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Kaum liegen die Gräuel des Wutwaldes hinter ihnen, da beschließt der Dreizehnte Paladin, mit seinen Freunden ins Grüne Meer zu reisen, um sein altes Versprechen einzulösen, jenen Nekromanten zur Strecke zu bringen, der die fruchtbaren Lande des Reitervolkes rund um deren Paladin Feuer-im-Blick schon viel zu lange in seinem knöchernen Würgegriff hält. Doch nicht nur der Nekromant hält die Gefährten mit seinen tödlichen Fallen auf Trab, auch ER, DER ZWINGT, treibt seine eigenen Ränke voran, um Tod und Verderben über die Paladine zu bringen. Und dann offenbart sich zu allem Überfluss auch noch ein Winkelzug der Götter, mit dem keiner gerechnet hat.
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Seitenzahl: 809
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Torsten Weitze
Das Grüne Meer
Der 13.Paladin
Band X
Impressum
© Torsten Weitze, Krefeld, 2021Bild: Petra Rudolf / www.dracoliche.deLektorat/Korrektorat: Janina Klinck | www.lectoreena.de
Torsten Weitze c/o LAUSCH medien
Bramfelder Str. 102a
22305 Hamburg
Alle Rechte vorbehalten
www.tweitze.de | Facebook: t.weitze | Instagram: torsten_weitze
Für jene unter euch, die mich noch immer das Träumen lehren. Möge ich euren Visionen gerecht werden.
Und denkt daran:
Es gibt nichts Schöneres für eine Geschichte, als zum ersten Mal erlebt zu werden …
Inhalt
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
Epilog
Tief sog Ahren die warme Sommerluft in seine Lungen. Hier, keine zwei Schritt außerhalb der Nordwestgrenze des Wutwaldes, strich der würzig duftende Wind wie eine belebende Woge über das sanfte, grüne Hügelland und spülte die Schwermut des hinter ihnen liegenden Elfenwaldes aus dem Körper des erschöpften Paladins. Die Reise zu den Grenzen des Wutwaldes war überaus kräftezehrend gewesen.
Genieße den Moment, drang die Ermahnung Culhens in seinen Verstand, als der Wolf neben ihn trat und sich ausgiebig schüttelte, sodass seine Panzerung aus Tiefenstahl klapperte wie der Wagen eines fahrenden Eisenwarenhändlers.
Ahren drückte seine Stirn gegen die Wange des Wolfes und lächelte breit, während er einen weiteren befreienden Atemzug tat. Ihre Reise vom Herzen des Waldes bis zu dessen Grenze hatte ihm die Lebenskraft aus dem Körper gesogen und diese kehrte jetzt mit voller Macht zurück. Jede Durchquerung des Wutwaldes schien den Geist mehr und mehr zu belasten, so wie ein Stück Eisen, das mit jedem Verbiegen brüchiger wurde, bis es schließlich brach …
Culhen stieß ein leises Jaulen aus und schnappte spielerisch nach ihm. Hör auf, mir diesen Moment zu verderben, sagte er würdevoll und sah Ahren direkt in die Augen, sodass dieser gar keine Wahl hatte, als im treuen Blick seines weißen Wolfes zu versinken. Der Wald wird sich erholen, genauso wie wir.
»Hat dein Wolf dich wieder fest im Griff?«, fragte Khara voller Wärme in der Stimme, und Ahren drehte sich zu seiner Liebsten um.
»Nicht mehr als du, meine Königin«, sagte er verschmitzt und die Schwertkämpferin rollte mit den Augen. Ihre seidigen Haare waren voller Zweige und Blätter und hier und da hafteten noch Reste des weißen Pilzes aus dem Fahlen Band an ihrer Tiefenstahltunika. Die Schwertmeisterin hatte es sich nicht nehmen lassen, gemeinsam mit Ahren die letzten Schritte durch das Dornendickicht des Wutwaldes frei zu hacken, welches Eindringlingen ein erster Wall und eine Warnung war, den Wutwald nicht zu betreten.
»Soll das heißen, dass du seine Ratschläge, nicht zu viel vor dich hinzubrüten, ebenso ignorierst wie die meinen?«, fragte sie lächelnd mit schief gelegtem Kopf, die fein geschnittene Nase auf so aufreizende Art gekräuselt, dass Ahren nicht anders konnte, als auf sie zuzugehen, um sie zu küssen.
Wenn Muai nicht gewesen wäre.
Die Großkatze, die Khara mehr und mehr eine treue Freundin wurde, warf sich regelrecht zwischen sie und rieb demonstrativ schnurrend ihren Kopf an Kharas Brust, während sie Ahren mit ihrem massigen Körper zur Seite schob und ihm einen listigen Seitenblick zuwarf. Ahren stemmte die Hände in die Hüften, ohne dass sein Lächeln seine Lippen verließ, und sagte nur: »Culhen.«
Sofort reagierte der Wolf mit einem triumphierenden Wuffen und sprang am lachenden Paladin vorbei auf Muai zu, die ihm mit einem verspielten Knurren auswich, und schon jagten die beiden Vertrautentiere einander ausgelassen über das weite Grasland. »Jeder von uns scheint froh, den Wutwald verlassen zu haben«, sagte Khara, die sich bei Ahren unterhakte und den zwei riesigen Raubtieren nachsah, die miteinander balgten wie zwei ausgelassene Welpen.
Der Paladin schloss erneut die Augen und richtete sie gen Sonne, um ihre Wärme bis in sein tiefstes Inneres hineinzulassen. »Ich kann es kaum erwarten, hierher zurückzukehren, wenn der Rest des Waldes eines Tages dieselbe Vitalität aufweist wie sein Herz. Wenigstens stehen die Wutelfen nun unter dem Schutz des Althunol und können sich an dessen Quelle ein neues Dasein aufbauen.«
»Ein schöner Gedanke«, sagte eine seidenweiche, melancholische Stimme hinter ihm. Ahrens Lächeln verlor eine Spur seiner Fröhlichkeit, als Lanlion neben ihn trat, und zwar dicht genug, dass die körperliche Kälte des verfluchten Paladins ihn berührte. »Dieser Wald besitzt eine gewaltige innere Kraft, die erst jetzt wieder vollständig erwacht«, sagte er in jener altertümlich klingenden Sprachfärbung, die an seinen jahrhundertelangen Hungerschlaf erinnerte, in dem er zahlreiche Winter als Blutleerer verbracht hatte. »Vielleicht habe ich nach dem Krieg meine Sühne in den Augen der Götter verbüßt und sie schenken mir hier eine friedliche Heimat.«
Ahren runzelte die Stirn und wandte sein Gesicht dem Blutleeren zu. »Mein Angebot steht«, erinnerte er den hochgewachsenen Paladin in seiner dunklen Rüstung, der seine langen, pechschwarzen Haare im Nacken zusammenband und sich die ausladende Kapuze seines ebenso schwarzen Umhangs über den Kopf zog, um seine fahle Haut vor der Sonne zu schützen. »Du kannst gerne beim Althunol bleiben, bis wir die restlichen drei Paladine gefunden haben.«
Lanlion schüttelte bedächtig den Kopf, seine Miene in den Schatten der Kapuze verborgen. »Ich bleibe an deiner Seite«, sagte er leise und deutete auf den schwarzen Hengst Haminul, der unter dem Einfluss des Wutwaldes zu einem Nachtmahr geworden war und in diesem Moment im Sonnenschein voller Energie mit den Hufen scharrte. »Ich habe genug des heiligen Wassers in Haminuls Satteltaschen, um den Hunger in meinem Inneren für viele Monde zu stillen. Außerdem«, der Blutleere zögerte für einen Moment, »erinnert mich dein Wesen daran, was es heißt, ein echter Paladin zu sein. Ich bleibe bei dir.«
Ahren war sprachlos und überwältigt von dem Lob des verfluchten Paladins und so konnte er nur nicken und sein Gesicht wieder der Sonne zuwenden. Dermaßen viele Augen ruhten auf ihm. So viele Hoffnungen. Er dankte den Göttern, dass er mit einer solch loyalen Schar von Freunden gesegnet war, die ihm dabei halfen, die Last des Krieges gegen den Dunklen Gott zu schultern, der jeden Tag mehr Opfer forderte.
Wie auf Befehl brachen nun die übrigen Gefährten ihrer Gruppe nach und nach aus dem Unterholz. »Das nächste Mal findest du weniger Worte zum Abschied«, brummte Falk, der unwirsch die Dornen von seiner schweren Rüstung strich und sich in den Sattel Selsenas schwang, kaum dass das Titejunanwa einen Schritt aus dem Dickicht getan hatte. »Viel besser«, seufzte Ahrens ehemaliger Meister, der die Zeit auf dem Rücken seines geliebten elfischen Streitrosses sichtlich vermisst hatte. In seinem weißen Plattenpanzer auf der ebenfalls gerüsteten Selsena sah er mit seinen kurzen grauen Haaren und dem gestutzten Vollbart wie die Verkörperung einer Legende aus. Jener Legende, die er und die anderen seit Hunderten von Jahren lebenden Paladine in den Augen der Bevölkerung Joraths tatsächlich waren.
»Ich wollte sichergehen, dass die Wutelfen ihre Verteidigung an der Front mit den anderen Armeen koordinieren«, antwortete der aus dem Wald schwebende Uldini auf Falks Rüge. »Es wäre so viel leichter, wenn sie ein richtiges Oberhaupt hätten, so wie jedes vernünftige Volk auf der Welt. Früher hatten sie wenigstens …« Er brach ab, als sein Blick zu Ahren geisterte, der ihm finster entgegenblickte.
