John Sinclair 2011 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2011 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

London, 1965...

Ein gewaltiger Sturm tobte um die beiden Männer herum! Blitze zuckten durch den Raum, Entladungen der magischen Energien, die gerade aufeinandertrafen. Die drei Dämonen mit den schrecklichen Gesichtern brüllten, wurden zurückgeschleudert und griffen dennoch erneut an.

Immer wieder schrien die Männer laute Beschwörungsformeln, um den höllischen Kreaturen Einhalt zu gebieten. Doch sie spürten, dass ihre Kräfte schwächer wurden ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Drei böse Geister

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/alison1414

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4299-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Drei böse Geister

von Rafael Marques

London, 1965

Ein gewaltiger Sturm tobte um die beiden Männer herum! Blitze zuckten durch den Raum, Entladungen der magischen Energien, die gerade aufeinandertrafen. Die drei Dämonen mit den schrecklichen Gesichtern brüllten, wurden zurückgeschleudert und griffen dennoch erneut an.

Immer wieder schrien die Männer laute Beschwörungsformeln, um den höllischen Kreaturen Einhalt zu gebieten. Doch sie spürten, dass ihre Kräfte schwächer wurden …

Wieder bäumten sich ihre dämonischen Gegner auf und versuchten, die magische Barriere zu zerstören.

»Meister, hilf uns!«, brüllte einer der Männer und riss seine Arme hoch. Das Amulett in seiner Hand strahlte dabei noch heller auf.

Grelles Feuer zuckte durch die Luft, als die Dämonen die magische Wand durchbrachen und auf ihre Gegner zustürmten. In diesem Moment erschien eine weitere, gewaltige Gestalt.

Die Monstren wussten genau, mit wem sie es zu tun hatten. Der Kampf gegen die Magie der beiden Männer hatte sie geschwächt. Die beiden Männer hätten sie wohl besiegt, gegen diesen Gegner konnten sie jedoch nicht bestehen.

»Ihr habt mich verraten«, schallte eine mächtige Stimme aus der Finsternis. »Dafür sollt ihr die schlimmste aller Strafen erhalten!«

Die drei Dämonen brüllten auf, doch gegen den magischen Sturmwind, der ihnen entgegenfegte, hatten sie keine Chance. Sie wurden zu einem Spielball der Kräfte. Ihre Schreie wurden schwächer und schwächer, bis sie schließlich ganz erstarben.

Doch die Dämonen waren nicht vernichtet. Man hatte sie besiegt, verflucht und gefangen genommen. Doch sie sannen auf Rache. Zeit spielte dabei keine Rolle …

***

Gegenwart

»Das gefällt mir nicht, Joey.«

Der Mann neben ihm schüttelte den Kopf. »Nun mach dir nicht ins Hemd. Wir haben doch alles durchgesprochen. Es wird keine Probleme geben. Wir holen uns das Gold und verschwinden wieder. Alles klar?«

»Nein. Nichts ist klar. Hier ist etwas faul, das spüre ich.«

»Mir geht dein Gejammer langsam auf die Nerven. Wenn Dad dich so gehört hätte, hätte er dich windelweich geprügelt.«

Joey Rednick wusste überhaupt nicht, was seinen Bruder so nervös machte. Gut, sie waren in eine ehemalige Kirche eingebrochen, die schon seit Jahren nicht mehr für Gottesdienste genutzt wurde, aber deshalb würden sie nicht gleich vom Blitz getroffen werden. Zumal der Pfarrer, der hier einst seine Predigten gehalten hatte, auch nicht gerade ein frommer Diener des Herrn gewesen war.

Mit Harold Rednick, ihrem Vater, hatte er vor mehr als zwanzig Jahren einen Millionär überfallen und aus seinem Keller mehrere zehntausend Pfund sowie eine Kiste voller Gold gestohlen. So hatte es ihr Dad zumindest in seinem Testament festgehalten. Was aus dem Geld geworden war, wusste Joey nicht, aber das Gold hatte sein Komplize, Neal Clifford, für ihn verwahrt.

