hier und die Atmosphäre lässt mein Herz schneller schlagen. Mir ist bewusst, dass Julia Capulet eine fiktive Figur ist, aber ich finde es schön, dass jemand diesen Ort erschaffen hat, an den Verliebte pilgern können.
Ich blicke mich nach einer ruhigen Ecke um, erkenne sie und mache mich auf den Weg dorthin. Kaum sitze ich auf dem alten Pflaster, hole ich den Collegeblock aus meiner Umhängetasche, ebenso einen Kugelschreiber.
Liebe Julia, beginne ich und hole tief Luft.
Was soll ich nur schreiben?
* * *
Ich habe ewig gebraucht, um meinen Brief an Julia zu schreiben. Ich bin froh, dass ich Briefumschläge dabei habe, auf einen davon habe ich meine Adresse geschrieben. Zudem habe ich so viel geschrieben, dass ich keinen Platz mehr auf einem einzigen Blatt hatte. Ich hoffe nur, dass die Sekretärinnen der Julia meine Handschrift entziffern können.
»Ciao, Bella.«
Irritiert hebe ich den Blick und sehe einen verdammt großen sowie unheimlich gutaussehenden Mann mit dunkelbraunen Haaren vor mir stehen, er lächelt mich an. »Hallo.«
»Turista?«
Ich nicke ihm zu, tue aber so, als würde ich kein Italienisch sprechen, denn ich kann es gerade gar nicht gebrauchen, mit einem Einheimischen zu flirten.
Sein Blick fällt auf den Briefumschlag, der vor mir auf dem Block liegt. »Stai scrivendo una lettera a Giulietta?«
»Scusa?«, frage ich, denn er hat so schnell gesprochen, dass ich kein Wort verstanden habe.
Er wiederholt es.
»Nein danke«, erwidere ich und hoffe, dass er denken wird, dass ich absolut nicht verstehe, was er von mir will.
Er setzt sich zu mir, weshalb ich meinen Kram zusammenpacke und mich erhebe.
»Arrivederci«, sage ich schnell und schiebe mich zwischen anderen Touristen und möglicherweise auch Einheimischen hindurch, um zu dem Briefkasten zu gelangen. Ich gehe das Haus ab, schließlich stehe ich vor der roten Box, die wie eine kleine Kopie der Hausfassade aussieht. Selbst der Balkon wurde daran angebracht. Ich stecke den Brief hinein, danach schaue ich zum Durchgang auf die Via Capello. Ich sehe Natale dort stehen, lasse meinen Blick noch einmal schweifen und entdecke den attraktiven Fremden, der mich angesprochen hat. Kopfschüttelnd reiße ich mich von seinem Anblick los und mache mich auf den Weg zum Sohn meiner Gastgeber.
* * *
Mit Sicherheit war das eine Touristin, aber eine verdammt hübsche. Ich hätte vielleicht Englisch mit ihr sprechen sollen, immerhin hat sie in meiner zweiten Muttersprache geantwortet, aber wir sind in Italien und ich hatte gehofft, dass sie der Sprache mächtig sein würde. Bevor ich einen richtigen Blick auf den Briefumschlag werfen konnte, hatte sie schon ihre Sachen zusammengepackt, doch habe ich mir gemerkt, welcher es war.
»Onyx?«, vernehme ich Mammas Stimme.
Ich sehe mich um und sehe sie mit dem Weidenkorb, den sie immer bei sich hat, wenn sie den Briefkasten am Haus der Julia leert. Dann stehe ich auf und gehe auf sie zu. »Hier bin ich.«
Sie dreht sich zu mir um, lächelt. »Da bist du ja. Du wolltest mir doch die Briefe bringen.«
»Ja, aber ich habe den Schlüssel vergessen.«
Mamma schnalzt mit der Zunge. »Das habe ich gemerkt, deshalb bin ich dir gefolgt.« Sie geht an den ersten Briefkasten, der wie eine Kopie des Balkons aussieht, und öffnet diesen. Nach und nach holt sie all die Briefe heraus, die von Verzweifelten oder Liebessuchenden eingeworfen wurden.