»Früher hatten sie Tartak«, beendete Ahren den Satz des kindlich wirkenden Magus mit Bitterkeit in der Stimme. Der Verlust des wutelfischen Botschafters war eine Wunde, die er noch lange mit sich herumtragen würde. Beinahe instinktiv hatten sie das Leben des leidenschaftlichen Mannes dem von Selsena geopfert, als beide zugleich unter den Zwang des Wutwaldes geraten waren und sich selbst verloren hatten. Ahren und seine Freunde hatten nur Zeit und Kraft gehabt, einen der beiden zu retten, und so war die Wahl ohne große Diskussion auf das Titejunanwa gefallen. Auf die wundervolle, gutherzige Selsena, die ihnen allen schon so oft das Leben gerettet hatte und ohne die Falk zweifelsfrei zerbrochen wäre. Aber der Stachel dieser Entscheidung saß tief. Auch wenn Ahren im Laufe seiner jahrelangen Reise kreuz und quer durch Jorath gelernt hatte, die Konsequenzen seiner Taten zu akzeptieren und zu ertragen, ließ seine Menschlichkeit ihn doch oft an den Tod des willensstarken Botschafters denken.
»Er wäre stolz auf das Ergebnis, das wir in den letzten Monden für sein Volk erzielt haben«, ließ sich Jelninolans gütige Stimme vernehmen, bevor die Elfe aus dem Schatten des Waldes ins Licht der Ebene trat. »Schon jetzt gilt er als Held unter den Wutelfen, denn es war seine Fürsprache und Weitsicht, die uns in die Tiefen des Waldes brachte, damit wir dessen Dunkelheit zur Ruhe betten.«
»Du hast zu viel Zeit mit Lanlion verbracht, meine Liebe«, sagte Trogadon, der als letzter der Gruppe den Wutwald verließ. »Du redest schon ganz schwurbelig.«
Jelninolan zog den stämmigen Krieger mit einem mahnenden Blick kraftvoll an seinem kunstvoll geflochtenen Bart, woraufhin dieser schwieg. Ahren erspähte jedoch ein verräterisches, zufriedenes Glitzern in den Augen des Zwerges, während dieser die Elfe an sich zog. Dem jungen Paladin wärmte der Anblick jenes ungleichen Paares, wie es vermutlich noch nie eines auf Joraths Antlitz gegeben hatte, das Herz und ließ ihn den Verlust Tartaks für den Moment vergessen. Auf der einen Seite war da Jelninolan: hochgewachsen, elegant und von einer Aura magischer Macht umgeben, die unbewusst aus ihr heraussickerte wie ein Orkan, den man in eine Flasche zu bannen suchte. Ihre grünbraune Robe bauschte und wogte unter jenen Kräften, während sie liebevoll ihren Zwerg anlächelte, den mit Tiefenstahlfäden verstärkten Kampfstab fest in der rechten Hand, das Bündel mit Mirilan, ihrer Sturmfiedel, griffbereit auf ihrem Rücken. Auf der anderen Seite war da Trogadon: Der kleine, breite Zwerg, der nur aus Willenskraft und Muskeln zu bestehen schien, war wie der Fels in Jelninolans Sturm, unverrückbar und beständig, meist mit dem Lächeln eines unausgesprochenen Schwanks in den Augen, der nur darauf wartete, ausgesprochen zu werden. Und doch sah Ahren den beiden ungleichen Gefährten ihre Liebe selbst in den kleinsten Gesten an. Trogadon spielte in diesem Moment abwesend mit den roten Haaren der Elfe, die gleichzeitig mit sanft zupfenden Fingern die langen, kunstvoll geflochtenen steingrauen Barthaare Trogadons von den Resten des Wutwaldes befreite.
»So dunkel dieser Ort auch war, er hat doch Schönes hervorgebracht«, sagte Khara mit Blick auf die beiden Verliebten. »Ich male mir gerne aus, was für eine Kraft des Guten der Wutwald erst ausstrahlen wird, wenn er vollständig genesen ist.«
»Schluss jetzt«, sagte Uldini entschieden und schwebte vor die Gruppe. »Ihr seid ja rührseliger als eine Horde Bundjungfern.« Die schwarze Robe mit den Goldfäden an den Säumen und die Kristallkugel in seiner Hand verliehen dem Obersten der Alten in der Sommersonne ein majestätisches Aussehen.
»Wir sind nur glücklich, nie wieder Wurmfleisch und Insektenbrei essen zu müssen«, sagte Ahren grinsend. »Und so wie du Flammenstern in den Himmel reckst, freust auch du dich über die Sonne.«
Uldini ließ die Hand mit dem schwach glimmenden Fokus verstohlen sinken und zuckte mit den Achseln. »Für mich waren die letzten Monde in diesem Wald wie eine Zeit des ständigen Hungerns«, verteidigte er sich. »Ich musste mir praktisch jeden Zauber mühsam zusammenkratzen.«
Jelninolan lachte. »Hast du mir nicht gestern noch erzählt, der Wald hätte dich Sparsamkeit gelehrt? Dass du nun mit weniger Magie mehr erreichen kannst?«
»Das bedeutet trotzdem nicht, dass mir diese unfreiwillige Lektion gefallen hat«, murrte Uldini. »Ich werde nie wieder einen Ort so fern ab der Sonne aufsuchen.«
»Mögen die Götter dich erhören«, sagte Falk, der der tänzelnden Selsena den Hals durch das schützende Kettengeflecht ihrer Panzerung tätschelte.
Uldini ließ Flammenstern mit einer spielerischen Geste über seinem Kopf kreisen, bis die Kristallkugel nordöstlich von ihm schweben blieb. »In dieser Richtung ruht der oder die nächstgelegene Alte unter dem Bann des Spiegelzaubers«, sagte er. »Da wir eh zur Front wollen, schlage ich vor, wir reiten in diese Richtung, dann kann ich mir vor Ort ein Bild von der Stabilität des Zaubers machen, der die Bannwolke eindämmt.«
Ahren runzelte die Stirn und drehte sich nordwärts. Bisher hatte er es bewusst vermieden, sein Gesicht in jene Richtung zu wenden, doch nun tauchte in seinem Blickfeld das brodelnde Monstrum aus Schwärze und Rauch auf, welches sich mehrere Längen bis in den Himmel über ihnen erstreckte. Von Ahrens Position aus, wo die sanften Hügel des grasigen Landes den Verteidigungsring der Völker Joraths verdeckten, wirkte es so, als wäre Jorath der Dunkelheit des in ihr lauernden Bösen schutzlos ausgeliefert.
Ahren ballte die Fäuste. »Brechen wir auf«, sagte er und stellte sich neben Uldini. »Es wird Zeit, der Welt zu verkünden, dass selbst der Wutwald uns nicht in die Knie zwingen konnte.«
»Bist du sicher, dass du nicht doch lieber ein Barde statt eines Paladins sein willst?«, warf Falk spitzbübisch ein.
»Lass ihn in Ruhe«, sagte Khara, und Ahren warf ihr einen dankbaren Blick zu, bis sie neckend weiterredete. »Ich bin froh, dass er mal nicht vor sich hin grübelt oder haarsträubende Ideen ausbrütet, die uns alle in Gefahr bringen.«
»Oder dass er kein neues Loch im Kopf hat«, sprang Uldini ihr bei.
»Oder er in Selbstzweifeln versinkt«, steuerte Trogadon grinsend seinen Teil zur Neckerei bei.
Ahren drehte die Augen gen Himmel. »Warum, ihr Götter?«, murmelte er gerade laut genug, dass alle ihn hören konnten. Dann schritt er unter dem gutmütigen Gelächter seiner Freunde los, deren gute Laune ihn vorwärtstrieb wie ein aus Liebe und Lachen gewobener Rückenwind.
Am späten Nachmittag winkte Falk Ahren und den anderen von einem hohen Hügel aus zu, auf den er mit Lanlion geritten war. Die kräftige Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel auf die beiden Paladine und ihre Reittiere herab, die ungeduldig mit den Hufen scharrten. Selsena und der Nachtmahr kamen zunehmend besser miteinander aus, und Ahren hatte den Eindruck, als würde sich der schwarze Hengst in der Nähe des Titejunanwa mehr und mehr an jenes vergangene Selbst erinnern, als das er einst durch die Wälder des Immergrüns gestreift war.
»Ho, hierher«, rief Falk mit Staunen in der Stimme. »Kommt alle hier hoch! Ich verspreche euch, der Anblick lohnt sich.«
Während Uldini flink die Steigung hinaufschwebte, keuchte Trogadon neben Khara und Jelninolan, der seine Mühe hatte, mit den langen Schritten der anderen mitzuhalten. »Wehe, er hat keinen guten Grund, uns da hochzuschicken«, schnaufte er.
»Die Bewegung tut dir gut«, sagte Jelninolan streng. »Du hattest zu viel Wurmschnaps in den letzten Wochen. Vor zwei Monden hättest du diesen Hügel noch gemeistert, ohne dass dein Atem dabei wie ein kaputter Schmiedebalg geklungen hätte.«
Trogadon zuckte schuldbewusst zusammen und keuchte wortlos weiter.
»Er ist wirklich etwas weich um die Hüften geworden, oder?«, fragte Khara Jelninolan leise.
Diese nickte und flüsterte verschwörerisch: »Zufriedene Zwerge werden schneller dick. Aber das treibe ich ihm schon wieder aus.«
»Was denn genau? Die überflüssigen Pfunde oder die Zufriedenheit?«, raunte Ahren mit einem Glucksen in der Stimme.
»Mal sehen«, sagte Jelninolan nur und warf dem sich abmühenden Trogadon einen funkelnden Seitenblick zu.
»Glaubt nur nicht, dass ich nicht weiß, was ihr da über mich redet«, schimpfte der. »Schämt euch, dass ihr euch über den mit den kürzesten Beinen lustig macht.«
»Dafür hast du das breiteste Kreuz«, sagte Ahren achselzuckend. »Und für die vielen Schnäpse, die an deinen Hüften zerren, bist du selbst verantwortlich.«
Trogadon antwortete nicht, sondern verzog sein Gesicht zu einer Grimasse der Entschlossenheit und beschleunigte seine Schritte, bis er leise grummelnd vor ihnen her stapfte.
