Die Ernennung - Torsten Weitze - E-Book

Die Ernennung E-Book

Torsten Weitze

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Beschreibung

Zwei Einhan sind gefunden, einer steht noch aus. Ahren und seine Gefährten müssen ein von Unruhen geplagtes Reich durchqueren und die gefahrvolle Ostküste Joraths entlangsegeln, um die Zwergenenklave des Silbernen Kliffs zu erreichen. Ahrens Meister Falk hofft, in dessen Tiefen einen zwergischen Freund aus Söldnertagen als dritten Einhan für das Ritual der Ernennung seines Waldläuferlehrlings gewinnen zu können. Um dessen Hilfe zu erlangen, müssen sie ihm bei seiner einsamen Wacht helfen, jener Tradition des kleinen Volkes, die es einem Zwerg erlaubt, einen eigenen Namen zu erwerben. Doch die Zeit drängt. Denn sollte Ahrens Ernennung zum 13. Paladin mit Hilfe der drei Einhan nicht bis zur Wintersonnenwende erfolgt sein, wird ER, DER ZWINGT vorzeitig erwachen und die unvorbereiteten Völker Joraths ins Dunkel stürzen. Erleben Sie den zweiten Teil der Reihe rund um die Abenteuer des Waldläuferlehrlings, dessen Erstroman "Ahren" bereits Tausende begeisterte Leser in seinen Bann gezogen hat.

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Torsten Weitze

Die Ernennung

Der 13. PaladinBand II

Geneigte Leser:Wenn ihr meine Bücher mögt, sprecht darüber und teilt meine Links.

Es gibt nichts Schöneres für eine Geschichte,als zum ersten Mal erlebt zu werden…

Impressum

© Torsten Weitze, Krefeld, 2017Bild: Petra Rudolf / www.dracoliche.deLektorat/Korrektorat: Janina Klinck | www.lectoreena.de

Torsten Weitze c/o LAUSCH medien

Bramfelder Str. 102a

22305 Hamburg

Alle Rechte vorbehalten

www.tweitze.de | Facebook: t.weitze | Instagram: torsten_weitze

Für meine Freunde

Michael, Alexandra, Roman, Dietger, Daniel, Daniela und Karl-Heinz,

die mir, jeder auf seine Weise, dabei geholfen haben, den Mut zu finden,

meinen Traum zu verwirklichen.

Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

Epilog

1. Kapitel

Die Morgensonne schien kräftig und strahlend auf das endlose Blätterdach Eathinians hinab. Die Wipfel des Elfenwaldes, welcher von den Menschen »Der Immergrün« genannt wurde, breiteten sich in all ihrer majestätischen Pracht vor Ahrens Augen aus. Er war an diesem Morgen bereits früh aufgewacht, und das Bedürfnis, alleine zu sein, war schier überwältigend gewesen. Er kannte diesen Impuls aus dem düsteren Abschnitt seiner Vergangenheit, als er regelmäßig vor seinem betrunkenen Vater Schutz im Wald gesucht hatte. Natürlich war er jetzt in der Lehre Falks glücklicher und sein Meister behandelte ihn immer gerecht, aber in den letzten Tagen und Wochen war einfach so viel passiert, dass er unbedingt nachdenken und die Ereignisse verinnerlichen musste, die so plötzlich über ihn hereingebrochen waren.

Dabei hatte vor zwei Jahren alles so ruhig und unbedeutend angefangen. Falk, seines Zeichens ein erfahrener Waldläufer mit mehr als einem halben Jahrhundert Erfahrung im Kampf gegen Dunkelwesen, hatte Ahren unerwartet als Lehrling aufgenommen und begonnen, ihm alles beizubringen, was ein angehender Waldläufer wissen musste. Endlose Stunden des Laufens und Kletterns, die begleitet wurden von Lektionen über Pflanzen, Tiere oder die unzähligen Kleinigkeiten des Überlebens, die den Unterschied machten, zwischen einem stümperhaften Umherstreifen in der Wildnis und einem echten Waldlauf. Auch wenn Ahren allein bei der Erinnerung an den Bänderbaum, die riesige Königseiche, in der er hunderte Stunden hatte üben müssen, alle Knochen im Leib wehtaten, waren diese zwei Jahre die schönsten seines jungen Lebens gewesen.

Alles hatte sich geändert, als er in diesem Frühjahr den dummen Stein bei der Frühlingszeremonie berührt hatte. Das blöde Ding hatte sich ausgerechnet ihn als Erwählten herausgepickt und damit zum Anwärter auf den Posten des Dreizehnten Paladins gemacht, jenen von den Göttern gesegneten Krieger, der zusammen mit den anderen zwölf Männern und Frauen, die denselben Segen erhalten hatten, ihm, der zwingt, ein Ende bereiten sollten.

Auch wenn seine Aufgabe wie eine dieser heroischen Balladen klang, war sie leider in der Realität deutlich mühsamer und komplizierter. Als der Dreizehnte damals aufgrund eines Verrats gestorben war, hatten die Zwölf den finsteren Gott nur mithilfe der Alten, der unsterblichen Magier, mühsam in einen Bannschlaf gekettet. Seitdem warteten sie auf die Erwählung eines neuen Paladins, damit er endgültig besiegt werden konnte. Dummerweise hatten die schlafenden Götter Joraths über siebenhundert Jahre gebraucht, um genug Kräfte zu sammeln und Ahren als neuen Paladin zu erwählen. In der Zwischenzeit hatten sich die freien Völker längst an den trügerischen Frieden gewöhnt, und von den Dunklen Tagen waren nur noch Geschichten und Legenden übriggeblieben. Die großen Armeen von einst waren längst aufgelöst oder kämpften nun in sterblichen Kriegen, die Namen der Paladine waren zu Legenden geworden oder längst vergessen, und die Streiter der Götter lebten seit Jahrhunderten ihre Leben fort, frei, ihren eigenen Ambitionen nachzugehen.

Für Ahren bedeutete das jede Menge Ärger. Als Erwählter musste er seine Ernennung durchlaufen, ein magisches Ritual, das ihn vor den Augen der Götter und der Völker Joraths als würdigen Nachfolger erwies. Damals kaum mehr als eine Formsache, geriet es jetzt zu einer gefährlichen Schnitzeljagd. Ahren benötigte den Zuspruch eines Menschen, eines Elfen und eines Zwerges, die je ein heiliges Artefakt ihrer Gottheit bei sich tragen mussten.

Der Mensch war einfach gewesen, denn Uldini, der unsterbliche Magier in Kindergestalt, hatte ihn und Falk in Ahrens Heimatdorf Tiefstein aufgesucht und direkt ein Artefakt des Menschengottes – er, der formt – mitgebracht. Leider hatte der grantige Magus zusätzlich schlechte Nachrichten im Gepäck gehabt. Ein Rudel Nebelkatzen, ausgesandt von ihm, der zwingt, war damals auf dem Weg zu ihnen gewesen, um sie umzubringen und Ahren unschädlich zu machen. Denn durch Ahrens Erwählung begann der selbsternannte Gott nun langsam zu erwachen und dem Waldläuferlehrling seine Schergen auf den Hals zu hetzen, während er dem Jungen langsam die Magie der Götter aus dem Leib sog. Also waren die drei schnurstracks zu den Elfen des Immergrüns aufgebrochen, um die Hohepriesterin Jelninolan und das elfische Artefakt Tanentan für ihre Sache zu gewinnen. Auch das war nicht einfach gewesen, doch trotz der Attacken und Ränke der Diener des Widersachers, hatten sie es zu guter Letzt geschafft.

Ein unwilliges Bellen unterbrach Ahrens Gedankengänge, und er blickte am riesigen Stamm hinab, den er in aller Frühe erklommen hatte, um in Ruhe nachdenken zu können. Culhen, sein junger Blutwolf, den er aus dem Bann dessen, der zwingt, erlöst hatte, sprang am Fuß des Baumes auf und ab und stieß dabei ein halb aufforderndes, halb beleidigtes Bellen aus. Culhen hasste es, wenn eine Beute in die Äste flüchtete, und dieses Gefühl galt offenbar auch für grausame Waldläuferlehrlinge, die ihre treuen Vierbeiner zu lange am Boden warten ließen. Voller Liebe blickte Ahren auf das Kraftpaket in strahlend weißem Fell hinab, das da mit mächtigen Sätzen am Baumstamm emporsprang. Die Äste versperrten ihm an mancher Stelle die Sicht, aber ab und zu konnte der junge Mann die klugen, gelben Augen des Wolfes erspähen und sah die stumme Anklage darin, so lange alleine gelassen zu werden.

Ahren lächelte und rief: »Ist ja gut, mein Junge. Ich komme runter.«

Als er seinen Abstieg begann, erfüllte das Kläffen ein freudiger Unterton, und der Lehrling musste unweigerlich den Kopf schütteln und grinsen. Culhen war treu, mutig, loyal – und eitel, verfressen und schnell beleidigt. Die Elfen hatten ihnen zu Ehren zwei Tage zuvor ein Fest gegeben und Culhen hatte jeden Funken Aufmerksamkeit genossen – ebenso wie ein halbes Dutzend Kaninchen. Den ganzen gestrigen Tag hatte der Wolf in einem Dämmerschlaf verbracht, nur unterbrochen von kurzen Fressattacken, in denen er sich über die Reste des Vortags hermachte, die ihm die Elfenkinder vorbeibrachten. Ahren hoffte inständig, dass die Kleinen aufhören würden, seinen Wolf zu verwöhnen, oder die Weiterreise würde von ständigem Gewinsel und Gebettel nach Kaninchen geprägt sein.

