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Wynn erstarrte, als er die schattenhafte Gestalt erblickte. Das Gesicht des Fremden konnte er nicht erkennen, dafür aber die beiden grauschwarzen Schwingen, die aus seinem Rücken wuchsen.
"Es ist Zeit, das Urteil zu vollstrecken", drang es blechern aus dem Mund der geflügelten Gestalt.
"Das Urteil des Richters?", fragte Wynn. "Wo ist er?"
"In uns allen, Wynn Blakeston. In jedem von uns. In jedem Menschen und in jedem Dämon. Es wird Zeit für dich, den Urteilsspruch zu akzeptieren."
Unwillkürlich ging ein Ruck durch die Gestalt, und Wynn erkannte, dass der Fremde etwas in der linken Hand hielt.
"Wir sind die Henker - und das ist euer Urteil!", rief das Wesen ...
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Seitenzahl: 153
Cover
Impressum
Was bisher geschah
Die Henker
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
»Geisterjäger«, »John Sinclair« und »Geisterjäger John Sinclair« sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Timo Wuerz
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4629-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Johnny Conolly hat seine Mutter verloren. Sie wurde von einem Dämon brutal ermordet. Als dieser Dämon durch ein Dimensionstor flieht, folgt Johnny ihm.
Kurz darauf wird das Tor für immer zerstört, sodass es für Johnny keine Möglichkeit zur Rückkehr gibt. Das Dimensionstor spuckt ihn schließlich wieder aus – in einer anderen Welt. Er ist in Dark Land gelandet, genauer gesagt in Twilight City, einer Stadt voller Geheimnisse – und voller Gefahren.
Die Fährte des Mörders führt ihn in einen Nachtclub, wo er mit der Polizei aneinandergerät.
Er wird abgeführt und zu einer Geldstrafe verurteilt – die er allerdings mangels hiesiger Mittel nicht begleichen kann. Daraufhin wird aus dem Bußgeld eine Haftstrafe: Fünfzig Jahre soll er einsitzen!
Er ist schon fast auf dem Weg ins Gefängnis, als ihn ein Polizist aus dem Transporter holt, um ihn woanders hinzubringen. Wohin und warum, das verrät ihm der unheimliche Panthermann nicht.
Auf dem Weg zu dem unbekannten Ziel kommt es zu einem Unfall. Und zwar zu einem, der absichtlich verursacht wird!
Wynn Blakeston, wie Johnny sich in dieser Welt inzwischen nennt – für den Fall, dass irgendjemand in Twilight City mit seinem Namen John Gerald William Conolly etwas anfangen kann und ihm möglicherweise Übles will –, hat gesehen, wie der andere Wagen auf sie zusteuerte. Allein am direkten Kurs des Fahrzeugs war zu erkennen, dass der Fahrer sie rammen wollte – aber mehr noch hat es sein Gesicht verraten, das Wynn in seinem letzten wachen Augenblick ganz deutlich gesehen hat: das Gesicht nicht irgendeines Dämons, sondern eines Schnabeldämons – und nicht irgendeines Schnabeldämons, sondern das Gesicht des Mörders seiner Mutter!
Als er nach dem Unfall erwacht, findet er sich in der Villa von Sir Roger Baldwin-Fitzroy wieder, in der auch dessen Tochter Abby und der dämonische Diener Esrath, ein sogenannter Naturalis, leben.
Sir Roger hat Wynn aus dem Gefängnis freigekauft – warum, das weiß Wynn nicht.
Doch im Moment ist auch etwas anderes für ihn wichtiger: Er will Rache am Mörder seiner Mutter!
Zusammen mit Abby begibt er sich auf die Suche nach dem Schnabeldämon. Inzwischen hat er rausgefunden, dass dieser Norek heißt und skrupelloser und gefährlicher ist als alle seine Artgenossen.
Auch Sir Roger und Esrath sind auf der Suche nach Norek, denn Sir Roger hat noch eine Rechnung mit dem Dämon offen.