»So liebe ich meinen Zwerg«, sagte Jelninolan laut, und Ahren konnte sehen, wie sich der Rücken Trogadons bei diesen Worten versteifte und er noch an Tempo zulegte, sodass er weit vor ihnen auf dem Hügel ankommen würde. Die Elfe legte verschwörerisch einen Finger auf die Lippen und summte dann kaum hörbar eine leise Melodie. Sofort kam ein leichter Wind auf, der ihr, Ahren und Khara in den Rücken blies und ihnen den Aufstieg erleichterte. Als sie kichernd wie die Göttertagsschüler zu Trogadon aufschlossen, beschleunigte der seine Schritte noch einmal, und als sie schließlich Falk und Lanlion erreichten, rannte Trogadon beinahe.
Uldini beäugte die amüsierten Gesichter der drei sowie den rotbäckigen schnaufenden Zwerg. »Was habt ihr schon wieder getrieben?«, grummelte er. »Es war doch nur ein einfacher Hügel.«
»Seht«, sagte Falk mit Stolz in der Stimme, bevor Ahren antworten konnte, und deutete auf das Land im Nordosten. »Seht, was wir erreicht haben.«
Ahren konnte nur staunen und starren, während ihm die Tränen in die Augen traten. Er spürte, wie Kharas Hand sich in die seine stahl.
»Wunderschön«, hauchte der keuchende Trogadon gerührt, und Uldini strahlte geradezu vor Selbstzufriedenheit. Selsena umspülte sie alle mit einer Woge des Glücks, und für diesen einen Moment war Ahrens Herz voll tiefem Frieden. Vor ihnen erstreckte sich der Verteidigungsring der vereinten Völker, der in keiner Weise dem traurigen Feldlager des letzten Winters glich, welches einen kümmerlichen Graben beschützt hatte. Geordnete Reihen aus hölzernen Baracken standen in sicherer Entfernung hinter einer gut zehn Schritt hohen und vier Schritt dicken Mauer zwergischer Bauart. In regelmäßigen Abständen wurde das Bollwerk von massiven, wenn auch recht niedrigen Verteidigungstürmen verstärkt, welche sich teilweise noch im Bau befanden. Ahren sah mächtige Flaschenzüge, ganze Kolonnen an Arbeitern und Berge an Baumaterial, die davon kündeten, dass die Zwerge mit ihrem Werk noch lange nicht am Ende waren. Bis der Winter sich erneut über die Welt legte, hätten die Baumeister aus Tausend Hallen den Verteidigungsring um die gezähmte Bannwolke in eine riesige Festung verwandelt, die noch in tausend Wintern von den hier geschlagenen Schlachten künden würde.
Ein leises Wuffen und das Geräusch von zwei heranstürmenden Tieren signalisierten die Rückkehr von Culhen und Muai. Wenn Ahren ihre blutverschmierten Mäuler richtig deutete, hatten die zwei gemeinsam gejagt.
Das ist doch mal ein Anblick, der Mut macht, sagte Culhen mit heraushängender Zunge, als er mit Muai auf der Hügelkuppe zum Stehen kam. Er drehte den Kopf in Ahrens Richtung. Was ist das für ein Gefühl, zu wissen, dass wir dies alles, was du da unten siehst, erst möglich gemacht haben?
Ahren kraulte den Wolf unter dem blutigen Kinn. Als ob du das nicht längst weißt, sandte er dem Tier zu.
Natürlich kann ich spüren, was du fühlst, erwiderte das Tier bohrend. Aber ich will es dich sagen hören.
Ahren lächelte gequält. Zufriedenheit. Stolz. Und Frieden. Die Männer und Frauen werden hinter dieser Mauer deutlich sicherer sein, als sie es bisher gewesen sind.
»Sie bauen Drachenbögen«, sagte Trogadon in die Stille hinein und deutete mit einem schwieligen Finger auf eine Gruppe Zwerge, die an einer der gewaltigen Armbrüste herumhämmerten, die halb fertig hinter einem der Türme im Gras lag. »Kamkanzakur gibt keine halben Versprechen. Dieser Festungsring wird der Albtraum eines jeden Dunkelwesens.«
»Warum ist mir gerade nach Singen zumute?«, fragte Falk mit brüchiger Stimme.
»Weil dies einer jener kostbaren Momente ist, in denen man die eigenen Mühen, die so viel Blut und Tränen gefordert haben, geradezu greifen kann«, sagte Uldini voller Stolz. Dann deutete er die Front entlang gen Norden. »Sehe ich dort hinten den Strahl eines Lichtspiegels?«
Khara kniff die Augen zusammen und strich Muai geistesabwesend über ein plüschiges Ohr, was die Tigerin schnurren ließ. »Verdiene dir dein Essen und sag mir, ob Uldini sich täuscht.« Einige Herzschläge später wandte sie sich an Ahren und den Rest der Gefährten. »Sie sagt, das Licht kommt von einem befestigten Hügel, und zwar aus einer Art Steindom heraus.«
»So wie ich den Zwergenkönig kenne, hat er einfach steinerne Schutzwälle um die schlafenden Alten herumgemauert«, sagte Falk und rieb sich dabei den Bart. »Was sagt ihr dazu, wenn wir zunächst durchs Hinterland reiten und erst an diesem Magierdom zur Grenze stoßen? Dadurch könnten wir das Aufsehen vonseiten des Widersachers minimieren.«
Uldini seufzte. »Ich denke, er weiß ganz genau, wo wir sind, dafür sind wir ihm zu nahe. Aber schaden kann es nicht, zumal wir durch diesen Kurs ein paar Tausend Soldaten umgehen würden, die uns mit ihren Begeisterungsstürmen nur aufhalten würden.«
»Schäm dich, Uldini Getobo«, sagte Jelninolan streng. »Diese tapferen Seelen halten seit vielen Monden eine Armee aus Dunkelwesen für uns in Schach und du willst dich vor ein wenig Bewunderung drücken?«
Ahren rieb sich über den Nacken und deutete zur Front. »Wir reiten zu den Soldaten«, sagte er entschieden. »Wenn der Dunkle Gott sowieso weiß, dass wir hier sind, können wir den Truppen auch ein wenig Mut spenden.«
Uldini seufzte. »War ja klar«, murrte er. »Dann bringen wir es wohl besser hinter uns.«
Der Lärm war ohrenbetäubend. Keine hundert Herzschläge, nachdem der erste Kundschafter der Verteidigungsarmee die herannahenden Paladine und Alten erspäht hatte, war der Abschnitt des Verteidigungsrings, auf den Ahren und seine Freunde sich zu bewegten, in heller Aufregung. Es wurde gerufen, geklatscht, gepfiffen und schließlich in eilig herbeigeschaffte Fanfaren gestoßen, als ob es kein Morgen gäbe. Eine Flut von bewaffneten Männern und Frauen aller verbündeten Reiche umringten die Gefährten in Windeseile. Nur von Lanlion und seinem Nachtmahr wurde Abstand gehalten, nachdem die ersten tastenden Hände gespürt hatten, wie unnatürlich kalt der Körper des verhüllten Fremden war. Während Falk auf Selsena und Uldini aufgrund seines Schwebezaubers regelrecht aus den begeisterten Soldaten herausragten, war Ahren gemeinsam mit Khara, Jelninolan und Trogadon mittendrin im Pulk aus begeisterten Verteidigern. Der junge Paladin sah in lachende Gesichter und wurde von schwieligen Händen in verschiedene Richtungen gezogen und mit Segenswünschen überhäuft. Mehr als eine Träne lief über die Wangen selbst kampferprobter Gestalten, die nicht fassen konnten, dass der dreizehnte Paladin zu ihnen gekommen war. Im Hintergrund hörte Ahren jene Lieder, die Uldini durch die Barden hatte verbreiten lassen. Culhen war zunächst hocherfreut, als die Soldaten seinen Namen sangen, bis er bemerkte, dass die Strophen von Der Junge und sein Wolf vor allem Ahrens Heldenmut priesen. Sie erzählten, wie er einen Blutwolfwelpen rettete und dann ‚die garstig’ Bestie zähmte‘, ‚ihrer Blutgier Einhalt gebot‘ und schließlich ‚ein willfährig’ Diener in ihr fand.‘
Ich hätte nicht übel Lust, jemanden zu beißen, grantelte er in Ahrens Gedanken und schob einen überenthusiastischen Soldaten einfach mit seiner Schnauze zur Seite. Und wenn Uldini für diese Strophen verantwortlich ist, weiß ich auch schon, wen.
Ahren musste ein Grinsen unterdrücken, während er seinem gereizten Wolf einen Arm über die Schultern legte. Ich bin sicher, Uldini hatte mit den eigentlichen Liedtexten nichts zu tun, beruhigte er seinen Freund. Er hat nur die Barden angewiesen, neue Weisen zu verfassen, und die haben den Inhalt aus ausgewählten Bruchstücken der Wahrheit zusammengesetzt und mit einer Menge Fantasie aufgefüllt, so wie sie es immer tun.
Das will ich für ihn hoffen, antwortete der Wolf sauertöpfisch, als die Verteidiger dazu übergingen, Der Waldläufer und die Kriegerprinzessin anzustimmen und Kharas Augen immer schmaler wurden, als sie hörte, was da über sie gesungen wurde.
»Du hast mich also mit deinem ‚grenzenlosen Charme aus dem Palast gelockt‘ und mich ‚mit deinen hehren Idealen überzeugt, der Selbstsucht abzuschwören‘, damit ich ‚meinem tapferen Volk zu Hilfe eil‘, ja?«, zischte sie gereizt in Ahrens Ohr.