Denn Weiterreisen würden sie müssen, und zwar schneller, als ihnen lieb war. Ahren fehlten noch immer der Zwerg und das Artefakt von ihm, der ist, dem Schutzgott des kleinwüchsigen Volkes. Also würden sie zum Silbernen Kliff weiterziehen, einer Art Handelsenklave an der Küste Kelkors. Uldini hatte sehr eindringlich klargemacht, dass jeder Tag zählte, und Ahren rechnete damit, dass sie schon bald aufbrechen würden. Ihr Feind wurde mit jedem Tag stärker und Ahrens Segen dabei immer schwächer. Um diesen Prozess aufzuhalten, musste die Ernennung durchgeführt werden, die die Verbindung zwischen dem jungen Mann und dem finsteren Gott kappen würde. Und zwar bevor er, der zwingt, Ahren zu viel Macht entzogen hatte und den freien Völkern keine Zeit mehr blieb, sich auf sein Erwachen vorzubereiten. Es war bereits Anfang Herbst, auch wenn man das im jahreszeitenlosen Eathinian nicht bemerkte, und Uldini wollte die Ernennung möglichst noch vor der Wintersonnenwende durchführen, weil an einem solch magisch bedeutsamen Tag große Mengen Macht von Ahren an ihn verloren gehen würden.

Seufzend erreichte der Lehrling den Waldboden. Bevor die düsteren Gedanken an seine monumentale Aufgabe ihn überwältigen konnten, tat dies bereits ein fröhlich kläffender, sabbernder und nach verwesendem Kaninchen stinkender Wolf, der Ahren umwarf, seine kräftigen Pfoten auf dessen Brust pflanzte und hingebungsvoll das Gesicht seines menschlichen Gefährten abschleckte.

Ungewollt musste Ahren kichern und er drehte das Gesicht von links nach rechts und wieder zurück, damit Culhen überall herankam. Aus Erfahrung wusste er, dass es schneller vorbei war, wenn der Wolf ihn kurz wusch, als wenn er sich wehrte und das Tier ihn die nächste Stunde beleidigt ansah, ganz das Sinnbild eines ungeliebten, zurückgewiesenen Welpen.

Culhen brummte zufrieden und stieg von Ahrens Brust, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass jeder Flecken seines Gesichts tropfnass war. Der junge Mann wischte sich mit dem Ärmel seines Leinenhemdes trocken und nahm sich vor, gleich ein Bad im nahegelegenen Fluss zu nehmen. Er liebte Culhen über alles, aber den restlichen Tag nach verdautem Kaninchen zu riechen, ging einfach zu weit.

Er fiel in einen leichten Dauerlauf, den er sich von Falk abgeschaut und mittlerweile angewöhnt hatte, wenn er es eilig hatte und trotzdem seine Kräfte schonen wollte. Seine Ausbildung hatte Ahrens Kraft und Ausdauer beträchtlich erhöht, und auch wenn er noch nicht halb so schnell und weit wie sein Meister laufen konnte, freute er sich doch über seine Fortschritte. Der Fluss, der leise vor sich hin plätschernd zwischen den großen Bäumen des Elfenwaldes entlangfloss, war bald erreicht. Ahren erblickte niemand anderen, und so schälte er sich schnell aus seiner Kleidung und ließ sich erfreut ins kühle Nass gleiten. Culhen tat es ihm mit einem gewaltigen Sprung gleich und zusammen tollten die beiden ausgelassen im Wasser herum.

»Wenn ihr nichts dagegen habt, würden wir gerne die Welt vor einem zerstörerischen Gott beschützen. Außer natürlich, du und dein Wolf habt noch nicht zu Ende gespielt.« Die kindliche Stimme sprach mit dem beißenden Tonfall eines sehr viel älteren Menschen, und ohne sich umzudrehen, wusste Ahren, wer dort stand.

»Wir kommen sofort, Uldini. Aber die Gelegenheit war günstig. Wer weiß, wann wir auf unserer Reise wieder sauberes Wasser zur Verfügung haben werden«, antwortete der Lehrling.

»Schon gut, beeil dich einfach. Wir wollen nach dem Frühstück aufbrechen und Jelninolan hat vorher noch eine Überraschung für dich«, erklang die Stimme des Magus etwas versöhnlicher.

Ahren drehte sich zu ihm um und blickte ihn gespannt an. Eine Überraschung? Was mochte das wohl sein? Er kannte den Magus mittlerweile gut genug, um nicht nachzuhaken. Außer einer weiteren beißenden Bemerkung würde er nichts erfahren. Also nickte er dem kahlköpfigen, dunkelhäutigen Jungen nur zu, der so gar nicht nach jahrhundertelangem Wissen und Weisheit aussah, und schob Culhen von sich, um sich schnell zu säubern. Er war ins Wasser gestiegen um den Verwesungsgeruch loszuwerden und nicht, um am Ende nach nassem Wolf zu riechen. Culhen schnaubte einmal missmutig und trollte sich dann wieder ans Ufer. Uldini war bereits im Begriff, zur Gästebehausung zurückzukehren, die ihnen von den Elfen zur Verfügung gestellt worden war, als das junge Tier behände neben ihn sprang und sich ausgiebig schüttelte. Prustend tauchte Ahren schnell unter Wasser, als der nun patschnasse Magus zornig aufschrie. Culhen würde zwischen den Bäumen verschwinden können, um der Rache Uldinis zu entgehen, aber Ahren wäre eine perfekte Zielscheibe, wenn der Magus ihn dabei erwischen würde, wie er ihn auslachte. Als er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte, tauchte er auf und starrte in das finstere Gesicht eines Meistermagiers, dessen kindliche Statur in einer tropfnassen Robe steckte. Ahren verzog keine Miene und war in diesem Moment wahnsinnig stolz auf sich. Die dunklen Augen Uldinis bohrten sich prüfend in seine, dann warf der Magier die Arme in die Luft und stapfte schimpfend von dannen. Von Culhen fehlte natürlich jede Spur. Ahren war schon immer der Meinung gewesen, dass der Wolf überdurchschnittlich intelligent war.

Leise kichernd stieg er aus dem Wasser und rieb sich mit seinem Hemd trocken. Dann schlüpfte er in seine Hose und beugte sich über die Oberfläche des Flusses, um sein Äußeres grob zu überprüfen. Sein dunkles Haar fiel ihm mittlerweile in die Augen, deren sanftes Braun von einem wachsamen Gesichtsausdruck umrahmt wurde, der früher noch nicht da gewesen war. Ebenso verloren seine Züge das Kindliche, und leise freute sich der Fünfzehnjährige, dass ein paar Bartstoppeln sein Kinn zierten. Seine Schultern wurden breiter und seine Statur war zwar nicht besonders muskulös, aber sehnig. Zufrieden stand er auf und blickte belustigt in den Wald.

»Du kannst rauskommen, er ist weg«, rief er leise und sofort trottete Culhen in fünfzig Schritt Entfernung hinter einem der mächtigen Stämme der Baumriesen hervor, die hier überall im Wald verstreut standen und Eathinian seine erhabene Atmosphäre verliehen.

Der Wolf legte den Kopf schief und ließ die Zunge aus dem Maul hängen. Ahren hätte schwören können, dass Culhen lachte.

»Du hast dich vor ein paar Tagen mit einer Riesenschlange angelegt und jetzt reizt du einen unsterblichen Magier. Entweder bist du sehr mutig oder sehr dumm«, sagte Ahren in einem gespielt strengen Tonfall. Dann klopfte er sich an den Oberschenkel, woraufhin Culhen zu ihm herüberlief und an seiner rechten Seite neben ihm hertrottete.

Sie gingen gemeinsam durch den Wald zurück zu den aus Tuch geknoteten Baumhäusern der Elfen, und Ahren genoss bei jedem Schritt den Frieden und die Harmonie, die diesen Ort erfüllten und seine Sorgen auflösten wie Nebel, der sich der Morgensonne ergab. Er wusste nicht, was vor ihm lag, aber Ahren war sich sicher, dass er jede schöne Erinnerung verinnerlichen sollte, derer er habhaft werden konnte.

Als Ahren an ihrer Unterkunft ankam, warteten die anderen bereits auf ihn. Uldini schaute erwartungsgemäß gereizt drein – seine schwarze Robe war bereits wieder trocken – und fixierte Culhen wortlos mit einem strengen Blick. Während der Wolf sich winselnd an Ahrens Beine presste, konzentrierte der Lehrling sich auf seinen Meister.

Falk lehnte mit verschränkten Armen an der Außenseite der Hütte und betrachtete mit einem belustigten Ausdruck auf seinem graubärtigen, faltigen Gesicht den Magier. Die kurzen, grauen Haare des muskulösen Mannes waren nass, also hatte auch er die Gelegenheit genutzt, sich zu erfrischen. Allerdings trug er bereits seine Ledermontur und den Bogen über der Schulter.

Ahren war sich seines nackten Oberkörpers und des zerknüllten Hemdes in seiner Hand plötzlich unangenehm bewusst und wollte ins Innere eilen, um es seinem Meister gleich zu tun, bevor Falk mit seiner brummigen Stimme damit beginnen konnte, Ahrens Verfehlungen aufzuzählen. Aber der alte Mann hob gelassen eine Hand und lächelte ihn an.

»Ist schon gut, Ahren. Warte kurz hier draußen bei uns, Jelninolan bereitet gerade deine Überraschung vor«, sagte er freundlich.

Ahren war einen Herzschlag lang verdutzt. Selbstverständlich war sein Meister noch immer unnachgiebig, streng und einschüchternd, aber seit Ahrens Erfolgen im Immergrün mischten sich tatsächlich einige Momente der Nachsicht in die Dauerkritik des alten Mannes.