Als es Sir Roger schließlich gelingt, Norek zu schnappen, verrät er Wynn davon nichts. Er sperrt Norek in eine Zelle tief verborgen in der geheimnisvollen Villa, wo niemand ihn jemals finden soll.
Denn Sir Roger weiß: Wenn Wynn zu seiner Rache an Norek kommt, gibt es keinen Grund mehr für ihn, in Twilight City zu bleiben. Er wird einen Weg zurück in seine Welt suchen, und das will Sir Roger um jeden Preis verhindern. Er braucht Wynn noch …
Die Henker
von Rafael Marques
In dem alten U-Bahn-Schacht herrschte fast vollkommene Dunkelheit. Nur ein kleiner Lichtstreifen sickerte von weither an diesen düsteren Ort. Ein Mensch hätte hier schon längst die Orientierung verloren. Doch die Gestalt, die einsam durch die Finsternis schlich, war kein Mensch …
Rakk, der Echsendämon, sah alles. Auch den rissigen, verdreckten Beton, der wie durch ein Wunder noch immer die Decke des Schachts hielt. Über das Gleisbett, an dem sich der Dienstleister vorbeibewegte, war schon lange kein Zug mehr gefahren. Vor etwa fünfzig Jahren hatte man die Routen der U-Bahn nach einem tragischen Unglück modernisiert und effizienter gemacht. Was nicht hieß, dass die Unterwelt Twilight Citys nicht immer noch einem verwinkelten Labyrinth glich. Nicht einmal Rakk kannte all ihre Facetten.
Der alte Schacht, durch den er gerade lief, war nicht nur den damaligen Umbaumaßnahmen zum Opfer gefallen. Er war eigentlich der Auslöser für diese gewaltige Aktion gewesen. Man hatte ihn sogar zum Teil zugemauert.
Rakk war durch eine Lücke in den Ziegeln geschlüpft. Er wusste auch, dass es noch andere Zugänge zu dem etwa zehn Meilen langen Tunnel gab. Unter Twilight City erstreckte sich ein quasi undurchsichtiger Dschungel an Schächten. Über die Jahrhunderte waren sicherlich Hunderte dieser Dead Ends, wie das Gesindel, das sich hier herumtrieb, sie nannte, entstanden.
Noch war er allein. Zumindest hielt sich in seiner unmittelbaren Umgebung niemand auf. Seine Nase hätte längst die Gerüche eines Fremden aufgenommen.
Der Dienstleister ging auch nicht davon aus, vielen Menschen oder Dämonen zu begegnen. Die meisten von ihnen mieden diesen Tunnel. Manche fürchteten sich sogar vor dem, was er verbarg.
Die Decke des Tunnels lag weit über ihm. Mit seinen geschärften Sinnen nahm er die schweren, verdreckten Spinnweben wahr. Die Tiere, die sie geschaffen hatten, gab es allerdings nicht mehr.
Rakk trug sein übliches Outfit – einen dunkelgrauen Anzug, Krawatte und Hemd, dazu noch schwarze Lederschuhe und einen Hut mit halblanger Krempe. In seiner rechten Hand hielt er den großkalibrigen Revolver. Sicher war sicher. Nur auf eine Zigarette verzichtete er.
Sein Urlaub war vorbei. Seit seinem Kampf mit den Jägern und dem Schiff der Toten war einige Zeit vergangen. Zeit, die er genutzt hatte, um zu seinen Ursprüngen zurückzukehren. Die Dämonen seiner Art nannten sie die Bajous. Es handelte sich um tief unter der Erde liegende, urzeitliche Sümpfe, in denen nur Echsen wie er überleben konnten. Mehrere Wochen hatte er dort die Hitze, die Atmosphäre und die Magie genossen, die sich an diesem Ort geballt hatten.
