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Travan betrachtete die Flaschen, Spritzen und Lederbeutel, alle mit Blut gefüllt. In einem Fass ringelten sich hunderte Egel, die noch prall mit Lebenssaft gefüllt waren.
Die Stimmung war aufgeheizt, und auch Travan bekam das zu spüren. Wieder stieg diese unbändige Wut in ihm auf. In Anwesenheit der anderen Junkies schien sie sich noch weiter zu potenzieren. Nur mit Mühe konnte er sich zumindest noch einigermaßen unter Kontrolle halten. Lange würde das aber nicht funktionieren. Er brauchte Blut! Jetzt!
Da schallten plötzlich irre Schreie durch die Halle, und Travan spürte, wie nie gekannte Energien auf ihn übertraten. Er wusste überhaupt nicht mehr, was er tat, wo er war und vor allem wer er war.
Oder doch? Ja, da gab es eine Stimme. Sie war er, und er war sie. Und genau diese Stimme sagte ihm, dass er nun ein neues Ziel hatte. Zunächst waren das die Menschen und Dämonen, die sich an den Egeln labten und nichts von dem grausamen Schicksal ahnten, das ihnen bevorstand ...
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Seitenzahl: 157
Cover
Impressum
Was bisher geschah
Vampir-Angriff
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
»Geisterjäger«, »John Sinclair« und »Geisterjäger John Sinclair« sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Timo Wuerz
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-5353-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Die Hauptpersonen dieses Romans sind:
Lieutenant Bella Tosh: Ermittlerin der Abteilung Delta
Sergeant Kajahn: Bellas Partner in der Abteilung Delta
Samuel »Sam« Tosh: Bellas Bruder, Kopfgeldjäger
Kylandros: Anführer der Vampire in Twilight City
Travan und Krom: Vampire
Larry Kellogg: Berater des Polizeipräsidenten
Commander D’Kol: Schleimdämon, Leiter der »Ausputzer«-Einheit des TCPD
Johnny Conolly hat seine Mutter verloren. Sie wurde von einem Schnabeldämon brutal ermordet. Als dieser Dämon durch ein Dimensionstor flieht, folgt Johnny ihm.
Kurz darauf wird das Tor für immer zerstört, sodass es für Johnny keine Möglichkeit zur Rückkehr gibt. Das Dimensionstor spuckt ihn schließlich wieder aus – in einer anderen Welt. Er ist in Dark Land gelandet, genauer gesagt in Twilight City, einer Stadt voller Geheimnisse.
Menschen und Dämonen leben hier mehr oder weniger friedlich zusammen, und doch ist Twilight City voller Gefahren. Die Stadt ist zudem von einem dichten Nebelring umgeben, den kein Einwohner jemals durchbrochen hat. Niemand weiß, was hinter den Grenzen der Stadt lauert …
In dieser unheimlichen Umgebung nennt sich Johnny ab sofort Wynn Blakeston – für den Fall, dass irgendjemand in Twilight City mit seinem Namen John Gerald William Conolly etwas anfangen kann und ihm möglicherweise Übles will. Schließlich wimmelt es hier von Dämonen aller Art – und die hat Wynn in seiner Heimat immer bekämpft.
Wynn findet heraus, dass der Schnabeldämon Norek heißt und skrupelloser und gefährlicher ist als alle seine Artgenossen, die sogenannten Kraak.
Als Wynn wegen eines unglücklichen Zwischenfalls zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird, zahlt der geheimnisvolle Sir Roger Baldwin-Fitzroy das Bußgeld und nimmt ihn in bei sich auf – warum, das weiß Wynn nicht.
Er lernt Sir Rogers Tochter Abby und seinen Diener Esrath kennen, die auch in Sir Rogers Villa leben. Er freundet sich mit Abby an, sie wird schon bald zu seiner engsten Vertrauten in dieser mysteriösen Welt.