»Das sind eine Menge Briefe«, stelle ich fest.
»So wie jeden Tag«, erwidert sie seufzend. »Ich weiß gar nicht, wann wir sie alle beantworten sollen.«
»Ich könnte helfen.«
Mamma sieht mich mit einer gehobenen Augenbraue an. »Du bist der schlimmste Nicht-Romantiker, den ich kenne, Onyx, du wirst doch sicher niemandem seinen Brief beantworten können.«
»Nett«, stoße ich auf Italienisch aus, da Mamma darauf besteht, dass ich es spreche, wenn ich bei ihr in Verona bin. Gut, ich bin zweisprachig aufgewachsen, da sie damals einen Amerikaner geheiratet hat, der mein Dad ist. Ich wohne nur bei ihm, da er in der Nähe meiner Uni wohnt, doch habe ich die Chance ergriffen und ein Auslandssemester gemacht, um Mamma in den Ferien in Verona besuchen zu können. Nach meinem Studium werde ich nach Italien gehen, denn ich will nicht in den USA bleiben. Zwar fühle ich mich dort auch wohl, aber der Löwenanteil meiner Familie lebt in Verona und Umgebung, sodass ich glaube, hier besser aufgehoben zu sein.
»Wer war das Mädchen, mit dem du gesprochen hast?«, fragt sie interessiert.
»Irgendeine Touristin. Warum?«
Mamma lächelt mich an. »Du hast sie sehr interessiert angesehen, als ich an euch beiden vorbeigelaufen bin.«
»Wie lange bist du denn schon hier?«
Daraufhin deutet sie zu der Wand hinter der Bronzestatue der Julia. »Ich habe die Briefe von der Mauer abgelöst, bevor ich nach dir gerufen habe.«
»Ach so«, stoße ich aus. »Sie hat kein Wort von dem verstanden, das ich gesagt habe, glaube ich.«
»Oder sie hat dich für dumm verkauft«, hält sie dagegen. »Immerhin verhältst du dich oft wie ein Trampel.«
Ich schnaube mit einer Mischung aus Amüsement und Unzufriedenheit. »Es ist schön, wie viel du von mir hältst.«
Mamma lacht. »Ich weiß, mein Junge.« Sie schickt mir einen Kuss, danach geht sie an den anderen Briefkasten im Hauseingang.
»Soll ich wirklich nicht helfen, die Briefe zu beantworten?«
»Du kannst mir später helfen, sie zu sortieren«, erwidert sie, als sie ihn leert. Ihr Korb quillt beinahe über, aber das wundert mich nicht. Tag für Tag besuchen unglaublich viele Seelen das Haus der Julia und hinterlassen eine Nachricht, in der Hoffnung, einen Rat von ihr zu bekommen.
»Alles klar«, gebe ich zurück und lasse meinen Blick schweifen. Der Hof hat sich inzwischen geleert, doch das ist für diese Uhrzeit normal. Um sieben Uhr schließt das Haus, dann verschwinden auch die meisten Touristen.
»Lass uns gehen«, sagt sie, als sie all die Briefe hat, und kommt an meine Seite. Mamma hakt sich bei mir ein, als wir auf dem Weg zur Via Capello sind, dabei lässt sie ihren Blick schweifen. Sie kontrolliert immer, ob sie nicht vielleicht noch einen Brief in einer Mauerfuge entdeckt, den jemand dort hineingesteckt hat. »Das Mädchen«, beginnt sie.
»Was ist mit ihr?«, möchte ich wissen.
»Wer war sie?«, erkundigt sie sich.
»Ich weiß es nicht, sie hat nicht mit mir gesprochen«, erwidere ich aufrichtig.