Dem Lehrling war es gelungen, die Stimme des Waldes, das heilige Tier der Elfen, vor einer Schwarmkralle zu retten. Zwar hatte er den monströsen Vogel aus anderen Gründen besiegt, da Ahren nichts von dessen unmittelbarer Beute gewusst hatte, aber danach hatte er das kleine Streifenhörnchen, das die neueste Inkarnation der Stimme des Waldes war, mit Culhens Hilfe gesund gepflegt. Als er das genesene Tier aus seinem Rucksack geholt hatte, war die Überraschung und Freude für alle Beteiligten groß gewesen. Und der verdutzte Ahren war auf einmal zum Helden avanciert.

Die Stoffbahn, die als Eingangstür des Baumhauses diente, bewegte sich und Jelninolan trat heraus. Die kleine mollige Elfe mit den dunkelroten Haaren und den grünen Augen trug ihr fröhliches Dauerlächeln zur Schau und erinnerte Ahren aufs Neue an die Wunschvorstellung, die er von seiner verstorbenen Mutter hatte, die er nie gekannt hatte. Die Hohepriesterin der Elfengöttin, sie, die fühlt, trug ein Bündel vor sich her, während sie Ahren mit einem feierlichen Ausdruck in den Augen ansprach.

»Das Volk des Immergrüns wollte noch einmal seine Dankbarkeit ausdrücken, und daher überreiche ich dir dieses Geschenk. Eine elfische Bänderrüstung, die unsere besten Zauberwerker gestern hergestellt haben.« Sie drückte Ahren das Bündel in die Hand, auf das er völlig erstaunt hinunterstarrte.

Er hatte sich als Belohnung die Aufhebung des Exils seines Meisters aus dem Elfenwald gewünscht, was nach dessen Ausbildung über ihn gesprochen worden war, weil er als Mensch viel zu viel Zeit unter den Elfen verbracht hatte. Dass nun noch eine Belohnung erfolgte, kam sehr überraschend.

Er schlug das feingewebte Tuch zur Seite, welches an sich schon eine kleine Kostbarkeit war, und starrte verwirrt auf einen komplexen Haufen Lederbänder und über zwei Dutzend unterschiedlich geformte Lederplatten hinunter. Keine der Platten wirkte größer als ein Holzteller, und Ahren war sich nicht sicher, ob das hier eine der eindrucksvollen Rüstungen der Elfen war, die er an den Wipfelläufern des Waldvolks gesehen hatte.

»Ist sie magisch?«, fragte er vorsichtig, was ihm ein enttäuschtes Kopfschütteln seines Meisters und einen hämischen Kommentar Uldinis einbrachte.

»Noch keine zwei Tage ein Held und schon wird er gierig«, warf die kindliche Gestalt in trockenem Tonfall ein. Jelninolan lächelte jedoch und winkte ab.

»Lasst ihn zufrieden, das soll ein besonderer Moment für ihn sein«, tadelte sie die anderen. Dann wandte sie sich wieder Ahren zu.

»Diese Rüstung ist passgenau für dich hergestellt worden und kann an dein weiteres Wachstum angeglichen werden, aber magisch ist sie nicht. Einen magischen Gegenstand herzustellen, erfordert mehr als einen Tag – viele Wochen, um genau zu sein.«

»Das wusste ich nicht«, murmelte Ahren und blickte anklagend auf die beiden Männer. Dass er bei zu vielen Dingen im Dunkeln gelassen wurde, hatte er schon oft angesprochen, und nachdem er unwissend die Stimme des Waldes tagelang in seinem Rucksack mit sich herumgetragen hatte, hatten die anderen ihm versprochen, ihn von nun an mehr einzubinden und zu informieren.

Aus Verlegenheit legte er das Bündel zu Boden und zog versuchsweise an einem der Lederbänder. Jelninolan gab noch einen warnenden Laut von sich, aber es war schon zu spät. Die einzelnen Streifen schienen auf verwirrende Weise miteinander verbunden zu sein, und als Ahren wahllos an einem davon zog, kräuselten sich die anderen zusammen und es entstand ein komplexer Knoten aus Lederbändern, der unregelmäßig von eng aneinander gepressten Lederplatten umgeben war.

Uldini lachte meckernd und Falk schlug die Hand vor die Augen, während Jelninolan traurig dreinblickte. Ahren stierte schockiert auf das Unheil hinab, das er angerichtet hatte.

»Habe ich sie kaputt gemacht?«, flüsterte er in die Stille hinein, was Falk ein weiteres Stöhnen entlockte.

»Nein, hast du nicht. Aber es wird eine ganze Weile dauern, das zu entwirren. Eine Bänderrüstung ist ein elfisches Wunderwerk aus miteinander verbundenen Lederplatten, deren Geflecht von diesen Lederstreifen in einem perfekten Ausgleich aus Gewicht und Gegengewicht gehalten wird. Das Anlegen einer solchen Rüstung ist ohne Hilfe nur nach langer Übung möglich. Einer der Gründe, warum ich sie nie getragen habe«, erklärte sein Meister mit müder Stimme.

Uldini schnaubte abfällig und erhob sich mit seinem üblichen Zauber einen halben Meter in die Luft, wo er schwebend stehenblieb.

»Ich werde den Elfen sagen, dass wir aufbrechen, sobald ihr den Schlamassel des Jungen beseitigt habt. Falk, sag Selsena Bescheid, sie soll uns treffen, und besorg die nötige Ausrüstung für die Reise. Und diesmal bitte ein wenig mehr als das Minimum. Hier ist uns keiner auf den Fersen, nicht wie in den letzten Ortschaften, durch die wir gereist sind. Am besten, wir verschwinden von hier, bevor dein Lehrling noch alle gegen uns aufbringt.«

Während seiner letzten Worte war die Missbilligung aus der Stimme des Magus verschwunden und durch einen milden Spott ersetzt worden. Anscheinend gehörte zur neuen Stellung Ahrens innerhalb der Gruppe, dass er seinen Welpenschutz gegenüber Uldini verloren hatte und nun ebenfalls regelmäßig Ziel des beißenden Humors des mitunter grantigen Magiers wurde.

Während Ahren sich still in die Ecke setzte und Jelninolan dabei zusah, wie sie langsam und geduldig anfing, die Lederbänder zu lockern, dachte er über Uldinis Worte nach. Sie waren bisher wirklich immer von einem Ort zum nächsten gehetzt. In Tiefstein hatten sie die Nebelkatzen besiegt und waren geflohen, um die Dorfbewohner keiner weiteren Gefahr auszusetzen. Dann waren sie von Schwarmkrallen gejagt worden, und in Dreiflüsse, einer größeren Handelsstadt, waren ihnen Halsabschneider auf der Spur gewesen, weil dort gefälschte Steckbriefe von ihnen gehangen hatten. Zu guter Letzt war da noch ein Hinterhalt auf halbem Weg zum Elfenwald gewesen, angeführt durch einen Hochfang, einem intelligenten Diener des Widersachers. Erst hier im Immergrün hatten sie ein wenig Frieden gefunden und brachen jetzt das erste Mal ohne Hast zu ihrer weiteren Reise auf.

Ein Klaps mit der flachen Hand auf seinen Hinterkopf riss ihn aus seinen Gedanken. Jelninolan funkelte ihn aus strengen Augen an und deutete dann vielsagend auf die verhedderte Rüstung.

»Wenn ich das hier schon für dich richte, könntest du wenigstens hinsehen und lernen«, sagte sie unwirsch.

Die Hohepriesterin war noch nie streng zu Ahren gewesen und er musste sich erst einmal von diesem Schock erholen. Anscheinend waren seine Gesichtszüge derart entgleist, dass die Elfe nicht anders konnte, als aufzulachen. Sie tätschelte seine Wange und ihr Blick wurde weicher, bevor er wieder zur Rüstung glitt.

»Du wolltest, dass wir dich erwachsener behandeln. Uldini lebt schon über tausend Jahre und bekommt von mir noch immer Kopfnüsse. Also gewöhne dich daran, dass ich auch dich in deine Schranken weise, wenn ich es für richtig halte«, sagte sie abwesend, während sie konzentriert an den Bändern zog.

Ahren nickte beflissen und wünschte sich zum ersten Mal, nicht auf eine andere Behandlung innerhalb der Gruppe bestanden zu haben.

»Aber ich wusste doch nicht, dass so etwas passieren würde«, versuchte er sich an einer Verteidigung.

Der harte Blick kehrte ins Gesicht der Elfe zurück, als sie ihn wieder anblickte.

»Du hast für dich das Recht eingefordert, Fragen stellen zu dürfen und Antworten zu erhalten. Die einzige Frage, die ich gehört habe, war die, ob dieses Geschenk magisch sei. Dann hast du angefangen, daran herumzuspielen.« Sie redete nicht weiter, aber bei dieser Form der Zusammenfassung fühlte Ahren sich, als habe er sich wie ein Dreijähriger verhalten.

Er räusperte sich und sagte: »Tut mir leid, Tante Jelninolan«, wobei der die Anrede verwendete, die Uldini immer benutzte, wenn er versuchte, an die sanfte Seite der Hohepriesterin zu appellieren.

Die rothaarige Frau hatte Uldini damals aus der Sklaverei befreit und unterrichtet, als das Talent des Meistermagiers erwachte und er per Zufall mit neun Jahren das Geheimnis der Alterslosigkeit entschlüsselt hatte. Seitdem steckte er im Körper eines Kindes fest und Ahren war sich sicher, dass ein Teil seines sarkastischen Auftretens der Tatsache geschuldet war, dass der Magus versuchte, sein Gebaren so stark wie möglich von seinem Äußeren abzugrenzen.