Clifford jedoch war tot. Vor drei Jahren hatte er sich in seinem Pfarrhaus erhängt. So recht verstand Joey zwar nicht, warum sein Vater und er das Gold nie verkauft hatten, aber letztendlich war es auch egal. In seinem Testament hatte er genau beschrieben, wo Clifford und er es versteckt hatten. Neben dem Altar sollte es einen Geheimgang geben, der in eine unterirdische Krypta führte. Dort würden sie die Kiste mit dem Gold finden.

Zumindest hatte Dad ihnen so noch etwas Gutes hinterlassen. War er auch Zeit seines Lebens ein echter Drecksack gewesen, besonders gegenüber seiner Familie, dem Tod hatte er wohl nicht ohne eine letzte gute Tat entgegentreten wollen.

Dass Bill Rednick, sein zwanzig Jahre alter und damit zwei Jahre jüngerer Bruder, es schon bei einem kleinen Einbruch in ein leer stehendes Gebäude mit der Angst zu tun bekam, wunderte Joey nicht. Bill war schon immer schwach und schüchtern gewesen. Aber er war nun einmal sein Bruder und damit das Einzige, was Joey Rednick noch von seiner Familie geblieben war.

Von dem einstmaligen Glanz des Gotteshauses war nicht mehr viel zu sehen. Bänke gab es keine mehr, auch keine Bilder an den Wänden. Die großen Glasfenster waren, wo sie noch intakt waren, von einer dicken Schmutzschicht bedeckt. Obwohl es Vollmond war, drang nur wenig Licht durch sie hindurch. Aber dafür hatte Joey seine Taschenlampe mitgenommen. Ihr Lichtkegel riss auch den steinernen Altar aus der Dunkelheit.

»Hätten wir nicht mittags hierherkommen können?«, fragte Bill vorsichtig.

»Damit uns jeder dabei beobachten kann? Bist du verrückt? Hör mal – hier ist absolut nichts, wovor du dich fürchten musst. Das ist ja nicht einmal mehr eine richtige Kirche. Also, wovor hast du Angst?«

Bill Rednick hob seine schmalen Schultern. Ihm war seine aussichtslose soziale und finanzielle Lage deutlich anzusehen. Aber bald würde alles anders werden. Mit dem Gold konnten sie ein völlig neues Leben beginnen, irgendwo weit weg von hier.

Erst einmal galt es jedoch, es überhaupt zu finden. Nicht mehr lange, dann würde die Sonne aufgehen. Bis dahin wollte er auf jeden Fall wieder weg sein. Dad hatte in seinem Testament beschrieben, dass man einen Stein direkt neben dem Altar tief eindrücken musste, um den Geheimgang zu öffnen. Auf welcher Seite des Altars sich dieser Stein befinden sollte, hatte er jedoch nicht verraten.

»Geht es wieder?«, fragte Joey seinen Bruder, der sich etwas beruhigt zu haben schien.

»Muss wohl …«

»Dann sieh mal nach, ob du links neben dem Altar etwas findest, das du eindrücken kannst. Ich nehme dann die andere Seite.«

Bill nickte stumm und stieg die kurze Treppe zum Altar hinauf. Joey hingegen stemmte sich einfach auf das hüfthohe Podest. Auch wenn er es nicht gerne zugab, jetzt, wo er den Altar betreten hatte, spürte er auch eine ungewöhnliche Aura, die sich in seiner Nähe festgesetzt hatte. Er konnte sie nicht richtig in Worte fassen, aber sie war vorhanden. Allmählich verstand er Bills Reaktion, einen Rückzieher würde er jedoch nicht mehr machen.

Neben dem Altarblock legte er seine Taschenlampe ab und strich über die alten Steinplatten. Die Kirche war mehr als zweihundert Jahre alt. Damals hatten die Erbauer noch an so etwas wie Geheimgänge gedacht. Joey kam das alles etwas merkwürdig vor, aber er schob die Gedanken daran beiseite.