Was Wynn nicht ahnt: Auch sein geheimnisvoller Gönner hat noch eine Rechnung mit dem Dämon Norek offen. Als es Sir Roger schließlich gelingt, Norek zu schnappen, liefert er den Kraak dem Wissenschaftler Dr. Shelley aus, der gleichzeitig Leiter des Sanatoriums Dead End Asylum im Deepmoor ist. Dieser verpflanzt Noreks Gehirn in einen anderen Körper und sperrt Norek in seinem Sanatorium ein.
Sir Roger aber präsentiert Wynn Noreks toten Körper, sodass der glaubt, der Kraak wäre für immer besiegt.
Doch einen Ausweg aus Dark Land scheint immer noch in weiter Ferne, und Wynn muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass sein Aufenthalt in dieser Welt wohl noch länger andauern wird. Mit Abbys Hilfe hat er inzwischen einen Job beim Twilight Evening Star ergattert, der größten Zeitung von TC. Als man dort erkennt, dass er für Größeres bestimmt ist, steigt er vom Archivar zum Reporter auf.
Und schon bald stellt Wynn fest, dass noch ganz andere Aufgaben in TC auf ihn warten …
Währenddessen ist Abby dem Geheimnis ihrer verstorbenen Mutter ein Stück näher gekommen. Offenbar war diese eine Hexe, und Sir Roger scheint eine düstere Vergangenheit zu haben. Nun fragt Abby sich, ob das Erbe ihrer Mutter auch in ihr schlummert …
Vampir-Angriff
von Rafael Marques
Die beiden Hochhäuser wirkten wie die Pfeiler eines Tors zur Hölle. Ihre schwarzen Fassaden waren mit Graffiti beschmiert, zahlreiche Fenster eingeschlagen. Efeu, Moose und Flechten hatten sich ihnen festgesetzt. Es stank widerlich. An einer Ecke war der Müllberg so weit in die Höhe gewachsen, dass man kaum atmen konnte. Aus ihm stieg ein grauer Dunst empor, der noch hunderte Meter weiter über den Boden kroch. Von dem normalen Nebel, der sich in den Häuserschluchten hielt, war er kaum zu unterscheiden.
Es war tiefe Nacht. Zwar wurde es in Twilight City nie ganz dunkel, doch zu mancher Tageszeit erschien die immerwährende Dämmerung so düster, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Besonders dann, wenn dunkle Wolken am Himmel vorbeizogen. Bis zur Stunde des Wolfs, ab der das Licht langsam wieder zurückkehrte, dauerte es noch einige Zeit …
Düstere Schatten schlichen durch den Nebel. Gestalten, die meist nur in der Nacht aktiv wurden, die tagsüber nicht gesehen werden wollten. Straßenräuber, Dealer, Junkies, manchmal auch Prostituierte, sowohl weiblich als auch männlich. Kaum jemand sprach miteinander. Jeder wusste nur vom anderen, dass diejenigen, die sich um diese Zeit in diesem Gebiet bewegten, etwas im Schilde führten. Sonst würden sie sich nicht auf die Straße trauen.
Travan gehörte dazu. Der Vampir mit den mittellangen, dunklen und strähnigen Haaren vergrub seine Hände tief in den Taschen seiner zerlumpten Stoffjacke. In seiner Hose steckte ein Messer mit gezackter Klinge. Es gab ihm Sicherheit und nahm ihm einen Teil der Angst.
Der Blutsauger wirkte auf den ersten Blick verwahrlost. Ihn unterschied kaum etwas von einem Obdachlosen, zumindest optisch. Er hatte zwar noch eine Wohnung, benutzte sie aber lediglich zum Schlafen. Zumindest so lange, wie er noch die Beads für die Miete auftreiben konnte. Es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis man ihm auch diesen letzten Besitz abknöpfte.
Die verfluchte Sucht hatte ihn alles gekostet. Seinen Job, seine Freunde, seine Gesundheit. Bald würde wohl auch sein Leben dazukommen, wenn sich nichts gravierend änderte. Zunächst war es ihm noch gelungen, mit dem Blut, das die Egel aus ihm saugten, Geld zu verdienen.