Irgendwann hatte er genug gehabt. Er musste einfach wieder an die Oberfläche und seiner Arbeit nachgehen. Die Anfragen nach seinen Diensten hatten sich zwar nicht unbedingt gestapelt, aber man hatte ihn auch nicht vergessen.
Da hatte ihn eine Nachricht erreicht. Eine Puppe – nur ein Bote – hatte ihm einen Umschlag übergeben. Auf dem Zettel, der darin gesteckt hatte, hatten nur zwei Worte und eine Zahl gestanden: Dead End. 13.
Die Zahl stand für die Uhrzeit. Für Rakk war sie aber nicht so interessant gewesen. An den Ausdruck hatte er sich sofort erinnert. Jemand, der einmal ein nicht unwesentlicher Teil seines Lebens gewesen war, hatte diesen Ausdruck immer wieder gebraucht, wenn er an diesen Ort gedacht hatte, an dem er sich gerade aufhielt. Aber das lag so lange zurück. Er hatte gehofft, nie wieder von diesem Mann zu hören. Um seiner Willen.
Die Steine raschelten leise unter den Sohlen, während Rakk am Gleisbett entlangschritt. Der Dämon nahm das Geräusch hin. Ein wenig wollte er auch, dass er gehört wurde. Wenn sich doch ein Dritter in dem Tunnel aufhielt, hatte er immer noch seinen Revolver.
Der Schacht machte etwa fünfzig Meter vor ihm einen Knick nach rechts. Mittlerweile lief er durch vollkommene Dunkelheit. Das wenige Licht, das durch die Maueröffnung geflossen war, hatte ihn nur ein kurzes Stück begleitet.
Langsam veränderte sich die Atmosphäre. Rakks Schuppen zogen sich enger zusammen. Obwohl er es niemals zugegeben hätte, beschlich auch ihn ein unbehagliches Gefühl. Weniger aufgrund der vorherrschenden Kälte, die viele mit der Aura des Todes verglichen. Vielmehr waren es die Erinnerungen an vergangene Zeiten.
Seine Finger krampften sich um den Revolver. Er mochte noch so abgebrüht sein, aber die damaligen Ereignisse waren auch an ihm nicht einfach abgeprallt.
Noch wenige Schritte, dann hatte er die Biegung erreicht. Ein Schauer lief über Rakks Rücken, während sich vor ihm ein schauriger Anblick auftat. Wenige Hundert Meter vor ihm türmten sich gut ein halbes Dutzend Waggons zu einer haushohen Pyramide aus Stahl und Holz auf. Die Reste eines Zugunglücks, das vor fünfzig Jahren über dreihundert Leben gekostet hatte!
***
Rakk erinnerte sich an den Anblick, als wäre es erst gestern gewesen. Tote, wohin das Auge reichte. Furchtbar zugerichtete Körper, die teils aus den zerstörten Fenstern hingen und teils auf den Gleisen lagen. Gebrochene Blicke, abgerissene Gliedmaßen und teils im Zersetzungsprozess befindliche Dämonen. Das waren jene gewesen, die Glück gehabt hatten. Viele andere waren in den Resten des Zugs eingequetscht worden. Ihr Wehklagen hatte einige der härtesten Männer der Twilight City Police zum Weinen gebracht.
Sie hatten damals alles in ihrer Macht Stehende getan, aber beinahe jeder der schwer verletzten Überlebenden war noch am Unfallort verstorben. Zwei Menschen und ein Vampir hatten es jedoch tatsächlich geschafft. Der Blutsauger hatte einen Arm verloren. Einige Wochen später hatte er Selbstmord begangen. Die zweite Überlebende war eine junge Menschenfrau gewesen, die jedoch nie mehr aus dem Koma erwacht war, in das die Ärzte sie versetzt hatten.