»Warum nicht?«
Daraufhin zucke ich mit den Schultern. »Entweder hat sie kein Wort verstanden oder sie hatte keine Lust, sich mit mir zu unterhalten.«
»Was hast du denn gesagt?«
»Ich fragte sie, ob sie einen Brief an Julia schreibt«, antworte ich. »Aber sie entschuldigte sich nur, dann hat sie schon ihren Kram gepackt und war weg.«
Mamma fängt an zu lachen. »Das dürfte dir ja gar nicht gefallen haben.«
»Nicht unbedingt«, gebe ich zu und führe sie in das Sekretariat des Clubs di Giulietta.
Ein ganzer Haufen Männer und Frauen sitzt verteilt an Schreibtischen, sie schreiben fleißig, haben Briefe der letzten Tage vor sich liegen und beantworten die zahlreichen Fragen der Verschmähten, Liebenden oder Unglücklichen. Ich frage mich immer wieder, wie Mamma es hinbekommt, sie so liebevoll zu beantworten. Sie kümmert sich sowohl um englische als auch italienische Briefe, während ihre Kolleginnen für andere Sprachen zuständig sind.
»Hilfst du mir, die Briefe zu sotieren?«, fragt sie.
»Sicher.« Ich gehe zu ihr, setze mich vor sie an ihren Schreibtisch und greife in den Korb. »Soll ich sie wieder nach Sprachen stapeln?«
Mamma nickt mir zu, greift ebenfalls nach einigen Briefen und fängt an, die Briefumschläge zu öffnen. »Wir sortieren sie wie gestern.«
»Geht klar.« Ich mache das erste Kuvert auf, hole den Brief hervor und werfe einen Blick darauf. Französisch. Ich stecke ihn zurück in den Umschlag, anschließend lege ich ihn auf den Zettel, auf dem dick Französisch steht. Dann mache ich weiter.
* * *
Mamma erhebt sich. »Ich verteile schon mal die ersten Stapel.«
»Alles klar.« Indes sortiere ich weitere Schreiben mit Bitten um Ratschläge an Julia. Ich lese sie nicht, dafür sind sie zu intim, aber es gibt eine Person, deren Brief mich wirklich interessiert.
Was wollte die Kleine von Julia erbitten oder ihr mitteilen?
Ich habe ihn nicht unter jenen gesehen, die Mamma sortiert hat, weshalb ich die Augen offenhalte. Vielleicht fällt er mir ja noch in die Hände.
Als ich das nächste Mal einen Stoß Briefe aus dem Korb hole, fällt mir der cremefarbene Umschlag der bildschönen Fremden auf. Sie hat sogar ihre Adresse darauf geschrieben.
Raelyn Bristol.
Ein außergewöhnlicher Name, doch den habe ich auch. Ich weiß nicht, was Eltern sich dabei denken, ihre Kinder so zu benennen, wie meine mich benannt haben, doch einen Preis gewinnen sie damit sicher nicht. Meine Schwester heißt Jewel, es fehlen eigentlich nur noch ein Emerald, eine Ruby und ein Diamond, dann wären wir wohl das wertvolle Quintett, aber nein, wir sind bloß ein Duo. Jewel ist zwei Jahre jünger als ich, sie studiert an der University of Miami, während ich es nach Stanford geschafft habe. Mein Auslandssemester habe ich in Florenz verbracht, an den Wochenenden fuhr ich immer zu Mamma und da jetzt Sommerferien sind, habe ich mich dazu entschlossen, die Wochen bei ihr zu verbringen, bevor ich nach Kalifornien zurückkehre.
Kopfschüttelnd vertreibe ich den Gedanken an meine Pläne und werfe noch einen Blick auf den Brief, danach schaue ich mich um. Niemand sieht her. Kurzerhand falte ich den Umschlag und stecke ihn in meine Hosentasche. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, aber ich will wissen, warum sie vorhin so traurig dreingeschaut hat, außerdem war sie wunderschön und vielleicht habe ich ja die Chance, dass sie mir antwortet, wenn ich ihr schreibe.