Mittlerweile waren die Dealer dazu übergegangen, dafür selbst ein Entgelt zu verlangen. Schließlich spendete man nicht nur seinen Lebenssaft, man verfiel auch in einen mysteriösen Rausch, aus dem man gar nicht mehr herauswollte. Die nächste Stufe war dann, das Blut auch zu trinken. Und genau davon konnte Travan inzwischen nicht mehr genug bekommen.
Das Viertel, durch das er lief, gehörte zu den düsteren Ecken der Stadt. Wie vielerorts reihte sich hier Hochhaus an Hochhaus. Wann sie hochgezogen worden waren, daran konnte sich hier niemand mehr erinnern. Es musste schon Jahrzehnte her sein, denn heute wurde hier nichts mehr gebaut. Man hatte das Gebiet quasi sich selbst überlassen, und das sah man den verkommenen Wolkenkratzern auch an.
Wer hier geboren war, blieb meist auch sein ganzes Leben hier. Travan erging es da nicht anders. Mittlerweile war er genauso geendet wie sein Vater – als Kleinganove. Im Auftrag von Larco, einem Froschdämon, brach er in Wohnungen ein und stahl alles, was man nur halbwegs als wertvoll bezeichnen konnte. Larco kaufte es ihm ab, wenn auch meistens weit unter Wert. Aber zumindest konnte er so seine Sucht finanzieren. Bis jetzt jedenfalls.
In seinem zerrissenen Ledermantel steckten die letzten Beads, die er noch besaß. Wäre er vernünftig, wäre er zu Hause geblieben und hätte die nächsten Wochen gespart, um zumindest halbwegs über die Runden zu kommen. Doch er war nicht vernünftig. Das Blut der Egel lähmte seinen Verstand. Er brauchte mehr, und das so schnell wie möglich. Glücklicherweise wusste er, wo er nach dem Stoff suchen musste.
Innerhalb des Nebels erschien eine Gestalt. Der Schatten verwandelte sich in ein ausgemergeltes Wesen. Lebende Skelette nannte man diese menschenähnlichen Kreaturen auch, deren Haut sich so eng über die Knochen spannte, dass sie aussahen wie Untote. Die Gestalt war in Lumpen gehüllt. Traurige, geschwollene Augen starrten Travan Hilfe suchend an.
»Hast du ein paar Beads übrig, Freund?«, hauchte das Wesen.
Travan kannte die Skelette. Einige gehörten sogar zu seinen Freunden. Doch in diesen Momenten konnte er nur an eines denken – Blut!
»Nein«, presste der Vampir hervor. »Lass mich in Ruhe.«
»Bitte, ich …«
Plötzlich verlor Travan völlig die Kontrolle. Er ballte seine Hände, brüllte auf und rammte die Fäuste in das Gesicht des Skeletts. Die getroffene Kreatur wurde zurück in den Nebel geschleudert. Er hörte noch einen dumpfen Laut, als sie zusammenbrach.
Die Arme des Vampirs zitterten. »Nein, oh nein …«, jammerte er, bevor er beide Hände gegen die Stirn presste. Tränen traten in seine Augen. Dann rannte er einfach davon.
Travan hatte Angst. Nicht davor, für den feigen Angriff auf ein hilfloses Wesen zur Rechenschaft gezogen zu werden. In diesem Gebiet herrschte das Gesetz der Straße. Die Polizei war hier schon lange nicht mehr gesehen worden. Nein, er hatte Angst vor sich selbst.
Das Blut der Egel griff nicht nur seinen Verstand an – es veränderte ihn auch. Nicht körperlich, sondern seelisch, ohne dass er es sich richtig erklären konnte. Travan war zwar ein Verbrecher, aber auf keinen Fall ein Gewalttäter. Aufgrund seiner zierlichen Statur bezog er oft Prügel. Deshalb hielt er sich diesbezüglich lieber zurück und hoffte, dass ihn die anderen auch in Ruhe ließen. Und doch, in den letzten Tagen war eine ihm unerklärliche Aggression in ihm herangewachsen.
Nicht nur bei ihm, auch bei anderen Junkies. Ob das mit dem bevorstehenden Hell-o-ween-Fest zusammenhing?