Die Wirkung der familiären Anrede war ermutigend, denn Jelninolan grinste ihn warmherzig an.

»Denk nur nicht, dass ich nicht weiß, was du da versuchst. Lass das besser nicht Uldini hören, nur er nennt mich so. Er verbirgt es gut, aber seine eifersüchtige Ader sitzt tief. Du willst die Zeit bis zu deiner Ernennung sicher nicht als Topfpflanze verbringen, oder?«, flüsterte sie verschwörerisch.

Ahren schluckte. Er beschloss, das Thema zu wechseln und in Zukunft auf die Anrede zu verzichten.

»Wofür genau ist dieses Band?«, fragte er und deutete auf eines der Bänder, in das eine stilisierte Wellenlinie eingraviert war.

»Das ist das Wasserband oder auch Hüftband genannt«, antwortete Jelninolan. »Das müssen wir als Erstes lösen, dann lockern sich Feuer- und Wolkenband von selbst.«

Einen guten Teil des Vormittags ging die Priesterin mit Ahren die verschiedenen Platten und Bänder durch, wobei dem Lehrling auffiel, dass jeder Name der einzelnen Stücke und Verbindungen gut durchdacht war. Er fragte bei jeder Bezeichnung nach dem tieferen Sinn der Ernennung und erfuhr so, dass die Elfen eine Geschichte in die Rüstung gewoben hatten. Wenn man diese kannte und die Reihenfolge der einzelnen Leitmotive als Hilfsmittel nutzte, war es viel leichter, die Anordnung der Rüstung zu verstehen.

Die Bildgewaltigkeit und Vielschichtigkeit der Erzählung beeindruckte Ahren. Das Wasserband repräsentierte beispielsweise den Fluss, seine verschiedenen Wasserstände und dessen Beziehung zu Sonne und Regen. Das spiegelte sich in seiner Abhängigkeit vom Sonnen- und Wolkenband wider. So waren alle Bänder mehrfachen Verknüpfungen unterlegen, und indem man die Geschichte verstand, begann man die Rüstung zu verstehen.

Ahren stellte Frage um Frage und schließlich waren alle Knoten gelöst und die Lederplatten lagen wieder sauber geschichtet aufeinander.

»So, dann wollen wir mal. Am besten ziehst du dir ein Hemd an, sonst könnte es auf Dauer scheuern, wenn du die Rüstung trägst«, sagte Jelninolan neckisch und deutete auf seinen nackten Oberkörper.

Ahren wurde puterrot und lief ins Innere ihrer Behausung, um sich schnell ein frisches Leinenhemd überzuwerfen. Der Immergrün verwöhnte seine Bewohner mit milden Temperaturen und einem angenehm wärmenden Sonnenschein, und so hatte Ahren völlig vergessen, dass er noch immer halb unbekleidet dagesessen hatte. Er kehrte vor das Baumhaus zurück, wo die Elfe noch immer belustigt im Schneidersitz saß, vor sich das Geschenk, das sie gemeinsam entwirrt hatten.

Die Angewohnheit der Elfen, ihren Neigungen dort nachzugehen, wo sie sich gerade befanden, war noch immer befremdlich für Ahren. Sie hatten hier recht lange mitten auf dem Weg vor dem Haus gesessen und keiner der vorbeikommenden Elfen hatte sie mit mehr als einem höflichen Nicken bedacht. Ahren hatte elfische Handwerker auf dem Gemeinschaftsplatz schlafen sehen, also sollte es ihn nicht wundern, dass ihr kleines Entwirrungsspiel auf dem Gehweg niemanden gestört hatte.

Jelninolan kicherte in sich hinein, als sie Ahrens noch immer roten Kopf sah.

»Ich habe im Laufe der Jahrhunderte weit Aufregenderes gesehen als die Brust eines Menschenknabens, weißt du?«, kommentierte sie noch immer belustigt seine Schüchternheit.

Ahren kratzte sich verlegen am Hinterkopf und beschloss in einem Anflug aufkeimender Weisheit, nicht näher darauf einzugehen.

»Wir sollten hier fertig werden, bevor die anderen zurück sind. Uldini will dringend aufbrechen und mein Missgeschick hat uns heute viel Zeit gekostet«, sagte er stattdessen.

Ahren war sich bewusst, dass er mit einer seiner Verfehlungen von den anderen ablenkte, aber seine Zeit als Falks Lehrling hatte ihn jedes Funkens falschen Stolzes beraubt, den er vielleicht mal besessen haben mochte.

Ahrens Meister hatte ihm so viele Fehler gestattet, wie er wollte, solange der junge Mann sich stets bemühte, aus ihnen zu lernen. »Zupfe nicht an etwas herum, das du nicht verstehst«, war nun eine weitere Lektion im endlosen Strom an Ratschlägen, die er in Zukunft zu beherzigen gedachte.

Jelninolan nickte und hob vorsichtig die erste Schicht Bänder von dem Haufen.

»Steig hier mit dem linken Bein hinein und achte darauf, nicht an die anderen Bänder zu kommen«, sagte sie konzentriert.

Ahren nickte eifrig und Vorfreude wallte in ihm auf. Gespannt und vorsichtig folgte er den Anweisungen der Elfe, und nach einer verblüffend kurzen Zeitspanne waren alle Lederplatten an ihrem Platz. Er erkannte nun, dass das Vorbereiten der Rüstung die Hauptarbeit war. Sobald er hineinstieg und die Reihenfolge der einzelnen Segmente beachtete, taten die Bänder ihr Übriges und zogen und hoben die einzelnen Teile an ihren Platz.

Ahren drehte sich um sich selbst und bewegte die Schultern, sprang testweise in die Höhe und ließ sich in die Hocke fallen.

Die Lederplatten bewegten sich in perfekter Harmonie zu seinen Bewegungen und verschoben sich dabei kunstfertig über- und untereinander, so dass sein Körper stets durch mindestens eine Lederschicht geschützt blieb. Natürlich war sie vom Schutz her nicht mit Falks dicker Ritterrüstung zu vergleichen, aber dafür spürte er ihr Gewicht kaum, und er war sich sicher, dass sie ihn beim Waldlauf weniger behindern würde, als die simple Ledermontur, die er bisher getragen hatte.

Die Lederplatten waren in einem grünlichen Braun gefärbt, was ihm zusätzlich dabei helfen würde, im Wald unentdeckt zu bleiben, wenn er es wünschte. Er strahlte über beide Wangen und verbeugte sich leicht vor der Elfenpriesterin.

»Danke für dieses tolle Geschenk. Es fühlt sich fast wie eine zweite Haut an.«

Jelninolan verbeugte sich ebenfalls kurz und ihr Tonfall wurde förmlich, fast rituell. »Mit Freude gegeben, in Dankbarkeit empfangen und in Harmonie genutzt«, intonierte sie.

Dann richtete sie sich lächelnd auf und tätschelte ihm noch mal die Wange.

»Jetzt siehst du wie ein echter Waldläufer aus. Wir hätten dir auch noch einen neuen Bogen angefertigt, aber ein gewachsener Elfenbogen dauert mehrere Monde«, sagte sie bedauernd.

Ahren strich mit den Fingern bewundernd über das Leder. »Das macht doch nichts«, erwiderte er abwesend.

»Wenn du damit fertig bist, deine Rüstung zu streicheln, gäbe es da noch ein paar Sachen einzupacken«, ertönte die strenge Stimme Falks, als der grauhaarige Mann hinter der Biegung des Wegs hervorkam.

Schuldbewusst verschwand Ahren im Inneren und begann hastig, die Sachen der Gruppe einzupacken.

»Du hättest ihm ruhig noch einen Moment mit seinem neuen Spielzeug lassen können, oder?«, fragte Jelninolan den alten Waldläufer tadelnd.

Der zuckte die Achseln und blickte zufrieden auf den schuftenden Lehrling, während er sich verschwörerisch zu Jelninolan hinüberbeugte.

»In dem Alter muss man sie möglichst schnell und oft auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Sein verträumter Gesichtsausdruck erinnert mich schon wieder gefährlich an stupiden Heldenmut und Geschichten vom Drachentöten und Greifenjagen«, sagte er leichthin.

Dann wurde er ernst.

»Unser Vorhaben ist schwer genug für seine jungen Schultern. Er hat ein Stück seines Weges gemeistert, aber noch so viel zu lernen. Ich will in seinen Dickschädel so viele Lektionen hineinhämmern wie ich kann, bevor es richtig ungemütlich wird oder er nicht mehr zuhört«, fügte er leise hinzu.

Jelninolan legte ihm eine Hand auf den kräftigen Unterarm und drückte ihn sanft. »Du sorgst dich um den Jungen und willst nur das Beste für ihn. Ich bin sehr stolz auf dich. Seit damals hast du deine Mitte wiedergefunden, und dich um ihn zu kümmern, tut dir gut«, sagte sie voller Wärme in der Stimme. »Weißt du, was er sich als Belohnung für die Rettung der Stimme des Waldes gewünscht hat?«, fuhr sie fort und blickte ihn erwartungsvoll an.

Falk schüttelte den Kopf und die Hohepriesterin blickte ihm tief in die Augen. »Nur eine Sache: Dass wir deine Verbannung aus Eathinian aufheben. Er dachte nur an das Glück seines Meisters. Das zeigt, dass du deine Sache recht gut machst.« Sie unterstrich ihre Aussage mit einem Lächeln.