Womöglich könnte ich sie so ein wenig kennenlernen.
»Da bin ich wieder«, verkündet Mamma, während ich die übrigen Briefe sortiere.
»Sehe ich«, entgegne ich und schaue sie an. »Wollen wir gleich essen gehen?«
Sie neigt den Kopf, sieht mich nachdenklich an. »Wo möchtest du denn essen?«
»Vielleicht bei Marco oder bei Lorenzo«, schlage ich vor.
Daraufhin schnalzt sie mit der Zunge. »Lass uns bei Nonna essen, sie erwartet uns sicher.«
»Na gut«, gebe ich mich geschlagen und um ehrlich zu sein, ist Nonnas Essen sowieso das Beste, das man bekommen kann. Meine Großmutter macht restlos alles selbst, obwohl sie das meiste auch fertig kaufen könnte, aber nein, abgepackte Nudeln, geschweige denn eine Dose Pizzatomaten oder so etwas kommen ihr nicht ins Haus. Als ich mal einkaufen musste und derlei abgepackte Lebensmittel mitgebracht habe, musste Mamma sie davon abhalten, mir die Sachen hinterherzuwerfen. Tja, das Temperament einer Italienerin darf man eben nicht unterschätzen, dummerweise hatte ich genau das getan.
»Wir sollten uns auf den Heimweg machen. Es ist spät geworden«, sagt Mamma schließlich.
»Geht klar.« Ich lege die restlichen Briefe zurück in den Korb, dann erhebe ich mich.
»Zum Glück haben wir es nicht weit«, meint sie, als ich auf meine Armbanduhr schaue.
»Ich hoffe nur, dass Nonna uns jetzt nicht zwingt, noch etwas Schweres zu essen«, erwidere ich, da es bereits zehn Uhr ist. Sobald wir zu Hause sind, werde ich mich in mein Zimmer zurückziehen und Raelyns Brief lesen.
Und hoffentlich fällt mir eine passende Antwort ein.
Nachdem ich Mamma in ihre Strickjacke geholfen habe, ziehe ich meinen Hoodie über und gehe an ihre Seite. Wir verlassen die Räume des Clubs di Giulietta und sie schließt die Türen ab, anschließend machen wir uns auf den Heimweg.
Verona ist eine wunderschöne Stadt, hier wurde meine Mutter geboren und wir haben einige Sommerferien bei ihrer Familie verbracht, während Dad immerzu arbeiten musste – oder wollte. Es war Mamma, die Jewel und mir die Welt gezeigt hat, doch nachdem sich meine Eltern vor drei Jahren getrennt haben, ist sie wieder hergekommen. Jewel und ich sind in Amerika geblieben, da wir beide weder die Schule noch die Uni wechseln wollten, um anderswo bei null anzufangen. Es hätte meiner Schwester auch nicht gutgetan, da sie sich immer schwer damit getan hat, neue Leute kennenzulernen oder Freundschaften zu schließen. Ich hatte noch nie Probleme damit, wollte aber nicht aus meiner gewohnten Umgebung gerissen werden, denn ich hatte damals die Zusage der Stanford. Wenn ich zurückkehre, starte ich ins fünfte Semester Geschichte und ins dritte Philosophie-Semester. Ich habe mich erst später für den zweiten Studiengang entschieden, denn ich bin mir sicher, dass ich mit den beiden Fächern etwas reißen werde. Aber in drei Jahren werde ich zu meiner Mutter nach Italien gehen, denn hier habe ich mehr Anschluss an die Familie, da jene väterlicherseits sehr überschaubar ist. Mein Vater ist Einzelkind, seine Eltern haben auch keine Geschwister und entsprechend habe ich neben ihm bloß meine Großeltern in Amerika. Aber Mammas Familie sorgt dafür, dass jeder Raum aus allen Nähten platzt, weil sie so verdammt groß ist. Sie hat sieben Geschwister, ich habe achtundzwanzig Cousins und Cousinen, die allerdings jünger als ich sind, da Mamma das älteste Kind meiner Nonna ist. Ich glaube, wenn wir alle zusammen an einen Tisch kommen, sind wir gut fünfzig Personen – so einen Esstisch muss man erst mal bauen.