Nach einigen Hundert Metern reduzierte er seine Schrittfrequenz. Er dachte an das Skelett. Einen Moment lang überlegte er, ob er nicht doch zurücklaufen und sich um den armen Kerl kümmern sollte. Die Angst, zu erfahren, dass er zum Mörder geworden war, hielt ihn jedoch zurück. Er musste schlucken. Die traurigen Augen des Skeletts verfolgten ihn.
Trotzdem ging er weiter. Die Gier war einfach zu stark. Er bemerkte kaum, dass sich seine Umgebung langsam veränderte. Statt der immer gleichen Betonklötze erreichte er eine Zone, in der es zahlreiche alte Lagerhallen gab. In manchen hatte es tatsächlich mal Firmen gegeben, andere waren als Nachtclub oder Bordell genutzt worden. Selbst diese Geschäfte waren inzwischen weitgehend zusammengebrochen, nicht erst, seit die meisten der Froschmänner um ihren Boss Grecko spurlos verschwunden waren.
Nicht weit von ihm entfernt ragte die Außenmauer einer besonderen Halle in die Höhe. Früher war sie als Nachtclub, später als reine Disco genutzt worden. Irgendwann war es dort zu einer schrecklichen Brandkatastrophe gekommen. Seitdem stand das Gebäude offiziell leer. Die Türen waren mit Brettern und Ketten versperrt.
Es gab jedoch noch einen Zugang, und genau nach dem suchte Travan. Zumindest was den Weg zum Blut anging, funktionierte sein Verstand noch einwandfrei. Neben der Fassade wuchsen einige Büsche. Zwischen ihnen fand er eine Metallklappe. Nachdem er sie geöffnet hatte, blickte er auf eine Leiter, die direkt in die Tiefe führte.
Der Vampir kletterte die Streben hinab und tauchte in die Dunkelheit ein. Schon nach wenigen Sekunden erreichte er den Boden. Ein Mensch hätte sich in dieser Finsternis nicht zurechtgefunden, er dagegen hatte keine Probleme. So schnell er konnte lief er durch den Gang und erreichte die nächste Metallleiter, über die bereits erster Lichtschein glitt. Auch sie überwand er problemlos.
Vor einer schweren, von einer brennenden Fackel erleuchteten Eisentür stand ein Wachposten. Der Blutsauger flößte Travan allein schon wegen seiner Größe und der ungeheuren Muskelpakete Respekt ein. Er kannte ihn von zahlreichen vorherigen Besuchen. Einmal hatte er hautnah erlebt, wie Burok einem bankrotten Junkie den Kopf zerquetscht hatte.
»Travan«, begrüßte ihn der Wächter mit harter Stimme. Er reckte sein Kinn nach vorne, so wie er es immer tat. Die Geste sollte bedeuten, dass Travan nachweisen sollte, dass er noch liquide war.
Seine zitternden Finger wanderten in die Innentasche der Jacke und zogen einige Beads hervor. »Okay?«, fragte er. »Ich hab’s ein bisschen eilig.«
Burok lachte hart. »Das habt ihr alle. Aber es reicht, du kannst reingehen.«
Der bullige Vampir zog die Eisentür auf, sodass Travan eintreten konnte. Blitzschnell ließ er die Beads wieder verschwinden. Als er die Szenerie erkannte, musste er lächeln. Der Dealer, der diesen Treffpunkt betrieb, hatte gut zwei Dutzend Feldbetten aufstellen lassen. Auf ihnen lagen Männer, Frauen und auch verschiedenste Dämonen und ließen sich ihr Blut von den Egeln absaugen. Immer wieder hörte er sie stöhnen und ächzen. Manche von ihnen waren nackt. Ihre Hände zuckten wild über ihre Körper.