Falk hatte sich bei ihren Worten angespannt und stand nun stocksteif da. »Das hat er getan?«, fragte er ungläubig. »Wie habt ihr entschieden?«, schob er einige Herzschläge später furchtsam hinterher.

Jelninolan zuckte mit den Achseln und sah ihn unschuldig an. »Du weißt, wie die Ältesten in diesen Dingen sein können. Ich habe für dich gesprochen, aber die letzte Entscheidung fällen alle gemeinsam.« Sie umarmte ihn flüchtig, bevor sie fortfuhr. »Freue dich erst mal über die Treue deines Lehrlings. Alles andere wird sich zeigen.«

Falk nickte und schaute gerührt zu dem schwitzenden jungen Mann hinüber. Dann sammelte er sich und rief laut: »Wir würden gerne noch heute aufbrechen, wenn es dem jungen Herrn genehm ist.«

»Ja, Meister«, rief Ahren ergeben und verdoppelte seine Anstrengungen, während Falk zufrieden brummte und Jelninolan den alten Mann streng musterte. Der hielt dem Blick der Elfe einige Herzschläge stand und murrte dann: »Ich gehe ihm besser helfen, sonst dauert das noch den ganzen Tag.«

2. Kapitel

Bald hatten sie ihre Habseligkeiten verpackt und alles den Baum heruntergeschafft, wobei Falk kurzerhand eine der freihängenden Stoffbahnen als Rutsche missbraucht hatte. Zuerst war es Ahren skurril vorgekommen, dass alles in der Elfensiedlung aus Stoff zusammengefaltet, geknotet oder gewebt worden war, selbst die Wände der Häuser. Aber mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, und er bemerkte überrascht, dass er das minimale Nachfedern der Stoffwege unter seinen Füßen vermisste, sobald sie wieder auf dem Waldboden standen.

Viele Elfen waren gekommen, um sie zu verabschieden, und überall sah Ahren lachende und fröhliche Gesichter. Culhen war unter einem Haufen Elfenkinder begraben, und es tat Ahren in der Seele weh, dass er den jungen Wolf von seinen neu gewonnenen Spielgefährten fortführen musste. Hier hatte das Tier alles, was es sich wünschen konnte, und kurz ertappte er sich bei dem Gedanken, Culhen hier zu lassen. Aber die Vorstellung, ohne den Wolf an seiner Seite in die Fremde zu ziehen, schnürte ihm die Kehle zu, und er verwarf die Möglichkeit umgehend wieder.

Ihre Habseligkeiten waren deutlich angewachsen, zum einen, weil Jelninolan mit ihnen reiste und zum anderen, weil Uldini und Falk zusätzliche Ausrüstung zusammengestellt hatten. Ahren staunte nicht schlecht über den kleinen Berg an Gepäck und war froh, als Falk zwei Packpferde heranführte und seinem Lehrling signalisierte, diese zu beladen. Für einen Moment hatte Ahren sich mit einem riesigen Rucksack beladen gesehen, wie er hinter den anderen her schnaufte, während sein Meister darüber redete, dass dies Teil seiner Ausbildung sei. Also machte er sich schnell ans Werk und bepackte die beiden gutmütigen Tiere.

Jelninolan hatte sich währenddessen auch wieder zu ihnen gesellt, aber Ahren konnte keine Reisekleidung an ihr entdecken. Sie trug noch immer dieselbe fahlgrüne Leinenkleidung wie in der Frühe, und irgendwie war Ahren enttäuscht.

Er wusste, dass die Elfenpriesterin zusammen mit Uldini und den Paladinen in den Dunklen Tagen gekämpft hatte und war daher davon ausgegangen, dass Jelninolan wie eine strahlende Heldengestalt, strotzend vor magischen Gegenständen und auf einem gepanzerten Titejunanwa reitend in die Welt hinausziehen würde.

Aber stattdessen saß sie nun auf einer braun-weiß gefleckten Stute und sah, abgesehen von den spitzen Ohren, wie die Bauersfrau vom Hof nebenan aus. Selbst der Wanderstab, den sie bei sich trug, sah wie ein gewöhnlicher Stecken aus.

»Ihr reitet kein elfisches Streitross?«, fragte er, so höflich er konnte.

Jelninolan lachte und schüttelte dabei wild den Kopf, dass die roten Haare nur so in alle Richtungen flogen.

»Estelian verlässt nie den Immergrün. Eigentlich tut das kein Titejunanwa. Sie sind immerhin die Wächter des Waldes«, sagte sie leichthin. »Nur wenn die Elfen in den Krieg ziehen, stehen die Titejunanwas an ihrer Seite.«

»Und was ist mit Selsena?«, erwiderte Ahren. Er hatte das Einhorn zum ersten Mal im Ostwald von Tiefstein erblickt, als es ihn vor der Attacke eines Blutwolfs – Culhens Mutter – gerettet hatte, und Selsena war es ebenfalls zu verdanken, dass es Ahren gelungen war, den damaligen Welpen vom Fluch des finsteren Gottes zu befreien. Sie war seit Jahrzehnten an Falks Seite, auch wenn ein schwerer Streit sie jahrelang voneinander getrennt hatte.

»Sie ist ein Sonderfall«, antwortete die Elfe und wollte noch etwas hinzufügen, aber Falk kam ihr zuvor.

»Das alte Mädchen war schon immer recht stur und schert sich nicht darum, was andere sagen oder denken.« Dann legte er den Kopf schief, wie er es immer tat, wenn er und das Einhorn in Gedanken miteinander sprachen, und sagte schicksalsergeben: »War ja klar.«

Mit wehender Mähne galoppierte Selsena aus dem Wald herbei, die silbernen Augen fest auf Falk gerichtet und eine Welle aus Missbilligung verströmend.

Das Titejunanwa konnte telepathisch nur mit Falk reden, dafür aber die Gefühle anderer wahrnehmen und ihre eigenen aussenden. Und momentan drückte sie unmissverständlich ihre Meinung zu Falks bissigem Kommentar aus.

Der wand sich unbehaglich für einige Herzschläge und kraulte sie dann am Kopf oberhalb der Knochenplatte, die den Kopf des Tieres schützte und aus der ein langes gewundenes Horn und zwei gekrümmte, dolchähnliche Hörner hervorragten. Sie waren untereinander angeordnet, und Ahren hatte gesehen, welche Verwüstungen das mächtige elfische Streitross damit in einem Kampf anrichten konnte.

Jetzt war von dieser Kampfkraft jedoch nichts zu sehen, als Falks Zuwendungen ihren Missmut in eine Welle wohliger Zufriedenheit verwandelten. Ahren trat ebenfalls zu dem fast zwei Meter hohen Tier und legte einen Arm um ihren Nacken.

»Ich habe dich noch gar nicht gesehen, seitdem du uns gegen den Wächter des weinenden Tals geholfen hast. Ich konnte mich noch gar nicht für deine Hilfe bedanken.« Dann drückte er sich an sie, und Selsena erwiderte seine Zuneigung.

»Wenn dann alle mit dem Gruppenkuscheln und Süßholzraspeln fertig sind? Da draußen wartet ein Zwerg auf uns und der Ritualplatz für die Ernennung will auch noch gefunden werden. Es sei denn, ihr wollt hier weiter schmusen, bis eine gewisse schlechtgelaunte Gottheit erwacht.«

Uldinis kleine Tirade beendete das freudige Wiedersehen mit dem Einhorn auf rabiate Weise. Selbstzufrieden blickte die kleine Gestalt trotzig in die Runde, als ihn zornige Blicke trafen.

»Was denn?«, fragte er unschuldig. »Einer muss hier doch einen klaren Kopf behalten, oder ihr würdet euch den lieben, langen Tag gegenseitig auf die Schultern klopfen.«

Schwungvoll drehte er sich zu den versammelten Elfen um und rief mit magisch verstärkter Stimme: »Liebe Freunde, leider ist nun der Zeitpunkt gekommen, euch zu verlassen. Wir werden gut auf Jelninolan aufpassen. Ihr jedoch verbreitet bitte die Kunde im ganzen Immergrün, dass die Zeit des Dreizehnten gekommen ist und wir bald die Stärke der Elfen brauchen werden, um gegen ihn zu bestehen«, intonierte er förmlich.

»Sich über uns beschweren, aber selber bei einem kleinen Abschied sofort schmalzig werden«, murmelte Falk laut genug, dass jeder in der Gruppe es hören konnte.

Die anderen kicherten und Uldini drehte sich vergrätzt zu dem alten Waldläufer um.

»Ich habe ebenso zu den Elfen, wie auch zur Geschichte gesprochen. Diese Worte finden den Weg in jede relevante geschichtliche Aufzeichnung. Nicht jeder ist mit einem: ‚Bringen wir es hinter uns‘, zufrieden«, schmollte der Magus.

Falk zuckte unbeeindruckt die Achseln. »Ich fand es damals passend und es hat den Nagel auf den Kopf getroffen«, erwiderte er trocken.

Bevor Ahren fragen konnte, worüber die beiden jetzt wieder stritten, trat einer der alten Elfen vor.

»Wir haben über den Wunsch des jungen Ahren beraten und entschieden: Das Volk von Eathinian heißt den, der uns als Falk der Waldläufer bekannt ist, willkommen, sobald er seine Aufgabe vollendet hat, mit der er betraut wurde.« Dann legte er seine Hand aufs Herz und winkte Falk einmal zu.

Wie eine Welle des Willkommens wiederholten alle anderen anwesenden Elfen die Geste, und mit Tränen in den Augen tat Falk es ihnen nach. Der Wind rauschte sanft in der feierlichen Stille, die alle in ihrem Bann gefangen hielt, und es schien beinahe, als würde der Wald selbst dem Waldläufer seinen Segen geben.