Mehrfach drückte er gegen die einzelnen Platten, jedoch ohne Erfolg. Bis er plötzlich doch noch Glück hatte. Einer der Steine sank tatsächlich in den Boden ein, als er seine Hand auf ihn legte.

Ein Kratzen und Schaben erklang. Sofort richtete sich Joey Rednick auf und nahm die Lampe wieder an sich. Der Lichtkegel glitt über den Boden hinweg und erfasste eine etwa zwei Meter breite quadratische Öffnung zwischen den Platten. Das musste der Geheimgang sein.

Auch Bill hatte mittlerweile die Veränderung bemerkt und kam auf seinen Bruder zu. »Da treiben mich aber keine zehn Pferde runter«, erklärte er.

»Schon gut. Ich gehe allein. Du hältst hier oben Wache, klar? Und wehe du haust ab, während ich da unten bin!«

»Ich lass dich doch nicht allein, Joey«, versicherte Bill und nestelte an seiner schwarzen Stoffjacke. »Aber mach nicht zu lange.«

»Wir werden sehen«, erwiderte Joey und schritt auf das Loch im Boden zu.

Als er in die Schwärze leuchtete, entdeckte er eine steinerne Treppe, die in die Tiefe führte. Modrige, abgestandene Luft drang ihm entgegen. Anscheinend war der Geheimgang schon seit Ewigkeiten nicht mehr geöffnet worden.

Während Joey sich auf die Kante setzte und schließlich nach unten auf die Stufen fallen ließ, schoss ihm wieder die Frage durch den Kopf, warum Clifford und sein Vater das Gold ausgerechnet in einer Krypta versteckt hatten. Warum nicht in einem Safe, einem Schließfach oder einfach in irgendeinem Erdloch? Natürlich, Neil Clifford war Pfarrer gewesen, aber doch nicht damals, als er diesen Einbruch begangen hatte.

Noch einmal blickte er hoch. Bill stand am Rande des Einstiegs und sah ihm ängstlich hinterher. Joeys Gesicht verzog sich zu einem kurzen Lächeln, dann wandte er sich ab und stieg die Treppe hinunter.

Der Lichtkegel seiner Taschenlampe wanderte über die steinernen Wände. Als er ihn auch über die Stufen gleiten ließ, sah er bereits, dass sie in einen unterirdischen Raum ausliefen. Das musste die Krypta sein.

Die Luft schien von Stufe zu Stufe schlechter zu werden. Wahrscheinlich würde er es da unten nur kurze Zeit aushalten, bevor ihm der Sauerstoff ausging. Er hatte auch nicht vor, länger als nötig dort zu bleiben. Er wollte nur das Gold finden und wieder verschwinden.

Endlich trat er in die Krypta. Dabei spürte er, wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken rann. Er konnte sich die Reaktion seines Körpers selbst nicht erklären. Seine Umgebung war düster, aber nicht wirklich unheimlich. Die Decke lag vielleicht einen Meter über ihm. Um ihn herum standen einige stützende Säulen, ansonsten war der Raum völlig kahl und leer. Dafür fiel ihm in einer Ecke des Raumes eine hölzerne Kiste auf.

»Na bitte«, flüsterte er und lief los.

Als er die aus hellem Holz gefertigte Kiste erreichte, fielen ihm sofort die schwarzen, asiatisch anmutenden Schriftzeichen auf, die auf ihr abgebildet waren. Joey Rednick konnte damit nichts anfangen.

Allerdings entdeckte er auch ein weißes, zusammengefaltetes Stück Papier auf dem Deckel der Kiste. Es war mit einer dicken, klebrigen Staubschicht bedeckt, die noch nicht einmal verschwand, als er sie wegzupusten versuchte. Dennoch klappte er den Zettel auf und leuchtete den Text an. Schnell erkannte er, dass er eine Botschaft in den Händen hielt, von einem Toten an einen anderen.