Ein vampirischer Helfer des Dealers zupfte gerade einige Egel von einer mit völlig verdrehten Augen daliegenden Frau ab und warf sie in einen Eimer. Travan lief an den Feldbetten vorbei und orientierte sich in die Richtung, in der er den Dealer vermutete. In mehreren Metern Entfernung standen einige aus Holz und Plastikplanen zusammengesetzte Kabinen, in denen sich sicher einige Junkies aufhielten, um sich in Ruhe das Blut einzuführen. Andere liefen einfach durch die Halle.
In seiner Nähe hatte sich eine kleine Traube aus Vampiren gebildet. Sie hingen geradezu aneinander. Die Blicke seiner Artgenossen waren entrückt, flackerten aber auch leicht. Hin und wieder stieß einer der Blutsauger ein aggressives Knurren aus.
Die Stimmung war aufgeheizt, und auch Travan bekam sie zu spüren. Wieder stieg diese unbändige Wut in ihm auf. In Anwesenheit der anderen Junkies schien sie sich noch weiter zu potenzieren. Nur mit Mühe konnte er sich zumindest noch einigermaßen unter Kontrolle halten. Lange würde das aber nicht halten. Er brauchte Blut! Jetzt!
Zwei Vampire, die Burok von der Gestalt her stark ähnelten, trieben die Junkies zur Seite, die sich dem Dealer zu stark näherten. Einige streckten sogar ihre Hände aus und flehten nach mehr Blut.
»Nur wenn ihr mir mehr Beads bringt!«, schrie ihnen der Dealer entgegen.
Travan kannte ihn. Er hieß Nean. Bevor er zu einem Dealer geworden war, hatte er sich sein Geld auf ähnliche Weise verdient wie er. Jetzt aber führte er sich auf wie ein König. Er saß sogar auf einer Art Thron. Sein Gesicht war eingefallen. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Sein knochiges Antlitz wurde von langen, strähnigen Haaren umrahmt.
Vor ihm befanden sich Flaschen, Spritzen und Lederbeutel, alle mit Blut gefüllt. In einem Fass ringelten sich Hunderte Egel, die noch prall mit Lebenssaft gefüllt waren. Nean selbst rührte seine wertvolle Ware nicht an. Es gab ein Gesetz, wonach kein Dealer selbst von dem Blut trinken durfte. Travan hatte davon erfahren, als die ersten Blutegel-Händler auf der Bildfläche erschienen waren. Damals hatte man ihm angeboten, ebenfalls als Dealer zu arbeiten. Doch selbst zu diesem Zeitpunkt war er schon zu sehr von dem Stoff abhängig gewesen, als dass er freiwillig auf ihn verzichtet hätte.
»Aaah, Travan«, rief der Dealer und winkte ihn heran. »Schön, dich zu sehen. Auf dich kann ich mich immer verlassen. Ein Kunde, der stets seine Rechnungen zahlt und niemals ohne Beads bei mir erscheint. Ich wünschte, jeder wäre so wie du. Gerade heute Nacht mussten Gutol und Braak wieder zwei … Elemente beseitigen, die allen Ernstes bei mir anschreiben wollten. Also, zeig mal, was du dabeihast.«
Travan zog alle Beads hervor, die er bei sich trug. Viel war es nicht. Es reichte gerade, um seine beiden Handteller zu überdecken.
Neans Miene verfinsterte sich leicht. »Das ist alles? Travan, du enttäuschst mich. Gerade jetzt, wo ich dich so lobe, kommst du mir mit diesen kümmerlichen Resten.«
»Es tut mir leid«, presste er mühevoll hervor. »Mehr habe ich im Moment nicht.«
»Na ja. Ich will mal nicht so sein. Da du wenigstens regelmäßig deine Ration abholst und dich nie über meine Preise beschwert hast, kann ich dir noch eine kleine Flasche anbieten. Na, was sagst du?«
»Besser als nichts …«
Nean lachte und reichte ihm die Flasche. »Das dachte ich mir doch. Dann solltest du dir das Blut gut einteilen. Aber ich fürchte, es ist gleich wieder weg, oder?«
»Mal sehen.«
Während sich Nean in seinem Thron zurücklehnte, drehte sich Travan um und kümmerte sich um das Blut. Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen, insbesondere der Pulk der anderen Junkies. Irgendwie blieb er aber doch vorhanden, wenn auch nur als wabernde, pulsierende Masse. Sie bewegte sich genau im Rhythmus seines Herzschlags. Eine Tatsache, über die er sich keine Gedanken machte. Ebenso wenig wie über das Flüstern und Zischen, das durch seinen Kopf hallte, als er den Deckel der Flasche abnahm und an dem Blut roch.