Dem Waldläufer wurde ganz heiß, da er nun einen ungehaltenen Culhen rechts von sich und eine aufgebrachte Schwertmeisterin links von sich hatte. »Uldini, sag ihnen, die sollen mit der Singerei aufhören«, bat er Uldini verzweifelt. »Sie haben bald nichts mehr zu preisen, weil Khara das, was von mir übrig bleibt, wenn sie mit mir fertig ist, anschließend an Culhen verfüttert.«
Der Alte grinste jedoch nur und schien jeden Herzschlag vollends zu genießen, während er sicherheitshalber ein Stück von den beiden wütenden Gefährten weg schwebte.
»Oh, jetzt kommen die Zwerge dran«, freute sich Trogadon und wog nachdenklich seinen Hammer, während er in Ahrens Richtung sah, als Die Rettung der Tausend Hallen aus den Kehlen der Soldaten und Soldatinnen ertönte. »Ich hoffe für dich, dass mein Volk in dem Lied besser wegkommt als deine Freunde.«
»Ich will nur noch hier weg«, brummelte Ahren, der bitterlich bereute, sich den Truppen präsentiert zu haben. Glücklicherweise hatte Uldini den Barden wohl eingetrichtert, dass die Heldenlieder die Vorzüge der einzelnen Armeen herausheben sollten, also war mehr als genug Lob für die tapferen Zwergenkrieger zu hören, die ihre Hallen mutig und zäh mithilfe der Paladine verteidigt hatten. Ahren vernahm, wie viele der anwesenden Zwerge mitsangen, und als sein Blick den von Uldini traf und der ihm selbstgefällig zunickte, war Ahren klar, dass der Plan des intriganten Magiers aufgegangen war: Indem die Paladine, insbesondere Ahren, in jedem der Lieder auf ein Podest gestellt wurden, band jeder enthusiastisch gesungene Vers die Soldaten enger an den Kampf der Streiter der Götter gegen den Widersacher. Und da gleichzeitig die Vorzüge der einzelnen Völker in die Strophen mit eingebunden worden waren, wuchs das Verständnis und die Bewunderung für die Taten der jeweils anderen Kultur mit jeder Wiederholung der eingängigen Weisen.
Es folgte ein Lied über den Kampf um Hjalgar und die Auslöschung der Kentauren, dann eines über die Eherne Stadt und ihre Bewohner und schließlich sogar eines für die Paladine selbst. Die Streiter der Götter war ein derart von Pathos und Beweihräucherung durchzogenes Werk, dass Ahrens Wangen glühten und er sich wunderte, dass die Soldaten nicht erwarteten, dass ihm, Falk und den restlichen Paladinen Lichtstrahlen aus Augen, Ohren und anderen Körperöffnungen quollen.
»Ihr Götter, macht, dass das aufhört«, stöhnte Khara, aber da fingen die Soldaten einfach wieder von vorne an, kaum dass die Gefährten zwei Längen weit gekommen waren.
»Falk!«, brüllte Ahren über die lautstarke Menge in Richtung seines ehemaligen Meisters. »Besorg uns Pferde, damit wir hier wegkommen. Wenn Culhen noch einmal hört, dass ich ihn angeblich ‚im Zweikampf niederrang‚ bis sein’ Ruchlosigkeit brach‘, gibt es ein Unglück.«
Ich werde den nächsten Barden fressen, den ich zwischen die Pfoten bekomme, versprach Culhen indes düster, und Ahren glaubte ihm jedes Wort.
Glücklicherweise hatte Falk bald eine Handvoll Pferde organisiert und so kamen sie schneller voran, nachdem sie die Tiere aus der Menge herausgeführt und einige Hauptmänner gebeten hatten, für ein Minimum an Disziplin zu sorgen. Breit lächelnd und winkend ritten die Gefährten nun an den sich begeistert zusammendrängenden Truppen entlang, schnell genug, dass sie nur noch Liedfetzen hörten, aber langsam genug, dass alle Männer und Frauen, die ihr Leben für Jorath riskierten, einen schönen langen Blick auf ihre Helden ergattern konnten.
»Du weißt, dass du spätestens am Magierdom eine Rede halten musst, oder?«, fragte Khara spitzbübisch in Ahrens Ohr, woraufhin sie ihm zu den Klängen von Der Waldläufer und die Kriegerprinzessin einen demonstrativen Schmatzer auf die Wange drückte, was vor allem die anwesenden Soldaten aus dem Ewigen Reich entzückte.
Ahren zuckte regelrecht unter ihren Worten zusammen und seufzte dann bitterlich. »Sind wir sicher, dass wir nichts im Wutwald vergessen haben?«, fragte er in die Runde und sah sich dabei flehend um. »Ich persönlich hätte keine Probleme damit, noch einmal umzukehren. Vielleicht für ein, zwei Monde oder so?«
Kharas Gefühl hatte sie nicht betrogen. Als die aus dicken, vermörtelten Steinen bestehende Kuppel des Magierdoms in Sicht kam, standen dort Tausende Soldaten bereits ordentlich in Reih und Glied bereit, um sie zu empfangen. Sie schmetterten die Ode an die Streiter der Götter in den Himmel hinaus, und Ahren konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Uldini in dem ganzen Durcheinander ihrer Ankunft einen Boten vorausgesandt hatte, um ihr Kommen anzukündigen. Da die Dämmerung langsam einsetzte, war der gleißende Lichtstrahl, der aus dem Steindom hervorbrach und sich im Dunkel der Bannwolke verlor, sehr deutlich zu sehen, denn er tauchte die massige Mauer mit den halbfertigen Türmen und den Bergen an Baumaterial in ein unwirkliches, weißliches Licht. Die erwartungsvollen Soldaten wirkten in diesem Schein wie eine Armee aus Geistern, halb aus Licht und halb aus Erinnerungen gewoben.
Das sagst du ihnen gleich aber nicht, ermahnte ihn Culhen verschmitzt, dessen Laune sich besserte, je nervöser Ahren aufgrund der bevorstehenden Ansprache wurde.
Danke für den Hinweis, gab Ahren sarkastisch zurück. Aber kommt dir dieses Licht nicht auch seltsam vor? Es wirkt so viel intensiver und kälter als jenes, welches vom Althunol aus durch den Spiegel geleitet wird.
»Ist das normal?«, fragte in dem Moment bereits Trogadon den neben ihnen herschwebenden Uldini und deutete mit dem Kinn auf den blendenden Lichtstrahl.
Der Magus runzelte die Stirn. »Je näher wir kommen, umso gleißender wird es«, sagte er, und Ahren entging nicht die Beunruhigung in der Stimme des Alten. »Ahrens Rede wird warten müssen. Ich werde sofort diesen Magierdom aufsuchen.«
Der junge Paladin tauschte einen besorgten Blick mit den anderen Gefährten. Als Lanlion Haminul neben Uldini lenkte und die beiden Erschaffer des Spiegelzaubers hektisch zu tuscheln begannen, wurde Ahren flau in der Magengegend.
»Immer schön weiterlächeln und winken«, ermahnte Falk die kleine Gruppe leise. »Diese Soldaten sind überaus froh, uns zu sehen, und wir wollen sie doch nicht damit belasten, dass der Oberste der Alten um genau jenen Zauber bangt, der uns alle vor der Dunkelheit der Bannwolke beschützt.«
»Danke«, antwortete Ahren trocken. »Jetzt ist mir wirklich nicht mehr nach Lachen zumute.«
Die restliche Strecke durch die jubelnde, singende Menge der Verteidiger war für Ahren eine Qual. Er verstellte sich, so gut es eben ging, während er ständig verstohlen zu Lanlion und Uldini hinübersah. Die beiden waren vollkommen in ihrem leisen Diskurs versunken und ihre Mienen sprachen Bände: Was auch immer hier vor sich ging, es war nicht das, was sie erwartet hatten.
***
Die aufkommende Panik dieses impertinenten Tölpels Uldini war wie ein köstlicher Weckruf, der Ihn aus seinem Dämmerzustand riss. Noch immer war der Bannschlaf der letzten Jahrhunderte ein Hemmschuh, den Er nicht ganz abstreifen konnte, so sehr Er sich auch bemühte. Tage, Wochen, gar Monde verstrichen, ohne dass Er den Fluss der Zeit richtig bemerkte. Mal konnte Er seine Pläne mit der Präzision und Schnelligkeit verfolgen, die ihm als Gott zustand, und mal vegetierte Er vor sich hin wie ein vergessener Schemen in einer lichtleeren Höhle, eingesperrt in einem Gefängnis, das Ihm wertvolle Zeit stahl. Doch nun stand der Moment bevor, da Uldini erkannte, dass er mit einem Fuß in der Falle stand – und dessen Furcht ließ Ihn schlagartig die Augen aufreißen.
»Macht euch bereit«, sagte der Widersacher und deutete mit dürren, von schwarzen Fetzen umhüllten Armen in die brodelnde Nacht der Bannwolke hinaus. Die Vorfreude des Dunklen Gottes wuchs mit jedem verstreichenden Augenblick. »Bald wird eure Zeit kommen, meine Kinder.«
Fünf Schemen huschten davon, jeder von ihnen einzigartig und doch im Innersten eins.
2. Kapitel
»Hier entlang, Herr«, sagte der ernst dreinblickende Zwerg, der die gedrungene, schmale Pforte des Steindoms bewachte.