Hallo Harold,

wenn du diesen Brief liest, bin ich sehr wahrscheinlich tot. Das bedeutet auch, dass du unseren Schwur vergessen hast und doch dem Glanz des Goldes verfallen bist. Wenn du unbedingt das Böse entfesseln willst, nur um deine Spielschulden zurückzuzahlen, soll es eben so sein. Wenigstens muss ich das dann nicht mehr erleben.

Neil Clifford

Joey Rednick hatte den Text gelesen, aber so recht verstand er nicht, was Neil Clifford seinem Vater damit hatte sagen wollen. Was sollte das Böse entfesseln bedeuten? Ihm fiel ein, dass die Kirche oft das Gold mit der Gier der Menschen gleichgesetzt hatte. Vielleicht hatte er das damit gemeint. Anders konnte er sich den Satz jedenfalls nicht erklären.

Er legte den Zettel zur Seite und griff nach dem Deckel der Kiste. In diesem Moment spürte er, wie etwas nicht Fassbares von ihr auszuströmen begann. Ein Schauer nach dem anderen rann über seine Finger. Er wollte sie von dem Holz lösen, doch es gelang ihm nicht mehr. Es schien, als klebten sie an der Kiste fest.

Ein dumpfer Laut erklang, als wäre etwas über ihm in der Kirche umgefallen. Doch das interessierte ihn nicht mehr. Sein ganzes Denken war auf die Kiste fokussiert. Leise Stimmen drangen flüsternd an seine Ohren, ohne dass er auch nur ein Wort verstehen konnte. Die Luft in seiner direkten Umgebung schien sich noch einmal verdichtet zu haben. Nur roch die nicht mehr nach Moder, sondern nach exotischen Gewürzen, fast wie in einer Straße in Chinatown.

Wie ferngelenkt hob er den Deckel der Kiste langsam an. Ein Zischen entstand. Grauer Dampf drang aus dem Inneren des hölzernen Behältnisses. Erneut verstärkte sich der Geruch nach asiatischen Gewürzen.

Vorsichtig legte er den Deckel zu Seite, griff nach der Taschenlampe und leuchtete ins Innere der Kiste. Dann sah er sie! In der Kiste befand sich wirklich Gold, nur handelte es sich nicht um Barren, sondern um kleine Statuen – drei vollkommen identisch aussehende, vielleicht zwanzig Zentimeter große und hell schimmernde Drachen. Alle hatten sie ein breites Maul, einen dünnen Körper, spitze, von sich gestreckte Krallen sowie fledermausartige Flügel auf dem Rücken.

Plötzlich hatte Joey das Gefühl, sich in einer anderen Welt wiederzufinden. Nicht nur, dass er anscheinend völlig die Kontrolle über sich selbst verlor, die fremden Gerüche umgaben ihn nun wie eine zweite Haut.

Noch immer sah er die drei Drachenstatuen, doch sie hatten mittlerweile ihre feste Form verloren. Aus ihnen entstand eine Art goldenes Pulver, das wie von einem unnatürlichen Luftstrom getragen als glitzernde Wolke direkt auf ihn zu glitt. Joey atmete tief ein, und mit diesem Atemzug drang auch das Gold in seinen Körper.

Endlich, hörte er plötzlich eine Stimme, die es nur in seinem Kopf zu geben schien. Doch dabei blieb es nicht.

Unsere Zeit beginnt.

Der Fluch ist gebrochen.

So lange haben wir gewartet …

Insgesamt drei verschiedene Stimmen waren es, die durch seinen Kopf hallten. All das erlebte er wie in einem dichten Nebel, der sein Bewusstsein umfasst hielt. Er merkte nur, wie eine neue, ihm völlig unbekannte Kraft durch seinen Körper kroch und ihn allmählich übernahm.

Er wollte etwas sagen, aber selbst seine Lippen gehorchten ihm nicht mehr. Noch immer starrte er auf die nun leere Kiste. Zumindest konnte er trotz der fremden Wesen in seinem Körper relativ klar denken. Ihm wurde klar, dass auch sein Vater die goldenen Statuen gesehen oder zumindest die Flüsterstimme gehört haben musste. Neil Clifford und er hatten sich jedoch dazu entschieden, die Kiste zu verstecken. Vielleicht, weil sie gespürt hatten, was in ihr steckte.