Schließlich umarmte Jelninolan den alten Mann und auch Ahren konnte nicht an sich halten. Das Schweigen brach, als endlich ein fröhliches Lachen des Waldvolkes an seine Stelle trat. Alle versammelten Elfen riefen Falk ihre Glückwünsche entgegen, Selsena wieherte und sandte ihre Triumphgefühle in die Welt hinaus, während Culhen fröhlich kläffend um die kleine Gruppe herumsprang.

»Oh, gut. Noch mehr Geknuddel. Wir werden hier nie mehr wegkommen«, seufzte Uldini resigniert. Dann schwebte er hinüber, um seinem alten Freund ebenfalls zu gratulieren.

Kurze Zeit später machten sie sich auf den Weg.

Alle saßen auf ihren Pferden und Jelninolan führte sie auf breiten Pfaden durch das Unterholz des Immergrüns, so dass sie in einem gemütlichen Trab gut vorankamen. Die Sonne stand hoch am Himmel und ihnen blieb nur noch eine halbe Tagesreise.

Falk hatte sich wieder gefangen und blickte immer wieder dankbar zu Ahren hinüber, der langsam unruhig wurde. Er war diese anhaltende Freundlichkeit seines Meisters nicht gewohnt und wusste nicht damit umzugehen. Also flüchtete er sich in Fragen an Uldini.

»Wie genau sieht denn nun unser Plan aus?«, fragte er.

Uldini zuckte die Achseln und zog eine Augenbraue hoch. »Wir besiegen ihn, der zwingt?«, fragte der Magus nonchalant.

Ahren unterdrückte einen Seufzer. Wenn der Magus in dieser Stimmung war, würde er seine Fragen präziser stellen müssen. »Wo genau geht es von hier aus hin und was müssen wir dort tun, um meine Ernennung durchzuführen?«, versuchte er es noch mal.

Uldini wurde ernst und begann die Etappen der Reise an seinen Fingern abzuzählen.

»Also, zuerst müssen wir durch die Rittermarschen zur Königsinsel. Dort liegt der einzige Hafen in dieser Region, von dem aus Schiffe auf direktem Weg das Silberne Kliff ansteuern. Die Alternative wäre mehrere Wochen Umweg, und den Zeitverlust wollen wir vermeiden. Also werden wir von der Hauptstadt aus an der Küste entlang südwärts segeln und bei den Zwergen von Bord gehen. Da folgt der schwammige Teil unseres Plans. Wir wissen nicht, welche Aufgabe unser momentan namenloser Zwerg für seine einsame Wacht erfüllen muss. Da es dem Gesetz der Zwerge nach nur anderen Zwergen verboten ist, ihm bei seiner Aufgabe zu helfen, nutzen wir diese Lücke zu unserem Vorteil und greifen dem guten Kerl unter die Arme. Unsere kleine Gruppe hat genug ausgefallene Talente, die dem kleinwüchsigen Volk fehlen, so dass ich zuversichtlich bin, dass wir schnell aushelfen können«, erklärte Uldini. »Danach wird es einfacher: Wir ziehen auf dem Landweg durch Kelkor, greifen uns ein Mitglied vom Wilden Volk – am liebsten eine Fee – und bitten ihn oder sie, uns zum Ritualplatz zu führen.«

Uldini verfiel in Schweigen und blickte Ahren erwartungsvoll an. Der dachte eine Weile über das Gehörte nach und stutzte dann.

»Werden die Zwerge nicht wütend, wenn wir als Außenstehende in die einsame Wacht eingreifen? Es kommt mir ein wenig wie Schummeln vor«, fragte er.

Uldini zögerte kurz, schüttelte dann aber den Kopf.

»Nicht wirklich. Die einsame Wacht soll den Wert des einzelnen Zwerges für die Gemeinschaft beweisen. Wenn der Kandidat es schafft, Hilfe von außen zu organisieren, wurde der Allgemeinheit geholfen, ohne dass weitere Zwerge ihm helfen mussten. Das kleinwüchsige Volk ist da eher pragmatisch. Solange etwas erledigt wird und nichts kostet, sind sie glücklich«, sagte Uldini mit einem bewundernden Unterton in der Stimme.

Jelninolan schnaubte und schlug sich protestierend mit einer Hand auf den Oberschenkel, während sie zu dem Magus hinüberblickte.

»Du solltest sie für ihre Kaltherzigkeit und Unbarmherzigkeit nicht auch noch bewundern. Sie sind kleine Barbaren, die ihre eigenen Kinder in den Tod schicken, während diese versuchen, sich das Recht auf einen Namen zu verdienen«, empörte sie sich.

Uldini lächelte nur mild und zuckte mit den Achseln.

»Du kennst mich, Tantchen. Ich hatte schon immer einen Hang zum Praktischen. Eine gewisse Effizienz finde ich sehr erfrischend. Nicht jeder lebt in einem verzauberten Wald und besitzt ein natürliches Empfinden für Harmonie und Gleichgewicht. Wir anderen müssen uns unsere Erkenntnisse hart erarbeiten. Und unsere Wege sind nun einmal nicht eure Wege. Die freien Völker sind von Grund auf verschieden, und das ist auch gut so. Der Widersacher hätte damals gewonnen, wenn alle der elfischen Sichtweise gefolgt wären, und das weißt du auch«, entgegnete er.

Ahren war erstaunt, dass der Magus so entschieden mit seiner ehemaligen Mentorin stritt. Bisher schien die Elfe stets seine milde Seite angesprochen zu haben, aber bei diesem Thema vertrat Uldini anscheinend einen eisernen Standpunkt.

Jelninolan schwieg, und Ahren war sich sicher, dass die beiden diese Diskussion nicht zum ersten Mal führten. Er wollte den Streit zwischen den beiden nicht weiter vertiefen, also stellte er eine andere Frage, die ihm unter den Nägeln brannte.

»Wie lange werden wir denn dafür brauchen? Das klingt nach einem sehr langen Weg, und wenn ich Euch richtig verstanden habe, sollten wir möglichst bis zur Wintersonnenwende die Ernennung durchgeführt haben.«

Wie immer, wenn er daran dachte, dass sich der schlafende Gott mit jedem verstreichenden Atemzug von Ahrens Göttersegen nährte, um seinen Bannschlaf zu verkürzen, stellten sich ihm vor Furcht die Nackenhaare auf. Er spürte zwar nichts, aber die Versicherung des Magiers, dass diese unsichtbare Verbindung vorhanden und aktiv war, bereitete Ahren große Sorgen.

Uldini fuhr sich gedankenverloren mit der Hand über den kahlen Schädel.

»Genau deswegen treibe ich uns ja zur Eile an. Gestern Nacht habe ich mir die Sterne angesehen, es sind noch achtundneunzig Tage bis zur Wintersonnenwende. Die reine Reisezeit zur Königsinsel, weiter zum silbernen Kliff und danach durch Kelkor beträgt schon gute zwei Monde. Dann bleiben noch etwas über dreißig Tage für das Lösen der einsamen Wacht und das Finden des Ritualplatzes, sowie eventuelle Verzögerungen. Sobald wir aus dem Immergrün raus sind, werden wir es auch wieder mit Dunkelwesen zu tun bekommen. Du siehst, es könnte knapp werden«, erklärte er.

»Wieso wisst Ihr eigentlich nicht, wo Ihr das Ernennungsritual durchführen sollt?«, fragte Ahren leicht gereizt.

Bisher war ihm der Meistermagus immer als recht unfehlbar erschienen. Aber je mehr Fragen Ahren stellte, umso klarer wurde ihm, dass der alterslose Magier auch nicht auf alles eine umfassende Antwort hatte, und diese Erkenntnis verunsicherte ihn zutiefst.

»Bei einer üblichen Ernennung übertrug der alte Paladin die Macht auf seinen Sohn oder seine Tochter. Das Elternteil wurde wieder sterblich und die nächste Generation übernahm den Kampf. Der Ort war eher unerheblich. Aber in deinem Fall ist niemand da, der dir die Macht übertragen kann. Der Segen der Götter sprudelt stattdessen seit der Frühlingszeremonie aus dir heraus. Wir müssen einen passenden Ort finden, an dem wir die Macht in dir verankern können. Dort nutzen wir die Ernennung als kanalisierendes Ritual und danach bist du ein Paladin. Kein Versiegen der Macht und keine Stärkung des Feindes mehr. Einen sinnvollen Ort zu finden, ist aber nicht so einfach. So etwas wurde noch nie gemacht, wir haben also keinen Anhaltspunkt, welcher Ort der richtige sein könnte. Deshalb benötigen wir die Hilfe des Wilden Volkes. Das Wilde Volk besteht praktisch aus Magie. Sie können uns mühelos den Weg zu einem Ritualplatz weisen, der unsere Zwecke erfüllt.«

Die Stimme des kindlichen Magus klang jetzt wieder deutlich selbstsicherer und Ahren atmete auf. Er hatte genug, um das er sich Gedanken machen musste, ein ratloser Uldini war das Letzte, was er brauchen konnte.

Einen Punkt wollte er aber noch geklärt wissen.

»Wir müssen aber nicht zwingend bis zur Wintersonnenwende fertig sein, oder? Es ist doch nicht so, dass er dann direkt aufwacht, nicht wahr?«, bohrte Ahren in einem furchtsameren Ton nach, als ihm lieb war.

Jelninolan mischte sich jetzt in das Gespräch ein, anscheinend hatte sie den Streit mit Uldini mittlerweile verwunden.