Ahren erinnerte die schlichte, sehr kleine Öffnung an den Eingang zu einer Grabkammer und er konnte ein schweres Schlucken nicht unterdrücken. Hinter ihnen sangen noch immer die begeisterten Soldaten, doch vor ihnen erhob sich die Steinkuppel des Magierdoms wie eine kleine Version jenes Baus, in dem Chimera im Wutwald auf sie gewartet hatte. Nur dass aus diesem aus schwerem Stein errichteten Gebäude ein derart blendendes Licht hervorbrach, dass es Ahren unmöglich war, aus dieser Nähe auch nur in dessen Richtung zu blicken. Irgendetwas an diesem Strahl gleißender Helligkeit beunruhigte ihn instinktiv, so als würde er etwas erblicken, das eigentlich vor der Welt verborgen bleiben sollte.
»Schnell, Uldini«, drängte Jelninolan von hinten, und Ahren zuckte unter der Sorge der Elfe zusammen, die anscheinend einen düsteren Verdacht hatte, was hier vor sich ging.
Der zwergische Wächter ging ihnen voraus in einen von scharfen Schlagschatten erfüllten Korridor hinein, der teils grell erleuchtet und teils unheilvoll dunkel war. Ahren fragte sich mit einem mulmigen Gefühl, was sie im Inneren des Bauwerks vorfinden würden.
»Dieses Licht verhält sich nicht natürlich«, murmelte Khara und legte ihre Hand auf den glatten Stein der eng beieinanderstehenden Wände des gedrungenen Ganges, durch den sie sich im Gänsemarsch bewegten. »Es scheint in der Entfernung nicht weicher zu werden oder sich wie gewohnt auszubreiten. Teile meiner Hand sind geradezu schmerzhaft hell zu erkennen, während andere in komplette Dunkelheit getaucht sind.«
»Es folgt anderen Regeln«, sagte Jelninolan traurig, und Uldinis Kopf ruckte zu ihr herum. Ahren sah, wie der Blick der beiden Alten sich verschränkte und die Elfe einmal nickte.
»Schneller, guter Zwerg«, forderte Uldini tonlos, und der Wächter beschleunigte seinen Schritt.
Lanlion seufzte und schlich hinter Uldini her wie der Schatten eines beschämten Lehrlings, der bei seinem Meisterstück versagt hatte.
All die ominösen Blicke und Seufzer gefallen mir gar nicht, sagte Culhen, der es schließlich aufgab, sich in den schmalen Gang quetschen zu wollen. Ich warte hier draußen mit Selsena und Haminul. Wir halten so lange Wache, fügte er so würdevoll wie möglich hinzu, und Ahren war dem Wolf für das kleine Lächeln dankbar, welches die Eitelkeit des Tieres ihm entlockte. Er warf ihm einen Schulterblick zu und sah, wie Muai provozierend an dem Wolf vorbeischlich und ihm ihren Schwanz ins Gesicht schlug, während sie mühelos durch den Gang glitt. Vor sich hörte Ahren Khara leise kichern.
»Es ist, als wollten unsere Tiere einen mit ihren Marotten in den unmöglichsten Momenten erheitern, oder?«, fragte sie ihn leise.
Muai grollte unwillig, bevor Ahren antworten konnte, und Khara verzog verspielt das Gesicht. »Oh je«, flüsterte sie verschwörerisch. »Für diesen Kommentar will sie später einen dicken Fisch haben.«
»Sie will doch immer Fisch haben«, gab Ahren grinsend zurück. »Seit sie mit Culhen unterwegs ist, hat sie seine Verfressenheit angenommen.«
»Zu ihrer Verteidigung: Sie bewegt sich jetzt auch viel mehr als damals im Himmelspalast …«, begann Khara, als Falk sie unterbrach.
»Wir sind gleich da«, sagte er nur.
Ahren konzentrierte sich wieder auf ihre Umgebung, dankbar, dass das kleine Geplänkel rund um ihre Vertrautentiere ihn abgelenkt hatte. Der Korridor war wie ein kleines Labyrinth angelegt worden. Erinnerungen an die Abwehranlagen des Silbernen Kliffs stiegen in Ahren auf. Dann sah er das Ende des Ganges und er senkte sofort seine Augen, um nicht geblendet zu werden. Das Licht des Zaubers schien wie ein Pfeil auf sie zuzuschießen und regelrecht von den Wänden abzuprallen.
»Nicht direkt hineinsehen«, warnte Jelninolan sie. »Unsere Augen würden das nicht verkraften.«
»Ich helfe«, sagte Lanlion, und Ahren hörte ihn einmal tief und kräftig atmen. Sofort breitete sich eine matte Düsternis aus, die das gleißende Licht abschnitt und wie ein fernes Echo verblassen ließ. Ihr Zwergenführer drehte sich stirnrunzelnd zu dem blassen Paladin um, sagte jedoch nichts.
»Sehr gut«, sagte Uldini wohlwollend, und Ahren erkannte im Zwielicht, wie der Erzmagus prüfend die Augen zusammenkniff, als er hinter dem Wächter die kreisrunde Kammer betrat.
»Ist das etwa vertrocknetes Gras auf dem Boden?«, fragte Trogadon, der ungeduldig am Ende der Gruppe stand und neugierig an ihnen vorbei spähte.
»Wir haben Anweisungen, die Alten in ihren Domen nicht zu bewegen«, sagte der Zwergenwächter höflich. »Also haben wir entsprechend gehandelt und den Bereich um sie herum unangetastet gelassen.«
Ahren trat in den kuppelartigen Raum, der kaum fünf Schritt durchmaß und glitt ein Stück zur Seite, damit Falk und die übrigen ebenfalls hereinkommen konnten. Der Boden bestand tatsächlich aus niedergetrampeltem, verwelktem Gras und in der Mitte der Kammer lag eine ihm unbekannte Frau auf dem Boden. Sie war in ein erdbraunes Gewand gehüllt, welches unter einer dicken Wolldecke hervorlugte, die über die Frau gebreitet worden war, wohl, um ihr Wärme zu spenden. Das Gesicht der Alten war entspannt, aber verhärmt, und Ahren schätzte sie auf knapp vierzig Winter, wobei er wusste, dass das Äußere einer Alten nichts über die Anzahl ihrer Lebensjahre verriet. Vor der Frau stand ein mannshoher, schnörkelloser Metallspiegel, aus dem das Licht des Althunol hervorbrach und durch einen schmalen Schlitz in der Wand gen Bannwolke verschwand. Ahren sah, dass Lanlions Düsternis den Strahl als solches nicht zu beeinträchtigen schien.
»So sieht also der provisorische Fokus aus, den Akkad für diesen Zauber erschaffen hat«, sagte Uldini mit zusammengekniffenen Augen, während er näher heranschwebte.
»Er wirkt ein wenig unstofflich«, sagte Trogadon kritisch.
Ahren blickte genauer hin. »Für mich sieht das wie normales Metall aus«, warf er ein.
»Weil du kein Zwerg bist«, sagte der Krieger und strich sich über den geflochtenen Bart. »Ich kann durch dieses magische Trugbild geradezu hindurchsehen.«
Jelninolan warf ihm einen Seitenblick zu, eine Augenbraue emporgezogen. »Wirklich?«
»Na ja, zumindest spüre ich, dass dieses Material nicht natürlichen Ursprungs ist«, fügte der Schmied hinzu.
»Und?«, fragte Falk in Richtung Uldini und Lanlion. »Was ist nun mit dem Zauber?«
Uldini hielt Flammenstern in den gleißenden Lichtstrahl und brummte: »Die gute Nachricht ist, der Zauber tut, was er soll, und das ohne Einschränkung.«
»Warum will ich nicht hören, was er gleich sagen wird?«, fragte Khara besorgt.
»Es ist der Althunol, der uns Sorgen bereitet. Er tut, was in seiner Natur liegt«, sagte Lanlion an Uldinis statt. »Seine Macht vermag es, Sterbliche über ihre eigenen Grenzen hinauszutragen und das tut er auch mit den Alten.«
»Geht das etwas genauer?«, fragte Falk.
»Als wir vom Wasser des Althunol tranken, nahm er uns jegliche Müdigkeit und Erschöpfung«, erklärte Jelninolan. »Es war wie flüssiger Mut, die Essenz des Durchhaltewillens der Göttin.« Sie deutete auf die schlafende Frau. »Sämtliche Alten außer Uldini und mir liegen nun im Zauberschlaf und sind mit dem Althunol verbunden. Er bringt sie dazu, die Grenzen ihrer Macht zu sprengen, um diesen Zauber aufrechtzuerhalten.«
»Koste es, was es wolle«, flüsterte Lanlion in die folgende Stille hinein.
»Moment«, sagte Ahren mit einem irritierten Blinzeln. »Soll das heißen, dieser Zauber tötet langsam, aber sicher alle Alten außer euch beiden?«
Uldini nickte finster. »Entweder wir lösen den Zauber auf und lassen die Bannwolke frei oder der Zauber braucht nach und nach die Lebenskraft der Alten auf.«
»Wie lange noch?«, fragte Falk müde.
»Eher Monde als Wochen«, sagte Jelninolan beruhigend. »Der Prozess geht äußerst langsam vonstatten.«
Ahren glitt für einen Moment in den Kopf Culhens, schmiegte sich in Gedanken an den Geist seines treuen Freundes, der ihm das Bild eines Wolfsrudels auf einem gefährlichen Bergpfad schickte. Ein falscher Schritt konnte den Tod bedeuten, doch am Fuße des Berges lockte ein idyllischer Wald.
Danke, sandte Ahren ihm zu.
»Wie halten wir den Prozess auf, ohne die Bannwolke wieder freizugeben?«, fragte er Uldini mit fester Stimme.
»Ich weiß nicht, ob das möglich ist …«, begann der Erzmagus.
»Findet einen Weg«, sagte Ahren bestimmt. »Irgendeinen.« Er deutete in Richtung des Verteidigungsrings auf die Wand hinter ihm. »Diese Befestigungsanlagen da draußen sind nutzlos, wenn die Wolke wieder zu wachsen beginnt.«
Uldini sah von Lanlion zu Jelninolan. Die Zweifel in seinen sonst so selbstsicheren Augen stachen Ahren tief ins Herz. »Vorschläge?«, fragte er leise.