Dass sein Dad in seinem Testament von dem Gold geschrieben, aber nicht erwähnt hatte, wie gefährlich es war, sprach schon eine deutliche Sprache. Harold Rednick war eben ein Dreckskerl geblieben, auch über den Tod hinaus.

Plötzlich spürte Joey, dass er in der Krypta nicht mehr allein war. Und das, obwohl er weder etwas gesehen noch gehört hatte. War ihm Bill gefolgt, nachdem er lange nichts mehr von ihm gehört hatte? Das konnte er sich nicht vorstellen, dazu war sein Bruder einfach zu feige.

Dennoch drehte er sich langsam um. Vielmehr war es jedoch so, dass die Wesen in ihm dafür sorgten. Er hatte sich nicht getäuscht. Zwei Männer waren die Treppe heruntergestiegen und hatten die Krypta betreten. Mit ihren Taschenlampen leuchteten sie ihn an. Eigentlich hätte er geblendet sein müssen, doch das helle Licht machte ihm nichts aus. Trotz der Dunkelheit konnte er sogar die Gesichter der Fremden erkennen. Die beiden Männer waren Asiaten, vielleicht Chinesen oder Japaner. Ihre Züge waren hart und ausdruckslos. In ihren Händen hielten sie Pistolen, mit denen sie auf ihn zielten. Trotz der schwarzen Kleidung, die sie trugen, hoben sie sich deutlich von der Umgebung ab.

Dass er sie so gut erkennen konnte, wunderte ihn zwar, doch er war nicht in der Lage, sich wirklich Gedanken darüber zu machen. Die Erklärung dafür war eigentlich einfach – der goldene Staub und die fremden Wesen, die in ihn eingedrungen waren, hatten dafür gesorgt. Zudem war es wohl nicht nur zu einer innerlichen Veränderung gekommen, denn als die beiden Asiaten sein Gesicht anleuchteten, zuckten sie überrascht zusammen.

»Wir sind zu spät«, sagte der Größere der beiden leise.

Der zweite Mann nickte. »Hoffentlich sind die Geister noch nicht stark genug.«

»Wir sind stark genug«, drang es über Joeys Lippen, ohne dass er darauf einen Einfluss hatte.

Plötzlich ging er los. Sehr langsam, Schritt für Schritt näherte er sich den Männern, die nicht von ihrer Position wichen und weiterhin mit ihren Waffen auf ihn zielten. Fast gleichzeitig feuerten sie. Die Einschläge nahm Joey kaum wahr. Sein gesamter Körper war wie betäubt.

Die Männer schossen weiter, auch als er sie bereits erreicht hatte. Kurz sah er den Unglauben in den Augen des Größeren, dann griff Joey zu. Unerbittlich klammerten sich die Finger seiner linken Hand um den Hals des Asiaten. Die Füße des Mannes verloren dabei den Kontakt zum Boden. Ein verzweifeltes Röcheln drang aus seinem Mund, während sein Kumpan nur hilflos zusehen konnte, wie er starb.

Joeys Hand strahlte golden auf. Von seinen Fingern drang die Farbe auch in den Körper des Asiaten und legte sich wie eine zweite Haut auf ihn. Nur wenige Sekunden später erschlaffte der Körper in seiner Hand. Wie ein Stück Müll ließ er ihn zu Boden fallen und wandte sich dem zweiten Bewaffneten zu.

Der Asiate wich zurück, hatte jedoch keine Chance, ihm zu entkommen. Schließlich presste er sich mit dem Rücken gegen die Wand der Krypta. Die Waffe in seiner Hand war leer geschossen. Schwer atmend starrte er Joey an. Im Gesicht des Asiaten spiegelte sich ein goldener Schein wider, der aus seinen Augen strahlen musste.