»Nein, er würde nicht sofort aufwachen. Aber zur Wintersonnenwende, in der längsten Nacht des Jahres, wird er einen gehörigen Teil deines Segens für seine Zwecke missbrauchen können. er würde deutlich früher vollständig erwachen und bis dahin wären seine Attacken auf dich und die anderen Paladine viel klarer und zielgerichteter als jetzt. er hat den Tiefschlaf noch nicht einmal verlassen, und du hast gesehen, welche Steine er dir bisher schon in den Weg gelegt hat. Uldinis Ansatz ist vollkommen richtig. Wenn wir eine echte Chance haben wollen, die freien Völker gegen ihn zu vereinen und die Paladine an der Bannsäule zu versammeln, benötigen wir so viel Zeit, wie wir kriegen können.«

Der Tonfall der Elfe duldete keinen Widerspruch, und als der Magus zustimmend nickte, fasste Ahren den Entschluss, sein Möglichstes zu tun, um die Ernennung rechtzeitig durchzuführen. Ahren wusste nicht, was danach noch kommen würde, aber jetzt hatte er zumindest ein greifbares Ziel, auf das er hinarbeiten konnte.

3. Kapitel

97 Tage bis zur Wintersonnenwende

Ahren erwachte früh am nächsten Morgen aus einem unruhigen Schlaf.

Immer wieder hatte er davon geträumt, dass eine schattenhafte, skelettartige Hand in seine Brust griff und unendlich langsam sein Herz zerquetschte, während er in einer sternenlosen Nacht umherirrte und vergeblich um Hilfe schrie.

Ahren rieb sich mit der Hand über sein Gesicht und schüttelte die Nachwirkungen des Alptraums ab. Eigentlich sollte es ihm zu denken geben, dass er bereits derart an seine schlechten Träume gewöhnt war, aber im Endeffekt war er dankbar, dass er gelernt hatte, mit ihnen umzugehen.

Er erhob sich und streckte sich so leise wie möglich. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und anscheinend schliefen alle anderen noch.

Fast alle, korrigierte er sich. Die Decke, auf der Jelninolan gelegen hatte, war leer.

Ahren vermutete, dass sich die Elfe vom Immergrün verabschieden wollte. Laut Uldini würden sie im Verlauf des Tages in die Rittermarschen zurückkehren, weil sie auf den gepflasterten Handelswegen besser vorankamen und gleichzeitig mehrere Dutzend Längen Wegstrecke sparen würden, als wenn sie noch länger im Immergrün blieben.

Sie waren am Vortag noch eine ganze Weile geritten, bis es zu dunkel geworden war. Die Stimmung war nachdenklich und gedämpft gewesen.

Falk war seit der Aussicht, nach Eathinian zurückkehren zu dürfen, glücklich lächelnd vor sich hin geritten, und hatte anscheinend ein sehr langes Zwiegespräch mit Selsena geführt. Der Rest der Gruppe war in Grübeleien versunken, während Ahren die neuen Informationen des gestrigen Tages verarbeitet und Pläne geschmiedet hatte, wie er dabei helfen konnte, dass sie gut vorankamen.

Einen davon würde er nun in die Tat umsetzen. Natürlich konnte er das Reisetempo nicht maßgeblich bestimmen, aber er konnte dazu beitragen, dass die anderen nicht auf ihn warten mussten. Und er konnte sich, so gut es ihm möglich war, auf eventuelle Schwierigkeiten vorbereiten.

Also ergriff er nun seine Windklinge und suchte sich eine kleine, abgeschiedene Lichtung, um dort die Grundmuster aus Angriff und Parade zu üben, die ihm die Waffenmeisterin Falagarda vor einigen Wochen in Dreiflüsse eingebläut hatte.

Culhen erwachte, als er das Lager verließ, und Ahren bedeutete ihm mit einem Fingerzeig, leise zu sein. Der Wolf duckte sich sofort zu Boden und schlich leise zu dem Lehrling herüber. Zufrieden kraulte Ahren seinen Freund zwischen den Ohren, und gemeinsam schlichen sie davon.

Ahren orientierte sich kurz und wählte dann eine Lichtung, über die sie am Tag zuvor geritten waren, kurz bevor sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Noch während er sich dem Ort näherte, begann er seine Muskeln zu lockern, als er plötzlich innehielt.

Geräusche, die er nicht zuordnen konnte, erklangen von seinem erwählten Trainingsplatz. Eine Art rhythmisches Pochen, das durch den Wald hallte und definitiv nicht natürlichen Ursprungs war.

Er schlich langsam näher, während Culhen es ihm gleichtat. Tief in ein Gebüsch geduckt, schob sich Ahren schließlich vorwärts und spähte den knapp zehn Schritt durchmessenden Flecken aus, der im schwachen Zwielicht des zarten Morgengrauens dalag. Überrascht atmete er aus und erhob sich erleichtert aus den Zweigen, als er die Quelle der Geräusche erkannte.

Jelninolan stand dort an einem umgefallenen Baum und ließ ihren Wanderstab in fließenden Bewegungen immer wieder auf den Stamm niedergehen, wobei sie Schlagwinkel und Angriffsart ständig wechselte und den Stab dabei immer wieder in verwirrenden Kreisen um ihren eigenen Körper führte. Selbst als unbeteiligter Zuschauer fiel es ihm schwer, vorauszuahnen, aus welcher Richtung der nächste Schlag kommen würde.

Ahren sah, dass die Leinenkleidung der Elfe bereits schweißdurchtränkt war, und schätzte, dass Jelninolan schon eine Weile auf den Baumstamm eindrosch. Er trat aus dem Gebüsch, und seine entspannte Körperhaltung veranlasste Culhen dazu, seine wachsame Anspannung ebenfalls aufzugeben. Der Wolf sprang schwanzwedelnd auf die Lichtung und eilte mit einem freudigen Winseln auf die Elfe zu. Die reagierte umgehend mit einer Drehung um die eigene Achse, während der Stab schnurgerade auf Culhens Schnauze niedersauste.

Bevor Ahren einen Warnschrei ausstoßen konnte, stoppte das Holz eine Handbreit über dem Kopf des verdutzt dreinblickenden Jungwolfs, der sich vor Schreck auf die Hinterbeine setzte und Jelninolan leise anwinselte.

Die Elfenpriesterin ließ lachend den Stab fallen und griff mit beiden Händen in Culhens weißes Fell, um den Wolf zu trösten. Während er sich von ihr behaglich streicheln ließ, blickte sie über seinen Rücken in Ahrens Richtung.

»Ich bin wirklich eingerostet, wenn ich euch beide auf so kurze Distanz nicht gehört habe«, sagte sie außer Atem. »Es ist aber auch nicht gerade klug, sich im Zwielicht an eine trainierende Kämpferin anzuschleichen. Wären meine Reflexe in den vergangenen Jahren noch stumpfer geworden, hätte dein Wolf eine ganz schöne Beule abbekommen.«

Ahren hob vielsagend seine Windklinge.

»Wir wollten hier auch üben, solange die anderen noch schlafen. Ich muss gestehen, ich habe nicht erwartet, dass Ihr Euch im Waffengang üben würdet. Schließlich seid Ihr Priesterin und Zauberin und so«, schloss er etwas lahm.

»Und die müssen sich nicht verteidigen können? Auf was für seltsame Ideen ihr Menschen manchmal kommt. Meine Magie umfasst viele Facetten: Illusionen, Heilung und das Erspüren von Gedanken. Aber Feuerbälle wie Uldini habe ich nie gewirkt. Mir fehlt der Wille, tödlichen Schaden zuzufügen, und daher sind meine Kampfzauber eher schwach und passiv. Ich bevorzuge den Stock, wenn es hart auf hart kommt. Richtig eingesetzt ist er sehr effektiv, und mit der nötigen Präzision kann man damit sein Gegenüber ausschalten, ohne ihn töten zu müssen«, sagte sie in nachdrücklichem Ton.

Neugierig trat Ahren näher und nestelte dabei an der Scheide seiner Klinge herum.

»Aber ein Dunkelwesen muss doch getötet werden, oder nicht? Zögert Ihr damit das Unweigerliche nicht nur hinaus?«, fragte er vorsichtig, denn der Priesterin zu widersprechen, fiel ihm schwer.

Sie wirkte immer so erhaben und im Einklang mit allem, dass es Ahren kaum möglich war, zu glauben, sie könnte mit etwas falsch liegen. Doch die gestrige Konfrontation mit Uldini hatte ihm gezeigt, dass sogar der Horizont einer alterslosen Elfenpriesterin nicht unendlich war.

Sie blickte nachdenklich auf Culhen hinab und sagte nur: »Jedes Dunkelwesen muss also getötet werden? Was wohl Culhen dazu sagen würde?«

Ahren schämte sich für seine Wortwahl. Er selbst hatte sich seinem Meister widersetzt, als er den Welpen der Blutwölfin gefunden und sich geweigert hatte, ihn umzubringen. Ohne seinen Glauben an eine Lösung, die kein Blutvergießen beinhaltete, wäre sein vierpfotiger Freund jetzt nicht hier.

Bevor er antworten konnte, redete die Elfe weiter.

»Ich weiß natürlich, was du meinst, aber ich versuche den Schaden, den ich anrichte, zu begrenzen. Wer weiß schon, was mit all den Lebewesen, die er in seinen Bann gezwungen hat, passiert, wenn du und die anderen Paladine ihn aufhaltet. Verwandeln sie sich zurück, sterben sie oder haben sie endlich einen freien Willen? Stell dir vor, du rottest alle Blutwölfe aus, nur um dann festzustellen, dass du ihre gesamte Art hättest retten können – frei von Blutdurst, ihren Platz in der Schöpfung einnehmend.«

Während sie sprach, streichelte sie Culhens Fell, und der Jungwolf hatte sich mittlerweile auf den Rücken geworfen, damit die Elfe auch seinen Bauch kraulen konnte.