»Ist es hier nicht wunderschön?«, unterbricht Mamma meine Gedanken.
»Das fragst du mich jeden Abend«, merke ich amüsiert an.
»Und jeden Abend sagst du, dass ich recht habe«, hält sie schmunzelnd dagegen.
»Dann muss ich es ja heute nicht sagen«, kontere ich lachend.
»Na schön, dann eben nicht.«
Ich schaue vor uns und lasse gelegentlich meinen Blick durch die Straße schweifen. Besonders weit haben wir es nicht, aber wir machen aus unserem Heimweg immer einen kleinen Spaziergang.
* * *
Als wir zu Hause hereinkommen, liegt das Haus in der Dunkelheit. »Nonna schläft sicher schon«, sagt Mamma.
»Glaube ich auch.« Ich helfe ihr aus der Strickjacke, die ich anschließend an die Garderobe hänge. Ich drehe mich zu ihr um. »Hast du Hunger?«
»Oh ja«, antwortet sie. »Wollen wir nachschauen, was Nonna gekocht hat?«
Ich nicke ihr zu, dann gehen wir gemeinsam in die Küche. Meine Mutter ist Ende vierzig und hat noch kein einziges graues Haar. Ihre Haare erstrahlen immer noch im satten Dunkelbraun, in dem auch meine erstrahlen. Sie ist sportlich und wirklich hübsch, weshalb es mich wundert, dass sie immer noch Single ist. »Triffst du eigentlich irgendjemanden?«, erkundige ich mich, als wir in der Küche sind und sie in die Töpfe auf dem Herd schaut.
Meine Mutter erstarrt, ihr fällt sogar der Topfdeckel aus der Hand, dann hebt sie langsam den Kopf. Genauso langsam dreht sie sich zu mir um. »Wie bitte?«
»Na, ob du irgendjemanden triffst … Einen Mann«, wiederhole ich.
Daraufhin seufzt sie. »Nein, ich treffe niemanden. Wann auch? Ich bin so eingebunden mit meiner Arbeit und dem ehrenamtlichen Schreiben der Briefe, dass ich gar keine Zeit für einen Mann habe.«
Meine Augenbraue gleitet in die Höhe. »Dann hör doch auf, die Briefe zu schreiben.«
Mamma zeigt mir ein Kopfschütteln. »Nein, es macht mir viel zu großen Spaß, außerdem helfen meine Briefe den Leuten, die sie empfangen.«
Ich seufze schwer. »Das heißt, du willst für den Rest deines Lebens Single bleiben?«
»Nein, das heißt es nicht, Onyx, aber im Moment sehe ich keinen Platz für einen Mann an meiner Seite. Ich habe doch alles, was ich mir wünschen kann.«
Nun ziehe ich auch die zweite Augenbraue in die Höhe. »Du lebst bei Nonna.«
»Ja, aber meine Familie ist in der Nähe, du bist bei mir und ich habe Spaß an meinen Jobs. Ich genieße, wie es läuft«, entgegnet sie, wendet sich abermals dem Herd zu und holt Teller aus dem Schrank. »Nonna hat Zitti alla genovese gemacht«, sagt sie. »Möchtest du etwas davon?«
»Unbedingt«, erwidere ich und gehe an Mammas Seite. »Irgendwann finde ich noch heraus, warum du lieber Single als vergeben bist.«
Sie lacht auf. »Ich bezweifle es.«
»Vielleicht nicht bei diesem Aufenthalt, aber ich bin mir sicher, dass ich es beim nächsten oder übernächsten hinbekomme«, halte ich grinsend dagegen.