Und dann hatte es da noch ein Baby gegeben. Zunächst war es noch als Wunder gefeiert worden, dass man es völlig unverletzt aus dem Wrack gezogen hatte. Später aber hatten TES-Reporter herausgefunden, dass sein Vater für mehrere Morde – unter anderem auch an seiner Frau – verantwortlich und auf der Flucht gewesen war. Da war das öffentliche Interesse an dem Kind erloschen.
Schließlich war Dylan Fairbanks in einem heruntergekommenen Heim in Red Chapel aufgewachsen. Zumindest die ersten zwölf Jahre seines Lebens. Eines Tages hatte ihn Rakk in einer Bar wiedergetroffen. Dylan hatte ihn natürlich nicht erkannt und sich sehr abweisend gezeigt, doch der Dämon hatte so leicht nicht aufgegeben. Irgendwann war es ihm gelungen, Dylan ein besseres Zuhause zu verschaffen.
Trotzdem war dieser als Erwachsener auf die schiefe Bahn geraten. Erst nur als Kleinkrimineller, später war er dann zum Auftragsmörder einer Hafengang aufgestiegen. Bis er eines Tages ein weiteres Mal auf Rakk getroffen war – er hatte ihn töten sollen! Damals war der Dämon längst nicht mehr bei der Polizei beschäftigt gewesen, sondern schon als Dienstleister tätig. Sie hatten bereits die Pistolen aufeinander gerichtet, als sie sich wiedererkannt hatten. Da hatte Rakk Dylan noch einen letzten Gefallen getan. Er hatte die Hafengang beseitigt und seinem alten Freund den Weg zu einem neuen Leben eröffnet. Seitdem hatte er nie wieder etwas von ihm gehört.
Bis zu diesem Tag. Innerlich fragte er sich immer wieder, wie es Dylan in den letzten zwanzig Jahren ergangen war. Ja, Rakk war ein Dämon, aber er verspürte auch Emotionen. Gerade bei einer Person, mit der er so viele Erinnerungen verband. Ein wenig ahnte er, dass ihr Treffpunkt ein Zeichen war – dafür, dass Dylan seine Vergangenheit nie wirklich hinter sich gelassen hatte.
Da es zu viele Mühen gekostet hätte, hatten die Behörden vor fünfzig Jahren entschieden, die Waggons – nachdem man die Leichen weggeschafft und die Seelenzehrer ihre feinstofflichen Überreste eingefangen hatten – einfach so an Ort und Stelle zu belassen und die Zugänge allesamt zuzumauern.
An den Wänden waren noch immer Spuren davon zu erkennen, mit welcher Wucht der Zug entgleist war. Einige Waggons hatten tiefe, dunkle Löcher in das Gestein und den Beton gerissen. Groß genug, dass sich auch Menschen darin verstecken konnten.
Zwischen den entgleisten Waggons gab es ebenfalls einige Lücken, sodass man mühelos auf die andere Seite gelangen konnte. Rakk hatte kein Interesse daran. Er wartete auf seinen alten Freund.
Es begann mit einem Geruch. Der Dämon nahm den Duft eines Menschen wahr, wahrscheinlich den eines Mannes. Kurz darauf erklang ein lautes Zischen. Etwas flog aus einem der Waggons hervor, der etwas in die Höhe ragte. Es war eine Leuchtfackel, der bald eine zweite folgte.
Wenige Momente später erschien an der Öffnung des bei dem Aufprall auseinandergebrochenen Waggons eine Gestalt. Es war ein gut fünfzig Jahre alter Mann mit gewelltem, graubraunem Haar, der fast vollständig in einen langen Ledermantel aus dunklem Stoff gehüllt war. Seine Hände drückte er gegen die Innenwände des Waggons.
»Dylan«, sagte Rakk nur.
***
Dylan Fairbanks starrte ihn mit ernster Miene an. Seine Haut war längst nicht mehr so glatt wie früher. Tiefe Falten hatten sich in seine Wangen gegraben. Dennoch sah Rakk in seinen Augen noch immer das besondere Funkeln, das ihn auch damals schon ausgezeichnet hatte. Er war ein Kämpfer gewesen, und das hatte sich bis heute nicht geändert.