Ahren biss sich nachdenklich auf die Lippe und nahm sich vor, über die Worte der Priesterin nachzudenken. Seit dem Vortag wusste er, dass aus ihr immer auch die Elfe sprach, die eine natürliche Verbundenheit zu allen Dingen spürte, und Ahren teilte ihre Einstellung, dass man ein Leben zuallererst schützen sollte.

Er nickte ihr verständig zu und räusperte sich dann, während er entschuldigend auf seine Waffe deutete.

»Ich muss meine morgendlichen Übungen durchgehen, bevor die anderen wach werden. Ich möchte heute nicht wieder der Grund für eine Verzögerung sein.«

Neugierig blickte die Elfe auf Ahrens Schwert.

»Das ist eine Windklinge, nicht wahr? Ich habe schon sehr lange keine mehr gesehen. Wusstest du, dass es ursprünglich eine elfische Waffe war?«, sagte sie.

Verblüfft schüttelte Ahren den Kopf. »Ich dachte, Windklingen stammen aus dem Ewigen Reich«, erwiderte er.

»Mittlerweile schon, ja. Aber entwickelt wurden sie von uns, zu Beginn der Dunklen Tage. Die Menschen des Ewigen Reiches hatten eine große Begabung für ihre Handhabung und entwickelten sie weiter, sowohl in der Form, als auch in der Technik. Als wir Elfen beschlossen, uns aus den Gräueln des Nahkampfes zurückzuziehen, geriet die Kunst ihrer Fertigung bei uns in Vergessenheit. Stattdessen konzentrierten wir uns auf unsere Bogenkunst.«

Sie schien sich einen Moment in Erinnerungen zu verlieren, dann wurde ihr Blick wieder klar.

»Zeig mir mal, was du kannst«, bat sie ihn. »Die Fußtechnik unterscheidet sich kaum vom Stockkampf und vielleicht kann ich dir noch ein paar nützliche Tipps geben.«

Ahren nickte etwas verlegen und zog die Waffe aus ihrer Hülle. Die ersten Sonnenstrahlen huschten verstohlen durch das Blätterdach des Elfenwaldes und das glänzende Metall der gebogenen Klinge fing eine davon auf.

Ahren glitt in den Zustand, den Falk als die Leere bezeichnete, eine Form der Meditation, die es ihm ermöglichte, alle Ablenkungen auszublenden. Auch wenn es dem Lehrling mittlerweile gelang, die Leere während seiner Übungen recht mühelos zu erreichen, versagte seine Fähigkeit noch oft genug, wenn es wirklich darauf ankam. Meist hielt sie nur für einige Herzschläge, aber wie bei seiner Konfrontation mit dem Wächter des weinenden Tals, einer Riesenschlange, reichte auch diese kurze Zeitspanne, um Schaden anzurichten, wenn der Moment passend gewählt wurde. Anstatt sich mit dem Monster anzulegen, hatte er es ausgetrickst. Er hatte die magische Laute von dem Baum, an dem sie hing, geschossen, damit Culhen sie zu Jelninolan bringen konnte, während Selsena das riesige Vieh abgelenkt hatte.

Jelninolan verlagerte ungeduldig ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und schaute ihn auffordernd an, also löste sich Ahren aus seinem Tagtraum und begann durch die einzelnen Bewegungen zu gleiten.

Still schaute die Elfe zu, ohne auch nur einen Kommentar abzugeben. Als Ahren schließlich schwer atmend wieder vor ihr zum Stehen kam, nickte sie nur.

»Sehr schön. Und jetzt mach das Ganze noch einmal, aber rückwärts«, befahl sie.

Der junge Mann hielt inne.

»Rückwärts?«, fragte er ungläubig.

»Ja. Drehe die Reihenfolge um. Die letzte Parade zuerst, dann der vorletzte Angriff und so weiter.« Erwartungsvoll lächelnd stand die Priesterin da und lehnte sich auf ihren Stab.

Zu seinem Entsetzen quälte sich Ahren holprig und unendlich langsam durch die Bewegungen. Die Übergänge waren unsauber, seine Fußstellung geriet durcheinander und die Schläge waren fahrig. Als er schließlich fertig war, war Ahren am Boden zerstört.

»Du hast die Reihenfolge noch nie geändert, oder? Dann sehen die Techniken zwar sehr schön aus, erfüllen aber nicht ihren Zweck. Du musst lernen, zu variieren. Danach musst du lernen, zu reagieren. Die Parade oder der Angriff muss dann erfolgen, wenn du sie benötigst, und nicht erst, wenn sie an der Reihe sind.« Ihre Stimme war sanft und frei von Tadel, aber Ahren hatte trotzdem das Gefühl, sich verteidigen zu müssen.

»Falk hat nie etwas davon gesagt, die Reihenfolge zu ändern.«

Noch während er das sagte, hörte er, wie kindisch es klang, seinem Meister die Schuld geben zu wollen, aber er fühlte sich betrogen. Der junge Mann hatte tatsächlich begonnen, sich für einen passablen Schwertkämpfer zu halten und die Priesterin hatte mit einer einfachen Variation seiner Übungen seine Illusionen innerhalb eines Augenblicks zerstört.

Die rothaarige Elfe lächelte gutmütig und klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken.

»Falk trifft keine Schuld. Seine eigene Ausbildung war eher klassisch militärisch. Üben der Grundschritte, bis sie in Fleisch und Blut übergegangen sind, danach folgte der Rest. Dasselbe hat er mit dir gemacht und daran ist eigentlich nichts auszusetzen. Aber jetzt müssen wir diese Muster aufbrechen, bevor du darin erstarrst. Schau nicht so traurig, sieh es als Fortschritt. Du bist jetzt so weit, die nächste Sprosse einer sehr langen Leiter zu erklimmen«, tröstete sie ihn.

Ahren fühlte sich jetzt etwas besser und lächelte sie dankbar an, entschlossen, diese neue Herausforderung in seinem Schwerttraining zu meistern.

Jelninolan stellte sich gerade hin und nahm ihren Stock in beide Hände, während sie die Enden hin- und herschwang.

»Also gut, dann versuche jetzt, mich zu treffen«, forderte sie ihn auf.

Zweifelnd blickte Ahren auf die blanke Klinge in seiner Hand und sagte zögerlich: »Aber … ich will Euch nicht verletzen.«

Ein energisches Lächeln glitt über Jelninolans Züge.

»Dann werde ich wohl besser vorsichtig sein.«

Als das Tageslicht den Immergrün zurückerobert und Falk und Uldini das Lager abgebrochen hatten, kehrten eine fröhlich pfeifende Elfe und ein arg zerschlagener, humpelnder Ahren zu den Pferden zurück.

Falk riss die Augen auf und fragte ungläubig: »Was ist denn mit dir passiert? Hat dich ein Baum getroffen?«

»So ähnlich«, nuschelte Ahren und befühlte mit der Zunge einen seiner Backenzähne, von dem er glaubte, er sei etwas locker, nachdem ihn dort ein fieser Hieb getroffen hatte.

»Wir haben nur etwas trainiert«, sagte Jelninolan leichthin.

»Tantchen, wenn du unseren angehenden Paladin hier und jetzt auseinandernehmen willst, dann sag uns das, dann können wir uns die lange Reise sparen«, sagte Uldini sarkastisch.

Sie blickte zu Ahren hinüber und legte nachdenklich einen Finger auf ihre Lippen.

»Ich bin etwas aus der Übung und habe ihn öfter getroffen als beabsichtigt«, sagte sie bedauernd.

Dann ging sie zu Ahren und nahm vorsichtig sein Gesicht in ihre Hände. Sie wisperte etwas auf Elfisch und der Schmerz verging, als sich eine sanfte Kühle in seinem gesamten Körper ausbreitete. Jelninolan betrachtete ihn kritisch und nickte zufrieden.

»So gut wie neu. Bis heute Mittag sollte alles verheilt sein. Danke, mein Lieber, ich denke, das werden wir morgen früh wiederholen«, sagte sie zuckersüß.

Ahren starrte seinen Meister mit schreckgeweiteten Augen an und flehte dabei stumm um Hilfe.

Der alte Mann lachte leise und erbarmte sich dann schließlich.

»Wenn du meinen Lehrling zusammenschlägst, stimmst du das bitte vorher mit mir ab. Eigentlich wollte ich ihn heute an die Kandare nehmen, aber wenn ich ihn jetzt überfordere, geht er noch kaputt. Du kannst ihn jeden zweiten Tag verdreschen … ich meine: trainieren.«

Ahren starrte seinen Meister entgeistert an, als dieser ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, die regelmäßige Tortur durch die Priesterin in Aussicht stellte. Falk fing seinen Blick auf und das Neckische verschwand aus seiner Stimme.

»Ich tue dir einen Gefallen. Jelninolan hat von uns allen die meiste Kampferfahrung, und das will schon etwas heißen. Sie kann dir eine Menge beibringen, vor allem über die Grundlagen. Und wenn du nach einem kurzen Training schon so aussiehst, wie jetzt, hast du die Übung bitter nötig. Und nun mach dich fertig und iss etwas. Wir wollen bald aufbrechen«, sagte er streng.

Damit war das Thema erledigt, und Ahren erkannte ernüchtert, das sein brummiger Meister nach nur einem Tag der Freude über die Aufhebung des Exils wieder ganz der Alte war. Vielleicht hätte Ahren sich doch etwas anderes als Belohnung wünschen sollen.