Schlagartig wurde es still. Travan setzte die Flasche an den Mund – und trank. Mit einer nie gekannten Gier schlürfte er das Blut bis zum letzten Tropfen aus. Endlich erlebte er wieder diesen Rausch, der mittlerweile das Zentrum seines Lebens geworden war.
Doch diesmal hielt er nur wenige Sekunden an. Dann kam das Feuer. Travan schrie wie nie zuvor in seinem Leben, als das gesamte Blut seines Körpers zu pulsieren begann und sich in flüssige Lava zu verwandeln schien. Die Schmerzen waren unerträglich. Etwas wühlte sich mit ungeheurer Kraft durch seine Eingeweide. Die Flasche glitt ihm aus den Fingern. Kurz darauf brach er in die Knie.
Direkt vor sich sah er die pulsierende Masse, in die sich die anderen Junkies verwandelt hatten. Sie kam näher und näher. Er spürte eine Verbindung zu ihr. Keine Liebe, mehr eine körperliche oder seelische Anziehungskraft. Als wäre er Teil einer größeren Einheit geworden.
Die Schmerzen steigerten sich noch einmal um das Vielfache. Travan schrie so laut, dass seine Kehle bereits anfing zu bluten. Er glaubte, den Verstand zu verlieren. Hände packten ihn an den Schultern und zogen ihn hoch. Die letzten funktionierenden Reste seines Gehirns sagten ihm, dass die Hände den Leibwächtern des Dealers gehörten.
Das Feuer und die irren Schmerzen brachten noch etwas anderes mit sich. Sein Körper platzte regelrecht auseinander. Travan hörte den Stoff seiner Jacke und der Hose reißen. Von einer Sekunde zur nächsten konnte er wieder klar sehen. Sein zierlicher Körper hatte sich in eine gewaltige, zweieinhalb Meter große Muskelmasse verwandelt.
Seine Hände waren zu riesigen Pranken mit messerscharfen Krallen geworden. Er merkte kaum, wie sie nach den im Vergleich zu ihm so zierlich wirkenden Leibwächtern griffen. Zwei Blutfontänen spritzten ihm entgegen, als sich seine Finger in die Körper wühlten und den ihn entsetzt anstarrenden Blutsaugern die Herzen aus der Brust rissen.
Er sah, dass sich die anderen Junkies auf ihn zuschoben. Sie hatten noch ihre alte Gestalt, aber etwas sagte ihm, dass es dabei nicht bleiben würde. Nean indessen sprang von seinem Thron hoch und griff nach einem Gewehr, das er bisher verborgen gehalten hatte. Ein Schuss krachte. Travan spürte den Einschlag im Bereich seiner Hüfte, mehr aber auch nicht. Keine Schmerzen, nichts.
Für die anderen Junkies war der Schuss so etwas wie ein Startsignal. Gemeinsam stürzten sie sich dem Dealer entgegen. Dutzende Hände griffen nach Nean und zerrissen ihm das Gesicht. Die anderen Vampire stürzten sich auf das Blut.
Während zwei von Neans Helfern die Flucht zu ergreifen versuchten, kam Burok direkt auf ihn zugelaufen. Die Klinge der Machete, die der Wächter in der Hand hielt, erreichte ihn jedoch nicht. Travan schlug mit einer seiner Pranken zu und riss Burok einfach den Kopf vom Hals.
Irre Schreie schallten durch die Halle. Die anderen Junkies waren ebenfalls dabei, sich zu verwandeln. Travan spürte, wie nie gekannte Energien auf ihn übertraten. Er wusste überhaupt nicht mehr, was er tat, wo er war und vor allem, wer