Mamma tätschelt meine Schulter. »Warten wir es ab.«
»Na schön«, gebe ich mich geschlagen.
* * *
Ich sitze endlich im Flugzeug, denn leider muss ich diesem wunderschönen Land nun Arrivederci sagen. Ich weiß, dass die Stanford auch Außenstellen in der ganzen Welt hat, eine davon ist sogar in Florenz, weshalb ich darauf hoffe, für ein Auslandssemester zurückkommen zu können. Aber jetzt kann ich es kaum erwarten, in Kalifornien zu landen und meine Familie wiederzusehen.
Ich habe einen Fensterplatz und schaue aufs Rollfeld, während andere Passagiere noch einsteigen. Ich freue mich wirklich auf zu Hause und darauf, Dad und meine Schwestern wiederzusehen, denn ich habe die drei viel zu lange vermisst. Ich hoffe, ihnen gefallen die Souvenirs, die ich für sie gekauft habe, auch wenn es keine großartigen Sachen sind.
Vielleicht ist ja auch schon eine Antwort des Clubs di Giulietta zu Hause angekommen, denn ich kann es kaum erwarten, ihren Ratschlag zu lesen. Vielleicht haben sie einen Tipp für mich, wie ich Dante zurückgewinnen kann, möglicherweise auch nicht, aber ich bin mir sicher, dass sie dann einen anderen Rat für mich haben. Einerseits bin ich wehmütig, weil ich zurück nach Kalifornien fliege, andererseits kann ich es kaum erwarten, meine Familie und meine beste Freundin wiederzusehen.
Seufzend schnalle ich mich an, damit ich es gleich nicht mehr erledigen muss, und lehne mich zurück, dann schließe ich die Augen.
Amerika?
Ich komme.
* * *
Der Flieger ist in San Francisco gelandet, ich habe mein Gepäck und bin auf dem Weg nach draußen. Dad weiß, wann ich ankomme, und zu meiner Überraschung hatte der Flug auch keine Verspätung, sodass er sich nicht die Beine in den Bauch stehen muss. Zwar freue ich mich nicht darauf, gleich noch eine gute Stunde im Auto zu sitzen, nachdem ich einen Transatlantikflug hinter mir habe, aber ich kann es kaum erwarten, wieder in meinem Bett zu schlafen.
Als ich aus dem Gate komme, lasse ich meinen Blick schweifen und verziehe meine Lippen zu einem Lächeln, da ich meinen Vater und meine Schwestern sehe. Ich beschleunige meine Schritte, eile mit dem großen Trolley auf sie zu und muss lachen, als ich das Schild mit meinem Namen sehe. »Dachtet ihr, dass ich euch nicht mehr erkenne?«, frage ich amüsiert, als ich vor ihnen stehe.
»Nein, wir dachten, dass wir dich nicht mehr erkennen«, kontert Everlee, meine jüngere Schwester, grinsend.
Ich lasse den Trolley los, sehe meinen Vater an und mein Lachen vermischt sich mit den Tränen der Wiedersehensfreude. Ich falle ihm um den Hals. »Hey, Dad.«
»Hey, meine Große. Schön, dass du wieder zu Hause bist«, raunt er mir ins Haar, denn Dad überragt mich um einige Zentimeter, doch das hat mir immer das Gefühl gegeben, dass mir in seinen Armen nichts passieren kann.
Zitternd löse ich mich von ihm und wische die Tränen von meinen Wangen. »Sorry.«
Er lächelt mich an. »Schon gut.«
Danach umarme ich Blakely, die Jüngste von uns dreien, sie ist fünfzehn. »Hey, Große.«
»Hey, kleine Hexe«, erwidere ich und drücke sie fest an mich. »Wie geht’s dir?«
»Gut, da du wieder da bist. Jetzt muss ich mich nicht mehr nur mit Everlee streiten«, antwortet sie, womit sie mich zum Lachen bringt.