Plötzlich stieß sich Dylan ab und sprang auf das Gleisbett hinab. Kurz stützte er sich ab, dann richtete er sich wieder auf. »Du hast unseren Ort nicht vergessen«, sagte er mit rauer Stimme.
»Wie könnte ich das? Oder dich …«
Dylan atmete tief durch. Dabei senkte er den Blick leicht, sodass er Rakk nicht mehr in die Augen sah. »Es ist viel passiert«, erklärte er. »Leider nicht viel Gutes. Ich hätte damals nicht weggehen sollen. Du bist der Einzige, der mir jemals etwas Gutes getan hat. Wir hätten irgendwas … ich weiß auch nicht. Weißt du …«, begann er und lächelte schmal, »auch wenn wir uns nur so selten gesehen haben, warst du immer wie ein Vater für mich.«
»Ich weiß«, erwiderte Rakk leise.
»Es ist alles schiefgelaufen. Am Ende habe ich wieder das getan, was ich am besten konnte. Zumindest bis vor einem Jahr. Da habe ich Susan kennengelernt. Sie hat mich dazu gebracht, endlich einen Schlussstrich zu ziehen. Aber selbst das ist in die Hose gegangen.«
»Was meinst du damit?«
»Jemand hat nicht vergessen, dass ich einmal der beste Auftragskiller der Stadt gewesen bin. Derjenige will, dass ich noch einen letzten Auftrag für ihn erledige. Er hat mir keine Wahl gelassen.«
In Rakk brodelte es. Er ahnte bereits, wie die Antwort auf die Frage lautete, die sich in seinem Kopf aufbaute. Dennoch sprach er sie aus: »Wer ist das Ziel?«
Dylans Mundwinkel zuckten. Blitzschnell griff er in seinen Mantel und zog eine kurzläufige MP hervor. »Du bist es, mein Freund!«
***
Schweigend standen sich die beiden Männer gegenüber. Auf den ersten Blick sah es aus, als würde die Situation jeden Moment eskalieren. Aber Rakk wusste es besser. Er spürte einfach, dass es nicht dazu kommen würde. Niemals. Oder hoffte er nur, dass er nicht zu etwas gezwungen wurde, das er sein Leben lang bereuen würde? Noch war die Mündung seines Revolvers zu Boden gerichtet.
»Ich bin nicht hier, um dich zu töten«, sagte Dylan. »Aber ich glaube, das weißt du. Ich will dich warnen. Wenn ich es nicht tue, töten sie mich. Und dann werden sie einen anderen finden. Falls sie es nicht selbst erledigen. Außerdem bist du nicht ihr einziges Ziel. Ich soll noch einen weiteren Mann umbringen: Wynn Blakeston.«
Aus Rakks Maul drang ein leises Knurren. Seine spitzen Zähne rieben aneinander. Plötzlich war er wie elektrisiert. Mit der Nennung dieses Namens wusste er, um was sich alles drehte: Das Schiff der Toten! Wegen dem, was damals auf dem Rücken dieses riesigen Untiers geschehen war, hatte er sich in die Bajous zurückgezogen.
»Wer sind deine Auftraggeber?«, fragte Rakk mit einer Mischung aus Verärgerung und Überraschung.
»Menschen. Zumindest äußerlich. Ich weiß nicht viel über sie, aber sie sind gefährlich. Der Mann, der bei mir aufgetaucht ist, hat mir Fotos von ihren bisherigen Opfern gezeigt. Als ich abgelehnt habe, hat er mich niedergeschlagen und Susan sein Gewehr an die Schläfe gedrückt. Da habe ich gesagt, ich würde es tun. Aber ich werde es nicht tun. Und wenn es Susan und mich das Leben kostet.«
Rakk nickte seinem alten Freund zu. Er kannte nur wenige, die so reagiert hätten wie er. Schon oft hatte er erlebt, dass Menschen und Dämonen, die er für vertrauenswürdig gehalten hatte, zu seinen ärgsten Feinden geworden waren. Diesmal aber nicht.