»Kommt«, hörte Ahren an seinem rechten Ohr die leise Stimme Falks, während der alte Paladin ihm, Khara und Trogadon signalisierte, den Raum zu verlassen. »Lassen wir die drei besser allein. Wir werden die nun folgende Debatte über Magie ohnehin nicht verstehen und hier drinnen ist es für meinen Geschmack zu eng und zu unheimlich.«
Ahren und die anderen folgten dem grauhaarigen Paladin, und je lauter der Gesang der auf sie wartenden Soldaten wurde, umso mehr fragte Ahren sich, was sie wohl sagen würden, wenn sie wüssten, in welcher Lage sie sich wirklich befanden.
»Zuversicht und Hoffnung«, flüsterte Falk ihm zu, als Ahren sich gemeinsam mit seinem ehemaligen Meister, Khara und Trogadon auf die Verteidigungsmauer stellte und den jubelnden Soldaten zuwandte. »Das ist es, was sie von dir hören wollen.«
Muai und Culhen flankierten die drei mit würdevollen Posen, als gingen sie davon aus, dass der Jubel größtenteils ihnen galt und die Paladine sowie die Kriegerprinzessin nur schmückendes Beiwerk waren. Wären Selsena und Haminul nicht in einem gemütlichen Stall untergebracht worden, wäre hier oben wahrscheinlich vor lauter selbstbewussten Vertrautentieren gar kein Platz mehr gewesen.
Ahren atmete tief durch, als die Hauptleute am Fuße der Mauer nach und nach für Ruhe sorgten, und sein Blick glitt über die Soldaten, die dicht an dicht und bestimmt über hundert Reihen weit auf dem festgestampften Boden standen und erwartungsvoll emporblickten. Das Licht aus dem Magierdom beleuchtete ihre Gesichter und warf unwirkliche Schatten mitten unter die wartenden Verteidiger, sodass es Ahren vorkam, als würden neben den Lebenden auch die Schatten der Gefallenen auf das warten, was sie zu sagen hatten.
»Soll ich anfangen?«, fragte Falk leise und Ahren nickte dankbar. Entschlossenheit zu zeigen, fiel dem jungen Paladin mittlerweile leicht, aber diese Männer und Frauen zu belügen, um ihnen den Mut nicht zu rauben, erforderte eine Kaltblütigkeit, die er nur schwer aufbringen konnte.
»Soldaten!«, schmetterte Falk so laut hervor, dass Ahren beinahe zusammengezuckt wäre.
Aua, kommentierte Culhen die Lautstärke des alten Mannes. Meine armen Ohren.
»Leider sind wir Paladine und Alte zu wenige, sonst würden wir Lobeslieder über euch singen, sodass der ganze Himmel erzittert!«, brüllte Falk in die Menge. Sofort erhob sich aus den Versammelten ein Triumphschrei, den Ahren bis in seine Knochen spüren konnte. Falk zwinkerte ihm verschwörerisch zu und wartete, bis die Menge sich beruhigt hatte, dann fuhr er fort. »Hier, an dieser Mauer, die den Feind eingekesselt und in einen steinernen Würgegriff genommen hat, werden wir den Widersacher aufhalten!« Er zog sein Schwert und hob es in den Himmel. »Mit jedem Pfeil, jedem Schwert und jeder Axt, die wir in die Körper seiner Diener treiben, rufen wir ihm zu: BIS HIERHIN UND KEINEN SCHRITT WEITER!«
Ahren konnte die Sehnen an Falks Hals erkennen, die sich bei seinem donnernden Ruf wie Drahtseile unter der Haut anspannten. Die Soldaten taten es ihm gleich und ein tosender, alles übertönender Triumphschrei entrang sich der Menge.
Falk sprang auf die Zinnen der Wehrmauer, richtete sein Schwert gegen die brodelnde Woge der Bannwolke und schrie aus voller Kehle: »PALADINIM THEOS DURALAS!«
Es war mehr ein Reflex als eine Entscheidung. Der Göttersegen in Ahrens Brust schien seine Arme und Beine zu führen, als er Falk mit einem geschmeidigen Satz auf die schmale Steinwehr folgte und mit gezogener Windklinge in den uralten Ruf der Paladine einstimmte. »PALADINIM THEOS DURALAS!«
Er hätte es nicht für möglich gehalten, aber die Menge hinter ihm wurde noch lauter, als die ersten Soldaten zu ihnen auf die Mauer stürmten und ihre Waffen der knapp hundert Schritt entfernten Bannwolke herausfordernd entgegenreckten.
»Mach dich bereit«, sagte Falk warnend, der noch immer neben Ahren auf den Zinnen stand, die Waffe nun gegen die seines Zöglings gelegt.
»Was meinst du …?«, begann Ahren, als auch schon die ersten Dunkelwesen mit Schaum vor dem Maul aus der Bannwolke hervorbrachen. Ahren sah Blutwölfe, Finsterbären, Schwarmkrallen, Nebelkatzen, Fahlfrösche und korrumpierte Yuhltarduk, die wie eine Wand aus Klauen, Muskeln und Reißzähnen auf sie zustürmten. Die Masse aus Dunkelwesen bewegte sich in rasendem Tempo auf die Verteidigungsmauer zu, und Ahren blieb vor Überraschung der Atem weg. Er hatte noch nie so viele Dunkelwesen auf einem Haufen gesehen und sie alle kamen geradewegs auf ihn zu. Selbst Culhen zeigte sich angesichts der schieren Anzahl beeindruckt.
Also dieser Kampf wird sogar für uns eine Weile dauern, sagte der Wolf und drängte sich neben seinen Freund.
»Ihr nehmt die dreihundert auf der linken Seite, Muai und ich die dreihundert auf der rechten?«, scherzte Khara mit zittriger Stimme, die Waffen kampfbereit gezogen.
»Wir sind ja nicht allein«, rief Falk und drehte sich zu den Soldaten um. »Armbrust- und Bogenschützen nach vorne«, rief er aus. »Zeigt ihnen, dass wir uns jeden Schritt zur Mauer hin blutig bezahlen lassen!«
Wieder erklang ein Jubelschrei und die Fernkämpfer positionierten sich hinter den Zinnen.
»Willst du nicht ebenfalls deinen Bogen verwenden?«, fragte Falk Ahren so leise wie sarkastisch und schnell wechselte dieser die Waffen. Sein ehemaliger Meister hatte wohl mit einer solchen Reaktion aus der Bannwolke gerechnet und nun stand der überrumpelte Ahren auf den Zinnen, Fisiniell in der Hand, und führte eine ganze Kompanie Fernkämpfer gegen einen Ansturm von Dunkelwesen zu Felde!
Falk hatte sich zurückgezogen und sammelte Khara und andere ausgewählte Nahkämpfer um sich, die bereitstanden, um einzugreifen, wenn die Bogen- und Armbrustschützen Unterstützung brauchten.
Du weißt, dass sie dich alle anstarren, oder?, fragte Culhen drängend, und als Ahren sich umsah, erkannte er, dass der Wolf die Wahrheit sprach. Alle Augen waren auf ihn, den dreizehnten Paladin gerichtet, und so baute Ahren sich kerzengerade auf, spannte seinen Bogen und visierte den Feind an.
»Die Schwarmkrallen zuerst«, rief er so laut er nur konnte, und Culhen stieß ein Kampfgeheul aus. »Fegt sie vom Himmel!« Dann ließ er seinen Pfeil fliegen, wobei er sich der elfischen Technik des Han’halthin bediente, die es ihm ermöglichte, mit einem Pfeil mehrere Gegner hintereinander zu treffen. Ein heranstürmender Vogelschwarm eignete sich hierfür ganz hervorragend, und so grölten die Soldaten triumphierend, als Ahren mit nur einem Schuss fünf der Vögel zu Boden schickte. Fisiniells Pfeile hatten so viel Kraft, dass Ahren regelrecht Schneisen in den Schwarm schlug und die Dunkelwesen furchtsam vor seinen Geschossen das Weite suchten. Immer und immer wieder feuerte Ahren in die Wolke aus Dunkelwesen, und einhundert Bögen sangen links und rechts von ihm ein ähnlich tödliches Lied.
»Armbrustschützen!«, kommandierte Ahren. »Nehmt euch die größten Blutwölfe und Finsterbären vor! Zielt auf die Läufe! Wenn sie lahm sind, können sie nicht die Mauer heraufspringen!«
Die Antwort war ein lautes Stakkato, als Dutzende Sehnen auf Prallplatten schlugen. Eine Woge aus Bolzen senkte sich in die vordersten Dunkelwesen, von denen viele unter den Treffern in ihren Vorderläufen ins Straucheln gerieten und zu Ahrens Entsetzen von den nachfolgenden Wesen einfach überrannt wurden. Falk ließ ein raues Lachen erklingen, und dann hörte Ahren erneut den Schlachtruf der Paladine. Die Woge aus Dunkelwesen raste wie von Sinnen auf die Verteidiger zu, und Ahren schoss Schwarmkrallen vom Himmel, bis sein Köcher leer war. Keine zwei Dutzend der gefährlichen Vögel erreichten schließlich die Zinnen der Mauer, wo sie mit Speeren aus der zweiten Reihe der Soldaten empfangen wurden, bevor sie Schaden anrichten konnten. Der Rest des Schwarms lag bereits von Pfeilen gespickt auf dem zwei Dutzend Schritt breiten Niemandsland zwischen Wolke und Mauer.
»Bereitmachen für den Ansturm!«, bellte Falk und die Nahkämpfer traten an den Schützen vorbei, die sich hastig zurückzogen, kurz bevor die ersten Dunkelwesen an die Mauer heran waren.