Nachdem ich mich von ihr gelöst habe, schließe ich auch Everlee in meine Arme. »Ich bin froh, dass du mitgekommen bist.«
»Ich konnte dich doch nicht nur von den beiden in Empfang nehmen lassen«, entgegnet sie leise und streichelt meinen Rücken. »Bin froh, dass du wieder da bist.«
»Ich auch.« Ich gebe sie frei und sehe meine Familie erwartungsvoll an. »Fahren wir nach Hause?«
Dad nickt mir zu und nimmt mir den Trolley ab. »Deine Grandma fragte, ob wir morgen zum Essen kommen, allerdings muss ich arbeiten. Aber du kannst mit deinen Schwestern zu euren Großeltern fahren, oder?«
Ich schaue zu ihm hoch. »Wenn der Jetlag mir nicht in den Arsch tritt, werde ich das tun, aber mir wär’s lieber, wenn wir das Essen aufs Wochenende oder deinen nächsten freien Tag verschieben, bis dahin habe ich auch die Fotos sortiert.«
»In Ordnung, ich rufe sie gleich an und verschiebe das Familienessen. Am Samstag könnte ich auch dabei sein.«
»Super«, erwidere ich und bin erleichtert, dass ich nicht nur mit meinen Schwestern zu meinen Großeltern fahren muss, denn die beiden sind wirklich Streithähne, wie sie im Buche stehen. Und ich kann meistens nicht zwischen ihnen vermitteln. Aber ich hoffe, dass das letzte Jahr dafür gesorgt hat, dass sie sich dahingehend ein wenig geändert haben, weil ich echt keine Lust darauf habe, wieder täglich Streitgespräche mitanzuhören. Die beiden ziehen mich ständig mit rein und das ist etwas, worauf ich ganz gut verzichten kann.
»Lasst uns nach Hause fahren«, sagt Dad und legt seine Hand auf meinen Rücken. Meine Schwestern flankieren uns, als wir uns auf den Weg zum Ausgang machen.
* * *
Wir waren kaum zu Hause und haben gegessen, da schlug der Jetlag zu. Ich war hundemüde ins Bett gefallen, weshalb ich den Zeitzonenwechsel wieder einmal verflucht habe, und nun bin ich seit vier Uhr heute Morgen wach. Dad ist gegen fünf aufgestanden, da er Frühdienst hat, und wir haben miteinander gefrühstückt, dabei habe ich ihm von den letzten Tagen in Verona erzählt.
Jetzt sitze ich im Wohnzimmer, sehe fern und lasse mich von einer Talkshow berieseln, in der es wieder einmal darum geht, wer wen mit wem betrogen hat und wer überhaupt der gottverdammte Vater des Kindes ist. Es ist unglaublich, wie viele Frauen ihren Partnern fremdgehen, dabei heißt es immer, dass Männer Schweine wären. Aber nein, es gibt auch genug Frauen, die absolute Miststücke sind.
»Die Post ist da!«, ruft Everlee und kommt mit einem Stapel Briefe zur Couch. Sie fängt an, die Umschläge durchzusehen, doch mir fällt ein rosafarbener ins Auge.
»Ist etwas für mich dabei?«, erkundige ich mich.
»Ja, Moment.« Sie zieht wirklich den rosanen Kuvert heraus und reicht ihn mir. »Was ist das?«
»Das werde ich jetzt in Erfahrung bringen«, erwidere ich grinsend.
Endlich habe ich Zeit, den Brief von Raelyn zu lesen. Es war eine Kunst, Mamma loszuwerden, denn sie ist total aufgedreht und läuft immer noch durch das Haus meiner Nonna.
Ich bin in meinem Zimmer, sitze am Schreibtisch und habe den Briefumschlag vor mir liegen.
Soll ich es wirklich wagen?
Dieses Mädchen hat mich furchtbar neugierig gemacht, wie sie in der Ecke saß, ihren Block auf dem Schoß hatte und gedankenverloren über die Touristen hinwegsah. Bei der Erinnerung an sie muss ich lächeln.