Der Dämon ging ein, zwei Schritte vor. »Ich werde deine Freundin und dich verschwinden lassen. Du kennst mich. Wir schaffen das schon. Aber diesmal …«
Ein einziger Schuss peitschte durch den Tunnel und riss ihm das Wort ab. Rakk sah, wie Dylan zusammenzuckte. Blut spritzte auf das Gleisbett. Erst auf den zweiten Blick erkannte er das Loch in der Brust seines Freundes.
Dylan Fairbanks röchelte. Die MP fiel ihm aus der Hand. »Rakk«, presste er hervor und ging mit schweren Schritten vor.
Der Dämon wollte ihm entgegenlaufen, doch es war bereits zu spät. Ein zweiter Schuss krachte. Diesmal traf Dylan die Kugel am Nacken. Die Wucht des Einschlags trieb ihn nach vorne. Schon beim zweiten Schritt brach er zusammen.
In diesem Moment sah Rakk den Mörder seines Freundes. Es war ein unscheinbarer Mann Mitte dreißig. Ein rundes Gesicht mit einem hasserfüllten Schimmern in den Augen. Von seiner Kleidung sah er nur die schwarze Lederjacke und das weiße Hemd. In seiner linken Hand hielt er eine Pistole, aus deren Lauf noch ein dünner Rauchfaden in die Höhe stieg.
All das nahm Rakk innerhalb weniger Sekunden wahr. Jeden Augenblick konnte sein Gegner abdrücken. Noch während er sah, wie sich der Finger des Fremden um den Abzug krümmte, warf sich der Dämon zu Seite.
Wieder hallte ein Schussecho durch den alten Schacht. Rakk rollte sich ab und erwiderte noch am Boden das Feuer. Zwei Kugeln jagte er aus dem Lauf. Und beide trafen.
Zunächst schüttelten die Einschläge den Mann nur durch. Augenblicke später explodierte die Spezialmunition in seinem Körper. Blut und Fleischstücke wirbelten durch die Luft. In der Brust des Getroffenen tat sich ein faustgroßes Loch auf.
Rakk knurrte erneut. Er sah, wie der Fremde zusammenbrach. Selten hatte es ihm so viel Vergnügen bereitet, einen Menschen zu töten. Der Kerl hatte Dylan getötet. Erst jetzt wurde ihm klar, wie viel er ihm wirklich bedeutet hatte.
Aus den Augenwinkeln nahm Rakk eine weitere Bewegung wahr. Zwischen den ineinandergeschobenen Waggons erschien ein zweiter Bewaffneter. Diesmal war es eine blondhaarige Frau, die ein kurzläufiges Gewehr in den Händen hielt. Noch bevor sie abdrücken konnte, schoss der Echsendämon.
Seine Kugel traf die Frau mitten in die Stirn. Ohne einen Ton von sich zu geben, sackte sie zusammen und verschwand zwischen den Waggons.
Während sich Rakk wieder aufrichtete, entdeckte er seinen dritten Gegner. In einem der dunklen Löcher, die der entgleiste Zug einst in die Wände gerissen hatte, tauchte ein Mann auf. In beiden Händen hielt er so etwas wie Fackeln.
Rakk zögerte nicht und schoss erneut. Die Kugel traf den Mann in Höhe des Herzens. Der Getroffene wankte kurz zurück, bevor er doch noch einen Schritt nach vorne ging und aus der Öffnung in die Tiefe stürzte.
Mit der Waffe im Anschlag ging Rakk vor. Das Zischen, das aus der Nähe des Toten an seine Ohren drang, war nicht zu überhören. Als er sah, was der Fremde in seinen Händen gehalten hatte, zuckte er leicht zusammen. Es waren zwei Dynamitstangen!