Schnell zog Ahren seine Windklinge, Fisiniell noch immer in der anderen Hand. Verärgert realisierte er, dass er noch immer auf den Zinnen stand, während sich hinter ihm seine Verbündeten mit Schwert und Schild in der Hand gegen die Mauer drängten. Offenbar sahen alle Soldaten in ihm den tapferen Paladin, der sie von der Mauerkrone aus anführen würde, und keinem kam in den Sinn, dass er nur zu spät daran gedacht hatte, sich gemeinsam mit der vorderen Frontlinie zurückzuziehen.
Soll ich dir Platz machen?, fragte Culhen, der sich durch die Menge auf ihn zuschob.
Sinnlos, sagte Ahren, die tobende Meute unter sich betrachtend. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als die ersten Blutwölfe zum Sprung ansetzten und die Yuhltarduk an den Rücken der Finsterbären hochkletterten, um einen segelflugartigen Satz auf die Mauer vorzubereiten. Wenn ich jetzt Unordnung in die Schlachtenreihen bringe, gefährde ich unser aller Leben. Er wappnete sich und zwang sich, äußerlich gelassen zu bleiben. »Schicken wir sie zurück zu ihrem finsteren Herrn«, brüllte er aus Leibeskräften.
Die Verteidiger hinter ihm johlten und Ahren sammelte seine Kräfte, bereit, sich dem Feind hier und jetzt auf den Zinnen zu stellen …
Ein Vibrieren ging durch den Stein unter seinen Füßen und kroch Ahren in die Knochen. Es schien auch die Dunkelwesen unter ihm zu erfassen, die so plötzlich im Sturmlauf innehielten, dass Ahren das Brechen einzelner Knochen hörte, als die Körper ineinander krachten.»Nein«, hörte er eine staubige Stimme, die wie ein Donnergrollen über das Land hallte. »Noch nicht!«
Es mochte nur seine Einbildung sein, aber hier von den Zinnen aus glaubte Ahren, einen gut drei Schritt hohen Schemen erblickt zu haben, der in den äußersten Ausläufern der Bannwolke stand und im unwirklichen Licht des Magierdoms kaum mehr als ein verblassendes Schattenspiel in einer Rauchwolke aussah. Dünn und ausgemergelt wirkten die zu langen Gliedmaßen, zerfetzte Stoffstreifen umspielten den entfernt menschlich anmutenden Umriss. Ahren wusste, wen er da sah, als die Erscheinung einen Schritt zurück in die Bannwolke trat und nicht mehr zu erkennen war.
Der Widersacher! Er ist hier!, sandte er Culhen mit einem Keuchen zu.
Und seine Meute folgt ihm aufs Wort, antwortete der Wolf. Sieh nur.
Ahren riss seinen Blick von dem Flecken eingehüllter Erde los, an dem er den Dunklen Gott leibhaftig hatte erspähen können und sah, wie unter ihm die Masse der Dunkelwesen in die Bannwolke flüchtete. Sie trugen ihre verletzten Gefährten im Maul zurück in das wirbelnde Schwarz, die massigen Finsterbären das Schlusslicht, denen die jubelnden Soldaten Pfeile hinterherschossen.
»Feuer einstellen!«, brüllte Falk. »Ihr verschwendet nur Munition. Und macht dem Dreizehnten Platz!«
Ahren drehte sich um und sah in jubelnde, lachende Gesichter. Dann wurden Waffen weggesteckt und Arme emporgereckt. Schwielige Hände ergriffen den jungen Paladin. Erst glaubte er, sie wollten ihm nur hinunter in die dicht gedrängte Menge helfen, aber dann wurde er von ihnen weitergereicht und über die Köpfe der Soldaten hinweggetragen, die dabei das Lied von den Streitern der Götter anstimmten. Immer weiter und weiter wurde Ahren gereicht, Hunderte Hände, die ihn sicher von der Mauer, die Treppe hinab bis ins Herz des Lagers trugen. Die ganze Zeit über sah Ahren hier und da die Gesichter seiner Gefährten aus der Menge hervorblitzen. Khara wirkte stolz, Trogadon regelrecht gerührt und Falk mehr als ein wenig selbstgefällig, hatte er Ahrens »Heldentat« doch geradezu orchestriert.
Ich sollte mit dir da oben sein, murrte Culhen hingegen. Keiner beachtet den tapferen Wolf, der dich hätte retten müssen, wenn der Dunkle Gott nicht den Rückzug befohlen hätte.
Die armen Soldaten könnten deinen fetten Wanst niemals in die Höhe stemmen, gab Ahren mit einem fiesen Grinsen zurück.
Fetten Wanst?, wiederholte Culhen empört. Das sind alles Muskeln!
Meinetwegen, gab Ahren gnädig zurück, als er schließlich an einem der großen Lagerfeuer abgesetzt wurde, wo die Köche der Armee in riesigen Töpfen die Nahrung für die Verteidiger zubereiteten. Trotzdem wiegst du in deiner Rüstung mehr als eine ganze Kuh. Wer soll bitte schön so ein Gewicht heben?
Culhen hatte sich indes durch die Soldaten hindurch geschoben, und Falk, Khara, Trogadon und Muai folgten in seinem Fahrwasser. Die goldgelben Augen des Tieres bohrten sich vorwurfsvoll in die seinen, bis Ahren einem der Köche ein Zeichen gab, dem Wolf eine der gebratenen Rinderhälften vor die Pfoten schleppen zu lassen. Die Menge grölte ausgelassen, als der junge Paladin Culhen demonstrativ die Arme um den Hals schlang und ihn kräftig drückte.
Das ändert gar nichts, sagte der Wolf hochherrschaftlich, aber der Sabber in seinen Lefzen verriet etwas anderes. Culhens Nase zuckte, als ihm der Duft des gebratenen Fleisches in die Nase stieg, dann senkte er seine Fänge in das Festmahl und sein Missfallen löste sich auf wie eine Federwolke an einem heißen Sommertag.
»Ahren, Bezwinger aller Dunkelwesen und verfressenen Wölfe«, flüsterte ihm Khara lachend ins Ohr, kaum dass sie ihn erreicht hatte.
»Mutig, mein Junge«, sagte Trogadon, der Ahren einen Bierhumpen in die Hand drückte und auf die sie umringende Menge deutete. »Ich bin sicher, man konnte dich auch in den letzten Reihen des Lagers dort auf den Zinnen kämpfen sehen.«
Ahren rieb sich mit einer Hand die Augen und nahm dann einen tiefen Schluck. »Warte, bis ich dir erzählt habe, wie das wirklich passiert ist«, murmelte er. Dann rief er laut: »Esst! Trinkt! Erfreut euch am Leben! In dieser Nacht wird wohl kein Dunkelwesen es mehr wagen, uns anzugreifen!«
Ein neuerlicher Triumphschrei erhob sich von den Soldaten, und es bedurfte keiner achtzig Herzschläge, um aus mehreren Kompanien kampfgestählter Soldaten einen Haufen ausgelassen feiernder Gestalten zu machen.
»Damit wirst du dich bei den Unteroffizieren wenig beliebt gemacht haben«, rief Falk über den aufkommenden Lärm hinweg. Der alte Mann hatte ein Bier in der einen Hand und eine gewürzte Hähnchenkeule in der anderen.
»Du bist doch selbst schuld daran«, sagte Ahren lachend. »Du wusstest genau, was du tatest, als du die Dunkelwesen gereizt hast.«
Falk schüttelte als Antwort warnend den Kopf und deutete auf ein großes Kommandozelt, dessen hohe Standarten in der Ferne gut sichtbar aufragten. »Nicht hier«, sagte er nur.
Ahren nickte, hakte sich bei Khara unter und schlenderte mit ihr und den anderen in Richtung der großen Behausung.
Wartet auf mich, sagte Culhen und begann die Rinderhälfte hinter sich her zu schleifen, was ihm johlendes Gelächter der umstehenden Soldaten einbrachte.
»Oh je, jetzt muss Culhen sich zwischen Fressgier und Eitelkeit entscheiden«, sagte Trogadon grinsend. »Mal sehen, was von beidem gewinnt.«
»Du unterschätzt meinen Wolf«, sagte Ahren trocken. Da hatte das Tier sich bereits auf seine Hinterbeine gesetzt und mehrere Rekruten mit einem herausfordernden, stechenden Blick aus seinen im Licht der Fackeln funkelnden Augen dazu gebracht, ihm sein Fressen schnaufend und schwitzend hinterherzutragen.
»Ich gestehe meinen Fehler freimütig ein«, sagte der Zwerg lachend. »Nichts und niemand wird Culhen dazu bringen, eine seiner Charakterschwächen zu vernachlässigen.«
Das ist eine Kunst, sagte der Wolf mit hochmütig erhobenem Kopf. Wenn ihr Menschen mehr zu dem stehen würdet, was ihr seid, hättet ihr viel mehr Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens.
Wie fressen, schlafen und bewundert werden?, erwiderte Ahren bissig.
Mit einem Wuffen bedeutete Culhen den Rekruten, sein Futter vor dem Eingang des großen, grauen Zeltes fallen zu lassen. Ich weiß nicht, was daran schlecht sein soll, sagte er herrschaftlich und machte sich wieder über das Fleisch her. Muai schlenderte keine fünf Herzschläge später wie zufällig an dem Braten vorbei und nach einem gespielten Schulterblick auf den schlingenden Culhen trat sie elegant hinzu und begann, sich ebenfalls den Bauch vollzuschlagen.
»Alte Schauspielerin«, sagte Khara lachend, was der Tigerin ein leises Knurren entlockte.
»Lasst uns hineingehen«, sagte Falk und schob sich zwischen den Stoffbahnen hindurch, um dann wie angewurzelt stehen zu bleiben. »Was für ein Schreck«, murmelte er.