Ich wage es.
Vorsichtig öffne ich den Briefumschlag und atme tief durch, als ich einen mehrseitigen Brief heraushole. Es wundert mich, dass so eine junge Frau, so viel schreibt. Die meisten schreiben bloß eine Seite, manchmal eine halbe und oftmals auch nur Notizzettel.
Ich hole tief Luft und bin gespannt, was ich lesen werde. Als ich den Brief entfalte, fällt mir sofort ihre unwahrscheinlich schöne Handschrift auf. Als hätte sie Spaß an Kalligraphie, der der Kugelschreiber nicht gerecht werden kann, den sie verwendet hat.
Liebe Julia,
Es ist schon verrückt, einer fiktiven Figur zu schreiben, nicht wahr?
Ich weiß auch gar nicht, was ich sagen soll, außer dass ich einen Rat brauche. Auch mir wurde das Herz gebrochen und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin neunzehn und habe ein Jahr in Italien verbracht, doch vor meinem Aufbruch hat mein Freund mit mir schlussgemacht. Er wollte nicht, dass ich diese Reise unternehme, weil er der Meinung war, dass ich auf ihn zu hören habe. Er hat mir unterstellt, ihn auf dieser Selbstfindungsreise betrügen zu wollen, dabei habe ich ihn abgöttisch geliebt und empfinde immer noch viel für ihn. Und jetzt weiß ich nicht, ob ich nach meiner Rückkehr zu ihm gehen soll oder nicht. Kannst du mir helfen? Wir waren zwei Jahre zusammen, kennengelernt haben wir uns auf der Party nach seiner Abschlussfeier, da eine Freundin von mir ebenfalls ihren Abschluss gemacht hatte. Sie stellte mich ihm vor und um mich war es sofort geschehen. Wir trafen uns oft, mit ihm erlebte ich so viele schöne Dinge, doch veränderte er sich. Ich habe das Gefühl, als wollte er mir zuletzt mein Leben vorschreiben. Er verlangte sogar, dass ich mich an der Uni bewerbe, an der er studiert, doch ich wollte viel lieber nach Stanford. Aus dem Grund hat er sich auch nicht mit mir über das Stipendium gefreut, das ich bekommen habe. Ich bin hin und her gerissen.
Soll ich es noch einmal wagen oder nicht?
Soll ich ihm sagen, dass ich dummerweise immer noch Gefühle für ihn habe?
Er war meine erste große Liebe und es tut weh, ihn nicht mehr an meiner Seite zu haben.
Ich weiß gar nicht, warum ich das alles erzähle, wenn andere bloß einen Rat von dir wollen, Julia. Und ich halte mich für verrückt, weil ich immer noch einer fiktiven Figur schreibe, ihr mein Herz ausschütte und mir im Namen dieser geantwortet wird.
Meine Mundwinkel zucken. Sie holt wirklich weit aus, statt sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Vielleicht hatte sie in der Highschool kreatives Schreiben oder so, keine Ahnung, aber es ist interessant, dass sie ebenfalls in Stanford studieren wird. Es besteht also die Chance, sie wiederzusehen und kennenzulernen.
Lächelnd lese ich weiter …
Ich hätte so viel, worüber ich sprechen möchte, denn ich weiß nicht, wem ich mich anvertrauen soll. Meine Gastgeber stehen mir nicht nah genug, meine Schwestern sind nicht verschwiegen genug und mein Vater arbeitet ständig. Freunde? Es fiel mir immer schwer, Freunde zu finden, deshalb habe ich nur eine gute Freundin, die allerdings zigtausend Meilen weit entfernt studiert. Und sie will ich mit meinen »kleinen Problemen« nicht belästigen, wenn wir uns mal in den Ferien sehen.
Bevor ich das Wesentliche aus den Augen verliere, wäre es toll, wenn du mir einen Rat gibst, ob ich versuchen soll, ihn zurückzugewinnen oder nicht.