Im nächsten Moment griff Joey zu. Grauenvolle Schreie drangen aus der Krypta, als der Mann einen schrecklichen Tod starb …

***

Als Suko und ich aus dem Wagen stiegen, traf uns sofort ein kräftiger Windstoß. Fast synchron zogen wir die Reisverschlüsse unserer Jacken noch höher. Dennoch drang die Kälte bis zu meiner Haut durch. Ich fröstelte, aber da musste ich nun einmal durch.

Die alte, verfallene Kirche, zu der wir gerufen worden waren, befand sich auf einem verwilderten Grundstück. Seit der Pfarrer Selbstmord begangen hatte, war das Gotteshaus nicht mehr in Betrieb. Ich hatte davon gehört, weil einige Kollegen vom Yard an den Ermittlungen beteiligt gewesen waren, hatte aber nicht mehr daran gedacht, bis uns die Mordkommission hierher bestellt hatte.

Von Chiefinspektor Tanner sahen wir noch nichts. Wahrscheinlich hielt er sich in der Kirche auf. Der alte Eisenfresser, der bereits seit einer gefühlten Ewigkeit Leiter einer Mordkommission war, zog uns des Öfteren zu seinen Fällen hinzu, die nicht mit rechten Dingen zugehen konnten. Ich zählte ihn zu meinen guten Freunden, was bei dem alten Grantler sicher nichts Selbstverständliches war.

Um was es genau ging, hatte er am Telefon jedoch nicht verraten. Es hatte aber drei Tote gegeben, so viel wussten wir bereits.

»Ich habe im Büro schon die Wände auf mich zukommen sehen«, sagte Suko und spielte darauf an, dass wir fast den gesamten Vormittag nur im Büro gesessen und die Zeit totgeschlagen hatten.

Gerade als wir überlegt hatten, ob wir gemeinsam mit Glenda in ein Restaurant zum Mittagessen gehen sollten, war alles anders gekommen. Plötzlich standen wir wieder am Anfang eines neuen Falls.

»Auf drei Tote hätte ich trotzdem verzichten können«, erwiderte ich.

»Schon. Aber das gehört leider dazu, Alter.«

Ich zuckte mit den Schultern und machte mich auf den Weg. Neben der alten Kirche stapelte sich der Müll. Einige Scheiben waren bereits eingeschlagen sowie die Fassade mit Graffiti beschmiert worden. Ohne Pfarrer war das Gotteshaus zu einem schlichten, bedeutungslosen Steinbau verkommen, der sich der ziemlich trostlosen Gegend angepasst hatte. Ich sah auch mehrere Obdachlose hinter den Absperrbändern der Polizei stehen.

Als wir den alten Bau erreichten und durch die offen stehende Tür traten, fiel uns sofort unser alter Freund Tanner ins Auge. Wie fast immer war er mit seiner grauen Jacke und dem ebenso grauen Filzhut bekleidet. Gerade wies er einige Uniformierte ein, die ihm zunickten und uns entgegenkamen. In diesem Moment entdeckte Tanner uns.

»Na endlich«, rief er uns zu. »Ich dachte schon, ihr hättet es euch anders überlegt.«

»Der Verkehr«, sagte ich nur, während ich ihm lächelnd die Hand gab. Dabei dachte ich daran, dass unser alter Freund bei einem unserer letzten gemeinsamen Fälle angeschossen worden war und im Krankenhaus gelegen hatte.1) Davon war allerdings längst nichts mehr zu spüren.

»Die Toten laufen euch jedenfalls nicht weg. Na ja, zumindest hoffe ich das. So wie die aussehen, bin ich mir da gar nicht mal so sicher.«

»Wie sehen sie denn nun aus?«, fragte Suko.

Tanner hob die Schultern. »Das ist schwer zu beschreiben. Am besten ihr seht sie euch selbst an.«

Der Chiefinspektor führte uns durch das Kirchenschiff und an dem Altar vorbei. Wenige Meter neben einer finsteren, in die Tiefe führenden Treppe, entdeckten wir den ersten Leichensack.