Neugierig trat Ahren zu ihm und stockte ebenfalls mitten im Schritt, als er vor sich eine schwarz gekleidete Gestalt erblickte, deren Gesicht von einem ebenso schwarzen Tuch umhüllt war. Die Augen der Person waren die eines Bewohners aus dem Ewigen Reich und Ahren erkannte an ihnen, dass sein Gegenüber weiblich sein musste. Auf den Rücken geschnallt trug sie eine Windklinge.
»Eine Nachtsoldatin«, sagte er nach kurzem Zögern. »Was macht sie hier …?«, begann er an Falk gewandt, als ihn die Erkenntnis traf. »Du bist eine Leibwächterin.«
Die Gestalt verbeugte sich schweigend.
Khara trat neben ihn, die Hand nahe an ihren Waffen. »Das ist es doch, was du entschieden hattest«, sagte sie tonlos. »Sie sollten an der Front hochrangige Ziele beschützen.«
»Offensichtlich gehören Paladine und ihre Freunde dazu«, sagte Trogadon, der sich der schweigenden Frau neugierig näherte.
»Komme ihr nicht zu nahe«, warnte ihn Ahren. »Das mögen wir … sie nicht.« Khara warf ihm einen beunruhigten Seitenblick zu, den der junge Paladin mit einer knappen Handbewegung abtat. »Nur eine alte Erinnerung«, sagte er verlegen. Dann drehte er sich zu der Frau um. »Dein Name, Soldatin!«, forderte er in strengem Ton.
»Ro-kani, Herr«, flüsterte sie kaum hörbar und verbeugte sich erneut.
»Du kannst draußen Wache halten, Ro-kani«, befahl er der Nachtsoldatin. »Wir sind hier drinnen sicher.«
Sie verbeugte sich abermals und verschwand, ohne zu zögern, in den Schatten der Nacht.
»Ich weiß, sie sind unsere Verbündeten, aber trotzdem sind mir die Nachtsoldaten unheimlicher als die Wutelfen«, sagte Falk. »Bei denen weiß man zumindest immer, woran man ist.«
»Mir tut sie leid«, sagte Khara zu Ahrens Erstaunen.
»Ich dachte, du verabscheust sie«, warf er mit hochgezogenen Augenbrauen ein.
Khara runzelte die Stirn. »Ich verabscheue die Idee«, stellte sie klar. »Die einzelnen Individuen, die mit Drogen in bessere Marionetten verwandelt wurden, verdienen jedoch Mitgefühl.«
»So hast du früher nicht gedacht«, sagte Trogadon trocken.
»Die Zeit verändert jeden von uns«, gab Khara zuckersüß zurück. »Du denkst heute auch anders über eine bestimmte Elfe als vor einigen Sommern, nicht wahr?«
Trogadons Gesicht wurde weicher. »Eigentlich nicht«, gab er zu. »Es war sehr schnell um mich geschehen, nachdem ich Jelninolan traf. Alle Frauen danach waren eher … eine Ablenkung vom Unmöglichen.«
Ahren schlug dem Zwerg mit Zuneigung im Blick auf die Schultern. »Du und Jelninolan habt bereits bewiesen, dass das Unmögliche erreicht werden kann. Über euch sollte man Heldenlieder singen.«
»Also, das lassen wir besser«, sagte Falk schnell. »Schon die Wutelfen waren wenig begeistert von dieser Verbindung. So ziemlich jeder Zwergenclan und die Elfen des Immergrüns werden Zeter und Mordio rufen, wenn sie durch ein Bardenlied davon erfahren.«
Ahren war ebenso verblüfft wie Khara, falls er ihren Gesichtsausdruck richtig deutete. »Wirklich?«, war alles, was er hervorbrachte.
Trogadon nickte düster. »Wir beide haben einen Schlachtplan«, sagte er nur. »Sie reist in den Immergrün und stellt sich der Stimme des Waldes, ich tue das Gleiche mit Kamkanzakur. Wenn der König unsere Liebe gutheißt, darf ich jedem Zwerg die Zähne einschlagen, der glaubt, sich abfällig äußern zu müssen.«
»Zwerge«, sagte Falk grinsend. »Man muss sie einfach gernhaben.«
»Wenigstens muss ich kein Eichhörnchen um Erlaubnis bitten«, grummelte der Schmied.
»Die Stimme ist ein Streifenhörnchen«, verbesserte ihn Ahren.
»Entschuldige«, sagte Trogadon mit einem rumpelnden Lachen. »Das ist natürlich etwas ganz anderes.«
Ahren ließ von dem Geplänkel ab und sah sich nachdenklich um. Das Kommandozelt war genauso eingerichtet, wie er es erwartet hatte: eine Sturmlaterne am Stützpfeiler in der Mitte des Raumes, ein großer Holztisch daneben, auf dem eine Karte des Verteidigungsrings lag, darum ein halbes Dutzend Stühle und an den Wänden mit Stoffbahnen abgehängte Schlafkojen. Dazu Weinkrüge und ein Bierfässchen sowie Dörrobst und kalter Braten auf einer diskret an der Wand aufgestellten Holzkommode. Der Boden war mit frischem Stroh ausgelegt, dessen staubiger Geruch Ahren in der Nase kitzelte – und für einen kurzen Moment war er wieder in Gedanken in einem ähnlichen Zelt auf dem Feldzug durch das besetzte Hjalgar.
Muai frisst mir alles weg, drang Culhens Beschwerde in Ahrens Geist, woraufhin dieser ins Hier und Jetzt zurückkehrte.
Du bist schon ein großer Wolf, antwortete der Paladin schmunzelnd. Wehre dich einfach.
Sofort hörte er ein dumpfes Knurren und lautes Fauchen vor dem Zelt, und Khara lachte glockenhell auf.
»Muai beschwert sich, dass Culhen nicht anständig teilt«, sagte sie in die Runde.
Trogadon hatte das Bierfässchen kurzerhand zum Tisch in der Mitte getragen und ließ sich auf einem der Stühle nieder, die kurzen Beine auf der Tischplatte ablegend. »Wir sollten froh sein, dass sie sich gegenseitig beschäftigen«, sagte der Zwerg und goss sich einen großen Humpen voll, dessen Inhalt er in einem Zug hinunterstürzte. Dann schmatzte er zufrieden und fuhr fort: »Wenn die beiden sich zusammentun würden, könnten sie die Köche wahrscheinlich derart drangsalieren, dass sie so viel Fleisch bekämen, wie sie nur wollten.«
Das Knurren und Fauchen vor der Tür hörte schlagartig auf, und Ahren und Khara sahen sich schicksalsergeben an, als sie zeitgleich hörten, was ihre Tiere dachten.
»Oh, verdammt«, sagte Ahren und schaute den Zwerg finster an, während von draußen das Geräusch sich hastig entfernender Pfoten zu vernehmen war. »Sie können hören, was du sagst, das weißt du doch.«
Trogadon grinste die beiden jungen Menschen breit an. »Ups«, sagte er nur und trank gleich noch einen Humpen.
Falk hatte sich mittlerweile auch gesetzt und griff nach einem deutlich kleineren Becher. »Du hast dich heute gut geschlagen«, wechselte er abrupt das Thema und prostete Ahren zu.
»Das war purer Zufall und das weißt du«, sagte Ahren mit einem Seufzen und glitt auf einen Stuhl, während Khara Wein und Wasser mischte und sich mit zwei gefüllten Bechern zu ihm setzte. Er nickte ihr dankbar zu, während Falk Ahrens Antwort mit einer Handbewegung beiseite wischte.
»Nur wenig davon war Glück. Ich wusste, wie ich die Dunkelwesen in Hörweite provozieren konnte. Dass du zu schusselig warst, rechtzeitig von den Zinnen zu klettern und stattdessen die heldenmutige Sagengestalt spielst, war im Nachhinein tatsächlich sehr hilfreich.«
»Du wusstest, dass sie angreifen würden?«, hakte Khara nach.
»Es war hochwahrscheinlich«, sagte Falk. »Dem Schlachtruf der Paladine können sie nur unter strenger Führung widerstehen.«
»Aber wozu?«, fragte Trogadon. »Nur für eine heldenhafte Anekdote? Das hätte heute auch schiefgehen können.«
Falk deutete auf Ahren. »Damit er nicht lügen musste.«
Der junge Paladin blinzelte. »Was?«
»Du warst noch zu erschüttert von dem, was Uldini über den Lichtzauber und die Alten gesagt hat. Deine Rede wäre wahrscheinlich wenig überzeugend ausgefallen.« Er lächelte Ahren schief an. »Also gab ich den Soldaten ein kleines Scharmützel und einen einfachen Sieg.« Er runzelte die Stirn und jeder Humor wich aus seiner Miene. »Allerdings hatte ich nicht erwartet, dass der Widersacher selbst seine Diener zurückpfeift.«
»Hat er das in den Dunklen Tagen denn nicht auch getan?«, fragte Khara.
»Selten«, antwortete Falk und rieb sich über den Bart. »Nur, wenn er wirklich etwas zu gewinnen hatte.« Er starrte auf den Eingang. »Heute hätte er zumindest den ersten Sturmlauf abwarten können, damit auch wir einige Verluste zu beklagen hätten. So defensiv habe ich ihn noch nie erlebt.«
»Wir vermuten doch schon seit Monden, dass er etwas plant«, sagte Ahren leise.
»Und sein heutiges Verhalten bestätigt, dass wir seinen Plan nicht durchkreuzt haben, indem wir die Bannwolke aufhielten«, orakelte Falk. »Er wirkte zu ruhig.«
»Ich brauche mehr Bier«, sagte Trogadon und füllte seinen Humpen bis zum Rand. »Müssen wir diesen schönen Abend unbedingt kaputtreden?«